Factsheet Philippinen

Nach der Marcos-Diktatur er- langten die philippinischen Medien den Ruf, eine der freiesten Südostasiens zu sein. Gleichzeitig gelten sie seit Jahren als eines der gefähr- lichsten Länder für Medienschaffende. Unter Duterte gewinnen die Sozialen Medien zunehmend als (Des-) Informationsquelle an Bedeutung. Insbesondere kritische Journalist*innen und Medienunternehmen werden massiv attackiert und sehen sich zunehmenden Gefahren aus- gesetzt. Medienfreiheit in den Philippinen

Kampfansage gegen die Pressefreiheit persönlicher Privatsphäre, drohen den Erfolg jedoch "Nur weil ihr Journalist*innen seid, seid ihr nicht von zur Farce verkommen zu lassen. Tötungen ausgenommen […]," so Präsident Rodrigo Ein zunächst positives Signal sendete Duterte auch Duterte noch im Mai 2016. Als gerade gewählter mit der Unterzeichnung der Administrative Order No. Präsident weckte Duterte mit dieser Botschaft Be- 1 am 11. Oktober 2016. Die besagte AO schaffte ei- fürchtungen, dass die Presse- und Medienfreiheit nen präsidialen Arbeitsausschuss, der sich mit unter seiner Regierung massiven Bedrohungen aus- Rechtsverletzungen gegenüber Leben, Freiheit und gesetzt sein würde. Sicherheit von Medienschaffenden befassen und Nach den ersten zwei Jahren seiner Amtszeit sind vergangene sowie gegenwärtige Angriffe auf Journa- die Bedrohungen real und zu konkreten sowie viel- list*innen untersuchen sollte. Der Ausschuss hat seitigen Attacken gegen einzelne Journalist*innen seine Arbeit aufgenommen. Nichtsdestotrotz bekla- und kritische Medien im Allgemeinen geworden. gen Kritiker*innen mangelnde Ressourcen, Personal Die Presse wurde zum Feind erklärt, Reporter*innen und eine geringe Effektivität. Viel wirksamer und in Pressekonferenzen durch den Präsidenten sexis- folgenschwerer scheinen hingegen Dutertes direkte tisch angegriffen und Journalist*innen generell als und öffentliche Angriffe gegen Medienschaffende. korrupt gebrandmarkt. Die Duterte-Regierung machte deutlich, dass für Kri- Die Bedeutung sozialer Medien tik kein Raum vorgesehen ist. Stattdessen herrscht Schätzungen besagen, dass 44.4 von insgesamt 107 ein Klima der Angst, das vor allem durch den einsei- Millionen Filipin@s aktiv das Internet, 42 Millionen tigen Diskurs und die „Neutralisierung“ der Kriti- soziale Medien und davon 36 Millionen soziale ker*innen (z.B. die Schauprozesse gegen die Senato- Medien auf dem Handy nutzen. Tendenz steigend. rin oder die Präsidentin des Obersten steht mit Abstand an erster Stelle. Im Gerichtshofes, Maria Lourdes Sereno) wirkt. Präsidentschaftswahlkampf 2016 waren die Sozia- Und das obwohl Duterte als eine seiner ersten len Medien ein zentrales, kraftvolles und vor allem Amtshandlungen eine Verfügung zur Informations- kostengünstiges Mittel der Mobilisierung. Facebook freiheit erließ. Das Gesetz ist eine Errungenschaft berichtete von 268 Millionen Konversationen über jahrelangen zivilgesellschaftlichen Kampfes. Zahlrei- das Wahlgeschehen. Dutertes Unterstützer*innen che Ausnahmen, darunter die Nationale Sicherheit, wussten die Sozialen Medien für sich zu nutzen. Sonderrechte der Exekutiven sowie die Verletzung Nicht zuletzt ihnen hat Duterte seinen Aufstieg zu verdanken. Nach Dutertes Wahlsieg dankte sein Sprecher 14 Millionen „Sozialen-Medien- Verlängerung ihrer Lizenzen verwehrt und dem Freiwilligen“. Duterte postet nicht unbedingt selbst. Rundfunkunternehmen ABS-CBN droht Duterte Eine Schar von Unterstützer*innen, inklusive der ebenfalls damit, die Lizenzverlängerung zu stoppen. Leiterin der Kommunikationsabteilung des Präsi- Hintergrundchecks für Journalist*innen, die über die denten Mocha Uson sind für die Sozialen Medien zu- Polizei berichten, der verwehrte Zugang zu Presse- ständig. Ihnen wird das gezielte, organisierte und konferenzen, Veranstaltungen, zu ganzen Gebieten bezahlte Verbreiten von Falschnachrichten vorge- oder Informationen (z.B. Polizeiberichten) erschwe- worfen. Das Online Medien-Outlet berichte- ren die Berichterstattung über Marawi, den Anti- te zu Beginn des Jahres von „Millionen falschen Sozi- Drogen-Krieg, die Föderalismusreform, die alen Medien-Konten“, die Falschnachrichten verbrei- Schließung von Boracay und das West- teten und ursprünglich in Verbindung mit Dutertes Philippinische Meer. Die Angriffe und Einschrän- Wahlkampagne standen. Auch Webseiten haben sich kungen senden eine unmissverständliche Botschaft der Verbreitung falscher Nachrichten gewidmet. Zu an Journalist*innen und Medienunternehmen: Auch Beginn des Jahres wurden in den Philippinen 94 sie könnten, bei kritischer Berichterstattung, ins Fa- „“ Webseiten gezählt. denkreuz geraten. Viele müssen sich zwischen Risi- ko und Selbstzensur entscheiden. Angriffe auf Medien und Medienschaffende Auch vor Dutertes Amtszeit war die Pressefreiheit Die politische Einschüchterung seitens der Regie- von einer ambivalenten Geschichte geprägt. Frei- rung wird durch die Sozialen Medien verstärkt und heitlich ja, aber nicht ungefährlich. Seit Jahren stel- schlägt sich in konkreten Attacken gegen Medien- len die Philippinen weltweit eines der gefährlichsten schaffende und Medienorganisationen nieder. Hass- Länder für Journalist*innen dar. Seit 1986 wurden botschaften sind zur neuen Normalität geworden. in den Philippinen 156 Journalist*innen ermordet. Sie schlagen kritischen Journalist*innen in den Sozi- Laut CMFR sind seither nur zwei Täter verurteilt alen Medien zu Tausenden entgegen. Sie werden worden. beschimpft oder es wird ihnen mit Vergewaltigung Im Jahre 2009 wurde in der Provinz Maguindanao und Mord gedroht. Insgesamt zählte das Center for das weltweit brutalste Massaker an Journalist*innen Media Freedom and Responsibility (CMFR) zwischen verübt. 58 Menschen starben, davon 32 Medien- dem 30. Juni 2016 und dem 1. Mai 2018 insgesamt schaffende. Bisher ist keiner der Täter verurteilt 85 Angriffe auf die Medien. Darunter finden sich 9 worden. Morde, 16 Verleumdungsklagen und 14 Fälle von Auf dem World Press Freedom Index belegen die Belästigung oder Verfolgung sowie etliche weitere Philippinen in diesem Jahr Platz 133 von 180 Angriffe. Ländern. Ein Rückschritt um sieben Plätze zum Vor- Kritische Berichte über den Anti-Drogen-Krieg jahr. Darüber hinaus sehen sich Journalist*innen mit brachte zunächst den Philippine Daily Inquirer, dann Verleumdungsklagen und dem Cybercrime Preventi- ABS-CBN und schließlich Rappler ins Visier des Prä- on Act aus dem Jahre 2012 konfrontiert. Nach dem sidenten. Es folgten Drohungen, Boykott, Korrupti- philippinischen Strafgesetzbuch ist die Ehrverlet- onsvorwürfe und schließlich der Lizenzentzug für zung und nicht der Wahrheitsgehalt einer Aussage Rappler. Der Philippine Daily Inquirer, die größte für eine Verurteilung entscheidend. „Ehrverletzen- philippinische Tageszeitung, sah sich gezwungen, an de“ Verleumdungen können mehrere Jahre Haft den Duterte-Unterstützer Ramon Ang zu verkaufen. nach sich ziehen. Auch der UN Menschenrechts- Darüber hinaus wurde 54 katholischen Radiostatio- ausschuss erklärte diese Rechtslage als unvereinbar nen nach kritischen Berichten im Oktober 2017 die mit dem Recht auf Meinungsäußerung.

Quellen / Weiterführende Literatur: Herausgeber:  Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen (2017): Menschenrechts- philippinenbüro e.V. bericht Philippinen, Köln Hohenzollernring 52, 50672 Köln  Center for Media Freedom and Responsibility (2017): The Media and the http://www.asienhaus.de/philippinenbuero Duterte Presidency: Impunity Acute and Benign, Fettered Flow of infor- mation, Manila in Verbindung mit:  Committee to Protect Journalists (2018): Mission Journal: Duterte leads Ökumenische Philippinen Konferenz tri-pronged attack on press amid condemnation of controversial policies, c/o Karl Schönberg Manila Bernhardstr. 153a, 50968 Köln