10.12.2013

Gericht Asylgerichtshof

Entscheidungsdatum 10.12.2013

Geschäftszahl E5 268336-0/2008

Spruch Zl. E5 268.336-0/2008/39E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Kloibm¿ller als Vorsitzende und den Richter Mag. HABERSACK als Beisitzer ¿ber die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. , gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.01.2006, Zl. 03 21.106-BAW, nach Durchf¿hrung einer m¿ndlichen Verhandlung am 03.03.2011 zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gem¿¿ ¿¿ 7, 8 AsylG 1997 hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegr¿ndet abgewiesen.

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und festgestellt, dass die Ausweisung des XXXX aus dem ¿sterreichischen Bundesgebiet in die Ukraine gem¿¿ ¿ 10 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 5 AsylG 2005 auf Dauer unzul¿ssig ist.

Text Entscheidungsgr¿nde:

I.1.Verfahrensgang:

I.1.1. Der Beschwerdef¿hrer reiste gemeinsam mit seiner Ehegattin und seiner minderj¿hrigen Tochter am 14.07.2003 illegal in das ¿sterreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

Am 13.02.2004 wurde der Beschwerdef¿hrer vor dem Bundesasylamt niederschriftlich befragt. Im Rahmen dieser Befragung f¿hrte er aus, dass er in XXXX im Gebiet XXXX geboren worden sei und dort auch neun Jahre lang die Schule besucht habe. Die 10. und 11. Klasse habe er in XXXX absolviert, wo er auch mit seiner Familie gewohnt habe. Nach dem Abschluss der Schule sei der Beschwerdef¿hrer zur Armee gegangen, wo er von 1993 bis 1996 in XXXX im Gebiet XXXX gedient habe. Im Jahr 1999 habe er geheiratet. Der Beschwerdef¿hrer sei des ¿fteren im Ausland aufh¿ltig gewesen, etwa in Polen oder Tschechien; letztmalig sei er im Jahr 2002 in Deutschland gewesen.

Als Grund f¿r das Verlassen der Ukraine gab der Beschwerdef¿hrer zusammengefasst an, dass er f¿r die Er¿ffnung eines Gesch¿ftes, welches er im XXXX 2003 gekauft habe, eine Lizenz h¿tte kaufen m¿ssen, was er nicht gewollt habe. Diesbez¿glich habe er sich an den amtierenden B¿rgermeister, den er noch aus seiner Schulzeit kenne, gewandt. Dieser habe ihn davor gewarnt, sich in seine Politik einzumischen. Im XXXX 2003 sei der Beschwerdef¿hrer dar¿ber in Kenntnis gesetzt worden, dass von der Milit¿rstaatsanwaltschaft in XXXX eine Strafsache gegen ihn wiederer¿ffnet worden sei. Damals, w¿hrend der Ableistung seines Milit¿rdienstes, sei es zu Zwischenf¿llen gekommen, die dem Beschwerdef¿hrer angelastet und welche auf Intervention eines Freundes namens XXXX nicht weiter verfolgt worden seien. In weiterer Folge sei das Gesch¿ft und die Hauseingangst¿r angez¿ndet und der Kredit f¿llig gestellt worden. ¿berdies sei die Tochter des Beschwerdef¿hrers entf¿hrt und ein paar Stunden angehalten worden.

www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.01.2006, Zl. 03 21.106-BAW, wurde der Asylantrag in Spruchteil I unter Berufung auf ¿ 7 AsylG 1997 abgewiesen; in Spruchteil II stellte es fest, dass die Zur¿ckweisung, Zur¿ckschiebung oder Abschiebung des Beschwerdef¿hrers in die Ukraine gem¿¿ ¿ 8 Abs. 1 AsylG zul¿ssig sei; unter einem wurde der Beschwerdef¿hrer in Spruchteil III des Bescheides unter Berufung auf ¿ 8 Abs. 2 AsylG aus dem ¿sterreichischen Bundesgebiet in die Ukraine ausgewiesen.

Beweisw¿rdigend wurde ausgef¿hrt, dass es der Beschwerdef¿hrer nicht vermocht habe, seine vorgebrachten Fluchtgr¿nde glaubw¿rdig darzustellen.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdef¿hrer am 06.02.2006 zugestellt. Mit Schriftsatz des damaligen rechtsfreundlichen Vertreters vom 26.02.2006 wurde fristgerecht Berufung (nunmehr Beschwerde) eingebracht, worin das bisherige Vorbringen wiederholt wurde.

I.1.2. Am 29.03.2007 f¿hrte der Unabh¿ngige Bundesasylsenat in der Sache des Beschwerdef¿hrers eine ¿ffentlich m¿ndliche Verhandlung durch und wurde dem Beschwerdef¿hrer in dieser die Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation umfassend darzulegen. In weiterer Folge wurde die m¿ndliche Verhandlung zum Zwecke der ¿berpr¿fung seiner Angaben bzw. zur Durchf¿hrung von Erhebungen vor Ort auf unbestimmte Zeit vertagt.

In der Folge wurden Erhebungen vor Ort und die amtswegige ¿berpr¿fung der in Vorlage gebrachten Unterlagen veranlasst.

Am 18.02.2009 wurde die ¿ffentlich m¿ndliche Verhandlung vom 29.03.2007 vor dem Asylgerichtshof fortgesetzt. Dem Beschwerdef¿hrer wurden die Ermittlungsergebnisse vorgehalten und Gelegenheit gegeben, dazu Stellung zu nehmen. Dar¿ber hinaus wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdef¿hrers die Einholung eines Sachverst¿ndigengutachtens aus dem Fachbereich Milit¿rstrafrecht zum Beweis daf¿r, dass der Beschwerdef¿hrer bei einer R¿ckkehr in die Ukraine einer menschenrechtswidrigen Behandlung unterworfen werden w¿rde, beantragt.

In der Folge wurden weitere, amtswegig veranlasste, Recherchen in der Ukraine durchgef¿hrt. Die Erhebungsergebnisse und die L¿nderfeststellungen wurden dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdef¿hrers zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme ¿bermittelt. Von dieser M¿glichkeit wurde seitens des rechtsfreundlichen Vertreters Gebrauch gemacht und gleichzeitig moniert, dass die Erhebungen einer Erg¿nzung dahingehend bed¿rfen, unter welchen Voraussetzungen ein Verfahren im Milit¿rstrafrecht und im allgemeinen Strafrecht aufgenommen werden k¿nnen. Auch das diesbez¿gliche Ergebnis wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme ¿bermittelt.

I.1.3. Aufgrund der Errichtung des Asylgerichtshofes im Zusammenhang mit dem Erkenntnis des VfGH vom 27.04.2010, Zl. U 634/10-8, war eine Neudurchf¿hrung der Verhandlung notwendig.

Aus diesem Grund f¿hrte der Asylgerichtshof am 03.03.2011 in der Sache des Beschwerdef¿hrers eine ¿ffentlich m¿ndliche Verhandlung durch, in welcher der gesamte Akteninhalt verlesen wurde. Weiters wurde dem Beschwerdef¿hrer einerseits Gelegenheit gegeben, neuerlich seine Ausreisemotivation darzulegen sowie die aktuelle Lageentwicklung in der Ukraine anhand vorliegender L¿nderdokumentationsunterlagen er¿rtert.

Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 04.07.2013 wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdef¿hrers die M¿glichkeit einger¿umt, zu den ¿bermittelten L¿nderfeststellungen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Mit Schriftsatz vom 16.07.2013 wurde eine Stellungnahme zu den L¿nderfeststellungen und Urkunden ¿bermittelt.

I.2. Sachverhalt:

I.2.1. Zur Person des Beschwerdef¿hrers wird festgestellt:

Der Beschwerdef¿hrer ist Staatsangeh¿riger der Ukraine und geh¿rt dem christlichen Glauben an. Er wurde im Dorf XXXX, Bezirk XXXX, im Gebiet XXXX, geboren und ist dort auch aufgewachsen. Am XXXX1999 hat der Beschwerdef¿hrer geheiratet und entstammt dieser Ehe, die mittlerweile im Jahr 2008 in ¿sterreich geschieden wurde, eine gemeinsame Tochter. Seinen Lebensunterhalt hat der Beschwerdef¿hrer in der Ukraine durch den Handel mit importierten Lebensmitteln bestritten.

www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

In der Ukraine leben nach wie vor die Eltern des Beschwerdef¿hrers, mit welchen der Beschwerdef¿hrer auch in Kontakt steht.

Sowohl die Exgattin als auch die Tochter des Beschwerdef¿hrers leben nach wie vor in ¿sterreich und wurde ihnen am XXXX2012 (g¿ltig bis XXXX2017) durch die BH XXXX jeweils eine Aufenthaltskarte f¿r Angeh¿rige eines EWR-B¿rgers oder Schweizer Staatsb¿rgers ausgestellt. Das Verh¿ltnis zwischen dem Beschwerdef¿hrer, seiner Exgattin und seiner Tochter hat sich beginnend mit 2008 sukzessive verbessert und besteht nunmehr ein regelm¿¿iger Kontakt - ein ganzes Wochenende alle vierzehn Tage - zwischen dem Beschwerdef¿hrer und seiner Tochter.

Der Beschwerdef¿hrer ging bisher noch keiner offiziellen T¿tigkeit nach, obschon mehrmals der Versuch unternommen wurde, eine Arbeit zu erhalten, was vom AMS abgehlehnt wurde. Der Beschwerdef¿hrer spricht gut Deutsch und vermochte sich in ¿sterreich mittlerweile einen Freundeskreis aufzubauen. Seine Freizeit verbringt er mit seiner Tochter, soweit es das Besuchsrecht zul¿sst, mit Sport und bet¿tigt er sich ehrenamtlich in der griechisch-katholischen Kirche.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdef¿hrer in der Ukraine eine asylrelevante - oder sonstige - Verfolgung oder Strafe ma¿geblicher Intensit¿t oder die Todesstrafe droht oder dem Beschwerdef¿hrer in der Ukraine die Existenzgrundlage v¿llig entzogen w¿re.

Es ergaben sich jedoch nach Pr¿fung gem¿¿ Art. 8 EMRK im vorliegenden Fall gegen die vorgesehene Ausweisung bestehenden Hinderungsgr¿nde.

I.2.2. Zur Lage in der Ukraine wird festgestellt:

Innenpolitik

Die Ukraine ist mit 603.700 Quadratkilometer nach Russland das gr¿¿te Land Europas und hat ca. 45,960 Mio. Einwohner, davon 78% Ukrainer, 17% Russen, 0,6% Wei¿russen, 0,5% Krimtartaren, 0,1% Deutsche (Volksz¿hlung 2001). Staatssprache ist Ukrainisch, als Verkehrssprache ist Russisch wichtig, im S¿den und Osten wird ¿berwiegend Russisch gesprochen.

Die Ukraine ist eine pr¿sidial-parlamentarische Republik, ihr Staatsoberhaupt ist seit 7. Februar 2010 Pr¿sident Viktor Janukowytsch, (f¿r 5 Jahre gew¿hlt). Regierungschef ist Ministerpr¿sident Mykola Asarow (am 13.12.2012 vom Parlament erneut als Ministerpr¿sident best¿tigt). Beide geh¿ren der Partei der Regionen an.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine, Dezember 2012)

Ablauf und Ergebnisse der letzten Wahlen: Bei den Parlamentswahlen am 28. Oktober 2012 wurde die Partei der Regionen von Staatspr¿sident Janukowytsch st¿rkste Fraktion und verf¿gt gemeinsam mit der Kommunistischen Partei sowie Unabh¿ngigen und Vertretern kleinerer Parteien ¿ber eine Mehrheit im Parlament. Eine verfassungs¿ndernde Zweidrittel-Mehrheit wurde jedoch nicht erreicht. St¿rkste Oppositionsfraktion wurde die "Vereinigte Opposition" unter F¿hrung von Julija Tymoschenkos Vaterlandspartei. Die Ukrainische Demokratische Allianz f¿r Reformen (UDAR) von Boxweltmeister Vitali Klitschko trat zum ersten Mal bei Parlamentswahlen an und wurde drittst¿rkste Kraft. Au¿erdem zog die nationalistische Freiheitspartei in das Parlament ein.

Demnach setzt sich das Parlament wie folgt zusammen:

¿ Partei der Regionen: 208 Sitze,

¿ Vereinigte Opposition: 99 Sitze,

¿ Ukrainische Demokratische Allianz f¿r Reformen: 42 Sitze,

¿ Kommunistische Partei der Ukraine: 33 Sitze,

¿ Freiheitspartei: 37 Sitze,

¿ Fraktionslose Abgeordnete: 26 Sitze. www.ris.bka.gv.at Seite 3 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

F¿nf Mandate konnten wegen Problemen bei der Ergebnisbestimmung in den Wahlkreisen noch nicht vergeben werden; Nachwahlen werden erst im Fr¿hjahr 2013 erwartet.

Die Wahlen wurden von ¿ber 3.700 internationalen Wahlbeobachtern beobachtet, hinzu kamen zahlreiche nationale Beobachtermissionen. ODIHR (OSCE Office for Democratic Institutions and Human Rights) und andere westliche Wahlbeobachtermissionen ¿u¿erten sich kritisch zum Verlauf der Wahlen, insbesondere zur fehlenden Chancengleichheit im Wahlkampf (Missbrauch staatlicher Mittel f¿r Wahlkampfzwecke, intransparente Parteienfinanzierung, unausgewogene Medienberichterstattung) und zu den Unregelm¿¿igkeiten und Verz¿gerungen bei der Ausz¿hlung in strittigen Direktwahlkreisen.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Innenpolitik, Dezember 2012)

Liste der Parteien (ohne Anspruch auf Vollst¿ndigkeit): Batkivshchyna [Yuliya TYMOSHENKO]; Communist Party of Ukraine or CPU [Petro SYMONENKO]; European Party of Ukraine [Mykola KATERYNCHUK]; Front of Change []; Our Ukraine [Valentyn NALYVAICHENKO]; Party of Industrialists and Entrepreneurs [Anatoliy KINAKH]; Party of Regions [Mykola AZAROV, chairman]; Party of the Defenders of the Fatherland [Yuriy KARMAZIN]; People's Movement of Ukraine (Rukh) [Borys TARASYUK]; People's Party []; Peoples' Self-Defense Party [Oleh NOVIKOV]; Progressive Socialist Party [Natalya VITRENKO]; Radical Party [Oleh LYASHKO]; Reforms and Order Party [Viktor PYNZENYK]; Republican Party Sobor [Anatoliy MATVIYENKO]; Social Democratic Party [Yevhen KORNICHUK]; Social Democratic Party (United) or SDPU(o) [Yuriy ZAHORODNIY]; Socialist Party of Ukraine or SPU [Oleksandr MOROZ]; Svoboda [Oleh TYAHNYBOK]; Ukrainian Democratic Alliance for Reforms or UDAR [Vitaliy KLYCHKO]; Ukrainian People's Party [Yuriy KOSTENKO]; Union [Lev MIRIMSKY]; United Center [Viktor BALOHA]; Viche [Inna BOHOSLOVSKA]

(CIA World Factbook: Ukraine, 31.12.2012, https://www.cia.gov/library/publications/the-world- factbook/geos/up.html)

Menschenrechte

Die Verfassung sieht das Amt eines Ombudsmanns vor, offiziell Ukrainischer Parlamentarischer Kommissar f¿r Menschenrechte. Dieses Amt wird seit 27.4.2012 von Valeriya Lutkovska ausge¿bt. Der Ombudsmann hat das Recht Untersuchungen innerhalb der Sicherheitsorgane zu veranlassen.

Menschenrechtsorganisationen kritisierten den Ombudsmann weil er zu wenig mit den Menschenrechtsorganisationen zusammenarbeite und keine regionalen B¿ros er¿ffnet. 2011 wendeten sich 164.146 Personen mit Beschwerden an den Ombudsmann. Ca. 45% der Beschwerden betrafen Menschenrechtsfragen (haupts¿chlich das Recht auf einen fairen Prozess, Misshandlung durch Sicherheitsbeh¿rden, Umsetzung von Gerichtsurteilen), der Rest betraf soziale, wirtschaftliche, individuelle und politische Rechte.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012 / Homepage des Ombudsmanns: http://www.ombudsman.gov.ua/en/,)

Die Ukraine ist Vertragsstaat der meisten Menschenrechtsabkommen des Europarates und der Vereinten Nationen.

Eine Reihe von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen ist in der Ukraine aktiv; ihr Engagement wird deutlich wahrgenommen.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Innenpolitik, Dezember 2012)

Meinungs- und Pressefreiheit

www.ris.bka.gv.at Seite 4 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Die B¿rgergesellschaft entwickelte sich nach der "Orangenen Revolution" deutlich lebendiger als fr¿her. Es entstand au¿erdem eine pluralistische Medienlandschaft. Seit der Amts¿bernahme von Pr¿sident Janukowytsch mehren sich jedoch Einschr¿nkungen der Pressefreiheit. Die Print- und Internet-Medien berichten weitgehend ungehindert, ihr Einfluss als "vierte Gewalt" ist dabei allerdings begrenzt. Hauptmedium f¿r die meisten Menschen ist das Fernsehen. Dieses steht ganz ¿berwiegend unter staatlicher oder regierungsnaher Kontrolle.

Die finanzielle Abh¿ngigkeit der Journalisten von den Eigent¿mern der Medienunternehmen, die oft einflussreiche Gr¿¿en in Wirtschaft und/oder Politik sind, ist problematisch. Des Weiteren erweckt die strafrechtliche Verfolgung von Angeh¿rigen der ehemaligen Regierung und ihres Umfelds den Eindruck politisch motivierter, selektiver Justiz.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Innenpolitik, Dezember 2012)

Die Verfassung und die Gesetze garantieren Rede- und Pressefreiheit. Trotzdem sch¿chterte in der Praxis Druck der Regierung in manchen F¿llen Journalisten und Medieneigner ein und f¿hrte zu F¿llen von Selbstzensur. Es gab zahlreicher Berichte ¿ber Versuche von nationalen und lokalen Beamten, direkt auf den Medieninhalt Einfluss zu nehmen. Einzelpersonen stand es frei die Regierung ¿ffentlich und privat zu kritisieren und unabh¿ngige und internationale Medien waren aktiv und ver¿ffentlichten eine gro¿e Bandbreite an Meinungen. Private Medien arbeiteten generell frei von staatlicher Einmischung, es gab jedoch in privaten und staatlichen Medien eine Tendenz zur Selbstzensur in Bereichen, die die Regierung betrafen. Private Zeitungen waren finanziell oft abh¿ngig von ihren Eigent¿mern und daher in ihrer redaktionellen Freiheit eingeschr¿nkt.

Der Internetzugang wird nicht beschr¿nkt. Die friedliche Entfaltung der freien Meinung in Internet und E-Mail durch einzelne und Gruppen wird nicht behindert, das Internet selbst wird aber von Gesetzesh¿tern ¿berwacht. Etwa 34% der Ukrainer haben Zugang zum Internet.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Die Vergabe von digitalen Sendelizenzen an Firmen aus dem Umfeld der Regierung gibt Anlass zur Sorge in Bezug auf die Zukunft der Medienfreiheit und -pluralit¿t. Journalisten berichteten F¿lle von Zensur und Bedrohung durch Sicherheitsbeh¿rden. Eine abteilungs¿bergreifende Arbeitsgruppe unter der Pr¿sidialadministration wurde gegr¿ndet, um F¿lle von Verletzungen der Rechte von Journalisten anzusprechen. Die Journalisten begr¿¿en das, w¿nschen sich aber mehr Ergebnisse von den Treffen der Arbeitsgruppe.

Im Juni 2011 wurde ein Gesetzesentwurf zum ¿ffentlichen Rundfunk dem Europarat zur Begutachtung ¿bermittelt.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Die Ukraine hat einen diversifizierten, wettbewerbsf¿higen Medienmarkt. Die Medien geben eine Bandbreite politischer Sichtweisen wieder, aber w¿hrend die staatlichen Medien weiter im Sinne der Regierung berichten, wurden viele private Medien, vor allem landesweite Fernsehsender, empf¿nglicher f¿r die W¿nsche der Beh¿rden. Selbstzensur ist ein sichtbares Ph¿nomen und viele Sender entpolitisierten 2011 ihr Programm.

(Freedom House: Nations in Transit 2012 - Ukraine, 6.6.2012)

Opposition

Die Verfassung und die Gesetze garantieren den B¿rgern das Recht ihre Regierung abzuw¿hlen und die B¿rger machten von diesem Recht in freien und fairen Wahlen mit allgemeinem Wahlrecht Gebrauch. Einige der j¿ngsten Wahlen gen¿gten nicht internationalen Standards von Transparenz und Fairness.

Es gibt ein verfassungsm¿¿iges Recht auf Versammlungsfreiheit, aber es gibt Berichte ¿ber gelegentliche Versuche von Beh¿rden diese einzuschr¿nken. Es gibt ein verfassungsm¿¿iges Vereinigungsrecht, das von der Regierung generell respektiert wird.

Es gibt ein verfassungsm¿¿iges Recht auf Vereinigungsfreiheit Die Regierung respektierte dieses in der Praxis generell, einige Einschr¿nkungen blieben aber bestehen. Es gibt aufw¿ndige Bestimmungen f¿r die Registrierung von Vereinigungen. Aber es gibt keine Hinweise, dass sie verwendet wurden um existierende Vereine zu verbieten oder die Gr¿ndung neuer zu verhindern. www.ris.bka.gv.at Seite 5 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Bei den Parlamentswahlen am 28. Oktober 2012 wurde die "Partei der Regionen" von Staatspr¿sident Janukowytsch st¿rkste Fraktion.

Die Wahlen wurden von ¿ber 3.700 internationalen Wahlbeobachtern beobachtet, hinzu kamen zahlreiche nationale Beobachtermissionen. OSZE und andere westliche Wahlbeobachtermissionen ¿u¿erten sich kritisch zum Verlauf der Wahlen, insbesondere zur fehlenden Chancengleichheit im Wahlkampf (Missbrauch staatlicher Mittel f¿r Wahlkampfzwecke, intransparente Parteienfinanzierung, unausgewogene Medienberichterstattung) und zu den Unregelm¿¿igkeiten und Verz¿gerungen bei der Ausz¿hlung in strittigen Direktwahlkreisen.

St¿rkste Oppositionsfraktion wurde die "Vereinigte Opposition" unter F¿hrung von Julija Tymoschenkos "Vaterlandspartei". Im Fr¿hjahr 2012 haben sich die Partei von Julia Tymoschenko sowie "Front Smin" und f¿nf weitere kleinere Parteien zur "Vereinigten Opposition" zusammengeschlossen und eine gemeinsame Liste f¿r die Parlamentswahlen aufgestellt.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Innenpolitik, Dezember 2012)

Prozesse gegen Oppositionsf¿hrer und Mitglieder der fr¿heren Regierung, welche nicht internationalen Standards der fairen, transparenten und unabh¿ngigen Rechtsprechung gen¿gten, best¿tigten den Eindruck politisch motivierter selektiver Justiz. Gegen mehr als 20 hohe Vertreter der fr¿heren Regierung, darunter die ehemalige Regierungschefin Julia Timoschenko, gerieten ins Visier der Justiz. Wie Timoschenko wurden auch der ehemalige Innenminister und der ehemalige Verteidigungsminister Valeriy Ivashchenko verurteilt.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Haftbedingungen

Die Bedingungen in ukrainischen Gef¿ngnissen waren weiterhin schlecht. Zu den gr¿¿ten Problemen z¿hlen ¿berbelegung, Misshandlung, ungen¿gende sanit¿re Situation, mangelnde medizinische Versorgung etc. Die Regierung erlaubte ¿berpr¿fungen durch unabh¿ngige Menschenrechtsbeobachter und solche fanden auch statt.

Ende 2011 waren laut offizieller Statistik 154.029 Personen in Haft, davon 37.632 in Untersuchungsgef¿ngnissen. Ca. 9.480 waren Frauen und 2.092 Jugendliche. 1.196 Personen starben 2011 in Haft, davon 60 durch Selbstmorde und 4 durch Mord.

Die Bedingungen in Polizei- und in Untersuchungsgef¿ngnissen waren h¿rter als in Gef¿ngnissen niedriger oder mittlerer Sicherheitsstufe.

In den ersten 11 Monaten 2011 sa¿en ca. 235.000 Personen in Polizeigef¿ngnissen. 22 davon starben, davon 11 durch Selbstmord und 11 durch Krankheit. Ende 2011 sa¿en 228 H¿ftlinge lebenslange Strafen in Untersuchungsgef¿ngnissen ab.

Die gesetzlich festgelegte Fl¿che pro Gefangenen liegt bei ca. 2,5 Quadratmetern, in den ukr. Untersuchungsgef¿ngnissen lag sie 2011 bei ca. 2,2 Quadratmetern.

Ende 2011 hatten gesch¿tzte 4.052 H¿ftlinge Tuberkulose. Die Gef¿ngnisverwaltung gestand ein, dass Tbc ein gro¿es Problem wegen schlechter Bedingungen und ungen¿gender mediz. Ressourcen zur Behandlung von Tbc- Patienten in Untersuchungsgef¿ngnissen ist. Die Regierung erlaubte unabh¿ngige Monitoring-Besuche durch lokale und internationale Menschenrechtsgruppen.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Internationale und nationale Menschenrechtsorganisationen berichten ¿ber eine zunehmende Zahl von Beschwerden ¿ber Folter und Misshandlung in Hafteinrichtungen und ¿ber M¿ngel bei der Sicherstellung angemessener medizinischer Versorgung. Untersuchungshaft wird ma¿los angewendet. ¿berbelegung ist ein Problem. www.ris.bka.gv.at Seite 6 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Es werden gerade 24 neue, sogenannte temporary holding facilities, unter der Hoheit des ukr. Innenministeriums gebaut, 57 weitere werden gerade erneuert.

Das Personal von Gef¿ngnissen wird regelm¿¿ig darauf hingewiesen, dass die Misshandlung Gefangener nicht akzeptierbar ist und streng bestraft werden kann. Es wurde ein computergest¿tztes System zur Erfassung der B¿rgerbeschwerden in Betrieb genommen. 2009 wurden 791 Beschwerden wegen Misshandlung Gefangener durch Gef¿ngnispersonal gez¿hlt, 2010 waren es 536. Untersuchungen wurden vorgenommen.

Sie Gesetzes¿nderung des ukr. Parlaments vom 21. J¿nner 2010 verbesserte auch den sozialen und legalen Status Verurteilter, inklusive Lebensl¿nglicher.

Jeder Verurteilte erh¿lt nach Antrag an die Gef¿ngnisverwaltung die optimale Gesundheitsversorgung. Wenn dies auf der Krankenstation des Gef¿ngnisses nicht m¿glich ist, wird der betreffende Gefangene in eine entsprechende Einrichtung der Gef¿ngnisbeh¿rde oder des Gesundheitsministeriums verlegt.

Die Mediziner im Tuberkulose-Krankenhaus des Gef¿ngnisses No. 89 in Dnipropetrowsk sind sehr gut ausgebildet. Alle f¿nf Jahre m¿ssen sie ihre Qualifikation best¿tigen lassen. Zurzeit gibt es dort 8 ¿rzte der zweiten, weitere 8 ¿rzte der ersten, sowie drei ¿rzte der h¿chsten Qualifikationsstufe, dazu 3 Kandidaten. Dazu gibt es 55 Schwestern, wovon 46 die h¿chste Qualifikationsstufe vorzuweisen haben.

2009 wurden der Gef¿ngnisbeh¿rde 39,8 Mio. UAH aus dem staatlichen Budget f¿r medizinische Zwecke zur Verf¿gung gestellt, was 34,9% des Betrages darstellt, der notwendig gewesen w¿re um jene H¿ftlinge mit TBC, AIDS u.a. k¿rperlichen Krankheiten zu behandeln. Generell sind alle grundlegenden Arten von Medikamenten in den Krankenrevieren der Untersuchungsgef¿ngnisse und Gef¿ngnisse, sowie in den Anstaltsspit¿lern, im vorgesehenen Ausma¿ vorhanden.

Die staatlichen Programme zur TBC/HIV-Pr¿vention setzen folgende Ma¿nahmen in den Gef¿ngnissen um: Das Programm zur Verbesserung der TBC-Pr¿ventionsma¿nahmen 2007-2010 und das Programm f¿r Pr¿vention, Pflege und Unterst¿tzung f¿r HIV-Infizierte und zur Pflege AIDS-Kranker. Die TBC-Medikamenteneinnahme wird ¿berwacht. Es gibt eine monatliche epidemiologische Untersuchung der Haftanstalten. Das medizinische Personal nimmt an den TBC-Pr¿ventionsseminaren des Gesundheitsministeriums teil. Die Behandlung in den Hafteinrichtungen konnte verbessert und die epidemiologische Situation stabilisiert werden. HIV/AIDS- Untersuchungen werden in den Gef¿ngnissen der Region Kiew vorgenommen. Die Gef¿ngnisse verf¿gen ¿ber die volle Bandbreite antiretroviraler Medikamente. Am 1. Juli 2010 gab es in ukr. Gef¿ngnissen 5.862 HIV- positive Gefangene. Davon erhielten 623 eine antiretrovirale Therapie (ART). Mit 1. August 2010 gab es in ukr. Gef¿ngnissen 5.467 Gefangene mit Tuberkulose, wovon 19% multiresistent sind. Die Weltbank hat im Rahmen eines Projektes die ukrainischen Gef¿ngnisse mit 85 bakteriologischen Laboren und mit TBC-Medizin unterst¿tzt.

Die Gef¿ngnisbeh¿rde bem¿ht sich, um die Versorgung f¿r Gefangene mit psychiatrischer Betreuung zu verbessern. Jedes Untersuchungsgef¿ngnis hat einen speziellen Bereich f¿r psychisch Kranke. Die Gef¿ngnispsychiater m¿ssen sich gem¿¿ den Richtlinien des ukr. Gesundheitsministeriums fortbilden. Wenn Krankenhauseinweisung n¿tig sein sollte, kann der Patient in ein spezialisiertes Spital gebracht werden. Das ukr. Justizministerium hat ein Gesetz zur Verbesserung der Haftbedingungen von psychisch Kranken vorbereitet. 2010 haben im Rahmen einer Kooperation mit dem staatlichen Zentrum f¿r Sozialdienste f¿r die Jugend mehr als 400 Psychologen und 170 andere Experten mit den 18.000 betroffenen Gefangenen gearbeitet. Personen mit geistigen St¿rungen k¿nnen nicht verurteilt werden. Diese in ein einem Untersuchungsgef¿ngnis zu inhaftieren verst¿¿t gegen die Menschenrechte.

Die Behandlung drogens¿chtiger Gefangener wird im Einklang mit den Empfehlungen des ukr. Gesundheitsministeriums durchgef¿hrt. Die Einf¿hrung der Substitutionstherapie wird beraten. Am 1. Juli 2009 beteiligten sich 7.700 Gefangene an einem Alkohol/Drogen-Pr¿ventionsprogramm. Mit 1. Juli 2010 waren in ukr. Gef¿ngnissen 3.600 Drogens¿chtige f¿r regelm¿¿ige medizinische Tests durch einen Facharzt vorgemerkt. In den ersten 6 Monaten 2010 erhielten 370 Personen eine verpflichtende Drogentherapie (im selben Zeitraum 2009 waren es 440; 2008 waren es 1.377).

www.ris.bka.gv.at Seite 7 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

(CoE - Council of Europe: Response of the Ukrainian Government to the report of the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) on its visit to Ukraine from 9 to 21 September 2009, 23.11.2011)

Die Bedingungen in den besuchten tempor¿ren Hafteinrichtungen (Temporary Holding Facilities) der Polizei waren generell gut, was den Allgemeinzustand der Einrichtungen, Zugang zu nat¿rlichem Licht, Bel¿ftung und Ausstattung der Zellen betrifft. Inhaftierte hatten Zugang zu einer Stunde Bewegung in Freien pro Tag. In einigen kleineren Einrichtungen wurden Substandard-Zellen im April/Mai bis zu deren Renovierung geschlossen.

Die materiellen Bedingungen der Jugendabteilungen der Untersuchungsgef¿ngnisse (Pre-Trial Establishments) in Kiew und Charkiw waren generell gut. Die Bedingungen in den anderen Abteilungen hingegen schlecht, Allgemeinzustand und Zugang zu Tageslicht waren ungen¿gend und in manchen Abteilungen war ¿berbelegung ein Problem. In Kiew waren zum Besichtigungszeitpunkt 3.761 Inhaftierte bei einer Kapazit¿t von 2.850, in Charkiw 3.415 Inhaftierte bei einer Kapazit¿t von 2.808.

(CoE - Council of Europe: Report to the Ukrainian Government on the visit to Ukraine carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 29 November to 6 December 2011, 14.11.2012)

Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in der Ukraine f¿r alle Straftaten abgeschafft.

(AI - Amnesty International: Jahresbericht 2012, 24.5.2012)

Justiz

Die Verfassung und garantiert eine unabh¿ngige Justiz. In der Praxis war die Justiz jedoch weiterhin politischem Druck ausgesetzt und litt unter Korruption, Ineffektivit¿t und mangelndem ¿ffentlichem Vertrauen. In manchen F¿llen erschien der Ausgang von Prozessen vorgegeben.

Verfahren dauerten lange, vor allem an den Verwaltungsgerichten. Knappe Geldmittel, ein Mangel an Rechtsbeist¿nden und die Unf¿higkeit der Gerichte Urteile durchzusetzen, waren ein Problem.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Das ukrainische Justizsystem ist recht komplex. Es besteht aus vier Ebenen der Rechtsprechung: Lokale Gerichte der zivilen und Strafrechtsprechung sowie lokale Spezialgerichte (Handels- oder Verwaltungsrechtsprechung); Berufungsgerichte der zivilen und Strafrechtsprechung sowie lokale Spezialberufungsgerichte (Handels- oder Verwaltungsrechtsprechung); Oberste Gerichte mit spezialisierter Rechtsprechung (Oberstes Spezialgericht f¿r zivile und Strafrechtsf¿lle, Oberstes Verwaltungsgericht, Oberstes Handelsgericht); Oberster Gerichtshof. Die genaue Verteilung der Verantwortungen zwischen den verschiedenen Gerichten ist unklar und Gegenstand verschiedener Interpretationen.

Die Annahme des Gesetzes ¿ber das Justizsystem und den Status von Richtern im Juli 2010 machte das Oberste Spezialgericht f¿r zivile und Strafrechtsf¿lle zum Kassationsgericht f¿r zivile und strafrechtliche F¿lle; eine Funktion die vorher der Oberste Gerichtshof ausgef¿llt hatte. Diesen Umstand kritisierte die Venediger Kommission und empfahl diese Entscheidung zu ¿berdenken. Daraufhin nahm das ukr. Parlament im Oktober 2011 eine Gesetzes¿nderung an, die dem Obersten Gerichtshof einige seiner Kompetenzen wieder zur¿ckgab.

Die Justiz der Ukraine ist chronisch unterfinanziert. Dazu gibt es ein Problem mit Altf¿llen aufgrund sich immer mehr erh¿hender Arbeitspensa. Richter an lokalen Gerichten hatten 2010 durchschnittlich 121 F¿lle monatlich zu bearbeiten, 2009 waren es 103 F¿lle.

Der Menschenrechtskommissar ¿u¿erte Bedenken wegen m¿glicher politischer Einflussnahme auf Richter, speziell in der Probezeit.

www.ris.bka.gv.at Seite 8 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Die wichtigsten Themen in den EGMR-Urteilen zur Ukraine betreffen die Nichtumsetzung bzw. verz¿gerte Umsetzung von Gerichtsurteilen, ungesetzlichen oder exzessiv langen Freiheitsentzug bzw. Untersuchungshaft, ¿berlange Verfahren und das Fehlen von Rechtsbehelfen dagegen.

(CoE - Council of Europe: Bericht von Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg: Administration of justice and protection of human rights in the justice system in Ukraine, 23.2.2012)

Seit dem Amtsantritt von Staatschefs Viktor Janukowitsch im Jahr 2010 geht die ukrainische Justiz gegen die ehemalige Regierungschefin Julia Timoschenko und deren Umgebung vor. Timoschenko selbst wurde im Oktober in einem international umstrittenen Prozess zu sieben Jahren Haft verurteilt. Sie wurde schuldig gesprochen, bei der Unterzeichnung von Gasvertr¿gen mit Russland im Jahr 2009 ihre Amtsbefugnisse ¿bertreten und dem ukrainischen Staat einen Schaden in dreistelliger Euro-Millionenh¿he zugef¿gt zu haben. Kurz danach leitete die ukrainische Steuerbeh¿rde ein neues Verfahren wegen Steuerhinterziehung gegen Timoschenko ein. Das Urteil gegen Timoschenko wurde international als ein Akt der Politjustiz verurteilt.

(Ria Novosti: Timoschenkos Ehemann bekommt Asyl in Tschechien, 6.1.2012, http://de.rian.ru/politics/20120106/262411504.html)

Bedenken betreffend Respekt vor der Rechtsstaatlichkeit und St¿rkung der Rechtsprechung bleiben. Prozesse gegen Oppositionsf¿hrer und Mitglieder der fr¿heren Regierung, welche nicht internationalen Standards der fairen, transparenten und unabh¿ngigen Rechtsprechung gen¿gten, best¿tigten den Eindruck politisch motivierter selektiver Justiz. Gegen mehr als 20 hohe Vertreter der fr¿heren Regierung, darunter die ehemalige Regierungschefin Julia Timoschenko, gerieten ins Visier der Justiz. Wie Timoschenko wurden auch der ehemalige Innenminister Yuriy Lutsenko und der ehemalige Verteidigungsminister Valeriy Ivashchenko verurteilt.

Die Nationale Kommission zur St¿rkung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit arbeitete gem¿¿ Empfehlungen der Venediger Kommission an Gesetzes¿nderungen zum Gesetz ¿ber das Justizsystem und den Status von Richtern. Die Venediger Kommission best¿tigte, dass die ¿nderungen einige wichtige Verbesserungen beinhalteten, und empfahl dar¿ber hinaus eine ¿nderung der Verfassung bez¿glich Ernennung und Abberufung von Richtern.

Die Umsetzung eines EGMR-Piloturteils bez¿glich Nichtumsetzung von Gerichtsurteilen wurde von der Ukraine immer noch nicht umgesetzt.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Sicherheitsbeh¿rden

Das Innenministerium ist f¿r die Durchf¿hrung der Gesetze und die innere Ordnung zust¿ndig. Dem Innenministerium unterstehen die Polizei sowie eigene bewaffnete Truppen. Der ukrainische Geheimdienst (SBU) ist direkt dem Pr¿sidenten verantwortlich. Die staatliche Steuerbeh¿rde (mit Steuerpolizei) ist dem Pr¿sidenten und dem Ministerkabinett verantwortlich.

Das Gesetz garantiert zivile Kontrolle von Armee und Sicherheitsbeh¿rden.

Es gibt Parlamentariern ein Untersuchungsrecht und ein Recht ¿ffentlicher Anh¿rungen. Der Ombudsmann ist autorisiert Untersuchungen zu veranlassen.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Die Verfassung und die Gesetze verbieten Folter, dennoch gab es Berichte ¿ber Polizeigewalt. NGOs berichteten 2011von 240 Beschwerden.

Die Gesetze verbieten es nicht ausdr¿cklich, erzwungene Aussagen vor Gericht zu verwenden. Aufgrund von schlechter Ausbildung oder Ausr¿stung verlie¿en sich Polizisten ¿berm¿¿ig auf Gest¿ndnisse, um F¿lle aufzukl¿ren. Versuche derartige F¿lle aufzukl¿ren wurden durch ineffektive Strukturen und limitierten Zugang der Betroffenen zu Verteidigern bzw. ¿rzten erschwert.

www.ris.bka.gv.at Seite 9 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

In den letzten Jahren nahmen die Berichte ¿ber Polizeigewalt zu.

(Freedom House: Freedom in the World 2013, 01.2013)

Es gab weiterhin Meldungen ¿ber Folter und andere Misshandlungen in Polizeigewahrsam. Der Europ¿ische Gerichtshof f¿r Menschenrechte f¿llte neun Urteile gegen die Ukraine wegen Versto¿es gegen Artikel 3 der Europ¿ischen Menschenrechtskonvention, der ein Verbot der Folter vorsieht.

In Bezug auf Straftaten, die von der Polizei begangen wurden, herrschte nach wie vor ein Klima der Straflosigkeit.

(AI - Amnesty International: Jahresbericht 2012, 24.5.2012)

Misshandlung in Haft durch die Polizei ist weiterhin ein Problem. Die Ukraine hat das Fakultativprotokoll zum ¿bereinkommen gegen Folter im September 2006 ratifiziert, es fehlt aber bisher ein nationaler Pr¿ventionsmechanismus. Per Dekret vom 27.9.2011 gr¿ndete Pr¿sident Janukowitsch eine Anti-Folter Kommission als Beratungsgremium des Pr¿sidenten. (CoE - Council of Europe: Bericht von Menschenrechtskommissar Thomas Hammarberg: Administration of justice and protection of human rights in the justice system in Ukraine, 23.2.2012)

Obwohl die Anti-Folter Kommission nicht als nationaler Pr¿ventionsmechanismus im Sinne des Fakultativprotokolls gilt, weil es verfassungsrechtliche Probleme gibt, sieht man sie dennoch als einen ersten Schritt in diese Richtung. Gleichzeitig werden Schritte unternommen das B¿ro des Ombudsmanns zum nationalen Pr¿ventionsmechanismus auszubauen.

(CoE - Council of Europe: Response of the Ukrainian Government to the report of the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) on its visit to Ukraine from 29 November to 6 December 2011, 14.11.2012)

Personen in Polizeigewahrsam erhoben Vorw¿rfe physischer und psychischer Gewalt von Polizisten ausgesetzt gewesen zu sein. Der ukr. Innenminister ordnete in einem am 31. M¿rz 2011 herausgegebenen Befehl verschiedene organisatorische Ma¿nahmen zur Verhinderung von Polizeibrutalit¿t an, darunter eine spezielle Beobachtungsstelle f¿r Polizeiaktivit¿ten, die statistische Erfassung von Menschenrechtsverletzungen durch Sicherheitsbeh¿rden, unangek¿ndigte ¿berpr¿fungen, usw. Derartige Vorf¿lle sollen nicht mehr toleriert werden.

Im Juli 2011 wurde der ehemalige Interne Sicherheitsdienst des ukr. Innenministeriums in die Abteilung f¿r Interne Sicherheit umgewandelt und als eigene Einheit direkt dem Minister unterstellt.

2010 wurden 6.817 Gewaltvorw¿rfe gegen Polizisten bei den Staatsanwaltschaften registriert. 88 davon (167 Beamte betreffend) f¿hrten zu einer Anklage. 133 Beamte (88 F¿lle) wurden verurteilt (76 Haftstrafen, 52 bedingte Haftstrafen, 4 Freiheitsbeschr¿nkungen und 1 Bu¿geld).

2011 gingen bis Oktober 3.999 Gewaltvorw¿rfe bei den Staatsanwaltschaften ein. 61 F¿lle f¿hrten zu Ermittlungen. Von 114 Beamten wurden 72 verurteilt (36 Haftstrafen, 33 bedingte Haftstrafen bzw. Freiheitsbeschr¿nkungen, 2 Freiheitsbeschr¿nkungen und 1 Bu¿geld).

Seit 1. November 2011 erhielt die Interne Sicherheit des ukr. Innenministeriums 2.586 Anzeigen von B¿rgern wegen Verletzung ihrer Rechte durch Polizisten, davon 639 wegen K¿rperverletzung. 64 F¿lle von K¿rperverletzung wurden best¿tigt. In 35 F¿llen wurde daraufhin Anklage erhoben. 250 Polizeibeamte wurden disziplinar bestraft, 36 entlassen.

Bis 30. Juni 2012 hatten die Gerichte 7 von der Internen Sicherheit des ukr. Innenministeriums angezeigte F¿lle geh¿rt und insgesamt 15 Beamte verurteilt. Diese wurden entlassen.

In jenen F¿llen, in denen die Staatsanwaltschaft zwar eine Anklagerhebung verweigert aber disziplin¿re Verst¿¿e erkennt, werden disziplin¿re Ma¿nahmen gegen die betreffenden Beamten eingeleitet.

www.ris.bka.gv.at Seite 10 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Am 13. April 2012 nahm das ukr. Parlament eine neue Strafprozessordnung an, die von europ¿ischen Experten generell positiv bewertet wurde und als wichtigste ¿nderungen vorsieht: St¿rkung der Garantien betreffend Schutz der Rechte von Verd¿chtigten und Beschuldigten, erweiterte Opferrechte, neugeregelte Untersuchungsphase, Modernisierung der richterlichen Aufsicht, Einf¿hrung einer neuen richterlichen Untersuchungsprozedur, Modernisierung des Beschwerdeverfahrens, usw. Die Gerichte werden Urteile in Zukunft nicht mehr auf Gest¿ndnisse st¿tzen d¿rfen, die Angeklagte den Ermittlern gegen¿ber abgegeben hat oder sich auf diese beziehen d¿rfen. Dadurch sollen f¿r die Polizei die Versuchung entfallen Gest¿ndnisse zu erzwingen.

(CoE - Council of Europe: Report to the Ukrainian Government on the visit to Ukraine carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 29 November to 6 December 2011, 14.11.2012 / CoE - Council of Europe: Response of the Ukrainian Government to the report of the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) on its visit to Ukraine from 29 November to 6 December 2011, 14.11.2012)

Korruption

Die Gesetze verbieten Korruption, jedoch wird sie ineffektiv verfolgt und Strafen werden selten verh¿ngt. Korruption ist ein in Legislative, Judikative, Exekutive und Gesellschaft weit verbreitetes Problem.

Am 1. Juli 2011 trat das Gesetz ¿ber Grundprinzipien der Pr¿vention und Bek¿mpfung von Korruption in Kraft. Es erweiterte die Liste der Personen, die f¿r Korruption zur Rechenschaft gezogen werden k¿nnen und f¿hrte umfassende Bestimmungen f¿r Beamte ein.

Polizeikorruption war weiterhin ein Problem. Gem¿¿ B¿ro des Generalstaatsanwalts wurden 2011 Anklagen wegen Korruption u.a. gegen 385 Polizisten, 120 Finanzbeamte, 36 Zollbeamte, 18 Staatsanw¿lte und 86 Justizwachebeamte er¿ffnet. 35 Richter wurden wegen Korruption vor Gericht gebracht, 16 wurden wegen Vergehen verurteilt.

Laut einer Umfrage waren in den 12 Monaten bis zum September 2011 60% der Befragten in korrupte Handlungen mit Staatsbeamten verwickelt.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Beim Kampf gegen Korruption gab es keine signifikanten Fortschritte. Im Juli 2011 traten das Gesetz ¿ber die Prinzipien der Vorbeugung und Bek¿mpfung von Korruption und das Gesetz ¿ber die ¿nderung einiger legislativer Akte betreffend die Haftung f¿r Korruptionsvergehen, in Kraft. Die Gesetze sind aber stellenweise zweideutig und entsprechen nicht vollst¿ndig den Anforderungen von Europarat und Vereinten Nationen.

Im Oktober 2011 wurde die Nationale Antikorruptionsstrategie angenommen. Einige wichtige Punkte, wie etwa die Bildung einer Antikorruptionsbeh¿rde, werden von ihr jedoch nicht behandelt. Der zugeh¿rige Aktionsplan wird noch erstellt. Die institutionellen Rahmenbedingungen zur Verhinderung von Korruption, zur Umsetzung von Antikorruptionspolitik, zur Durchsetzung der Antikorruptionsgesetze und zur Verfolgung von Gesetzesverletzungen, sind noch nicht gegeben.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Die Ukraine liegt im 2012 Corruption Perceptions Index von Transparency International mit einer Bewertung von 26 (von 100) (0=highly corrupt, 100=very clean) auf Platz 144 (von 176). 2011 lag das Land mit Bewertung 2,3 (von 10) auf Platz 152 (von 183).

(Transparency International: 2011 Corruption Perceptions Index / Transparency International: 2012 Corruption Perceptions Index, http://www.transparency.org/cpi2012/results)

In der Ukraine ist Bestechung im ¿ffentlichen wie im privaten Sektor in aktiver und passiver Form verboten (im privaten Sektor seit 7. April 2011). Das Strafgesetzbuch wurde k¿rzlich ge¿ndert um die ukr. Gesetzgebung auf diesem Gebiet n¿her an internationale Standards heranzuf¿hren, namentlich das Strafrechts¿bereinkommen des Europarates gegen Korruption und sein Zusatzprotokoll, die in der Ukraine seit M¿rz 2010 gelten. Die Gesetze No. 3207-VI und 3206-VI (Gesetz ¿ber die Prinzipien der Vorbeugung und Bek¿mpfung von Korruption und Gesetz ¿ber die ¿nderung einiger legislativer Akte betreffend die Haftung f¿r Korruptionsvergehen), die sich www.ris.bka.gv.at Seite 11 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013 beide gegen Korruption richten, wurden am 7. April 2011 beschlossen und traten am 1. Juli 2011 in Kraft. Sie brachten einige ¿nderungen in der Definition von Bestechung, bei den zur Verf¿gung stehenden Sanktionen, etc. Trotz einiger wichtiger Verbesserungen, gen¿gen diese Ma¿nahmen aber noch nicht f¿r eine vollst¿ndige Umsetzung der Standards des Strafrechts¿bereinkommens.

Vor allem die Existenz von zwei parallelen Systemen von Korruptionstatbest¿nden ist ein Hindernis. So gibt es sowohl im Strafgesetzbuch, als auch im 2011 ge¿nderten Code of Administrative Offences gesetzliche Bestimmungen zu Korruption. Die Gruppe der Staaten gegen Korruption (GRECO) sieht in der Existenz von Parallelsystemen die M¿glichkeit zur Manipulation.

(CoE - Council of Europe - Group of States Against Corruption: Third Evaluation Round Evaluation Report on Ukraine Incriminations (Theme I), 21.10.2011)

Nichtregierungsorganisationen

Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen arbeitete im Land generell ohne Einmischung der Regierung. Sie untersuchten Menschrechtsf¿lle und ver¿ffentlichten ihre Ergebnisse. Trotz Berichten ¿ber beh¿rdliche Einsch¿chterungsversuche kritisierten die NGOs die Regierung weiter.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Im M¿rz 2012 wurde zur Verbesserung der Gesetzgebung im Bereich Versammlungsfreiheit, ein neues Gesetz ¿ber ¿ffentliche Vereinigungen angenommen, was von der Zivilgesellschaft begr¿¿t wurde. Der Gesetzesentwurf war in enger Zusammenarbeit mit Gruppen der Zivilgesellschaft erarbeitet worden.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Die Zivilgesellschaft ist in der Ukraine weiterhin ein wichtiger Akteur, agiert in einem relativ freien Umfeld und ihre Repr¿sentanten traten bei zahlreichen ¿ffentlichen Veranstaltungen auf. Die Regierung setzte in den meisten F¿llen den Dialog mit ihr in bereits etablierten Formaten fort. Gem¿¿ den Gesetzen wurden hunderte B¿rgerr¿te mit mehr als 9.000 Mitgliedern (39% davon NGO-Vertreter) auf verschiedenen Regierungseben gebildet. Oft jedoch waren NGOs mit der dortigen Form der ¿ffentlichen Partizipation unzufrieden und ihnen eine eher dekorative Rolle nachgesagt. Fortschritte gab es bei der Gesetzgebung zu NGOs.

Im J¿nner 2011 wurde das Gesetz ¿ber Zugang zu ¿ffentlicher Information angenommen, das Verbesserungen bringt und ein positives Beispiel der Zusammenarbeit zwischen Regierung und NGOs ist.

2011 erreichte die Zahl der registrierten NGOs 70.000, aber laut einem Bericht des Justizministeriums sind ca. 65% davon inaktiv. Nach anderen Sch¿tzungen sind nur 4-5.000 NGOs aktiv.

Im September 2011 wurde der radikalen Gruppe Femen die Registrierung verweigert, wegen des Vorwurfs sie k¿nne die soziale Ordnung st¿ren.

(Freedom House: Nations in Transit 2012 - Ukraine, 6.6.2012)

Eine Reihe von nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen ist in der Ukraine aktiv, ihr Engagement wird deutlich wahrgenommen.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Innenpolitik, Dezember 2012)

Ombudsmann

Die Verfassung sieht das Amt eines Ombudsmanns vor, offiziell Parlamentarischer Kommissar f¿r Menschenrechte. Dieses Amt wird seit 27.4.2012 von Valeriya Lutkovska ausge¿bt.

Menschenrechtsorganisationen kritisierten den Ombudsmann weil er zu wenig mit den Menschenrechtsorganisationen zusammenarbeite und keine regionalen B¿ros er¿ffnete.

www.ris.bka.gv.at Seite 12 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

2011 wendeten sich 164.146 Personen mit Beschwerden an den Ombudsmann. Ca. 45% der Beschwerden betrafen Menschenrechtsfragen (haupts¿chlich das Recht auf einen fairen Prozess, Misshandlung durch Sicherheitsbeh¿rden, Umsetzung von Gerichtsurteilen), der Rest betraf soziale, wirtschaftliche, individuelle und politische Rechte.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012 / Homepage des Ombudsmanns: http://www.ombudsman.gov.ua/en/,)

Das B¿ro des Ombudsmanns konnte sein Profil durch erh¿hte Medienberichterstattung ¿ber seine Aktivit¿ten sch¿rfen. Eine aktualisierte Webseite erlaubt der ¿ffentlichkeit verbesserten Zugriff auf Informationen. Trotzdem verweigerten Regierungsbeh¿rden in einer Reihe von Anfragen des B¿ros geeignete Antworten.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Das B¿ro des Ombudsmanns hat 120 Mitarbeiter und ein j¿hrliches Budget von ca. 1,75 Mio. EUR. Es ist berechtigt Hafteinrichtungen des ukr. Innenministeriums und der Gef¿ngnisbeh¿rde zu besuchen. Untersuchungen von Vorw¿rfen kann das B¿ro des Ombudsmanns nicht durchf¿hren, sondern diese nur an das B¿ro des Generalstaatsanwalts weitergeben.

(AI - Amnesty International: No evidence of a crime. Paying the price for police impunity in Ukraine, 12.10.2011)

Frauen / Kinder

Im 450-Sitze-Parlament waren 2010 36 Frauen vertreten den Posten des Sekret¿rs des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats. Unter den 18 Verfassungsrichtern waren zwei Richterinnen.

Vergewaltigung ist gesetzlich verboten, jedoch erw¿hnt das Gesetz nur indirekt die Vergewaltigung in der Ehe. Gem¿¿ ukrainischem Innenministerium gab es 2011 586 angezeigte F¿lle von Vergewaltigung oder versuchter Vergewaltigung. Das ist ein R¿ckgang von 2,3% gegen¿ber 2010.

H¿usliche Gewalt gegen Frauen war weiterhin ein ernstes Problem. Vergewaltigung in der Ehe h¿ufig.

Die Gesetze sehen bis zu f¿nf Tage Verwaltungshaft f¿r h¿usliche Gewaltdelikte vor.

2011 registrierte das Innenministerium 162.768 Beschwerden wegen h¿uslicher Gewalt. Mit Jahresende waren 109.468 Personen deswegen unter Polizeibeobachtung, verglichen mit 102.133 2010. Die Polizei sprach in den ersten 9 Monaten 2011 76.100 Verwarnungen aus.

Laut Gesetz mu¿ die Regierung ein Frauenhaus in jeder gr¿¿eren Stadt betreiben, was sie in der Praxis teilsweise aus Geldmangel nicht tat. Nach offiziellen Angaben gibt es in der Ukraine 21 sozialpsychologische Beratungszentren und 15 Hilfszentren f¿r M¿tter und Kinder. NGOs betrieben zus¿tzliche Zentren in 8 Oblasten.

Private und kommunale Frauenh¿user existierten, waren aber nicht immer zug¿nglich oder nahmen keine Frauen von au¿erhalb auf. Zentren der Regierung konnten nur bedingt psychologische oder rechtliche Hilfe leisten.

Sexuelle Bel¿stigung wird vor dem Gesetz wie Diskriminierung behandelt. Frauenrechtsgruppen bem¿ngeln, dass es keinen effektiven Schutz gegen sexuelle Bel¿stigung bieten kann. Sexuelle Bel¿stigung am Arbeitsplatz war ein verbreitetes Problem.

Laut Gesetz haben Frauen und M¿nner dieselben Rechte und werden f¿r gleiche Arbeit gleich bezahlt, was in der Praxis generell beachtet wurde. Industrien in denen Frauen dominieren hatten dennoch die relativ geringsten L¿hne.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Einige Fortschritte gab es auf dem Gebiet der Kinderrechte. www.ris.bka.gv.at Seite 13 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist gem¿¿ der Verfassung verboten, Frauenrechte stellen jedoch f¿r Regierungsbeh¿rden keine Priorit¿t dar. Menschenrechtsgruppen kritisieren die offene Diskriminierung durch Arbeitgeber aufgrund von Geschlecht, physische Erscheinung und Alter.

Frauenhandel f¿r Prostitutionszwecke ist weiterhin ein gro¿es Problem.

(Freedom House: Freedom in the World 2013, 01.2013)

Am 11. August 2011 gr¿ndete Pr¿sident Janukowitsch per Dekret einen Ombudsmann f¿r Kinderrechte.

Die ukrainische Staatsb¿rgerschaft wird durch Geburt in der Ukraine (jus soli) oder ¿ber die Eltern erworben (jus sanguinis). Ein Kind das staatenlosen Eltern in der Ukraine geboren wird ist Ukrainer. Kinder m¿ssen innerhalb einen Monats aber der Geburt registriert werden.

Obwohl Schulbildung kostenlos und bis zum 15. Lebensjahr verpflichtend ist, leidet das Schulsystem an chronischer Unterfinanzierung. Gerade Kinder armer Eltern verlassen die Schule oft fr¿her. Nach NGO-Angaben besuchten 2009 mehr als 20.000 Kinder keine Schule. Mangel an erreichbaren Schulen ist vor allem in l¿ndlichen Gegenden und bei Roma ein Problem. Viele Kinder arbeiten in der Landwirtschaft, in illegalen Kohlegruben oder werden von ihren Eltern zum Betteln gezwungen.

Gewalt gegen Kinder und Missbrauch waren weiterhin ein Problem. In den ersten 11 Monaten 2011 wurden 9.926 Kinder Opfer von Verbrechen, darunter 57 vors¿tzliche K¿rperverletzungen. Das B¿ro des Generalstaatsanwalts registrierte im selben Zeitraum 124 Vergewaltigungen von Kindern. F¿r das Zwingen von Kindern zur Bettelei ist eine Gef¿ngnisstrafe bis zu 3 Jahren vorgesehen.

Kommerzielle sexuelle Ausbeutung von Kindern ist weiterhin ein ernstes Problem, so kommt etwa ein signifikanter Anteil der Internet-Kinderpornographie aus der Ukraine. Am 20. J¿nner 2010 versch¿rfte das ukr. Parlament die Strafen f¿r Kinderpornographie.

Im November 2011 gab es im Land 117 Unterbringungszentren f¿r Kinder im ganzen Land mit einer Kapazit¿t von 4.243 Pl¿tzen. Bis September 2011 kamen 10.700 Kinder in diese Zentren.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Homosexuelle

Die Ukraine war einer der ersten postsowjetischen Staaten, der im Jahr 1991 die noch in der Sowjetunion vorgesehene Strafbarkeit der Homosexualit¿t aufgehoben hat. Heute z¿hlt die Ukraine mit ihren ca. 23 LGBT Organisationen, mehreren Internetseiten, Caf¿s und Clubs zumindest in den gr¿¿eren St¿dten, mit zu den offeneren der postsowjetischen Staaten was die Haltung gegen¿ber Homosexualit¿t betrifft. Die ca. 2 Millionen Personen umfassende LGBT Community in der Ukraine hat dennoch auch heute mit Vorurteilen in der Gesellschaft, mit Diskriminierung durch Beh¿rdenvertreter und offener Homophobie von Seiten der Politik und der ¿ffentlichen Meinung zu k¿mpfen. Im Jahr 2009 h¿uften sich gewaltt¿tige ¿bergriffe gegen¿ber der LGBT Gemeinde.

Umfragen unter Mitgliedern der LGBT Community ergaben 2005, dass 70% der Befragten ihre sexuelle Orientierung entweder v¿llig verbargen oder nur den engsten Familienangeh¿rigen offenbarten. 54% der Befragten gaben an, in den vier Jahren davor Diskriminierung wegen ihrer sexuellen Orientierung erlebt zu haben, 9,1% gaben an, physische Bedrohung erlebt zu haben.

(Europ¿ischer Austausch: Hate Crime in der Ukraine. Opfergruppen und Beratungsangebote zivilgesellschaftlicher Akteure, Februar 2010)

Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgenderpersonen (LGBT), die ihre sexuelle Orientierung offen deklarierten, waren weiterhin gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt. Es gab Berichte ¿ber Polizei¿bergriffe. www.ris.bka.gv.at Seite 14 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Nach NGO-Angaben waren Sicherheitsbeamte 2011 f¿r 69 F¿lle von Diskriminierung gegen Homosexuelle verantwortlich.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist noch immer verbreitet.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Im Oktober 2012 begann das ukr. Parlament die Billigung eines Gesetzesentwurfs, der jegliche positive Darstellung von Homosexuellen als "homosexuelle Propaganda" unter Strafe stellt. Bis zum Jahresende war das Gesetz nicht angenommen worden.

(Freedom House: Freedom in the World 2013, 01.2013)

Minderheiten

Ethnische Gruppen: Ukrainer 77.8%, Russen 17.3%, Wei¿russen 0.6%, Moldawier 0.5%, Krimtartaren 0.5%, Bulgaren 0.4%, Ungarn 0.3%, Rum¿nen 0.3%, Polen 0.3%, Juden 0.2%, andere 1.8% (2001 census)

Offizielle Amtssprache ist Ukrainisch, das 67% der Ukrainer als Muttersprache sprechen. 24% geben Russisch an und 9% eine andere Sprache (es existieren kleine rum¿nische, polnische und ungarische Sprachgruppen.

(CIA World Factbook: Ukraine, 31.12.2012, https://www.cia.gov/library/publications/the-world- factbook/geos/up.html)

Ukrainisch ist einzige Staatssprache, jedoch wurden es mit Verabschiedung des sogenannten "Sprachengesetzes" im Sommer 2012 die Minderheitensprachen aufgewertet. Dies betrifft v.a. Russisch, aber auch Krimtatarisch sowie Rum¿nisch und Ungarisch in Teilen der Westukraine. Der ukrainischsprachige Unterrichtsanteil an Schulen und Hochschulen hat in den letzten Jahren mehr als 85 Prozent erreicht, w¿hrend Russisch als Verkehrssprache nach wie vor sehr verbreitet ist und wieder an Bedeutung gewinnt. Generell ist der Westen des Landes eher ukrainischsprachig, der Osten und S¿den eher russischsprachig.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Kultur und Bildung, Oktober 2012)

Misshandlung von Minderheiten und Bedrohung gegen¿ber Fremden nicht-slawischen Aussehens waren weiterhin ein Problem, die Rate der Hassverbrechen sank aber weiter.

Anstiftung zu ethnischem und religi¿sem Hass ist verboten. Allerdings monieren Menschenrechtsorganisationen, dass die Bestimmung die den Nachweis eines direkten Vorsatzes verlangt, es schwierig macht dieses Gesetz in der Praxis anzuwenden. In der Tat verfolgten Polizei und Staatsanw¿lte Verd¿chtige eher wegen Hooliganismus.

Die Regierung r¿umte ein, dass Rassismus und ethnisch motivierte Angriffe ein Problem waren, dennoch sehen manche Offizielle die Angriffe als ein isoliertes Ph¿nomen. Es gibt auch keine offiziellen Statistiken ¿ber rassistische Angriffe. NGOs z¿hlten 2011 23 Angriffe mit 40 Opfern, gegen¿ber 7 Angriffen 2010. Die Polizei er¿ffnete Untersuchungen in 8 F¿llen. Gem¿¿ B¿ro des Generalstaatsanwalts wurden 2011 3 F¿lle vors¿tzlicher Anstiftung zum Hass vor Gericht gebracht. Untersuchungen in 3 weiteren F¿llen waren zu Jahresende offen. Unterm Jahr wurden 5 Personen wegen Verst¿¿en gegen das Gesetz zur Anstiftung zu ethnischem und religi¿sem Hass schuldig gesprochen (2010: 3; 2009: 4). 4 dieser 5 wurden amnestiert, der f¿nfte wegen t¿tiger Reue entlassen.

Das Strafgesetzbuch sieht erh¿hte Strafen f¿r Hassverbrechen vor.

NGOs berichten, die Polizei w¿rde dunkelh¿utige Personen willk¿rlich ¿fter kontrollieren. Es seien auch Opfer fremdenfeindlicher ¿bergriffe gelegentlich wegen Selbstverteidigung angeklagt worden.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

www.ris.bka.gv.at Seite 15 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Es gibt weiterhin Berichte ¿ber Diskriminierung aufgrund von Nationalit¿t oder ethnischer Herkunft.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Ein im August 2012 angenommenes Sprachengesetz, das Russisch offiziellen Status gew¿hrt, wenn es in einer Region von mehr als 10% der Bev¿lkerung gesprochen wird, beg¿nstigt effektiv das Russische gegen¿ber dem Ukrainischen. Minderheiten wie Krimtataren, Polen, Ungarn und Ruthenen u.a. sehen f¿r siche keinen Nutzen aus diesem Gesetz.

(Freedom House: Freedom in the World 2013, 01.2013)

Krimtartaren

Die krimtatarische Minderheit der Krim beschwerte sich weiterhin wegen Diskriminierung durch die ethnisch russische Bev¿lkerungsmehrheit. Sie forderten eine Gleichstellung des Krimtatarischen mit dem Russischen. Etwa 264.500 Tataren lebten Anfang 2011 im Land, auf der Krim gibt es 300 tatarischen Siedlungen. Die Beh¿rden stellten 2011 24,9 Mio. UAH (3,1 Mio. USD) f¿r deren Reintegration zur Verf¿gung.

Krimtataren gaben an, dass Diskriminierung durch lokale Beh¿rdenvertreter ihnen gleichen Zugang zu Arbeitsm¿glichkeiten in der lokalen Verwaltung verwehre und dass Progagandakampagnen, speziell pro- russischer Gruppen, Feindschaft gegen sie sch¿rten. Die Diskriminierung der Tataren habe zugenommen.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Roma und Krimtataren sind weiterhin Ziel von Diskriminierung und Rassismus.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Die Regierung hat sich aktiv daf¿r eingesetzt, die Rechte der meisten ethnischen und religi¿sen Minderheiten zu sch¿tzen, auch die der Tataren. Tataren leiden weiterhin unter Diskriminierung lokaler Beh¿rden der Krim bei Landbesitz, Zugang zum Arbeitsmarkt und Ausbildungsm¿glichkeiten.

(Freedom House: Freedom in the World 2013, 01.2013)

Russen

Die Verfassung garantiert freie Entwicklung, Gebrauch und Schutz des Russischen und anderer Minderheitensprachen. Gem¿¿ Unterrichtsministerium verwendeten 2011 1.149 Bildungseinrichtungen mit 285.086 Sch¿lern Russisch als Hauptunterrichtssprache. 1.242.184 Sch¿ler lernten Russisch als eigenen Gegenstand in weiterf¿hrenden Schulen (13.147 in au¿erschulischen Kursen).

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Roma

Roma waren weiterhin Diskriminierung durch Beh¿rden und die Gesellschaft ausgesetzt. Die Roma selbst sch¿tzen ihre Zahl zwischen 200.000 und 400.000. Offizielle Z¿hlungen kommen hingegen auf 47.600 Roma, was zum Teil an der schlechten Dokumentation unter den Roma selbst liegt. Es gab 200 Roma-NGOs, davon 2 landesweit.

Etwa zwei Drittel der Roma sind Analphabeten, 15% haben Tuberkulose. In Transkarpathien haben sind 60% der Kinder mit Tuberkulose infiziert. Ein Drittel der Roma hat keine Mittel um f¿r ¿rztliche Hilfe zu bezahlen.

Roma-Vertreter behaupten, dass Polizeibeamte Gewalt gegen Roma oftmals ignorieren und manchmal gar anstiften. Es gab Berichte ¿ber Verhaftungen von Roma ohne Mitteilung der Gr¿nde daf¿r und anschlie¿ender Misshandlung.

www.ris.bka.gv.at Seite 16 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Es gab weniger Berichte ¿ber Zusammenarbeit der Regierung mit der Roma Gemeinschaft als 2009.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Es gibt weiterhin Berichte ¿ber Diskriminierung aufgrund von Nationalit¿t oder ethnischer Herkunft. Roma und Krimtataren sind weiterhin Ziel von Diskriminierung und Rassismus.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Die Minderheitengruppe der Roma ist in der Ukraine immer noch Diskriminierungen ausgesetzt.

(Freedom House: Freedom in the World 2013, 01.2013)

Religionsfreiheit

Aufstachelung zum ethnischen oder religi¿sen Hass gilt als Verbrechen, es ist jedoch sehr schwer Vorsatz nachzuweisen. Daher verfolgten Polizei und Staatsanwaltschaft derartige Verbrechen als Hooliganismus. Das Strafgesetzbuch sieht erh¿hte Strafen f¿r Hassverbrechen vor.

(US DOS - US Department of State: 2011 Human Rights Reports: Ukraine, 05.2012)

Die Verfassung und die Gesetze garantieren Religionsfreiheit und die Regierung respektierte dieses Recht generell. Gelegentlich bezogen lokale Beamte bei Streitigkeiten zwischen Religionsgemeinschaften Stellung zugunsten einer Seite. Die Restitution von Eigentum an Religionsgemeinschaften war weiterhin ein Problem, die Regierung bem¿hte sich aber das zu beschleunigen.

Religi¿se Gruppen m¿ssen sich als lokale oder nationale Organisation registrieren lassen. Dazu brauchen sie zumindest zehn erwachsene Mitglieder um als juristische Person eingestuft zu werden. Die Registrierung ist notwendig um Gesch¿ftsf¿higkeit entfalten zu k¿nnen, wie Er¿ffnen von Konten, Ver¿ffentlichung eines Organs usw. Die Registrierung sollte laut Gesetz 1 Monat dauern. Abgelehnte Registrierungen k¿nnen vor Gericht beeinsprucht werden. Die Registrierung wird durch widerspr¿chliche gesetzliche Bestimmungen erschwert.

Im Dezember 2010 schaffte Pr¿sident Janukowitsch das Staatliche Komitee f¿r Nationalit¿ten und Religionen (SCNR) ab und ¿bertrug die meisten seiner Aufgaben dem Kulturministerium. Die Verantwortung f¿r die Registrierung wurde dem neu geschaffenen Staatlichen Registrationsdienst ¿bergeben.

Die Gesetze schr¿nken die Aktivit¿ten von Religionsgemeinschaften mit Sitz im Ausland und von Priestern, Predigern und Lehrern ohne ukrainische Staatsb¿rgerschaft ein, es gibt aber keine Berichte, dass die Regierung das benutzt h¿tte um Gemeinschaften in ihren Aktivit¿ten zu beschr¿nken.

Es gab Berichte ¿ber gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund der Religion, inklusive F¿lle von Antisemitismus und Anti-Islamismus und Vandalismus religi¿sen Besitzes.

(US DOS - US Department of State: 2011 International Religious Freedom Report: Ukraine, 30.7.2012)

Die Regierung sch¿tzt dass es mehr als 35.000 Religionsgemeinschaften mit 55 Konfessionen in der Ukraine gibt. Nach Regierungsangaben machen christlich-orthodoxe Gruppen 51% der Religionsgemeinschaften aus. Die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (Kiewer Patriarchat) ist die gr¿¿te orthodoxe Gruppe (31% der Bev¿lkerung rechnen sich ihr zu), gefolgt von der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat) (26%) und der Ukrainischen Autokephal-Orthodoxen Kirche (2%).

Die Ukrainisch Griechisch-Katholische Kirche ist die gr¿¿te nicht-orthodoxe Kirche der Ukraine. Au¿erdem leben etwa 1 Mio. Katholiken in der Ukraine.

Moslemf¿hrer sch¿tzen die Zahl der Moslems in der Ukraine auf 2 Millionen, die Regierung und unabh¿ngige Think Tanks hingegen sch¿tzen sie auf 500.000.

www.ris.bka.gv.at Seite 17 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Ca. 30% der Religionsgemeinschaften der Ukraine sind protestantisch, die Evangelikale Baptistische Union der Ukraine ist deren gr¿¿te. Andere protestantische Gemeinschaften umfassen Pfingstbewegung, Siebenten-Tags- Adventisten, Lutheraner, Anglikaner, Calvinisten, Methodisten und Presbyterianer.

Gesch¿tzte 103.600 Juden leben in der Ukraine, die Zahl der Menschen mit j¿dischen Wurzeln wird auf 370.000 gesch¿tzt.

Andere Gemeinschaften umfassen, Zeugen Jehovahs, Mormonen, Buddhisten, Falun Gong und Hare Krishnas.

(US DOS - US Department of State: 2011 International Religious Freedom Report: Ukraine, 30.7.2012)

Wehrdienst

In der Ukraine besteht Wehrpflicht f¿r m¿nnliche Staatsb¿rger zwischen 18 und 25 Jahren. Die Dauer des Wehrdienstes liegt bei 12 Monaten in Heer und Luftstreitkr¿ften bzw. 18 Monaten in der Marine. Akademiker m¿ssen 9 Monate ableisten.

M¿nner und Frauen zwischen 19 und 30 Jahren k¿nnen sich freiwillig als Berufssoldaten verpflichten.

(Coalition to Stop the Use of Child Soldiers: Ukraine: Child Soldiers Global Report 2008, Mai 2008)

Der Antritt des Wehrdienstes kann verschoben werden, wenn triftige Gr¿nde vorliegen, wie etwa Erkrankung eines Familienmitglieds, Studium, alleinerziehende Elternschaft etc.

(DCAF - Geneva Center for the Democratic Control of Armed Forces: The Security Sector Legislation of the Ukraine: 2006-2007 Updates, 2008 / IRB - Immigration and Refugee Board of Canada, Ukraine: The percentage that enter the army of those who are called up for the draft, the grounds used to obtain exemptions or deferrals, the legal penalty for draft evasion, the percentage of draft dodgers that is prosecuted and the average penalty they receive, 1.5.1998, http://www.unhcr.org/refworld/docid/3ae6ad2f23.html)

Der ukr. Verteidigungsminister Pavlo Lebedev gab bekannt, dass die Ukraine 2013 die allgemeine Wehrpflicht aufgeben w¿rde und zu einem Berufsheer wechseln wolle. Der Stand von 184.000 Soldaten 2012 soll in den n¿chsten 5 Jahren auf 70.000 reduziert werden.

(RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty: Ukraine To End Compulsory Military Service in 2013, 30.12.2012, http://www.rferl.org/content/ukraine-end-compulsory-military-service/24812181.html)

Wehrersatzdienst

Wehrpflichtige haben das verfassungsm¿¿ig grundgelegte Recht einen Wehrersatzdienst zu leisten.

Dieses Recht ist im entsprechenden Gesetz ¿ber den Wehrersatzdienst spezifiziert und auf religi¿se Gr¿nde eingeschr¿nkt. Das hei¿t, dass in der Ukraine nur Personen Wehrersatzdienst leisten d¿rfen, die einer entsprechend anerkannten Religionsgemeinschaft angeh¿ren. Diese sind in einer offiziellen Liste vermerkt und umfassen:

1. Adventists-Reformists

2. Seventh Day Adventists

3. Evangelical Christians

4. Evangelical Christians-Baptists

5. "The Penitents" - the Slavic Church of the Holy Ghost;

6. Jehovah's Witnesses; www.ris.bka.gv.at Seite 18 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

7. Charismatic Christian Churches (and churches assimilated to them according to registered statutes);

8. Christians of Faith Evangelical (and churches assimilated to them according to registered statutes); (="Union of Christians of the Evangelical Faith - Pentecostals,")

9. Christians of Evangelical Faith;

10. Society for Krishna Consciousness

(UK Home Office: Country of Origin Information Report: Ukraine, Juni 2006 / IRB - Immigration and Refugee Board of Canada: Alternative military service available to Pentecostals, 5.12.2006, http://www.unhcr.org/refworld/type,QUERYRESPONSE„UKR,45f147b811,0.html)

Der Ersatzdienst dauert 1 1/2 mal l¿nger als der Milit¿rdienst.

(IOM - Internationale Organisation f¿r Migration: L¿nderinformationsblatt Ukraine, August 2012)

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Wehrdienstverweigerung wird vom ukrainischen Strafgesetzbuch mit Haft von einem bis zu drei Jahren bedroht. Dennoch ist Wehrdienstverweigerung in der Ukraine weit verbreitet. Das Verteidigungsministerium gab an, dass zwischen 1996 und 2004 48.624 Wehrdienstverweigerer vom Justizministerium belangt worden sind.

(UK Home Office: Country of Origin Information Report: Ukraine, Juni 2006)

Innerstaatliche Fluchtalternative

Am 11. Dezember 2003 trat in der Ukraine das Gesetz Nr. 1382-IV der Ukraine ¿ber das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Wahl des Wohnorts in der Ukraine in Kraft. Darin ist vorgesehen, dass B¿rger der Ukraine, sowie legal aufh¿ltige Staatenlose und Fremde die im Titel genannten Rechte genie¿en und eine Registrierung oder Nicht-Registrierung keine Vorbedingung f¿r die Aus¿bung oder Grund f¿r die Aberkennung verfassungsm¿¿iger Rechte sein kann.

Das Gesetz definiert den Ort des dauerhaften Aufenthalts (Place of permanent residence) als territoriale Verwaltungseinheit, in der eine Person mehr als sechs Monate im Jahr lebt. Demgegen¿ber ist der Ort des zeitweiligen Aufenthalts (Place of temporary residence) jene territoriale Verwaltungseinheit, in der eine Person weniger als sechs Monate im Jahr lebt.

An einem neuen dauerhaften Aufenthaltsort mu¿ man sich innerhalb von 10 Tagen ab Ankunft registrieren. ¿nderungen des Aufenthalts innerhalb derselben territorialen Verwaltungseinheit m¿ssen der Beh¿rde innerhalb von sieben Tagen gemeldet werden.

Die Registrierung am Ort des zeitweiligen Aufenthalts muss innerhalb von sieben Tagen ab Ankunft erfolgen.

Artikel 6 des Gesetzes der Ukraine ¿ber das Recht auf Bewegungsfreiheit und die Wahl des Wohnorts in der Ukraine sieht vor, dass Daten bez¿glich des Aufenthalts nur in Ausnahmef¿llen gem¿¿ den Gesetzen der Ukraine oder mit Einverst¿ndnis der betroffenen Person weitergegeben werden. Au¿er von der betreffenden Person, k¿nnen diese Daten nur vom Geheimdienst, der Polizei oder den Gerichten eingesehen werden. In der Praxis soll es aber nicht unm¿glich sein, sich auf illegalem Weg mit Meldeinformation zu versorgen, etwa durch korrupte Polizisten.

Soziale Rechte sowie Zugang zu Renten, medizinischen und kommunalen Leistungen sind in der Ukraine nach wie vor eng mit dem Ort der Meldung verbunden.

Trotzdem ist es m¿glich an einem anderen Ort zu wohnen und zu arbeiten ohne sich umzumelden und trotzdem weiterhin Zugang zu medizinischer Notversorgung in der gesamten Ukraine zu haben. ¿berhaupt sei es durchaus

www.ris.bka.gv.at Seite 19 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013 m¿glich, auch bei l¿ngerer Abwesenheit an einer Adresse gemeldet zu bleiben, da es in der Ukraine keine beh¿rdlichen ¿berpr¿fungen in Meldeangelegenheiten gibt.

(BAA - Bundesasylamt Staatendokumentation: Analyse zur Ukraine: Meldepflicht und Meldewesen, 23.2.2010)

Die Registrierung von Ukrainern die im Ausland leben, mu¿ ¿ber das jeweilige Konsulat oder die diplomatische Vertretung vorgenommen werden.

(Law of Ukraine, On the Right to Freedom of Movement and Choice of Place of Residence in Ukraine, 11. Dezember 2003)

R¿ckkehrfragen

Die Ukraine ist eine offene, wenig diversifizierte und stark modernisierungsbed¿rftige Volkswirtschaft. Sie geh¿rt mit einem Pro-Kopf-Einkommen von rd. 3.600 USD in der Kategorisierung der Weltbank zu den "lower middle income"-L¿ndern. In den Jahren bis zu Beginn der internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 konnte die Armutsrate deutlich gesenkt werden. Es gibt aber nach wie vor ein starkes Einkommensgef¿lle zwischen der Stadt Kiew und den ¿brigen Landesteilen.

Die Ukraine hat 2011 mit 5,2% nicht das notwendige Wachstum f¿r eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung erreicht, obwohl das Wachstum gegen¿ber 2010 (4,2%) bescheiden gestiegen ist. Noch immer leidet die ukrainische Wirtschaft an den Folgen des massiven Einbruchs 2009, als die Wirtschaftsleistung um 15% zur¿ckging.

Der IWF unterst¿tzt die Ukraine mit einem Milliardenkredit, der an eine Reihe von Auflagen gekn¿pft ist, die das Land bisher jedoch nicht umfassend umgesetzt hat. Die Auszahlung der Kredittranchen wurde daher vorl¿ufig ausgesetzt.

Die Ukraine ist eine exportorientierte Volkswirtschaft. Die Exporte machen ca. 40% des BIP aus. Die wichtigsten Handelspartner der Ukraine nach Gesamtvolumen des Warenaustauschs sind Russland, Deutschland und China. Seit 2008 ist die Ukraine Mitglied der WTO. Sie hat au¿erdem mit der EU ein umfassendes und vertieftes Freihandelsabkommen ausgehandelt. Dieses ist Teil des EU-Ukraine-Assoziierungsabkommens, das noch nicht unterzeichnet wurde.

Russland dr¿ngt auf eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Zollunion zwischen Russland, Kasachstan und Belarus.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Wirtschaft, Oktober 2012)

Sozialleistungen des ukrainischen Staats setzen ein vorheriges Arbeitsverh¿ltnis voraus. Das Sozialsystem umfasst Pensionen, medizinische Versorgung, Mutterschutz, Arbeitsverletzungen, Arbeitslosigkeit und Familienbeihilfe. F¿r Personen, die sich nicht f¿r eine Alterspension qualifizieren gibt es eine Sozialpension. Die Krankenversicherung gilt auch f¿r als arbeitslos gemeldete Personen.

(SSA - U.S. Social Security Administration, Social Security Programs Throughout the World: Europe, 2012: Ukraine, 08.2012)

Das Pensionssystem steht allen ukrainischen Staatsb¿rgern offen (einschlie¿lich R¿ckkehrern).

(IOM - Internationale Organisation f¿r Migration: L¿nderinformationsblatt Ukraine, August 2012)

Die offizielle Arbeitslosenrate liegt bei 2,1% (2010: 2,2%). Nach Sch¿tzungen macht die Schattenwirtschaft etwa 20% der Arbeitspl¿tze aus.

Das im Oktober 2011 in Kraft getretene Gesetz ¿ber die Pensionsreform erh¿hte die Mindestarbeitszeit f¿r einen Pensionsanspruch (15 Jahre statt bisher 5) bzw. f¿r den vollen Pensionsanspruch (35 Jahre statt bisher 25). Das Pensionsalter f¿r Frauen und Staatsbeamte wurde auf 60 bzw. 62 Jahre erh¿ht. Als Teil einer Verwaltungsreform wurden im April 2011 spezielle Services f¿r Behinderte und Veteranen geschaffen. Das Ministerium f¿r www.ris.bka.gv.at Seite 20 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Sozialpolitik erhielt die Verantwortung f¿r die Auszahlung von Sozialgeldern an Familien und Jugendliche. Die Sozialdienstzentren werden reformiert.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Die Caritas Ukraine unterst¿tzt sozial schwache B¿rger, beispielsweise alte Menschen (Heimhilfe), HIV-positive und aidskranke Menschen, Alkohol-/Drogenabh¿ngige, "Krisenfamilien", Stra¿enkinder, (Sozial-)Waisen, Behinderte, R¿ckkehrer, Strafgefangene usw. Das Metropolitan Andrey Sheptytsky Hospital in Lemberg bietet medizinische, soziale, ambulante u.a. Dienste f¿r Alte, Patienten die psychische Beratung ben¿tigen, HIV- positive (auch Kinder) und deren Familien), Alkohol-/Drogens¿chtige usw. und es gibt eine Palliativ- und Hospizstation.

(Caritas Ukraine, http://caritas-ua.org/index.php?option=com_content&view=article&id=461&Itemid=89&lang=en,)

2008 entstand aus dem ERSO-Netzwerk, eines Verbundes von elf europ¿ischen NGOs, der es sich zum Ziel gesetzt hat R¿ckkehrwilligen in der Ukraine nachhaltig zu helfen, das Ukrainian Solidarity Network, das 30 Partnerorganisationen aus 15 Regionen der Ukraine umfasst. Dieses Netzwerk f¿rdert Reintegrationsprojekte, die ukrainische Migranten, die heimkehren wollen, mit sozialer, psychologischer, informativer, rechtlicher und finanzieller Unterst¿tzung helfen.

2011 begann die Caritas Ukraine mit dem Projekt STAVR (Strengthening Tailor-made Assisted Voluntary Return) zur R¿ckkehrhilfe f¿r Ukrainer in Belgien.

(Caritas Ukraine: Reintegration Assistance, http://caritas- ua.org/index.php?option=com_content&view=article&id=468%3Areintegration- assistance&catid=34%3Amigration-processes&Itemid=93&lang=en,)

Gesundheitswesen

In der Ukraine haben auch in den letzten Jahren HIV-Infektionen und Tuberkuloseerkrankungen weiterhin zugenommen; besonders betroffen ist die Region Odessa. Die Ukraine hat europaweit eine der h¿chsten und am schnellsten wachsenden Raten an HIV-Neuinfektionen. Als Ursache sind der intraven¿se Drogenmissbrauch und ungesch¿tzter, heterosexueller Geschlechtsverkehr anzusehen.

Die medizinische Versorgung entspricht nicht westeurop¿ischem Standard.

(AA - Ausw¿rtiges Amt: L¿nder, Reisen, Sicherheit: Ukraine - Reise- und Sicherheitshinweise, 11.1.2013 (unver¿ndert g¿ltig seit: 23.10.2012)

Die Ukraine hat ein Gesundheitsreformkonzept entwickelt und Pilotprojekte zur Dezentralisierung gestartet. Das Gesetz ¿ber die Gesundheitssicherheit und Bereitstellung von Gesundheitsversorgung und etablierte neue Institutionen f¿r Gesundheitsfragen und Epidemiologie; Qualit¿tskontrolle bei Medikamenten; und HIV/AIDS. Im J¿nner 2011 unterzeichnete der Pr¿sident ein Gesetz ¿ber HIV/AIDS-Pr¿vention und sozialen Schutz, das auch zum Kampf gegen Tuberkulose beitr¿gt. Das Land nahm weiterhin am HIV/AIDS-Think Tank der Europ¿ischen Kommission teil. Im J¿nner 2012 erhielt die Ukraine vom Globalen Fonds zur Bek¿mpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria USD 305 Mio. (EUR 228 Mio.) f¿r den Kampf gegen HIV/AIDS 2012-2016.

(EC - European Commission: Implementation of the European Neighbourhood Policy in 2011: Country Report on Ukraine, 15.5.2012)

Der Verfassung zufolge, ist der Staat f¿r die Schaffung von effizienten medizinischen Strukturen verantwortlich, die allen B¿rger zug¿nglich sein sollen. Die staatlichen und kommunalen Gesundheitsinstitutionen bieten im Krankheitsfall eine kostenlose Versorgung an, ben¿tigte Medikamente sind jedoch nicht eingeschlossen.

Die Kosten der Medikamente sind vom Anwendungsgebiet und vom Hersteller abh¿ngig. Importierte Medikamente sind teurer als solche, die in der Ukraine hergestellt werden. Aspirin (20 Tabletten), das in der

www.ris.bka.gv.at Seite 21 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Ukraine hergestellt wurde kostet ca. UAH 5,-- (ca. EUR 0,50), wenn es aus der Schweiz stammt UAH 22,-- (ca. EUR 2,20).

Die Wirtschaftskrise hatte erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Infrastruktur. In den gro¿en St¿dten ist die Versorgung im Allgemeinen besser als in den l¿ndlichen Gebieten. Dort lebenden Personen mit ernsthaften gesundheitlichen Problemen wird empfohlen, das jeweilige Gebietskrankenhaus aufzusuchen.

In der Ukraine gibt es ¿ber 7.000 Gesundheitszentren. Diese umfassen 26 wissenschaftliche Forschungszentren, 40 Krankenh¿user und besondere Gesundheitszentren, 6 ambulante Kliniken und 150 Sanatorien und Erholungseinrichtungen.

In der Ukraine gibt es ein Netzwerk von psychiatrischen Kliniken, die entsprechend dem Schweregrad der psychischen Erkrankung aufgeteilt sind. Das Krankenhaus f¿r schwere psychische Erkrankungen befindet sich in Kiew (Stadt). Die Patienten erhalten Unterkunft, Vollverpflegung und medizinische Behandlung. Organtransplantationen werden in bestimmten Transplantationskliniken in Kiew und Charkow sowie in normalen Krankenh¿usern in Kiew, Donezk, Saporoschje, Lemberg, Odessa, Iwano-Frankiwsk, Kirowograd, Lutsk, Mariupol, Mykolajiw, Cherson, Tscherkassij und Tschernowzij durchgef¿hrt.

Um in einer staatlichen Klinik versorgt zu werden, muss der Patient in der jeweiligen Region gemeldet sein.

Es gibt auch Hilfsorganisationen im medizinischen Bereich, wie etwa:

¿ Donezk Wohlfahrtsstiftung "Dobrota": Ziel der Stiftung ist der Kampf gegen die Armut durch die Wiederbelebung des b¿rgerschaftlichen Engagements und sozialer Partnerschaften, um in der Donetsk Region dringende soziale Probleme zu l¿sen. Die Stiftung unterst¿tzt Institutionen der Gesundheitsaufkl¿rung und der sozialen F¿rsorge und arbeitet direkt mit sozial schwachen Menschen in Donetsk.

¿ The Ukraine 3000 Internationale Wohlfahrtsstiftung: ist eine unabh¿ngige NGO, die 2001 in Kiew gegr¿ndet wurde. Ziel der Stiftung ist es Gutes zu tun und dadurch andere gute Taten anzuregen. Die NGO ist aktiv in den Bereichen Geschichte und Kultur, Medizin und Bildung.

¿ "International HIV/AIDS Allianz Ukraine" (Alliance Ukraine): Diese NGO ist die gr¿¿te Organisation im Bereich HIV/AIDS in der Ukraine und eine der gr¿¿ten in Osteuropa und Zentralasien. Die Organisation wurde 2002 gegr¿ndet und hat 90 Angestellte. .

¿ Poltava Charity Anti AIDS Stiftung: eine lokale NGO die sich seit 1998 dem Kampf gegen HIV/AIDS widmet.

(IOM - Internationale Organisation f¿r Migration: L¿nderinformationsblatt Ukraine, August 2012)

In der Ukraine funktioniert ein breites Netz der kommunalen und staatlichen Anstalten des Gesundheitsschutzes, die Kliniken der wissenschaftlichen Forschungsinstitute des Gesundheitsministeriums und der Akademie f¿r medizinische Wissenschaften, Anstalten der privaten Eigentumsform, die entsprechend einer Lizenz des Gesundheitsministeriums die ¿rztliche Praxis aus¿ben. Diese Anstalten erweisen die medizinische Hilfe unterschiedlichen Niveaus (erste, spezialisierte, hochspezielle) den Kranken, darunter mit Erkrankungen auf Psoriase, Hepatitis, psychischen Krankheiten.

Die Behandlung der Patienten mit narkologischen St¿rungen (darunter Alkohol - und Drogensucht) erfolgt in republikanischen (Autonome Republik Krim) und regionalen Narkologiezentren, narkologischen Krankenh¿usern. Die Behandlung erfolgt entsprechend der vom Gesundheitsministerium festgelegten Standards f¿r die narkologische Hilfe.

In der Ukraine sind nichtstaatliche Organisationen im Bereich des Gesundheitsschutzes vertreten, darunter gibt es die Gewerkschaft der Mitarbeiter des Gesundheitsschutzes der Ukraine, die Gesellschaft des Roten Kreuzes der Ukraine und zahlreiche Vereinigungen Mitarbeiter:

Um dringende (Nothilfe) medizinische Hilfe zu bekommen, ist ein ukrainischer B¿rger berechtigt, sich an den Dienst der schnellen medizinischen Hilfe zu wenden (einheitliche Notrufnummer f¿r die ganze Ukraine "03") oder in die n¿chste medizinische Anstalt zu wenden. Unabh¿ngig von der Eigentumsform, ist die Anstalt des Gesundheitsschutzes verpflichtet, die, f¿r die Erhaltung der lebenswichtigen Funktionen des K¿rpers, www.ris.bka.gv.at Seite 22 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013 notwendigste medizinische Hilfe zu leisten, und bei Notwendigkeit, die Einlieferung in ein spezialisiertes Krankenhaus zu organisieren.

Die Gesetzgebung sieht die kostenlose medizinische Hilfe f¿r die B¿rger der Ukraine in den kommunalen und staatlichen Anstalten des Gesundheitsschutzes. Dabei wird das Prinzip der Budgetfinanzierung des Gesundheitswesens nach dem Wohnort der B¿rger ber¿cksichtigt. Bei dem Vorhandensein bei einem ukrainischen B¿rger einer medizinischen Versicherung, erfolgt die Behandlung entsprechend den Versicherungsfall mit der Ber¿cksichtigung der allgemeinen Rechte des Patienten entsprechend der Gesetzgebung.

In jeder "Polyklinik" im ganzen Land gibt es psychotherapeutische Abteilungen, in denen psychologische und psychiatrische Erkrankungen Behandlung finden, sowie Suchterkrankungen (Alkohol und Drogen). Polykliniken sind ¿ffentliche Einrichtungen f¿r - wie der Name schon sagt - alle Arten von Krankheiten und Behandlungsformen (vergleichbar mit unseren praktischen ¿rzten, jedoch gr¿¿er (manchmal so gro¿ wie ein kleines Krankenhaus), daf¿r mit Fach¿rzten besetzt.

(Bericht des Polizeiattach¿s an der ¿B Kiew, 11.5.2010)

Die pers¿nliche finanzielle Situation kann laut IOM den Zugang zu Medikamenten schm¿lern. Es gibt jedoch die M¿glichkeit sich in Spitalsbehandlung am Ort der Wohnsitzmeldung zu begeben, die kostenlos ist. Auch Invalide bekommen bestimmte Medikamente verbilligt oder kostenlos.

(IOM - International Organisation for Migration: E-Mail vom 19.1.2010)

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Akt unter zentraler Ber¿cksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdef¿hrers vor der Erstbeh¿rde, den bek¿mpften Bescheid, den Beschwerdeschriftsatz und den Erg¿nzungen, den Erhebungen vor Ort sowie durch ¿ffentlich m¿ndliche Verhandlung der Beschwerdesache und durch Ber¿cksichtigung oben angef¿hrter L¿nderdokumentationsunterlagen.

I.3. Beweisw¿rdigend wird ausgef¿hrt:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdef¿hrers gr¿nden sich auf folgende Beweisw¿rdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Staatsangeh¿rigkeit, der Identit¿t des Beschwerdef¿hrers sowie hinsichtlich seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet und des Datums seiner Asylantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen hinsichtlich der Religionszugeh¿rigkeit sowie der privaten und famili¿ren Situation des Beschwerdef¿hrers ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie aus den in diesen Punkten glaubw¿rdigen Angaben des Beschwerdef¿hrers im Asylverfahren und den diesbez¿glich in Vorlage gebrachten Unterlagen.

Die festgestellten Deutschkenntnisse des Beschwerdef¿hrers gr¿nden sich auf die Wahrnehmungen des entscheidenden Senates in der Beschwerdeverhandlung und den vorgelegten Unterlagen.

Die festgestellte Erteilung von Aufenthaltskarten f¿r Angeh¿rige eines EWR-B¿rgers oder Schweizer Staatsb¿rgers am XXXX2012 (g¿ltig bis XXXX2017) durch die BH XXXX an die Exgattin und die Tochter des Beschwerdef¿hrers ergibt sich aus einer Abfrage des zentralen Fremdenregisters.

Was hingegen die vom Beschwerdef¿hrer vorgebrachten Fluchtgr¿nde betrifft, so ist Folgendes auszuf¿hren:

Der Beschwerdef¿hrer gr¿ndete seinen Asylantrag darauf, dass er f¿r die Er¿ffnung eines Gesch¿ftes im XXXX 2003 eine Einmallizenz erwerben h¿tte m¿ssen, was er jedoch nicht gewollt habe. Aus diesem Grund habe er sich an den damaligen B¿rgermeister gewandt, den er noch aus der Schule gekannt habe. In weiterer Folge habe der Beschwerdef¿hrer im XXXX 2003 von einem Freund, der die Funktion eines Journalbevollm¿chtigten bei der ukrainischen Grenztruppe f¿r das Gebiet XXXX inne gehabt habe, erfahren, dass gegen ihn eine Strafsache er¿ffnet und an die Milit¿rstaatsanwaltschaft XXXX weiter geleitet worden sei. Gleichzeitig sei er auch von seinem Geldgeber unter Druck gesetzt worden und sei der Kredit, den er f¿r den Kauf des Gesch¿ftes gebraucht habe, f¿llig gestellt worden. Sowohl das wiederaufgenommene Milit¿rgerichtsverfahren als auch die Schwierigkeiten mit dem Kreditgeber f¿hrt der Beschwerdef¿hrer auf eine Intervention des B¿rgermeisters zur¿ck. www.ris.bka.gv.at Seite 23 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Das Bundesasylamt f¿hrte in diesem Zusammenhang beweisw¿rdigend aus, dass es der Beschwerdef¿hrer nicht vermocht habe, seine Fluchtgr¿nde glaubw¿rdig darzustellen. So wurde etwa dargetan, dass es nicht plausibel sei, dass der Geldgeber das Gesch¿ft, in welches der Beschwerdef¿hrer das Geld investiert habe, anz¿nden w¿rde, zumal er den Kaufvertrag des Gesch¿ftes als Pfand behalten habe. Auch bei Zugrundelegung der Ausf¿hrungen des Beschwerdef¿hrers w¿rde es diesen an einem GFK relevanten Ankn¿pfungspunkt mangeln.

Dieser Einsch¿tzung war auch seitens des Asylgerichtshofes zu folgen. Der Beschwerdef¿hrer vermochte es auch in der Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof nicht, die Unplausibilit¿ten und Widerspr¿chlichkeiten aufzul¿sen. Der Beschwerdef¿hrer f¿hrt all seine Probleme auf Schwierigkeiten mit einem B¿rgermeister zur¿ck, der mittlerweile jedoch selbst mit der Justiz in Konflikt geraten sei. Wenn man diesem so viel Macht, wie vom Beschwerdef¿hrer behauptet, zuschreiben wollen w¿rde, so m¿sste dieser auch in der Lage sein, derartige Probleme von sich selbst fernhalten zu k¿nnen.

Dar¿ber hinaus beruht das gesamte Vorbringen des Beschwerdef¿hrers lediglich auf Behauptungen, die er mit keinem Beweismittel zu untermauern vermochte. So vermochte er etwa im Hinblick auf die behauptete Einleitung eines Milit¿rstrafverfahrens nichts vorzulegen, sondern berief sich auf Informationen vom H¿rensagen. Auch die diesbez¿glichen Ausf¿hrungen des Beschwerdef¿hrers, es sei bereits im Jahr 1996 zu einem Milit¿rverfahren gekommen, welches ohne Urteil geendet habe, und welches nunmehr im Jahr 2003 wieder aufgenommen werden sollte, obschon er seit dem Jahr 1996 nicht mehr der Armee angeh¿re, vermochte der Beschwerdef¿hrer nicht plausibel darzulegen. Das urspr¿ngliche Vorbringen des Beschwerdef¿hrers, etwa vom B¿rgermeister bzw von den Geldgebern unter Druck gesetzt worden zu sein wurde im Laufe des Verfahrens dahingehend relativiert, dass der Beschwerdef¿hrer bei einer R¿ckkehr in die Ukraine f¿rchte, aufgrund des Verfahrens vor dem Milit¿rgericht, eine lange Strafe verb¿¿en zu m¿ssen.

Abgesehen von der juristischen Auseinandersetzung mit diesem Thema, ob eine Wiederaufnahme im vorliegenden Fall m¿glich sei oder ob ein Verfahren in seiner Abwesenheit gef¿hrt werden k¿nne, mangelt es diesem Vorbringen, ungeachtet der Glaubw¿rdigkeit, an einem asylrelevanten Ankn¿pfungspunkt, den auch der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdef¿hrers nicht aufzuzeigen vermochte. Des Weiteren wurde jedoch seitens des Beschwerdef¿hrers nichts Konkretes dargetan, was auf eine unmenschliche Behandlung des Beschwerdef¿hrers, f¿r den Fall, dass er tats¿chlich verurteilt werden w¿rde, hindeuten w¿rde. Das apodiktische Vorbringen des Beschwerdef¿hrers bzw seines rechtfreundlichen Vertreters, dass das Milit¿rgericht willk¿rlich die Wiederaufnahme veranlassen w¿rde, reicht nicht aus, um fundierte Bedenken an der Fairness eines Gerichtsverfahrens in der Ukraine zu erwecken.

Es ist somit dem Beschwerdef¿hrer nicht gelungen, plausibel und nachvollziehbar eine asylrelevante Verfolgung in der Ukraine darzutun. Andere Probleme, etwa mit den staatlichen Beh¿rden wurden vom Beschwerdef¿hrer nicht dargetan. Wie bereits ausgef¿hrt war auf die zu Beginn des Asylverfahrens behaupteten Probleme mit Kreditgebern bzw dem B¿rgermeister nicht weiter einzugehen, zumal sie vom Beschwerdef¿hrer in Bezug auf etwaige R¿ckkehrbef¿rchtungen nicht mehr ins Treffen gef¿hrt wurden.

Die allgemeinen Feststellungen resultieren aus den beh¿rdlicherseits erhobenen Fakten aufgrund vorliegender L¿nderdokumentationsunterlagen. Die L¿nderfeststellungen basieren auf mannigfaltigen Quellen, denen keine Voreingenommenheit unterstellt werden kann. Den dem gegenst¿ndlichen Erkenntnis zugrunde gelegten L¿nderfeststellungen ist der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdef¿hrers nicht entgegengetreten. Dem amtswegig eingeholten Recherchen vor Ort ist der rechtsfreundliche Vertreter des Beschwerdef¿hrers nicht in qualifizierter Form entgegengetreten bzw. zog er dieses nicht in Zweifel.

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

II.1.1. Gem¿¿ ¿ 75 Abs. 7 Z 2 Asylgesetz 2005 idgF sind Verfahren, die am 1. Juli 2008 beim unabh¿ngigen Bundesasylsenat anh¿ngig sind, vom Asylgerichtshof weiterzuf¿hren.

Gem¿¿ ¿ 9 Abs. 1 AsylGHG idgF in der geltenden Fassung entscheidet der Asylgerichtshof in Senaten, soweit eine Entscheidung durch einen Einzelrichter oder Kammersenat nicht bundesgesetzlich vorgesehen ist. Gem¿¿ ¿ 61 Abs. 3 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof ¿ber Beschwerden gegen zur¿ckweisende Bescheide nach den ¿¿ 4 und 5 AsylG 2005 und nach ¿ 68 AVG durch Einzelrichter. Gem¿¿ ¿ 42 AsylG 2005 entscheidet der Asylgerichtshof bei Rechtsfragen von grunds¿tzlicher Bedeutung oder Rechtsfragen, die sich in einer erheblichen Anzahl von anh¿ngigen oder in naher Zukunft zu erwartender Verfahren stellt, sowie gem¿¿ ¿ 11 Abs. 4 AsylGHG, wenn im zust¿ndigen Senat kein Entscheidungsentwurf die Zustimmung des Senates findet durch einen Kammersenat. Im vorliegenden Verfahren liegen weder die Voraussetzungen f¿r eine Entscheidung durch einen Einzelrichter noch die f¿r eine Entscheidung durch den Kammersenat vor. www.ris.bka.gv.at Seite 24 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Gem¿¿ ¿ 23 Abs. 1 AsylGHG sind, soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51, mit der Ma¿gabe sinngem¿¿ anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt.

Gem¿¿ ¿ 66 Abs. 4 AVG iVm. ¿ 23 Abs. 1 AsylGHG hat der Asylgerichtshof, sofern die Beschwerde nicht als unzul¿ssig oder versp¿tet zur¿ckzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Der Asylgerichtshof ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begr¿ndung seine Anschauung an die Stelle jener des Bundesasylamtes zu setzen und den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzu¿ndern.

II.1.2. Gem¿¿ der ¿bergangsbestimmung des ¿ 75 Abs. 1 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, sind alle am 31.12.2005 anh¿ngigen Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1997 (AsylG 1997) mit der Ma¿gabe zu Ende zu f¿hren, dass in Verfahren, die nach dem 31.03.2009 beim Bundesasylamt anh¿ngig sind oder werden, ¿ 10 AsylG 2005 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 29/2009 mit der Ma¿gabe anzuwenden ist, dass eine Abweisung des Asylantrages, wenn unter einem festgestellt wurde, dass die Zur¿ckweisung, Zur¿ckschiebung oder Abschiebung des Asylwerbers in seinen Herkunftsstaat zul¿ssig ist, oder eine Zur¿ckweisung des Asylantrages als Entscheidung nach dem Asylgesetz 2005 gilt. ¿ 44 AsylG 1997 gilt. Die ¿¿ 24, 26, 54 bis 57 und 60 des AsylG 2005 sind auf diese Verfahren anzuwenden. ¿ 27 AsylG 2005 in der Fassung des Fremdenrechts¿nderungsgesetzes 2009 (Fr¿G 2009), BGBl. I Nr. 122/2009, ist auf diese Verfahren mit der Ma¿gabe anzuwenden, dass das Bundesasylamt oder der Asylgerichtshof zur Erlassung einer Ausweisung zust¿ndig ist und der Sachverhalt, der zur Einleitung des Ausweisungsverfahrens f¿hren w¿rde, nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurde. ¿ 57 Abs. 5 und 6 AsylG 2005 ist auf diese Verfahren mit der Ma¿gabe anzuwenden, dass nur Sachverhalte, die nach dem 31.12.2005 verwirklicht wurden, zur Anwendung dieser Bestimmungen f¿hren.

Die Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 idF des Fremdenrechts¿nderungsgesetzes 2009 (Fr¿G 2009), BGBl. I Nr. 122/2009, gelten f¿r alle am oder nach dem 01.01.2010 anh¿ngigen Verfahren nach dem Asylgesetz 1997 nach Ma¿gabe der ¿bergangsbestimmungen des ¿ 75 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009.

II.2.1. Fl¿chtling i.S.d. Asylgesetzes ist, wer aus wohlbegr¿ndeter Furcht, aus Gr¿nden der Rasse, Religion, Nationalit¿t, Zugeh¿rigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich au¿erhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umst¿nde au¿erhalb des Landes seines gew¿hnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zur¿ckzukehren.

Eine Furcht kann nur dann wohlbegr¿ndet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Ber¿cksichtigung der Verh¿ltnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tats¿chlich f¿rchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgr¿nden f¿rchten w¿rde (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensit¿t in die vom Staat zu sch¿tzende pers¿nliche Sph¿re des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensit¿t liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begr¿nden. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegr¿ndeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegr¿ndeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer ma¿geblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte M¿glichkeit einer Verfolgung gen¿gt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262).

Aus dem Begriff der Verfolgung wird geschlossen, dass die drohenden Nachteile eine bestimmte Intensit¿t aufweisen m¿ssen. Jedenfalls fallen eine Bedrohung des Lebens oder der Freiheit eines Menschen unter den Begriff der Verfolgung (Art 33 GFK). Minderschwere Eingriffe k¿nnen in ihrer Gesamtheit einen schweren Eingriff darstellen. Die Verfolgungshandlungen m¿ssen eine massive Bedrohung der Lebensgrundlage darstellen.

Der Fl¿chtlingsstatus des Beschwerdef¿hrers ist daher nur dann zu bejahen, wenn der Beschwerdef¿hrer in objektiv nachvollziehbarer Weise in ihrer speziellen Situation Grund hat, einen ungerechtfertigten Eingriff von erheblicher Intensit¿t in ihre zu sch¿tzende pers¿nliche Sph¿re zu f¿rchten (VwGH 14.10.1998, 98/01/0259).

Umst¿nde, die sich schon l¿nger vor der Flucht ereignet haben, sind asylrechtlich nicht beachtlich, die Verfolgungsgefahr muss bis zur Ausreise andauern (zB VwGH vom 07.11.1995, 95/20/0025, VwGH vom www.ris.bka.gv.at Seite 25 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

10.10.1996, 95/20/0150). Die vom Asylwerber vorgebrachten Eingriffe in seine vom Staat zu sch¿tzende Sph¿re m¿ssen in einem erkennbaren zeitlichen Zusammenhang zur Ausreise aus seinem Heimatland liegen. Die fluchtausl¿sende Verfolgungsgefahr bzw. Verfolgung muss daher aktuell sein (VwGH 26.06.1996, Zl. 96/20/0414). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194).

Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen k¿nnen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz f¿r eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierf¿r dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (vgl. zur der Asylentscheidung immanenten Prognose VwGH 09.03.1999, 98/01/0318).

Der Verwaltungsgerichtshof hat in st¿ndiger Rechtssprechung ausgef¿hrt, dass als Fluchtgr¿nde unter dem Gesichtspunkt der Schwere des Eingriffes nur solche Ma¿nahmen in Betracht kommen, die einen weiteren Verbleib im Heimatland aus objektiver Sicht unertr¿glich erscheinen lassen (VwGH vom 16.09.1992, 92/01/0544, VwGH vom 07.10.2003, 92/01/1015, 93/01/0929, u.a.).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Fl¿chtlingskonvention genannten Gr¿nden haben und muss ihrerseits Ursache daf¿r sein, dass sich die betreffende Person au¿erhalb ihres Heimatlandes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gew¿hnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet.

II.2.2. Im gegenst¿ndlichen Fall sind nach Ansicht des Asylgerichtshofes die dargestellten Voraussetzungen, n¿mlich eine aktuelle Verfolgungsgefahr aus einem in der GFK angef¿hrten Grund nicht gegeben. Der Beschwerdef¿hrer vermochte n¿mlich eine asylrelevante Verfolgung zu keinem Zeitpunkt des Asylverfahrens vor dem Bundesasylamt bzw. dem Asylgerichtshof glaubhaft anzugeben.

Sonstige Gr¿nde zum Verlassen des Herkunftsstaates, insbesondere irgendeine staatliche Repression, hat der Beschwerdef¿hrer nicht glaubhaft behauptet. Eine mit ma¿geblicher Wahrscheinlichkeit eintretende Gef¿hrdung im Sinn des Art. 3 EMRK kann demnach nicht erkannt werden.

Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesasylamtes abzuweisen.

II.3.1. Gem¿¿ ¿ 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in ¿sterreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidi¿r Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zur¿ckweisung, Zur¿ckschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten w¿rde oder f¿r ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willk¿rlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen w¿rde.

Gem¿¿ ¿ 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung ¿ber die Zuerkennung des Status des subsidi¿r Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach ¿ 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach ¿ 7 zu verbinden.

Gem¿¿ ¿ 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Antr¿ge auf internationalen Schutz bez¿glich der Zuerkennung des Status des subsidi¿r Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des ¿ 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bez¿glich der Zuerkennung des Status des subsidi¿r Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gem¿¿ Abs. 1 oder aus den Gr¿nden des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gem¿¿ ¿ 8 Abs. 3a AsylG 2005 idF Fr¿G 2009 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gem¿¿ ¿ 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF Fr¿G 2009 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zur¿ckweisung, Zur¿ckschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzul¿ssig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten w¿rde oder f¿r ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willk¿rlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen w¿rde. Dies gilt sinngem¿¿ auch f¿r die Feststellung, dass der Status des subsidi¿r Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

www.ris.bka.gv.at Seite 26 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

II.3.2. Der Asylgerichtshof hat somit vorerst zu kl¿ren, ob im Falle der R¿ckf¿hrung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK ¿ber die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK ¿ber die vollst¿ndige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden w¿rde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in st¿ndiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin g¿ltigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umst¿nde, die in der Sph¿re des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Beh¿rde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzf¿higkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, Zl. 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits l¿ngere Zeit zur¿ckliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umst¿nde hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0122; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegr¿ndete Gefahr m¿glicher Konsequenzen f¿r den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch Erl¿utRV 952 BlgNR 22. GP zu ¿ 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Ma¿nahme muss von einer bestimmten Intensit¿t sein und ein Mindestma¿ an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bev¿lkerungsgruppe oder B¿rgerkriegspartei anzugeh¿ren -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gew¿hrleisteten Rechte ausgesetzt w¿re, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden h¿tten, k¿nne nicht als Bedrohung im Sinne des ¿ 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: ¿ 50 Abs. 1 FPG bzw. ¿ 8 Abs. 1 AsylG 2005) gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; 08.06.2000, Zl. 99/20/0203; 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von B¿rgerkriegsverh¿ltnissen letztlich offen bliebe, ob ¿berhaupt noch eine Staatsgewalt best¿nde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach ¿ 8 AsylG 1997 iVm. ¿ 57 Abs. 1 FrG (nunmehr: ¿ 8 Abs. 1 AsylG 2005) die Frage, ob stichhaltige Gr¿nde f¿r eine Gef¿hrdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (VwGH 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die blo¿e M¿glichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, gen¿gt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des ¿ 57 FrG (nunmehr: ¿ 50 Abs. 1 FPG bzw. ¿ 8 Abs. 1 AsylG 2005) als unzul¿ssig erscheinen zu lassen; vielmehr m¿ssen konkrete Anhaltspunkte daf¿r vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein w¿rde (VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei au¿erhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der st¿ndigen Rechtsprechung des Europ¿ischen Gerichtshofes f¿r Menschenrechte (EGMR) die Au¿erlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall au¿ergew¿hnliche Umst¿nde ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes K¿nigreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "au¿ergew¿hnlichen Umst¿nden" k¿nnen auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. ¿ 8 Abs. 1 AsylG 2005 bzw. ¿ 50 Abs. 1 FPG bilden, die von den Beh¿rden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes K¿nigreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).

Nach Ansicht des VwGH ist am Ma¿stab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK f¿r die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu kl¿ren, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale www.ris.bka.gv.at Seite 27 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

Gefahr ("real risk") - die blo¿e M¿glichkeit gen¿gt nicht - damit verbunden w¿ren (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

II.3.3. Es kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdef¿hrer im Falle einer R¿ckkehr in die Ukraine die notd¿rftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK ¿berschritten w¿re (vgl. diesbez¿glich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059, zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK), hat doch der Beschwerdef¿hrer selbst nicht ausreichend konkret vorgebracht, dass ihm im Falle einer R¿ckf¿hrung in die Ukraine jegliche Existenzgrundlage - im Sinne des bereits zitierten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.07.2003, 2003/01/0059 - fehlen w¿rde und er in Ansehung existenzieller Grundbed¿rfnisse (wie etwa Versorgung mit Lebensmittel oder Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt w¿re, zumal dort - seinen Angaben folgend - nach wie vor die Eltern des Beschwerdef¿hrers leben, die ¿ber eine gesicherte Existenz verf¿gen und mit welchen er auch in telefonischem Kontakt steht. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdef¿hrer in der Ukraine mit ma¿geblicher Wahrscheinlichkeit jegliche Arbeitsm¿glichkeit versagt bleiben w¿rde, zumal es sich bei seiner Person um einen arbeitsf¿higen und gesunden Mann handelt, der vor seiner Ausreise in der Lage war, f¿r seinen Unterhalt zu sorgen.

Erstmalig in der Beschwerdeverhandlung wurde vom Beschwerdef¿hrer vorgebracht, dass er an Bluthochdruck und erh¿hten Zuckerwerten leiden w¿rde und diesbez¿glich in medizinische Behandlung stehe. In weiterer Folge wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter in den Schrifts¿tzen nichts mehr dargetan, was den Schluss zulassen w¿rde, dass sich der Gesundheitszustand des Beschwerdef¿hrers besorgniserregend ver¿ndert habe.

Nur bei Vorliegen au¿ergew¿hnlicher Umst¿nde f¿hrt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt w¿rde, unter qualvollen Umst¿nden zu sterben (Fall D. v. The United Kingdom). ..." (VfGH v. 06.03.2008, Zl. B 2400/07-9).

Im vorliegenden Fall war jedoch keine schwere oder lebensbedrohliche Krankheit iSd Judikatur des VfGH bzw EGMR evident, die einer Abschiebung des Beschwerdef¿hrers in die Ukraine entgegensteht.

Der Beschwerdef¿hrer hat schlie¿lich auch keinen sonstigen auf seine Person bezogenen "au¿ergew¿hnlichen Umstand" behauptet oder bescheinigt, der ein Abschiebungshindernis im Sinne von Art. 3 EMRK iVm ¿ 8 Abs. 1 AsylG darstellen k¿nnte.

Davon, dass praktisch jedem, der in die Ukraine abgeschoben wird, Gefahr f¿r Leib und Leben in einem Ma¿e drohen, dass die Abschiebung im Lichte des Art. 3 EMRK unzul¿ssig erschiene, kann nicht die Rede sein und wird diesbez¿glich auf die L¿nderfeststellungen verwiesen.

Weder aus den Angaben des Beschwerdef¿hrers zu den Gr¿nden, die f¿r die Ausreise ma¿geblich gewesen sind, noch aus den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens ist im konkreten Fall ersichtlich, dass jene gem¿¿ der Judikatur des EGMR geforderte Exzeptionalit¿t der Umst¿nde vorliegen w¿rde, um die Au¿erlandesschaffung eines Fremden im Hinblick auf au¿erhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegende Gegebenheiten im Zielstaat im Widerspruch zu Art. 3 EMRK erscheinen zu lassen (VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443).

Die Beschwerde erweist sich demnach auch hinsichtlich des Ausspruches ¿ber die Zul¿ssigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat als nicht berechtigt.

II.4.1.1. Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bez¿glich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidi¿r Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der ¿¿ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 idF Fr¿G 2009 vorliegt.

Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzul¿ssig, wenn dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gest¿tztes Aufenthaltsrecht zukommt (Z 1) oder diese eine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellen w¿rden (Z 2). Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idF des Fremdenrechts¿nderungsgesetzes 2011 (Fr¿G 2011), BGBl. I Nr. 38/2011, sind dabei insbesondere zu ber¿cksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war; das tats¿chliche Bestehen eines Familienlebens; www.ris.bka.gv.at Seite 28 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

die Schutzw¿rdigkeit des Privatlebens; der Grad der Integration; die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden; die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

Verst¿¿e gegen die ¿ffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts; die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren; die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Beh¿rden zurechenbaren ¿berlangen Verz¿gerungen begr¿ndet ist.

Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist die Durchf¿hrung einer Ausweisung f¿r die notwendige Zeit aufzuschieben, wenn die Durchf¿hrung der Ausweisung aus Gr¿nden, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen w¿rde und diese nicht von Dauer sind.

Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gem¿¿ Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zul¿ssigkeit der Zur¿ckweisung, Zur¿ckschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverz¿glich auszureisen.

Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 5 AsylG 2005 ist ¿ber die Zul¿ssigkeit der Ausweisung jedenfalls begr¿ndet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gem¿¿ ¿ 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzul¿ssig ist, abzusprechen. Die Unzul¿ssigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umst¿nden beruht, die ihrem Wesen nach nicht blo¿ vor¿bergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf ¿sterreichische Staatsb¿rger oder Personen, die ¿ber ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (¿¿ 45 und 48 oder ¿¿ 51 ff NAG) verf¿gen, unzul¿ssig w¿re.

Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Ausweisungen nach ¿ 10 Abs. 1 AsylG 2005 binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

Wird eine Ausweisung durchsetzbar, so gilt sie gem¿¿ ¿ 10 Abs. 7 AsylG 2005 idF Fr¿G 2011 als durchsetzbare R¿ckkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist f¿r die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein R¿ckkehrverbot erlassen wurde und f¿r die F¿lle einer zur¿ckweisenden Entscheidung gem¿¿ ¿ 5 AsylG 2005 oder ¿ 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gem¿¿ ¿ 38 AsylG 2005 durchf¿hrbar wird; in diesen F¿llen hat der Fremde unverz¿glich auszureisen.

Gem¿¿ ¿ 10 Abs. 8 AsylG 2005 idF Fr¿G 2011 ist der Fremde mit Erlassung der Ausweisung ¿ber seine Pflicht zur unverz¿glichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls ¿ber die M¿glichkeit eines Antrages auf Verl¿ngerung der Frist f¿r die freiwillige Ausreise bei der ¿rtlich zust¿ndigen Fremdenpolizeibeh¿rde (¿ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf R¿ckkehrhilfe, sowie auf m¿gliche fremdenpolizeiliche Ma¿nahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (¿ 46 FPG) hinzuweisen.

II.4.1.2. Gem¿¿ Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gem¿¿ Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer ¿ffentlichen Beh¿rde in die Aus¿bung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Ma¿nahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft f¿r die nationale Sicherheit, die ¿ffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

www.ris.bka.gv.at Seite 29 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

II.4.1.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Ma¿nahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss ¿berpr¿ft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Zu den in der Rechtsprechung des Europ¿ischen Gerichtshofes f¿r Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grunds¿tzen z¿hlt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gew¿hrleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderj¿hrigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensit¿t f¿r die Annahme einer famili¿ren Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. "legitimate family" bzw. "famille l¿gitime") oder einer unehelichen Familie ("illegitimate family" bzw. "famille naturelle"), sondern stellt auf das tats¿chliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, Serife Yigit, Zl. 03976/05). Als Kriterien f¿r die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tats¿chliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umst¿nde, wie etwa die Gew¿hrung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abh¿ngigkeit, die ¿ber die ¿bliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europ¿ische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu sch¿tzende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Gro¿eltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensit¿t vorliegt (vgl. Baumgartner, ¿JZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensit¿t wurde von der Europ¿ischen Kommission f¿r Menschenrechte auch f¿r die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Beh¿rden stets dazu verpflichtet, das ¿ffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die pers¿nlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in ¿sterreich am Ma¿stab des Art. 8 EMRK abzuw¿gen, wenn sie eine Ausweisung verf¿gt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche - in der Judikatur des Europ¿ischen Gerichtshofes f¿r Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte - Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabw¿gung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu f¿hren k¿nnen, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht: die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben gekn¿pft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ¿JZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046), das tats¿chliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ¿JZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ¿JZ 1998, 271) und dessen Intensit¿t (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00), die Schutzw¿rdigkeit des Privatlebens, den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsf¿higkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Besch¿ftigung und ¿hnlichen Umst¿nden manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124), die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verst¿¿e gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der ¿ffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie www.ris.bka.gv.at Seite 30 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ¿JZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europ¿ischen Gerichtshofes f¿r Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu ¿berwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, ¿ner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausl¿ndern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einb¿rgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

In Erg¿nzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden F¿llen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begr¿ndet keine generelle Verpflichtung f¿r den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenf¿hrungen zuzulassen. Jedoch h¿ngt in F¿llen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangeh¿rigen von ihm Staat Ans¿ssigen Aufenthalt zu gew¿hren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausma¿ des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat un¿berwindbare Hindernisse f¿r das Familienleben bestehen, sowie ob Gr¿nde der Einwanderungskontrolle oder Erw¿gungen zum Schutz der ¿ffentlichen Ordnung f¿r eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begr¿ndung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmef¿llen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u. a., Zl. 26940/10).

Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylantr¿gen oder Antr¿gen aus humanit¿ren Gr¿nden besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abw¿gung zum berechtigten ¿ffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverh¿ltnism¿¿igen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbez¿glichen Antr¿ge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden w¿hrend der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, Zl. 21878/06).

II.4.2. Im gegenst¿ndlichen Fall ergab sich im Ermittlungsverfahren, dass sich neben dem Beschwerdef¿hrer auch dessen Exgattin und die gemeinsame Tochter in ¿sterreich befinden und diese jeweils ¿ber eine Aufenthaltskarte f¿r Angeh¿rige eines EWR-B¿rgers oder Schweizer Staatsb¿rgers, ausgestellt am XXXX2012 (g¿ltig bis XXXX2017) durch die BH XXXX, verf¿gen.

Als Kriterien f¿r die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, m¿ssen neben der Verwandtschaft jedoch noch weitere Umst¿nde hinzutreten. So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abh¿ngigkeit, die ¿ber die ¿bliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europ¿ische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In Anbetracht des diesbez¿glichen Vorbringens des Beschwerdef¿hrers muss von dieser besonderen Beziehungsintensit¿t ausgegangen werden. Das Verh¿ltnis zwischen dem Beschwerdef¿hrer und seiner Exgattin hat sich seit der Scheidung im Jahr 2008 sukzessive verbessert, sodass seit Jahren das Besuchsrecht f¿r die gemeinsame Tochter ohne Schwierigkeiten ausge¿bt werden kann. Die Exgattin selbst spricht sich f¿r die Beibehaltung der gemeinsamen Erziehung beider Elternteile aus, da sich der Beschwerdef¿hrer an der Erziehungsarbeit aktiv beteilige. Seine Anwesenheit in ¿sterreich und die weitere aktive Rolle bei der Erziehung der Tochter wird gerade zum jetzigen Zeitpunkt (Pubert¿t) als sehr wichtig beschrieben. Auch aus einem beigelegten Schreiben der Tochter des Beschwerdef¿hrers ergibt sich, dass eine enge Vater-Tochter-Beziehung besteht. Vor dem Hintergrund dieser Ausf¿hrungen war vom Vorliegen eines Familienlebens trotz Scheidung und der damit einhergehenden Aufl¿sung eines gemeinsamen Haushaltes auszugehen, was seine Deckung auch in der Judikatur der H¿chstgerichte findet.

www.ris.bka.gv.at Seite 31 von 32 Asylgerichtshof 10.12.2013

II.4.3 Die Ausweisung beeintr¿chtigt das Recht auf Privatsph¿re eines Asylantragstellers dann in einem Ma¿e, der sie als Eingriff erscheinen l¿sst, wenn ¿ber jemanden eine Ausweisung verh¿ngt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begr¿ndet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschlie¿lich solcher beruflicher und gesch¿ftlicher Art zu begr¿nden (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).

Nach der j¿ngsten Rechtsprechung des EGMR (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. the United Kingdom, 21878/06 bzgl. einer ugandischen Staatsangeh¿rigen die 1998 einen Asylantrag im Vereinigten K¿nigreich stellte) ist im Hinblick auf die Frage eines Eingriffes in das Privatleben ma¿geblich zwischen niedergelassenen Zuwanderern, denen zumindest einmal ein Aufenthaltstitel erteilt wurde und Personen, die lediglich einen Asylantrag gestellt haben und deren Aufenthalt somit bis zur Entscheidung im Asylverfahren unsicher ist, zu unterscheiden (im Falle der Beschwerdef¿hrerin Nnyanzi wurde die Abschiebung nicht als ein unverh¿ltnism¿¿iger Eingriff in ihr Privatleben angesehen, da von einem grunds¿tzlichen ¿berwiegen des ¿ffentlichen Interesses an einer effektiven Zuwanderungskontrolle ausgegangen wurde).

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Ausl¿ndern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat, unter gewissen Umst¿nden k¿nnen von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) auch in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den gr¿¿ten Teil seines Lebens in einem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgepr¿gte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensit¿t deutlich ¿bersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

Der Beschwerdef¿hrer h¿lt sich seit XXXX 2003 durchgehend in ¿sterreich auf und hat seit Beginn seines Aufenthalts auch zahlreiche erkennbare Anstrengungen unternommen, um sich in ¿sterreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht so weit wie m¿glich zu integrieren. Der Beschwerdef¿hrer spricht etwa die deutsche Sprache auf gutem Niveau und vermochte sich einen Freundeskreis aufzubauen. Wesentlich ist in diesem Zusammenhang auch, dass sich der Beschwerdef¿hrer nunmehr seit 10 Jahren durchgehend in ¿sterreich aufh¿lt und ihm die lange Verfahrensdauer nicht zuzurechnen war.

Schlie¿lich ergab sich aus all den dargelegten Umst¿nden unzweifelhaft, dass der Beschwerdef¿hrer zum einen einige der oben angef¿hrten Kriterien, die bei der Abw¿gung der betroffenen Interessen ma¿geblich zu ber¿cksichtigen sind, erf¿llt und diese besonders intensiven privaten Interessen auch die ¿ffentlichen Interessen an der Ausweisung ¿berwiegen. So hat der Beschwerdef¿hrer gezeigt, dass er stets um eine m¿glichst umfassende und auf Dauer angelegte pers¿nliche Integration in ¿sterreich bem¿ht war und gerade deshalb auch einen entsprechend hohen Grad der Integration in sprachlicher und gesellschaftlicher Hinsicht erreicht hat, der sich vor allem im erfolgreichen Erwerb von Deutschkenntnissen und in der Teilnahme am sozialen Leben manifestiert. Zum anderen ist f¿r ihn auch ins Treffen zu f¿hren, dass er eine enge Beziehung zu seiner in ¿sterreich lebenden Tochter pflegt, welche f¿r deren weitere Entwicklung wichtig ist.

Es wird nicht verkannt, dass dem Schutz der ¿ffentlichen Ordnung und Sicherheit, insbesondere der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften im Rahmen einer G¿terabw¿gung grunds¿tzlich ein hoher Stellenwert zukommt, doch ist im gegenst¿ndlichen Fall aus den eben dargelegten Gr¿nden in einer Gesamtschau und Abw¿gung aller Umst¿nde das private Interesse an der - nicht nur vor¿bergehenden - Fortf¿hrung des Privat- und Familienlebens des Beschwerdef¿hrers dennoch h¿her zu bewerten, als das ¿ffentliche Interesse an einer Ausweisung. So ist auch keine ausreichende Rechtfertigung zu erkennen, warum ¿ffentliche Interessen es zwingend erfordern w¿rden, dass der Beschwerdef¿hrer ¿sterreich verlassen m¿sste.

Da im Hinblick auf die oben dargelegten Abw¿gungen zum Entscheidungszeitpunkt das private Interesse des Beschwerdef¿hrers an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens in ¿sterreich im konkreten Fall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angef¿hrten ¿ffentlichen Interessen ¿berwiegt, erweist sich die im angefochtenen Bescheid angeordnete Ausweisung aus dem ¿sterreichischen Bundesgebiet in den Herkunftsstaat als unzul¿ssig.

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und festzustellen, dass die Ausweisung aus dem ¿sterreichischen Bundesgebiet in die Ukraine gem¿¿ ¿ 10 Abs. 2 Z 2 iVm. Abs. 5 AsylG 2005 auf Dauer unzul¿ssig ist.

Aus den dargelegten Gr¿nden war daher insgesamt spruchgem¿¿ zu entscheiden. www.ris.bka.gv.at Seite 32 von 32