Kultfigur vor der Linse –

Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 in deutscher Fassung

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

einer Magistra der Philosophie

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Stefanie FRIEDRICH

am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft

Begutachterin: Ao.Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in phil. Michaela Wolf

Graz, 2014 Danksagung

Mein Dank gilt all jenen Menschen, die mich mit ihren verschiedenen Talenten bei der Verwirklichung dieser Arbeit unterstützt haben:

Chri, danke für deinen grenzenlosen Optimismus und die Gabe, mir zu zeigen was wirklich wichtig ist im Leben.

Meiner Familie, danke, dass ihr immer an mich geglaubt habt. Mama und Evi, danke, dass ihr mich zum Lesen und Lernen animiert habt.

Anna, danke, dass du mit mir die Freuden und Leiden des Studiums geteilt hast, alles was ich produziert habe immer sorgfältigst korrigiert hast und immer für mich da bist.

Carmen, danke für deine Ehrlichkeit und deine lustige und überdrehte Art.

Berna, danke für die philosophischen Gespräche und den Urlaub am Bauernhof.

Emine, danke, dass wir schon so lange Freundinnen sind und wir es trotz geographischer Distanz immer noch sind.

Julia, danke für deine unerschütterliche Art, deinen trockenen Humor und die vielen gemütlichen Abende.

Tina, danke für dein tolles Lachen und deine soziale Ader.

Dani, danke für die Diplomarbeitsgespräche und die legendären Abende in Granada, Lissabon, Wien und Graz.

Michaela, danke für deine rasche Korrektur und deine konstruktive Kritik, die mich immer wieder motivierten meine Arbeit zu überdenken und zu verbessern.

Danke an alle, die mich während des Studiums unterstützt haben und mich stets aufs Neue motivierten.

2 Inhaltsverzeichnis Einleitung...... 6 1 Dokumentarfilmtradition in den USA und im deutschsprachigen Raum ...... 8 1.1 Definitionen...... 8 1.1.1 Genre versus Gattung ...... 8 1.1.2 Documentary, Nonfiction, Dokumentarfilm, Dokumentation ...... 8 1.2 Geschichte, Entwicklung und Tradition des Dokumentarfilms ...... 10 1.2.1 Dokumentarfilm in den USA ...... 11 1.2.2 Dokumentarfilm im deutschsprachigen Raum ...... 16 1.2.2.1 Österreich...... 16 1.2.2.2 Schweiz...... 20 1.2.2.3 Deutschland...... 21 2 Michael Moore...... 24 2.1 Biographie und Werke ...... 24 2.2 Werke und Stilentwicklung ...... 26 2.2.1 Roger & Me...... 27 2.2.2 ...... 28 2.2.3 Fahrenheit 9/11 ...... 29 2.2.4 ...... 30 2.2.5 Capitalism: A Love Story ...... 30 3 Die Originalversionen Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11...... 32 3.1 Inhalt...... 32 3.1.1 Bowling for Columbine...... 32 3.1.2 Fahrenheit 9/11 ...... 37 3.2 Rezeption in den USA...... 42 3.2.1 Bowling for Columbine ...... 42 3.2.2 Fahrenheit 9/11 ...... 45 4 Die Übersetzung von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 im deutschsprachigen Raum ...... 49 4.1 Audiovisuelle Translation ...... 49 4.2 Dokumentarfilmübersetzung ...... 51 4.3 ÜbersetzerInnen der deutschen Fassung von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 ...... 54 4.3.1 Bowling for Columbine ...... 55 4.3.2 Fahrenheit 9/11...... 56 4.4 Rezeption im deutschsprachigen Raum ...... 57 4.4.1 Bowling for Columbine ...... 58

3 4.4.2 Fahrenheit 9/11 ...... 61 5 Genreanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11...... 65 5.1 Das „Michael Moore Genre“ ...... 65 5.2 Spezifische Genreelemente in Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11...... 70 5.2.1 Genreelemente in Bowling for Columbine ...... 70 5.2.1.1 Autobiographische Elemente ...... 71 5.2.1.2 Moore vor der Kamera ...... 72 5.2.1.3 Voice-over-Kommentar ...... 74 5.2.1.4 Schnitt und Musik ...... 74 5.2.2 Zusammenfassung...... 75 5.2.3 Spezifische Genreelemente in Fahrenheit 9/11...... 75 5.2.3.1 Autobiographische Elemente ...... 76 5.2.3.2 Interview ...... 76 5.2.3.3 Voice-over-Kommentar ...... 77 5.2.3.4 Schnitt und Musik ...... 77 5.2.4 Zusammenfassung ...... 78 6 Paratextanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11...... 79 6.1 Paratexte nach Gérard Genette ...... 79 6.1.1 Der Name der Autorin/des Autors ...... 81 6.1.2 Der Titel ...... 81 6.1.3 Der Zwischentitel ...... 82 6.1.4 Der Waschzettel ...... 82 6.1.5 Das Motto...... 83 6.1.6 Das Vorwort ...... 83 6.2 Paratexte im Film ...... 84 6.2.1 Einlageblatt...... 85 6.2.2 Beiheft ...... 85 6.2.3 Auf der materiellen Scheibe...... 86 6.2.4 Auf der virtuellen Scheibe ...... 86 6.3 Paratexte zur US-amerikanischen DVD-Version von Bowling for Columbine..87 6.3.1 Einlageblatt ...... 87 6.3.2 Beiheft ...... 89 6.3.3 Auf der materiellen Scheibe ...... 90 6.3.4 Auf der virtuellen Scheibe ...... 90 6.4 Paratexte zur deutschsprachigen DVD-Version von Bowling for Columbine....92 6.4.1 Einlageblatt...... 92 6.4.2 Beiheft ...... 95 6.4.3 Auf der materiellen Scheibe ...... 95

4 6.4.4 Auf der virtuellen Scheibe ...... 95 6.5 Paratexte zur US-amerikanischen DVD-Version von Fahrenheit 9/11...... 97 6.5.1 Einlageblatt ...... 97 6.5.2 Beiheft...... 99 6.5.3 Auf der materiellen Scheibe...... 99 6.5.4 Auf der virtuellen Scheibe ...... 100 6.6 Paratexte zur deutschsprachigen DVD-Version von Fahrenheit 9/11...... 101 6.6.1 Einlageblatt ...... 101 6.6.2 Beiheft ...... 103 6.6.3 Auf der materiellen Scheibe ...... 104 6.6.4 Auf der virtuellen Scheibe ...... 104 6.7 Zusammenfassung ...... 106 7 Textanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 ...... 107 7.1 Kulturelle Aspekte von Translation...... 107 7.2 Verschiedene Manipulationsstrategien von CSIs...... 108 7.2.1 Conservation...... 109 7.2.2 Substitution ...... 109 7.3 Explanatory Variables ...... 110 7.3.1 Supratextual parameter ...... 110 7.3.2 Textual parameter ...... 111 7.3.3 The nature of the CSI...... 112 7.3.4 Intratextual parameter ...... 112 7.4 Textanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11...... 113 7.4.1 Supratextual parameter ...... 114 7.4.2 Textual parameters...... 115 7.4.3 Textstellenanalyse...... 116 7.4.3.1 US-amerikanische Identität und Patriotismus...... 116 7.4.3.2 Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung ...... 121 7.4.3.3 Terrorangst ...... 129 7.4.3.4 Zusammenfassung...... 136 8 Zusammenfassende Betrachtung der Analyseschritte...... 138 9 Conclusio...... 140 Bibliographie ...... 143 Anhang...... 160

5 Einleitung

Als Michael Moores Bowling for Columbine im Jahr 2002 beim Filmfestival in Cannes stehende Ovationen von 13 Minuten Länge bekam, brach der Dokumentarfilm alle Rekorde. Nachdem der Film 2003 den Academy-Award für den Besten Dokumentarfilm erhielt, nutzte Moore seine Rede, um den damals amtierenden Präsidenten George W. Bush zu diskreditieren. Fahrenheit 9/11 sorgte bereits vor seiner Veröffentlichung für Diskussion und wurde schließlich zum erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten. Dies sind nur einige Ausschnitte aus dem vielschichtigen und umstrittenen Werk und Leben Moores.

Nicht nur in den USA ist Moore als Filmschaffender und Kultfigur bekannt und vieldiskutiert, auch im deutschsprachigen Raum werden seine Werke und seine Person immer wieder ausführlich rezensiert. Moores Kritik am US-amerikanischen System hat Gewicht und begeistert die ZuschauerInnen – auch weil er als die Personifizierung eines typischen US-Amerikaners in den Köpfen des deutschsprachigen Publikums verankert ist. Seine Themen – wie Waffenbesitz, Wahlbetrug und Krankenversicherung – mögen ihren Ursprung in den USA haben, die Ironie und Tragik seiner Filme berühren jedoch auch das deutschsprachige Publikum.

Obwohl Moores Werke im deutschsprachigen Raum oft untersucht wurden, beschränkt sich die Literatur zumeist auf filmwissenschaftlicher Ebene auf die Analyse seines dokumentarischen Werkes. Dabei stehen die Hervorhebung seines einzigartigen Stils und die Diskussion, ob Moores Genre dem Dokumentarfilm zuzuordnen ist, im Vordergrund. Um die bisherige Forschung zu erweitern, wird in der vorliegenden Arbeit der Einfluss Moores und der US-amerikanischen Originalversionen von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 auf die deutschsprachigen Fassungen der beiden Dokumentarfilme untersucht. Moores Stil ist in diesem Zusammenhang als einzigartig zu definieren, was die Bezeichnung „Michael Moore Film“ nach sich zog. Seine unverwechselbare Art Dokumentarfilme zu montieren sowie sein Einfluss als politische Figur bzw. Kultfigur in den USA erklären Moores Bekanntheitsgrad. Es wird in dieser Arbeit angenommen, dass Moores Einfluss im deutschsprachigen Raum ebenfalls groß ist und sein Stil die deutschsprachigen Versionen der Filme maßgeblich beeinflusste. Daher wird von der Hypothese ausgegangen, dass trotz der unterschiedlichen Dokumentarfilmtraditionen genrespezifische Merkmale des „Michael Moore Films“ in den deutschen Fassungen

6 übernommen werden, um Moores einzigartigen Stil und seine Darstellung der US- amerikanischen Gesellschaft zu erhalten. Es wird weiters angenommen, dass die Paratexte der DVD-Versionen sich an den Originalversionen orientieren bzw. viele Paratexte nicht übersetzt wurden, was zur Verstärkung des US-amerikanischen Charakters führt. Außerdem wird die Annahme aufgestellt, dass die ÜbersetzerInnen US-amerikanische Kulturspezifika oft ohne Übersetzung ins Deutsche übertrugen, um den US- amerikanischen Charakter in die deutschsprachigen Versionen einfließen zu lassen.

Um die Hypothesen zu bestätigen, wird in Kapitel 1 eine Einführung zu den Dokumentarfilmtraditionen in den USA und im deutschsprachigen Raum gegeben, woraufhin in Kapitel 2 versucht wird, Moores Stil in Bezug auf die Dokumentarfilmtradition zu kategorisieren, indem ein Überblick über seine Werke gegeben wird. Darauf folgend wird der Inhalt der beiden Filme Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 sowie ihre Rezeption in den USA in Kapitel 3 besprochen. Kapitel 4 widmet sich dem Forschungsstand im Bereich der audiovisuellen Translation sowie der Dokumentarfilmübersetzung, um die vorliegende Arbeit im Feld der Translationswissenschaft zu positionieren. Außerdem wird in diesem Kapitel auf die ÜbersetzerInnen der beiden Dokumentarfilme eingegangen, sowie die Rezeption im deutschsprachigen Raum behandelt. Danach wird eine Analyse der Filme auf drei Ebenen durchgeführt. Zuerst wird dabei in Kapitel 5 auf die Genreebene eingegangen, wobei herausgefunden werden soll, welche Charakteristika Moores Stil auszeichnen und wie diese ins Deutsche übertragen wurden. Im zweiten Analyseschritt in Kapitel 6 werden die Paratexte untersucht, um zu eruieren, inwieweit die deutschsprachigen Paratexte von den US-amerikanischen Versionen beeinflusst wurden. Kapitel 7 beinhaltet den letzten Analyseschritt, der sich auf der Textebene mit den culture-specific items des Ausgangstextes und ihrer Übertragung in die Zielkultur beschäftigt. Die Zusammenführung der Analyseschritte folgt in Kapitel 8, in der schließlich diskutiert wird, inwieweit die aufgestellten Hypothesen bestätigt werden konnten.

7 1 Dokumentarfilmtradition in den USA und im deutschsprachigen Raum

In diesem ersten Kapitel folgen zunächst einige Definitionen für Begriffe der Filmtheorie, welche relevant sind, um den Begriff Dokumentarfilm zu verstehen. Danach wird auf die langjährige Dokumentarfilmtradition in den USA eingegangen, wobei die wichtigsten Filme, Filmschaffenden und Techniken besprochen werden. Dem folgt ein Abriss der Entwicklung des deutschsprachigen Dokumentarfilms, um diesen mit der US- amerikanischen Tradition vergleichen zu können.

1.1 Definitionen

Um den Begriff des Dokumentarfilms umfassend zu erläutern, folgen einige Definitionen zu den relevanten Begriffen Genre, Gattung, documentary, nonfiction, Dokumentarfilm und Dokumentation.

1.1.1 Genre versus Gattung

Die beiden Begriffe Genre und Gattung werden des Öfteren als Synonyme verwendet, obwohl der Begriff Gattung durch den darstellerischen Modus und die Intention gekennzeichnet wird. Knut Hickethier veranschaulicht den Unterschied anhand eines Beispiels. Das Krimigenre wird durch gewisse Handlungen geprägt, es wird ein Verbrechen begangen und dieses wird aufgeklärt. Jedoch kann das Genre mithilfe verschiedener Filmgattungen realisiert werden, zum Beispiel mit einem Spielfilm oder einem Animationsfilm (vgl. Hickethier 2007b:63). Das Genre ist außerdem medienübergreifend, da nicht nur Filme von Liebes-, Western-, und Kriminalgeschichten handeln, sondern auch Romane, Hörspiel und Bühnenstücke. Daher kann festgestellt werden, dass die ausschlaggebenden Charakteristika des Genres seine Strukturierung von Erzählmustern, Inhalt und Intentionen sind (vgl. Hickethier 2007a:203).

1.1.2 Documentary, Nonfiction, Dokumentarfilm, Dokumentation

Der Begriff documentary wurde zuerst von John Grierson, dem britischen Dokumentarfilmpionier, verwendet, als er 1926 eine Rezension des Filmes Moana von Robert Flaherty publizierte (vgl. Winston 1995:8). Damit wurde der Begriff neu geprägt, denn der Ursprung des Wortes liegt im lateinischen Wort „docere“, welches „lehren“

8 bedeutet. Grierson jedoch benutzte das Wort im modernen Sinn des Wortes „document“, nämlich ein authentischer und realer Bericht (vgl. Ellis 1989:4). Jedoch wollte Grierson nicht, dass documentary als rein mechanische Bezeichnung für die Produktion verwendet wurde. Daher stammt seine weitere Definition für documentary „the creative treatment of actuality“, woraus auch das Problem der Authentizität des Dokumentarfilms entstand (vgl. Winston 1995:11).

Damit wurde auch die langjährige Definition des Dokumentarfilms geprägt, wobei davon ausgegangen wird, dass Dokumentarfilme die Realität widerspiegeln und authentisch sind. Jacobs fasst dies wie folgt zusammen:

The documentary film came to be identifiable as a special kind of picture with a clear social purpose, dealing with real people and real events, as opposed to staged scenes of imaginary characters and fictional stories of the studio-made pictures. (Jacobs 1979a:2)

Die im Zitat geschilderte Dichotomie von Dokumentarfilm und Spielfilm war zu Beginn des Dokumentarfilms noch kein Thema von großer Relevanz, da die gezeigten Bilder von Ereignissen und Ländern handelten, welche außerhalb der Reichweite des Publikums lagen. Daher wurde die Authentizität der Bilder nicht angezweifelt (vgl. Kessler/Lenk/Loiperdinger 1995:8). Erst mit den Propagandafilmen des Ersten Weltkrieges, welche zur Verbreitung politischer Ideen genutzt wurden, begann die Authentizität zu bröckeln. Gunning sieht den Unterschied zu den ersten Dokumentarfilmen wie folgt:

[D]er Dokumentarfilm entsteht in dem Moment, in dem […] das filmische Material neu geordnet wird, also durch Schnitt und Zwischentitel in einen diskursiven Zusammenhang gestellt wird. Der Dokumentarfilm ist nicht mehr eine Abfolge von Aufnahmen; er entwickelt mit Hilfe der Bilder entweder eine artikulierte Argumentation, wie in den Filmen aus dem Krieg, oder eine dramatische Struktur, die auf dem Vokabular des continuity editing und der dem Spielfilm entlehnten Gestaltung von Charakteren beruht. (Gunning 1995:118)

Das Spektrum an Definitionen für den Begriff Dokumentarfilm entspricht den verschiedenen Gattungsformen, in denen er heutzutage produziert wird. Dabei gilt es außerdem, den Unterschied zwischen Dokumentarfilm und Dokumentation aufzuzeigen: Bei Dokumentationen steht das behandelte Thema im Vordergrund, wie etwa eine Reportage zu Bildungs- und Informationszwecken, während bei Dokumentarfilmen das Filmgenre fokussiert wird. Des Weiteren wird mit Dokumentation eher das Fernsehen

9 verbunden, während der Dokumentarfilm zumeist in der Welt des Kinos verankert ist (vgl. Stejskal 1986:36f.). Heller bietet eine sehr kompakte Definition, wenn er sagt, Dokumentarfilm sei „das breite Ensemble von Non-Fiction- oder Factual-Filmen“ (Heller 2007:149). Auch im Englischen wird der Begriff non-fiction oder nonfiction mit dem Dokumentarfilm in Verbindung gebracht und oft als dessen Synonym verwendet.

Bill Nichols, einer der bekanntesten Dokumentarfilmtheoretiker, definiert den Begriff Dokumentarfilm ausführlich, allerdings würde die Einarbeitung seiner Theorie in dieses Kapitel den Rahmen sprengen. Kurz zusammengefasst verdeutlicht Nichols die Schwierigkeit einer einfachen und allumfassenden Definition, wenn er sagt: „‘Documentary’ can be no more easily defined than ‘love’ and ‘culture’“ (Nichols 2001:20). Er geht nicht von einer einzelnen Definition aus, sondern betrachtet den Dokumentarfilm ausgehend von den Filmschaffenden, vom Text und von den RezipientInnen, wobei diese als Ensemble eine übergreifende Definition für den Dokumentarfilm bilden.

Obwohl seine umfassende Analyse der möglichen Definitionen für den Dokumentarfilm in die Tiefe geht, gesteht Nichols nach Erarbeitung seiner Definition dennoch Folgendes ein:

These are some of the expectations and procedural operations that documentary invokes. They arise in relation to conventions that inform the documentary text, especially those associated with realism. […] As we shall see, things are not quite this simple. All of these assumptions […] can themselves be thrown into question by documentary […]. (Nichols 1991:28)

Dieses Zitat verdeutlicht die Unmöglichkeit bzw. Entbehrlichkeit einer einzigen Definition für den Dokumentarfilm. Diese Entwicklung zu einem Genre mit vielen Subgenres und Definitionen soll im folgenden Unterkapitel besprochen werden, wobei die Geschichte und Tradition des Dokumentarfilms sowohl in den USA als auch im deutschsprachigen Raum beleuchtet wird.

1.2 Geschichte, Entwicklung und Tradition des Dokumentarfilms

Die Geschichte des Dokumentarfilms beginnt bereits bevor das Genre seinen heutigen Namen erhielt. Charakteristika des Dokumentarfilms lassen sich in den ersten Filmen finden, wie etwa Workers Emerging from a Factory (1894) von den Brüdern Lumière, oder W. K. L. Dicksons Record of a Sneeze (1894). Obwohl diese ersten Produktionen nicht viel

10 länger als eine Minute dauerten, hielten sie die Realität fest. Jacobs misst diesen ersten Filmen einen besonderen Status bei:

[T]hese early records of human beings and the circumstances of their involvement can be said to represent the first films of fact and the very genesis of the documentary idea. (Jacobs 1979a:2)

Die weitere Entwicklung des Dokumentarfilms bis zu einem eigenständigen Genre dauerte von 1894 bis 1922. Mit Nanook of the North von Robert Flaherty wurde der Grundstein für die englischsprachige Dokumentarfilmtradition gelegt (vgl. ibid.:2ff.).

1.2.1 Dokumentarfilm in den USA

Als Ausgangspunkt für den englischsprachigen Dokumentarfilm ist Robert Flahertys Nanook of the North aus dem Jahr 1922 zu sehen. Die Intention von Flaherty war damals, das Volk der Inuit, welches er auf seinen Forschungsreisen kennengelernt hatte, den US- AmerikanerInnen näher zu bringen. Wie bereits erwähnt, verwendete der Brite John Grierson daraufhin im Jahr 1926 für Flahertys Moana den Begriff documentary. Robert Flaherty gilt als das US-amerikanische Pendant zu John Grierson, und in der Fachliteratur werden beide als die für die Dokumentarfilmtradition allgemein maßgebenden Dokumentarfilmer dargestellt. Flaherty, auf der einen Seite, war Forscher und Entdecker. Sein Stil wurde geprägt von Beobachtung und der Akzeptanz anderer Lebensweisen. Er wollte in seinen Filmen nicht Kritik üben oder Menschen zur Aktion bewegen, sondern „he was attempting to make the unfamiliar familiar, to discover and reveal […] what was distant and far“ (Ellis 1989:72).

Im Gegensatz zu Flaherty wollte Grierson mit seinen Dokumentarfilmen Menschen bilden (hier wäre auch die einstige Definition des Wortes document geeignet) und Gesellschaftsfragen behandeln; er wollte die Menschheit dazu auffordern kritisch zu denken und auch zu agieren. Ellis beschreibt Griersons Grundgedanken folgendermaßen:

Grierson’s goals were always social, economic, and political. […] he [was not] interested in films that offered information or insights along with beauties which contributed to sympathetic understanding, unless they led to action. (Ibid.:73)

US-amerikanische Dokumentarfilme waren seit ihrer Entstehung mit politischen Positionen verbunden, vor allem mit links stehenden. Die zentralen Themen in den Dreißigerjahren des 20. Jahrhunderts waren die Depressionszeit, Arbeitslosigkeit, Armut,

11 Gewerkschaften und der Faschismus in Europa. Die vier Hauptproduzenten von Dokumentarfilmen waren politisch linksorientierte Gruppierungen, die politisch Rechte, die US-amerikanische Regierung und private SponsorInnen (vgl. ibid.:78ff.). Jacobs verbindet den Aufstieg des Dokumentarfilms in diesem Jahrzehnt mit seiner Verwendung als politisches Instrument:

In the turbulence of the early thirties the documentary film began to be used with frequency – and with telling effect – as a means of political persuasion, and by the time the decade came to a close it had been developed into a major medium of propaganda. (Jacobs 1979b:72)

Außerdem waren US-amerikanische Dokumentarfilme der Dreißigerjahre drehten sich zumeist um die Lebensweise der Bevölkerung. Deshalb behandeln auch zahlreiche Dokumentarfilme jener Zeit das Thema Landwirtschaft. Weitere Eigenschaften der Filme sind die zentrale Positionierung des Individuums und der romantische, verklärende und emotionale Charakter. Die USA wird allgemein als groß(artig) präsentiert, Sachverhalte werden überspitzt dargestellt, oft wird auf Tradition und Volksgeschichte verwiesen. Durch den Kriegseintritt der USA im Jahr 1941 wurden viele Dokumentarfilmorganisationen aufgelöst und der US-amerikanische Dokumentarfilm nachhaltig geprägt (vgl. Ellis 1989:101ff.).

Eine Form des Dokumentarfilms von 1941 bis 1945 waren Produktionen zur „Orientierung“ der neun Millionen US-amerikanischen Soldaten, vor allem die Serie Why We Fight. Als Basis für diese Filme galt wiederum der historische Hintergrund, warum die USA am Krieg teilnahm. Die Serie wurde mithilfe von Szenen aus der Wochenschau, Kriegsausschnitten, Hollywoodfilmen und Propaganda der Nationalsozialisten, zusammengestellt. Es wurde dabei nicht nur Filmmaterial verwendet, sondern auch Zeichnungen, Landkarten, Zeitungsschlagzeilen, animierte Diagramme, etc. wurden eingefügt (vgl. ibid.:135ff.).

Da zur Zeit des Zweiten Weltkrieges eine Vielzahl an Dokumentarfilmen produziert wurde, trat das Genre in den Vordergrund. Regierung, JournalistInnen und andere, die mit den Filmschaffenden zusammengearbeitet hatten, wurden sich der Macht des Dokumentarfilms bewusst und lernten diesen gezielt einzusetzen (vgl. Jacobs 1979c:186). Es wurde während der Kriegszeit mehr Geld für die Produktion von Dokumentarfilmen ausgegeben als jemals

12 zuvor. Aus diesem Grund stieg auch die Zahl der in Kinos gezeigten Filme und der RezipientInnen an (vgl. Ellis 1989:150). Daher nahmen Dokumentarfilmschaffende an, dass es nach Ende des Zweiten Weltkrieges möglich wäre, die Zahl der Dokumentarfilmproduktionen noch zu steigern. Stattdessen trat das Gegenteil trat ein, da die Regierung die finanziellen Mittel strich, weil sie die sogenannten Wartime Documentaries nicht mehr benötigte. Der Krieg hatte den DokumentarfilmerInnen Thema und Finanzierung gebracht; in der Nachkriegszeit verloren sie beides und „documentarians were faced with the necessity of reexaming their aims. A period of dislocation and readjustment followed“ (Jacobs 1979c:186). Nicht nur fehlte es den Dokumentarfilmschaffenden an finanziellen Mitteln, auch das Interesse an Kinobesuchen sank, da viele US-AmerikanerInnen ab 1948 in ihren Wohnzimmern dem Fernsehvergnügen frönten (vgl. Barsam 1973:220).

Die Dokumentarfilme der Fünfzigerjahre spiegelten die allgemeine Unsicherheit dieser Epoche in den USA wider. Auf der einen Seite befand sich die USA in einem Zustand wirtschaftlichen Aufstiegs, und die US-AmerikanerInnen vermehrten ihren Reichtum zusehends. Auf der anderen Seite hatte die USA mit zwei Konflikten zu kämpfen, dem Koreakrieg und dem Kalten Krieg. Der Konservatismus, den diese Dekade mit sich brachte, schlug sich ebenfalls auf die Dokumentarfilmproduktion nieder (vgl. Jacobs 1979c:276).

Für die Fünfzigerjahre kann also festgestellt werden, dass die meisten Dokumentarfilme produziert wurden, um die Menschen weiterzubilden; sie wurden zumeist nicht in Kinos gezeigt und waren für ein bestimmtes Publikum gedacht. Technisch gesehen wurden Filme nun mit mehr Spielraum produziert, viele enthielten fiktionale und dramatische Elemente und waren auch als Drama oder Erzählung aufgebaut. Außerdem wurden mehr und mehr SchauspielerInnen engagiert und auch die Verwendung von sync sound stieg. Diese Entwicklungen waren die Vorstufe für das cinéma vérité und direct cinema, welches in den Sechzigerjahren seinen Höhepunkt hatte (vgl. Ellis 1989:181).

Nach dem Einbruch der Dokumentarfilmproduktion in den Fünfzigerjahren wurden in den Sechzigerjahren eine Vielzahl an Filmen produziert und der Dokumentarfilm erlebte eine Renaissance (vgl. Barsam 1973:247). Vor allem durch die Entwicklung neuer Technologien, welche das Filmen von Optischem und Ton zur selben Zeit an jeglichem Ort

13 ermöglichte, kam es zur Entwicklung des direct cinema in den USA und des cinéma vérité in Frankreich (vgl. Ellis 1989:218).

Eine Vorreiterin des direct cinema in den USA war die Serie Close-Up! von Drew Associates. Ihre Technik geht von der objektiven Beobachtung aus, ohne in das Geschehen vor der Kamera einzugreifen. Einzig die Auswahl der zu filmenden Personen und Situationen wird als subjektiv angesehen (vgl. ibid.:223). Das Ziel des direct cinema war es:

to break down the barriers between film maker and subject, to oversimplify the procedure to get at the whole truth, […] and to catch events while they are happening, rather than to question events that have happened in the past. The technical characteristics of the new approach are simple: impromptu interviews, hand-held cameras, direct sound recording, and conscious informality. (Barsam 1973:249)

Diese Form des Dokumentarfilms erinnert an die Filme von Flaherty – das Individuum steht wieder im Mittelpunkt, diesmal jedoch nicht von RegisseurInnen geleitet. Es handelt sich hierbei eher um eine Erzählung, welche sich von früheren deskriptiven, poetischen oder argumentativen Dokumentarfilmen distanziert (vgl. Ellis 1989:227). Das direct cinema läutet eine neue Dokumentarfilmära ein, welche jedoch auch viele Fragen aufwirft: Würden die AkteurInnen des Films genauso agieren, wäre die Kamera nicht da? Hat die Kamera Einfluss auf ihre Handlungen? Haben die FilmemacherInnen durch Auswahl und Anordnung der Szenen die reale Handlung verändert? Was ist „Wahrheit“ und was ist „Fiktion“ (vgl. ibid.:232)?

Experimentellere Formen des Dokumentarfilms wurden ebenfalls ab den späten Sechzigerjahren produziert. Sie vereinen viele verschiedene Filmformen, zum Beispiel Bruce Conners Report (1967), „a collage of documentary, feature, instructional, commercial, and experimental film clips“ (ibid.:262).

Einer der bekanntesten Dokumentarfilmschaffenden ab 1967 war Emile de Antonio. Er produzierte Dokumentarfilme in Spielfilmlänge, oft waren es compilation documentaries.1 Seine Filme folgten nicht der breiten Masse, er vermied das direct cinema und seine politisch linke Einstellung spiegelt sich in seinen Produktionen wider (vgl. ibid.:281). Jeder einzelne seiner Filme dreht sich um die Innen- bzw. Außenpolitik der USA, wobei diese

1 Aus bereits existierenden filmischen und nichtfilmischen Materialien zusammengestellter Film mit zumeist dokumentarischem Charakter (Vossen 2007:364).

14 auf eine eindeutig subjektive Weise die Meinung des Filmschaffenden zeigen, die auch radical scavenging genannt wurde:

De Antonio is a strong advocate of bias and of foregrounding of opinion, thereby undermining the notion that documentary is principally concerned with transparency and non-intervention. […] [He is] revisiting existing footage to construct out of it an alternative and maybe even directly oppositional narrative front that which it inherently possesses. (Bruzzi 2000:24)

Seine Filme sollen das Publikum bilden, de Antonio möchte, dass die RezipientInnen seine Sichtweise politischer Ereignisse versteht und selbige auch für sich adaptiert. De Antonio stellt die Politiker, die er in seinen Filmen kritisiert, nicht als Hassfiguren da, sondern durch die Auswahl der gezeigten Szenen werden sie von selbst zu solchen. Oft hatte er Probleme mit Polizei und Geheimdienst, was ihn jedoch nicht von der Veröffentlichung seiner Filme abhielt. Ein weiteres Merkmal seiner Filme – außer die Collagetechnik – ist die ironische und humorvolle Kritik an der US-amerikanischen Geschichte, welche er jedoch mit der Ernsthaftigkeit der politischen Themen verbindet. De Antonio steht für die unkonventionelle Art der Verwendung von archivierten Filmmaterial, denn er verwendet einzelne Szenen und fügt diese zu einem komplett neuen Film zusammen. Dabei ist es ihm wichtig, Szenen in einem anderen Kontext zu zeigen und neue Betrachtungsweisen zu eröffnen. Dazu verwendet er auch Interviews und Voice-over (vgl. ibid.:24f.).

Eine typisch US-amerikanische Dokumentarfilmtradition ist das Filmen von Präsidenten. Kennedy und Nixon wurden zum Beispiel in close-ups nicht nur in ihrer Rolle als Präsidenten gezeigt, sondern auch als Privatpersonen. The War Room, etwa 30 Jahre später, zeigt hingegen die von den Medien beeinflusste Politik: Clinton wird als in einem Netz von RatgeberInnen gefangen und verliert dadurch seinen Charakter.

Eine weitere Entwicklung des Dokumentarfilmgenres ist der performative Dokumentarfilm, welcher sich um den Auftritt der DokumentarfilmdarstellerInnen oder der FilmemacherInnen dreht. Dieser Wechsel zur bewussten Intervention in den Film und expressiveren und reflexiveren Dokumentarfilmen begann in den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts. AutorInnen rücken in den Vordergrund, der Konflikt zwischen Subjektivität und Objektivität in Dokumentarfilmen ist deutlicher denn je und das Ignorieren von AutorInnen im Kanon des Dokumentarfilms wird aufgeweicht. Im englischsprachigen Raum gibt es also bereits die Tradition eines „performer-director“, wie Michael Moore

15 (USA), Molly Dineen (CAN) und Nick Broomfield (UK). Bruzzi beschreibt die Form ihrer Dokumentarfilme wie folgt:

These filmmakers […] participate in their films because they are interested in discovering alternative and less formally restrictive ways of getting to what they perceive to be the essence of their subjects. The means by which they achieve this are not those conventionally associated with truth-finding post-direct cinema as they entail breaking the illusion of film, thereby interrupting the privileged relationship between the filmed subjects and the spectator. (Ibid.:163)

Immer mehr solcher Dokumentarfilme, welche die Idealisierung des objektiven Films durch die frühere Dokumentarfilmtheorie zerstören, werden produziert und neue Möglichkeiten für die Entwicklung des Dokumentarfilms in den USA eröffnet.

Vor allem politische Dokumentarfilme waren in den letzten Jahren in den USA sehr beliebt. James McEnteer verbindet den Aufstieg des politischen Dokumentarfilms in den USA mit dem Wissensdurst der US-AmerikanerInnen:

There exists in America a great hunger to understand what’s really going on. […] Americans who truly wish to be informed about current events have begun to turn elsewhere for their information, including nonfiction films. (McEnteer 2006:xiif.)

Diese Form des Dokumentarfilms wird im folgenden Kapitel noch ausführlicher besprochen werden, da Michael Moores Dokumentarfilme sich unter anderem in diese Kategorie des Dokumentarfilms einordnen lassen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Dokumentarfilm in den USA, wie in diesem Kapitel gezeigt wurde, eine langjährige Tradition hat, welche zur Entwicklung des Dokumentarfilms weltweit beitrug. Im folgenden Kapitel wird nun auf die kürzere Tradition und erst vor Kurzem stark gestiegene Dokumentarfilmproduktion im deutschsprachigen Raum eingegangen.

1.2.2 Dokumentarfilm im deutschsprachigen Raum

1.2.2.1 Österreich

Im Gegensatz zur langen und wechselseitigen Geschichte des US-amerikanischen Dokumentarfilms, konnte sich der Dokumentarfilm in Österreich erst spät etablieren, da „[er] nur die Bedeutung eines schwer auffindbaren Spurenelements gehabt [hatte], so daß

16 er keine Tradition und keine eigene Geschichte entwickeln konnte“ (Frankfurter 1986:109). Dokumentarfilmproduktion war, wie der Filmsektor allgemein, vom Staat abhängig und diente meist der Propaganda. Diese Form der „Kulturfilme“ wurde vom Austrofaschismus und vom Nationalsozialismus gefördert (vgl. ibid.).

Auch in den Nachkriegsjahren bis 1961 entstanden Kulturfilme nach deutscher UFA2- Tradition, welche an nationalsozialistische Bildungsproduktionen anschlossen, jedoch nicht an die weltweit künstlerischen Entwicklungen wie etwa in den USA, Großbritannien und Polen. Diese Kulturfilme bestanden aus einer Abfolge von Bildern, die von übertriebenen Kommentaren und Musik begleitet wurden. Themen damaliger Dokumentarfilme waren Tourismus, Musik, Theater, Religion und Sport, welche ausschließlich den Staat als Auftraggeber hatten (vgl. Blümlinger 1986:9f.).

Erst in den Siebzigerjahren des 20. Jahrhunderts wurde durch die Gründung des Österreichischen Filmförderungsfonds (ÖFF) eine Regelung zur Unterstützung des Dokumentarfilmschaffens möglich, und nicht eher als Ende dieses Jahrzehnts konnten mit der Gründung von filmladen und der Medienwerkstatt unabhängig vom Staat Filme produziert werden (vgl. ibid.:10f.).

In den Achtzigerjahren veränderten sich die Themen hin zur Zeitgeschichte, zum Alltäglichen und Subjektiven. Durch den Mangel einer eigenen Tradition des Dokumentarfilms orientierten sich österreichische Produktionen am Ausland. Einer der ersten innovativen Dokumentarfilme in Österreich wurde von Ferry Radax produziert. Der Film handelt von dem Maler Friedensreich Hundertwasser und unterscheidet sich deutlich von den davor produzierten Kulturfilmen (vgl. ibid.:11ff.).

Das Brechen von Tabus des historischen Verständnisses der ÖsterreicherInnen begann mit Wien Retour – Franz West 1924-34 (1983) von Ruth Beckermann und Josef Aichholzer und ihm folgten weitere unabhängige Filme dieser Machart, die sich mit Menschen beschäftigten, die ungenügend Platz in der Öffentlichkeit hatten. Beispiele dafür sind Küchengespräche mit Rebellinnen (1984) von Karin Berger, Elisabeth Holzinger, Charlotte Podgornik, Lisbeth N. Trallori, welche vier Frauen zeigen, die dem NS-Regime

2 Am 18. Dezember 1917 wird die Universum-Film AG gegründet, um der ausländischen Filmkonkurrenz, auch in der Propaganda, besser gewachsen zu sein. Nach Kriegsende kommt es jedoch zu einer Konzentration auf publikumswirksame Genres (UFA [2011]).

17 Widerstand leisteten, und Kärntner Heimatfilm (1983) von Rudi Palla, welcher die Repression der slowenisch sprechenden KärntnerInnen aufzeigt (ibid.:24ff.).

Es kann demnach festgestellt werden, dass in den Siebzigerjahren Dokumentarfilme eine Gegenöffentlichkeit schaffen wollten, während in den Achtzigerjahren die formale Aufmachung nicht von Bedeutung war, sondern Filme immer mehr an CineastInnen gerichtet waren, sowie subjektiver und inhaltlich weiter gestaltet wurden.

In den Neunzigerjahren des 20. Jahrhunderts veränderte sich der österreichische Dokumentarfilm wesentlich. Ulrich Seidl mit seinem Film Good News als Vorreiter, gefolgt von Nikolaus Geyrhalter mit Unser täglich Brot und Michael Pilz, produzierten Filme, die gesellschaftskritisch waren und für Diskussion sorgten (vgl. Gliem 2011:50).

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurden in Österreich viele sozialkritische Dokumentarfilme gedreht, welche nicht nur innerhalb der Bundesgrenzen bekannt wurden. Die Erfolge von Michael Glawogger, Erwin Wagenhofer und Hubert Sauper zeigen die wachsende Relevanz des österreichischen globalisierungskritischen Dokumentarfilms (vgl. Binter 2009:9). Einige davon sollen im Folgenden besprochen werden.

Bei Workingman’s Death – 5 Bilder zur Arbeit im 21. Jahrhundert von Michael Glawogger aus dem Jahr 2005 handelt es sich um fünf in sich abgeschlossene Episoden à 20 Minuten, welche Bilder aus Indonesien, der Ukraine, Nigeria, China und Pakistan zeigen. Glawogger wirft dabei „[…] nicht nur Fragen nach der Ersetzbarkeit von manueller durch maschinelle Arbeit, sondern auch nach der Subalternität des/der ArbeiterIn [...] auf“ (ibid.:76). Sein Fokus liegt darauf, den reichen Westen zum Nachdenken zu bringen, und er möchte die körperliche Arbeit wieder in die Medien bringen, jedoch nicht wie früher auf idealisierte Art und Weise. Zur Realisierung seiner Filme arbeitet er mit der Kraft von Bildern und versucht den Erzählstrang nicht mit direkten Fragen zu stören, sondern zeigt die Dialoge der AkteurInnen. Besonders interessant erweist sich die Episode „Löwen“, in der hektische Schlachthofszenen gezeigt werden. Die gefilmten Menschen erklären ihren Arbeitsprozess in dieser Episode direkt in die Kamera, eine Nachinszenierung war daher nicht möglich, womit ein performativer Austausch sowohl vor als auch hinter der Kamera stattfand. Glawogger ist sich außerdem der künstlerischen Subjektivität seines Werkes bewusst, versuchte aber mithilfe von FotografInnen aus den Ländern, die er bereiste, andere Sichtweisen in seinen Film einfließen zu lassen (vgl. ibid.:76ff.).

18 Darwins Alptraum (2004) von Hubert Sauper ist wie Glawoggers Workingsmen’s Death ebenfalls diskurskritisch motiviert, jedoch geht Sauper von einem einzelnen realpolitischem Problem aus, wie in folgendem Zitat gezeigt wird:

Saupers Anklageschrift zu seinem ersten dokumentarischen Langfilm DARWINS ALPTRAUM offenbart in seiner zielgerichteten sprachlichen Wucht nicht nur die thematische, sondern auch die ästhetische Stoßrichtung, mit der am Beispiel der exportorientierten Nilbarschindustrie in Mwanza, Tansania, neokoloniale Ausbeutungsverhältnisse und ihre lokalen sozio-ökologischen Auswirkungen zu Beginn des 21. Jahrhunderts offengelegt und filmisch greifbar gemacht hat. (Ibid.:90)

Sauper gewann mit seinem Film 15 internationale Festivalpreise und wurde für den Dokumentarfilm-Oscar nominiert. Sauper ist nicht immer der allwissende Erzähler, dessen Meinung bereits vorgefertigt ist, denn er überlässt es doch dem Publikum, seine Bilder zu einem erschreckenden Bild zusammenzusetzen. Auffällig sind unter anderem auch die öfters fehlenden Untertitel im Film und Saupers Nähe zu fiktionalen Genres wie etwa dem Horrorfilm, der Werbung, dem film noir3. Damit stellt er sich gegen den Dokumentarfilm als objektive Gattung, wie beim direct cinema. KritikerInnen meinen, dass Sauper nur die negative Seite des Themas aufzeigt, jedoch wird auch die Hoffnung der Menschen gezeigt.

Einer der bekanntesten österreichischen Dokumentarfilme ist Erwin Wagenhofers We Feed the World – Essen Global aus dem Jahr 2005. Wagenhofer versucht in seinem Film argumentativ-instruktiv sowie mit vielen Fakten zu arbeiten. Er will globale Strukturen aufzeigen und diese transparenter machen, zum Beispiel mithilfe von ExpertInnenkommentaren. Das „We“ des Titels verweist auf die Rolle jedes einzelnen Menschen im Gefüge der Lebensmittelkonzerne. We Feed the World ist der erfolgreichste österreichische Dokumentarfilm und Platz 10 der allgemeinen Filmplatzierung innerhalb Österreichs. Auffällig sind in Wagenhofers Film die Zwischentitel mit Fakten und Visualisierungen von Zahlen, sowie der autoritäre Kommentar und Auftritt im Film von Jean Ziegler4. Wagenhofer wurde mit Michael Moore verglichen, aufgrund seiner Einstellung, Konfrontationen mit Machthabern nicht zu scheuen:

3 Der „Film noir“ wurde zuerst als Stilelement in US-amerikanischen Filmen der Vierziger- und Fünfzigerjahre verwendet. „Film noirs“ sind zumeist Detektiv oder Gangsterfilme sowie Thriller, im weiteren Sinn wird der Begriff jedoch auch als genreübergreifendes Stilphänomen verwendet (vgl. Stiglegger 2007:224). 4 Schweizer Soziologe, Schriftsteller und Globalisierungskritiker.

19 Als Robin Hood der Subalternen und Ausgebeuteten ringt er, indem er bei den Inszenierungsstrategien der in Rhetorikseminaren geschulten Selbstdarsteller nur lange genug hinschaut, den hegemonialen Diskursen der sowohl mit realökonomischen als auch symbolischen Kapital ausgestatteten mächtigen Handlangern der Konzerne Wortspenden ab, die in ihrem Zynismus zugunsten der Unterdrückten entscheiden“ (Ibid.:132).

Die Sprache ist das Mittel zur Realisierung der Argumentation im Film, wobei sich Wagenhofer der Subjektivität des Künstlerischen bewusst ist. Das Thema findet Fortsetzung in Nikolaus Geyrhalters Unser Täglich Brot (2005) (vgl. ibid:121ff.).

Abschließend ist zu sagen, dass, obwohl sich die Finanzierung für österreichische Dokumentarfilme oft als schwierig erweist und in der Literatur oft auf die Beeinflussung der österreichischen Medienpolitik durch die EU und die USA hingewiesen wird, viele sowohl gute als auch eigenständige Dokumentarfilme produziert werden. Sie werden auch bei internationalen Filmfestivals und in Kinos gezeigt (vgl. Pernkopf 2003:31ff.). Außerdem weist Constantin Wulff auf einen für Österreich erfreulichen Fakt hin: „Österreich ist eines der wenigen Länder in Europa, die noch einen halbwegs funktionierenden Kinodokumentarfilm haben“ (ibid.:63). Dies hängt offensichtlich mit der Tatsache zusammen, dass es keine Dokumentarfilmtradition in Österreich gibt, die mit dem ORF verbunden wäre und dadurch die Fernsehdokumentation fördern würde.

1.2.2.2 Schweiz

Die Schweiz erlebte in den Sechzigerjahren einen Aufschwung des Dokumentarfilms. Die Filme, welche ab 1960 produziert wurden, zeigten bisher Ungesehenes: das Leben von Minderheiten und abgelegenen Bergdörfern (vgl. Stejskal 1986:29). Wilhelm Roth verbindet diese Neuorientierung des Schweizer Dokumentarfilms mit Henry Brandt und seiner Produktion La Suisse s’interroge (1964). Brandt lehnte sich in diesem Film gegen den euphemistischen Blick der bisherigen Produktionen auf, als er „der Schweiz einen Spiegel vorhielt und darin nicht das offizielle, geschönte Bild des Wohlstandsparadieses sichtbar wurde“ (Roth 1982:70). In seinem Film spricht Brandt die Not der FremdarbeiterInnen, Inflation und Wachstumskrisen, Überkonsum und Umweltverschmutzung an und ebnet so den Weg für den neuen Schweizer Dokumentarfilm (vgl. ibid.). Alexander J. Seiler gilt als Pionier des Direct Cinema in der Schweiz. In Siamo Italiani (1964) hat der Dokumentarfilm zum ersten Mal die Intention,

20 welche er in den westlichen Ländern mittlerweile vorrangig hat, nämlich Minderheiten eine Stimme zu geben und eine Gegenöffentlichkeit zu schaffen (vgl. ibid.:23).

Die Themen veränderten sich also hin zum Alltag und zur Gesellschaft der Schweiz. Zuerst wurden die Filme von der Filmcooperative, durch das Filmkollektiv Zürich gegründet, verliehen und in Veranstaltungsräumen, Turnsälen und Gasthäusern, in Filmvereinen und bei Bildungsveranstaltungen vorgeführt. Durch das Ansteigen der Produktion wurden schließlich auch Filme in Kinos gezeigt (vgl. Stejskal 1986:31).

Allgemein kann gesagt werden, dass der Dokumentarfilm als Stärke des Schweizer Films gilt. Kramer/Prucha fassen dies wie folgt zusammen:

Sobald Schweizer Dokumentarfilme sich mehr als einer Person widmeten, wurden sie Porträts ihrer Zeit, nicht nur durch das Dargestellte, sondern noch viel mehr durch die Art der filmischen Umsetzung. (Kramer/Prucha 1994:267)

Obwohl die Produktion von Dokumentarfilmen in der Schweiz in den Sechziger- und Siebzigerjahren kontinuierlich stieg, wurde in den Achtzigerjahren ein Rückgang dieser Entwicklung verzeichnet (vgl. Stejskal 1986:31). Zwar gab und gibt es einige RegisseurInnen, die national und international bekannt wurden, jedoch verhindern oft mangelnde Finanzierung, Desinteresse der ZuschauerInnen und Marginalität des Schweizer Films im Vergleich zur US-amerikanischen Filmdominanz die Produktion von Dokumentarfilmen (vgl. Kramer/Prucha 1994:268).

Obwohl die Rahmenbedingungen für die Produktion von Dokumentarfilmen in der Schweiz nicht immer optimal sind, gibt es viele neuere Dokumentarfilme, die meisten sind auf DVD erhältlich (vgl. Artfilm.ch:[o.J.]). Außerdem steigt die Produktion von Dokumentarfilmen, denn seit 2008 wurden in der Schweiz doppelt so viele Dokumentarfilme wie Spielfilme produziert. Diese werden auch in Kinos und auf internationalen Filmfestivals gezeigt, einige davon sind auch zu Publikumslieblingen und Kassenerfolgen geworden (vgl. Summermatter 2012). Der weiteren Entwicklung des Schweizer Dokumentarfilms dürfte somit nichts mehr im Wege stehen.

1.2.2.3 Deutschland

Auch in der BRD setzte in den Sechzigerjahren ein Trend zum Dokumentarfilm ein, vor allem nach dem Oberhausener Manifest5. Innovative Formen des Films wurden geschaffen

5 Am 28. Februar 1962 verkündeten 26 Bundesdeutsche Filmschaffende bei den 8. Westdeutschen

21 und die Studierendenbewegung motivierte zu einer neuen Perspektive des Dokumentarfilms: Es wurde erkannt, dass Dokumentarfilm auch zur Vermittlung von Emanzipatorischem und Didaktischem geeignet war, denn „[e]in unmittelbarer politischer Ansatz [stand] im Vordergrund: Film als Mittel zur Aufklärung, Information und Auseinandersetzung“ (Stejskal 1986:31). Zuerst wurden vor allem „Flugblattfilme“ produziert, welche in Form von Reportagen auf eine aktuelle Situation hinwiesen und informieren bzw. auffordern wollten. Diese Form der politischen Bewusstseinsbildung wurde jedoch eingeschränkt, da sich nicht so viel wie erwartet damit erreichen ließ (vgl. ibid.:32).

Als Pionier des Dokumentarfilms in der BRD gilt Klaus Wildenhahn. Sein Parteitag 64 ist wie Siamo Italiani des Schweizers Seiler als Schlüsselfilm zu sehen. Erst 1980 erstmals öffentlich gezeigt, dreht es sich hierbei augenscheinlich um zwei Politiker der SPD, welche nicht der gleichen Meinung sind, wobei einer davon schließlich zurücktritt. Das versteckte Thema des Films ist jedoch das Rücktrittsverhalten von PolitikerInnen innerhalb einer Partei. Ziel ist es also, wie auch bei den Dokumentarfilmen der Sechziger- und Siebzigerjahre in Österreich und der Schweiz, eine Gegenöffentlichkeit zu bilden (vgl. Roth 1982:24). Wildenhahn war überdies auch im Bereich der Theoriebildung des Dokumentarfilms in der BRD maßgebend (vgl. Hattendorf 1999:32). Als weitere Pioniere gelten Hans Rolf Strobel und Heinrich Tichawsky mit Notizen aus dem Altmühltal (1961), welcher einen Fall von mangelnder wirtschaftlicher Entwicklung in der BRD aufzeigte. Zusammenfassend ist zu sagen, dass der Deutsche Dokumentarfilm seit 1960 von Neuerungen durchzogen ist, sowohl im Bereich der Produktionsformen als auch auf technischer Ebene. Jedoch ist auch aufzuzeigen, dass der Deutsche Dokumentarfilm in den Jahren 1960 bis 1990 vor allem mit dem Fernsehen verbunden ist (vgl. Kreimeier 1993:407f.).

Auch in Deutschland verzeichnete man in den Achtzigerjahren eine Krise des Dokumentarfilms, ausgelöst durch den Rückgang der Protestbewegungen. Daher wurden gesellschaftliche Themen eher vernachlässigt und das Format trat in den Vordergrund; so entstanden zum Beispiel Mischformen des Dokumentarfilms, welche faktisches Material mit rekonstruiertem oder erfundenem ergänzten (vgl. Marek 2012).

Kurzfilmtagen das Oberhausener Manifest: Sie schufen damit einen Meilenstein in der Entwicklung des deutschen Kinos - nie zuvor, nie danach wurde mit einer solchen Vehemenz ein Bruch mit den bestehenden Produktionsverhältnissen verlangt und auch herbei geführt (Eue/Hesse/Möller [2012]).

22 Ein neuer essayistischer Ansatz findet sich zum Beispiel bei Harun Farocki und Kartmut Bitomsky und ihrem Dokumentarfilm Der VW-Komplex (1990), wobei die Schwierigkeit der Wiedergabe der industriellen Arbeit auffällig ist. Filme, in denen das politische Engagement im Vordergrund steht, verwenden neueste Technologien, um auf Themen wie Umweltverschmutzung, Globalisierung und internationale Konflikte aufmerksam zu machen (vgl. Marek 2012).

Einer der bekanntesten deutschen Dokumentarfilmer unserer Zeit ist Andreas Veiel. Mit Balagan (1994) erregte er Aufsehen, als er die Umsetzung eines israelisch-palästinenischen Theaterstückes filmte; mit Black Box BRD (2001), der Biographie des Terroristen Wolfgang Grams und des Ermordeten Alfred Herrhausen, gewann er sowohl nationale als auch internationale Filmpreise (vgl. Platthaus 2004).

Auch steigt das öffentliche Interesse für den deutschen Dokumentarfilm weiter an. Vor allem durch das wachsende Publikum bei Dokumentarfilmfestivals, wie die Duisburger Filmwochen und dem DOK Leipzig, ist dies belegbar. Letzteres hatte als Programmschwerpunkt den Arabischen Frühling und zeigt dadurch, wie rasch DokumentarfilmerInnen politische und gesellschaftliche Umwälzungen zu Filmmaterial verarbeiten. Hauptproblem des deutschen Dokumentarfilms ist oft die fehlende Finanzierung. Es wird jedoch ständig nach Lösungen für diese Problematik gesucht, zum Beispiel werden Berufsverbände gegründet, und es wird nach Finanzierungen im Internet, sogenanntes Crowdfunding, gesucht (vgl. Schwarz 2012).

Abschließend kann gesagt werden, dass der deutschsprachige Dokumentarfilm, im Gegensatz zum US-amerikanischen, auf keine lange Tradition zurückblicken kann. Dennoch steigt das Interesse, wie aus den vorherigen Unterkapiteln entnommen werden kann, an Dokumentarfilmen im deutschsprachigen Raum stetig, und vor allem in Österreich werden viele international erfolgreiche Dokumentarfilme produziert.

Nach der Darstellung der Dokumentarfilmtraditionen der beiden Kulturräume, wird im folgenden Kapitel auf Moores Leben und Werke eingegangen, um seine Stilentwicklung nachzuzeichnen und ihn innerhalb der Dokumentarfilmtradition positionieren zu können.

23 2 Michael Moore

Im Anschluss an die ausführliche Geschichte der Dokumentarfilmtradition in den USA sowie im deutschsprachigen Raum folgt in diesem Kapitel eine umfassender Einblick in das Leben und Schaffen des Dokumentarfilmers Michael Moore. Dabei soll die Entwicklung seines distinktiven Stils – in seinen Werken sowie als Kultfigur – herausgearbeitet werden, welcher ihn von anderen DokumentarfilmerInnen unterscheidet und seinen Einfluss auf den modernen Dokumentarfilm erklärt. Zuerst wird dabei auf die Biographie des Filmschaffenden und Autors eingegangen werden, worauf ein Abriss seiner Werke gegeben wird, anhand dessen die Entwicklung seines Stils gezeigt werden soll.

2.1 Biographie und Werke

Michael Francis Moore wurde am 23. April 1954 in Flint, Michigan, als Sohn der Sekretärin Veronica Moore und des Automechanikers Frank Moore geboren und wuchs in Davison, einem Vorort von Flint, auf (vgl. Larner 2005:17). Seine gesamte Familie war bei General Motors, dem größten US-amerikanischen Autohersteller, beschäftigt (vgl. Sokolowsky 2007:39). Als Mitglied einer ArbeiterInnenfamilie mit irischen Vorfahren wurde er katholisch erzogen und wollte kurze Zeit Priester werden. Als Junge mit überdurchschnittlicher Intelligenz – er konnte schon mit vier Jahren lesen und schreiben – veröffentlichte er bereits in der Volksschule sein erstes Nachrichtenblatt. Später folgten politisch motivierte Handlungen: Moore gewann einen Redewettbewerb, in dem er sich gegen die Diskriminierung der afroamerikanischen Gesellschaft aussprach und startete eine Kampagne gegen die Wahl der Homecoming Queen6 (vgl. Larner 2005:17f.). Dieses soziale und politische Interesse gipfelte in seinen jungen Jahren mit der Wahl zum jüngsten Mitglied der Schulkommission in der Geschichte der USA.

Moore verband schließlich seinen sozialen Gerechtigkeitssinn und seine Abneigung gegen Autorität mit seinem Talent zum Schreiben und gründete Anfang der Siebzigerjahre das Lokalblatt Free to be, in dem er gesellschaftliche Skandale des Ortes Flint aufdeckte (vgl. ibid.:20). 1977, nach Abbruch seines Studiums der Politik- und Theaterwissenschaften an der University of Michigan, folgte sein nächstes Projekt: The Flint Voice. Diese alternative

6 Das „Homecoming“ ist eine Veranstaltung zu Ehren von Alumni an Hochschulen und High Schools, im Rahmen dessen eine „Homecoming Queen“ gekürt wird. Dies ist zumeist eine sehr beliebte oder begabte Schülerin oder Studentin.

24 Zeitung war geprägt von „in-your-face satire and political exposes” (Georgakas/Saltz 1998).

Anfang der Achtzigerjahre lernte er seine Frau Kathleen Glynn und ihre Tochter Natalie Rose kennen. Moore und Glynn hatten beide Familienmitglieder, die bei General Motors beschäftigt waren, und „[i]n addition to a revved-up love of Bruce Springsteen, and also film, she and Moore had much in common, from Catholicism to ‚Cadillac Ranch‘7“ (Schultz 2005:36).

Zusätzlich zu seinem Zeitungsjournalismus begann Moore die Radiosendung Radio Free Flint zu produzieren und zu moderieren und war ab 1985 auch Moderator beim National Public Radio. Nach einem kurzen Aufenthalt in San Francisco, wo er bei Mother Jones8 als Chefredakteur arbeitete, kehrte er nach Flint zurück und begann mit der Produktion seines ersten Films Roger & Me (vgl. Georgakas/Saltz 1998). Anstoß zu diesem Film lieferten Moore die wirtschaftlichen Probleme seiner Heimatstadt Flint, wo General Motors Tausende von Arbeitsplätzen abbaute. Larner beschreibt in ihrer politischen Biographie über Moore die Produktion dieses Filmes als Ausgangspunkt für seinen Erfolg: „Wenn es ein Projekt gab, das Moores Karriere begründete und ihm zum Durchbruch als bedeutendes politisches Sprachrohr verhalf, dann war das Roger & Me“ (Larner 2005:59). Um die Produktionskosten für Roger & Me zu decken, verkaufte Moore sein Haus und verwendete das Geld, das er im Zuge des Gerichtsverfahrens gegen Mother Jones gewonnen hatte. Die Schulden hatten sich jedoch ausgezahlt: Roger & Me, veröffentlicht 1989, wurde zu einem der kommerziell erfolgreichsten Dokumentarfilme in den USA (vgl. Georgakas/Saltz 1998).

Nach diesem Erfolg produzierte er ab 1994, zusammen mit seiner Frau Kathleen Glynn, die Serie TV Nation für den Fernsehsender NBC. Diese war eine erfolgreiche Politsendung, in der Moore mit viel Ironie brisante Themen ans Licht brachte:

TV Nation war wirklich bahnbrechend, und nichts, was es seither im Fernsehen an dokumentarischen Fernsehshows gegeben hat, hat den Erfolg dieser Serie erreicht. In mehreren [...] Beiträgen zielte Moore auf Übeltäter in Unternehmen […], indem er Kniffe und Tricks aus Spielshows entlehnte und das vorweg nahm, was heute allgemein als „Reality-TV“ bekannt ist. (Larner 2005:97) 7 Lied des Sängers Bruce Springsteen. 8 Mother Jones ist eine nicht kommerzielle Zeitschrift in den USA, die sich für politische und soziale Gerechtigkeit einsetzt (vgl. Mother Jones 2013).

25 TV Nation wurde 1998 mit einem Emmy Award ausgezeichnet. Darauf folgte die Produktion von Moores einzigem Spielfilm (1995) und der Serie The Awful Truth (1998), die beide an TV Nation erinnern (vgl. ibid.:96ff.).

Daraufhin wandte sich Moore wieder dem Schreiben zu: Downsize This! Random Threats from an Unarmed American enthält „scathing political essays about various corporate, political and social issues of the day“ (Smith 2012:8). Das Buch wurde überraschend zum Bestseller, und Moore reiste durch die USA, um weiter Werbung dafür zu machen. Dabei nutzte er die Gelegenheit und begann Material für seinen nächsten Film The Big One (1997), in dem er die wirtschaftliche Ungerechtigkeit des Corporate America9 behandelt, zu sammeln (vgl. Deming 2013).

In seinem nächsten Buch, , übt Moore heftige Kritik an George W. Bush. Nach den Terroranschlägen am 11. September 2001 wäre es beinahe nicht zur Veröffentlichung des Buches gekommen, da der Verlag Random House dies nicht für angemessen hielt. Durch eine im Internet gestartete Initiative kam es schließlich doch zur Publikation und das Buch wurde auf Anhieb ein Bestseller (vgl.ibid.).

2002 veröffentlichte Moore seinen vierten Dokumentarfilm Bowling for Columbine, der den Waffenfanatismus und die Gewaltbereitschaft der US-AmerikanerInnen zeigt. Bowling for Columbine wurde der bislang erfolgreichste Dokumentarfilm weltweit und wurde in dieser Kategorie mit dem Oskar ausgezeichnet. Diesen Erfolg übertraf Moore bereits 2004 mit Fahrenheit 9/11, der die Bush-Administration in Frage stellt (vgl. ibid.). Die beiden zuletzt genannten Filme werden im dritten Kapitel noch ausführlicher behandelt werden.

Auf diesen Erfolg produzierte Moore die Filme , der auf seiner Homepage (vgl. Moore 2014) gratis erhältlich ist, Sicko, der sich mit dem US-amerikanischen Gesundheitssystem kritisch auseinandersetzt und Capitalism: A Love Story, der die Kritik am Corporate America wieder aufgreift. Diese Werke werden im folgenden Kapitel im Rahmen der Stilentwicklung Moores noch ausführlicher besprochen.

2.2 Werke und Stilentwicklung

In diesem Unterkapitel folgt eine Auswahl an Moores wichtigsten Werken, anhand derer die Entwicklung seines einzigartigen Stils erkennbar werden soll. Ausführlicher wird auf

9 Überbegriff für US-amerikanische Großunternehmen, welche erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft der USA haben (vgl. Cambridge University Press 2014).

26 Moores Stil noch im Kapitel der Genreanalyse eingegangen werden.

2.2.1 Roger & Me

Roger & Me ist Moores erster Dokumentarfilm und wurde 1989 veröffentlicht. Dieser Erstlingsfilm steht in der Tradition der „films of personal witnessing“ (Kellner 2010:82) und erzählt den wirtschaftlichen Niedergang von Moores Heimatstadt Flint aus dem sehr persönlichen Blickwinkel des Regisseurs. Bevor er Roger & Me drehte, hatte Moore noch nie einen Film produziert. Daher ließ er sich von Dokumentarfilmer Kevin Rafferty unterstützen. Den erzählerischen Rahmen bildet bei Roger & Me Moores Versuch, ein Interview mit Roger Smith, dem Präsidenten von General Motors, zu führen, um ihn darin für die Entlassung Tausender MitarbeiterInnen in Flint zur Rede zu stellen (McEnteer 2006:80ff.). Der Film hat jedoch eine tiefer gehende Intention:

The film presents illuminating contrasts between the rich and the poor, the working class and the corporate elite, continually cutting from images of working-class devastation and despair in Flint, as General Motors closes down automobile factories, to upper-class prosperity and obliviousness to the plight of the workers and the poor. (Kellner 2010:83)

Dabei hält sich Moore wenig an die Traditionen und Konventionen des US-amerikanischen Dokumentarfilms, welche einen chronologischen Ablauf der Geschehnisse, Dokumentation der Fakten und Objektivität vorsehen. Aufgrund der fehlenden Beweise für manche seiner Aussagen wurde Moore auch oft kritisiert, jedoch mussten sich viele KritikerInnen eingestehen, dass Moore zwar nicht immer mit bewiesene Details arbeitet, jedoch größere Zusammenhänge real darstellt (vgl. ibid.:86).

Außerdem schaffte es Moore zum ersten Mal, Themen wie Klassenunterschiede und Kapitalismus in einem Dokumentarfilm zu zeigen und trotzdem dem Massengeschmack zu entsprechen. Dieser Brückenschlag zwischen Politik und Entertainment sollte ihm noch weitere Male gelingen. Roger & Me, der zum ersten Mal Moores Methoden der persönlichen Anwesenheit bei Ereignissen und der Intervention zeigt, war der Beginn eines neuen Genres, des „Michael Moore film“ (ibid.:86). Moore geht aus seinem ersten Film als Hauptfigur hervor, er ist „entertainer, provocateur who raises questions, attacks wrong and wrongdoers, and speaks up for the oppressed and against the oppressors“ (ibid.). Diese Entwicklung seines einzigartigen Stils führte er in Bowling for Columbine fort.

27 2.2.2 Bowling for Columbine Bowling for Columbine steht in der Tradition der „exploratory documentary montage“ (Kellner 2010:86), welche das Medium Film zur Bewusstmachung sozialer Probleme verwendet. Moore hatte 2002, als Bowling for Columbine veröffentlicht wurde, bereits mehrere Bücher, Fernsehserien und Dokumentarfilme produziert. Daher war er in den USA bereits sehr berühmt und nutzte seinen Bekanntheitsgrad, um wiederum sozialen, politischen und gesellschaftlichen Problemen nachzugehen. Diesmal jedoch beschäftigte er sich nicht nur mit einem bestimmten Fall, wie uns bereits der Titel von Roger & Me zeigt, sondern geht „connections among U.S. History, culture, guns, military, violence, and racism“ (ibid.:88) nach. Als Aufhänger für den Dokumentarfilm dient der Amoklauf an der Columbine Highschool im Jahr 1999, bei dem zwei Jugendliche mit Waffen auf ihre KollegInnen und LehrerInnen schossen. Als sein Pendant in diesem Film tritt Schauspieler und Präsident der NRA10 Charlton Heston auf, der jedoch im Vergleich zu Roger Smith in Roger & Me weniger stark im Vordergrund steht (vgl. McEnteer 2006:92).

Moore ist in diesem Film noch präsenter als in Roger & Me und kann als zentrale Figur in seinem Film gesehen werden. Außerdem wird seine Weiterentwicklung als Filmschaffender deutlich: Neben der resonanten Filmmusik, die immer wieder die gezeigten Szenen unterstreicht, verwendet Moore verschiedene Techniken, u.a. Interviews, Nachrichtenmaterial, Cartoon-Szenen, etc., um seine Aussagen zu belegen. Des Weiteren ist Bowling for Columbine ein sehr offener Film, der den Waffenfanatismus in den USA nicht auf einen Ausgangspunkt reduziert, sondern viele verschiedene Ursachen dafür aufzeigt. Moore kreiert somit eine neue Form des Dokumentarfilms:

[a] new type of personal, exploratory quest for answers to social problems informed by satire and humor and the development of his own crusading character who exposes social wrongs and injustices, a investigation that also implies the need for intervention. (Kellner 2010:91)

Bowling for Columbine wurde 2002, als erster Dokumentarfilm seit fast 50 Jahren, zu den Filmfestspielen in Cannes eingeladen und gewann sogar einen Preis (vgl. McEnteer 2006:91f.). Als einer der erfolgreichsten Dokumentarfilme, er spielte allein in den USA 21 Millionen US-Dollar ein, wurde Bowling for Columbine 2003 auch mit einem Academy Award geehrt. Seine Ansprache auf der Bühne verstärkt wiederum, wie ernst Moore seine Aussagen in Filmen, Büchern etc. meint. Er kritisierte bei seiner Rede öffentlich den

10 National Rifle Association in den USA, eine nationale Schusswaffenvereinigung.

28 Präsidenten George W. Bush und den Irakkrieg. Larner zufolge war diese Ansprache ein Kunstgriff und verhalf ihm zu „landesweiter Aufmerksamkeit, ob für Moores Film, für die Opposition gegen den Irakkrieg, für Moore selbst“ (Larner 2005:131).

Oft wird Moore mit dem US-amerikanischen Dokumentarfilmer Emile de Antonio verglichen, da sowohl Moore als auch de Antonio Dokumentarfilme verwendeten, um soziale bzw. politische Probleme und Ungerechtigkeiten aufzudecken. Außerdem werden beide als politisch links stehend eingestuft, und beide kritisierten einen amtierenden Präsidenten in ihren Filmen (vgl. Kellner 2010:92).

2.2.3 Fahrenheit 9/11

In Fahrenheit 9/11 (2004) baut Moore das Genre des „Michael Moore Films“ weiter aus. Dabei kommt bei diesem Dokumentarfilm der Unterton des „agit-prop“, welche ihn „in the partisan tradition of left-wing documentary cineastes“ (Kellner 2010:92) einreiht, hervor. In diesem Dokumentarfilm kritisiert Moore wiederum den zu dieser Zeit amtierenden Präsidenten George W. Bush und seine Administration, vor allem deren Entscheidung zum Irakkrieg, welche schlussendlich zu den Terroranschlägen am 11. September 2001 führte.

Fahrenheit 9/11 gilt als der einflussreichste Dokumentarfilm aller Zeiten und „stands as Moore’s most interventionist film, […] intended to be an important and perhaps decisive influence on the highly contested 2004 presidential election campaign“ (ibid.:93). Moore konzentriert sich also in diesem Dokumentarfilm, mehr als in Bowling for Columbine, auf eine Person: nämlich George W. Bush und tritt selbst sogar zum ersten Mal dafür in den Hintergrund. Um den Präsidenten zu kritisieren, verwendet Moore Archivmaterial, das den Präsidenten in Situationen zeigt, aus denen er als Witzfigur hervorgeht (vgl. McEnteer 2006:96). Außerdem weist Moore wiederum auf die Verbindungen zwischen verschiedenen Faktoren hin, wie auf Mitglieder der Familie Bush, Ölkonzerne, die Dynastie der Saud11 und die Außenpolitik der USA, welche Einfluss auf den Irakkrieg und den Terroranschlag am 11. September 2001 hatten. Folgendes Zitat fasst Moores Intention nochmals klar zusammen:

Moore’s film was thus an all-out assault on the Bush-Cheney administration, using satire and parody to mock the president and his administration, to raise questions concerning their connections to corporate elites, the military-industrial complex, and the Middle East oil

11 Die Dynastie der Saud ist die herrschende Dynastie Saudi-Arabiens.

29 interests, and to demonstrate the horrific effects of the Iraq war on the American and Iraqi people. (Kellner 2010:97)

Obwohl Moores Intention, die Wiederwahl von George W. Bush zu verhindern, scheiterte, ist Fahrenheit 9/11 einer der beliebtesten, gewagtesten und umstrittensten Dokumentarfilme aller Zeiten.

2.2.4 Sicko

Sicko (2007) steht in der Tradition von Moores vorherigen Filmen und zeigt die Schicksale von Menschen, die sich keine Krankenversicherung leisten können. Dabei weist Moore auf das mangelhafte Gesundheitssystem hin, das eines der größten sozialen Probleme in den USA darstellt. Außerdem zeigt Moore, wie pharmazeutische Firmen, die Versicherungsindustrie und konservative PolitikerInnen zusammenarbeiten, um dieses ungerechte System aufrecht zu erhalten. In Sicko begibt sich Moore auf die Suche nach besseren Gesundheitssystemen und findet diese in Kanada, England und Frankreich, da in diesen Ländern jede/r Anspruch auf Krankenversicherung hat.

Sicko gilt als Moores radikalster Film:

Sicko is […] attacking the presuppositions of an American, capitalist dog-eat-dog society where every individual is forced to secure health care on his or her own, and only the rich and fortunate are able to do. (Kellner 2010:99)

Auch in Capitalism: A Love Story widmet sich Moore wieder dem Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit.

2.2.5 Capitalism: A Love Story

In Capitalism: A Love Story (2009) greift Moore das kapitalistische System an und fokussiert Hypotheken und die Finanzkrise, die 2009 an die Öffentlichkeit kam. Auch in diesem Dokumentarfilm interviewt Moore sowohl Personen, die am kapitalistischen System leiden, wie etwa Familien, die die monatlichen Raten ihrer Hypothek nicht zahlen können, als auch Menschen, die in den Finanzskandal verwickelt waren. Dabei geht Moore wiederum als Verteidiger der Unterdrückten und Armen hervor, denn er weist darauf hin, dass „a system run by greed, competition, and profit-seeking above all will obviously ignore morality, social justice“ (Kellner 2010:99).

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass Moore in der Tradition des

30 linksorientierten Dokumentarfilmes steht, der, um soziale Probleme aufzuzeigen und zu bekämpfen, persönlichen Einsatz und radikale Mittel fordert. Moores einzigartiger Stil kann jedoch generell keinem bestimmten Dokumentarstil zugeordnet werden, weshalb auch der „Michael Moore Film“ als Begriff verwendet wird.

Im folgenden Kapitel soll nun ausführlich auf den Inhalt und die Rezeption der beiden zu untersuchenden Originalversionen von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 eingegangen werden, um Moores Themen, Stil und Arbeitsweise darzustellen.

31 3 Die Originalversionen Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11

In diesem Kapitel werden Inhalt und Rezeption der US-amerikanischen Originalversionen von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 behandelt. Die Darstellung der Filminhalte soll zeigen, welche Themen für Moores Schaffen zentral sind, während anhand der Rezeption die stark differenzierenden Betrachtungsweisen von Moores Werken herausgearbeitet werden, welche auf seinen starken Charakter als Filmschaffender und zentrale Figur in seinen Filmen zurückzuführen sind.

3.1 Inhalt

Die folgenden Kapitel sollen nicht nur einen Überblick über Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 geben, sondern im Detail auch Moores Stil und Arbeitsweise zeigen.

3.1.1 Bowling for Columbine

Wie bereits im Unterkapitel 2.2.2 angesprochen, beschäftigt sich Moore in Bowling for Columbine mit dem Waffenfanatismus in den USA und spinnt dabei ein Netz zwischen der US-amerikanischen Geschichte, dem Militär, Gewalt und Rassismus.

Folgendes satirisches Kommentar aus dem Off von Moore leitet die ersten Szenen von Bowling for Columbine ein und zeigt bereits den gewählten Ton des Films:

It was the morning of April 20th, 1999. And it was pretty much like any other morning in America. The farmer did his chores, the milkman made his deliveries, the president bombed another country whose name we couldn’t pronounce. Out in Fargo, North Dakota, Carry McWilliams went on his morning walk. Back in Michigan, Mrs. Hughes welcomed her students for another day of school. And out in a little town in Colorado, two boys went bowling at six in the morning. Yes, it was a typical day in the United States of America. (Moore 2002)

Schon in diesem Zitat wird auf den Aufhänger und das Ereignis, das dem Film seinen Titel gab, angespielt: den Amoklauf an der Columbine High School. Dabei töteten zwei Jungen, nachdem sie am Morgen noch zum Bowling gingen, zwölf MitschülerInnen, einen Lehrer und danach sich selbst. Danach sieht das Publikum, wie einfach es in seinem Heimatbundesstaat Michigan ist, ein Gewehr zu bekommen – man muss nur ein Bankkonto eröffnen. Daraufhin ist ein Video zu sehen, welches Moore als Kind und Jugendlichen zeigt. Auch er besaß eine Waffe, eine Selbstverständlichkeit in den USA, vor

32 allem im „gun-lover’s paradise“ (ibid.) Michigan. In den folgenden Szenen demonstriert Moore den Waffenfanatismus: Es ist möglich, beim Frisör Munition zu kaufen, und eine Miliz wird als Selbstschutz angesehen.

Moore interviewt daraufhin verschiedene Personen, die wegen Attentaten bzw. Bombenanschlägen angeklagt waren. Es wird wiederum die Notwendigkeit und das Recht des Besitzes einer Waffe, welches in der US-amerikanischen Verfassung verankert ist, hervorgehoben. In Virgin, Utah, sind die BürgerInnen dazu verpflichtet, eine Waffe zu besitzen. In Ausschnitten schildert Moore die Propaganda für Waffen in den Medien, wobei auch viele Jugendliche an Schießständen zu sehen sind.

Die nächste Sequenz handelt von Archivszenen der kriegerischen Aktionen der USA, vom Angriff auf den Iran 1953 bis zum Irakkrieg ab 2003 und endet mit Bildern des Angriffes auf das World Trade Center 2001. Dabei läuft das Lied What a wonderful world von Louis Armstrong im Hintergrund.

Moore beschäftigt sich anschließend ausführlich mit dem Ereignis, das dem Film seinen Namen einbrachte: dem Amoklauf an der Columbine High School, in Littleton, Colorado am 20. April 2000. Es werden Bilder von der Überwachungskamera an der Schule von diesem Tag und Szenen der Verzweiflung nach dem Attentat gezeigt. Gleich darauf hört man Charlton Heston, Gegenspieler von Moore in Bowling for Columbine, sagen „I have only five words for you: from my cold, dead hands“ (ibid.), während er ein Gewehr bei einem Treffen der NRA in die Luft hält, das bereits zehn Tage nach dem Amoklauf und trotz heftiger Proteste in Denver stattfand. Danach werden Szenen des Protestes gegen das Treffen eingeblendet, der Vater eines Kindes, das beim Columbine Massaker ums Leben kam, hält eine Rede, in der er immer wieder Folgendes unterstreicht: „Something is wrong in this country“ (ibid.). Moore interviewt daraufhin Matt Stone, Mitbegründer der Serie South Park12, der früher Schüler an der Columbine High School war, und es wird ein kleiner Ausschnitt aus der Serie eingeblendet. Stone erzählt vom Druck in der Schule und von der erwarteten Konformität aller SchülerInnen. Moore macht außerdem auf die Null- Toleranz-Politik aufmerksam, die der Amoklauf in Littleton in US-amerikanischen Schulen auslöste. SchülerInnen wurden für harmlose Taten suspendiert, zum Beispiel für das Färben ihrer Haare oder das Bedrohen von anderen SchülerInnen mit einer Pistole aus Papier. 12 US-amerikanische Zeichentrickserie, die auf ironische Weise Gesellschaftskritik übt.

33 Daraufhin beschäftigt sich Moore mit der Schuldfrage. Es folgt eine Sequenz, in der verschiedene Personen dem Rocksänger Marilyn Manson die Schuld am Amoklauf geben, da die Täter seine Musik hörten. Moore führt ein Interview mit dem Musiker, der in diesem meint, dass es sehr leicht wäre, jemandem die Schuld zu geben, nur weil er anders denkt oder aussieht als die Masse. Manson sagt außerdem, dass die Medien viele Fakten zu ihren Gunsten verdrehen, um den Menschen Angst zu machen und sie zu beeinflussen:

You’re watching the news; you’re being pumped full of fear. And there’s floods, there’s AIDS, there’s murder. You cut to commercial, buy the Acura, buy the Colgate. It’s a campaign of fear and consumption. (Ibid.)

Moore behandelt danach die Schuldfrage auf ironische Weise und findet heraus, dass die beiden Amokläufer am selben Tag der Tat zum Bowling gingen. Er fragt daraufhin: „Why wasn’t anyone blaming bowling for warping the minds of Eric and Dylan to commit their evil deeds? Wasn’t that just as plausible as blaming Marilyn Manson?“ (ibid.).

Hierauf sucht Moore nach möglichen anderen Faktoren, welche die zwei Täter beeinflusst haben könnten: den Zerfall der Familie, Gewalt in den Medien, Arbeitslosigkeit, Mittellosigkeit, die von Gewalt durchzogene Geschichte der USA und ihren Waffenfanatismus. Zu letzterem Punkt bringt Moore eine Statistik, die zeigt, dass die USA eine weit höhere Zahl von Schusswaffentoten hat, als Länder wie Deutschland, Frankreich oder England. Es folgt darauf einer der ironischsten Teile des Films: ein Cartoon über die Geschichte der USA, die von der Ermordung und Vertreibung der indigenen Bevölkerung über die Sklaverei bis zum aktuellen Rassismus und dem Waffenfanatismus reicht. Moore weist das Publikum auf die möglichen Gründe für die Gewalt in den USA hin, kann und will jedoch keine vereinfachende Erklärung bzw. keinen einzelnen Schuldigen finden.

Moore spricht als nächsten Faktor das bereits von Manson erwähnte inadäquate Schüren von Angst in den bzw. durch die Medien an. Er spielt dazu Ausschnitte von Nachrichten über Killerbienen, Rasierklingen in Speisen, etc. ein und spricht mit Barry Glassner, dem Autor des Buches The Culture of Fear13. Dieser meint, die Medien ändern nicht die Fakten, sie entscheiden sich jedoch dazu, nur über bestimmte Dinge zu berichten – vor allem über die Verbrechen von afroamerikanischen Männern. Moore kommentiert dazu ironisch:

13 Barry Glassner, Soziologe an der University of Southern California, behandelt in seinem Buch The Culture of Fear verschiedene Taktiken der Angstmacherei. Dabei argumentiert er, dass durch die Angst der Menschen viel Geld und Zeit vergeudet wird (z.B. Projekte, die Jugendliche vor angeblichen Gefahren schützen sollen) (vgl. Glassner 1999).

34 You know, the thing I love about this country of mine, is that, whether you’re a psychotic killer or running for president of the United States, the one thing you can always count on, is white America’s fear of the black man. (Ibid.)

Anschließend interviewt Moore den Produzenten der Serie COPS Dick Herlan, der die These bestätigt, dass nur bestimmte Themen für das Fernsehen von Interesse sind: „Anger does well, hate does well, violence does well. Tolerance and understanding does less well“ (ibid.).

Moore stellt sich die Frage, warum es in den USA mehr Gewalt gibt als, zum Beispiel, in Kanada. Daher folgt ein Vergleich zwischen Kanada und den USA. Er spricht mit Jugendlichen, die ihm erklären, dass in Kanada nicht jeglicher Konflikt mit Waffengewalt geregelt wird. Hierauf zeigt Moore Statistiken, die besagen, dass in Kanada genau so viele Menschen gewalttätige Filme ansehen wie in den USA, die kanadische Gesellschaft auch multiethnisch ist und, dass die Arbeitslosenrate in Kanada sogar höher ist als in den USA. Daher schließt Moore daraus, dass die geringere Zahl der Schusswaffentoten mit den wenigen Waffen in Kanada zusammenhängt. Jedoch stellt sich heraus, dass in Kanada sehr viele Menschen eine Waffe besitzen, sie jedoch keine Angst vor gewalttätigen Attacken haben und nicht einmal ihrer Haustür abschließen. Moore führt dieses Verhalten indirekt auf die objektive Berichterstattung im Fernsehen, die soziale Absicherung in Kanada und die Toleranz der KanadierInnen zurück.

Moore kehrt daraufhin in die USA zurück und untersucht einen weiteren Fall von jugendlicher Gewalt. In Flint, Moores Heimatstadt, tötet ein sechsjähriger Junge seine Mitschülerin mit einer Waffe, die er bei seinem Onkel entdeckte, während seine Mutter exmittiert wurde. Er interviewt die Lehrerin, die bei der Tragödie vor Ort war, und die Bestürzung über den Vorfall wird deutlich. Moore findet heraus, dass die Mutter des Jungen, Tamarla Owens, Teil des Programms Welfare to Work war, in dem Menschen bis zu 70 Stunden die Woche für einen minimalen Lohn arbeiten, um ihre Schulden abzubauen. Moore macht sich daraufhin auf den Weg und versucht vergeblich Dick Clark14, den Besitzer des Restaurants, in dem Tamarla Owens arbeitete, zu interviewen.

Anschließend zeigt Moore die Angst nach dem 11. September, die viele US-amerikanische BürgerInnen dazu veranlasste, mehr Waffen, Munition, Gasmasken und Alarmanlagen zu kaufen, womit viele Firmen Profit machten. Moore äußert hier ganz offen seine Meinung: 14 Bekannter US-amerikanischer Moderator.

35 And the greatest benefit of all of a terrorized public is that the corporate and political leaders can get away with just about anything. […] There were a lot of things that I didn’t know after the World Trade Center attack, but one thing was clear: whether it was before or after September 11th, a public that’s this out of control with fear should not have a lot of guns or ammo lying around. (Ibid.)

Moore interviewt danach Richard Castaldo und Mark Taylor, beide Opfer des Columbine Amoklaufs. In einer Aktion versuchen beide mit Moore zusammen K-Mart15 zu überzeugen, die Munition aus ihrem Sortiment zu nehmen, welche die beiden Amokläufer hier gekauft hatten. Die Maßnahme ist erfolgreich, die Munition wird ab jenem Zeitpunkt nicht mehr im K-Mart angeboten.

Schließlich interviewt Moore NRA-Präsident Charlton Heston und fragt ihn, warum er eine Waffe besitzt. Heston meint, dass der Zweite Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten ihm das Recht dazu gäbe und er sich sicherer fühle, wenn eine geladene Waffe in seiner Nähe sei, obwohl er selbst noch nie angegriffen wurde. Moore fragt Heston, ob er es für angemessen empfand, nach den Tragödien in Littleton und Flint Treffen der NRA in diesen Orten zu veranstalten und fordert ihn auf, sich dafür zu entschuldigen. Heston verlässt daraufhin den Raum, Moore legt ein Bild des Mädchens, das in Flint erschossen wurde, an Hestons Hausmauer.

Abschließend weist Moore nochmals auf die von Angst durchzogene US-amerikanische Gesellschaft hin. Es werden immer mehr Waffen verkauft. Moore zeigt, dass drei Menschen im Bowling Center in Littleton niedergeschossen wurden. Moores abschließender Kommentar schließt den Kreis, der seinen Ausgangspunkt in Littleton hatte und äußert wiederum seine kritische Meinung gegenüber den US-AmerikanerInnen: „And where, in the end, it all comes back to bowling for Columbine. Yes, it was a glorious time to be an American“ (ibid.).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Moore sehr viele Umstände auf extreme Weise darstellt. Jedoch bringt er nicht nur seine eigene Meinung zum Ausdruck, sondern will mit seinem Film die Menschen provozieren und sie dazu auffordern, über die möglichen Gründe der vielen Schusswaffentoten kritisch nachzudenken.

15 US-amerikanisches Handelsunternehmen.

36 3.1.2 Fahrenheit 9/11

In Fahrenheit 9/11 kritisiert Moore George W. Bush und seine Regierung, vor allem den Wahlbetrug im Jahr 2000 und die Entscheidung der Regierung zum Irakkrieg. Dabei findet er brisante Informationen und stellt mit diesen Verbindungen zwischen der Familie Bush, den Ölkonzernen und der saudi-arabischen Regierung her.

Die Anfangsszene zeigt eines der Hauptthemen des Films: die US-amerikanische Präsidentschaftswahl am 7. November 2000. Zuerst sieht man Al Gore, der sich für den Sieg der Wahl im Bundesstaat Florida bedankt. Dann hört man plötzlich Moore aus dem Off sagen: „Did the last four years not happen? Was it a dream?“ (Moore 2004a). Daraufhin werden Nachrichtenausschnitte eingeblendet, in denen zuerst Gore als Gewinner angepriesen wurde, bis schließlich FOX News Channel das Gegenteil veröffentlichte. Verantwortlicher bei diesem Fernsehsender am 7. November war George W. Bushs Cousin, John Ellis; gleichzeitig war George W. Bushs Bruder Gouverneur in Florida. Außerdem war die Leiterin der Präsidentschaftskampagne gleichzeitig die Verantwortliche für die Auszählung der Stimmen, wobei viele afroamerikanische WählerInnen von den Listen gestrichen wurden. Ein Aufschrei der Repräsentanten im Parlament war die Folge, jedoch konnte keine/r der RepräsentantInnen die notwendige Unterschrift eines Senatsmitgliedes zur Unterstützung des Vorwurfs des Betruges vorweisen.

In den darauffolgenden Szenen ist Bush am Tag seiner Inauguration zu sehen, als Zehntausende Menschen protestierten und den Umzug zum Stillstand brachten. Moore weist danach auf die Niederlagen Bushs in den folgenden Monaten hin: „He was already beginning to look like a lame-duck president. With everything going wrong, he did what any of us would do. He went on vacation“ (ibid.). Laut Washington Post verbrachte Bush 42% seiner ersten acht Monate im Amt auf Urlaub. Hierauf folgen Szenen, in denen Bush Golf und Tennis spielt, fischt und anderen Freizeitaktivitäten nachgeht. Erst nach diesen Szenen werden der Titel, Produktionsfirma, etc. von Fahrenheit 9/11 eingeblendet, dazwischen blitzen Szenen auf. Diese zeigen George W. Bush, Condoleeza Rice, zu dieser Zeit Bushs nationale Sicherheitsberaterin, Donald Rumsfeld, damaliger Verteidigungsminister, und andere wichtige Regierungsmitglieder, wie sie für Auftritte im Fernsehen vorbereitet werden. Dabei wirken viele von ihnen nicht professionell, sondern lächerlich.

37 Im Anschluss folgt ein Schwarzfilm16, bei dem der Terroranschlag am 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York zu hören ist. Man hört zuerst die Geräusche des abstürzenden Flugzeugs, dann Schreie, danach Explosionsgeräusche, Polizeifunk und Sirenen. Nach einer Minute Schwarzfilm, die wohl auch als Minute des Gedenkens gedeutet werden kann, folgen Bilder der Verzweiflung vor Ort der Tragödie.

Moore spricht daraufhin aus dem Off und erzählt, dass Präsident Bush zur Zeit des Anschlags zu Besuch in einer Volksschule war. Bushs Reaktion auf den Angriff beschreibt Moore wie folgt:

When informed of the first plane hitting the World Trade Center, where terrorists had struck just eight years prior, Mr. Bush decided to go ahead with his photo opportunity. […] When the second plane hit the tower, his chief of staff entered the classroom and told Mr. Bush: ‘The nation is under attack’. Not knowing what to do, with no one telling him what to do and no Secret Service rushing in to take him to safety Mr. Bush just sat there and continued to read My Pet Goat with the children. Nearly seven minutes passed with nobody doing anything. (Ibid.)

Danach sieht man Nachrichtenausschnitte, die zeigen, dass jeglicher Flugverkehr nach dem Terroranschlag vorübergehend eingestellt wurde – bis auf einige Flüge, die saudi-arabische BürgerInnen und Mitglieder der Familie Bin Laden, ausgeflogen. Diese Aktion wurde mithilfe des FBI verwirklicht, um, laut saudi-arabischen Botschafter Prinz Bandar, die saudi-arabischen BürgerInnen vor Übergriffen in den USA zu schützen. Im Interview mit Ex-FBI Agent Jack Cloonan wird klar, dass das Ausfliegen dieser Personen unter normalen Umständen nicht genehmigt worden wäre. Moore will daraufhin herausfinden, warum es den Familienmitgliedern der potentiell Verantwortlichen erlaubt wurde auszureisen und stößt dabei auf ein brisantes Detail. Salem Bin Laden17 beauftragte James R. Bath, einen Freund von George W. Bush aus seiner Zeit bei der Luftwaffe, Geld für ihn in Texas anzulegen. Dieses Geld unterstützte auf längere Sicht auch Bush und seine Firmen, da James R. Bath in Bush investierte. Die meisten von Bushs Firmen gingen in Konkurs, das Geld floss jedoch weiter. Moore fragt sich nun, warum nach wie vor in Bushs Firmen investiert wurde und findet heraus, dass dies vor allem deshalb geschah, da George W. Bushs Vater, George H. W. Bush, zu dieser Zeit Präsident war. Die Verbindungen zwischen

16 Geschwärzter Filmstreifen, auf dem kein Bild zu sehen ist. 17 Halbbruder von Osama Bin Laden.

38 George H. W. Bush, als Repräsentant der The Carlyle Group18, und verschiedenen saudischen Ölkonzernen sind schon seit etwas 30 Jahren intakt. Unter anderem investierte auch die Familie Bin Laden in The Carlyle Group, die, durch den Anstieg der US- amerikanischen Verteidigung nach dem 11. September 2001, mehr Geld verdiente als zuvor.

In den nächsten Sequenzen des Filmes baut Moore seine Annahme, dass die Familie Bush mit den saudischen Ölkonzernen in Verbindung steht, weiter aus. Er zeigt, dass Bush sich gegen den Kongress stellte, als dieser ein Untersuchungsverfahren zu den Terroranschlägen am 11. September einleiten wollte. Als schließlich ein Bericht über die Vorfälle veröffentlicht wurde, waren 28 Seiten davon zensiert, um, laut Moore, etwaige Verbindungen der Bushs mit den Vorfällen zu vertuschen.

Außerdem geht Moore auf die Bombardierung Afghanistans ein, die dazu genutzt wurde, Profit für US-amerikanische Firmen zu erwirtschaften. El Kaida war offensichtlich für die Terroranschläge verantwortlich und deswegen wurde Afghanistan angegriffen. Jedoch wurde diese Offensive sehr bald eingestellt. Hamid Karzai wurde als Präsident Afghanistans eingesetzt. Eine seiner ersten Amtshandlungen war es, einen Vertrag für den Bau einer Pipeline durch Afghanistan zu unterschreiben, die von US-amerikanischen Firmen durchgeführt wurde. Die Verantwortlichen für den Terroranschlag am 11. September wurden jedoch nicht gefasst, viele Mitglieder der Taliban und der El Kaida, sowie Osama Bin Laden selbst, entkamen bei der Offensive.

Im Anschluss daran geht Moore auf die zweideutigen Nachrichten der Medien ein. Dabei zeigt er Archivmaterial, das auf der einen Seite die Angst vor Terroranschlägen schürt, auf der anderen Seite jedoch erklärt, man solle das Leben in den USA genießen. Diese verwirrende Medienberichterstattung soll Moore zufolge bewirken, dass die US- AmerikanerInnen nicht mehr wissen, was sie glauben bzw. wie sie agieren sollen, und sie nach dem Willen der Regierung beeinflussen zu können. Daher wurde auch der Patriot Act19 zugelassen, der die Rechte der US-AmerikanerInnen einschränkt. Laut Moore und PolitexpertInnen wurde 9/11 auch als Chance für die Bush-Administration gesehen, da

18 Eine der weltweit größten Holdinggesellschaften, die in Telekommunikation, Pharmaindustrie, Verteidigung und Luftfahrt, etc. investiert. 19 Erlaubt US-amerikanischen Bundesbehörden medizinische und finanzielle Daten sowie Computerdaten von jeglichen BürgerInnen zu durchsuchen. Des Weiteren dürfen Telefongespräche abgehört und Hausdurchsuchungen ohne das Wissen der Hausbesitzerin/des Hausbesitzers durchgeführt werden.

39 diese nun mehr Freiheiten hatte. Daraufhin wird ein Ausschnitt eingespielt, in dem Bush seine Meinung zur Regierungsform der Demokratie ausdrückt: „[a] dictatorship would be a heck of a lot easier, no question about it“ (ibid.). Moore spricht mit einem Mitglied des Kongresses und findet heraus, dass die meisten Gesetzestexte nicht vor ihrer Abstimmung durchgelesen werden. Dies befindet Moore als skandalös und lässt sich daher mit einem Wagen vor dem Kongress herumfahren und liest den Mitgliedern des Kongresses den Patriot Act mit einem Megaphon vor. Moore geht daraufhin auf die teilweise überzogenen, teilweise Mängel aufweisenden Sicherheitsvorkehrungen auf US-amerikanischen Flughäfen ein. Dabei wird gezeigt, dass es einer Mutter verboten wurde, Muttermilch an Bord der Flugzeuges mitzunehmen, aber es ist erlaubt, vier Feuerzeuge und zwei Schachteln Streichhölzer bei sich zu tragen. Moore stellt daher die Frage: „Was this really about our safety? Or was something else going on?“ (ibid.) Denn es wird festgestellt, dass die Sicherheitsvorkehrungen in den USA erhebliche Lücken aufweisen. Im gesamten Bundesstaat Oregon zum Beispiel sind in einer Nacht nur sechs PolizistInnen auf Patrouille, da das Budget gekürzt wurde. Wohin das Geld fließt, demonstriert Moore dem Publikum hierauf ausführlich – in den Irakkrieg.

Der Irakkrieg wurde, laut der Bush-Regierung, aufgrund der Gefahr eines Atomangriffs durch den Irak initiiert. Jedoch wurden die nuklearen Waffen nie gefunden, sondern der Grund für den Krieg waren Moore zufolge die reichen Ölvorkommen im Irak. Das Publikum sieht hierauf den Irak vor der Invasion: Menschen, die friedlich ihr Leben leben, Kinder die in den Straßen spielen. Es folgen Bilder des Krieges, dem sehr viele ZivilistInnen zum Opfer fielen. Medienberichte über den Irakkrieg verherrlichen den Krieg und zeigen nicht die persönlichen Geschichten Einzelner. SoldatInnen, die Bilder des Grauens sahen, erzählen, wie schwierig es ist, mit diesen Erinnerungen umzugehen. Außerdem wird die unnötige Verlängerung des Krieges angesprochen und dass die US- amerikanischen Truppen auf immer mehr Widerstand gegen die Besetzung ihres Landes vonseiten der Bevölkerung stoßen. Des Weiteren schildert Moore das Anwerben von SoldatInnen in den USA, wobei vor allem dort Werbung gemacht wird, wo viele Menschen arbeitslos sind, wie in Flint, Michigan. Als Beispiel dient hier die Geschichte von Lila Lipscomb, die zuerst das Militär als gute Option für ihre Kinder sah, da sie diesen keine Universitätsausbildung finanzieren konnte. Man sieht, wie sie die US-amerikanische Flagge jeden Tag an ihrem Haus hisst und sie sich selbst als Patriotin bezeichnet. Später

40 stellt sich heraus, dass ihr Sohn im Irak gefallen ist und sich ihre Meinung stark geändert hat. Ähnlich geht es den KriegsveteranInnen, von denen viele schwer verletzt wurden. Die Mittel zur Unterstützung von VeteranInnen wurden unter Bush stark gekürzt, und viele der ehemaligen SoldatInnen richten sich nun gegen seine Regierung.

Moore greift nun selbst in das Geschehen des Films ein, wie dies schon am Ende von Bowling for Columbine zu sehen war. Wie bereits erwähnt, werden sehr viele SoldatInnen angeworben, die aus wirtschaftlich benachteiligten Gegenden stammen. Diese Ungerechtigkeit will Moore bekämpfen, indem er Mitglieder des Kongresses persönlich dazu überreden will, eines ihrer Kinder in den Irak zu schicken. Wie vorherzusehen will niemand sein Kind in den Krieg schicken. Im letzten Drittel des Filmes wird klar, dass der Irakkrieg nicht der Befreiung des irakischen Volkes von Saddam Hussein diente, sondern aufgrund von Erdölgewinnung und Geldgeschäften begonnen wurde. Moore meint dazu, dass er immer bewunderte, dass die Menschen, die am wenigsten haben, sich für die USA einsetzen und in den Krieg gehen. Das einzige, was sie als Gegenleistung wollen, ist, dass sie nur in den Krieg müssen, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt. Moore zitiert daraufhin George Orwell, dessen Aussage Moores Argumentation unterstreicht:

It’s not a matter of whether the war is not real or if it is. Victory is not possible. The war is not meant to be won, it is meant to be continuous. Hierarchical society is only possible on the basis of poverty and ignorance. This new version is the past and no different past can ever have existed. In principle the war effort is always planned to keep society on the brink of starvation. The war is waged by the ruling group against its own subjects and its object is not the victory over either Eurasia or East Asia, but to keep the very structure of society intact. (Orwell, zit. n. Moore 2004a)

Als letzte Szene zeigt Moore eine Rede von George W. Bush, in der er Folgendes sagt: „Fool me once, shame on … shame on you! You fool me, we can’t get fooled again“ und Moore antwortet „For once, we agreed“ (Moore 2004a).

Abschließend kann gesagt werden, dass Moore, wie in Bowling for Columbine, komplexe Zusammenhänge aufdeckt, um das kritische Denken des Publikums anzuregen. Außerdem sollte der Film die US-amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2004 beeinflussen. Obwohl George W. Bush wieder gewählt wurde, weist das folgende Rezeptionskapitel aus Moores Einfluss in den USA hin.

41 3.2 Rezeption in den USA Mit der Veröffentlichung seines Erstlingsfilms Roger & Me im Jahr 1989 bewies Michael Moore sein Talent als Dokumentarfilmer. In den darauffolgenden Jahren entfaltete er seine Kreativität auch in anderen Medien: Moore schrieb Bestseller wie Downsize This! sowie Stupid White Men, produzierte Fernsehshows und wurde zur Medienpersönlichkeit. 2002 wurde Bowling for Columbine zum Kassen- und Publikumserfolg und gewann sogar den Academy Award in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“. Mit Fahrenheit 9/11 (2004) und der Auszeichnung des Films mit der Goldenen Palme bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes konsolidierte er seinen Ruf als „filmmaker, newsmaker, icon, political celebrity larger than any one of the films, books or TV shows he produced“ (Bernstein 2010:3).

Mehr als 20 Jahre ist Michael Moore nun in den Medien präsent und hat seit jeher die Rolle des humorvollen und unmissverständlichen Verteidigers der ArbeiterInnen und liberalen Linken sowie des Kritikers des Corporate America inne. Mit diesen Rollen bekam Moore jedoch nicht nur Lob und Anerkennung, sondern wurde auch zur Zielscheibe für konservative Kritik und persönliche Angriffe. In den folgenden Unterkapiteln soll nun auf die Rezeption von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 in den USA eingegangen werden, wobei auch immer wieder die Kritik an Moore als Kultfigur und Medienpersönlichkeit eine Rolle spielt.

3.2.1 Bowling for Columbine Als Bowling for Columbine vor seiner Veröffentlichung im Oktober 2002 als erster Dokumentarfilm seit fast 50 Jahren zu den Internationalen Filmfestspielen nach Cannes eingeladen wurde, sorgte dies für Furore, denn „simply competing for the top prize is a triumph for Moore. [...] Moore’s film has certainly sparked debate among journalists and struck a nerve with the international media“ (Glitz 2002). Der Film war ein voller Erfolg, „the first screening of his film, Bowling for Columbine, [...], was followed by a 13-minute standing ovation“ (Kaltenbach 2002) und gewann den 55th Anniversary Prize, womit auch der internationale Vertrieb des Filmes garantiert wurde. Mit diesen Voraussetzungen sicherte sich Bowling for Columbine im Oktober 2002 bei seiner Premiere in den USA den US-amerikanischen Vertrieb und große BesucherInnenströme (vgl. McEnteer 2006:92). Durch den enormen Publikumserfolg spielte der Film 21,6 Millionen US-Dollar ein und

42 wurde zum erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten (vgl. Bernstein 2010:4).

Bowling for Columbine löste eine Welle von Rezensionen aus, wobei dies nicht nur in Form von wissenschaftlichen Artikeln und Feuilletonbeiträgen geschah. Es wurden auch Gegendarstellungen zu Moores Werk in Form von Dokumentarfilmen produziert. Dazu gehört Michael Moore Hates America von Michael Wilson, der vor allem die Objektivität Moores anzweifelt. Wilson meint, dass Moore Szenen nachbearbeitet oder inszeniert, um seine Meinung als eine verallgemeinerte Form der Wahrheit darzustellen (vgl. Buchanan 2013). Eine weitere Kritik in Filmform ist Michael & Me (2005), in dem Regisseur Larry Elder Menschen interviewt, die sich mit Schusswaffen gegen AngreiferInnen verteidigten. Elder will dabei Moores Sicht des Waffenfanatismus in den USA abschwächen und die Sicherheit einer bewaffneten Gesellschaft bestärken.

Zu den im wissenschaftlichen Bereich publizierten Rezensionen zählt u.a. eine Kritik von Sharrett und Luhr, die im bekannten US-amerikanischen Filmmagazin Cineaste und auch im Sammelband Michael Moore. Filmmaker, Newsmaker, Cultural Icon (2010) erschien. In diesem Beitrag wird der Erfolg und die Beliebtheit Moores, auch beim Massenpublikum, auf zwei Annahmen zurückgeführt. Erstens werden seine Werke „commonly classfied not as sociopolitical criticism but as ‘comedy’ (Sharrett/Luhr 2003:36), und zweitens wird „his persona – a big, potbellied slob from the American heartland in a baseball cap who looks like he buys his clothes in Kmart and sleeps in them“ als verbindendes Element für die Masse der US-AmerikanerInnen dargestellt. Außerdem wird auf die zentrale Rolle Moores in Bowling for Columbine eingegangen: „Moore places himself at the center of his work, which is almost as much about his persona as it is about the issues he engages“ (ibid.). In der Rezension wird die Kritik an Moores Objektivität als konservativ angesehen, welche nichts mit „addressing Moore’s real strengths and limitations“ (ibid.) zu tun hat. Sharrett und Luhr gehen bei ihrer Rezension in die Tiefe und befinden, dass „Moores great talent is for uncovering the grotesque, almost incomprehensible features of American life, such as a bank that gives away guns“ (ibid.). Jedoch zeigen sie auch einige negative Elemente auf, vor allem die oft inkohärente Argumentationsweise im Film und Moores Stil, Fragen aufzuwerfen, jedoch keine Antworten darauf zu finden. Außerdem wird Moores Humor an unpassenden Stellen im Film kritisiert und als „forced irony“ (ibid.:38) bezeichnet.

43 Auch die Monographie Shooting the Truth. The Rise of American Political Documentaries von James McEnteer beschäftigt sich eingehend mit Michael Moore und seinen Werken. McEnteer sieht, ähnlich wie Sharrett und Luhr, die positiven und negativen Seiten von Bowling for Columbine und geht auch auf die Inkohärenz ein, wenn er meint, „[c]lever editing and rapid-fire pace help to smooth the transitions, which aren’t always logical“ (McEnteer 2006:92). Vor allem das Interview mit Charlton Heston am Ende des Film bezeichnet McEnteer als kontrovers, obwohl er Bowling for Columbine im Gesamten als „quantum leap for Michael Moore“ sieht:

He uses evolving skills as filmmaker to grapple with serious social problem from various angles. His mix of humor and pathos, stock footage and creative interviews, personal stories, and national trends works better here than ever. If the answers to his questions about American violence prove as elusive in the end as those about GM’s Roger Smith, the point of the journey is the journey itself, getting us to think in new ways about the world we take for granted, and to asks whether it’s the one we really want. (Ibid.:94)

Das Zitat fasst Moores Stil kurz zusammen und zeigt, dass McEnteer die aufgeworfenen und unbeantworteten Fragen, im Gegensatz zu Sharrett und Luhr, als Inspiration für selbständiges Denken sieht.

Negative Kritik an Bowling for Columbine wird vor allem vonseiten der politisch Konservativen geübt. Hier spielt unter anderem Dave Kopel, der vor allem bekannt dafür ist, dass er sich für den persönlichen Waffenbesitz einsetzt, eine Rolle. Er bezeichnet das Genre Michael Moores als „mockumentary filmmaking […] (based on fictitious ‘facts’)“ (Kopel 2003) und versucht mit Ausschnitten aus dem Film Moores Argumentation zu widerlegen. Außerdem echauffiert sich Kopel über die zahlreichen Preise, die Bowling for Columbine für den besten Dokumentarfilm erhielt, da er Moores Filme nicht als Dokumentarfilm anerkennt. Kopel meint abschließend:

Countless actors and producers may have railed at the Academy for poor taste, but no artist has ever demonstrated the film elite’s hyper-partisan preference for political correctness over truth as thoroughly and well as has Michael Moore. (Ibid.)

Die extrem konservative Kritik, wie Michael Moore is a Big Fat Stupid White Men (2004) von David T. Hardy und Jason Clarke, geht noch einen Schritt weiter und bezeichnet Moores Genre als „crockumentary“ (Hardy/Clarke 2004) und Moore selbst als Lügner. Die extreme Abneigung gegenüber Moore wird auch auf der Webseite von Hardy (vgl. Hardy

44 2005) deutlich.

Durch die Abhandlung verschiedener Rezensionen über Moores Film wird deutlich, wie sehr die Meinungen auseinander gehen. Auch im Feuilleton spiegelt sich diese Tendenz wider. Sehr positive Rezensionen umfassen „thought-provoking, terrifying and absurdly hilarious (Outhier 2002) und “It may be one of the most effective political/polemical films ever“ (Wilmington 2002). Kritischere Stimmen wie A.O. Scott von der New York Times finden sowohl Positives als auch Negatives:

The slippery logic, tendentious grandstanding, and outright demagoguery on display in Bowling for Columbine should be enough to give pause to its most ardent partisans, while its disquieting insights into the culture of violence in America should occasion sober reflection from those who would prefer to stop their ears. (Scott 2002)

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Rezeption von Bowling for Columbine sehr deutlich zeigt, wie sehr Moore starke Emotionen in jede/r der RezensentInnen hervorruft, ob sie ihn nun positiv oder negativ kritisierten.

3.2.2 Fahrenheit 9/11 Bereits vor der Veröffentlichung von Fahrenheit 9/11 sorgte der Film für Diskussion. Zum einen Gewann er die Goldene Palme in Cannes, und nach der Vorstellung dauerte die Ovation zwanzig Minuten (vgl. Larner 2005:186). Auf der anderen Seite hielt die Walt Disney Company ihre Tochtergesellschaft Miramax davon ab, Fahrenheit 9/11 in die Kinos zu bringen. Laut der Walt Disney Company wäre der Dokumentarfilm für das Image der familienorientierten Firma zu kritisch gewesen. Moore reagierte heftig und beschuldigte die Walt Disney Company, den Film aufgrund der Gefahr des Verlusts von Unterstützungen für Disney Land in Kalifornien nicht veröffentlichen zu wollen, da George W. Bushs Bruder damals Gouverneur dieses Bundesstaates war. Die öffentliche Meinungsverschiedenheit führte zu heftigen Reaktionen. Auf der einen Seite wurde darüber diskutiert, dass es sich bei diesem Verbot um Zensur handelte, auf der anderen Seite sprach man von einer geglückten PR-Aktion, denn durch die Öffentlichkeit der Debatte bekam Fahrenheit 9/11 sehr viel Aufmerksamkeit und kostenlose Werbung. Schließlich fand sich mit Lions Gate Films Company und IFC Films ein neuer Verleih, und Fahrenheit 9/11 kam wie geplant am 25. Juni 2004 in die US-amerikanischen Kinos (vgl. Grünefeld 2010:176f.). Bereits drei Tage nach dem Kinostart war Fahrenheit 9/11 zum

45 erfolgreichsten Dokumentarfilm aller Zeiten geworden und hatte 24 Million US-Dollar eingespielt. Bis zum Herbst 2004 wurde der Film in mehr als 2000 Kinos US-weit gespielt20 und nahm mehr als 100 Millionen US-Dollar ein (vgl. Lucia/Porton 2004:1).

Die heftige Debatte, die nach dem Filmstart entbrannt war, galt dem potentiellen Einfluss von Fahrenheit 9/11 und seiner Kritik an der Bush-Administration auf die im Herbst 2004 durchgeführten US-Wahlen. Dabei fragten sich ExpertInnen vor allem „will it merely persuade the already persuaded, or can it possibly influence that crucial bloc of ‘undecided’ voters who […] could tilt the victory to the Democrats?“ (Lucia/Porton 2004:1). Obwohl Bush wiedergewählt wurde, wurde der politische Einfluss des Films vor allem im Wahlkampf deutlich, denn sowohl DemokratInnen als auch RepublikanerInnen verwendeten Fahrenheit 9/11 als Referenz in ihrer Kampagne (vgl. Grünefeld 2010:179f.).

Sowohl GegnerInnen als auch BefürworterInnen der Bush-Administration hatten starke, oft emotional motivierte Meinungen zu Fahrenheit 9/11. Porton fasst die Rezeption des Films und seines Produzenten in den USA zusammen und verdeutlicht die Vehemenz der RezensentInnen und die auffallende Polarisierung:

Michael Moore has been hailed by the left as the new Tom Paine, denounced by his right- wing opponents as the incarnation of […] Leni Riefenstahl, and compared by film critics to such disparate figures as Sergei Eisenstein and Kenneth Anger. Moore has become a lightning rod for hyperbolic praise and disgust, and the vigorous, and unusually vehement, responses to his bracingly sardonic anti-Bush salvo are probably as much aligned with the polarization produced by this unsavory administration’s invasion and occupation of Iraq as with the persona of its – to invoke the ubiquitous and perhaps inevitable cliché – ‘controversial’ director. (Porton 2004:3)

Auf Seiten der Bush-GegnerInnen fand der Film vor allem positive Resonanz. Das MoveOn Political Action Committee, zum Beispiel, sendete seinen mehr als zwei Millionen Mitgliedern Emails, in denen sie dazu aufgefordert wurden, Fahrenheit 9/11 anzusehen. Demgegenüber versuchte die politisch Konservative den Film von seiner Publikation abzuhalten. MoveAmericaForward.com etwa versuchte mit Schreiben an die KinobesitzerInnen, diese von der Projektion des Films abzuhalten (vgl. Lucia/Porton 2004:1).

20 Zum Vergleich wurde Bowling for Columbine, der bis dahin erfolgreichste Dokumentarfilm, in weniger als 250 Kinos gezeigt (vgl. Lucia/Porton 2004:1).

46 Wie bereits bei Bowling for Columbine wurden Fahrenheit 9/11 Kritiken in Filmform gewidmet. Dazu zählen FahrenHype 9/11 (2004) von Alan Peterson, in dem die Verdrehung der Fakten in Fahrenheit 9/11 kritisiert wird. Auch in Celsius 41.11 (2004) von Kevin Knoblock sollen Moores Aussagen widerlegt werden. Der Film verteidigt vor allem George W. Bush und kritisiert den demokratischen Präsidentschaftskandidaten des Jahres 2004 John Kerry (vgl. McEnteer 2006:97).

Ferner wird auch in drei Beiträgen in Bernsteins Sammelband Michael Moore. Filmmaker, Newsmaker, Cultural Icon (2010) auf Fahrenheit 9/11 eingegangen. Merklich ist hier, dass alle drei Autoren auf die negativen Kritikpunkte, wie etwa die Nachbearbeitung von Szenen und „falschen“ Fakten, eingehen, jedoch schlussendlich immer Moores Werk und ihn selbst verteidigen. Charles Musser etwa betont die Relevanz von Fahrenheit 9/11 als historisches Dokument:

Viewed outside the political season for which it was made and in the face of the continuing ordeal of the Iraq war […], viewed as it inevitably will be as a historical document, Fahrenheit 9/11 seems destined to emerge as an audacious and courageous achievement that gains credibility and power […]. (Musser 2010:196)

Auch David Tetzlaff hebt hervor, wie Moores Werk die Wichtigkeit von kritischem Denken fördert und damit sogar dem Establishment Angst macht:

Fahrenheit 9/11 asks us to choose our reality. That’s what makes it radical. It also asks us to remember. That’s what makes it dangerous. That is why the established authorities must treat the film as a show of facts that can be easily refuted, why its connections to artistic and philosophical tradition must be swept off the table, kept out of the discussion by definition. (Tetzlaff 2010:220; Hervorh. im Orig.)

Auch FilmkritikerInnen des Feuilleton würdigten Fahrenheit 9/11 mit starken, oft enthusiastischen Rezensionen. Desson Thomson von der Washington Post meint, „Fahrenheit 9/11, Moore’s most powerful film since ‘Roger & Me’, slices and dices President Bush’s presidency into a thousand satirical pieces” (Thomson 2004) und Kenneth Turan von der Los Angeles Times bezeichnet den Film als „landmark in American political filmmaking“ (Turan 2004). Porton schließt sich an und hebt vor allem die Signifikanz von zwei Szenen des Films hervor. Er bezeichnet zuerst die Eingangsszene, in der die Wahlfeier Al Gores in Florida gezeigt wird, als „the most accomplished, even moving piece of filmmaking in Moore’s corpus“ (Porton 2004:4). Außerdem geht er auf die am

47 öftesten rezensierte Szene ein, in welcher Präsident Bush, nachdem er über den Terroranschlag unterrichtet wurde, weitere sieben Minuten in einem Klassenzimmer blieb, statt auf die Information zu reagieren. Diese Szene sorgte unter RezensentInnen für Diskussion, „yet perhaps no other footage of our hapless leader better conveys his status as a befuddled, clueless sipher who is powerless, and literally voiceless, without his handlers“ (ibid.). Kritischere Stimmen sehen Fahrenheit 9/11 zwar als „Moore’s most powerful movie – the largest in scope, the most resourceful in means“ (Denby 2004), aber betonen auch die Grenzen des Films:

He calls himself a satirist, but he’s less a satirist than a polemicist, a practitioner of mocking political burlesque: he doesn’t discover many new things but punches up what he already knows or suspects; he doesn’t challenge or persuade an audience but tickles or irritates it. He’s too slipshod intellectually to convince many except the already convinced, too eager to throw another treated log onto the fire of righteous anger. (Ibid.)

Heftig diskutiert wurde auch, ob Fahrenheit 9/11 überhaupt in das Genre Dokumentarfilm einzuordnen sei, oder ob der Film eher als ein Akt politischer Propaganda anzusehen sei. Hierbei muss gesagt werden, dass die meisten RezensentInnen meinen, dass der Film über einer solchen Kategorisierung stehe, weil Fahrenheit 9/11 „presents a vision, not an argument“ (Tetzlaff 2004, zit.n. McEnteer 2006:99).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Michael Moore mit Fahrenheit 9/11 die Gemüter bewegte, „[w]hether you love, loath, or feel ambivalent about Michael Moore, it’s obvious that more than a few minds have changed“ (Porton 2004:7).

48 4 Die Übersetzung von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 im deutschsprachigen Raum

Um diese Diplomarbeit im Feld der audiovisuellen Translation sowie der Dokumentarfilmübersetzung zu positionieren, wird in diesem Kapitel zuerst auf den aktuellen Forschungsstand der beiden Gebiete eingegangen. Dem folgen Informationen zu den ProduzentInnen der Synchronisationen bzw. Untertitel der Filme Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11, um herauszufinden, wie professionell diese hergestellt wurden, was Auskunft über den Status Moores im deutschsprachigen Raum geben soll. Der letzte Unterpunkt dieses Kapitels bespricht die Rezeptionsgeschichte der Werke Moores in Österreich, Deutschland und der Schweiz und soll Aufschluss darüber geben, inwieweit das Renommee, das Moore als Filmschaffender und Kultfigur in den USA hat, auch im deutschsprachigen Raum vorhanden ist.

4.1 Audiovisuelle Translation

Seit 1932 gibt es Forschungen im audiovisuellen Bereich, bis in die Achtzigerjahre des 20. Jahrhunderts waren diese jedoch Teil der Film- und Medienwissenschaften. Erst in dieser Dekade begann die Translationswissenschaft sich mit audiovisueller Translation (AVT) zu beschäftigen (vgl. Orero 2009:130). Ab dem Jahr 1995 kann ein Aufschwung der Forschung im Bereich der AVT verzeichnet werden. Gambier (2003:171) meint, dass dies durch verschiedene Faktoren hervorgerufen wurde: Erstens wurde 1995 zum ersten Mal in einem von der EU finanzierten Forum über audiovisuelle Kommunikation im Zusammenhang mit Translation diskutiert. Seit diesem Zeitpunkt finden jährlich mehrere Konferenzen und Seminare zu diesem Thema statt, auch die Zahl der Veröffentlichungen zum Thema audiovisuelle Translation steigt stetig an. Außerdem ist die rasante Entwicklung der Technologie im Medienbereich als ein Grund für die Präsenz des Themas zu nennen, wobei vor allem die Digitalisierung der Medien – in Form von DVD, Fernsehen und Kino – und der Zugang zum Internet für den stetigen Anstieg der AVT verantwortlich sind (vgl. Díaz Cintas/Anderman 2009:3f.). Díaz Cintas und Anderman heben auch die Bedeutung der AVT innerhalb der Translationswissenschaft hervor und bezeichnen diese als „one of the most vibrant and vigorous fields within Translation Studies“ (ibid.:8).

So zahlreich die Publikationen zu dem Thema audiovisuelle Translation sind, so vielfältig

49 sind auch die Bezeichnungen für diese Translationspraxis. Diese reichen von film translation über screen translation und multimedia translation bis zu audiovisual translation21 und umfassen folgende Modi: „audio (radio), the audio and the visual (screen), or the written, the audio and the visual (multimedia)“ (Orero 2004a:vii).

Darüber hinaus gibt es verschiedene Formen der audiovisuellen Translation. Die am häufigsten verwendete Form im deutschsprachigen Kino und Fernsehen ist die Synchronisation, wobei die Tonspur der Zielsprache über die der Ausgangssprache gelegt wird (vgl. Jüngst 2010:2). Des Weiteren ist die Untertitelung als Form zu nennen, welche vor allem seit Ende des 20. Jahrhunderts an Beliebtheit gewann (vgl. Ivarsson/Carroll 1998:1). Dabei wird zwischen interlingualen (open caption) und intralingualen (closed caption) Untertiteln unterschieden (vgl. Gambier 2003:172ff.). Bei interlingualen Untertiteln wird der mündliche Ausgangstext in ein bis zwei Zeilen der Zielsprache übertragen. Intralinguale Untertitel wiederholen das Gesprochene in der gleichen Sprache, um Gehörlose22 und Sprachlernende beim Verstehen des Gesagten zu unterstützen. Umfassende Information zu intralingualen Untertiteln finden sich bei Neves (2009). Die beiden Hauptformen Synchronisation und Untertitelung waren lange Zeit Grund einer Polarisierung von FürsprecherInnen und GegnerInnen dieser zwei Möglichkeiten, aber „nowadays it is generally accepted that different translation approaches make their own individual demands while remaining equally acceptable“ (Díaz Cintas/Anderman 2009:4f.). Innerhalb der Translationswissenschaft spricht man von Untertitelungsländern und Synchronisationsländern. Zumeist wird in Europa davon ausgegangen, dass kleinere Länder, wie die skandinavischen Staaten und die Beneluxstaaten, Untertitelungsländer sind, während Länder wie Deutschland, Spanien und Italien als typische Synchronisationsländer gelten (vgl. Jüngst 2010:4). In Österreich werden zumeist die Synchronfassungen aus Deutschland in Kino und Fernsehen wiedergegeben (vgl. Kurz 2006:52).

Des Weiteren ist die Audiodeskription (AD) eine Form der AVT, welche für sehgeschädigte Personen angefertigt wird. Ausführliche Informationen zur Audiodeskription sind etwa bei Panier/Brons/Weißbach/Wisniewski (2012) nachzulesen. Dabei werden die Umgebung und die Handlung der Personen beschrieben, wenn keine Tonspur läuft. In den letzten Jahren

21 Für eine vollständige Liste aller Bezeichnungen siehe Orero (2004a:vii). 22 Untertitel für Gehörlose werden auch kurz SDH genannt, was für die Abkürzung Subtitles for the Deaf and Hard of Hearing steht.

50 zeigte sich, dass der AD und den SDH immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird:

Recent developments and studies show that the needs of these groups are increasingly catered for and this field of expertise now holds an established position within audiovisual translation. (Díaz Cintas/Anderman 2009:5)

Ferner zählt die Übertitelung von Opern zur AVT, die auch in letzter Zeit das Augenmerk der Translationswissenschaft auf sich zieht (vgl. Matamala/Orero 2008). Eine weitere Form der AVT ist die Voice-over-Übersetzung, mehr dazu z.B. bei Franco/Matamala/Orero (2010). Hier hört man zwar noch leise die Stimme der OriginalsprecherInnen, jedoch spricht den Zieltext eine Stimme darüber (vgl. Jüngst 2010:3). Die Voice-over-Übersetzung wird in der Translationswissenschaft oft mit Dokumentarfilmen und Interviews verbunden. Orero (2009:131f.) macht jedoch auf die Verwendung von Voice-over für die Übersetzung von Filmen z.B. in Polen aufmerksam.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass innerhalb der Translationswissenschaft die AVT oft mit Filmübersetzung gleichgesetzt wird und viele der Arbeiten zum Thema beschäftigen sich mit der Untertitelung oder Synchronisation von Filmen. Auch Díaz Cintas weist auf diese Einschränkung der Forschung hin und meint:

[F]ilms are only a small fraction of a wider variety of audiovisual programmes – including corporate videos, documentaries, TV series, reality shows or video games – that are routinely translated. (Díaz Cintas 2009:5f.)

Obwohl diese Tendenz in der Literatur sichtbar ist, befassten sich doch, vor allem in den letzten Jahren, einige Publikationen mit Dokumentarfilmübersetzung. Diese sollen im folgenden Unterkapitel näher beleuchtet werden.

4.2 Dokumentarfilmübersetzung

Die Literatur zum Thema Dokumentarfilmübersetzung beginnt mit dem 21. Jahrhundert, wobei die wissenschaftlichen Beiträge verschiedene Schwerpunkte setzen. Einen sehr ausführlichen und aktuellen Überblick über das Dokumentarfilmübersetzen gibt Nielsen (2011) in der ersten Monographie zum Thema. Sie geht in ihrem Buch Translating Documentaries zuerst auf die Entwicklung der Translationswissenschaft und die Dokumentarfilmwissenschaft ein und stellt dann die Verbindung zwischen den beiden her. Außerdem beschäftigt sie sich mit der Praxis des Dokumentarfilmübersetzens, wobei auch die verschiedenen Übersetzungsmodi erklärt werden. Abschließend untersucht sie drei

51 Dokumentarfilme, um die Schwierigkeiten und Methoden der Praxis hervorzuheben.

Einen weiteren allgemeinen Überblick über Dokumentarfilmübersetzung bietet Espasa (2004), wobei die zwei irrtümlichen Annahmen geklärt werden, dass Dokumentarfilme keine „richtigen“ Filme sind und dass Dokumentarfilmübersetzung nicht explizit audiovisuell ist. Espasa klärt daraufhin, dass der erste Film, der jemals produziert wurde, ein Dokumentarfilm war, womit prinzipiell schon erklärt ist, dass Dokumentarfilme als Filme anzusehen sind. Des Weiteren definiert Espasa Dokumentarfilmübersetzung als audiovisuelle Translation, indem sie auf die diskursiven Aspekte Feld, Form der Übertragung, Übersetzungsmodus und Textfunktion eingeht. Abschließend gibt Espasa einen Überblick über die Herausforderungen, die Dokumentarfilmübersetzungen mit sich bringen:

In summary, documentaries pose the following challenges to translation and research: the fuzzy definition of this protean genre […]; hence, the slippery characterization of target audiences, which affects the whole translation process, and which in turn is the key to tackling terminology and information translation problems if all kinds. Finally, the interaction between text and image is both a problem and a solution. (Espasa 2004:194)

Matamala (2009a) beschäftigt sich spezifisch mit den Problemen der Dokumentarfilmübersetzung. Dabei geht sie auf die Arbeitsbedingungen ein und hebt hervor, dass die Übersetzung von Dokumentarfilmen mehr Zeit verlangt als die Übersetzung von fiktiven Filmen, da zumeist ein höherer Rechercheaufwand betrieben werden muss. Zumeist wird DokumentarfilmübersetzerInnen jedoch wenig Zeit für ihre Arbeit gegeben. Des Weiteren erhalten die ÜbersetzerInnen oft kein Originalskript des Dokumentarfilms, wodurch die Übersetzung von spezifischer Terminologie und Eigennamen erschwert wird (vgl. ibid.:110f.). Matamala weist außerdem auf die genrespezifischen Schwierigkeiten bei der Übersetzung hin, wobei sie sich mit Terminologie, SprecherInnen und Übersetzungsmodi beschäftigt. Matamala schließt ihren Beitrag mit zwei entscheidenden Aspekten:

On the one hand, documentaries are audiovisual programmes and, therefore, sound and image are key elements; it is not important what it is written on the script, but what it is heard and seen. On the other hand, each original presents particular features which the translator has to perceive and render in the target language. Given the various different techniques used when translating documentaries, it can be concluded that documentary

52 translators must master voiceover and narration techniques, as well as subtitling. (Ibid.:119)

In einem weiteren Artikel führt Matamala (2009b) eine korpusbasierte Studie durch, mit der sie die Schwierigkeiten anhand verschiedener Sorten von Dokumentarfilmen, von Naturdokumentationen bis zu Realityshows, zeigt. Dabei analysiert Matamala das Register, die audiovisuelle Transfermethode und die SprecherInnen der Dokumentarfilme.

Franco konzentriert sich auf die kulturelle Komponente bei der Übersetzung von Dokumentarfilmen. Dazu führte sie eine Studie durch, in der sie 22 Dokumentarfilme über Brasilien untersucht, die mithilfe von Voice-over ins Französische und Deutsche übertragen wurden. Franco stellt fest, dass Kulturspezifika eine wichtige Rolle spielen, wenn es sich um die Bestimmung der Form und des Inhalts der Voice-over-Übersetzung handelt (Franco 2000a). Diese Funktion der Kulturspezifika untersucht Franco (2001a) noch weiter und befindet, dass verfremdende Übersetzungen im Bereich des Dokumentarfilms erwünscht sind. Außerdem bezeichnet Franco Dokumentarfilmübersetzung als „specific practice“, da dieser „eine eigene Übersetzungsspezifik zugrundeliegt“ (Franco 2000b:233). Franco bemerkt, dass in der Literatur die Objektivität der Übersetzung von Dokumentarfilmen nicht angezweifelt wird, obwohl die Kultur der ÜbersetzerInnen den Zieltext beeinflusst:

The fact that simultaneous different language versions of the same documentary may mean “different texts” in terms of information content and expression reinforces the idea that documentary translation plays an active role in the representation of the documentary reality within a given culture. (Ibid.:241)

Auch Hoorickx-Raucq (2005) beschäftigt sich mit dem kulturellen Einfluss auf die Übersetzungspraxis von Dokumentarfilmen. Sie geht noch einen Schritt weiter als Franco und geht von der Annahme aus, dass kulturelle Unterschiede nicht nur auf der Ebene der Terminologie oder der Textstruktur zu finden sind, sondern auch kognitive Prozesse von Kultur zu Kultur unterschiedlich sind. Sie folgert, dass durch die Übersetzung von Dokumentarfilmen und wissenschaftlichen Artikeln ÜbersetzerInnen neue Wege für die Vermittlung von Wissenschaft in der Zielkultur finden und damit eine einflussreiche Position einnehmen:

Viewed in this way, the discourse of science requires mediation rather than translation from one language into the other, and the translator’s contribution to scientific discourse in the target language could be considered as highly influential. (Ibid.:97)

53 Da die Voice-over-Übersetzung bei der Dokumentarfilmübersetzung oft eine große Rolle spielt, gibt es einige wissenschaftliche Beiträge zu dieser Transfermethode. Franco (2001b) gibt in einem ersten Artikel einen Überblick über die terminologischen und konzeptuellen Herausforderungen der Dokumentarfilmübersetzung, wobei sie sich auf Voice-over- Übersetzung der KommentatorInnen und das Interview im Dokumentarfilm konzentriert. Franco weist darauf hin, dass die KommentatorInnen die Ideen der Filmschaffenden reflektieren, wodurch sie einen wertenden und autoritären Charakter bekommen. Daher bereiten diese Stimmen aus dem Off oft Probleme bei der Übersetzung (vgl. ibid.:291). Hiernach beschäftigt sich Franco mit den verschiedenen Definitionen für Voice-over und betont die Uneinigkeit der WissenschaftlerInnen darüber, wie Dokumentarfilmübersetzung einzuordnen und zu definieren sei (vgl. ibid.:292ff.).

Ausführlicher beschäftigt sich Orero (2004b) mit Voice-over-Übersetzung und geht auf die Charakteristika dieser AVT-Methode ein. Dabei zeigt sie die Komplexität der Voice-over- Übersetzung auf und kritisiert die oft in der Translationswissenschaft und Filmwissenschaft vertretene Meinung, dass Voice-over zu den einfachsten Übersetzungsmethoden in der AVT zu zählen sei (vgl. ibid.:76). In einer aktuellen Monographie zum Thema Voice-over- Übersetzung (Franco/Matamala/Orero 2010) geben die AutorInnen einen ausführlichen Überblick zum Thema und beschäftigen sich mit den bisherigen wissenschaftlichen Beiträgen, sowohl in Translationswissenschaft als auch Filmwissenschaft, dem Prozess der Voice-over-Übersetzung und schlussendlich auch mit der Ausbildung für Voice-over- ÜbersetzerInnen.

Abschließend ist zu sagen, dass es bereits einige Beiträge zum Thema audiovisuelle Translation gibt und das Interesse an diesem marginalen Gebiet der Translationswissenschaft steigt weiter an, was zum Beispiel auch durch das Erscheinen von Monographien zum Thema angenommen werden kann.

4.3 ÜbersetzerInnen der deutschen Fassung von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11

In den folgenden Unterkapiteln wird auf die ProduzentInnen der Untertitel und Synchronisation von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 im Deutschen eingegangen. Dabei wird vor allem darauf geachtet, ob die Untertitel und die Synchronisation der beiden Filme von professionellen ÜbersetzerInnen angefertigt wurden,

54 was auch Auskunft über den Status von Moores Filmen im deutschsprachigen Raum gibt.

4.3.1 Bowling for Columbine

Die deutschen Untertitel des Dokumentarfilms wurden von Holland Subtitling (vgl. Stern 2013), welche Teil des Filmlabors NCP Holland ist (vgl. NCP Holland [o.J.]a), produziert. Auf der Homepage der Firma sind Informationen zu den Arbeitsbereichen von NCP Holland zu finden. Die Firma fertigt u.a. Untertitelungen für DVDs, Blue-Ray-Discs, 16- und 35 mm Filmmaterial an. Dabei wird auf die Tradition der Niederlande in Bezug auf Untertitel hingewiesen. Außerdem werden die wichtigsten Schritte bei der Übersetzung von Untertiteln erklärt. Weiters wirbt NCP Holland mit 25-jähriger Erfahrung und weist darauf hin, dass die ÜbersetzerInnen, welche für die Firma arbeiten, sich auf das Gebiet der Untertitelung spezialisiert haben (vgl. NCP Holland [o.J.]b). Es wird jedoch nicht erwähnt, welche Sprachenpaare Holland Subtitling anbietet und welche MitarbeiterInnen für die Firma tätig sind.

Die Untertitel von Bowling for Columbine wurden von Tommy Mang übersetzt. Zum Übersetzer konnte lediglich herausgefunden werden, dass er für den Film Sonnensucher von Konrad Wolf im Jahr 1999 die Untertitel übersetzte. Es fanden sich jedoch keinerlei Information zu den Sprachen oder Spezialgebieten des Übersetzers (vgl. IMDb 2008).

Die deutsche Synchronisation wurde von Neue Tonfilm München GmbH produziert, welche seit 1989 Synchronisationen für Film- und Fernsehproduktionen herstellt. Dabei wirbt sie auf ihrer Webseite mit den verschiedenen Projekten, die die Firma bereits synchronisierte, nämlich „alles, was gut und anspruchsvoll ist“ (Neue Tonfilm München [o.J.]a), u.a. auch „aufsehenerregende Dokumentationen wie […] Michael Moore’s ‚Bowling for Columbine‘“ (ibid.). Die Neue Tonfilm München GmbH fertigt Übersetzungen an, erstellt Synchron- und Dialogbuch und wählt die SynchronsprecherInnen aus. Sie bietet ein umfassendes Paket von der Übersetzung bis zur Vorführung eines Filmes an (vgl. Neue Tonfilm München [o.J.]b). Jedoch gibt es auch auf dieser Homepage keine Informationen zu den ÜbersetzerInnen der Filme.

Die Synchronbuchautorin, Synchronregisseurin und Synchronsprecherin Marina Köhler war verantwortlich für die deutsche Synchronisation von Bowling for Columbine (vgl. Stern 2013). Sie wurde 1954 geboren und studierte Germanistik sowie Romanistik. Köhler ist die Tochter des Filmregisseurs, Synchronregisseurs und -autors Manfred R. Köhler.

55 Dadurch sammelte sie bereits in jungen Jahren Erfahrung im Bereich des Synchronsprechens, z.B. als Synchronsprecherin von Brooke Shields in Die Blaue Lagune. Neben den zahlreichen Arbeiten als Synchronsprecherin ist Köhler Synchronbuchautorin und -regisseurin und erhielt 2003 den Deutschen Synchronpreis in der Kategorie Synchronregie für den Film Die unbarmherzigen Schwestern (vgl. Hoffmann 2008).

4.3.2 Fahrenheit 9/11

Die deutschen Untertitel des Dokumentarfilms Fahrenheit 9/11 wurden von der Film und Video Untertitelung GmbH (ehemals Gerhard Lehmann AG) produziert. Auf der Internetseite der Gesellschaft finden sich Informationen zu Leistungen der Firma, wie Untertitel für Internet, Fernsehen und DVD, aber auch Bild- und Tonbearbeitungen, sowie die Anfertigung von deutschen SprecherInnentexten, wobei auf die Mischform der Dokumentation hingewiesen wird: „Die Originaltöne werden untertitelt [sic] und die Erzählstimmen aus dem Off werden als Sprechertext aufgenommen“ (Film und Video Untertitelung GmbH 2011). Die Firma wirbt mit ihrer Erfahrung und meint, dass schon über 30.000 Untertitel in über 40 Sprachen hergestellt wurden, jedoch gibt es keine Information zu den ÜbersetzerInnen, die diese Untertitel produziert haben.

Im Menü der DVD kann zwischen „Deutsche Untertitel – Kinofassung“ und „Deutsche Untertitel“ gewählt werden. Bei beiden Versionen wird beim Abspann des Filmes Frank Sahlberger als Ersteller der Untertitel genannt. Auf der Webseite von Xing gibt es ein Profil des Übersetzers. Frank Sahlberger ist diplomierter Übersetzer und studierte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Literaturübersetzen in den Sprachen Englisch und Französisch. Er übersetzt vor allem aus dem Englischen ins Deutsche in den Bereichen Film, Fernsehen, Fachliteratur, Fiktion und Theater. Des Weiteren ist er Mitglied beim Verband deutschsprachiger ÜbersetzerInnen literarischer und wissenschaftlicher Werke e. V. und bei der Verwertungsgesellschaft WORT und seit über 16 Jahren als Übersetzer tätig (vgl. Sahlberger 2013a). Weitere Informationen zu Sahlberger bietet die Seite Proz.com, auf der eine genaue Auflistung seiner Fachbereiche angezeigt wird. Dazu gehören Untertitel, Drehbücher, Synchronisationen, Softwarelokalisation, Erzählungen, Theaterstücke, Radiobeiträge, Politik, Geschichte, Popkultur und Sport. Außerdem werden einige seiner Untertitelungsprojekte, u.a. Der Pianist von Roman Polanski, 11’09’’01 – September 11 von Sean Penn, Ken Loach etc. und Die Entdeckung des Himmels von

56 Regisseur Jeroen Krabbé (vgl. Sahlberger 2013b). Zu den übersetzten Büchern von Frank Sahlberger zählen Werke von Rob Ballard, Ben Bown, Dennis Lumborg, Jeff Long, Andrew Taylor und David Ramus (vgl. Schniederjürgen 2012:1325).

Zur deutschen Synchronfassung von Michael Moore als Erzähler aus dem Off wurden keine Informationen gefunden. Da jedoch die Film und Video Untertitelung GmbH auch SprecherInnentexte verfasst und die Firma auch am Schluss des Filmes genannt wird, kann angenommen werden, dass die Synchronisation ebenfalls von dieser Gesellschaft produziert wurde.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Untertitelung von Fahrenheit 9/11 durch Angabe eines diplomierten Übersetzers professioneller wirkt, als dies noch bei Bowling for Columbine der Fall war. Dies könnte auf den gestiegenen Bekanntheitsgrad Moores im deutschsprachigen Raum zurückgeführt werden. Um herauszufinden, welchen Ruf Moore selbst und seine Werke in Österreich, Deutschland und der Schweiz genießen, soll nun im folgenden Unterkapitel näher auf die Rezeptionsgeschichte der beiden Werke eingegangen werden.

4.4 Rezeption im deutschsprachigen Raum

Erst im Jahr 2002 wurde Michael Moore durch Bowling for Columbine im deutschsprachigen Raum bekannt. Zwar wurde zuvor Roger & Me in Kunstkinos und danach im öffentlich-rechtlichen Fernsehen gezeigt, jedoch sorgte Moore erst mit seiner Kritik am Waffenfanatismus der USA für Aufsehen. Sokolowsky zufolge bereitete der Filmschaffende den RezensentInnen jedoch Schwierigkeiten, denn „[e]s überstieg ihren Horizont, daß einer Filmregisseur und Buchautor und Agitator und Komiker sein konnte und bei jeder Tätigkeit phänomenal erfolgreich war“ (2007:165; Hervorh. im Orig.). Dennoch wurden Moore und seine Werke oft und mit Emotion, ähnlich wie in den USA, rezensiert. Dabei spielen traditionelle Bilder der USA eine wichtige Rolle, welche in der Rezeption oft nicht einfach übernommen, sondern reflektiert werden. Wie in Kapitel 3.2 festgehalten, rezensiert die politische Linke in den USA Moore zumeist positiv, während die politisch Rechte und Konservative sich gegen die Filme Moores stellt. Diese Tendenz kann im deutschsprachigen Raum nicht wahrgenommen werden, denn, obwohl die Linke Moore applaudiert, sehen viele seine Filme als banal und ohne theoretischen Hintergrund nicht als valide (vgl. Clark 2003:12).

57 Auffällig bei den Rezensionen im Feuilleton sind die Verweise auf Moores Erscheinungsbild. Er wird oft als typischer US-Amerikaner bezeichnet, „mit seinen ausgebeulten Bluejeans, seinem Übergewicht und seiner Baseballkappe“ (Sokolowsky 2007:165). Seine äußere Erscheinung, die dem Klischee des typischen US-Amerikaners entspricht, steht im Gegensatz zu Moores Skepsis gegenüber der USA, welche von vielen EuropäerInnen geteilt wird. Auch dies ist als Teil seiner Erfolgsgeschichte im deutschsprachigen Raum zu sehen, und viele RezensentInnen sahen daher über die bereits in US-amerikanischen Kritiken aufgezeigten Schwächen, wie die Subjektivität und unlogische Abfolgen, in seinen Filmen hinweg.

4.4.1 Bowling for Columbine

Im Jahr 2002 war der internationale Blick auf die USA gerichtet, da nach 9/11 die Welt mit der US-amerikanischen Bevölkerung um die Opfer des Terroranschlages trauerte. Andererseits wurde auch der Krieg gegen den Terrorismus durch die Bush-Administration kritisiert und weltweit gegen den Irakkrieg protestiert. Grünefeld befindet diese Umstände als ausschlaggebend für den Erfolg von Bowling for Columbine auch außerhalb der Grenzen der USA:

Dadurch rückte Moores Dokumentarfilm, der eine Interpretation von Gewalt-Tendenzen in der amerikanischen Gesellschaft bietet, ins Zentrum des Interesses eines globalen Publikums. Seine Darstellung passte gut zu den weltweiten Vorbehalten gegenüber der US- Politik. (Grünefeld 2010:167)

Moore hatte überdies einen weiteren Vorteil auf seiner Seite: er war selbst US-Amerikaner und mit seiner berühmten Rede bei der Übergabe des Academy-Awards für den Besten Dokumentarfilm für Bowling for Columbine, in der er George W. Bush kritisierte, erreichte er den Nimbus als der US-amerikanische Kritiker an der Bush-Administration. Nicht nur mit seiner Rede konnte er die KritikerInnen im deutschsprachigen Raum beeindrucken, sondern auch sein Werk überzeugt und der Film konnte vor allem in Deutschland viele positive Rezensionen verzeichnen (vgl. ibid.:168).

Im wissenschaftlichen Bereich sticht vor allem Grünefelds Analyse von Bowling for Columbine hervor. Sie lobt Moores Talent, Fakten auf neue Weise darzustellen:

Selbst dem interessierten und gut informierten Zuschauer präsentiert der Film die vielleicht bekannten Informationen in einem anderen Licht, so dass sie eine neue Wirkung entfalten

58 können. (Ibid.:130)

Des Weiteren hebt sie Moores Stil, Tragisches mit Komischen zu verbinden, positiv hervor und geht auf Moores freundlichen Ton gegenüber seinen InterviewpartnerInnen im Film ein, der „Leute, die eine gegensätzliche Meinung vertreten, ermuntert […], tiefere Einsichten zu geben, als sie aggressiveren Regisseuren vielleicht eröffnen würden“ (ibid.:139). Grünefeld kritisiert zwar Moores Lücken in der Argumentationsfolge, befindet jedoch die grundlegenden Ziele des Filmschaffenden als wichtiger:

Das Ziel von Michael Moores bereitwilliger Aufklärungsarbeit zum Thema Gewalt in den USA ist das Aufrütteln des Publikums, dessen soziales Gewissen und politisches Interesse geweckt werden soll. Der kommerzielle Erfolg lässt vermuten, dass Moore dafür mit dem unterhaltsamen Dokumentarfilm den richtigen Weg gefunden hat. (Ibid.:154)

Hissen weist ebenfalls auf Moores Lücken in der Argumentation und die Subjektivität des Films hin, meint jedoch auch, dass Moores Film trotz dieser Vorwürfe vom Publikum oft als glaubwürdig aufgenommen wird, solange sie politisch auf der Seite Moore stehen (vgl. Hissen 2004:134f.).

Müller und Stollmann finden in einem gemeinsamen Gespräch heraus, dass beide die gleiche Haupttendenz des Filmes sehen, die der Argumentation Grünefelds entspricht: das Problem der Waffengewalt an die Öffentlichkeit bringen und die Menschen zum Handeln auffordern:

[D]iese direkte, amerikanische Art hat doch Aufforderungscharakter, ist beispielgebend. Gerade das hat mir gefallen. Öffentliche Diskussionen nach solchen Gewalttaten – in Deutschland gab es ja etwas Ähnliches kurze Zeit später in Erfurt - laufen völlig schematisch und klischeehaft ab. Meistens geht es damit los, daß die Medien schuld seien, dann geht es eine Woche lang über Gewaltspiele, danach kommen ein paar Experten, die finden heraus, daß das gar nicht so ist und bis dahin hat sich die Aufregung wieder gelegt und man wendet sich anderen Themen zu. [...] Dagegen ist doch [der] Film von Michel Moore ein sehr ernsthafter Versuch eines einzelnen, wie immer mit Fehlern behaftet, eine wirkliche Öffentlichkeit herzustellen. (Stollmann 2003)

Der Filmwissenschaftler Hanich hebt das emotionale Auf und Ab des Films „zum Brüllen komisch und zum Heulen schockierend“ (Hanich 2002) hervor.

Die RezensentInnen des deutschsprachigen Feuilletons schließen sich mit überwiegend

59 positiven Kritiken den wissenschaftlichen Meinungen an. Der Standard weist auf die Aktualität des Themas auch in Europa hin:

Nur wenige Wochen nach den tödlichen Schüssen im Gutenberg-Gymnasium in Erfurt ist der neue Film „Bowling For Columbine“ des Amerikaners Michael Moore von besonderem Interesse. Der Film ist eine provozierende und umfangreiche Materialsammlung über Schusswaffen und das Gewaltproblem. (Der Standard 2002)

Wasner lobt in Die Presse vor allem Moores investigativen Journalismus und meint:

Moore, der schon in seinem Kinoerstling Roger and Me mit großer Gewissenhaftigkeit hinter die Kulissen einer maroden Gesellschaft blickte, läuft in seiner neuen Doku zur Höchstform auf. (Wasner 2002)

Rodek (2002) hebt in Die Welt Moores Begabung hervor, „die Wurzeln von Weltübeln an der lokalen Haustür auszugraben, vom Mikro-Ausschnitt auf das Makro-Panorama zu schließen“. Auch im Focus (2002) wird auf den Stil Moores in Bowling for Columbine eingegangen, der „einer scheinbar erratischen Struktur folgend, [...] so geschickt verknüpft, dass man ihm mit wachsender Fassungslosigkeit und Faszination folgt“.

Auch Filmmagazine befinden Bowling for Columbine für herausragend. Für Huang ist Bowling for Columbine in seiner Rezension für den Filmspiegel ein „zutiefst moralischer und auch pädagogischer Film“ [2009]. Er verteidigt Moore gegen KritikerInnen, die ihm seine mangelnden Antworten auf Fragen im Film, wie etwa die Frage der Schuld am Waffenfanatismus in den USA, vorhalten. Denn Huang meint, dass es „das größte Verdienst Moores [ist], die richtigen Fragen zu stellen“ [ibid.]. Andere Rezensionen von deutschsprachigen Onlinemagazinen zum Thema Film sind ebenfalls überwiegend positiv. Beuchel etwa befindet Bowling for Columbine für „spannend, unterhaltsam und von einer unerbittlichen analytischen Schärfe, die einem die Sprache verschlägt“ [2013].

Jancso hebt in der Schweizer Onlinezeitschrift Cineman wiederum die Emotionalität des Films hervor:

Er verbindet Wirklichkeit und Satire auf so gekonnte Weise, dass man sich von ungläubigem Lachen geschüttelt im nächsten Moment bereits wieder erschrocken die Hand vor den Mund hält. (Jancso 2008)

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Rezeption von Bowling for Columbine im deutschsprachigen Raum durchwegs positiv ist. Der Unterschied zur US-amerikanischen

60 Rezeption ist merkbar, da weniger emotional, was möglicherweise auf die weniger unmittelbare Betroffenheit des deutschsprachigen Raums mit dem Thema zurückzuführen ist. Auffällig ist, dass ähnlich wie in der US-amerikanischen Rezension des Films, nicht nur Bowling for Columbine als Film an sich rezipiert wird, sondern oft Moores Stil im Vordergrund steht. Dies bestärkt die Annahme, dass Moore auch im deutschsprachigen Raum bekannt ist und oft als Charakter selbst im Mittelpunkt steht. Im nächsten Kapitel wird aufgezeigt, ob dies auch bei der Rezeption von Fahrenheit 9/11 der Fall ist.

4.4.2 Fahrenheit 9/11

Fahrenheit 9/11 kann als direkter Wahlkampf Moores gegen die Wiederwahl von George W. Bush betrachtet werden. Moore wollte das US-amerikanische Volk dazu anleiten, den Präsidenten kritisch zu hinterfragen:

Der Dokumentarfilm als direkter Wahlkampf war nur ein Aspekt seiner selbst gestellten Aufgabe, in seinem Publikum politisches Interesse zu wecken. […] Auch in Europa strömten die Massen ins Kino. Die Zuschauer hier kamen weniger, um sich neue Informationen zu holen als um ihr Urteil über die aktuellen politischen Entwicklungen bestätigt zu sehen. Das Interesse für das Schicksal der USA und besonders für Moores Beschwörung des populären amerikanischen Myhos [sic] war weltweit ungebrochen. (Grünefeld 2010:221).

Die Rezension des Films ist, wie schon bei Bowling for Columbine, des Öfteren vom Zweifel an der Authentizität des Dokumentarfilms geprägt. Schulz meint, dass nach der Verleihung des Filmpreises in Cannes die anfänglichen Begeisterung über den Film „in viel Kritik an den suggestiven Absichten dieses Filmes umgeschlagen“ ist und deklariert Fahrenheit 9/11 zu einer „polemischen und in vielem fragwürdigen Dokumentation“ (Schulz 2009:49).

Auch Wolf weist auf den polemischen Charakter und die Subjektivität des Films hin, ist jedoch auch positiv überrascht von der hohen Zahl der jungen ÖsterreicherInnen, die den Film im ORF sahen. Dies führt er auf die repräsentativen Eigenschaften von Fahrenheit 9/11 zurück, welcher zwar „politisch, aber gleichzeitig sehr unterhaltsam“ (Wolf 2010:84) ist. Das junge Publikum wird dadurch emotional angesprochen und gleichzeitig unterhalten.

Grünefeld sieht über den bloßen Unterhaltungscharakter von Fahrenheit 9/11 hinaus und betont den für sie ausschlaggebenden Charakterzug des Films:

61 Mit visuellen Mitteln war Moore schließlich das gelungen, was sein Buch oder verstreute Artikel von einzelnen Journalisten vor ihm nicht erreicht hatten. Seine Art von Entertainment bot eine Möglichkeit, massenwirksame Politik zu machen. (Grünefeld 2010:181)

Krattenmacher (2004:75) sieht die Popularität von Fahrenheit 9/11 sehr positiv, auch im Hinblick auf das Genre Dokumentarfilm, wenn sie meint, „dass ein Dokumentarfilm derzeit weltweit Gesprächstoff liefert, macht auch Verleiher geneigter, dem vernachlässigten Genre eine neue Chance zu geben“. Bitter (2013) hingegen befindet Moores Film für „Fiktivisierung“. Moore manipuliere Fakten und schrecke vor „dem Weglassen relevanter Informationen und verkürzter Darstellungen von Ereignissen“ (ibid.) nicht zurück.

Sokolowsky, der die erste umfassende Biographie über Michael Moore auf Deutsch veröffentlichte, befindet „dieses Pamphlet in bewegten Bildern [...] Bowling For Columbine ästhetisch weit unterlegen, und selbst sein Debütfilm Roger & Me geriet künstlerisch überzeugender“ (2007:186f.). Außerdem fehlt für Sokolowsky die Suche nach den Antworten auf die Fragen Moores, die in Bowling for Columbine im Vordergrund stand, denn „Fahrenheit 9/11 kennt bereits alle Antworten, und die Stilmittel, die Moore inzwischen aus dem Effeff beherrscht, sinken herab zu pur rhetorischen Kniffen“ (ibid.:187).

In Filmzeitschriften wird Fahrenheit 9/11 ebenfalls kritischer beurteilt als sein Vorgänger Bowling for Columbine. Straßer (2006) etwa schließt sich Sokolowsky im Hinblick auf den mangelnden Informationscharakter an, gesteht Fahrenheit 9/11 jedoch zu, dass „obwohl die präsentierten Fakten [...] nichts Neues darstellen, bekommen sie durch die Untermalung mit Bildern eine neue Dimension und prägen sich nachhaltiger ein“. Schwarz (2004) hingegen hält den Film für „ein sehr [...] informatives und unterhaltsames Werk“, welches jedoch „durch übertriebene und einseitige Darstellung und durch zu viele emotional eingesetzte Bilder sehr an Qualität einbüßt“.

Auch im Feuilleton sind die Stimmen kritisch. Schlömer [2004] führt dies auf die hohe Medienpräsenz von Fahrenheit 9/11 schon vor Kinostart zurück. Aufgrund der berüchtigten Dankesrede Moores bei der Verleihung des Academy-Award und der Diskussion um die Rechte des Films in den USA findet Schlömer es für schwierig, den Film ohne Vorbehalte zu betrachten. Des Weiteren weist er auf die Ernsthaftigkeit hin, mit

62 der Moore das Thema des Films behandelt, welche dazu führt, „dass auch Zuschauer und Kritiker wesentlich sensibler für vorgetragene Fakten und Analysen sind und nicht jede Äußerung als Satire tolerieren können“ (ibid.).

Dabei lehnen einige RezensentInnen den Film völlig ab wie Andreas Kilb in der FAZ, der Moores Methoden für „Demagogie“ (Kilb 2004:29) hält und darüber hinaus sarkastisch anmerkt, dass „François Truffaut […] erklärt, Filme atmeten durch ihre Unzulänglichkeiten. In diesem Sinn ist Fahrenheit 9/11 nur allzu perfekt. Zum Ersticken“ (ibid.). Bommarius (2004) von der Berliner Zeitung sieht den Film ebenfalls als „Machwerk, demagogisch, platt und einseitig bis zur Borniertheit“. RP Online (2004) gesteht Fahrenheit 9/11 zwar „witzige Einschübe und einige verblüffende Fakten“ zu, jedoch als „purer Agitprop“, mit dem einzigen Hintergedanken, George W. Bush des Amtes zu entheben, „fällt Moores Film deutlich ab“ (ibid.). Andere Rezensionen kritisieren vor allem Moores „irreführende Wahrheiten mit geschickten Auslassungen“ (Gebauer 2004) und prangern die Verfälschung von Tatsachen in Fahrenheit 9/11 an. Positive Stimmen sind in Der Standard zu finden:

Nach […] BOWLING FOR COLUMBINE stellt Moore erneut seinen Sinn für treffenden und deftigen Humor und seine unvergleichliche Beharrlichkeit in den Dienst einer politisch ausgesprochen brisanten Untersuchung. (Der Standard 2004)

Knorr von der Weltwoche bezeichnet Moore als „furiosen Pamphletisten“, der jedoch in Fahrenheit 9/11 auf „politische Eulenspiegeleien“ verzichtet und sich „auf seine substanzielle Absicht: auf die machtlosen kleinen Leute, die die wahren Patrioten sind“ (Knorr 2004) konzentriert.

Auch Peitz lobt Moores Film in Der Tagesspiegel:

Michael Moore ist ein genialer Dokumentarist. […] Was Michael Moore in seine Bilder hineininterpretiert, ist längst nicht so erhellend wie das, was sie tatsächlich zeigen. Eben diese Crux aber macht den Film für uns Europäer interessant. (Peitz 2004)

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Kritiken an Fahrenheit 9/11 skeptischer und reflektierter ausfielen, als dies noch bei Bowling for Columbine der Fall war. Diese Tatsache kann auf das wachsende Bewusstsein der RezensentInnen zurückgeführt werden, welche immer mehr am Stil Moores für den Dokumentarfilm zweifeln. Seeßlen (2007) meint, dass dies auf das „schlechte Kulturgewissen“

63 zurückzuführen ist, denn „Michael Moore-Bashing wird Mode, so wie vordem der Moorismus Mode war“. Viele KritikerInnen befinden, dass Moore einen weitreichenden Einfluss auf den Dokumentarfilm hat, wobei dies auf der einen Seite positiv für das marginale Genre ist und (auch österreichische) Filme, wie We feed the World oder Workingman’s Death, fördert, auf der anderen Seite jedoch die Seriosität des politischen Dokumentarfilms bedroht. Resümierend kann gesagt werden, dass Moores Dokumentarfilme auch im deutschsprachigen Raum großen Einfluss haben und viel diskutiert sind.

64 5 Genreanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11

Wie bereits in Kapitel 2 angesprochen, lassen sich die Filme Michael Moores nicht in eine gegebene Dokumentarfilmkategorie einordnen, daher schlägt Kellner (2010:86) die Einführung der Bezeichnung „Michael Moore film“ vor. Dieses einzigartige Filmgenre soll nun im Folgenden zuerst im Allgemeinen untersucht werden, um herauszufinden, welche Aspekte dieser Begriff umfasst. Danach wird auf die beiden Filme Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 im Speziellen eingegangen, um die Umsetzung des Genres auch anhand von Beispielen zu veranschaulichen. Dabei wird u.a. auf die Umsetzung des Genres im Deutschen geachtet, um herauszufinden, inwieweit genrespezifische Elemente erhalten wurden, um Moores einzigartige Methode zu vermitteln.

5.1 Das „Michael Moore Genre“

Michael Moore gilt als der erfolgreichste Dokumentarfilmer aller Zeiten, bezeichnet sich selbst jedoch nicht als solcher, sondern betreibt, wie er es nennt, alternativen, vom Mainstream abgesetzten Journalismus (vgl. Arthur 2010:107). Moore kümmert sich wenig um die formalen Anforderungen an klassische Dokumentarfilme, wie chronologische Abfolgen, das Belegen von Fakten oder Objektivität. Er sieht sich selbst als Entertainer und Provokateur, der Fragen aufwirft, Ungerechtigkeiten aufdeckt und sich für die Unterdrückten einsetzt (vgl. Kellner 2010:86). Bezeichnungen wie Komödie, aktivistischer Blockbuster, guerilla theater, Agitprop und illustrierter Lehrvortrag zeigen, wie unterschiedlich Moores Œuvre bezeichnet wird (vgl. Arthur 2010:108f.).

Auf filmwissenschaftlicher Ebene kann festgestellt werden, dass Moores Filme sich in verschiedene Kategorien einordnen lassen. Zuallererst kann die Wichtigkeit der Montage23 in Moores Filmen festgestellt werden. Moore verfolgt keinen gleichbleibenden Montagestil, jeder seiner Filme ist anders montiert, wobei „Rhythmus, Tempo und Funktion von Szene zu Szene, von Sequenz zu Sequenz“ (Alles 2013:79) wechseln. Moores Ziel ist es dabei nicht, eine stringente Erzählung zu verfolgen, sondern

23 [K]reative[r] Akt der Anordnung der Teile des Films, der Entwicklung der äußeren und inneren Gestalt des Werks aus seinen Bausteinen unter Berücksichtigung der Wirkungen in der Rezeption. Montage in diesem theoretischen Sinn beschreibt die Leistungen, die das Aneinanderfügen von Bildern und Tönen im Aufbau des Films als Werk, als Kommunikationsmittel, in der Rezeption etc. hat (Wulff 2012).

65 unterschiedliche Ausgangsmaterialien ungebunden zu collagieren. Diese Collage24 wird von emotionalen Höhepunkten, wie etwa der Sequenz What a wonderful world in Bowling for Columbine, welche mithilfe von Archivmaterial, die von den USA geführten Kriege schildert, und ironischen Sequenzen, wie der in Form eines Cartoons verfilmten Geschichte der USA, zusammengehalten (vgl. Alles 2013:226). Weiters sind Moores Präsenz als Erzähler und die Grundidee des jeweiligen Films ausschlaggebend für dessen Kohärenz (vgl. ibid. 79).

Moore gehört außerdem zu den Reihen von Filmschaffenden, welche die Kompilation von Material nutzen. Dabei wird Archivmaterial neu sequenziert, um andere Sinnzusammenhänge herzustellen. Das primäre Ziel ist es, das Material gegen sich selbst zu verwenden, zumeist um Kritik an der Politik zu üben (vgl. ibid.:57f.). Moore meistert diese filmische Form vor allem in Fahrenheit 9/11, wenn er Archivmaterial, das George W. Bush zeigt, neu anordnet und gegen ihn verwendet.

Des Weiteren finden sich Elemente des autobiographischen Dokumentarfilms in Moores Filmen wieder. Dabei steht ein/e ProtagonistIn im Zentrum, welche/r von privaten Ereignissen erzählt. Diese sind zumeist in einem großen Ganzen verankert und sollen die Realität von z.B. sozialen Problemen unterstreichen, indem die Hauptfigur von privaten Schwierigkeiten erzählt und diese dann in den größeren Kontext einbettet. Damit wird „Erzähler und Erzähltes verschmolzen“ (ibid.:63), was die Hauptfigur oft zur Selbstreflexion bringt. Als Beispiel kann Moores Erstlingsfilm Roger & Me genannt werden, in dem er General Motors kritisiert. Wie bereits erwähnt, wuchs Moore in Flint, Michigan, auf, einer Stadt, in der General Motors viele Angestellte entließ, unter denen sich auch Familienmitglieder von Moore befanden. Moores Bezug zum Thema wird dem Publikum im Film immer wieder vor Augen geführt, was den autobiographischen Charakter hervorhebt. Damit will Moore den ZuschauerInnen auch vermitteln, dass er berechtigt ist, über das Thema zu urteilen, da er selbst damit in Verbindung steht (vgl. Hissen 2004:36).

Diese autobiographischen Züge in Moores Œuvre werden noch durch seine Anwesenheit im Film verstärkt. Als performer-director, der nicht nur hinter, sondern auch vor der 24 Collagefilme verwenden ebenfalls unterschiedliche Materialien und montieren narrativ-fiktionale Elemente mit dokumentarischen und animierten Sequenzen zusammen oder mit Aufzeichnungen aus dem Fernsehen (Merschmann 2012).

66 Kamera in die Entstehung des Films eingreift, werden Moores Ziele als auteur25 verdoppelt. Er ist damit nicht nur Autor und Regisseur seiner Filme, sondern auch aktiver Teil ihrer Handlung, welche er vorantreibt und beeinflusst. Dabei verfolgt er meistens das Ziel, selbst soziale Probleme zu erforschen, indem er Interviews führt, Personen mit Tatsachen konfrontiert, unangenehme Fragen stellt und damit Informationen sammelt, was Kellner als „personal witnessing“ bzw. „exploratory and confrontational quest drama“ bezeichnet (Kellner 2010:82). Diese offene Intervention innerhalb seiner Filme richtet sich gegen die Vorstellung eines unvoreingenommenen Filmschaffenden der Dokumentarfilmtheorie (vgl. Bruzzi 2000:164). Dadurch verändert sich auch die Beziehung zwischen AutorIn, RezipientIn und Film. Im interventionistischen Dokumentarfilm steht die Relation zwischen AutorIn und RezipientIn im Vordergrund, welche eine enge Verbindung haben, da beide auf den Dokumentarfilm blicken, wenn auch aus verschiedenen Perspektiven (vgl. Alles 2013:84). Diese Unterstreichung der Gemeinsamkeiten und die dadurch entstehende Annäherung an das Publikum hat zur Folge, dass es möglich ist, sich in Moore hineinzuversetzen. Vor allem von US- amerikanischen RezipientInnen kann angenommen werden, dass sie sich mit Moore identifizieren, denn er ist „as American as apple pie with his baseball caps, oversized body and ego“ (Kellner 2010:101). Für das deutschsprachige Publikum kann davon ausgegangen werden, dass Moore einerseits den Stereotyp eines US-Amerikaners verkörpert, auf der anderen Seite jedoch in seinen Filmen dieses Klischee kritisiert. Daraus kann, neben seiner Art, bestimmte Sachverhalte leicht verständlich auszudrücken, auch sein Erfolg in den Massenmedien, die er eigentlich kritisiert, abgeleitet werden.

Die Wichtigkeit seiner Person im Film wird nicht nur durch seine physische Präsenz unterstrichen, sondern auch durch Moores Allgegenwart als Sprecher des Voice-over- Kommentars. Diese Deckung von Autor und Sprecher gilt als wichtiger Ausgangspunkt für eine Analyse von Moores Werken:

Durch [diese Kongruenz] entfaltet sich die Argumentation der dokumentarischen Untersuchung, der Humor, die Ansprache an das Publikum und jede damit verbundene rhetorische Absicht. (Alles 2013:71)

25 RegisseurInnen, die nicht nur ein Drehbuch umsetzen, sondern einen Film mit ihren eigenen Vorstellungen beeinflussen und kontrollieren. Ursprünglich bezog sich dies vor allem auf die Produktionsmittel (Bender/Wulff 2012).

67 Die Rhetorik im Film bezeichnet den Appell der Filmschaffenden an das Publikum. Moore will mit seiner Intervention den RezipientInnen klarmachen, dass sie das System nicht akzeptieren müssen. Moore vertritt die Meinung, dass soziale und politische Probleme lösbar sind, sobald sich die Menschheit dafür einsetzt. Dies führt Moore auch selbst in seinen Filmen vor, indem er immer wieder „agit-prop political interventions“ (Kellner 2010:82) durchführt. Als Beispiel dafür kann Moores Verlesen des Patriot Acts genannt werden, wie bereits in Kapitel 3 besprochen. Von herkömmlichen Propagandawerken ist Moores Œuvre jedoch klar zu distanzieren, denn er will mit seinen Filmen die Politik der USA nicht unterstützen, sondern kritisieren, um das Publikum zum Nachdenken und Agieren anzuregen. Seine Filme bieten somit eine Meinungsalternative und können daher zu der „partisan tradition of left-wing cineastes“ (ibid.:92) gezählt werden, wie jene von Emile de Antonio, welche bereits in Kapitel 1 behandelt wurden.

Dieses politische Moment in Moores Filmen wird oft als genauso wichtig erachtet wie Moores ironischer Humor. Humorvolle Dokumentarfilme werden in der Filmtheorie oft als problematisch angesehen, da durch lustige Elemente die Ernsthaftigkeit des Films angezweifelt werden könnte. Wird der Dokumentarfilm jedoch prinzipiell als subjektiv anerkannt, so scheinen satirische Passagen zur Umsetzung eines bestimmten Zieles im Film angemessen (vgl. Alles 2013:75f.). Als wichtigstes Beispiel für Humor in Moores Filmen ist sein ironisches Voice-over-Kommentar zu nennen, das auch als entscheidendes Charakteristikum für den „Michael Moore Film“ gilt:

Die Voice-Over ist das deutlichste Kennzeichen einer subjektiven Perspektive auf die Wirklichkeit und das signifikanteste Unterscheidungsmerkmal von Moores Filmen innerhalb des zeitgenössischen Dokumentarfilmschaffens. Die unkonventionelle, bisweilen ironische Stimme macht den letzten Konventionsbruch in seinem Werk aus. (Ibid.:212)

Moore verwendet außerdem sehr oft Musik, um gezeigte Bilder zu ironisieren, z.B. wenn er in Fahrenheit 9/11 erklärt, dass Bush sich während seiner Zeit beim Militär einmal weigerte, sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen, spielt im Hintergrund der Gitarrenriff von Eric Claptons Lied Cocaine.

In Moores Filmen spielt auch die Selbstironie eine wichtige Rolle. Vor allem in seinen Anfangswerken beschäftigt sich Moore ausführlich mit einer ironischen Darstellung seiner

68 eigenen Biographie, was die Figur des performer-directors maßgeblich mitentwickelt. Damit erleichtert Moore den RezipientInnen den Einstieg in den Film und baut gleichzeitig eine Verbindung zwischen ihm und dem Publikum auf, womit er sich dessen Loyalität sichert:

Moore lädt das Publikum zwar dazu ein, über ihn zu lachen, doch gleichzeitig verringert er dadurch auch die Angriffsfläche für Kritik an seiner Person. […] Gleichzeitig verpflichtet er den Zuschauer auf seine eigene, streng subjektive Schilderung der Geschehnisse. (Ibid.:200)

Die Ironie in Moores Filmen beruht zum Großteil auf der Verwendung von Klischees. Moores stereotype Selbstdarstellung als Durchschnittsamerikaner soll auf der einen Seite das Massenpublikum ansprechen, auf der anderen Seite dieses ironisch hinterfragen. Moore verwendet Humor auch oft als Gegensatz zu ernsthaften Themen, denn er will, dass das Publikum lacht, aber auch schockiert ist, wobei „diese Gratwanderung maßgeblich die Wirkung all seiner Filme beim Publikum“ (ibid.:80) bestimmt.

Des Weiteren können Moores Filme als Realsatire bezeichnet werden, denn obwohl Moore die Ernsthaftigkeit der sozialen Probleme unterstreicht, kann er der Situation etwas Komisches oder wenigstens etwas Absurdes abringen. Dazu verwendet er oft Ausschnitte aus den Massenmedien, die er seinen GegnerInnen vorhält, um das übertriebene und oft absurde Schüren von Angst zu zeigen (ibid.:206f.).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Moores Filme von seiner Präsenz leben, die dem Publikum eine Verbindung bietet, die wenige Filmschaffende herstellen. Mit dieser Strategie erreicht Moore, dass die RezipientInnen unterhalten werden, gleichzeitig wird jedoch auch sein zentraler Ausgangspunkt und wichtigstes Thema vermittelt, nämlich die ungerechte Verteilung von Macht und Geld innerhalb der Gesellschaft (vgl. ibid.:228).

Es kann also festgestellt werden, dass Michael Moore nicht nur ein unvergleichliches Dokumentarfilmgenre geschaffen hat, sondern auch selbst als einzigartige Kultfigur gilt:

Michael Moore himself is a complex, larger-than-life character, embodying many opposites […]. Ultimately, Michael Moore is an American original, combining the crusading idealism of JFK liberalism with left-wing anticorporate populism, and the comic antics of the Yippies […]. He is highly controversial, intensely polarizing, and extremely partisan. (Kellner

69 2010:101)

Moore hat jedoch nicht nur ein einzigartiges Genre geschaffen, sondern auch den Dokumentarfilm wieder ins Licht der Öffentlichkeit gerückt und andere Filmschaffende mit seiner Methode beeinflusst. Dazu können etwa der Dokumentarfilm mit Al Gore An Inconvenient Truth von David Guggenheim genannt werden oder auch Supersize Me von Morgan Spurlock. Aber nicht nur in den USA hat Moore das Dokumentarfilmgenre verändert, auch in Europa kann Moores Einfluss festgestellt werden, wie etwa am Œuvre des britischen Filmschaffenden Nick Broomfield, welcher immer wieder selbst in seinen Filmen auftritt (vgl. Kilborn 2010:64). In Österreich können die Werke Erwin Wagenhofers, Hubert Saupers und Michael Glawoggers genannt werden, welche ausführlich im ersten Kapitel besprochen wurden. Wagenhofer scheut wie Moore keine Konfrontationen mit MachthaberInnen, Hubert Sauper tendiert wie Moore zum fiktionalen Genre und richtet sich gegen die Objektivität des Dokumentarfilmgenres (vgl. Binter 2009:90ff.). Alle drei Filmschaffenden können als politisch motiviert bezeichnet werden, denn sie wollen mit ihren Filmen kritische Meinungen mithilfe des Mediums Kino verbreiten. Diese Merkmale sind auch auf Moores Werke zutreffend.

5.2 Spezifische Genreelemente in Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11

Moores bekannteste und erfolgreichste Werke Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 werden zur Genreanalyse herangezogen, da sie das „Michael Moore Genre“ in vielen Punkten verkörpern und so stellvertretend für das Gesamtwerk von Moore analysiert werden können. Obwohl es, wie bereits besprochen, Unterschiede zwischen der Dokumentarfilmtradition im deutschsprachigen Raum und den USA gibt, wird davon ausgegangen, dass genrespezifische Elemente des „Michael Moore Films“ in Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 erhalten werden, da damit Moores einzigartiger Weise, die US-amerikanischen Gesellschaft darzustellen, in der deutschsprachigen Version aufrechterhalten bleibt.

5.2.1 Genreelemente in Bowling for Columbine

Bowling for Columbine ist stark von Moores subjektiver Methode, Dokumentarfilme zu produzieren, geprägt. Dazu zählen autobiographische Elemente, Moore als performer-

70 director, sein stark beeinflussender Voice-over-Kommentar und seine Interviews. Der Film gilt als Moores essayistischstes26 Werk (vgl. Arthur 2005:21), welches von dem zentralen Thema Waffenfanatismus in den USA und nicht einer chronologischen Abfolge zusammengehalten wird. Diese Abwesenheit eines Handlungsstranges im Film lässt sich vor allem auf die intensive Verwendung der Collage zurückführen (vgl. Alles 2013:168). Damit steht Moores Bowling for Columbine in der Tradition der „exploratory documentary montage“ (Kellner 2010:86), welche sozialen Problemen nachgeht und vor allem mit der politisch Linken verbunden wird.

5.2.1.1 Autobiographische Elemente

Bereits die zweite Sequenz von Bowling for Columbine dient zur Positionierung Moores innerhalb des Themas Schusswaffen. Er nutzt für seine Erzählung sowohl den Voice-over- Kommentar, welcher in der deutschsprachigen Version in synchronisierter Form vorkommt, als auch Bildmaterial aus seiner Jugend, von seinem ersten Spielzeugrevolver bis hin zu seiner ersten eigenen Schusswaffe. Moore unterstreicht, wie schon in seinem vorherigen Film Roger & Me, seine Beziehung zu seinem Heimatbundesstaat Michigan, wo Munition sogar beim Friseur erhältlich ist, da sehr viele Menschen eine Waffe besitzen. Als Teenager gewann er sogar einen Preis der NRA, was die Verbindung zu seinem Gegner im Film, Charlton Heston, ebenfalls aus Michigan stammend, herstellt. Moore zeigt hier das stereotype Bild von US-AmerikanerInnen: jede/r hat eine Waffe, sogar er selbst. Im Folgenden distanziert sich Moore jedoch vom Waffenfanatismus, den er als etwas sehr „Amerikanisches“ bezeichnet, und den Charlton Heston Moores Meinung nach vertritt. Hissen befindet, dass Moore damit seine Kritik an Heston und dem Waffenfanatismus untermauert:

Denn beide stammen aus demselben, waffenfreundlichen Umfeld, dennoch haben sie im Laufe ihres Lebens vollkommen unterschiedliche Positionen zu diesem Thema entwickelt. (Hissen 2004:39)

26 Der Essayfilm versteht sich als ein Versuch (frz.: essai = Versuch), ein Thema zu erschließen. Er verzichtet auf kausal begründete Handlungen, durchgehende Figurenzeichnungen oder argumentative Stringenz. Dagegen ist er bewusst fragmentarisch, erzeugt Verunsicherung und bindet das Publikum in die Deutungsarbeit mit ein. Seine Offenheit erlaubt es, ein Thema aus vielen Perspektiven zu reflektieren und zu disparaten – inhaltlichen und formalen – Elementen zu greifen. Typischerweise stellt er einen überpersönlichen, räumlich und zeitlich unbegrenzten Zusammenhang dar. Er arbeitet mit Polarisierungen und Analogien, ist oft nach dem Prinzip der Reihung strukturiert oder folgt Assoziationen und Kontrasten. Durch das spezifische Interesse am Subjektiv-Reflexiven gilt der Essayfilm als Autorenfilm par excellence (Bender/Brunner 2012).

71 Für die deutschsprachige Version dieses Beispiels ist festzustellen, dass die Sequenzen die gleichen genrespezifischen Merkmale aufweisen wie im Original. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass besonders in dieser Exposition des Films der Umgang mit Waffen in den USA fokussiert wird, was wiederum die Erwartung des deutschsprachigen Publikums verstärken dürfte.

5.2.1.2 Moore vor der Kamera

Als weitere Methode in Bowling for Columbine ist Michael Moore als performer-director zu nennen. Durch seine Auftritte im Film wird die subjektive Darstellung verstärkt und Moores Verbindung zum Thema aufrechterhalten. Dabei stellt er die Interessen von DurchschnittsamerikanerInnen dar, indem er Antworten zu verschiedenen Fragen betreffend Schusswaffen in den USA nachgeht. Die Position, die Moore im Original einnimmt, verändert sich in der deutschsprachigen Version nur geringfügig. Einzig die Perspektive des deutschsprachigen Publikums ist als etwas distanzierter, als die der US- AmerikanerInnen zu sehen, da es selbst nicht dieser Kultur angehört. Moore besucht u.a. die Columbine Highschool und spricht mit Betroffenen, fährt nach Kanada, wo der Besitz von Waffen ebenfalls gängig ist, und fragt die Menschen dort, ob sie vor etwas Angst haben. Moore findet heraus, dass KanadierInnen ihre Haustüre nicht verschließen und testet dies gleich selbst aus, indem er bei fremden Personen die Haustüre öffnet, ohne zu klingeln, was jedoch niemand zu stören scheint. Diese Methode Moores bezweckt laut Hissen zwei Dinge: Erstens wird das Publikum mit auf die Reise nach den Antworten genommen, womit Moore wiederum eine Verbindung mit dem Publikum herstellt. Zweitens festigen die Ergebnisse seiner Suche die Meinung, die er den RezipientInnen vermitteln möchte (vgl. Hissen 2004:43).

Moores Interviews verfolgen dieselbe Taktik. Als der Rockmusiker Marilyn Manson für das Attentat an der Columbine Highschool als Mitschuldiger dargestellt wird, wird im Interview klar, dass Manson eine sehr logische und vernünftige Erklärung für Gewalttaten hat. Im Gegensatz dazu schneidet Moore Szenen zwischen das Interview, die einen Mann zeigen, der irrational und aufgebracht über Manson spricht. Moore stellt sich mit Manson auf die gleiche Ebene, sie vertreten dieselben Meinungen, während ihre GegnerInnen als lächerlich und ihre Ansichten als nicht haltbar dargestellt werden. Dies geschieht auch im Interview mit seinem Feindbild im Film, Charlton Heston, den er bewusst provoziert.

72 Moore hält Heston vor, gefühllos gehandelt zu haben, als er kurz nach dem tragischen Vorfall in Flint, wo ein Sechsjähriger eine Mitschülerin erschoss, ein Treffen der NRA abhielt. Moores Taktik bezweckt, dass Heston sich unwohl fühlt, keine direkten Antworten geben kann, ohne sich zu blamieren und schließlich das Gespräch abbricht (vgl. ibid.:51ff.). Auch mit dem ambush interview, in dem Moore als muckraker27 auftritt, schafft er es immer wieder, seine GegnerInnen zu blamieren, indem er ihnen ohne Ankündigung auflauert und unangenehme Fragen stellt (vgl. ibid.:71). Als Beispiel für muckraking im Film kann das Interview mit Dick Clark genannt werden, der als ehemaliger Moderator des American Bandstand28 im US-amerikanischen Raum sehr bekannt ist und auch Besitzer einiger Restaurants ist. In einem davon arbeitete die Mutter des Sechsjährigen, der seine Mitschülerin erschoss. Als Moore Clark spontan zu einem Interview auffordern will, um herauszufinden, was Clark zu dem Vorfall zu sagen hat, flüchtet dieser regelrecht. Dies nimmt Moore als Beweis dafür, dass seine These „[i]n George Bush’s America, the poor were not a priority“ (Moore 2002) gerechtfertigt ist.

Außerdem zeigt Moore immer wieder Betroffenheit und Mitgefühl vor der Kamera, was ihn für das Publikum noch sympathischer macht. Dieses Charakteristikum des Films ist auch in die deutschsprachige Version übertragen, da Moores Mitgefühl nicht nur auf US- AmerikanerInnen wirkt. Dies kommt z.B. vor, als er die Lehrerin Jimmie Hughes interviewt, die anwesend war, als der bereits erwähnte Sechsjährige seine Mitschülerin erschoss. Sie ist tief betroffen und wendet sich schließlich weinend von der Kamera ab. Moore legt ihr seinen Arm um die Schulter und führt sie von der Kamera weg, wobei er selbst innerlich sehr bewegt wirkt. Hissen meint dazu, dass diese Geste des Mitgefühls seine Verbindung zum Publikum noch verstärkt:

Er wirkt in diesem Moment ehrlich betroffen und drückt mit seinem Verhalten eine Mischung aus Mitleid und Hilfslosigkeit aus. Dennoch muss sich Moore auch in diesem Augenblick der Anwesenheit der Kamera bewusst sein. Er bricht den Dreh nicht ab, sondern lässt seine Geste der Solidarität dokumentieren. (Hissen 2004:45)

27 Der Begriff muckraker ist dem investigativen Journalismus zuzuordnen, welcher in den USA eine lange Tradition hat. Dabei sollen Fakten neu beleuchtet bzw. neue Tatsachen aufgedeckt werden (vgl. Brunner/zu Hüningen 2012). 28 American Bandstand wurde ab 1957 jeden Tag im US-amerikanischen Fernsehen gezeigt. Es handelte sich dabei um eine Tanzshow, in der Jugendliche zu neuen Liedern des Rock ’n’ Roll tanzten (vgl. Delmont 2012).

73 5.2.1.3 Voice-over-Kommentar

Eine weitere Methode Moores, um seine Meinung zum Thema Schusswaffen dem Publikum zu vermitteln, ist sein Voice-over-Kommentar. Dieser wird in der deutschsprachigen Version des Filmes nicht mittels Untertitelung übertragen, sondern mithilfe einer Synchronstimme. Dies markiert die Wichtigkeit des Kommentars auch in der deutschsprachigen Version. Dabei ist die Distanz, die oft zwischen KommentatorInnen und RezipientInnen herrscht, nicht gegeben, denn dem Publikum ist klar, dass es sich beim Voice-over um Michael Moore selbst handelt. Sein eigener, oft ironischer Stil, ist den ZuschauerInnen bekannt, da sie Moore auch als Darsteller im Film sehen. Auf der einen Seite kann sich daher das Publikum mit Moore als Kommentator identifizieren. Auf der anderen Seite wird Moores Kommentar, obwohl eindeutig subjektiv, vom Publikum mit der objektiven „Voice-of-God“ in Verbindung gebracht, was Moores Meinung wiederum als Wahrheit in den Köpfen der ZuschauerInnen festigt (vgl. Hissen 2004:48). Als Beispiel kann Moores Kommentar zu einem Interview mit Evan McCollum, den für Öffentlichkeitsarbeit Zuständigen der Firma Lockheed Martin in Littleton, genannt werden. McCollum erklärt, dass viele BewohnerInnen von Littleton bei der Firma arbeiten, die der größte Waffenproduzent weltweit ist. Moore kommentiert: „Er sagte uns, dass niemand in Littleton, auch nicht die Lockheed Vorstände, begreifen könne, warum die Jungs in Columbine gewalttätig wurden“ (Moore 2003). Moore versucht hier, dem Publikum die Verbindung zwischen der Waffenfirma und dem Amoklauf zu suggerieren.

5.2.1.4 Schnitt und Musik

Moore verwendet in Bowling for Columbine nicht nur die Methode seiner Präsenz, um das Publikum zu überzeugen, sondern er „kommentiert durch Cross-cuttings, stellt widersprüchliche Szenen einander gegenüber und unterlegt sie oftmals mit Musikstücken, die ironisierend wirken“ (Hissen 2004:59). Dabei collagiert Moore viele verschiedenen Materialien, wie etwa Archivmaterial der Überwachungskamera der Columbine Highschool, Cartoonszenen, die ironisch die Geschichte der USA darstellen oder Nachrichtenmaterial aus dem US-amerikanischen Fernsehen. Im Vordergrund steht hierbei oft die emotionale Wirkung auf das Publikum, wie etwa in der Kompilationssequenz, die verschiedene gewalttätige Angriffe der USA schildert, während im Hintergrund What a wonderful world von Louis Armstrong eingespielt wird. Hier kann festgestellt werden, dass

74 die Szenen in der deutschsprachigen Version genauso die negative Haltung zur Gewaltbereitschaft in den USA wiedergeben wie im Original. Die Musik spielt dabei eine wichtige Rolle, da sie eine Emotionssteigerung evoziert und im Gegensatz zu den gezeigten Bildern steht (vgl. ibid.:63). Diese sehr ironische Verwendung von Musik wird auch in der Eingangsszene des Films verwendet, in der Moore seinen persönlichen Bezug zum Thema herstellt und von seiner Erfahrung mit Schusswaffen erzählt. Dazu spielt Moore ironisch das Lied I was born in Michigan ein, welches den Staat anpreist, obwohl Moore Michigan zu einem Paradies für WaffenliebhaberInnen herabsetzt (vgl. Kellner 2010:87f.).

5.2.2 Zusammenfassung

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Bowling for Columbine von Michael Moores Präsenz geprägt wird, unabhängig davon, ob er selbst vor der Kamera steht, von autobiographischen Elementen erzählt oder im Voice-over-Kommentar die Handlung leitet. Dabei gilt er als einer der ersten Dokumentarfilmschaffenden, die Humor für ihre Zwecke verwendeten, und motivierte auch andere zu diesem Mittel (vgl. Alles 2013:195). Des Weiteren verwendet er das Evozieren von Emotionen als Mittel, um das Publikum von seiner Meinung zu überzeugen. Spezifische Genremerkmale wurden in der deutschsprachigen Version beibehalten, was die Hypothese untermauert, dass Bowling for Columbine auch in der Zielkultur eng mit Michael Moore als Person und dem „Michael Moore Genre“ verbunden wird.

5.2.3 Spezifische Genreelemente in Fahrenheit 9/11

Fahrenheit 9/11 gilt als Moores interventionistischster Dokumentarfilm, in dem er den zu jener Zeit amtierenden Präsidenten der USA George W. Bush angreift, um seine Wiederwahl zu verhindern (Kellner 2010:92). Bush verkörpert im Film Moores Gegenspieler, wie Charlton Heston in Bowling for Columbine. Eine weitere Ähnlichkeit zwischen den beiden Filmen ist die Abwesenheit eines Handlungsstranges, was durch die zentralen Themen Präsident Bush und die Terroranschläge des 11. Septembers kompensiert wird (vgl. Alles 2013:168).

75 5.2.3.1 Autobiographische Elemente

In Fahrenheit 9/11 geht Moore erstmals weniger auf seine persönliche Verbindung zum Thema ein. Er lenkt zwar weiterhin als Erzähler die Geschichte und tritt auch gelegentlich selbst auf, jedoch sind wenige autobiographische Züge zu erkennen. Erst mit selbstgedrehten Szenen in seiner Heimatstadt Flint, Michigan, stellt Moore einen autobiographischen Bezug zum Thema her. Es werden Soldaten gezeigt, die in den ärmeren Gegenden der Stadt RekrutInnen anwerben. Außerdem trifft er in Flint auf Lila Lipscomb, die zuerst sehr patriotisch eingestellt ist, jedoch einen Sohn im Irakkrieg und damit ihren Glauben an die US-amerikanische Regierung verliert (vgl. Kellner 2010:96). Wie bereits in Bowling for Columbine kann festgestellt werden, dass Moore Mitgefühl mit Opfern empfindet. Im Fall von Lila Lipscomb tröstet er sie nicht selbst, kommentiert jedoch „I guess I was tired of seeing people like Lila Lipscomb suffer“ (Moore 2004a) bzw. in der deutschen Synchronisation „Ich hatte es satt, Menschen wie Lila Lipscomb leiden zu sehen“ (Moore 2004b).

5.2.3.2 Interview

Moore verlässt sich in Fahrenheit 9/11 vermehrt auf die Meinung von ExpertInnen und die Aussagen von Betroffenen. Obwohl Moore während der Gespräche präsent wirkt und für das Publikum klar ist, dass er das Interview leitet (vgl. Alles 2013:178), erscheint er selten selbst auf der Leinwand. Castaldi führt das auf folgende Überlegung zurück:

This choice not to appear on the screen during the discussion of more formal arguments [...] aims to both underline that other people, often professional journalists or politicians, share the author’s point of view on certain issues independently of Moore’s involvement, and to emphasise their authoritative figure by giving them all the space on the screen. (Castaldi 2007:20)

Es kann zudem festgestellt werden, dass in seinen früheren Filmen Moore als Person im Mittelpunkt steht. Im Gegensatz dazu konzentriert er sich bei Fahrenheit 9/11 auf die kompromittierende Darstellung seines Gegenspielers George W. Bush. Außerdem sind seine InterviewpartnerInnen vorsichtiger geworden, wie während der Patriot Act- Intervention vor dem Kongress klar wird. Dies kann auf den gestiegenen Bekanntheitsgrad von Moore zurückgeführt werden (vgl. Grünefeld 2010:191ff.).

76 5.2.3.3 Voice-over-Kommentar

Noch mehr als in Bowling for Columbine verlässt sich Moore auf den Voice-over- Kommentar, um seine Meinung zum Ausdruck zu bringen, seine Beweisführung zu stützen und Bilder gegebenenfalls ironisch zu kommentieren. Als Beispiel dafür kann die Anfangssequenz von Fahrenheit 9/11 genannt werden. Dabei ist Bildmaterial zu sehen, das Al Gore als Gewinner der Präsidentenwahl im Jahr 2000 zeigt, obwohl Moore bereits ironisch fragt: „Was it all just a dream? Did the last four years not really happen? […] Was it a dream? Or was it real?” (Moore 2004a) bzw. “War das alles nur ein Traum? Hat es die vergangenen vier Jahre in Wahrheit nicht gegeben? War es ein Traum? Oder war es Wirklichkeit?” (Moore 2004b). Außerdem enden sowohl die deutschsprachige, als auch die US-amerikanische Version von Fahrenheit 9/11 mit dem Kommentar von Michael Moore, was wiederum die Relevanz seiner Meinung unterstreicht.

5.2.3.4 Schnitt und Musik

Fahrenheit 9/11 ist vorrangig eine Kompilation, in der Moore vor allem Archivmaterial als Mittel für seine Argumentation verwendet (Alles 2013:180). Als Beispiel dafür kann etwa die Szene, als George W. Bush in einer Schulklasse zu Besuch ist und nicht sofort auf die Mitteilung über den Terroranschlag auf das World Trade Center reagiert, genannt werden. Außerdem enthält der Film verschiedene kompromittierende Szenen, in denen Bush und andere PolitikerInnen lachend gezeigt werden, Minuten bevor sie tragische Nachrichten verkünden müssen. Diese Gefühllosigkeit, die dadurch vermittelt wird, kann auch in der deutschsprachigen Version verspürt werden, vor allem durch die musikalische Hinterlegung der Szenen, welche die Emotionen im Publikum verstärkt.

Moore montiert Fahrenheit 9/11 in Form der Collage, wie schon seine früheren Filme, um die komplexe Argumentation zu unterstützen. Verschiedene Materialien werden kombiniert und Archivmaterial sowie selbstgedrehte Szenen sind noch stärker miteinander verknüpft als in Bowling for Columbine (vgl. ibid.:178). Wie bereits erwähnt, ist Moore fast immer präsent, er allein bestimmt mit Kommentar oder Performance, wie eine Szene zu interpretieren ist. Einige Sequenzen werden jedoch allein durch Musik verstärkt, wobei die Emotionen gesteigert oder erst hervorgehoben werden sollen, wie etwa die Einspielung des Lieds Cocaine, während eine Abbildung des Militärberichts von Bush eingeblendet wird. Erst das Lied evoziert die Annahme, dass Bush wegen Kokainkonsums nicht zur

77 medizinischen Untersuchung kam. Außerdem hält die musikalische Unterlegung, zusammen mit dem Kommentar von Moore, die Kompilation zusammen und gilt mittlerweile als eines der wichtigsten Merkmale des „Michael Moore Films“:

Diese zusätzliche Bedeutung der Tonebene macht heute ein spezifisches Moment in Moores Werk aus und bedeutet eine weitere dezidierte Hinwendung zu fiktionalen Methoden im filmischen Erzählen. Dabei wird der Anspruch an die Plausibilität der dokumentarischen Untersuchung keinesfalls abgeschwächt. Die Erweiterung des methodischen Arsenals dient jedoch der Maximierung eines persuasiven Effekts, indem die dokumentarische Lektüre durch den Zuschauer mit unterschwellig emotional wirksam werdenden Strategien verzahnt werden soll. (Ibid.:187)

5.2.4 Zusammenfassung

Fahrenheit 9/11 konsolidierte Moores Stil, Bilder zu montieren. Dabei wird vor allem augenscheinlich, dass Moore keine Geschichte erzählen will, sondern Annahmen über die Realität aufstellt, wobei er sein Publikum von seiner eigenen Sichtweise überzeugen will. Dazu verwendet er vermehrt emotionale Bilder und arbeitet mit TäterInnen- und Opferrollen (vgl. Alles 2013:187) wie etwa Lila Lipscomb. Gleich geblieben sind seit Bowling for Columbine sein zynischer Humor und seine Methode, mit Archivmaterial neue Sichtweisen zu zeigen. Dabei steht in Fahrenheit 9/11 seine politische Motivation im Vordergrund, denn, wie bereits erwähnt, war das ultimative Ziel des Films, die US- amerikanische Bevölkerung von der Wiederwahl von George W. Bush abzuhalten. Dieser - auch als Wahlkampf deklarierte - Dokumentarfilm sollte tatsächlich eine Gegenöffentlichkeit mithilfe des Massenmediums Kino schaffen (vgl. Grünefeld 2010:217). Diese Methode erklärt Moores Einfluss auf verschiedene Dokumentarfilmschaffende sowie den überwältigenden Erfolg des Films sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in den USA, und ist damit als einzigartig zu definieren.

78 6 Paratextanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11

Die paratextuelle Analyse der DVD-Versionen von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 soll Aufschluss darüber geben, ob sich die deutschsprachigen Editionen an den US- amerikanischen orientieren. Es wird hierbei davon ausgegangen, dass kulturspezifische Merkmale der USA bzw. genrespezifische Elemente der Methode Moores in den deutschsprachigen Paratexten übernommen wurden bzw. viele Paratexte nicht übersetzt wurden, um den US-amerikanischen Charakter in den deutschsprachigen Versionen zu verstärken. Es wird weiters angenommen, dass der Stil Moores und seine Relevanz als Filmschaffender und politische Figur auch in der deutschen Version von Bedeutung sind.

6.1 Paratexte nach Gérard Genette

Gérard Genette untersucht in seinem Werk Seuils jene Beiträge zu einem literarischen Werk, die dieses begleiten und unterstützen. In der deutschen Übersetzung von Seuils werden diese Beiwerke, die sowohl verbal als auch nonverbal sein können, Paratexte genannt. Dabei teilt Genette den Paratext in zwei Hauptkategorien: den Peritext und den Epitext. Der Peritext bezieht sich auf all jene Merkmale, die sich in unmittelbarer Nähe eines Werkes, d.h. innerhalb eines Bandes oder auch zwischen Textstellen, befinden. Dazu zählt Genette Formate, Reihen, Umschlag und Zubehör, Titelseite und Zubehör, Satz und Auflagen, den Namen des Autors, Titel, Waschzettel, Widmungen, Motti, Vorwort, Zwischentitel und Anmerkungen. Der Epitext beinhaltet all jene Kategorien, die sich im Umfeld des Textes, jedoch außerhalb eines Bandes, befinden. Dazu gehören Interviews, Tagebücher und Briefwechsel, etc. (Genette 2001:7ff.). Genette beschreibt die Funktion des Paratextes folgendermaßen:

Der Paratext ist also jenes Beiwerk, durch das ein Text ein Buch wird und als solches vor die Leser und, allgemeiner, vor die Öffentlichkeit tritt. […] Diese Anhängsel, die ja immer einen auktorialen oder vom Autor mehr oder weniger legitimierten Kommentar enthalten, bilden zwischen Text und Nicht-Text nicht bloß eine Zone des Übergangs, sondern der Transaktion: den geeigneten Schauplatz für eine Pragmatik und eine Strategie, ein Einwirken auf die Öffentlichkeit im gut oder schlecht verstandenen oder geleisteten Dienst einer besseren Rezeption des Textes […]. (Ibid.:10; Hervorh. im Orig.)

79 Paratexte lassen sich somit schwer vom Text selbst trennen, denn sie weisen darauf hin, wie ein Text zu lesen ist (vgl. Böhnke 2007:23). Zur Untersuchung der paratextuellen Elemente werden fünf Hauptkategorien in Betracht gezogen, nämlich räumliche, zeitliche, stoffliche, pragmatische und funktionale Charakteristika (vgl. Genette 2001:12).

Obwohl Paratexte in einigen Bereichen, wie der Literaturtheorie oder der Diskursanalyse, einiges an Aufmerksamkeit erhielten, ist das in der Translationswissenschaft bis jetzt nicht der Fall gewesen, wie Gil-Bardají, Orero und Rovira-Esteva (2012) in der Einleitung ihres Sammelbandes Translation Peripheries feststellen. Sie stellen weiters die Wichtigkeit der Paratexte für verschiedene Bereiche der Translationswissenschaft, wie Geschichte der Translation, Literaturübersetzen, audiovisuelle Translation etc., fest.

Auch Kovala (1996:120) betont die Relevanz von Paratexten für die Übersetzung eines Werkes, da „the need for mediation is naturally much more urgent than in the case of original literature, because the work is often far from the recipient historically and culturally“. Die Hauptaufgabe der Übersetzungen von Paratexten ist es, die Distanz zwischen Werk und LeserInnen zu verringern, sowie die Rezeption zu steuern. Dabei spielen ÜbersetzerInnen neben anderen MediatorInnen eine wichtige Rolle. Bei der Gestaltung der Paratexte können sich die AutorInnen auf die Erwartungen und das Wissen des Publikums stützen (vgl. ibid.:124ff.). Watts (2000) stimmt Genette zu, wenn er meint, dass es die primäre Funktion des Paratextes sei, das Publikum zur Rezeption eines Werkes zu bewegen. Er weist aber ebenfalls auf die zweite Funktion des Paratextes in Bezug auf Translation hin: „But with works by a perceived cultural Other, the secondary function of the paratext […] is one of cultural translation“ (Watts 2000:31). Diese Übertragung in einen anderen kulturellen Kontext erscheint für die folgende Analyse von Bedeutung, da der Grad der Anpassung über den Einfluss der Filme im deutschsprachigen Raum Auskunft geben kann.

Obwohl es allmählich nun doch einige wissenschaftliche Beiträge zum Thema Translation von Paratexten gibt, konzentrieren sich diese zumeist auf das Medium Buch, obwohl eine wissenschaftliche Untersuchung der Übersetzung von Paratexten bei audiovisuellen Medien viel Potential hätte, da allein das DVD-Medium eine Vielfalt von Paratexten aufweist.

Im Folgenden werden die einzelnen Kategorien Genettes behandelt, welche für die Analyse

80 der ausgewählten DVDs relevant erscheinen, und für das Medium Film interpretiert.

6.1.1 Der Name der Autorin/des Autors Der Name der Autorin/des Autors ist einerseits im Epitext zu finden, denn er wird immer wieder in Artikeln, Interviews, Prospekten etc. erwähnt, andererseits beschränkt sich der kanonische Ort des Namens der Autorin/des Autors im Medium Buch auf den Umschlag und die Titelseite. Genette weist darauf hin, dass die Angabe des Namens je nach Bekanntheitsgrad der Autorin/des Autors, ob durch literarische oder andere Gründe berühmt, unterschiedliche Dimensionen annehmen kann (vgl. Genette 2001:41ff.). Im Hinblick auf das Medium Film wird klar, dass es schwierig ist, eine einzige Autorin/einen einzigen Autor zu nennen, denn zumeist haben viele verschiedene Menschen – von ProduzentInnen bis DrehbuchautorInnen – am Film mitgewirkt, was Böhnke als eine „multiple Autor- bzw. Urheberschaft“ (Böhnke 2007:15) bezeichnet.

6.1.2 Der Titel Die Definition des Titels eines Werkes beschreibt Genette als schwieriger als bei anderen paratextuellen Elementen, da der Titel „meistens nicht einfach ein Element, sondern eher ein recht komplexes Ganzes“ (Genette 2001:58) ist. Böhnke schließt sich Genette an, wenn er meint:

Der Titel ist ein besonderer Paratext, weil er einerseits zum Text gehört, andererseits aber auch im Jenseits des Textes kursiert. Mehr noch als der Autorname markiert der Titel die Grenze des Epitextes, da er im Diskurs über den Text diesen bezeichnet. (Böhnke 2007:24)

Die Adressantin/der Adressant des Titels muss nicht unbedingt die Autorin/der Autor des Textes sein, sondern kann auch die Verlegerin/der Verleger sein (vgl. Genette 2001:75). Wenn von der Feststellung ausgegangen wird, dass der Film eine „multiple Autor- bzw. Urheberschaft“ (Böhnke 2007:15) hat, kann angenommen werden, dass es sich bei den AdressantInnen um die Regisseurin/den Regisseur, die Produzentin/den Produzenten, die Drehbuchautorin/den Drehbuchautor oder auch um das Filmstudio handelt. Genettes Konzept folgend (vgl. Genette 2001:76), kann festgestellt werden, dass mit dem Titel des Films einerseits die ZuschauerInnen adressiert werden, andererseits jedoch auch Personen, die den Film nicht vollständig gesehen haben. Diese Personen verbreiten den Titel des Films und sind somit an der Rezeption des Films beteiligt. Genette nennt drei Funktionen,

81 die der Titel erfüllen muss, nämlich „1. das Werk zu identifizieren“, um den Film von anderen unterscheiden zu können; „2. seinen Inhalt zu bezeichnen“, den Film zu erklären bzw. eine Anleitung für die Rezeption des Films und schließlich „3. ihn in ein günstiges Licht zu rücken“ (ibid.:77), demnach für den Film zu werben. Die zweite Funktion kann überdies in thematische und rhematische Titel geteilt werden, da thematische Titel das Thema des Werkes wiedergeben, rhematische Titel sich hingegen auf die Form eines Buches beziehen, d.h. das Werk trägt dann z.B. den Titel Märchen (vgl. ibid.:82ff.). Filmtitel sind prinzipiell kürzer als Buchtitel, da es für das kommerzielle Kino wichtig ist, dass der Titel dem Publikum leicht in Erinnerung bleibt. Außerdem sind die Filmtitel zumeist auf die zweite Funktion nach Genette fokussiert, nämlich den Film zu beschreiben (vgl. Nitsche 2002:70).

6.1.3 Der Zwischentitel

Die Titel der Abschnitte eines Buches nennt Genette Zwischentitel. Die AdressatInnen sind, anders als beim Titel, Personen, die das Buch bereits in der Hand halten und rezipieren. Des Weiteren unterscheidet Genette zwischen der bloßen Nummerierung der Abschnitte und der Namensgebung einzelner Kapitel. Zwischentitel treten dabei zu Beginn des Buches auf, also im Inhaltsverzeichnis, und am Anfang der einzelnen Abschnitte (vgl. Genette 2001:281ff.). Beim Medium Film können die Titel der Szenen eines Films im DVD-Menü als Zwischentitel gesehen werden, was in 6.2.4 noch eingehender besprochen wird.

6.1.4 Der Waschzettel Der Waschzettel ist für Genette:

[e]in kurzer Text (üblicherweise zwischen einer halben und einer ganzen Seite), der durch ein Resümee oder jedes anderes Mittel auf meistens lobend Weise das Werk beschreibt, auf das er sich bezieht […]. (Genette 2001:103)

Der Waschzettel bezieht sich immer auf den unmittelbaren Text und darf deshalb nicht mit biographischen bzw. bibliographischen Angaben verwechselt werden. Des Weiteren weist Genette darauf hin, dass der Waschzettel nichts Permanentes ist, sondern bei Neu- oder Taschenbuchauflage durch einen anderen Text ersetzt wird. Der Ort, an dem der Waschzettel abgedruckt wird, wechselt ebenso, zumeist befindet er sich jedoch auf

82 Umschlag oder Beilage (vgl. ibid.:112ff.). Auf die DVD-Version von Filmen ausgelegt, kann der Waschzettel als lobende Kurzzusammenfassung auf der Rückseite des Einlageblatts gesehen werden.

6.1.5 Das Motto Genette definiert das Motto kurz und prägnant als „ein Zitat, das im allgemeinen an den Beginn eines Werkes oder eines Werkabschnittes gesetzt wird“ (Genette 2001:141). Das Motto kann am Anfang des Werkes stehen, dabei ist es noch offen für die LeserInnen, aber auch erst am Schluss auftreten, wo es dann oft als Fazit aufgefasst wird (vgl. ibid.:146). Als Adressantin/Adressant gilt der Autor des Werkes, AdressatInnen sind die gleichen wie beim Titel des Werkes. Das Motto hat vier Funktionen: den Titel zu verdeutlichen, das Werk zu kommentieren, den Namen bzw. die Aussage einer berühmten Person, um für den Text indirekt zu bürgen, und das Vorhandensein eines Mottos an sich als Hinweis für die Gattung, Epoche oder Tendenz eines Werkes (vgl. ibid.:152ff.). Nitsche zufolge ist das Motto beim Film ein Sonderfall (vgl. Nitsche 2002:74).

6.1.6 Das Vorwort Unter dem Vorwort versteht Genette:

Alle Arten von auktorialen oder allographen Texten (seien sie einleitend oder ausleitend), die aus einem Diskurs bestehen, der anläßlich des nachgestellten oder vorangestellten Textes produziert wurde (Genette 2001:157).

Die Adressantin/der Adressant kann auktorial bzw. autograph sein, d.h. die Autorin/der Autor des Textes hat auch das Vorwort produziert. Es kann von einer fiktiven Figur der Erzählung geschrieben sein, also ein auktoriales Vorwort, oder es handelt sich um ein allographes, also von einer Drittperson geschriebenes, Vorwort (ibid.:173). Das Adressat ist die Leserin/der Leser des Buches, denn, um das Vorwort rezipieren zu können, muss das Buch schon in ihrem/seinem Besitz sein (ibid.:188.). In dieser Arbeit spielt das auktoriale Vorwort eine Rolle, dessen Funktion es ist, „eine gute Lektüre des Textes zu gewährleisten“ (ibid.:191; Hervorh. im Orig.). Genette meint damit, dass der Text gelesen werden soll, aber er soll am besten auch gut gelesen werden, also kann das Vorwort als eine Anleitung von der Autorin/dem Autor gesehen werden, die den RezipientInnen erklärt, wie und wieso das Buch zu lesen ist (vgl. ibid.).

83 6.2 Paratexte im Film Auch beim Film kann zwischen Peritext und Epitext unterschieden werden. Bei der DVD zählen Einlageblatt, Angaben zu den Mitwirkenden, Gattungszugehörigkeit, technische Informationen zur DVD, Bilder der HauptakteurInnen, Menüs, Jugendschutzhinweise, Motti, Vorbemerkungen, Zwischenüberschriften, etc. zum Peritext, während Interviews, Tagebücher, Werbetexte, Making-Ofs, Rezensionen, etc. zum Epitext gehören (vgl. Wulff 2011). Wach teilt die Paratexte der DVD weiter ein:

Streng genommen kann man das Zusatzmaterial einer DVD im Analogieschluss als filmische Epitexte bezeichnen, während zu den filmischen Peritexten jenseits der materiellen Beschaffenheit des Films Credits, Filmtitel, Mottos, Widmungen, Zwischentitel zählen. (Wach 2009:189)

Krautkrämer (2008:234) widerspricht Wach, wenn er meint, dass Epitexte wie etwa Filmplakate oder Interviews und Making-Ofs zu Peritexten werden, sobald sie in der DVD-Version inkludiert sind. Mit diesen beiden Aussagen wird deutlich, dass die Einteilung filmischer Paratexte in Peri- und Epitext nicht immer eindeutig zu vollziehen ist.

Wach weist jedoch auf die Ähnlichkeit des Rezeptionsprozesses von Buch und DVD hin, da bei beiden Formaten die Möglichkeit besteht, ein Kapitel zu wählen, nach einer Unterbrechung mit der Lektüre fortzufahren und auch Kommentare zu rezipieren. Paratexte des Films sind „reflexive Kommentare zum ‚Text‘, die seine Lektüre steuern“ (ibid.:190), andererseits bilden sie einen Rahmen für den Film, damit dieser rezipiert werden kann. Des Weiteren wird durch den Informationsgehalt des Zusatzmaterials die Illusion des Kinos gebrochen, da Hintergrundinformationen zur Produktion des Films, Vermarktung, etc. einsehbar werden. Auch der Audiokommentar zählt zu diesen desillusionierenden Paratexten, welcher die Autorin/den Autor ins Zentrum rückt und auch u.a. auf eine verstärkte Oralität in den paratextuellen Elementen der DVD rückschließen lässt (ibid.).

Bei den schriftlichen Paratexten der DVD kann zwischen zwei primären Arten

84 unterschieden werden:

Zum einen in gedruckter Form sowohl auf der Scheibe als auch auf dem sie umgebenden Papier und zum anderen in elektronischer Form auf dem Speichermedium selbst. (Helbig 2009:102; Hervorh. im Orig.)

Diese Einteilung scheint für die Zwecke die Paratextanalyse eines Filmes von Vorteil zu sein, da sie nicht der strengen Einteilung Genettes in Peri- und Epitext folgt, welche, wie bereits erwähnt, für eine filmische Paratextanalyse zu eingrenzend ist. Deshalb wird im Folgenden diese Unterscheidung berücksichtigt und zuerst auf gedruckte Paratexte, danach auf elektronische Paratexte eingegangen.

6.2.1 Einlageblatt Das Einlageblatt (Inlay) besteht aus drei Seiten: Vorderseite, Rücken und Rückseite. Die Vorderseite weist dabei den Titelschriftzug und das Titelbild auf. Meistens sind zusätzlich noch werbende oder informierende Sätze zu finden. Auf dem Rücken ist der Titel vertikal zu lesen, dazu des Öfteren das DVD-Logo, das Logo oder der Name des herausgebenden Unternehmens, manchmal gibt es noch eine Genreangabe oder Altersempfehlung (vgl. Helbig 2009:114). Die Altersangabe wird definitiv nicht von der Regisseurin/dem Regisseur bestimmt, sondern in den USA von der Motion Picture Association of America (vgl. MPAA 2013); im deutschsprachigen Raum sind DVDs zumeist durch die Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (vgl. FSK 2014) bewertet. Nitsche weist daraufhin, dass das Logo der Altersangabe als Peritext sehr bedeutsam ist, da es die Marktchancen eines Filmes beeinflusst (vgl. Nitsche 2002:80). Die Rückseite der DVD weist zumeist sehr viele Paratexte auf:

Hier finden sich oft Inhaltsangaben, die in Umfang und Stil durchaus den Umschlagtexten von Büchern vergleichbar sind. Desweiteren [sic] werden gerne rezensorische Lobsätze zitiert. Standard sind die Informationstafeln, auf denen Angaben zur Filmlänge, zum Ländercode, zum Bildformat, zum Begleitmaterial usw. aufgelistet sind. (Helbig 2009:114)

6.2.2 Beiheft

Das Beiheft (Booklet) liefert oft sehr viele Paratexte, wobei die Frage gestellt werden muss, ob die darin enthaltenen Texte bereits vor der Veröffentlichung der DVD existierten oder

85 speziell für die DVD-Version verfasst wurden. Letztere sind paratextanalytisch gesehen interessanter, da sie durch die Herausgabe der DVD motiviert wurden. Die Paratexte des Beiheftes liefern oft Informationen zur Entstehung des Filmes, biographische Anmerkungen zu RegisseurInnen und DarstellerInnen oder auch Interpretationen und Analysen des jeweiligen Filmes (vgl. Helbig 2009:114).

6.2.3 Auf der materiellen Scheibe

DVDs sind zumeist auf ihrer Oberseite komplett bedruckt, wobei die graphischen Elemente zumeist dominieren. Als Beispiel nennt Helbig (2009:103) Bilder der DarstellerInnen oder Szenen aus dem Film. Der Schriftzug hat die Aufgabe, den Titel, eventuell Inhaltsverzeichnis und urheberrechtliche Fakten zu vermitteln.

6.2.4 Auf der virtuellen Scheibe Virtuelle Paratexte sind laut Helbig (2009:103ff.) Kapitel und ihre Überschriften sowie Texttafeln vs. Textdateien. Unter Menütexten werden alle Teile des Menüs verstanden, das sich zumeist in Hauptfilm und Extras gliedert. Der Hauptfilm ist auf der DVD in verschiedene Kapitel eingeteilt, die einzeln aufgerufen werden können. Interessant sind dabei zwei Faktoren: erstens ist die Einteilung erst mit der Produktion der DVD entstanden, zweitens ist der Begriff Kapitel eng mit dem Buchmedium verknüpft (vgl. ibid.:103) und kann mit Genettes Kategorien verglichen als Zwischentitel benannt werden. Im Gegensatz zum Buch ist bei der DVD zumeist kein Inhaltsverzeichnis vorhanden; meistens sind die eventuell vorhandenen Zwischentitel nur in der Kapitelübersicht zu finden. Helbig (ibid.:107) nennt die Unterscheidungsmerkmale zwischen Buch und DVD „textimmanent (Buchkapitel) vs. textranszendent (DVD-Kapitel)“. Paratextanalytisch signifikant sind die Betitelungen dieser Kapitel, die sogenannten Kapitelüberschriften. Diese beziehen sich auf den Inhalt des jeweiligen Kapitels und sind literarisch-kreativ gestaltet. Dabei sind kurze, nominale Zwischentitel häufig, die eventuell mit Adjektiven erweitert wurden. Die thematische Kurzbetitelung von Kapiteln ist seit dem 19. Jahrhundert in epischer Dichtung vorhanden und hat sich heutzutage als Betitelungsform im Medium Buch durchgesetzt. Auch in der Unterhaltungsliteratur und Fernsehserien gelten solche Kapitelüberschriften als Standard (vgl. ibid.:105ff.).

Noch informativer und paratextanalytisch ergiebiger sind Texttafeln und Textdateien.

86 Texttafeln sind vom Menü aus aufrufbar und enthalten, ausformuliert oder tabellarisch, Biographien der Regisseurin/des Regisseurs, der SchaupielerInnen und andere Informationen. Sie zählen ebenfalls zu den Menütexten, da sie über das DVD-Menü abrufbar sind, im Gegensatz zu den Textdateien. Diese schriftlichen Texte können nur über die Dateiansicht der DVD abgespielt werden und sind v.a. bei Verfilmungen literarischer Werke zu finden, da sie oft den Originaltext beinhalten (vgl. ibid.:108f.).

Im Folgenden werden die Paratexte der DVD-Versionen des Originals und der deutschsprachigen Ausgaben von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 untersucht. Dabei wird grob zwischen gedruckten und elektronischen Paratexten unterschieden, da diese Methode die umfassendste Untersuchung der DVD-Versionen erlaubt. Die einzelnen Schritte werden mit den Kategorien von Genette ergänzt, wo es für die Paratexte des Films möglich ist.

6.3 Paratexte zur US-amerikanischen DVD-Version von Bowling for Columbine In den folgenden Unterkapiteln werden die Paratexte der US-amerikanischen DVD- Ausgabe von Bowling for Columbine untersucht, die 2002 von Metro Goldwyn Mayer (MGM) in der Reihe Home Entertainment herausgegeben wurde. Die Abbildungen des Einlageblatt, des Beihefts, der Discs sowie einige Screenshots, die zur Analyse der virtuellen Paratexte verwendet wurden, finden sich im Anhang dieser Diplomarbeit.

6.3.1 Einlageblatt Das Einlageblatt (siehe Anhang 1) besteht klassisch aus drei Seiten. Besonders daran ist, dass der Hintergrund sich über Vorderseite, Rücken und Rückseite zieht und eine Landkarte der Gegend um Littleton, der Stadt, in welcher der Amoklauf an der Columbine Highschool passierte, darstellt. Die Vorderseite zeigt das Titelbild, nämlich Michael Moore, typisch leger mit Baseballkappe, wie er einen Globus nach oben hält, auf dem der US-amerikanische Kontinent zu sehen ist. Diese Haltung kann verschieden gedeutet werden. Auf der einen Seite deutet es bereits an, in welchen geographischen Bereich sich Moore im Film bewegt, andererseits kann es auch heißen, dass Moore die Welt in Händen hält, also sich seiner Macht bewusst ist. Das obere Drittel der Vorderseite nimmt folgender Schriftzug ein: „From the writer and director of Roger & Me and the author of Stupid

87 White Men Michael Moore“. Dieser einleitende Satz unterstreicht bereits den Bekanntheitsgrad von Moores Werken zur Zeit der Veröffentlichung von Bowling for Columbine. Der Name des Autors ist im Fall von Bowling for Columbine weniger problematisch als bei anderen Filmen, da Moore sowohl Regisseur als auch Drehbuchautor ist. Da Moore in den USA als Autor, Regisseur und politische Figur sehr bekannt ist, kommt sein Name auf der Vorderseite des Einlageblatts in fettgedruckten Blockbuchstaben vor dem Titel, wie es bei Büchern sehr oft der Fall ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass Moore der Adressant des Filmtitels ist, da er auch für Fahrenheit 9/11 den Titel wählte, wie in 6.5.1 noch ausführlich besprochen wird. Der Titel bezeichnet hier zwar den Inhalt im weitesten Sinn, es handelt sich also um einen thematischen Titel, jedoch muss der Film rezipiert worden sein, um zu verstehen, dass der Aufhänger das Schulmassaker an der Columbine High School ist und die Jugendlichen, die um sich schossen, am gleichen Tag morgens zum Bowling gingen. Der Zusammenhang wird durch die ironische Frage Moores im Film hergestellt, wenn er meint: „Why wasn’t anyone blaming bowling for warping the minds of Eric and Dylan to commit their evil deeds?“ (Moore 2002). Danach finden sich in großer Schrift werbende, positive Sätze aus Rezensionen: „THE MOST IMPORTANT FILM OF THE YEAR“ aus der LA. Daily News und „HILARIOUS“ aus der Time. Weitere werbende Elemente sind die Angaben zum Gewinn des Academy-Awards im Jahr 2002, des Original Screenplay der Writers Guild of America im Jahr 2003 und des Anniversary Prizes 2002 der Filmfestspiele in Cannes. Außerdem wird Bowling for Columbine noch mit „ON OVER 160 TOP-TEN LISTS – including TIME; ENTERTAINMENT WEEKLY and CHICAGO TRIBUNE“ angepriesen. Es kann also festgestellt werden, dass bereits die Vorderseite des Einlageblatts sehr viele werbende Elemente enthält.

Auf dem Rücken findet sich der Titel des Films in Blockbuchstaben und das Logo der MGM Filmstudios. Des Weiteren ist ein etwas verändertes Bild der Vorderseite zu sehen, also Moore wieder mit dem Globus in der Hand.

Auf der Rückseite sind sehr viele Paratexte zu finden, wie dies Helbig (2009:114) zufolge üblich ist. Es wird Werbung für den Film gemacht, diesmal mit Hilfe von positiven Adjektiven, nämlich „RIVETING“ laut New York Times und „TERRIFIC“ laut Time. Darunter findet sich der Waschzettel, der weniger auf den Inhalt als auf werbende und genrespezifische Elemente fokussiert ist:

88 Acclaimed filmmaker Michael Moore (Roger & Me) takes aim at America’s love affair with guns and violence in this Oscar® - winning film that “demands attention” (People)! Mixing riveting footage, hilarious animation and candid interviews with everyone from the NRA’ s Charlton Heston to shock-rocker Marilyn Manson, Bowling for Columbine is a “brilliant” (The Hollywood Reporter) tour de force of filmmaking. (Moore 2002; Hervorh. im Orig.)

Danach findet sich in einem abgetrennten Kasten Information zu den Special Features der DVD, in denen der Name des Autors immer wieder vorkommt, z.B. „Exclusive Michael Moore interview“ und „Personal introduction by Michael Moore“ etc.. Außerdem sind Bilder des Films mit dem passenden Kommentar von Moore im Film abgedruckt. Zum Schluss finden sich noch Angaben zu Filmstudios, Mitwirkenden, Filmlänge und Format sowie rechtliche Hinweise. Überdies findet sich das Logo der MPAA, welches den Film die Bewertung „restricted“ gibt. Damit ist es in den USA Jugendlichen unter 17 Jahren nicht erlaubt, ohne Eltern bzw. Vormund den Film zu sehen29. Im Falle von Bowling for Columbine kann davon ausgegangen werden, dass diese Bewertung dem Film noch zu mehr öffentlicher Aufmerksamkeit verhalf und die Marktchancen, vor allem angesichts des Kassenerfolgs des Filmes, dadurch nicht negativ beeinflusst wurden.

6.3.2 Beiheft Es gibt kein Beiheft im eigentlichen Sinn (vgl. Helbig 2009:114), sondern zwei einzelne Blätter. Das erste Blatt ist doppelseitig bedruckt. Auf der Vorderseite (siehe Anhang 2) sind wiederum das Titelbild, der Name des Autors und der Filmtitel zu sehen, auf der Rückseite (siehe Anhang 3) sind Bilder aus Bowling for Columbine abgedruckt. Darunter befinden sich die einzelnen Filmkapitel unter der Überschrift „Scene Selections“, was als schriftliches Inhaltsverzeichnis des Films benannt werden kann. Des Weiteren sind Informationen zum Zugriff auf die Special Features und den Audiokommentar vorhanden. Abschließend sind Angaben zu Filmstudios und Mitwirkenden sowie rechtliche Hinweise zu finden. Das zweite Blatt (siehe Anhang 4) zeigt Werbung des US-amerikanischen Verlags Harper Collins für Moores Buch Stupid White Men und zwei seiner weiteren Bücher Downsize This und Adventures in a TV Nation.

29 Die Motion Picture Association of America (MPAA) rät den Eltern sogar davon ab, mit ihren Kindern das Kino zu besuchen, wenn es sich um einen „restricted“ Film handelt (vgl. MPAA 2013).

89 6.3.3 Auf der materiellen Scheibe Die US-amerikanische DVD-Version von Bowling for Columbine enthält zwei Scheiben, Disc 1 mit dem Feature Film und Disc 2 mit den Special Features. Die Oberseite der Disc 1 (siehe Anhang 5) ist mit der Landkarte bedruckt, die auch für das Einlageblatt den Hintergrund darstellt. Sie zeigt den Titel des Films; die Namen der Filmstudios sind ebenfalls angegeben: „2002 ICONOLATRY PRODUCTIONS INC. AND VIF BABELSBERGER FILMPRODUKTION GmbH & Co. ZWEITE KG.“ Auffällig ist hier, dass der Film im Original von einem deutschen Filmstudio mitproduziert wurde, was auf Moores Bekanntheit im deutschsprachigen Raum hinweisen kann. Um den Lead-in30 sind das Format, die MGM Bestellnummer und die Länge des Films abgedruckt. Weiters findet sich hier „U. S. R“, d.h., dass der Film in den USA als „restricted“ eingestuft ist, wie bereits in 6.3.1 besprochen. Als Ländercode31 wird „Region 1“ angegeben, was sich auf die USA und Kanada bezieht. Es gibt auch rechtliche Hinweise: „All Rights Reserved. No copying. Subject to applicable laws“. Die Disc 2 (siehe Anhang 6) hat denselben Hintergrund wie Disc 1, auch sie trägt den Titel des Films, die Namen der Filmstudios und dieselben rechtlichen Hinweise, sowie die MGM Bestellnummer. Des Weiteren findet sich beim Lead-in folgender Satz: „SPECIAL FEATURES CONTAIN UNRATED MATERIAL“, d.h. es besteht keine offizielle Altersbeschränkung für die Special Features.

6.3.4 Auf der virtuellen Scheibe Bevor das Hauptmenü auf Disc 1 eingeblendet wird, ist in einer ersten einleitenden Szene Moore zu sehen, wie er eine Bowlingkugel wirft (siehe Anhang 7), er tritt also als erste Person im Menü auf und identifiziert sich sofort mit dem Thema. Daraufhin wird der Satz „Are we a country of gun nuts? Or are we just nuts“ (siehe Anhang 8), der als das Motto des Films anzusehen ist, eingeblendet. Es lässt es sich nach Genette als ein offenes Motto und nicht als ein Fazit einstufen. Moore, Adressant des Mottos, will mit diesen Fragen, die seinen Film motivierten, dem Publikum bereits zu Beginn zu denken geben. Einerseits provoziert er mit dem Motto, denn das „we“ bezieht sich klar auf US-AmerikanerInnen, andererseits stellt er eine Verbindung her, denn das „we“ inkludiert auch ihn. Er

30 Das Lead-in ist der innerste Bereich einer DVD. 31 Um den internationalen Handel mit Raubkopien zumindest teilweise einzudämmen, haben die US- amerikanischen Filmstudios darauf bestanden, dass DVDs jeweils einen besonderen Sperr-Code erhalten, der das Abspielen einer DVD aus einem anderen Regionalbereich als dem, in dem das Abspiel erfolgen soll, verhindert (Bender/zu Hüningen 2012).

90 kommentiert damit sein Werk und erklärt, was die zentralen Fragen des Filmes sind. Danach ist erst das Hauptmenü (siehe Anhang 9) zu sehen, welches den Titel des Films und die vier Kategorien PLAY, SCENES, FEATURES, SUBTITLES aufweist.

Wird der Menüpunkt Scenes angeklickt, wird die erste Seite der Kapitelübersicht eingeblendet und die Zwischentitel erscheinen. Die Kapitel sind betitelt und nummeriert, wie bereits aus dem Beiblatt (siehe Anhang 3) entnommen wurde. Die 32 Kapitel, pro Ansicht sind vier zusammen mit einem Standbild aus der jeweiligen Szene abgebildet (siehe Anhang 10), tragen allesamt sehr kurze, prägnante Namen, welche das Thema des jeweiligen Kapitels zusammenfassen, wie „Fear of Everthing“, „The Other Victim“. Manchmal steht auch nur der Name des Ortes, an dem die Szene gedreht wurde, wie „Littleton“ bzw. „Columbine“, ein anderes Mal werden Personennamen als Kapitelüberschrift verwendet, wie „Marilyn Manson“ und „Charlton Heston“, wobei der intendierte Gegensatz Moores zwischen den Interviewpartnern unterstrichen wird. Auffällig ist der Schriftzug „Written by Michael Moore; animated by Harold Moss/Flickerlabs“ über dem Bild für Kapitel „17. A Brief History of America“ (siehe Anhang 10). Dieser zusätzliche Paratext kann darauf zurückgeführt werden, dass Matt Stone im Film ein Interview gab, der Cartoon über die Geschichte der USA jedoch nicht von ihm gemacht worden war. Die Anmerkung macht klar, dass der Mitbegründer der Serie South Park nichts mit dem gezeigten Zeichentrickfilm zu tun hatte32.

Unter der Rubrik Special Features finden sich drei Unterpunkte. Der erste, „Writer/Director Michael Moore’s Audio Introduction“ kann im Sinne von Genette als Vorwort angesehen werden. Moore, als Autor des Films, spricht einerseits über die Produktion des Filmes, andererseits über sein Hauptanliegen, eine generelle Debatte über das Thema Waffengewalt in den USA, die er mit der Veröffentlichung von Bowling for Columbine starten wollte. Außerdem macht er auf die Special Features der DVD aufmerksam und fordert die ZuschauerInnen dazu auf, die DVD mit Familie und Freunden zu teilen. Zweiter Unterpunkt ist ein außergewöhnliches Audiokommentar „Receptionists’ and Interns’ Audio Commentary with Director’s Introduction“. Hierbei handelt es sich nicht, wie es bei DVDs oft der Fall ist, um eine von der Regisseurin/dem Regisseur kommentierte Version des Films, sondern die Mitwirkenden am Set des Films sprechen den

32 Matt Stone und Trey Parker, Begründer von South Park, waren über den ihrer Zeichentrickserie sehr ähnlichen Cartoon in Bowling for Columbine nicht begeistert (vgl. Brett 2005).

91 Audiokommentar. Interessant ist dabei, dass Moore sich als Filmschaffender zurücknimmt und anderen den Vortritt lässt. Als letzten Punkt kann noch der Trailer des Film angesehen werden, wie er im Kino gezeigt wurde.

Die „Subtitles“ des Film enthalten lediglich drei mögliche Varianten: „English, Spanish, None“.

Auf der Disc 2 ist erneut Moore mit einer Bowlingkugel zu sehen und das Motto des Films wird eingeblendet. Das Menü der Special Features (siehe Anhang 11 und 12) hat zehn Unterpunkte, wobei Michael Moore im Vordergrund steht, etwa wenn er über seine Rede bei den Academy-Awards spricht oder von verschiedenen Personen interviewt wird.

Zumeist handelt es sich bei den Special Features um Videos, es sind jedoch auch sogenannte Texttafeln vorhanden, die in diesem Fall erstens Material für LehrerInnen enthalten, um die Besprechung des Films in Schulen zu unterstützen und zu steuern. Zweitens gibt es „Mike’s Action Guide“, der zu Informationen führt, wie am besten soziale Probleme von jeder/jedem Einzelnen bekämpft werden können. Dieses Extra geht mit Moores Einstellung überein, an das Publikum zu appellieren. Es soll hier angemerkt werden, dass Moores Name sehr oft vorkommt, was auf seinen Bekanntheitsgrad in den USA zurückzuführen ist. Außerdem steht er bei den filmischen Features zumeist im Mittelpunkt wie bei einem Monolog über seine Oscarrede, den er in die Kamera spricht oder Interviews, die er bei verschiedenen Filmfestivals gibt. Dadurch wird auch deutlich, dass er für die Rezeption des Films wichtig ist und er rückt als Kultfigur in den Vordergrund.

6.4 Paratexte zur deutschsprachigen DVD-Version von Bowling for Columbine Im Jahr 2003, ein Jahr nach dem Erscheinen der DVD-Version von Bowling for Columbine in den USA, brachten Universal Studios und PROKINO die deutschsprachige Version auf den Markt.

6.4.1 Einlageblatt Das Einlageblatt (siehe Anhang 13) hat klassisch drei Seiten. Die Vorderseite zeigt die Stilisierung eines stereotypen US-Amerikaners: er schwenkt die US-amerikanische Flagge, ist dick und hat eine Baseballkappe auf. Die Figur trägt ein T-Shirt, auf dem eine

92 Schusswaffe abgebildet ist, was wiederum die Vorstellung des deutschsprachigen Publikums verstärkt, dass es sich um einen US-Amerikaner handelt. Außerdem blutet die Zeichnung aus einer Wunde auf der Stirn, was als Einschuss einer Gewehrkugel zu interpretieren ist. In der linken unteren Ecke ist ein Schwarz-Weiß-Foto von Michael Moore mit Kamera über der einen Schulter und Gewehr über der anderen zu sehen. Wie zumeist trägt er eine Baseballkappe, der Eindruck eines stereotypen US-Amerikaners wird durch das Gewehr noch verstärkt; die Kamera andererseits vermittelt, dass er dieses Klischee hinterfragen will.

Ganz oben steht die Einleitung: „Prokino zeigt Ein Film von Michael Moore“, wobei dies das einzige Mal ist, dass auf der Vorderseite der Name des Autors auftritt, obwohl Moore, im Hinblick auf die Rezeption im deutschsprachigen Raum, auch zur Zeit der Veröffentlichung der DVD als Filmschaffender bereits bekannt war. Moore nimmt jedoch nicht die gleiche Rolle ein wie in den USA, er gilt im deutschsprachigen Raum vor allem als Filmschaffender, jedoch weniger als politische Figur.

Der Titel des Films wurde nicht übersetzt, jedoch mit folgendem Zusatz versehen: „So haben Sie Amerika noch nicht gesehen!“. Dieser zusätzliche Slogan ist nur auf der deutschen DVD zu finden und stellt keine Übersetzung des Originals dar. Es kann davon ausgegangen werden, dass diese Anmerkung das deutschsprachige Publikum dazu animieren soll, den Film anzusehen.

Rechts von Moores Foto ist eine kleine Statue des Academy-Awards abgebildet und daneben steht „Ausgezeichnet mit dem Oscar® als BESTER DOKUMENTARFILM 2003“ und „Spezialpreis der Jury, Cannes 2002“. Auch diese Anmerkungen über die gewonnenen Preise des Films haben das Ziel, das Interesse der RezipientInnen zu wecken. Darunter sind die Logos der herausgebenden Unternehmen des Films im deutschsprachigen Raum, Prokino und Universal Studios abgebildet.

Auf dem Rücken des Einlageblatts ist wiederum das Logo von Universal Studios abgebildet, darunter ein kleines Bild der Figur auf der Vorderseite, danach der Titel und ein kleines Foto von Michael Moore, wie er auf der Vorderseite abgebildet ist. Daraufhin ist die Bestellnummer abgedruckt und die Spieldauer des Films.

Wie laut Helbig (2009:114) üblich, beinhaltet die Rückseite sehr viel Information. Am Anfang der Seite steht der Titel des Films, darunter sind Bilder aus Bowling for Columbine

93 zu sehen. Danach folgt ein Satz aus einer positiven Rezension der deutschen Kinozeitschrift CINEMA: „...böse, erschütternd, informativ, witzig und provokant.“, welcher den Film mithilfe von Adjektiven für die potentiellen RezipientInnen attraktiv machen soll. Daraufhin folgt der Waschzettel des Films, der aus zwei Teilen besteht:

Am Morgen des 20. April 1999 gehen die beiden Jugendlichen Dylan und Eric zu ihrem Bowlingkurs in dem verschlafenen Städtchen Littleton in Colorado. Nur wenige Stunden später verüben die beiden das entsetzliche Massaker an der Columbine Highschool, in dessen Verlauf 12 Schüler und Lehrer den Tod finden.

In seiner einzigartigen Dokumentation BOWLING FOR COLUMBINE geht Michael Moore auf eine wahnwitzige Reise in das Herz Amerikas: mit lakonischem Zynismus und beißendem Witz präsentiert er eine Nation zwischen Waffenwahn und Paranoia, ein Volk mit dem Colt im Anschlag für die permanente Selbstverteidigung. Er lässt die Opfer und die Vertreter der Waffenlobby zu Wort kommen, befragt Marilyn Manson, aber auch den berüchtigten Waffenaktivisten Charlton Heston, immer auf der Suche nach einer Antwort auf die Frage: „Sind wir verrückt nach Waffen – oder sind wir nur verrückt?“ (Moore 2003; Hervorh. im Orig.)

Der erste Teil geht klar auf den Aufhänger des Films ein und erklärt dabei noch, im Gegensatz zur Originalversion, den Titel des Films, welcher wie im Original thematisch ist. Der zweite Teil ist klar der einzigartigen Methode Moores gewidmet und endet mit dem Motto des Films, das aus dem US-Amerikanischen übersetzt wurde und die Funktion eines offenen Mottos beibehält. Das Motto ist also die zentrale Frage des Films, das „wir“ wird durch den Text, der dem Motto vorausgeht, etwas abgeschwächt, da klar wird, dass Moore sich mit den USA beschäftigt und nicht das deutschsprachige Publikum meint. Außerdem treten wie schon im US-amerikanischen Waschzettel die Gegensätze in den Vordergrund, wenn neben Marilyn Manson auch Charlton Heston erwähnt wird.

Die Rückseite hält den Standard ein und zeigt nach dem Waschzettel eine Informationstafel zu Sprache, Tonformat, Bildformat, Disc-Type, Ländercode, Laufzeit, Genre und Screen- Menüs, sowie einer kurzen Zusammenfassung der enthaltenen Special Features. Überdies gibt es eine Angabe zur Altersbeschränkung: „Freigegeben ab 12 Jahren gemäß § 14 JuSchG FSK“. Hier fällt auf, dass der Film im deutschsprachigen Raum bereits ab 12 Jahren freigegeben ist und nicht erst ab 17 wie in den USA, was auf die nicht unmittelbare Betroffenheit mit dem Thema im deutschsprachigen Raum oder auch die Wichtigkeit des

94 Films zurückgeführt werden könnte.

Zusammenfassend ist anzumerken, dass das Einlageblatt der deutschsprachigen Version weniger werbende, sondern vor allem informative Elemente enthält.

6.4.2 Beiheft Es gibt bei dieser DVD-Version kein Beiheft im eigentlichen Sinn, sondern lediglich ein doppelseitig bedrucktes Blatt, mit dem der Piper Verlag Werbung für Moores Bücher macht. Auf der Vorderseite (siehe Anhang 14) ist das Cover von Stupid White Men mit einer positiven Rezension aus dem Spiegel zu sehen: „Wie ein Fleisch gewordenes Erdbeben bringt der Mann die Welt der Mächtigen zum Wackeln“. Die Rezension bezieht sich also auf Moore selbst. Der Slogan „Gimme Moore!“, der über der Kritik steht, verstärkt dies noch. Der Satz ist US-amerikanisch und umgangssprachlich, beides trifft auf Moore zu und stellt ihn wiederum ins Zentrum. Auf der Rückseite (siehe Anhang 15) sind zwei Bücher Moores, Stupid White Men und Querschüsse und ein Buch von Emmanuel Todd, das sich mit der Politik George W. Bushs auseinandersetzt. Außerdem wird noch Werbung für das Hörbuch Stupid White Men gemacht. Es gibt keine Angaben, ob die Texte, welche die einzelnen Bücher beschreiben, bereits vor der DVD-Version existierten. Jedoch wird angenommen, dass es sich um werbende Texte handelt, die der Piper Verlag nicht nur auf diesem Beiblatt verwendete. Das Beiblatt ist demnach genauso werbend wie in der US-amerikanischen Originalversion.

6.4.3 Auf der materiellen Scheibe Die Oberseite der DVD (siehe Anhang 16) ist mit derselben Graphik wie die Vorderseite des Einlageblatts bedruckt und trägt den Titel des Films. Zusätzlich ist der Rand der DVD mit den Worten „2003 Universal Studios und PROKINO. Alle Rechte vorbehalten“ bedruckt. Ausführlicher wird das Urheberrecht noch in englischer Sprache wiedergegeben: „WARNING: All rights of the producer and the owner of the work reserved“.

6.4.4 Auf der virtuellen Scheibe Die DVD der deutschsprachigen Version von Bowling for Columbine hat keine einleitende Sequenz wie die US-amerikanische Version, das Menü ist also sofort im Bild (siehe

95 Anhang 17). Es hat vier Unterpunkte: FILM STARTEN, SZENENAUSWAHL, SPRACHAUSWAHL, EXTRAS. Neben der Menüauswahl ist erneut die Zeichnung der Vorderseite des Einlageblatts der DVD zu sehen. Im Hintergrund erscheint ein Filmausschnitt, der Charlton Heston bei einer Versammlung der NRA zeigt, wie er eine Waffe in die Luft hält und das Publikum begeistert klatscht. Dazu ist das Lied What a wonderful World von Louis Armstrong zu hören, unterbrochen von Maschinengewehrschüssen, was bereits den ironischen Charakter des Films im Vorfeld unterstreicht.

Wird der Menüpunkt Szenenauswahl angeklickt, wandert die stilisierte Figur des US- Amerikaners über den Bildschirm, bevor die ersten vier Kapitel, in Form von kurzen filmischen Ausschnitten, sichtbar werden (siehe Anhang 18). Die Unterteilung des Films wird hier, entgegen der Konvention, nicht Kapitel genannt. Außerdem sind die einzelnen Szenen nicht betitelt, sondern lediglich nummeriert, wobei es insgesamt 20 gibt. Des Weiteren ist diese Unterteilung an keinem anderen Ort auf der DVD bzw. deren Verpackung zu finden. Auffällig ist die Schreibung des Wortes Hauptmenu, welches immer in der Mitte, zwischen den vier Kapiteln, zu sehen ist. Möglich ist hier, dass die Schreibung dem englischen „menu“ nachgeahmt ist, oder, dass die veraltete Schreibweise „Menu“ beibehalten wurde.

Unter dem Menüpunkt Sprachauswahl bestehen drei Optionen zur Auswahl: DEUTSCH teilweise untertitelt, ENGLISCH, ENGLISCH deutsch untertitelt. Diese Einteilung lässt sich auf die Besonderheit des Films im Original zurückführen, da Moore das Voice-over- Kommentar spricht, welches im Deutschen synchronisiert wird, aber die Interviews, Ausschnitte aus Nachrichten etc. original mit Untertitel abgespielt werden. Die DVD bietet jedoch auch eine andere Variante, die für den deutschsprachigen Raum als besonders anzusehen ist, nämlich das Original nur mit Untertiteln, also auch Moores Kommentar wird nicht synchronisiert.

Die Kategorie Extras (siehe Anhang 19) enthält sechs Unterpunkte, davon können Kurzbiographie und Statements zum Film als Texttafeln definiert werden. Zudem gibt es ein Interview mit Michael Moore, wobei deutsche Untertitel aktiviert werden können. Eine Besonderheit dieses Interviews ist, dass die ZuschauerInnen die Interviewerin/den Interviewer nicht zu Gesicht bekommen, sondern die gestellten Fragen in Form von

96 eingeblendeten Themengebieten (siehe Anhang 20) erfahren, wobei Moores Name immer zu Beginn des Themas steht wie „Michael Moore über seine Technik“. Diese Darstellungsform stellt Moore in den Mittelpunkt, nur er wird gezeigt und spricht. Des Weiteren ist es möglich, sowohl den deutschsprachigen, als auch den englischsprachigen Trailer, weitere Trailer von PROKINO und Senator Entertainment sowie eine Pressekonferenz mit Michael Moore anzusehen, die ebenfalls mit deutschen Untertiteln rezipiert werden kann. Die deutschsprachige Version enthält demnach nicht die gleichen Extras wie im Original. Die US-amerikanische Version setzt mehr Wert auf Moore als zentrale Figur, wohingegen auf der deutschsprachigen DVD auch andere Extras, wie Trailer anderer Filme oder Statements, die nicht direkt mit Moore in Verbindung stehen, existieren.

Zusammenfassend ist anzumerken, dass die deutschsprachige DVD-Version wenige direkte Übersetzungen von Paratexten des Originals beinhaltet. Zumeist sind die Texte für die Zielkultur geschrieben worden oder filmisches Material weist zumindest deutsche Untertitel auf. Obwohl die DVD-Versionen einigermaßen unterschiedlich ausfallen, weisen sie doch Gemeinsamkeiten auf. Dazu zählen etwa die gewonnenen Preise beim Cannes Film Festival und den Academy-Awards, welche auch im deutschsprachigen Raum bekannt sind. Beide Versionen enthalten werbende Beihefte, die vor allem das Buch Stupid White Men in den Mittelpunkt stellen. Bei beiden Ausgaben spielt die Person Moores eine wichtige Rolle, sein Name tritt immer wieder auf und er ist oft abgebildet. Dies zeigt die Relevanz Moores für seinen Film in beiden Kulturräumen. Es kann demnach festgestellt werden, dass die Annahme, die Paratexte seien der Ausgangskultur angepasst worden, nur zum Teil bestätigt wurde.

6.5 Paratexte zur US-amerikanischen DVD-Version von Fahrenheit 9/11 Im Jahr 2004, also bereits zwei Jahre nach dem Erfolg von Bowling for Columbine, kam die DVD-Version von Fahrenheit 9/11 auf den US-amerikanischen Markt. Die DVD- Ausgabe wurde von Columbia Tristar produziert.

6.5.1 Einlageblatt Das Einlageblatt besteht wiederum aus drei Seiten (siehe Anhang 21). Die Vorderseite zeigt den oberen Teil von Michael Moores Gesicht, wie es riesig hinter dem Weißen Haus in

97 Washington hervorragt. Er trägt, wie meistens, auf dem Kopf eine Baseballkappe, diesmal sogar mit einer US-amerikanischen Flagge, die seine Zugehörigkeit zu den US- amerikanischen BürgerInnen untermauern soll. Das Weiße Haus, als Amtssitz des US- amerikanischen Präsidenten, kann hier, auf der Makroebene, für Moores prinzipielle Einstellung, Autorität und PolitikerInnen zu hinterfragen, auf der Mikroebene, für die Anklage Moores im Film gegen den Ex-Präsidenten George W. Bush, stehen. Über Moores Gesicht steht der Titel des Films, der für einige Diskussion sorgte. Moore ist der Adressant des Titels. Ray Bradbury, Autor von Fahrenheit 451 war von dem Namen Fahrenheit 9/11 nicht begeistert und wollte, dass Moore ihn umbenannte. Auch der Untertitel des Films „The temperature where freedom burns“ ist dem von Bradbury „The temperature where books burn“ sehr ähnlich. Darüber ist der Name des Autors zu finden. Moore ist eindeutig der Autor des Films, da er sowohl Drehbuchautor, Regisseur und Produzent ist. Sein Name steht, nach der werbenden Anmerkung „WINNER / BEST PICTURE / 2004 CANNES FILM FESTIVAL“. Nach Bowling for Columbine war Moores Bekanntheitsgrad als Filmschaffender und politische Figur noch gestiegen, wie das Cover der DVD klar zeigt. Am Ende der Vorderseite ist eine positive Kritik von Claudia Puig für USA TODAY abgedruckt, die den Film als „THE YEAR’S MUST-SEE FILM! COMPELLING, FUNNY AND, MOST OF ALL, ENTERTAINING!“ bezeichnet.

Auf dem Rücken des Einlageblatts sind lediglich der Titel und das Logo des Columbia Tristar Home Entertainment zu sehen.

Die Rückseite enthält sehr viele Paratexte. Zuerst finden sich positive Rezensionen, die den Film als „TWO THUMBS WAY UP!“, „ENTHRALLING!“ und „EXCELLENT!“ anpreisen, sowie zwei Bilder aus dem Film. Daraufhin folgt der Waschzettel, der den Film sehr lobend beschreibt:

In the most provocative film of the year, Academy Award®-winner Michael Moore (2002, Best Documentary, Bowling for Columbine) presents a searing examination of the role played by money and oil in the wake of the tragic events of 9/11. Moore blends captivating and thought-provoking footage with revealing interviews, while balancing it all with his own brand of humor and satire. (Moore 2004a; Hervorh. im Orig.)

Auffällig ist, dass Moore zu Beginn des Waschzettels als Gewinner des Academy-Awards angepriesen wird und sein Name auch im letzten Satz vorkommt, wobei hier sein Stil im Vordergrund steht. Fast der gesamte Text bezieht sich auf Moore und seinen Stil, was

98 erneut die Einzigartigkeit seines Genres unterstreicht. Rechts davon ist eine Tafel zu sehen, welche die verschiedenen Extras auflistet. Darunter sind die Mitwirkenden aufgelistet und eine Informationstafel mit Angaben zu Sprache, Länge des Films etc. Zum Schluss findet sich noch die Angabe zur Altersfreigabe in den USA, die wie schon bei Bowling for Columbine unter „R“ (restricted) fällt, mit der genaueren Angabe „Violent and disturbing images and for language“33. Rechts davon finden sich Angaben zum Filmstudio und rechtliche Hinweise.

6.5.2 Beiheft Auch bei der US-amerikanischen DVD-Version von Fahrenheit 9/11 fehlt ein wirkliches Beiheft, wiederum findet sich nur ein einzelnes Blatt (siehe Anhang 22 und 23). Dieses ist doppelseitig bedruckt und trägt auf beiden Seiten den Titel: „If you enjoyed this DVD you might also enjoy“, Daraufhin folgen Vorderseiten von DVDs, die verschiedenste Filme von Sony Pictures Network zeigen, wobei die erste Seite sich vor allem auf Dokumentarfilme konzentriert. Neben Supersize Me von Morgan Spurlock und The Fog of War von Errol Morris, findet sich auch ein österreichischer Dokumentarfilm: Blind Spot. Hitler’s Secretary (Im Toten Winkel) von André Heller und Othmar Schmiderer. Dies kann als Zeichen für die steigende Präsenz des österreichischen Dokumentarfilms, sogar im US- amerikanischen Raum, gedeutet werden. Auf der zweiten Seite sind weitere DVD-Covers zu finden. Außerdem ist unten links ein Hinweis: „Warning! The disc is copy protected. This disc supports the Parental Control function on your DVD player“. Diese Anmerkung zeigt erneut die Wichtigkeit der Altersfreigabe in den USA.

6.5.3 Auf der materiellen Scheibe Auf der Disc (siehe Anhang 24) ist das Bild der Vorderseite des Einlageblatts abgebildet, jedoch ohne Michael Moores Kopf; es ist der Titel des Films zu sehen und darunter das Weiße Haus. Die Logos der Filmstudios Columbia Tristar, Fellow Adeventure Group L.L.C und Dog Eat Dog Films sind abgebildet, letztere ist die Produktionsfirma von Michael Moore selbst. Dazu kommen noch Informationen zur Region und Altersbeschränkung, sowie rechtliche Hinweise.

33 Moore versuchte sogar Einspruch gegen die Bewertung einzulegen, die MPAA ließ sich jedoch nicht umstimmen (vgl. Laurier 2004).

99 6.5.4 Auf der virtuellen Scheibe Das Menü der US-amerikanischen DVD-Ausgabe von Fahrenheit 9/11 (siehe Anhang 25) zeigt die umstrittene Szene, in der George W. Bush von dem Terrorakt auf das World Trade Center erfährt und weiter sieben Minuten im Klassenzimmer sitzen bleibt. Die Menüpunkte sind PLAY, SCENES, FEATURES, SUBTITLES, der Aufbau ist also gleich wie bei der US-amerikanischen DVD-Version von Bowling for Columbine.

Beim Anklicken des Menüpunktes Scenes, wird im Hintergrund das Weiße Haus eingeblendet. Davor sind, pro Seite, vier Standbilder aus den jeweiligen Szenen zu sehen (siehe Anhang 26). Der Film ist in 28 Kapitel unterteilt, die sowohl nummeriert als auch betitelt sind. Die Zwischentitel sind zumeist kurze Nominalkonstruktionen, die durch Adjektive ergänzt werden wie „An Independent Media“ oder „The Ultimate Rush“, aber auch nur Nomen wie „Vacation“, „Iraq“ und „Trust“. Zweimal betiteln auch Zitate die Szenen, bei „No one read it“ und „It pains me“. Die Zwischentitel sind nicht immer informativ, vor allem die Zitate sind erst nach der Rezeption des Films verständlich, da der Kontext für das Verstehen nicht gegeben ist.

Die Kategorie Features zeigt als Hintergrund Michael Moore beim Verlesen des Patriot Acts. Unter der Überschrift Mike’s Homeland Security System finden sich fünf Unterpunkte: CONFIDENTIAL, NEW SCENES, PREVIEWS, PLAY MOVIE und MAIN MENU (siehe Anhang 27). Die Videos der Kategorien Confidential und New Scenes werden zumeist mit einem Vorspann eingeleitet, welcher kurz auf die nachfolgenden Szenen eingeht. Diese Texte sind oft wertend bzw. ironisch und sollen das Publikum bereits vor dem Start der Szene beeinflussen, wie es das Video zu verstehen hat. Unter Confidential (siehe Anhang 28) finden sich wiederum drei Unterpunkte. Release of Fahrenheit 9/11 dokumentiert die Veröffentlichung des Films bei den Cannes Filmfestspielen und das umstrittene „R-rating“, gegen das sich KinobetreiberInnen in den USA stellten, da sie es für politisch motiviert hielten. Viele bekannte SchaupielerInnen kommentieren den Film und es sind Ausschnitte von Interviews, Pressekonferenzen etc. mit Moore zu sehen. In Eyewitness Account from Samarra, Iraq ist der Augenzeugenbericht eines Journalisten im Irak zu sehen und Lila Lipscomb at Washington, D.C. Premiere zeigt Lila Lipscomb, wie sie bei der Premiere des Film spricht. Moore umarmt sie und wirkt sehr nahe an den US-amerikanischen BürgerInnen. Unter New Scenes (siehe Anhang 29) finden sich acht Szenen, die Moores Standpunkt noch weiter

100 untermauern sollen. Es handelt sich dabei um Videomaterial, das etwa eine friedliche irakische Bevölkerung vor dem Krieg präsentiert, sowie absurde freiwillige Küstenwachen, die versuchen, Terroranschläge zu verhindern, indem sie z.B. unbeaufsichtigtes Gepäck melden. Zudem sieht das Publikum Condoleezza Rice bei dem Versuch George W. Bush zu verteidigen, der sich trotz Terrorwarnungen vor dem 11. September nicht mit dem FBI oder der CIA zu einem Gespräch traf, um Gegenmaßnahmen einzuleiten und schließlich George W. Bush selbst, der sich nach dem Gespräch mit der 9/11 Kommission erneut lächerlich macht. Abschließend gibt es noch die Kategorie Previews (siehe Anhang 30), die Trailer zu einigen der Filme vom Beiblatt der DVD-Hülle und anderen themenverwandten Filmen wie Soundtrack to War oder Silver City.

Unter Subtitles (siehe Anhang 31) finden sich lediglich „English Subtitles“ und „Subtitles Off“. Für die Extras gibt es keine Untertitel zur Auswahl, nur die Interviews mit nicht- englischsprechenden Personen werden untertitelt.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Moore sich als Person auch bei den Paratexten zurückhält. Im Vordergrund stehen hier eher andere Personen, die seine Standpunkte mit ihren Aussagen und Argumenten stärken sollen, wie das auch im Film selbst der Fall ist.

6.6 Paratexte zur deutschsprachigen DVD-Version von Fahrenheit 9/11 Die DVD-Ausgabe von Fahrenheit 9/11 erschien, wie die US-amerikanische Version, im Jahr 2004. Die Publikation des Originals und der deutschsprachigen Version im selben Jahr kann auf die gestiegene Nachfrage nach Moores Werken seit Bowling for Columbine und die dem Film vorausgegangene Debatte, auch im deutschsprachigen Raum, zurückgeführt werden.

6.6.1 Einlageblatt Das Einlageblatt hat drei Seiten (siehe Anhang 32), die Vorderseite zeigt Moore, wie er einen Umschlag mit der Aufschrift „Top Secret“ ins Bild hält, der seine untere Gesichtshälfte verdeckt. Er trägt wie gewohnt eine Baseballkappe. Die Aufmachung des Umschlags ähnelt dem Hintergrund im Menü der Special Features der US-amerikanischen Ausgabe, aber statt „Top Secret“ steht dort „Confidential“. Im Deutschen wurde also ein anderer englischer Begriff gewählt, der dem deutschsprachigen Publikum jedoch eher

101 verständlich ist als das Original. Darüber ist der Spruch „Kontroversen...welche Kontroversen?“ zu lesen, was als Motto des Films gesehen werden kann. Es ist als offenes Motto zu definieren, da es schon auf der Vorderseite des Einlageblatts von den AdressatInnen gelesen werden kann. Es kann nicht festgestellt werden, wer die Adressantin/der Adressant des Mottos ist, da es nicht bei jeder erhältlichen DVD-Version aufscheint und weitere Informationen zum Motto fehlen. Die Funktion des Mottos ist in diesem Fall ebenfalls schwierig zu bestimmen, da sich eher Fragen als Antworten aufdrängen: Bezieht sich das Wort „Kontroverse“ auf die im Film gezeigten Materialien und die Adressantin/der Adressant möchte diese ironisch kommentieren? Oder bezieht sich „Kontroversen“ auf die Debatte, die bereits den Filmstart von Fahrenheit 9/11 prägte, da sich kein Filmverleih für einen solch provokanten und systemkritischen Dokumentarfilm in den USA finden lassen wollte? Vielleicht soll das Motto die AdressatInnen auch nur zum Nachdenken über das Motto anregen. Im unteren Drittel der Vorderseite sind der Name des Autors, Michael Moore, und der Titel des Films zu lesen. Der Titel wurde gleich wie im Original belassen. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Filmtitel auch im deutschsprachigen Raum mit dem Roman Fahrenheit 451 des US-Amerikaners Ray Bradbury verbunden wird, da der Roman auch in der Zielkultur bekannt und in verschiedensten Editionen erhältlich ist. Am Ende der Vorderseite wird der Film, wie in der US-amerikanischen Version, als „Gewinner / Bester Film / 2004 Cannes Film Festival“ ausgewiesen.

Der Rücken des Einlageblatts trägt, im Gegensatz zu den anderen untersuchten DVD- Versionen, sowohl den Titel des Films als auch den Namen des Autors. Dies ist, Helbig (2009:114) zufolge, normalerweise nicht der Fall, kann jedoch hier auf die gesteigerte Präsenz und Bekanntheit des Autors im deutschsprachigen Raum zurückgeführt werden.

Die Rückseite wird vor allem vom Waschzettel eingenommen, der um einiges umfangreicher ist, als bei den anderen DVD-Ausgaben:

Filmemacher Michael Moore wirft einen kritischen Blick auf US-Präsident George W. Bush und seinen Krieg gegen den Terrorismus.

Er beginnt mit der Schilderung von Bushs umstrittenen Wahlsieg im November 2000 und beschäftigt sich dann eingehend mit den engen geschäftlichen Beziehungen, die Familie Bush mit dem saudischen Königshaus vor allem mit den Bin Ladens unterhält. Schonungslos zeigt er die Reaktion des Präsidenten auf die Nachricht von den Anschlägen auf die Twin

102 Towers am 11. September 2001. Auf den Terrorakt folgt eine Berichterstattung in den Medien, die eine ständige Panik vor neuen Anschlägen unter den US-Bürgern schüren soll. Der „USA Patriot Act“ wird beschlossen, aber viele Abgeordnete haben die Verordnung gar nicht gelesen, bevor sie im Kongress dafür stimmten. Also fährt Michael Moore im Eiswagen durch Washington D.C. und liest laut daraus vor. Ziehen die USA tatsächlich wegen angeblichen Massenvernichtungswaffen in den Krieg gegen den Irak oder stecken nicht vielmehr wirtschaftliche Interessen dahinter? Und wieso gibt es von 535 Kongressabgeordneten nur einen, dessen Sohn im Irak-Krieg kämpfte? (Moore 2004b; Hervorh. im Orig.)

Der fettgedruckte einleitende Satz stellt bereits Moore und seinen Gegenspieler im Film, George W. Bush, in den Mittelpunkt. Im Verlauf wird immer wieder „er“ oder auch der Name des Autors verwendet. Die umfangreiche Beschreibung des Inhalts wird mit Anmerkungen zu Moores Stil ergänzt, der vor allem im deutschsprachigen Raum als schonungslos gilt. Der Text wirkt nicht sehr werbend, sondern scheint eher eine Kurzzusammenfassung des Filmes zu sein. Auffällig ist, dass kulturelle Eigenheiten wie z.B. USA Patriot Act nicht erklärt werden, was vielleicht die potentiellen ZuschauerInnen anregen soll, den Film anzusehen und herauszufinden, worum es in dieser Verordnung geht. Zwei Bilder, eines von George W. Bush und das andere von Lila Lipscomb im Gespräch mit Michael Moore, verstärken die Idee der im Waschzettel hervorgehobenen Gegenspieler. Weiters finden sich zwei Kästen, der eine zeigt die Liste der Special Features, der andere gibt Informationen zu den technischen Details des Films. Darunter finden sich Angaben zu den Mitwirkenden des Films, rechtliche Hinweise und Logos der Filmstudios. Wichtig erscheint hier als Peritext wiederum die Altersfreigabe, die im deutschsprachigen Raum, wie schon bei Bowling for Columbine, bereits bei 12 Jahren liegt.

6.6.2 Beiheft Erneut findet sich kein wirkliches Beiheft, sondern zwei lose Blätter. Das erste ist doppelseitig bedruckt. Es zeigt die Vorderseite des Einlageblatts (siehe Anhang 33) und auf der Rückseite (siehe Anhang 34) eine Kapitelübersicht, welche eine Übersicht über die Zwischentitel enthält. Dieses Inhaltsverzeichnis, das normalerweise etwas dem Buch Vorbehaltenes ist, gibt Auskunft über die Nummerierung und Betitelung der Szenen und nennt diese, auch wie in einem Buch, Kapitel.

103 Das zweite Blatt (siehe Anhang 35) enthält, wie auch bei den anderen DVDs, Werbung. In diesem Fall handelt es sich um ein DVD-Set von „Michael Moore’s The Awful Truth“, welche als „Kult-TV-Serie“ angepriesen wird.

6.6.3 Auf der materiellen Scheibe Diese Edition des Films besteht aus zwei Scheiben. Disc 1 (siehe Anhang 36) enthält den Hauptfilm und ist mit der Vorderseite des Einlageblatts, dem Namen des Autors, sowie dem Titel des Films bedruckt. Es gibt neben den rechtlichen Hinweisen und Logos der Filmstudios auch das Logo der FSK. Die Disc 2 (siehe Anhang 37) ist gleich gestaltet, sie trägt jedoch den Aufdruck Bonusmaterial.

6.6.4 Auf der virtuellen Scheibe Die Disc 1 hat keine einführende Sequenz, das Hauptmenü ist sofort sichtbar (siehe Anhang 38). Es zeigt im Hintergrund eine wehende US-amerikanische Flagge, darauf ist Michael Moore Hand in Hand mit George W. Bush vor dem Weißen Haus zu sehen, was einen sehr ironischen Eindruck auf die RezipientInnen macht. Links unten ist der Titel des Films zu lesen, es gibt vier Unterpunkte: Film starten, Kapitelauswahl, Einstellungen, Original US Featurette.

Die Kapitelauswahl entspricht den Merkmalen laut Helbig (2009:105ff.), da sowohl die Bezeichnung für die Szenen Kapitel lautet, als auch eine Nummerierung und Betitelung für die Szenen vorliegt. Der Film ist in 18 Szenen eingeteilt, sechs pro Seite, die kurz und prägnant betitelt sind (siehe Anhang 39). Es kann festgestellt werden, dass die Titel kreativer gestaltet sind als bei den übrigen untersuchten DVDs, z.B. „Nicht verzagen, Ashcroft fragen“, „Freund und Helfer Bush“ sowie „Im Rhythmus des Blutrauschs“. Dies kann nicht als spezifisch für den deutschsprachigen Raum gesehen werden, da etwa die deutsche DVD-Version von Bowling for Columbine lediglich nummeriert ist.

Unter dem Menüpunkt Einstellungen finden sich verschiedene Ton- und Untertitelvarianten (siehe Anhang 40). Es ist möglich, den Film im Original anzusehen oder auf Deutsch. Außerdem gibt es deutsche Untertitel in der Kinofassung, deutsche Untertitel sowie englische Untertitel.

Das Original US-Featurette zeigt das gleiche Video wie auf der US-amerikanischen DVD- Version, dort ist es unter „Release of Fahrenheit 9/11“ zu finden. Das Wort „Featurette“ ist

104 hier irreführend, da es sich nicht um eine Dokumentation der Dreharbeiten oder der Entstehung des Films handelt, sondern um die Veröffentlichung des Films, wie aus dem Originaltitel hervorgeht. Darüber hinaus ist das Original US-Featurette nur in der Originalversion ohne Untertitel verfügbar, was auf die gesteigerte Bekanntheit des Filmes und Filmschaffenden zurückgeführt werden kann.

Die Disc 2 mit dem Bonusmaterial hat denselben Hintergrund wie Disc 1 (siehe Anhang 41) und enthält dieselben Extras wie die US-amerikanische DVD-Ausgabe. Die Titel der verschiedenen Extras sind übersetzt, dabei kann festgestellt werden, dass diese im Gegensatz zur US-amerikanischen Version gekürzt wurden:

Bush after his “visit” with the 9/11 Bush vs. 9/11 Kommission Commission Condoleezza Rice: “I asked you what the C. Rice vs. 9/11 Kommission title was” More from Abdul Henderson Einsatzbericht Lila Lipscomb at Washington D.C., Filmpremiere in Washington D.C. Premiere

Des Weiteren ist auffällig, dass in der US-amerikanischen Version zumeist die vollen Namen der Personen, die in den Szenen die Hauptrolle einnehmen, genannt werden, während im Deutschen Wert auf kurze, wenn auch nicht immer aufschlussreiche, Titel gelegt wird. Obwohl die Titel der zusätzlichen Szenen übersetzt wurden, ist dies bei den Videos selbst nicht der Fall. Weder der meistens einleitende Vorspann, noch die Szenen selbst können mit Untertitel oder Synchronisation rezipiert werden. Diese fehlenden Übersetzungen untermauern die Hypothese, dass Moores Darstellung der US- amerikanischen Gesellschaft und seine Methode erhalten bleiben sollen, was sich wiederum auf Moores gestiegenen Bekanntheitsgrad zur Zeit der Herausgabe von Fahrenheit 9/11 auch im deutschsprachigen Raum rückschließen lässt.

Zusammenfassend ist anzumerken, dass die US-amerikanischen Paratexte im Allgemeinen werbender sind als auf der deutschsprachigen DVD. Dies fällt z.B. beim Vergleich der beiden Waschzettel auf, wobei der deutschsprachige eher objektiv ist und sich v.a. auf den Inhalt des Films konzentriert. Des Weiteren sind die verschiedenen Spracheinstellungen unterschiedlich, die US-amerikanische Version biete lediglich Englisch an, während bei der

105 deutschsprachigen Version der Film auch im Original zusätzlich zum Deutschen rezipiert werden kann. Auch die Extras können bei der deutschsprachigen Version nur auf Englisch angesehen werden.

6.7 Zusammenfassung Abschließend kann festgestellt werden, dass Moore bei den Paratexten aller DVD- Versionen eine große Rolle spielt. Es konnte zudem herausgefunden werden, dass dies bei den DVD-Versionen von Bowling for Columbine stärker der Fall, wohingegen Moore vor allem bei den Extras von Fahrenheit 9/11 eher in den Hintergrund rückt und andere für seine Sache sprechen lässt. Die deutschsprachigen Versionen der Paratexte beider Filme beinhalten wenige direkte Übersetzungen, was gegen die Annahme einer ausgangstextorientierten Übersetzung spricht. Bei Bowling for Columbine sind die Extras auch mit deutschen Untertiteln zu rezipieren, was bei Fahrenheit 9/11 nicht der Fall ist. Dies wiederum stützt die Hypothese, dass Moores Originalversion auch im deutschsprachigen Raum eine Rolle spielt. Demnach wird die Hypothese, dass auch in den Paratexten der beiden deutschsprachigen Versionen genre- und kulturspezifische Elemente erhalten bleiben, nur zum Teil bestätigt.

106 7 Textanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11

Dieses Kapitel beschäftigt sich auf der Textebene mit den beiden Filmen Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11. Dazu bietet sich das CSI-Modell nach Franco Aixelá an, da es die kulturellen Aspekte bei der Übersetzung fokussiert und sich somit für die Untersuchung der Übersetzungsstrategien bei kulturspezifischen Elementen eignet. Dabei wird von der Hypothese ausgegangen, dass die ÜbersetzerInnen sich stark am Ausgangstext orientierten, um den Stil Moores zu erhalten sowie US-amerikanische Kulturspezifika in der deutschen Version vermitteln zu können.

7.1 Kulturelle Aspekte von Translation Franco Aixelá beschäftigt sich mit den kulturellen Aspekten von Translation, wobei eine Übersetzung immer versucht, zwei Voraussetzungen zu erfüllen. Einerseits soll die Übersetzung an die Zielkultur angepasst sein, damit die ZieltextleserInnen den Text wie ein Original lesen können, andererseits soll nach Franco Aixelá die Übersetzung sich dem Ausgangstext gegenüber loyal verhalten (vgl. Franco Aixelá 1996:52f.). Dieses Paradox lässt sich auf vier Ebenen verfolgen.

Die linguistic diversity bezieht sich auf die Tatsache, dass linguistische Systeme willkürlich gestaltet sind. Die Bedeutung von Zeichen in einem sprachlichen System sind von den anderen Codes im gleichen System abhängig und können daher nicht durch Zeichen eines anderen Systems ersetzt werden.

Interpretive diversity geht davon aus, dass die Übersetzung von den sprachlichen und kulturellen Kompetenzen der ÜbersetzerInnen abhängig ist. Daraus folgt, dass jeder Ausgangstext interpretiert wird und jede Übersetzung individuell gestaltet ist (Franco Aixelá 1995:111).

Die pragmatic and intertextual diversity unterstreicht die verschiedenen Konventionen, wie Sprache in unterschiedlichen Kulturen ausgedrückt werden soll.

Am ausführlichsten geht Franco Aixelá auf die cultural diversity ein. Jede Sprachgemeinschaft hat eigene Traditionen und Wertsysteme, die sich von Kultur zu Kultur unterscheiden bzw. teilweise überlappen. Diese Konventionen ändern sich jedoch häufig mit der Zeit, eine Tatsache die jede/r ÜbersetzerIn berücksichtigen muss. Derzeit

107 hat die kulturelle Übertragung für Übersetzungen einen hohen Stellenwert und Übersetzungen tendieren in der westlichen Welt zur „maximum acceptability“ (Franco Aixelá 1996:54), d.h. die Übersetzung soll sich wie ein Original lesen. Gleichzeitig weist Franco Aixelá darauf hin, dass Europa immer mehr von den USA beeinflusst wird und viele mit den US-amerikanischen Einstellungen und Kulturgütern vertraut sind. Demzufolge kann festgestellt werden, dass die „translatability“ (ibid.), d.h. die Zielkultur ist mit der Ausgangskultur vertraut, zwischen den USA und Westeuropa sehr hoch ist. Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass die Akzeptanz der anderen Kultur in diesem Fall einseitig ist, da nur das westliche Europa die US-amerikanische Kultur anerkennt, jedoch nicht umgekehrt. Die Übersetzung US-amerikanischer Texte erfordert demnach immer weniger Manipulation, um in Europa als akzeptabler Zieltext zu gelten. Weiters wird auf den Widerspruch hingewiesen, dass aktuelle Übersetzungen auf der linguistischen und pragmatischen Ebene dazu tendieren, wie ein Original gelesen zu werden, wohingegen auf der soziokulturellen Ebene die Übersetzung wie das Original rezipiert wird. Franco Aixelá konzentriert sich auf die Übertragung der kulturspezifischen Elemente, also der Übersetzung von „culture-specific items“ (ibid.:56), und gibt eine klare Definition:

SCIs are those textually actualized items whose function and intertextual load in a ST cause a translation problem due to either the non-existence of the referred item in the target system or to its different intertextual and cultural implications. (Franco Aixelá 1995:114)

Die verschiedenen Formen der Manipulation von culture-specific items (CSI) bei der Übertragung in die Zielkultur werden im Analysemodell von Franco Aixelá fokussiert.

7.2 Verschiedene Manipulationsstrategien von CSIs Franco Aixelá klassifiziert die verschiedenen Strategien, um CSIs in die Zielkultur zu übertragen, nach dem Grad der Manipulation. Diese unterschiedlichen Vorgehensweisen werden oft kombiniert, wobei jene Elemente als repräsentativ angesehen werden, welche regelmäßig verwendet werden. Ausnahmen werden als modifizierende Faktoren angesehen, wobei ihre Wichtigkeit von der textuellen Relevanz und dem wiederholten Auftreten in verschiedenen Zieltexten abhängig ist. Die zwei Hauptkategorien laut Franco Aixelá sind conservation und substitution, welche in mehrere Unterkategorien eingeteilt werden (vgl. Franco Aixelá 1996:60f.).

108 7.2.1 Conservation Die erste Unterkategorie der Strategie conservation nennt sich repetition. Dabei übernimmt die Übersetzerin/der Übersetzer so viel wie möglich vom Original, z.B. Toponyme wie Seattle werden beibehalten. Durch diese „respektvolle“ Behandlung der Ausgangstextes steigt paradoxerweise der exotische Charakter der Übersetzung (vgl. Franco Aixelá 1996:61).

Darauf folgt die Strategie der orthographic adaptation, wozu Transkription und Transliteration zählen. Heutzutage betrifft dies v.a. das Integrieren von etwa russischen Namen in englische Werke (vgl. ibid.).

Linguistic (non-cultural) translation bezieht sich auf die Strategie von ÜbersetzerInnen, im Zieltext eine denotativ ähnliche Bezeichnung zum Original zu wählen. Dabei ist den ZieltextleserInnen jedoch klar, dass sich das CSI auf die Ausgangskultur bezieht, da es dieses in der Zielkultur nicht gibt, z.B. die Übersetzung von Grand Jury mit gran jurado im Spanischen. Hier ist der Bezug auf die US-amerikanische Kultur eindeutig, da es in Spanien keine Jury gibt (vgl. ibid.:61f.).

Beim extratextual gloss arbeitet die Übersetzerin/der Übersetzer mit einer der vorher beschriebenen Strategien, will jedoch zusätzlich eine Erklärung zum CSI anbieten. Dabei wird dies in Form einer Fußnote, eines Glossars etc. realisiert (vgl. Franco Aixelá 1995:115).

Die Ausgangssituation beim intratextual gloss ist dieselbe, die Übersetzerin/der Übersetzer entschließt sich jedoch, die Erklärung zum CSI im Text zu integrieren, z.B. the Trent wird im Spanischen zu el río Trent (der Fluss Trent) (vgl. ibid.).

7.2.2 Substitution Synonymy nennt Franco Aixelá die erste Strategie der substitution. Dabei will die Übersetzerin/der Übersetzer nicht immer dieselbe Bezeichnung für ein CSI verwenden und greift aufgrund dessen zu Synonymen, z.B. Bacardi wird zu aguardiente de caña (Zuckerrohrschnaps) oder ron (Rum) (vgl. Franco Aixelá 1996:63).

Bei der limited universalization findet die Übersetzerin/der Übersetzer ein CSI zu unklar für die ZieltextleserInnen und ersetzt es deswegen mit einem Begriff der Ausgangskultur, der den ZieltexleserInnen bekannter ist, jedoch gleichzeitig auch ungenauer, z.B. an

109 American football wird im Spanischen zu un balón de rugby (ein Rugbyball) (vgl. ibid.).

Die Ausgangssituation bei der absolute universalization ist dieselbe wie bei der limited universalization, die Übersetzerin/der Übersetzer entscheidet sich jedoch für die Streichung des CSI und der Verwendung eines komplett neutralen Wortes, z.B. hundred grand wird im Spanischen zu mucho dinero (viel Geld) (vgl. Franco Aixelá 1995:116).

Die naturalization ist das Ersetzen eines CSI durch einen spezifischen zielkulturellen Ausdruck (ibid.), z.B. Dollar zu Euro.

Bei der deletion befindet die Übersetzerin/der Übersetzer ein CSI aus stilistischen oder ideologischen Gründen für die Zielkultur nicht akzeptabel bzw. für nicht relevant zum Verständnis der ZieltextleserInnen und lässt das CSI deshalb weg, z.B. dark Cadillac sedan wird zu Cadillac oscuro (vgl. Franco Aixelá 1996:64).

Die letzte Strategie der substitution heißt autonomous creation. Hier wird eine zusätzliche kulturelle Information eingefügt, z.B. beautiful volcanoes like the Etna werden zu volcanes hermosos como el Teide y el Etna (schöne Vulkane wie der Teide und der Ätna) (vgl. Franco Aixelá 1995:116).

Weitere mögliche Strategien sind compensation (deletion zusammen mit autonomous creation), sowie dislocation (Verschiebung des CSI innerhalb des Textes) und attenuation (CSI ist ideologisch gesehen zu stark und wird ersetzt durch einen, der Zielkultur näheren, weniger starken Ausdruck). Diese werden jedoch laut Franco Aixelá selten angewendet (vgl. Franco Aixelá 1996:64).

7.3 Explanatory Variables Franco Aixelá geht weiters auf die komplexen Gründe ein, die ÜbersetzerInnen zu den verschiedenen Strategien anregen. Dabei weist er daraufhin, dass nicht nur die ÜbersetzerInnen Einfluss auf die Entscheidung ausüben, sondern auch VerlegerInnen, LektorInnen, ProduzentInnen sowie RegisseurInnen am Prozess beteiligt sind. Dabei teilt er die explanatory variables in supratextual, textual, intratextual parameters sowie Charakteristika der CSIs ein.

7.3.1 Supratextual parameter Supratextual parameters beziehen sich auf äußere Faktoren, die die Strategie der

110 ÜbersetzerInnen beeinflussen können. Dazu nennt Franco Aixelá vier verschiedene Aspekte.

Degree of linguistic prescriptivism bezieht sich auf etwaige Institutionen, die sich für den Erhalt von sprachlichen oder stilistischen Konventionen in der Zielsprache einsetzen und deren Vorgaben, ÜbersetzerInnen in ihren Entscheidungen beeinflussen (vgl. Franco Aixelá 1996:65f.).

Nature and expectations of potential readers geht auf das vorhandene Zielpublikum in der Zielkultur ein. Dabei werden je nach Zielpublikum andere Strategien bei der Übersetzung angewendet, z.B. wird Literatur für Kinder anderes übersetzt, als Werke für Literaturstudierende (vgl. ibid.:66).

Die Tatsache, dass ÜbersetzerInnen oft von ihren AuftraggeberInnen beeinflusst werden, nennt Franco Aixelá nature and aims of initiators. Dazu zählt er nicht nur von AuftraggeberInnen vorgegebene Übersetzungsnormen, sondern auch etwaige Ziele, welche der Verlag mit einem gewissen Genre oder einer gewissen Reihe verfolgt, wobei dies wiederum Einfluss auf die Strategien der ÜbersetzerInnen hat (vgl. ibid.).

Working conditions, training and social status of the translator bezieht sich auf die Realität, dass einige Entscheidungen von ÜbersetzerInnen nicht bewusst getroffen werden, sondern ihnen durch schlechte Arbeitsbedingungen oder Ausbildung bedingt Fehler unterlaufen (vgl. ibid.:66f.).

7.3.2 Textual parameter Als material textual constraints bezeichnet Franco Aixelá den Platzmangel, der ÜbersetzerInnen gewisse Strategien anwenden lässt, z.B. bei Synchronisationen (vgl. ibid.:67).

Previous translations werden Übersetzungen des gleichen Genres, derselben AutorInnen oder des gleichen Ausgangstextes genannt, welche ÜbersetzerInnen in ihren Entscheidungsmöglichkeiten einschränken können, da die bestehenden Übersetzungen bereits von der Zielkultur angenommen wurden (vgl. ibid.).

Canonization bezieht sich auf Werke, die in der Zielkultur bereits in den literarischen Kanon aufgenommen wurden, was wiederum eine Einschränkung der Übersetzungsstrategien zufolge hat. Das Gegenteil kann bei in der Zielkultur unbekannten

111 Werken erfolgen, d.h. Teile des Ausgangstextes werden zugunsten der Konventionen in der Zielkultur gestrichen (vgl. ibid.).

7.3.3 The nature of the CSI Als nature of the CSI bezeichnet Franco Aixelá die Art und den Umfang der kulturellen Unterschiede zwischen einem Sprachenpaar. Dazu nennt er wiederum vier Punkte.

Pre-established translations nennt Franco Aixelá bestehende Übersetzungen v.a. von Institutionen und Toponymen, die in der Zielkultur bekannt sind, z.B. UNO wird im Spanischen zu ONU (vgl. Franco Aixelá 1996:68).

Transparency of the CSI kann eine Erklärung für viele inkohärente Übersetzungen bieten. Die Übersetzerin/der Übersetzer entscheidet sich zu Beginn für die Veränderung des CSIs, ändert jedoch ihre/seine Meinung, wenn eine linguistic translation stilistisch akzeptabel und für die ZieltextleserInnen einfach zu verstehen ist. Im umgekehrten Fall kann die Undurchsichtigkeit des CSIs im Ausgangstext zu seiner Streichung im Zieltext oder zur Wiederholung des Ausdrucks führen (vgl. ibid.:68f.).

Ideological status bezieht sich auf den Fall, wenn ein CSI in beiden Kulturen existiert, jedoch nicht dieselbe Konnotation hat. Dieser Faktor kann Erklärungen für Streichungen oder Verschiebungen im Zieltext bieten, welche die Übersetzerin/der Übersetzer vorgenommen hat, um etwaige Redundanzen etc. zu vermeiden (vgl. ibid.:69).

Bei references to third parties gehört das CSI einer dritten Kultur an, wobei v.a. transnationale CSIs interessant sind. Außerdem zählt Franco Aixelá zu dieser Kategorie Bemerkungen über die Zielkultur im Ausgangstext, welche oft weggelassen werden. Wenn etwa im Ausgangstext steht, dass Sevilla im Süden von Spanien liegt, würde dies nicht in einen spanischen Zieltext übernommen werden (vgl. ibid.).

7.3.4 Intratextual parameter Wie mit dem CSI in der Übersetzung umgegangen wird, ist auch von dessen Funktion im Ausgangstext abhängig. Diese Funktion muss nicht dieselbe sein wie im Zieltext, es gibt jedoch eine Tendenz dahingehend, was wiederum die Übersetzerin/den Übersetzer in ihrer/seiner Strategie beeinflusst.

Cultural consideration within the source text geht auf CSIs ein, die auch in der

112 Ausgangskultur spezifisch sind, wie dies etwa bei technischen Texten der Fall ist. Diese CSIs sind oft bereits im Ausgangstext Teil eines intratextual glosses und wirken sich daher auf die Übersetzung aus, z.B. werden diese CSIs im Zieltext nicht gestrichen (vgl. ibid.:70).

Relevance bezieht sich auf die Wichtigkeit des CSIs im Text, d.h. je wichtiger und zentrales das CSI ist, desto höher wird sein Level an conservation im Zieltext (vgl. ibid.).

Bei recurrence handelt es sich um den Faktor der Wiederholung von CSIs. Je häufiger ein CSI vorkommt, desto höher ist wiederum sein Level an conservation im Zieltext. Franco Aixelá weist bei diesem Punkt jedoch auch auf die unterschiedlichen Konventionen hin. Im Englischen ist es üblich, dass Wiederholungen im Text vorkommen, im Spanischen (und auch im Deutschen) gilt es als guter Stil, Wiederholungen zu vermeiden. Wenn eine Übersetzung demnach wie ein Original zu lesen sein soll, dann werden CSIs im Spanischen mit Synonymen ersetzt oder durch Streichungen vermieden (ibid.).

Coherence of the target text geht auf die wiederholte Verwendung einer Strategie im Zieltext ein. ÜbersetzerInnen entscheiden sich für eine Vorgehensweise und erklären etwa beim ersten Auftreten des CSI ihr Vorgehen in einem extratextual gloss etc. Auch wenn die Übersetzerin/der Übersetzer infolge eine andere Strategie verwendet, findet sich die Erklärung dazu meist beim ersten Auftreten des CSI im Text (vgl. ibid.).

Im Folgenden werden nun Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 nach dem Modell von Franco Aixelá analysiert, wobei zuerst einige Aspekte der explanatory variables betrachtet werden, da sie eine grundlegende Auskunft zum Umgang mit den CSIs geben.

7.4 Textanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 In der Textanalyse von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 wird zuerst auf die explanatory variables eingegangen, welche Auskunft darüber geben, inwieweit die ÜbersetzerInnen in ihren Entscheidungen mit den CSIs umzugehen, beeinflusst wurden. Dazu werden zuerst die supratextual sowie die textual parameters behandelt, die nature of the CSI und die intratextual parameters werden in Zusammenhang mit spezifischen Textbeispielen untersucht.

113 7.4.1 Supratextual parameter Die erste Unterkategorie der supratextual parameter nach Aixelá ist degree of linguistic prescriptivism, welche auf den Einfluss von Sprachakademien, wie etwa der Real Academia Española, auf die Entscheidungen von ÜbersetzerInnen eingeht. Im deutschsprachigen Raum gibt es keine einzelne Sprachakademie, infolgedessen kann angenommen werden, dass sich die ÜbersetzerInnen nicht von einer Institution in ihren Entscheidungen beeinflussen ließen.

Bei nature and expectations of potential readers kann davon ausgegangen werden, dass es kein spezifisches Zielpublikum gibt, da es Moores Intention ist, dass seine Filme von allen Menschen, unabhängig von Alter etc. rezipiert werden können. Da sein Bekanntheitsgrad auch im deutschsprachigen Raum sehr hoch ist, wird angenommen, dass die Übertragung ins Deutsche, in Hinblick auf diesen Grundgedanken, verwirklicht wurde.

Die nature and aims of iniators können in diesem Fall als sehr vielfältig angenommen werden. Die Untertitelungsfirmen Holland Subtitling sowie Film und Video Untertitelung GmbH und das Synchronisationsstudio Neue Tonfilm München produzieren für die unterschiedlichsten Medien wie Internet, Fernsehen und Kino Untertitel bzw. Synchronfassungen. Demgemäß kann vermutet werden, dass es das primäre Ziel dieser Unternehmen ist, so viele Aufträge wie möglich, unabhängig von Medium und Themenbereich, zu erhalten.

Working conditions, training and social status of the translator ist die letzte Unterkategorie der supratextual parameters. UntertitlerInnen sind heutzutage „für den gesamten Arbeitsprozess vom ersten Sichten des Filmmaterials bis zur Übersetzung und zeitlichen Festlegung der Untertitel […] (Nagel 2009:37) verantwortlich. Der Arbeitsaufwand ist demnach für die ÜbersetzerInnen bei einer Untertitelung dementsprechend hoch, die Bezahlung fällt im Vergleich zu anderen Übersetzungen jedoch, vor allem am DVD-Markt, geringer aus (vgl. ibid.:42ff.), was sich, da die Motivation für den Auftrag sinkt, auch auf die Qualität der Untertitel auswirken kann (vgl. Hinderer 2009:284). Dries (1995:30) zufolge sind etwa ein bis zwei Prozent der Produktionskosten für die Untertitelung bzw. zehn Prozent für die Synchronisation eines Filmes einberechnet. Die Film und Video Untertitelung Gerhard Lehmann AG, die auch Fahrenheit 9/11 untertitelte, verlangte z.B. 3100 Euro für die Untertitelung eines 90-minütigen Kinofilms, davon werden 900 Euro nur

114 für die Fixierung der Untertitel auf dem Film verrechnet. Die UntertitlerInnen haben für 900 bis 1000 Untertitel etwa fünf bis zehn Tage Zeit (vgl. Buhr 2003:144), daher kann angenommen werden, dass die ÜbersetzerInnen unter Zeitdruck stehen, was ebenfalls die Qualität der Untertitel beeinflusst, da weniger Zeit für Recherche vorhanden ist und Fehler leichter übersehen werden (vgl. Hinderer 2009:284). Daraus folgt die Annahme, dass die ÜbersetzerInnen von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 nicht unter den bestmöglichen Arbeitsbedingungen arbeiteten, was wiederum Einfluss auf die jeweiligen Übersetzungsentscheidungen der ÜbersetzerInnen hat. Wie in Kapitel 4 besprochen, wurden die Untertitel bei Bowling for Columbine von Tommy Mang produziert, jedoch finden sich keine Informationen zu seiner Ausbildung. Auch gibt es keine Angaben zu den ÜbersetzerInnen, welche bei der Synchronisation des Films mitarbeiteten. Im Gegensatz dazu finden sich bei Fahrenheit 9/11 mehr Informationen. Die Untertitel wurden vom diplomierten Übersetzer Frank Sahlberger hergestellt, der v.a. für Film und Fernsehen aus dem Englischen übersetzt. Folglich kann davon ausgegangen werden, dass Sahlberger über ausreichende Kultur- und Sprachkompetenz verfügt, um mit den CSIs umzugehen.

7.4.2 Textual parameters Vor allem die erste Kategorie material textual constraints ist für die vorliegende Arbeit von Bedeutung, da bei der Untertitelung immer wieder Kürzungen vorgenommen werden müssen. Der Grund für diese Streichungen ist die Übertragung von gesprochener in geschriebene Sprache, wobei vor allem das Sprachenpaar Einfluss auf die Übersetzung hat (vgl. Hinderer 2009:293ff.). Diesbezüglich kann festgestellt werden, dass die englische Sprache oft kürzere Sätze aufweist, als das im Deutschen der Fall ist.

Die previous translation von Bowling for Columbine dürfte keinen Einfluss auf die deutsche Version von Fahrenheit 9/11 gehabt haben, da die Untertitel bzw. Synchronisationen der Filme von unterschiedlichen Firmen bzw. ÜbersetzerInnen produziert wurden. Dabei ist anzumerken, dass die deutsche Version von Fahrenheit 9/11 professioneller übersetzt wirkt, da sich Informationen zum Übersetzer, Untertitelungsfirma etc. finden. Insofern kann angenommen werden, dass die previous translation von Bowling for Columbine keinen Einfluss auf die deutsche Version von Fahrenheit 9/11 hatte.

Die Annahme der canonization der Untertitel bzw. der Synchronisation kann, da auch frühere Übersetzungen keine Einflussnahme auf nachfolgende Filme von Michael Moore

115 hatten, ausgeschlossen werden.

7.4.3 Textstellenanalyse Wie bereits in den vorangegangenen Kapiteln ausführlich besprochen, ist Moores Stil einzigartig und er ist wichtiger Teil seiner Filme, ob er persönlich oder in Form des Voice- over-Kommentars in das Geschehen eingreift. Sowohl die Genreanalyse als auch die Paratextanalyse untermauern die Hypothese, dass Moores einzigartiger Stil die Produktion der deutschsprachigen Version stark beeinflusste. In der folgenden CSI-Analyse wird nun untersucht, ob sich dieser Einfluss auch auf die Textebene, im Spezifischen auf die CSIs, des Films auswirkt. Dabei wird angenommen, dass die ÜbersetzerInnen sich eher für die Erhaltung der CSIs im Deutschen entschieden, um den Stil und die US-amerikanische Kultur zu vermitteln. Es werden Textbeispiele aus Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 gewählt, welche exemplarisch für das Michael Moore Genre anzusehen sind. Dabei werden sowohl Beispiele aus dem Voice-over-Kommentar Michael Moores gewählt, welches im Deutschen synchronisiert wurde, als auch untertitelte Stellen. Die Transkription der deutschsprachigen Beispiele wurde von der Verfasserin dieser Arbeit produziert. Zu Beginn jeder Textstelle wird zuerst der Kontext erläutert und die Relevanz des Beispiels für die Analyse erklärt. Die Bereiche wurden nach den zentralen Themen in Moores Filmen ausgewählt, welche sich alle auf die US-amerikanische Gesellschaft beziehen. Hierfür wurden drei Kategorien gewählt, die sowohl in Bowling for Columbine als auch in Fahrenheit 9/11 von Bedeutung sind, nämlich die US-amerikanische Identität und Patriotismus, Diskriminierung von afroamerikanischen BürgerInnen und die Angst vor erneuten Terroranschlägen.

7.4.3.1 US-amerikanische Identität und Patriotismus Beispiel 1

Bei Beispiel 1 handelt es sich um ein gesprochenes Voice-over-Kommentar Michael Moores im Film Bowling for Columbine (ab Minute 46:49). Er beschäftigt sich dabei auf der Mikroebene mit den möglichen Gründen für das Massaker an der Columbine High School; auf der Makroebene will Moore begründen, warum besonders in den USA Gewalt verherrlicht und Waffen als alltäglich angesehen werden.

116 Original Synchronisation

So did Dylan and Eric show up that Waren Dylan und Eric an jenem Morgen morning and bowl two games before bowlen und hatten noch zwei Runden moving on to shoot up the school? And did gespielt bevor sie in der Schule they just chuck the balls down the lane? Did rumschossen? Und hatten sie die Kugeln this mean something? Why wasn’t anyone einfach nur die Bahn runtergeschmissen? blaming bowling for warping the minds of Bedeutete das was? Warum gab keiner dem Eric and Dylan to commit their evil deeds? Bowling die Schuld, dass Eric und Dillan Wasn’t that just as plausible as blaming geistig so abdrifteten und diese Marilyn Manson? After all, it was Wahnsinnstat begingen? Wäre das nicht apparently the last thing they did before the genauso plausibel wie Marilyn Manson zu massacre. beschuldigen? Schließlich war es das letzte was sie vor dem Massaker gemacht hatten.

Moment mal...auch in anderen Ländern wird But wait a minute. There’s lots of bowling viel gebowlt. Und hört man Marilyn going on in other countries. And don’t they Manson nicht auch in Deutschland, der listen to Marilyn Manson in Germany, the Heimat düsterer Goth Music. Sehen Sie in home of sinister Goth music? Don’t they Frankreich nicht dieselben Gewaltfilme? watch the same violent movies in France? Die meisten brutalen Videospiele kommen Most of the violent video games are from aus Japan. Japan. Viele Amerikaner glauben es sei das Auseinanderbrechen der Familie, das die Jugendlichen schwierig und gewalttätig Many people in America believe that it’s the werden lässt. Laut Statistik gibt es jedoch in break-up of the family unit that’s caused so Großbritannien mehr kaputte Familien und many wayward youth to turn to violence. Scheidungen als in den USA. But statistics show that there are more broken homes and divorce in Great Britain Die Liberalen behaupten die viele Armut in than in the US. Amerika sei der Grund für diese Gewalt. Aber in Kanada ist die Arbeitslosenquote doppelt so hoch. Die meisten Leute sagen natürlich, es läge an der gewalttätigen Liberals contend that it’s all the poverty we Geschichte, der gewalttätigen Vergangenheit have in America that causes all this Amerikas. Cowboys und Indianer, der Wilde violence. But the unemployment rate in Westen, eine Geschichte voll Eroberung und Canada is twice what it is here. Of course, Blutvergießen. Also wenn das genügt eine most people say it’s because we Americans gewalttätige Gesellschaft wie die unsere in have a violent history, a violent past. Amerika zu erklären, was für eine Erklärung Cowboys and Indians, the Wild West, a gibt es dann hierfür: history of conquering and bloodshed. Well, if that’s all it takes to end up with such a violent society like we have in America, how do you explain this?

117 Bei dieser Stelle fallen die vielen Fragen Moores auf, von denen manche auch nur rhetorisch sind und das Publikum zum Nachdenken anregen sollen. Der Stil der Stelle ist sowohl im englischen Original als auch in der deutschsprachigen Version kolloquial, es werden Abkürzungen verwendet, Wiederholungen treten auf und im Englischen sogenannte phrasal verbs. Diese einfache Darstellung ist, wie bereits bei der Genreanalyse eingehend besprochen, typisch für den Stil Moores und wird auch im Deutschen übernommen.

Als Erstes ist auf die orthographic adaptation der Wörter „bowl“ bzw. „bowling“ hinzuweisen. Diese werden im Deutschen zu „bowlen“, „Bowling“ und „gebowlt“, um klarzumachen, dass es sich hierbei um einen US-amerikanischen Sport handelt. Außerdem kann vermutet werden, dass sich die Übersetzerin/der Übersetzer für „Bowling“ entschied, da das Wort bereits im Titel des Dokumentarfilms verwendet wird. Das CSI wird in dieser Textstelle wiederholt verwendet, was auf die recurrence und damit auf die Wichtigkeit des Wortes hinweist. Im Deutschen wird ebenfalls das Wort „Bowlen“ in seinen verschiedenen Formen eingesetzt und nicht, wie es der Konvention entspricht, mit Synonymen ersetzt. Aixelá zufolge steigt jedoch der Grad an conservation mit der Häufigkeit eines CSIs, was in diesem Fall die Wiederholung im Deutschen erklärt.

Da einige dem Schockrocker Marilyn Manson Mitschuld am Massaker an der Columbine High geben, kommt im 2. Absatz die Musikrichtung „Goth music“ vor. Der Begriff wird in der deutschen Synchronisation übernommen, die Synchronstimme von Michael Moore spricht sie englisch aus und sagt ebenfalls „Goth music“. Demnach ist diese Strategie als repetition einzuordnen, die den US-amerikanischen Charakter der Synchronisation steigert.

Bei dieser Stelle im Film treten verschiedene Formen des Wortes „America“ im Englischen auf. Die Relevanz des CSIs ist durch recurrence hoch, somit ist die Strategie der Übersetzerin/des Übersetzers laut Aixelá in diesem Fall passend. Oft wird „America“ im Deutschen nämlich mit „Amerika“ (Duden 2013a) übersetzt, wobei es sich demzufolge um eine orthographic adaptation handelt. Jedoch entschied sich die Übersetzerin/der Übersetzer „we Americans“ im letzten Absatz abzuschwächen und übersetzte lediglich „es läge […] an der gewalttätigen Vergangenheit Amerikas“. Damit wird das Publikum nicht direkt angesprochen wie im US-Amerikanischen und es ist eine deletion zu erkennen. Diese Strategie wirkt im Gegensatz zu den vorherig genannten extrem, kann jedoch auf die

118 Tatsache zurückgeführt werden, dass die Übersetzerin/der Übersetzer im Hinblick auf das deutschsprachige Publikum die Lösung „wir Amerikaner“ für inakzeptabel befand. Ein weiterer Grund für diese Strategie könnte der Zeitdruck sein, unter dem die Übersetzerin/der Übersetzer eventuell stand, da dies laut Aixelá auf inkohärente Übersetzungslösungen hinweist.

Beispiel 2

Beispiel 2 dreht sich um ein Interview von Michael Moore (MM) mit Lila Lipscomb (LL) in Fahrenheit 9/11 (ab Minute 1:33:14). Sie ist eine durchschnittliche US-Amerikanerin, die sehr patriotisch eingestellt ist, was im Interview augenscheinlich wird.

Original Untertitel

MM: ”Do you consider yourself a proud MM: „Sind Sie stolz auf Amerika?“ American?” LL: „Absolut. Ich bin sehr stolz. Ich bin überdurchschnittlich patriotisch. Wenn ich LL: “Absolutely. I’m an extremely proud meine Fahne raushänge, lass ich nicht zu, American. I’m probably more proud than dass sie den Boden berührt, weil ich weiß, the average joe. When I put my flag out, I wie viel Blut vergossen wurde, damit ich can’t allow it to touch the ground. Because I eine Fahne haben kann.“ know the lives that were lost and the blood that was shed so that I could be here and have a flag.” MM: „Wie oft hängen Sie sie raus?“

LL: „Jeden Tag. Ich fing damit an, als meine Tochter im ersten Irak-Krieg war. Da hatte MM: “How often do you put the flag out?” ich schon dieselbe Fahne und dieselben gelben Bänder und habe gebetet, dass sie und alles anderen gesund nach Hause kommen.“ LL: “Every single day. Every day. I started when my daughter was in Desert Storm. I MM: „Und sie kam zurück“ had the same flag flying on my front porch and the same yellow ribbons. Praying and LL.: „Ja.“ hoping every day that my child would come home safe. And everybody’s child would come home safe.

MM: „And she did.“

119 LL: „And she did.“ Zu Beginn tritt abermals, wie auch bei Beispiel 1, eine Abschwächung auf. Sahlberger, Übersetzer der Untertitel von Fahrenheit 9/11, entscheidet sich für die indirekte Version „auf Amerika“, um die direkte Ansprache des deutschsprachigen Publikums zu vermeiden.

Lipscomb antwortet in Absatz zwei im Englischen mit „I’m probably more proud than the average joe”. „The average joe“ (vgl. Oxford Dictionaries 2014a) oder auch „Joe Blow“ (Oxford Dictionaries 2014b) ist eine typisch US-amerikanische Bezeichnung für einen Durchschnittsmenschen. Im Deutschen wird „more [...] than the average joe“ zu „überdurchschnittlich“, wobei es sich um eine absolute universalization handelt, da das CSI weggelassen und mit einem neutralen Wort ersetzt wird.

Im vierten Absatz spricht Lipscomb über „Desert Storm“. Dieses CSI bezeichnet die „Operation Desert Storm“, im Deutschen als „Operation Wüstensturm“ im Zusammenhang mit dem zweiten Golfkrieg bzw. ersten Irakkrieg bekannt (vgl. Gerstenberg 2014). Sahlberger entscheidet sich für „im ersten Irakkrieg“, was als limited universalization eingestuft werden kann, da Sahlberger einen allgemeineren Begriff für das CSI verwendet, welches ihm als „Operation Wüstensturm“ eventuell zu unbekannt im deutschsprachigen Raum erschien.

Auch „the same yellow ribbons“ bezieht sich auf den ersten Irakkrieg, da US- AmerikanerInnen mit diesem gelben Band ihre Unterstützung für die sichere Heimkehr der US-amerikanischen Truppen ausdrückten (vgl. The Armed Forces Military Museum 2012). Die Untertitel werden mithilfe der linguistic (non-cultural) translation übersetzt, wobei es fraglich erscheint, ob sich das Zielpublikum über die genaue Bedeutung des Begriffs „gelbes Band“ im Zusammenhang mit dem US-amerikanischen Militär bewusst ist.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei Beispiel 1 vor allem die recurrence von CSIs auffällig ist, welche zumeist mit orthographic adaptation gelöst werden. Bei Beispiel 2 hingegen werden sehr verschiedene Strategien verwendet. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich bei Beispiel 1 CSIs wie „America“ oder „Goth music“ eher für eine orthographic adaptation anbieten, als etwa „the same yellow ribbon“ oder „the average joe“ in Beispiel 2.

120 7.4.3.2 Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung Beispiel 3

Dieses erste Beispiel ist ein Ausschnitt aus dem viel diskutierten Cartoonteil des Films Bowling for Columbine (ab Minute 51:35). In dieser ironischen Geschichte der USA erzählt eine sprechende Gewehrkugel einerseits die Unterdrückung der afroamerikanischen Bevölkerung, andererseits behandelt sie den US-amerikanischen Waffenfanatismus.

Original Untertitel

So they went to Africa, kidnapped Sie fuhren nach Afrika, entführten Tausende thousands of black people, brought them Schwarze nach Amerika und zwangen sie zu back to America, and forced them to work harter Arbeit ohne Geld. Und ich meine very hard for no money. And I don’t mean nicht: „Ich arbeit bei Wal-Mart und verdien no money like: "I work at Wal-Mart and kein Geld.“ Ich meine: null Dollar, nichts! make no money." I mean zero dollars. Dadurch wurden die USA das reichste Land Nothing, nada, zip. Doing it that way made der Welt! the USA the richest country in the world.

So did having all that money and free help Beruhigten Reichtum und Sklaven die calm the white people down? No way. They Weißen? Nein! Sie wurden noch ängstlicher. got even more afraid. That’s because after Denn nach 200 Jahren Sklaverei gab es im 200 years of slavery, the black people now Süden mehr Schwarze als Weiße. Ihr könnt outnumbered the white people in many euch denken, was dann kam. Die Sklaven parts of the South. Well, you can pretty rebellierten und ein Master wurde geköpft. much guess what came next. The slaves Als die Weißen davon hörten, riefen sie: started rebelling. There were uprisings and „Töte mich nicht, großer schwarzer Mann!“ old masters’ heads got chopped off and when white people heard of this, they were freaking out and going: “I want to live! Don’t kill me, big black man.” Well, just in the nick of time came Samuel Colt, who, in 1836, invented the first Gerade noch rechtzeitig kam Samuel Colt, weapon ever that could be fired over and der 1836 die erste Waffe erfand, die man over without having to reload. And all the nicht nachladen musste. Alle Weißen im settlers were like: “Yee-hah!” Süden riefen: „Yee-ha!“

But it was too late. The North soon won the Civil War and the slaves were free to go Doch es war zu spät. Der Norden gewann chop the old masters’ heads off. Then den Bürgerkrieg und die Sklaven waren frei. everybody was like: “Oh, no, we’re gonna Frei, alle Master zu köpfen. Die riefen: „Oh die.” But the freed slaves took no revenge. nein, wir werden sterben.“ Aber die They just wanted to live in peace. Befreiten rächten sich nicht. Sie wollten nur in Frieden leben.

But you couldn’t convince the white people Das fanden die Weißen nicht überzeugend

121 of this. So they formed the Ku Klux Klan und gründeten den Ku-Klux-Klan. 1871, im and, in the same year the Klan became an Jahr als der KKK zur illegalen Terrorgruppe illegal terrorist organization, another group erklärt wurde, wurde eine andere Gruppe was founded: the National Rifle gegründet: die National Rifle Association. Association.

Soon, politicians passed one of the first gun Politiker verabschiedeten ein Waffengesetz, laws, making it illegal for any black person das den Waffenbesitz für Schwarze illegal to own one. It was a great year for America: machte. Es war ein großes Jahr für Amerika, the KKK and the NRA. Of course, they had den KKK und die NRA. Beide hatten nothing to do with each other, it was a natürlich nichts miteinander zu tun. Reiner coincidence. One group legally promoted Zufall. Die eine Gruppe warb für den gun ownership; the other shot and lynched Waffenbesitz und die andere erschoss und black people. lynchte Schwarze. That’s the way it was till 1955, when a Das ging so bis 1955, als eine schwarze black woman broke the law by refusing to Frau sich weigerte, hinten im Bus zu sitzen. move to the back of the bus. White people Die Weißen konnten’s nicht fassen! just couldn’t believe it. „Was hat sie denn?“ “Huh? Why won’t she move?” „Was soll das?“ “What’s going on?”

Plötzlich war die Hölle los. Überall verlangten Schwarze ihre Rechte und die Man, all hell broke loose. Black people Weißen hatten einen Angst-Super-GAU und everywhere demanded their rights. White riefen: Nichts wie weg!Und sie liefen in die people had a major, freaky-feel meltdown Vorstädte, wo alles weiß, sicher und sauber and they were all like: “Run away! Run war. Sie kauften 250 Millionen Waffen, away!” And they did. They all ran fleeing to Sicherheitsschlösser, Alarmanlagen, und the suburbs, where it was all white and safe bauten Zäune um die Nachbarschaft. and clean. And they went out and bought a Endlich fühlten sie sich so wohl wie die quarter-of-a-billion guns. And put locks on Made im Speck. Und sie lebten glücklich their doors, alarms in their houses, and bis ans Ende ihrer Tage. gates around the neighborhoods. And finally, they were all safe and secure and snug as a bug. And everyone lived happily ever after.

Im ersten Absatz kann zuerst „dollars“ als CSI erkannt werden. Dabei wird dies im Deutschen mit „Dollars“ übertragen und nicht durch ein zielkulturelles CSI wie „Euro“ ersetzt. Dies kann als orthographic adaptation eingestuft werden. Eine Hinzufügung mittels intratextual gloss wie „US-Dollar“ schien in diesem Kontext nicht notwendig, da dem deutschsprachigen Publikum bewusst ist, dass es sich in diesem Fall um den US-

122 Dollar handelt.

„Nada“ (vgl. Oxford Dictionaries 2014c) und „zip“ (vgl Oxford Dictionaries 2014d) sind beides informell gebrauchte Begriffe des US-Amerikanischen. Diese werden nicht ins Deutsche übertragen, folglich kann dies als deletion einkategorisiert werden, welche aufgrund des Platzmangels bei den Untertiteln aufgetreten sein mag.

Im zweiten Absatz fällt das Wort „the South“ ins Auge, das im US-Amerikanischen groß geschrieben ist und sich auf die elf südlichen Staaten, welche die Konföderierten zur Zeit des Bürgerkrieges bildeten, bezieht (vgl. Oxford Dictionaries 2014e). In der deutschsprachigen Version wird dies mit „im Süden“ übersetzt, was als absolute universalization angesehen werden kann, da das CSI mit einem neutralen Begriff ins Deutsche übersetzt wird.

„Old masters’ heads” bezieht sich auf die frühere Gesellschaftsstruktur in den USA, in welcher der „master“ ein Sklavenhalter war (vgl. vgl. Oxford Dictionaries 2014f). Im Deutschen wird dies unter Anwendung von orthographic adaptation übertragen, als „Master“. Da deutschsprachige Varianten von Sklavenhaltern an dieser Stelle nicht angewendet werden, tritt der US-amerikanische Charakter gesteigert hervor.

Im dritten Absatz kann die Exklamation „Yee-hah!“ als CSI genannt werden, welches durch orthographic adaptation zu „Yee-ha!“ ins Deutsche übertragen wird. Dieser Ausruf wird im US-Amerikanischen mit dem Süden der USA verbunden, vor allem mit Cowboys und den ländlichen BewohnerInnen (vgl. Oxford Dictionaries 2014g). Im deutschsprachigen Raum lassen sich die gleichen Assoziationen wie in den USA finden, daher war eine zusätzliche Erklärung des CSIs nicht notwendig.

Zwei Organisationen, die in den USA sehr bekannt sind, treten in Absatz vier auf: der „Ku Klux Klan“ und die „National Rifle Association“. Vor allem der in den Südstaaten gegründete, extremistische, rechtsgerichtete Verein „Ku-Klux-Klan“, oder auch die Abkürzung „KKK“, die später in den Untertiteln verwendet wird, ist dem deutschsprachigen Publikum ein Begriff. Die orthographic adaptation zu „Ku-Klux-Klan“ kann im Deutschen als pre-established translation eingeordnet werden, da der Begriff beispielsweise im Duden in dieser Schreibweise existiert (vgl. Duden 2013b). Die National Rifle Association ist hingegen in der Zielkultur weniger bekannt, wird jedoch bereits vorher im Film erwähnt und dem deutschsprachigen Publikum wird vorab bereits vermittelt,

123 wofür sich die NRA einsetzt. Außerdem wird später in diesem Beispiel erwähnt, dass die NRA ein Verein ist, der sich für den legalen Besitz von Schusswaffen einsetzt. Deshalb wird das CSI durch repetition in den deutschsprachigen Untertiteln übersetzt.

Auch „the North“ und „Civil War“ können als CSIs gesehen werden. „The North“ bezeichnet die Nordstaaten während des US-amerikanischen Bürgerkrieges, welche sich für das Fortbestehen der Union einsetzten (vgl. Oxford Dictionaries 2014h). „The North“ wird in den deutschsprachigen Untertiteln mit „der Norden“ übersetzt, „Civil War“ mit „Bürgerkrieg“ übersetzt. Beides kann als absolute universalization angesehen werden, da die CSIs im Deutschen mit neutralen Begriffen ersetzt werden. Es ist jedoch anzumerken, dass durch den Kontext offensichtlich ist, dass es sich hierbei um den US-amerikanischen Bürgerkrieg und um die Nordstaaten handelt.

Im vorletzten Absatz wird „a black woman“ erwähnt. Dies bezieht sich auf Rosa Parks, die sich 1955 in einem Bus gegen die Diskriminierung von AfroamerikanerInnen einsetzte, indem sie sich weigerte, ihren Sitzplatz für einen Weißen freizumachen. Dieser gewaltfreie Akt des Widerstands führte zu zahllosen anderen Aktionen und schließlich zur Aufhebung der Trennung von AfroamerikanerInnen und Weißen in Bussen und anderen Bereichen. Rosa Parks gilt damit, neben Martin Luther King, als Symbol der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, dem Civil Rights Movement, welche sich gegen die Segregation auflehnte und sich für die Gleichberechtigung von AfroamerikanerInnen und Weißen einsetzte (vgl. Fahlenbock 2010). Im deutschsprachigen Raum ist der Name Rosa Parks ebenfalls ein Begriff, jedoch ist fraglich, ob das Zielpublikum den Verweis ohne die Erwähnung ihres Namens, lediglich durch „eine schwarze Frau“ verstehen. Demzufolge hätte sich ein intratextual gloss angeboten.

Das CSI „suburbs“ im letzten Absatz wird im Deutschen mit „Vorstädte“ gelöst, was als naturalization angesehen werden kann. Zumeist wurde in diesem Textbeispiel der US- amerikanische Begriff dem deutschen vorgezogen, nicht jedoch in diesem Fall. Durch die Hegemonie der USA über Westeuropa ist das CSI „die Suburb“ auch im Deutschen verbreitet (vgl. Duden 2013c) und die Entscheidung gegen Suburb lässt darauf schließen, dass die UntertitlerInnen in diesem Fall, aufgrund von Zeitmangel etc. nicht kohärent gearbeitet haben.

Die Phrase „snug as a bug“, welche oft noch mit dem Zusatz „in a rug“ verwendet wird,

124 lässt sich wie folgt definieren: „an extremely comfortable position or situation“ (vgl. Oxford Dictionaries 2014i). Im Deutschen bedeutet es „im Überfluss leben“ (vgl. Duden 2013d). Deshalb kann in diesem Fall eine naturalization erkannt werden, da die US- amerikanische Redewendung durch eine spezifisch zielkulturelle Wendung ersetzt wurde.

Beispiel 4

Der folgende Textausschnitt des Filmes Fahrenheit 9/11 (ab Minute 3:36) zeigt die Sitzung des US-amerikanischen Repräsentantenhauses und des Senates, welche George W. Bush offiziell zum Präsidenten erklären soll. Dabei gibt es jedoch einige Einsprüche vonseiten des Repräsentantenhauses, vor allem von afroamerikanischen Abgeordneten, welche sich gegen den Ausschluss von AfroamerikanerInnen bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 auflehnen. Der erste Absatz wird von Michael Moore im Original als Einleitung zur Sequenz gesprochen und liegt im Deutschen als Synchronisation vor. Der Dialog zwischen Al Gore (AG) und den Abgeordneten (R1-3) wird in der deutschen Version untertitelt.

Original Synchronisation bzw. Untertitel

On the day the joint session of both the In einer gemeinsamen Sitzung von Senat House of Representatives and the Senate und Repräsentantenhaus sollte das was to certify the election results AI Gore, Wahlergebnis bestätigt werden. Al Gore in in his dual role as outgoing vice president seiner Doppelrolle als scheidender and president of the Senate, presided over Vizepräsident und Senatspräsident führte the event that would officially anoint den Vorsitz, als diese Versammlung George George W. Bush as the new president. If any W. Bush offiziell zum neuen Präsidenten congressman wanted to raise an objection, krönte. Wenn ein Abgeordneter oder eine the rules insisted that he or she had to have Abgeordnete Einspruch erheben will, muss the signed support of just one senator. dieser Einspruch den Vorschriften entsprechend von mindestens einem Senator schriftlich unterstützt werden.

R1: “Mr. President, and I take great pride in R1: „Mr. President, und ich bin stolz darauf, calling you that, I must object because of Sie so zu nennen, ich muss Einspruch the overwhelming evidence of misconduct, erheben wegen des bewiesenen deliberate fraud and an attempt to suppress Fehlverhaltens der Behörden und voters...“ vorsätzlichen Betrugs und Unterschlagung...“

AG: „Ich weise darauf hin, dass nach AG: “The chair must remind members that Paragraf 18, Absatz 3 des Gesetzes keine under Section 18 of Title 3 United States Aussprache zugelassen ist.“ Code, no debate is allowed in the joint session.“ R1: „Um Ihre Frage zu beantworten: Der

125 Einspruch liegt schriftlich vor, wurde von einigen Abgeordneten des R1: “Thank you, Mr. President. To answer Repräsentantenhauses unterzeichnet, aber your question, the objection is in writing, von keinem Senator.“ signed by a number of members of the House of Representatives, but not by a R2: „Er liegt schriftlich vor und wurde von member of the Senate.” mehreren Kollegen unterzeichnet, im Namen der 27.000 Wähler von Duval County, darunter 16.000 Afro-Amerikaner, die bei dieser Wahl entrechtet wurden.“ R2: “Mr. President, it is in writing and signed by several House colleagues on AG: „Wurde der Einspruch von einem behalf, and myself, of the 27,000 voters of Senator unterzeichnet?“ Duval County in which 16,000 of them are African-Americans that was disenfranchised R2: „ Nein, von keinem Senator. Der Senat fehlt.“ in this last election. R3: „Er liegt schriftlich vor, von mir im Namen vieler Wähler unterzeichnet, besonders aus dem 9. Bezirk, und im AG: “Is the objection signed by a member Namen aller, die erkennen, dass das Gericht of the Senate?” und nicht das Volk diese Wahl entschieden hat.“

R2: “Not signed by a member of the Senate. The Senate is missing.”

R3: “It is in writing and signed by myself on behalf of many of the diverse constituents especially those in the 9 th Congressional District and all American voters who recognize that the Supreme Court not the people of the United States, decided this election.”

Als erste CSIs können „House of Representatives“ und „Senate“ erkannt werden. Die

126 beiden Kammern des US-amerikanischen Kongresses, und damit verantwortlich für die Legislative des Staates, haben unterschiedlichen Stellenwert. Beide Kammern sind maßgeblich an der Gesetzgebung beteiligt, der Senat besitzt jedoch über mehr Befugnisse als das Repräsentantenhaus (vgl. Trethan 2014). Im Englischen wird das „House of Representatives“ zuerst genannt, Moore ist eindeutig auf der Seite der Abgeordneten, welche sich gegen den Wahlbetrug stellen. Im Deutschen wird jedoch der Senat an erster Stelle genannt, was zu einer dislocation in der Übersetzung führt. Gründe für diese Verschiebung könnten entweder die Vorrangstellung des Senates im US-amerikanischen Parlament sein oder aber die mangelnde Recherche der Übersetzerin/des Übersetzers aufgrund von Zeitdruck etc.

Michael Moore verwendet lediglich den Begriff „congressman“, obwohl „congresswoman“ ebenfalls gängig ist (vgl. U.S. House of Representatives 2014). Im Deutschen wird dies mit „Abgeordneter und Abgeordnete“ übersetzt, was als autonomous creation eingestuft werden kann. Es kann demnach vermutet werden, dass die MitarbeiterInnen des Synchronisationsstudios Wert auf gendergerechte Sprache legen, obwohl diese Vorgehensweise inkohärent ist, da im selben Satz „senator“ nur mit „Senator“ und nicht mit „einer Senatorin oder einem Senator“ übersetzt wurde.

Der erste Abgeordnete nennt Al Gore, den Vorsitzenden der Sitzung „Mr. President“, nicht nur weil er die Sitzung leitet, sondern weil er Al Gore als den rechtmäßigen Präsidenten ansieht. Im Deutschen wird dieses CSI beibehalten, demnach stellt es eine repetition dar, welche den US-amerikanischen Charakter des Dialoges verstärkt. Im Weiteren wird Al Gore noch zweimal mit „Mr. President“ angesprochen, in den deutschen Untertiteln scheint dies jedoch nicht auf. Daraus lässt sich folgern, dass die Übersetzerin/der Übersetzer sich für die deletion entschied. In diesem Fall können zwei mögliche Faktoren für die Streichung des CSIs angeführt werden. Erstens könnte der Platzmangel bei der Erstellung von Untertiteln ausschlaggebend gewesen sein oder die Tatsache, dass im deutschsprachigen Raum „Mr. President“ ausschließlich mit dem Präsidenten der USA verbunden wird, was in diesem Fall das Publikum in der Zielkultur irritiert hätte.

Ein weiteres Beispiel für deletion wird bei der zweiten Abgeordneten deutlich. Sie spricht im Englischen von „several House colleagues“, wobei die Übersetzerin/der Übersetzer im Deutschen sich für die Variante „mehreren Kollegen“ entschied, da es eindeutig ist, dass es

127 sich in diesem Kontext um andere Mitglieder des Repräsentantenhauses handelt und die Untertitel kurz gehalten werden müssen. Außerdem wird „Duval County“ im selben Absatz beibehalten, also ist es als repetition einzustufen, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass wenige deutschsprachige ZuschauerInnen wissen, was ein „County“ ist bzw. wo „Duval County“ sich genau befindet. Durch den fehlenden Platz in den Untertiteln war es jedoch mit Sicherheit nicht möglich ein intratextual gloss hinzuzufügen.

Im letzten Absatz des Beispiels fallen zwei CSIs auf. Als Erstes der „9th Congressional District“, welches lediglich mit „9. Bezirk“ übersetzt wird. In den USA ist ein „Congressional District“ ein Wahlbezirk, der eine „congresswoman“/einen „congressman“ wählt, wobei jeder Bundesstaat je nach EinwohnerInnenzahl eine unterschiedliche Anzahl an „Wahlbezirken“ hat (vgl. GovTrack 2014). Die Strategie kann als absolute universalization definiert werden, da das spezifische CSI durch einen neutralen Begriff ersetzt wird. Auch das „Supreme Court“ der USA wird im Deutschen durch absolute universalization mit „Gericht“ übersetzt. Dadurch verliert das CSI wiederum die eigentliche Bedeutung, nämlich das oberste Bundesgericht der USA (vgl. Oxford Dictionaries 2014j).

Abschließend kann gesagt werden, dass bei Beispiel 1 die orthographic adaptation für einige US-amerikanische CSIs verwendet wird, was den ausgangskulturellen Charakter des Textes verstärkt und die Hypothese, dass die ÜbersetzerInnen sich eher für die Erhaltung der CSIs entschieden untermauert. Andererseits wird auch zwei Mal naturalization angewendet, was den zielkulturellen Charakter verstärkt. Daher kann angenommen werden, dass die ÜbersetzerInnen in diesem Fall nicht kohärent gearbeitet haben. Bei Beispiel 2 fällt die Strategie deletion auf, welche wahrscheinlich aufgrund von Platzmangel eingesetzt wurde. Außerdem werden einige CSIs mit absolute universalization übertragen, was wiederum den Verlust des US-amerikanischen Charakters zufolge hat. Die autonomous creation von „Abgeordnete“ sticht hervor, die Strategie wird jedoch nicht kohärent verfolgt. Daher kann auch bei Beispiel 2 angenommen werden, dass die ÜbersetzerInnen mit Zeitdruck und Platzmangel zu kämpfen hatten.

7.4.3.3 Terrorangst Beispiel 5

128 Beispiel 1 aus dem Film Bowling for Columbine (ab Minute 1:36:10) zeigt die Terrorangst in den USA nach dem 11. September mithilfe von Nachrichtenausschnitten (N1-3), die Moore kompiliert und mit seinem Voice-over-Kommentar (MMVO) sowie mit den kritischen Meinungen von Barry Glassner (BG) und Senator Fritz Hollings (FH).

Original Untertitel bzw. Synchronisation

N1: “Wal-Mart says after September 11th, N1: „Bei Wal-Mart stieg der Verkauf von gun sales surged 70%, ammunition up Waffen seit dem 11. September um 70%, 140%. In Dallas, they’re already taking Munition um 140%. In Dallas wird Bin potshots at Osama bin Laden.” Laden als Zielscheibe benutzt.“ MMVO: In den Monaten nach dem 11. September hatte die Angst uns Amerikaner MMVO: In the months following the 9/11 fest im Griff. Niemand wusste, ob auch wir attacks, we Americans were gripped in a durch die Hand der Übeltäter sterben state of fear. None of us knew, if we too würden, oder ob wir vielleicht neben einem would die at the hands of the evildoers, or Irren sitzen, der auf einmal seine Schuhe who might be sitting next to some crazy guy anzündet. Die Bedrohung schien sehr real. trying to light his shoes on fire. The threat seemed very real. I1: „Es ist wahrscheinlich paranoid, aber ich will kein Risiko eingehen. Ich will meine Familie beschützen.“

N2: “Sounds a little paranoid but I’m not MMVO: Unsere wachsende Furcht war für gonna take the chance. Just trying to protect viele ein gutes Geschäft. myself and my family.” N2: „Mike Blake hat im letzten Monat 30% mehr Alarmanlagen verkauft. Er meint, die Leute seien noch immer verunsichert vom MMVO: Our growing fears were turned 9-11-Terroranschlag.“ into a handsome profit for many. BG: „Warum haben wir so viel Angst? Weil viele daran gut verdienen und damit N3: “Mike Blake has seen a 30% increase in Karriere machen. Es gibt ein gesteigertes sales at ADT over the last month. Most of Interesse und große Bemühungen, uns in the people he talks to are still a little uneasy Angst zu halten. over the September 11 th terrorist attacks.” MMVO: Am besten bekämpft man Teppichmesser zückende Terroristen damit, dass man eine Rekordzahl an Lockheed- BG: “How are we afraid of all these things, Kampfjets ordert. Ja, alles fühlten sich it’s because a lot of people are making a lot sicherer. Vor allem als die Armee an der of money off of it and a lot of careers off of Park Avenue dem Müll einsammelte. Aber it. And so, there’s vested interests, a lot of der größten Vorteil einer terrorisierten activity to keep us afraid. Öffentlichkeit besteht darin, dass die Führer

129 aus Politik und Wirtschaft bei allem ungeschoren davonkommen. MMVO: And what better way to fight box- cutter-wielding terrorists than to order a FH: „Ich kenne kein besseres Beispiel für record number of fighter jets from eine Cash-and-carry-Regierung als die Lockheed. Yes, everyone felt safer, Bush-Administration und Enron.“ especially with the army doing garbage detail on Park Avenue. And the greatest MMVO: „Ich wusste nach dem Anschlag benefit of all of a terrorized public is that auf das World Trade Center vieles nicht, the corporate and political leaders can get aber eines war klar: ob vor oder nach dem away with just about anything. 11. September, eine Bevölkerung, die vor Angst so außer Kontrolle ist, sollte weder viele Waffen noch Munition herumliegen haben.“ FH: “I’ve never seen a better example of cash-and-carry government than this Bush administration and Enron.”

MMVO: “There were a lot of things that I didn’t know after the World Trade Center attack but one thing was clear: whether it was before or after September 11th, a public that’s this out of control with fear should not have a lot of guns or ammo laying around.”

Das erste CSI ist „Wal-Mart“, ein US-amerikanischer Einzelhandelskonzern, der weltweit Filialen unterhält. In Deutschland musste das Unternehmen seine Geschäftsstellen jedoch schließen (vgl. Macaray 2011), in Österreich und Schweiz betreibt Wal-Mart ebenfalls keine Filialen. Durch die Bekanntheit US-amerikanischen Kulturguts in Europa kann jedoch behauptet werden, dass die Übersetzerin/der Übersetzer eine Erklärung für nicht notwendig befand und sich deswegen für eine repetition entschied. Auch die Tatsache, dass Waffen und Munition in einer Supermarktkette gekauft werden können, dürfte dem deutschsprachigen Publikum ein Begriff sein. Es kann auch davon ausgegangen werden, dass „Dallas“ ein Begriff ist, den das deutschsprachige Publikum etwa durch die bekannte Fernsehserie mit den USA verbindet, auch wenn genaueres Wissen, etwa bezüglich geographischer Lage oder Größe der Stadt nicht unbedingt vorhanden sind. Da diese

130 Informationen jedoch für das Verständnis im Deutschen nicht nötig sind, wird das Wort wiederum mit repetition umgesetzt.

Die recurrence von CSIs, welche in Verbindung mit den Terroranschlägen am 11. September stehen, ist in diesem Beispiel durchgehend zu finden:

Original Untertitel bzw. Synchronisation

September 11th 11. September v

9/11 attacks 11. September

September 11th terrorist attacks 9-11-Terroranschlag

World Trade Center attack Anschlag auf das World Trade Center

September 11th 11. September c

Im Deutschen werden die verschiedenen CSIs mit linguistic (non-cultural) translation übertragen, da der Begriff „11. September“ auch im deutschsprachigen Raum mit dem Anschlag auf das World Trade Center verbunden wird.

In Absatz 2 ist das CSI „we Americans“ auffällig, da es im Gegensatz zu Beispiel 1 in Unterkapitel 7.4.3.1 mit „uns Amerikaner“ übertragen wird, was die Inkohärenz der Übersetzung aufzeigt. Diese kann laut Aixelá auf den Zeitdruck oder die mangelnde Ausbildung der ÜbersetzerInnen zurückgeführt werden.

Moore sagt in Absatz 2 : „or who might be sitting next to some crazy guy trying to light his shoes on fire”. Dies ist für das US-amerikanische Publikum ein klarer Verweis auf den Terroristen Richard Reid, der 2001 bei einem Flug von Paris nach Miami das Flugzeug mittels einer Schuhbombe in die Luft zu sprengen drohte (vgl. Badia/Straw/Hutchinson 2014). Diese Assoziation geht im Deutschen verloren und hätte durch ein intratextual gloss wie „oder ob wir vielleicht neben einem Irren wie Richard Reid sitzen, der auf einmal seine Schuhe anzündet“ ergänzt werden können. Damit hätte das Publikum wenigstens einen Hinweis auf den Namen des „Verrückten“ erfahren. Die kulturelle Komponente ist in diesem Fall undeutlich, da die Angst vor weiteren Anschlägen nach dem 11. September nur für das US-amerikanische Publikum wirklich greifbar ist.

N3 spricht von „ADT“, einer US-amerikanischen Firma, welche Alarmanlagen für

131 PrivatkundInnen und Firmen anbietet (vgl. ADT LLC 2013). Dies wird im Deutschen mit „Alarmanlagen“ übersetzt. Dabei handelt es sich um eine absolute universalization, da das CSI durch einen neutralen Ausdruck im Deutschen ersetzt wird.

Die US-amerikanische Firma „Lockheed Martin“ produziert u.a. Militärflugzeuge, Raketen und verschiedene Technologien für die Raumfahrt (Lockheed Martin Corporation 2014). Da bereits in einer vorangegangenen Szene erklärt wurde, womit Lockheed Profit erzielt, wird dieses CSI mit einer repetition ins Deutsche übertragen und erhöht erneut den US- amerikanischen Charakter der Szene. „Park Avenue“ wird ebenfalls mit repetition gelöst, da die Übersetzerin/der Übersetzer wahrscheinlich annahm, dass dem Zielpublikum die berühmte Park Avenue in New York, ein Begriff ist.

Der Begriff „cash-and-carry“ stammt in diesem politischen Zusammenhang von der Ergänzungsklausel des Neutralitätsgesetzes in den USA ab. Um während des Zweiten Weltkrieges weiterhin dem Gesetz zufolge neutral zu bleiben, wurde eine Klausel eingefügt, die es den USA erlaubte, Kriegsmaterial an Frankreich und Großbritannien zu verkaufen, solange diese sofort bezahlten und selbst für den Transport von Waffen, Munition etc. aufkamen. Die Ergänzungsklausel wurde durch den Beitritt der USA zu den Alliierten obsolet (vgl. Office of the Historian 1999). In Bowling for Columbine bezieht sich der Ausdruck „cash-and-carry government“ auf die Gelder, welche die Bush- Administration von Enron, einem der größten US-Konzerne erhielt. Enron war mit dem Handel von Energie, Breitbandkapazitäten und Finanzprodukten erfolgreich geworden, 2001 wurde jedoch öffentlich, dass das Unternehmen seine Bilanzen fälschte, schließlich Insolvenz anmelden musste und AnlegerInnen Milliardenbeträge verloren (vgl. Stanek/dpa-AFX 2013). Der Betrug wurde oft mit der Bush-Administration assoziiert, da der Gründer von Enron, Kenneth Lay, George W. Bush im Wahlkampf mit Geldern unterstützte (vgl. Ege 2002). Das CSI „cash-and-carry government“ wird mit orthographic adaptation zu „Cash-and-carry-Regierung“, eine Erklärung des Begriffes war wahrscheinlich aufgrund von Platzmangel nicht möglich. „Enron“ wird durch repetition beibehalten, Informationen zum Konzern waren nicht nötig, denn auch im deutschsprachigen Raum wurde der Skandal in den Medien verbreitet (vgl. Schauspielhaus Graz 2011).

Beispiel 6

132 In diesem Beispiel sind zuerst unterschiedliche Nachrichtenausschnitte des US- amerikanischen Fernsehens (N1-N8) zu sehen, welche Michael Moore (MM) in dieser Sequenz von Fahrenheit 9/11 (Minute 47:30) kompiliert, um die Terrorangst, die durch die Medien verbreitet wird, zu verdeutlichen. Daraufhin folgt ein Interview mit Psychiater und Kongressabgeordneten Jim McDermott (JM), der erklärt wie die Regierung die Panik zu ihrem Vorteil verwendet.

Original Untertitel

War on Terror N1: „FOX NEWS hat vom FBI eine ungewöhnliche Terrorwarnung erhalten: N1: “We’ve got an unusual terror warning Terroristen könnten vergiftete Geschosse à from the Feds to tell you about. FOX la James Bond benutzen.“ NEWS has obtained an FBI bulletin that warns terrorists could use pen guns, like in James Bond filled with poison.” N2: „Amerika ist vier Tage vor Weihnachten in höchster Alarmbereitschaft.“

N3: „...mögliche Terrorgefahr“ N2: “Good evening everyone. America is on high alert tonight, just four days before N4: „...schlimmer als am 11. September.“ Christmas.” N5: „Aber wo? Und wie? Details sind nicht bekannt.“

N3: “… a possible terror threat” N6: „Modellflugzeuge könnten mit Sprengstoff beladen sein.“

N4: “… as bad as or worse than 9 l11.” N7: „Das FBI sieht eine besondere Gefahr in der Entführung von Fähren.“

N8: „Sind diese Rinder ein mögliches Ziel N5: “But where? How? There’s nothing für Terroristen?“ specific to report.” MM: „Die Angst tut ihre Wirkung.“

JM: „Sie wirkt, ja. Leute, die Angst haben, N6: “Be on the lookout for model airplanes tun alles für einen.“ packed with explosives.” MM: „Und wie macht man ihnen Angst?“

JM: „Indem man ein Klima der ständigen N7: “The FBI is warning ferries may be Bedrohung schafft. Sie haben uns considered particularly at risk for

133 hijacking.” instrumentalisiert. Alarmstufe Orange. Dann Rot. Wieder Orange. Sie sagten widersprüchliche Dinge, die einen verrückt machen.“ N8: “Could these cattle be a target for terrorists?”

MM: “Fear works.”

JM: “Fear does work, yes. You can make people do anything if they’re afraid.”

MM: “And how do you make them afraid?”

JM: “Well, you make them afraid by creating an aura of endless threat. They played us like an organ. They raised the orange up to red, then they dropped it back to orange. I mean, they gave these mixed messages, which were crazy-making.

Bei diesem Beispiel kann zuerst auf die fehlende Übersetzung des CSIs „War on Terror“ hingewiesen werden. Dieses US-amerikanische Motto der Regierung unter George W. Bush wurde aufgrund der Terroranschläge am 11. September aufgenommen. Mit der Begründung, dass die Anschläge gegen die Werte und Demokratie der USA abzielten, wurde eine umstrittene Politik verfolgt, welche die Invasion Afghanistans und des Iraks, sowie die Gründung des Department of Homeland Security und die Verabschiedung des USA Patriot Act umfasste (vgl. Béland 2007). In der deutschsprachigen Version ist der Schriftzug „War on Terror“ zu sehen, in den Untertiteln wird dieser jedoch nicht erklärt. Hierbei handelt es sich um einen Sonderfall, der nicht als deletion einkategorisiert werden kann, da das Englische auch für das deutschsprachige Publikum zu sehen ist, jedoch auch nicht als repetition, da keinerlei Untertitel aufscheinen.

134 Der erste Nachrichtensprecher verwendet das umgangssprachliche CSI „the Feds“, das im US-Amerikanischen einen „federal agent or official, especially a member of the FBI“ (Oxford Dictionaries 2014k) bezeichnet. In den deutschsprachigen Untertiteln wird dies nicht übersetzt, deshalb kann die Strategie als deletion erkannt werden. Im Englischen erwähnt N1 zusätzlich zu „the Feds“ auch noch das „FBI“, welches auch N7 benützt. Durch die Hegemonie der US-amerikanischen Kultur in Westeuropa kann angenommen werden, dass Sahlberger eine Erklärung des CSIs „FBI“ für unnötig befand, da dem deutschsprachigen Publikum bewusst ist, dass hierbei die Bundeskriminalpolizei der USA gemeint ist. Demzufolge kann Sahlbergers Strategie als repetition definiert werden. Auch das CSI „FOX NEWS“ behält er bei, also wiederum eine repetition, da das Wort „News“ ebenfalls durch den Bekanntheitsgrad des US-amerikanischen im deutschsprachigen Raum keiner Erklärung bedarf. Dass „FOX“ ein konservativer, mit der Republikanischen Partei sympathisierender, Nachrichtenkanal (vgl. Noah 2005) ist, dürfte dem durchschnittlichen deutschsprachigen Publikum jedoch weniger bekannt sein. Diese Information wird durch die repetition des CSIs nicht transportiert, da die Untertitel jedoch kurz gehalten werden müssen, kann festgestellt werden, dass eine Erklärung aufgrund von Platzmangel nicht möglich war.

Nachrichtensprecher 4 verwendet das CSI „9/11“, welches die Kurzbezeichnung für die Terroranschläge am 11. September ist. Im Deutschen wird dies zu „11. September“ und kann somit als linguistic (non-cultural) translation eingeordnet werden, da das Zielpublikum weiß, dass der „11. September“ das Datum war, an dem die Anschläge in den USA stattfanden.

Im letzten Absatz kann das CSI „played us like an organ“ festgestellt werden. Dies ist jedoch keine übliche US-amerikanische Redewendung, sondern ist in Verbindung mit dem Regisseur Alfred Hitchcock zu sehen. Dieser bemerkte nämlich in einem Interview:

Psycho has a very interesting construction and that game with the audience was fascinating. I was directing the viewers. You might say I was playing them, like an organ. (Truffaut 1984:269)

Im Sinne Hitchcocks meint McDermott also, dass die Regierung mit den US- AmerikanerInnen spielte und sie in eine gewünschte Richtung leitete. Sahlberger löst dieses CSI hier mit „imstrumentalisieren“, also „als Instrument benutzen, missbrauchen“

135 (Duden 2013e). Infolgedessen kann diese Strategie als absolute universalization nach Franco Aixelá angesehen werden.

„They raised the orange up to red, then they dropped it back to orange“ bezieht sich auf das Homeland Security Advisory System, ein vom Department of Homeland Security verwendetes Alarmstufensystem, welches auf fünf Stufen die unterschiedlichen Risikostadien eines möglichen Terroranschlages von 2002 bis 2011 anzeigte (vgl. DHS 2014). „Orange“ ist die vorletzte Stufe und bedeutet, dass ein hohes Risiko besteht, „red“ ist die höchste Stufe, im Englischen auch „severe“ genannt (vgl. Feb Oklahoma 2014). Im Original und auch in der deutschen Version werden die fünf Stufen zur Veranschaulichung eingeblendet, während Jim McDermott über das Thema spricht. Es fehlt jedoch im Deutschen wiederum ein erklärender Untertitel zum Terroralarmstufensystem. Sahlberger bietet dem deutschsprachigen Publikum jedoch eine Erklärung an, indem er das Wort „Alarmstufen“ einfügt, wenn der Kongressabgeordnete von den Farben „Orange“ und „Rot“ spricht. Deshalb kann hierbei ein intratextual gloss erkannt werden, welches trotz Platzmangel eingefügt wurde.

Resümierend kann für die Beispiele zur Terrorangst gesagt werden, dass vor allem die CSIs bei Beispiel 1 vorwiegend mit repetition bzw. orthographic adaptation in Deutsche übertragen wurden, was die Hypothese, dass die CSIs tendenziell beibehalten wurden, bestärkt. Bei Beispiel 2 hingegen werden unterschiedliche Strategien angewandt, sowohl repetition als auch deletion kommen vor. Das intratextual gloss sticht hervor, da es trotz Platzmangels eingefügt wurde, um den deutschsprachigen ZuschauerInnen eine Erklärung anzubieten.

7.4.3.4 Zusammenfassung

In dieser Arbeit wird von der Hypothese ausgegangen, dass die ÜbersetzerInnen der Untertitel bzw. der Synchronfassungen der Filme Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 sich vorwiegend für Manipulationsstrategien entschieden, die der conservation zuzurechnen sind, da diese den US-amerikanischen Charakter der Werke vermitteln würden. Dies konnte mithilfe der Analyse größtenteils bestätigt werden, da insgesamt zehnmal die Strategie repetition und siebenmal die orthographic adaptation gewählt wurde. Jedoch kommen auch Strategien wie deletion sehr oft vor, was aber auf den mangelnden Platz in den deutschen Untertiteln zurückgeführt werden kann. Auffällig ist

136 hingegen die mehrmalige Anwendung der absolute universalization. Diese Strategie wird bei US-amerikanischen Wendungen wie „average joe“ und „played them like an organ“, aber auch bei CSIs, die sich auf politische Begriffe wie „Supreme Court“ und „Civil War“ beziehen, angewandt. Außerdem soll darauf hingewiesen werden, dass trotz des Platzmangels ein intratextual gloss und eine autonomous creation aufscheint.

137 8 Zusammenfassende Betrachtung der Analyseschritte

Anhand der Genreanalyse wurde untersucht, ob Genrespezifika des „Michael Moore Films“ in den deutschsprachigen Versionen der Filme Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 übernommen wurden. Dabei wurde zuerst bemerkt, dass die Filme sehr ähnliche Genrespezifika beinhalten, beide haben z.B. keinen durchgehenden Handlungsstrang, was auch im Deutschen beibehalten wird. Die autobiographischen Elemente, die Moore immer wieder in sein Œuvre einfließen lässt, sind bei Bowling for Columbine stärker vertreten als bei Fahrenheit 9/11, was auch in der deutschen Version gleich bleibt. Als performer-director in Bowling for Columbine steht Moore vor der Linse, leitet das Geschehen jedoch gleichzeitig hinter der Kamera. Da die Probleme, die Moore aufzeigt, vorrangig die USA betreffen, sieht das deutschsprachige Publikum die Thematik etwas distanzierter. Moore Methode, die ZuschauerInnen mit emotionalen Bildern auf seine Seite zu ziehen, funktioniert im Deutschen jedoch ebenso wie im Original. Der Voice-over-Kommentar Moores wird in beiden Filmen in der deutschsprachigen Version synchronisiert, was die Relevanz Moores für seine Werke auch in der Übersetzung unterstreicht und dem deutschsprachigen Publikum ebenso wie im Original das Gefühl der Identifikation mit dem Regisseur vermittelt. Demnach kann die Hypothese, dass die Genrespezifika des „Michael Moore Films“ in der deutschsprachigen Version übernommen wurden, bestätigt werden.

In der Paratextanalyse wurde dann auf der weiteren Textebene untersucht, ob sich die Paratexte der deutschsprachigen Versionen an den US-amerikanischen orientieren. Dabei konnte festgestellt werden, dass die Paratexte der deutschsprachigen DVD-Version von Bowling for Columbine fast immer für diese DVD geschrieben wurden und keine direkten Übersetzungen aus dem US-Amerikanischen verwendet wurden. Dies wird z.B. durch den eigens für die deutschsprachige Version geschriebenen Slogan unterstrichen, welcher auf der US-amerikanischen DVD nicht existiert. Auch die beiden Beihefte sind unterschiedlich: Im US-Amerikanischen beinhaltet dies ein Inhaltsverzeichnis des Films, während im Deutschen Werbung für Moores Bücher gemacht wird. Sehr auffällig ist auch, dass die deutschsprachige DVD-Version von Bowling for Columbine andere Extras enthält als das US-amerikanische Original. Grundsätzlich sind die Paratexte sehr unterschiedlich, gleich bleibt jedoch Moores ständige Präsenz: Er tritt in den Extras auf, ist oft abgebildet,

138 und sein Name wird öfters erwähnt. Damit kann die Hypothese, dass Moores Genre auch auf die Paratexte im Deutschen einwirkte, nur partiell bestätigt werden, da die Texte nicht ausgangstextorientiert sind, jedoch Moore selbst immer noch im Vordergrund steht. Bei den Paratexten der DVD-Versionen von Fahrenheit 9/11 wird die Hypothese ebenfalls nur teilweise untermauert. Unterschiede gibt es beim Waschzettel der beiden Versionen: Der US-amerikanische ist kurz und lobend, während der Text im Deutschen umfangreich und weniger werbend ist, wobei der Inhalt des Films ausführlich beschrieben wird. Auffällig ist der Unterschied bei den Beiheften. Im Gegensatz zu den Texten bei Bowling for Columbine ist es hier genau umgekehrt: Der Beizettel im Original enthält Werbung für DVDs, während im Deutschen ein Inhaltsverzeichnis vorhanden ist. Die Zwischentitel der beiden DVD-Versionen sind beide nummeriert und betitelt, die deutschsprachige Betitelung ist jedoch um einiges kreativer gestaltet und stellt keine direkte Übersetzung aus dem US-Amerikanischen dar. Für den Einfluss des US-Amerikanischen und Michael Moores auf die Filme im deutschsprachigen Raum sprechen die Extras der DVD, welche bei beiden Versionen gleich sind und im Deutschen nicht übersetzt wurden.

Auf der Textebene der Filme sollte dann in einem dritten Analyseschritt die Annahme bestätigt werden, dass die ÜbersetzerInnen sich aufgrund des Einflusses von Michael Moore und um die US-amerikanische Kultur zu übertragen, sich tendenziell dafür entschieden die CSIs ohne Übersetzung ins Deutsche zu übernehmen. Zur Überprüfung der Hypothese wurden Textbeispiele nach dem Modell von Franco Aixelá analysiert. Die aufgestellte Hypothese konnte größtenteils bestätigt werden, es ist jedoch auch anzumerken, dass es einige Fälle von deletion gibt, da die ÜbersetzerInnen durch die Untertitel bzw. die Synchronisation in ihren Entscheidungen eingeschränkt wurden.

Abschließend kann somit festgestellt werden, dass Moores Einfluss auf die deutschsprachige Version tendenziell sehr groß ist, denn zumeist wurden Elemente seines Stils und Kulturspezifika des US-Amerikanischen übernommen, um Moores einzigartigen Stil im Deutschen wiederzugeben.

139 9 Conclusio

Michael Moore – Filmschaffender, Journalist und Kultfigur – produzierte die erfolgreichsten, gewagtesten und umstrittensten Dokumentarfilme aller Zeiten. In dieser Arbeit wurde seine Bedeutung für den US-amerikanischen Dokumentarfilm sowie sein Einfluss auf den deutschsprachigen Dokumentarfilm untersucht. Mit seinem unverwechselbaren Stil begründete er eine neue Form des Dokumentarfilms, den „Michael Moore Film“, der viele US-amerikanische sowie deutschsprachige Dokumentarfilmschaffende inspirierte. Es wurde daher davon ausgegangen, dass Moores Einfluss im deutschsprachigen Raum ebenfalls gegeben ist und sein Stil die deutschen Fassungen der Filme maßgeblich beeinflusste. Daher wurde von der Hypothese ausgegangen, dass trotz der unterschiedlichen Entwicklungen des Dokumentarfilms in den USA und dem deutschsprachigen Raum, genrespezifische Merkmale des „Michael Moore Films“ in den deutschen Fassungen von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 übernommen wurden, um Moores einzigartigen Stil und seine Darstellung der US- amerikanischen Gesellschaft zu erhalten. Es wurde weiters angenommen, dass die deutschen Paratexte zu den beiden Filmen sich an den Originalversionen orientieren bzw. viele Paratexte nicht übersetzt wurden, was zur Verstärkung des US-amerikanischen Charakters führt. Außerdem wurde die Annahme aufgestellt, dass die ÜbersetzerInnen culture-specific items oft ohne Übersetzung ins Deutsche übertrugen, um den US- amerikanischen Charakter in die deutschsprachigen Versionen einfließen zu lassen.

Um die Hypothesen zu bestätigen folgte eine Untersuchung von Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11. Dazu wurde zuerst die Rezeption der beiden Dokumentarfilme in den USA aufgearbeitet, um zu erfahren, wie Moores Werke – aber auch seine Person – gesehen werden. Dabei zeigte sich, dass Moores Œuvre sowie er selbst oft starke Emotionen bei den RezensentInnen hervorrufen, unabhängig davon ob die Kritik positiv oder negativ ausfällt. Da die Hypothese aufgestellt wurde, dass Moore auch im deutschsprachigen Raum als Kultfigur und Filmschaffender großen Einfluss ausübt, war das nächste Kapitel der Rezeption seiner Werke in Österreich, Deutschland und der Schweiz gewidmet. Im deutschsprachigen Raum erwiesen sich die Kritiken für Bowling for Columbine als lobend, jedoch konnte herausgefunden werden, dass die Rezensionen bei Fahrenheit 9/11 kritischer ausfielen. Obwohl Moore dem Genre Dokumentarfilm zu Aufmerksamkeit verhalf, wird

140 seine unkonventionelle Methode oft als unseriös bezeichnet. Dessen ungeachtet, kann sein Einfluss auch auf deutschsprachige DokumentarfilmerInnen nicht geleugnet werden.

In den nachfolgenden Kapiteln wurden nun die Dokumentarfilme Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 auf der Genre-, Paratext- und Textebene beleuchtet, um Moores Werke im Detail zu analysieren. Dabei wurden zuerst die Merkmale des „Michael Moore Genres“ im Allgemeinen herausgearbeitet, woraufhin die beiden Filme im Speziellen auf diese Charakteristika der Filme Michael Moores untersucht wurden. Dahingehend wurde überdies recherchiert, ob die genrespezifischen Elemente in der deutschsprachigen Version übernommen wurden. Hierbei konnte die Hypothese, dass die deutsche Fassung auf der Genreebene zum Großteil nicht verändert wurde, bestätigt werden.

Auf der Ebene der Paratexte wurden sowohl die Epi- wie auch die Peritexte untersucht, um die Annahme, dass Moore auch hier im Vordergrund steht und die US-amerikanischen Versionen Einfluss auf die Paratexte im Deutschen hatten, zu untermauern. Dabei konnten jedoch viele Unterschiede zwischen den US-amerikanischen und deutschsprachigen DVD- Versionen ermittelt werden und viele der Paratexte wurden für die deutschsprachige Ausgabe eigens verfasst. Demgegenüber steht Moores stetige Präsenz, was seinen Einfluss in beiden Kulturräumen bestätigt.

Die Analyse der Textebene der Filme Bowling for Columbine und Fahrenheit 9/11 wurde mithilfe des CSI-Modells nach Franco Aixelá an sechs Beispielen aus drei verschiedenen Themenbereichen der Filme durchgeführt. Relevant für die Überprüfung der Hypothese war es, herauszufinden, ob die ÜbersetzerInnen, wie angenommen, sich eher am Ausgangstext orientierten, oder ob sie sich für eine zielkulturorientierte Translation entschieden. Im Verlauf der Analyse wurde augenscheinlich, dass die ÜbersetzerInnen tendenziell die Erhaltung der culture-specific items im Zieltext vorzogen, obwohl anzumerken ist, dass auch einige CSIs gestrichen wurden, was auf den Platzmangel in der Synchronisation bzw. Untertitelung zurückzuführen sein könnte. Damit konnte die Hypothese, dass die US-amerikanische Version auch auf die Textebene der deutschsprachigen Version einwirkte, untermauert werden.

Abschließend kann gesagt werden, dass die Hypothese, dass Michael Moore als Dokumentarfilmer und Kultfigur auch im deutschsprachigen Raum Einfluss ausübt, größtenteils bestätigt wurde. Diese Schlussfolgerung kann als Anregung für weitere

141 übersetzungswissenschaftliche Studien zu Moores Werken dienen, die sich vielleicht noch eingehender auf der Textebene mit Moores Œuvre beschäftigen oder ausführlicher die Parallelen zu österreichischen Dokumentarfilmschaffenden erläutern.

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159 Anhang Der Anhang zu dieser Diplomarbeit befindet sich auf der beigelegten CD.

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