Junge Wohnungslose Wiens Merkmale, Herausforderungen, Perspektiven

Young Homeless of Vienna characteristics, challenges, prospects

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Arts in Social Sciences

der Fachhochschule FH Campus Wien Masterstudiengang Sozialraumorientierte und Klinische Soziale Arbeit

Vorgelegt von: Florian Baumgarten, BA

Personenkennzeichen: c1510534007

Erstbegutachter: FH-Prof. Mag. Andreas Bengesser, DSA

Zweitbegutachterin: FH-Prof.in Mag.a Dr.in Elisabeth Steiner

Eingereicht am: 20.09.2017

Erklärung:

Ich erkläre, dass die vorliegende Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubter Hilfe bedient habe. Ich versichere, dass ich diese Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe. Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elekt- ronisch) identisch sind.

Datum: ...... Unterschrift

Kurzfassung Ziel: Diese Arbeit untersucht Charakteristika und Herausforderungen wohnungsloser Emerging Adults Wiens. Ergebnisse werden in Verbindung zu Perspektiven innerhalb der Wiener Wohnungslosenhilfe gebracht. Aufgrund der Multikomplexität und den Gesund- heitseinflüssen von Wohnungslosigkeit im Allgemeinen sowie der untersuchten Passung zwischen Klient_innensystem und Umwelt im Speziellen, trägt diese Untersuchung in ho- hem Ausmaß zum Theoriebestand Klinischer Sozialer Arbeit bei. Theoretischer Hintergrund: Forschungen zum Übergang ins Erwachsenenalter empfeh- len das Konzept Emerging Adulthood. Dieses fokussiert die Altersgruppe 18a-29a. Eigen- ständigkeit und Instabilität dieser Phase ist evident. Parallel kann Wohnungslosigkeit als Produkt von Destabilität interpretiert werden, die Fähigkeiten zur Krisenbewältigung blo- ckiert. Aufgrund individueller Verhältnisse destabilisierender Faktoren ist Wohnungslosig- keit multidimensional und biographisch. Dennoch unterscheiden sich Wege der Woh- nungslosigkeit im Alter und weisen spezielle Charakteristika und Herausforderungen auf. Konzepte der Wohnungslosenhilfe versuchen diese Gruppe explizit zu adressieren. Den- noch zeigen Evaluationen auf, dass Anbieter_innen nicht immer adäquaten Zugang oder Unterstützung per se gewährleisten. Die Wiener Wohnungslosenhilfe ist in einem Stufen- modell organisiert. Jede Stufe bietet mehr Stabilität, ist allerdings restriktiver im Zugang. Dies trifft besonders für die Stufe betreuter Wohnformen zu, die durch Zugangskriterien geregelt ist. Eine Wiener Expert_innengruppe deutet, basierend auf Vergleichen quantita- tiver Daten zu Notquartiersnutzer_innen und Bewohner_innen betreuter Wohnformen, auf Benachteiligung im Zugang wohnungsloser Emerging Adults hin. Methodik: Um Einflüsse auf den Zugang zu betreuten Wohnformen wohnungsloser Emerging Adults Wiens (18a-30a) zu untersuchen, werden Charakteristika und Herausfor- derungen anhand quantitativer Daten des Unterstützungssystems und einer Qualitativen Inhaltsanalyse von Falldokumentationen (n=82) des Jahres 2016 identifiziert. Ergebnisse ebendieser werden in deren Häufigkeit gemessen und ins Verhältnis zur Betreuungsdauer gesetzt. Diese dienen als unabhängige und der Zugang zum Unterstützungssystem als abhängige Variable in der Berechnung logistischer Regressionsmodelle (n=62). Fazit: Die Ergebnisse unterstreichen die Multidimensionalität von Wohnungslosigkeit so- wie die Relevanz des Alters. Ein Drittel der Klient_innen ist der Alterskohorte 18a-30a zu- gehörig. Zwanzig relevante Charakteristika und Herausforderungen konnten identifiziert werden, welche die Heterogenität der Population bestätigen. Obwohl jene betreffend die existentielle Grundsicherung (z.B. Transferleistungen oder Notquartier) die relevantesten sind, beinhalten Beratungen meist einige der anderen Themen (z.B. Konsum oder Kom- munikationsprobleme in der Beratung) in extremer Ausprägung. Zwei Regressionsmodelle sind relevant. Während das Modell Betreuungsintensität auf ein- fach generierbaren Variablen basiert, erklärt das Modell der Qualitativen Inhaltsanalyse Einflüsse auf den Zugang zu betreuten Wohnformen am besten. Diese Modelle enthalten acht signifikante Prädikatoren. Deren Interpretation legt eine Defizitorientierung im Zugang zu betreuten Wohnformen nahe. Daher wird die Berücksichtigung von Ressourcen Be- troffener nahegelegt. iii

Abstract Aim: The research examines characteristics and challenges of homeless Emerging Adults in Vienna. Findings are linked to perspectives within Vienna’s supporting system for home- less people. Due to multi-complexity or health influences of in general as well as the examined fitting of client systems and their environment in particular, this re- search highly contributes to knowledge of Clinical Social Work. Theoretical Background: Studies on transition to adulthood propose the conception of Emerging Adulthood, focusing on the age period 18 to 29. Evidence is provided to the distinctness and instability of this period. At the same time, homelessness can be seen as a product of destabilisation, blocking the ability to cope with crises. Due to individual rela- tions of destabilising factors, homelessness is multidimensional and storied. However, drafts on pathways of homelessness reveal differences in age, showing specific character- istics and challenges of Emerging Adults pathways. Concepts of support service providers therefore try to address this population explicitly. Still, evaluations point out, that providers are not always able to offer adequate access to support or adequate support per se. The support system Vienna’s for homeless people is primarily based on stages. Each stage offers more stability, but is more restricted in access. This applies in particular to the stage of transitional living, which access is regulated by certain criteria. A Viennese expert group suggest disadvantages in accessibility for homeless Emerging Adults by the system, based on relations of quantitative data on shelter users and transition home users. Methods: To examine influences on access to transitional living of homeless Emerging Adults Vienna’s (18a to 30a) characteristics and challenges are identified by quantitative data of the supporting system and a Qualitative Content Analyse on documentation (n=82) of cases in the year 2016. Findings of the Qualitative Content Analyse are measured in frequency and described relative to durations of support for each client. Using those gen- erated items as independent variables and the access status as dependent variable, lo- gistic regression models (n = 62) are calculated to identify influences on accessibility. Results: The findings underline the multidimensionality of homelessness as well as the relevance of age. One third of the clients belong to the age cohort 18-30. Twenty relevant characteristics and challenges could be identified, giving proof to the populations hetero- geneity. Even though, those characteristics concerning existential safety (e.g. financial sup- port or shelter) are the most relevant over all, most clients counselling contained several of other topics (e.g. drug use or challenging communication during counselling) in high ex- tend. Model performances of the logistic regression suggest two models relevant. While the model Support-Intensity is based on standardised or easily generated variables, the model Qualitative Content Analyse explains influences on the access to transitional housing of homeless Emerging Adults the best. Those models contain eight significant variables. Due to their regression coefficients and odds ratio, access to transition living for homeless emerging adults seem highly dependent on the intensity of deficits. Therefore, the conside- ration of client’s resources is suggested.

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Abkürzungsverzeichnis

-2LLV - maximierte Likelihood-Wert des Vorhersagemodells AV - Abhängige Variabel BAWO - Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe BI - Betreuungsintensität BMS - Bedarfsorientierte Mindestsicherung bzWo - Beratungszentrum Wohnungslosenhilfe ETHOS - Typology on Homelessness and Housing Exclusion EU - Europäische Union EWR - Europäischer Wirtschaftsraum FEANTSA - Europäische Dachverband der Wohnungslosenhilfe FSW - Fond Soziales Wien HUD - U.S. Department of Housing and Urban Development LR - Likelihood-Ratio M - arithmetisches Mittel Md - Median OR - Odds Ratio p - Wahrscheinlichkeit P7 - P7 - Wiener Service für Wohnungslose QIA - Qualitative Inhaltsanalyse SD - Standardabweichung UV - Unabhängige Variable WWH - Wiener Wohnungslosenhilfe

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Schlüsselbegriffe Arten der Wohnungslosigkeit Defizit- / Ressourcenorientierung Emerging Adulthood Hard-to-reach Herausforderungen Junge Wohnungslose Klinische Soziale Arbeit Logistische Regression Multiproblemlagen Niederschwelligkeit Nutzung des Unterstützungssystems Passung Perspektiven Qualitative Inhaltsanalyse Unterstützungs- / Betreuungsbedarf Wiener Wohnungslosenhilfe Wohnungslosigkeit Zielgruppeneinschränkung Zugang

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INHALT

KURZFASSUNG ...... III

ABSTRACT ...... IV

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ...... 5

SCHLÜSSELBEGRIFFE ...... 6

INHALT ...... 7

1. EINLEITUNG ...... 10

2. STAND DER FORSCHUNG ...... 11 2.1. Emerging Adulthood ...... 11 2.1.1. Argumentation für und Kennzeichen des Emerging Adulthoods ...... 12 2.1.2. Die Relevanz von Kultur und Nationenspezifika ...... 15 2.2. Wohnungslosigkeit ...... 16 2.2.1. Theorien zur Wohnungslosigkeit ...... 17 2.2.2. Wohnungslosigkeit – kritische Einflussfaktoren und ihre Auswirkungen ... 19 2.2.3. Wohnungslosigkeit in Wien ...... 31 2.2.4. Die Wiener Wohnungslosenhilfe ...... 32 2.3. Wohnungslose Emerging Adults ...... 35 2.3.1. Überblick über Einflussfaktoren bei Wohnungslosigkeit von Emerging Adults ...... 35 2.3.2. Destruktives Familiensystem ...... 36 2.3.3. Erfahrungen mit institutioneller Unterbringung ...... 37 2.3.4. Soziale Netzwerke ...... 38 2.3.5. Suchtverhalten ...... 39 2.3.6. Weitere Einflussfaktoren: Arbeit, Bildung und strukturelle Herausforderungen ...... 40 2.3.7. Häufigkeit wohnungsloser Emerging Adults und spezialisierte Angebote . 41

3. JUNGE WOHNUNGSLOSE UND KLINISCHE SOZIALE ARBEIT ...... 42 3.1. Bio-psycho-soziales Gesundheitsverständnis ...... 43 3.2. Das junge Erwachsenenalter & Entwicklungsaufgaben ...... 44 3.3. Hard-To-Reach & Niederschwelligkeit ...... 44 3.4. Multiproblemlagen ...... 44

4. FORSCHUNGSBEDARF & FORSCHUNGSFRAGE ...... 45

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5. METHODIK ...... 45 5.1. Datenerhebung ...... 46 5.2. Soziodemographie und Nutzung des Unterstützungssystems . 47 5.3. Merkmalsidentifikation ...... 50 5.4. Logistische Regression ...... 51

6. ERGEBNISSE ...... 52 6.1. Soziodemographie und Nutzung des Unterstützungssystems . 52 6.1.1. Nationalität und Aufenthaltstitel ...... 53 6.1.2. Beschäftigung ...... 53 6.1.3. Art der Wohnungslosigkeit ...... 54 6.1.4. Zuzug aus dem Bundesland ...... 55 6.1.5. Postadressennutzung ...... 55 6.1.6. Notquartiersnutzung ...... 55 6.1.7. Anspruch auf einen Wohnplatz (AV) ...... 57 6.1.8. Beratungen, Betreuungsdauer und Beratungsintensität ...... 57 6.2. Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse ...... 59 6.2.1. Prominente Kategorien der QIA ...... 59 6.2.2. Geschlechtsspezifische und altersspezifische Differenzen ...... 61 6.2.3. Details des vorletzten Abstraktionsniveaus ...... 62 6.3. Regressionsmodelle ...... 64 6.3.1. Soziodemographisches Modell ...... 64 6.3.2. Modell Art der Wohnungslosigkeit ...... 65 6.3.3. Modell Betreuungsintensität ...... 66 6.3.4. Modell Qualitative Inhaltsanalyse ...... 67 6.4. Vergleich der Koeffizienten unterschiedlicher Modelle ...... 67 6.4.1. Sozialdemographisch & Art der Wohnungslosigkeit ...... 68 6.4.2. Art der Wohnungslosigkeit & Betreuungsintensität ...... 68 6.4.3. Art der Wohnungslosigkeit & Modell QIA ...... 68 6.5. Vergleich der Aussagekraft unterschiedlicher Modelle ...... 69

7. INTERPRETATION & DISKUSSION DER ERGEBNISSE ...... 71 7.1. Profil junger Wohnungsloser ...... 71 7.1.1. Alter und Geschlecht im Vergleich ...... 71 7.1.2. Nationalitäten und Aufenthaltstitel ...... 72 7.1.3. Beschäftigung ...... 74

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7.1.4. Arten der Wohnungslosigkeit ...... 74 7.1.5. Zuzug Bundesland ...... 77 7.1.6. Postadressennutzung ...... 78 7.1.7. Notquartiersnutzung ...... 79 7.1.8. Betreuungsintensität ...... 81 7.1.9. Merkmale und Herausforderungen wohnungsloser Emerging Adults ...... 81 7.1.10. Anspruch auf einen Wohnplatz ...... 87 7.2. Perspektive WWH – Anspruch oder nicht? ...... 88 7.2.1. Egal wie alt, ob Frau, ob Mann - Zur Einflusslosigkeit von Alter, Geschlecht und weiteren Faktoren ...... 88 7.2.2. Die Nationalität - österreichische Staatsbürgerschaft als positiver Einfluss ...... 89 7.2.3. Durch Arbeitslosigkeit zur Unterstützung? - Arbeit als hemmender Faktor...... 90 7.2.4. Rasche versus stabile Hilfe - Warum erstmalige Wohnungslosigkeit hemmt ...... 91 7.2.5. Muss ich mich erst mit Notquartieren auseinandersetzen? - Zum komplementären Einfluss von Notquartieren und alternativen Schlafplätzen ...... 92 7.2.6. Positiver Leidensdruck? - Erfahrene Wohnungslosigkeit & Perspektivenarbeit ...... 94 7.2.7. Zukunftsvision ade? - Ausbildung als negativer Einflussfaktor ...... 94 7.2.8. Habe keine Kinder, rede nicht über Sexualität - Der Einfluss von Elternschaft; Gender und Sexualität als zukünftiger Forschungsauftrag ... 94 7.3. Vorgeschlagene Modelle ...... 95

8. RESÜMEE UND AUSBLICK ...... 96

9. LIMITATIONEN ...... 99

LITERATURVERZEICHNIS ...... 100

ABBILDUNGSVERZEICHNIS ...... 109

ANHANG ...... 110

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1. Einleitung Wohnungslosigkeit ist in hohem Ausmaß multidimensional. Aktuelle Forschungen weisen die komplexe Interaktion zwischen unterschiedlichen endogenen und exogenen Belastun- gen entlang der Biographien von Betroffenen als Ursache aus (vgl. Ravenhill 2008: 90-129 Somerville 2013: 384-394). Gleichzeitig ist die Lebenswelt Wohnungsloser durch belas- tende Faktoren geprägt (vgl. u.a. Metraux et al. 2011: 1091f, Steiger 2010: 31-34). Auf- grund dieser diversen biopsychosozialen Ursachen von und Belastungen durch Woh- nungslosigkeit sowie der komplexen Erreichbarkeit der Zielgruppe (vgl. u.a. Pauls 2010: 101-104), ist Wohnungslosigkeit ein relevantes Feld für die Klinische Soziale Arbeit. Aktuelle Studien der Entwicklungspsychologie identifizieren Spezifika, wie Instabilität und erhöhtes Risikoverhalten, der Altersgruppe von 18 bis 29 Jahren. Anhand dieser Ergeb- nisse wird eine neue Entwicklungsphase zwischen der Adoleszenz und dem Erwachse- nenalter, das Emerging Adulthood, definiert (vgl. Arnett 2000, 2014). Untersuchungen zu dieser Altersgruppe in Verbindung mit Wohnungslosigkeit betonen besonders gewisse Ein- flussfaktoren wie destruktive Beziehungen im Familiensystem (vgl. u.a. Hyde 2005, Mallet et al. 2005, Martijn, Sharpe 2006). So ist es Isobel Anderson (2001: 4) möglich unterschied- liche Wege in die Wohnungslosigkeit anhand des Alters zu skizzieren, wobei die Autorin den “youth pathways into homelessness” (15 bis 24 Jahre) vom “adult pathways into homel- essness” (25 bis 50 Jahre) und “later life pathways into homelessness” (50+ Jahre) ab- grenzt. Sowohl vertiefende Literatur zu Emerging Adults Wiens im Allgemeinen als auch zu wohnungslosen Emerging Adults Wiens im Speziellen, ist, abgesehen von hinweisge- benden Evaluierungen, Bestandsaufnahmen oder Positionspapieren, Mangelware. Eine Profilerstellung basierend auf bestehender Literatur zu dieser Zielgruppe ist dementspre- chend nicht möglich. International weisen sowohl Justin Barker (2016: 677-681) als auch Tiffany Ryan et al. (2012: 70-77) darauf hin, dass Zugänge und Angebotsformen in Anbe- tracht der hohen Heterogenität und der speziellen Bedürfnislage von wohnungslosen Emerging Adults häufig ungeeignet sind. Unterstützung für Wohnungslose in Wien bietet die Wiener Wohnungslosenhilfe (WWH) an. Die WWH wird vom Fond Soziales Wien (FSW) organisiert und koordiniert und setzt primär auf ein Stufenmodell. Beginnend bei ambulanter Beratung und Notquartiersnutzung soll über fixe Wohnplätze eine sogenannte Finalwohnung realisiert werden. Ergänzend sind Mobile Notversorgung, Delogierungsprävention sowie Nachversorgung und eine adaptiertes ‚‘ Modell zu nennen. Die unterschiedlichen Stufen sind dabei un- terschiedlich nieder- beziehungsweise hochschwellig. Während der Zugang zur mobilen Notversorgung oder vielen ambulanten Beratungsstellen und Tageszentren sehr offen ist, unterliegen sowohl Notquartiers- als auch Wohnplatzvergabe Zugangskriterien, genannt Förderkriterien. Diese umfassen unter anderem harte Kriterien wie Nationalität und Aufent- haltstitel, aber auch weiche Kriterien mit hohem Interpretationsspielraum wie Betreuungs- bedarf (vgl. Grabner et al. 2008: 22-77; vgl. BAWO 2009:51ff; FSW 2015; vgl. Magistrats- abteilung 24 2015: 148-160; Riesenfelder et al. 2012a: 15-24; Schoibl 2013a: 26-46). In Anbetracht dessen ist eine 2007 erhobene Statistik besonders interessant (vgl. Arbeits- gruppe Junge Wohnungslose 2013a: 6): 40% der Notquartiersnutzer_innen waren 2007

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zwischen 18 und 30 Jahre alt, während in Relation dieselbe Altersgruppe nur 10% bis 15% der Übergangswohnplätze großer Häuser für Wohnungslose belegte. Dementsprechend wurden entweder weniger Personen dieser Altersgruppe gefördert oder sie sprangen im Prozess der Abklärung der Förderkriterien ab. Zwar steigt dieser Wert bis 2010 bei 18- bis 29- jährigen auf 20% (vgl. Riesenfelder et al. 2012b: 19). Dennoch waren 2011 39% der Antragssteller_innen zwischen 18 und 31 Jahren alt, während nur 34% der eingezogenen, daher geförderten, Personen dieser Altersgruppe entsprachen (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 5-8). „Stellt man die Anzahl der AntragstellerInnen und die Anzahl der Einzüge je Alters und Geschlechtergruppe gegenüber, so wird deutlich: Je jünger die AntragstellerInnen sind, je weniger Einzüge gibt es. Unter den unter 21-Jährigen kommt es nur bei 50% der Antrag- stellerInnen tatsächlich zu einem Einzug in einer Einrichtung der Wiener Wohnungslosen- hilfe. Gründe hierfür sind sicherlich vielschichtig und reichen von keiner ausgestellten Sub- jektförderung bis hin zu altersentsprechendem, schnelllebigen Verhalten.“ (ebd.: 6) Die hier vorliegende Arbeit versucht diese Forschungslücken zum Profil junger Wohnungs- loser Wiens sowie deren Zugang zu weitführenden Angeboten der WWH zu schließen. Dafür werden Merkmale und Herausforderungen per Qualitativer Inhaltsanalyse (Mayring 2015) erhoben und in Verbindung mit der Anspruchsberechtigung für weiterführende Wohnplätze gebracht. Einleitend werden aktuelle Forschungsergebnisse zu den Themen- blöcken Emerging Adulthood und Wohnungslosigkeit vorgestellt sowie die Forschungs- frage und dessen Klärungsbedarf begründet, anschließend wird auf die Forschungsmetho- dik eingegangen. Abschließend werden Ergebnisse deskriptiv dargestellt um diese im An- schluss zu interpretieren und diskutieren.

2. Stand der Forschung Dieses Kapitel gibt einen Überblick über forschungsrelevante Aspekte und aktuelle For- schungsergebnisse. Zuerst wird die entwicklungspsychologische Theorie des ‚Emerging Adulthood‘ erläutert und Wohnungslosigkeit im Allgemeinen beleuchtet. Abschließend wer- den Forschungsergebnisse zu jungen Wohnungslosen präsentiert und die Relevanz dieser Zielgruppe für die Klinische Soziale Arbeit begründet. 2.1. Emerging Adulthood Die Frage ob der spezifischen Herausforderungen und Perspektiven junger Wohnungslo- ser basiert auf der These, dass die Zielgruppe allgemein von eigenen Lebenslagen und -welten gekennzeichnet ist. Anhand ihrer Bedürfnisausprägungen und Möglichkeiten zur Befriedigung ebendieser, unterscheiden sie sich zu Adoleszenten und Erwachsenen. Schon Erik Homburger Erikson (1968: 156 zit.n. Arnett 2000: 470) weist auf eine Entwick- lungsperiode nach der Adoleszenz hin, ohne diese aber genauer zu benennen. Robert James Havighurst (1981) ordnet unter anderem dem jungen Erwachsenenalter einige der prominenten Entwicklungsaufgaben zu. Prägend für aktuelle Untersuchungen zu dieser

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Alterskohorte sowie dem Begriff Emerging Adulthood1 per se, ist Jeffrey Jensen Arnett (vgl. u.a. 2000, 2014). Er beschreibt unter dem Begriff Emerging Adulthood eine neue, eigen- ständige Lebensphase. Sie ereignet sich zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr in Abgren- zung zur Adoleszenz und dem jungen Erwachsenalter. „The idea of emerging adulthood may be of use in describing a developmental status that is some ways beyond adolescence and in some ways not fully adult” (Arnett, Taber 1994: 535f). Aktuellere Untersuchungen zu Emerging Adults erweitern die Altersspanne bis zum 29. Lebensjahr (vgl. Arnett 2014). Sie sind Indikator dafür, dass diese Lebensphase fließende Altersgrenzen aufweist und durch entwicklungspsychologische sowie soziokulturelle Merk- male geprägt ist. Diese Feststellung belegt auch die anschließende Begriffsbeschreibung. 2.1.1. Argumentation für und Kennzeichen des Emerging Adulthoods Wichtige Indikatoren für die Notwendigkeit der Definition einer eigenständigen Phase Emerging Adulthood sind nach Arnett (2000: 470-474) demographische Veränderungen der letzten Dekaden, das subjektive Gefühl der Alterskohorte sowie die Relevanz dieser Phase für die eigene Identitätsbildung. In aktuellen Artikeln betont Arnett (vgl. 2014: 158ff) neben der Subjektivität und der Identitätsbildung zusätzlich den Fokus auf das eigene Selbst sowie Instabilität, aber auch Optimismus als prägend für die Phase an. Neben den fünf Indikatoren werden aufgrund der Relevanz für diese Studie auch Ergebnisse zum Ri- sikoverhalten von Emerging Adults präsentiert. Die letzten Dekaden sind insbesondere in westlichen Kulturen sozialdemographisch von sukzessive höheren Lebensaltern bei Eheschließungen und der Geburt des ersten Kindes geprägt. Während 1970 in den USA der Median des Lebensalters bei Eheschluss noch bei 21 Jahren für Frauen und bei 23 Jahren für Männer lag, stieg der Median des Alters bis 1996 bei Frauen auf 25 Jahre und bei Männern auf 27 Jahre. Dieselbe Entwicklung ist hinsichtlich des Alters bei der Geburt des ersten Kindes erkennbar (vgl. U.S. Bureau of the Census, 1997 zit.n. Arnett 2000: 471). Parallel stieg zwischen 1940 und Mitte der 1990er Jahre der Anteil junger US Amerikaner_innen mit Hochschulausbildung von 14% auf 60% (vgl. Arnett, Taber, 1994: 527). Laut U.S. Bureau of the Census (1997 zit.n. Arnett 2000: 471) lebt die große Mehrheit aller US amerikanischen 12- bis 17-jährigen im Elternhaus (95%), geht zur Schule (95%), ist unverheiratet (98%) und weniger als 10% sind Eltern eines Kindes. Ab dem dreißigsten Lebensjahr sind rund drei Viertel verheiratet und / oder Eltern, weniger als 10% gehen zur Schule. Insgesamt ist die Phase aufgrund des Raumes für Exploration von demographischer Diversität und Unvorhersagbarkeit geprägt (vgl. ebd.).

1 Bis dato konnte in der deutschsprachigen Fachliteratur noch keine passende Übersetzung für Emerging Adulthood identifiziert werden. Anstelle dessen wird häufig der Terminus ‚Junge Erwachsene‘ synonym ver- wendet. Arnett (2000, 2014) hingegen grenzt dessen direkte Entsprechung ‚Young Adulthood‘ deutlich vom Begriff ‚Emerging Adulthood‘ ab. Aus Mangel einer passenden Begrifflichkeit wird in dieser Arbeit mit dem englischen Begriff sowie dessen diversen Abwandlungen gearbeitet und in Verbindung mit Wohnungslosig- keit von ‚jungen Wohnungslosen‘ oder ‚wohnungslosen Emerging Adults‘ gesprochen. 12

„Emerging adults tend to have a wider scope of possible activities than persons in other age periods because they are less likely to be constrained by role requirements, and this makes their demographic status unpredictable” (Arnett 2000: 471). Ähnliche demographische Entwicklungen zeigen sich auch in anderen Industriestaaten (vgl. Arnett 2000, 2014), wie noch im Unterpunkt 2.1.2 detailliert ausgeführt wird. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Emerging Adults ist die subjektive Wahrnehmung des eigenen sozialen Alters. Eine große Zahl kann sich weder Jugendlichen noch Erwach- senen zuordnen und fühlt sich ‚zwischen den Stühlen‘. So zeigt Abbildung 1, dass sich erst mit Ende der 20er und Anfang der 30er Lebensjahre die Mehrheit der Befragten erwachsen fühlt. Es bleibt allerdings noch immer ein Drittel an Befragten, das sich dessen unsicher ist (vgl. Arnett 2000: 472). Arnett (2014) leitete ab 2012 eine, für die USA hinsichtlich Region, Ethnie und sozia- ler Klasse repräsentative2, Umfrage (n=1009), in der die Ergebnisse zur Wahr- nehmung des eigenen sozialen Alters be- stätigt wurden. Die Hälfte der Untersu- chungspopulation wählt hinsichtlich der Frage nach dem Erwachsensein die Ant- worten „no“ oder „neither yes nor no“. Dabei wird ein deutlicher Rückgang bei 18- bis 21- jährigen (61%) zu 26- bis 29- jährigen (39%) betreffend „neither yes nor no“ fest- gehalten (vgl. Arnett, Walker 2014 zit.n. ebd.: 159). Als die wichtigsten Kriterien für den Übergang ins gefühlte Erwachsensein können „accepting responsibility for one’s self“ und „making independent decisions“ Abbildung 1: Gefühlte Zugehörigkeit zur Gruppe Erwachsener (Arnett 2000: 472) genannt werden. Mit ein wenig Abstand ist „becoming financially independent“ ebenfalls von hoher Bedeutung (vgl. Arnett 2000: 471ff). Auch wenn demographische Faktoren für Befragte kaum ausschlaggebend waren, spielte für das Gefühl des Erwachsenseins insbesondere Elternschaft eine wesentliche Rolle. Eltern sahen die eigene Elternschaft als wichtigsten Faktor für ihr gefühltes Erwach- sensein (vgl. ebd.). Arnett (ebd.: 473) leitet aus all diesen Kriterien die hohe Relevanz von Selbstständigkeit und Unabhängigkeit für Emerging Adulthood ab. Als weiteres Merkmal beschreibt Arnett (ebd.: 473f) die Vielzahl an Möglichkeiten für die Identitätsbildung und Exploration. Im Kontrast zu Erikson (1950, 1968 zit.n. ebd.) vertritt Arnett sogar die Annahme, dass Emerging Adulthood für die Identitätsfindung in individu- alisierten Gesellschaften eine bedeutendere Rolle zuzuschreiben ist als der Adoleszenz.

2 Mit der Auswahl der Proband_innen versuchte Arnett auch der Kritik entgegenzuwirken Emerging Adulthood treffe nur bei besserer soziökonomischer Absicherung zu und nicht bei Gleichaltrigen aus vergleichsweise ärmeren Verhältnissen (vgl. Arnett 2014). 13

Die Forschung zur Identitätsbildung fokussiert zwar die Phase der Adoleszenz, weist aller- dings auch aus, dass diese in den frühen 20er Lebensjahren weiter voranschreitet. Drei Bereiche sind für die Identitätsbildung während der Emerging Adulthood hoch relevant: Liebe, Arbeit und Weltanschauung (vgl. ebd.). So weist William Perry (1999 zit.n. ebd.) aus, dass viele Emerging Adults die in der Ado- leszenz verinnerlichte Weltanschauung erneut reflektieren und hinterfragen. Collegestu- dent_innen sagten bei einer Befragung häufig aus, dass sich die eigenen Weltanschauun- gen vor und nach dem College nicht mehr deckten. Arnett (1997 zit.n. ebd.) identifiziert dasselbe Phänomen auch bei Personen, die nicht im Anschluss an die High School ein College besuchten. Gleichzeitig bekommen Partnerschaften ein neues Ausmaß an Intimi- tät. Der Zeitpunkt für Exploration im Bereich Liebe sei gerade während des Emerging Adulthood optimal, da der elterlichen Überwachung häufig entflohen wurde und gleichzeitig noch nicht der gesellschaftliche Druck einer ernsthaften Partnerschaft oder Ehe präsent ist. Zusätzlich werden in der Dimension Arbeit unübliche Beschäftigungen, wie kurze Dienstverhältnisse oder freiwillige Arbeiten im Ausland, gewählt. Arnett (ebd.) hält fest, dass die Exploration viel mehr der eigenen Identitätsfestigung dient als der Vorbereitung für zukünftige soziale Rollen: „For both love and work, the goals of identity explorations in emerging adulthood are not limited to direct preparation for adult roles. On the contrary, the explorations […] are in part explorations for their own sake, part of obtaining a broad range of life experiences before taking on enduring –and limiting- adult responsibilities. The absence of enduring role com- mitments […] makes possible a degree of experimentation and exploration” (ebd.:474). Aufgrund der geringen sozialen Verpflichtungen und dem daraus entstandenem Raum für Exploration, bezeichnet Arnett (2014: 159) Emerging Adulthood als „self-focues age“. Die Lebenswelten Kinder und Jugendlicher ist durch Verpflichtungen gegenüber Bildungsein- richtungen und Familienangehörigen geprägt, jener Erwachsener durch Verpflichtungen gegenüber Arbeitgeber_innen und der Familie. Dies trifft zwar auch für Emerging Adults zu, allerdings auf einer viel loseren und flexibleren Art und Weise (vgl. ebd.). Der Raum für Exploration sowie der Fokus auf das eigene Selbst führt zu der hohen Insta- bilität der Lebensphase. So kommt es beispielsweise in der Dimension Liebe zu häufigen Partner_innenwechsel (vgl. ebd.: 158f). In den Bereichen Bildung und Arbeit veranschau- lichen Statistiken des National Center for Education Statistics (NCES) und U.S. Depart- ment of Labor die Fragilität des Emerging Adulthood. Nur 59% schließen nach sechs Jah- ren erfolgreich das Studium ab, wenn sie sich für ein vierjähriges Studium inskribieren (vgl. NCES 2013 zit.n. ebd.: 158). Gleichzeitig haben US Amerikaner_innen durchschnittlich acht verschiedene Arbeitsstellen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren (vgl. U.S. Department of Labor 2012 zit.n. ebd.). Trotz, oder vielleicht wegen, der Instabilität ist Emerging Adulthood eine Lebensphase des Optimismus. So stimmen 96% der 18- bis 24-jährigen der Aussage zu „I am very sure that someday I will get to where I want to be in life“ (vgl. Hornblower 1997 zit.n. Arnett 2000: 474). Diese Tendenz zum Optimismus ist auch bei Emerging Adults zu erkennen, deren Leben momentan unverheißungsvoll anmutet (vgl. Arnett 2014: 160).

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Da für diese Studie besonders relevant, muss zusätzlich das ausgeprägte Risikoverhalten von Emerging Adults hervorgehoben werden. Es schlägt sich beispielsweise signifikant in ungeschütztem Sex, Substanzmissbrauch oder risikoreichem Verkehrsverhalten (Rasen oder beeinträchtigtes Fahren) nieder. Erklärungen zum relativ risikoreichen Verhalten be- ziehen sich auf die andauernde Explorationsphase mit Aussicht auf die Phase der Verant- wortung im Erwachsenenalter. Während des Emerging Adulthood werden somit Erfahrun- gen gesammelt, die in einer Ehe oder als Elternteil mit höherer Verantwortung nicht mehr in Erwägung gezogen werden (vgl. Arnett 2000: 474f). Wichtiger Antrieb dabei ist die Su- che nach dem Extrem, von Arnett (ebd.: 475) als „sensation seeking“ bezeichnet. Jerald Bachman et al. (1996 zit.n. Arnett 2000: 475) belegen den Rückgang risikoreichen Sub- stanzkonsums mit steigendem Alter. In einer Längsstudie zeigen die Autor_innen (vgl. ebd.), dass dieser nach dem Höhepunkt zu Beginn der 20er Lebensjahre entlang Zeitpunk- ten der Eheschließung und Elternschaft zurückgeht. 2.1.2. Die Relevanz von Kultur und Nationenspezifika Schon früh verweisen J.J. Arnett und Susan Taber (1994) hinsichtlich des Endes der Ado- leszenz auf den Einfluss der Kultur und Sozialisationsart einer Gesellschaft. Dabei wird zwischen Kulturen mit „broad socialization“, Individualismus und Selbstdarstellung för- dernd, und „narrow socialization“ (ebd.: 519f), hoher Grad an Konformität und kultureller Ideale die an ihre Mitglieder herangeführt werden, differenziert. Je mehr eine Kultur Anzei- chen einer individualisierten Gesellschaft aufweist, umso eher müssen individuelle Kenn- zeichen zur Bestimmung der Lebensphase dienen. In Kulturen die eine „broad socializa- tion“ aufweisen, ist das Erlangen von Eigenständigkeit und Unabhängigkeit markant. So halten J.J. Arnett und Susan Taber (1994: 533) fest: „The more individualistic a culture becomes, the more the transition to adulthood is individually rather than socially defined.” In einer Studie zu 186 traditionell nicht westlichen Kulturen ist nur bei 20% eine Phase zwischen der Adoleszenz und des Erwachsenseins, sprich eine Emerging Adulthood Phase, zu identifizieren (vgl. Schlegel, Barry 1991 zit.n. Arnett 2000: 477). Der Übergang in das Erwachsenenalter in den Kulturen der Studie ist insbesondere durch die Eheschlie- ßung geprägt, die bei Mädchen meist zwischen 16 und 18 Jahren, bei Jungen zwischen 18 und 20 Jahren stattgefunden hat. Deshalb ist Emerging Adulthood keine universale Phase, sondern vielmehr eine von Kulturen, die eine spätere Übernahme der Erwachse- nenrolle zulassen oder fördern. Erst durch diese verzögerte Übernahme ist die markante Exploration der Identität während des Emerging Adulthood möglich. Nachdem üblicher- weise Ausbildungen beziehungsweise deren Abschluss Eheschließung und Elternschaft, als zwei demographische Marker für das Erwachsenenalter, verzögern, findet sich das Phänomen Emerging Adulthood vermehrt, aber nicht ausschließlich, in Industrienationen (vgl. ebd.: 477ff). “Such countries require a high level of education and training for entry into the information- based professions that are the most prestigious and lucrative, so many of their young peo- ple remain in school into their early twenties and midtwenties” (Arnett 2000: 478). Trotz des Verweises, dass Emerging Adulthood kein universales Phänomen ist, ist es je- doch international. In aktuelleren Veröffentlichungen wird festgehalten, dass in allen Teilen

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der Welt ähnliche sozialdemographische Tendenzen erkennbar sind. So unterscheiden sich viel mehr Formen des Emerging Adulthood im kultur- und länderspezifischen3 Ver- gleich. Es wird die Annahme vertreten, dass sich viel eher Formen des Emerging Adulthood im kultur- und länderspezifischen Vergleich unterscheiden. Während die Lebensphase in vielen asiatischen Ländern im Vergleich zu europäischen Ländern wesentlich weniger in- dividualistisch verläuft, zeigen sich in Europa signifikante Unterschiede im Norden, Süden, Westen und Osten hinsichtlich des Zusammenlebens mit den Eltern, der Arbeitssuchen- denstatistik oder dem Verhalten vor tertiärer Bildung („gap year“) (vgl. Arnett 2014: 161). Mit Fokus auf unterschiedliche ethnische Gruppen überprüften Jessica Hill et. al (2015) die Hypothesen Arnetts an der Amsterdamer Bevölkerung anhand eines Samples von 958 vollständig beantworteten Fragebögen. Trotz Abweichungen, beispielsweise hinsichtlich des Gefühls ‚Dazwischen‘ zu stehen, kommen die Autor_innen zu dem Schluss, dass die Phase des Emerging Adulthood auch in den Niederlanden zu identifizieren ist (vgl. ebd.: 1053f). „[E]merging adulthood is a relevant concept for the Dutch, and whilst we found differences between the Netherlands and the USA […] these were on the whole minor.” (ebd.:1053). Ulrike Sirsch et al. (2009) bestätigen die Theorie des Emerging Adulthood auf österreichi- scher Ebene. Bei einer Stichprobe von 775 Personen (226 Adoleszente, 317 Emerging Adults und 232 Erwachsene) wurden ähnliche signifikante Unterschiede der Lebenspha- sen hinsichtlich der fünf Kriterien (s.o.) Exploration, des Gefühls ‚zwischen den Stühlen‘, Selbstfokus, Instabilität und Optimismus festgestellt (vgl. ebd.: 287ff). 2.2. Wohnungslosigkeit Im Folgenden wird das Phänomen Wohnungslosigkeit differenziert erläutert. Dazu wird zu- erst ein Überblick über Theorien zur Wohnungslosigkeit sowie deren historische Entwick- lung gegeben. Anschließend werden aktuelle Forschungsergebnisse zu kritischen Ein- flussfaktoren und Auswirkungen von Wohnungslosigkeit dargestellt. Abschließend wird auf Wohnungslosigkeit in Wien und das Wiener Unterstützungssystem für Betroffene einge- gangen. Vorweg zu nehmen ist allerdings die Definition der Begriffe Obdachlosigkeit, Wohnungslo- sigkeit sowie ungesichertes und ungenügendes Wohnen. Der europäische Dachverband der Wohnungslosenhilfe (FEANTSA) geht von drei Grundpfeilern aus, deren Abwesenheit Wohnungslosigkeit beschreiben:  einem physischen Bereich, in Form von Besitzrecht an Wohnraum  einem sozialen Bereich, indem in den Räumlichkeiten die Privatsphäre ausreichend geschützt ist

3 Eine westliche Kultur ist in diesem Hinblick nicht missverständlich gleichzusetzen mit westlicher Nationen, auch wenn demographische Statistiken mehrheitlich national angeführt werden. Dies zeigen unter anderem Angehörige kultureller Minderheiten, deren Lebensstil und -weise soziokulturell von denen der westlichen Kultur abweichen, wie die Glaubensgemeinschaften der Mormonen (vgl. Arnett 2000). 16

 einem rechtlichen Bereich, der anhand eines legalen Rechttitels gegeben ist (vgl. FEANTSA 2005) Entsprechend dieser Grundpfeiler hat FEANTSA (ebd.) Typologien von Wohnungslosigkeit entwickelt, genannt „Typology on Homelessness and Housing Exclusion“ (ETHOS). Dem- nach sind:  obdachlos all jene, die im öffentlichen Raum oder Notquartieren nächtigen  wohnungslos4 Personen, die in von Träger_innenorganisationen zur Verfügung ge- stelltem festen Wohnraum wohnen, wie Übergangswohnplätze oder Frauenhäuser sowie Jugend- oder Langzeitwohnheime (vgl. ebd.) Unter ungesicherten Wohnverhältnissen werden alle Lebenslagen subsumiert die auf pre- käre Verhältnisse hindeuten. Dazu zählen Personen, die von Delogierung oder in der ei- genen Wohnung von Gewalt bedroht sind sowie Personen, die temporär bei Bekannten nächtigen. Ungenügend Wohnen zeichnet sich hingegen durch die Abwesenheit üblicher Wohnformen aus. Der Begriff subsumiert Leben in Wohnwägen oder Zelten, in Abbruch- gebäuden, bei Hausbesetzungen oder auch bei Unterschreitung einer zulässigen Mindest- quadratmeterzahl pro Person (vgl. ebd). 2.2.1. Theorien zur Wohnungslosigkeit Unter dem Begriff „Individualisierende Ansätze“ fasst Larissa von Pulgerg-Muschiol (2009: 43-52) jene Erklärungsansätze zusammen, die Wohnungslosigkeit durch Fehlverhalten der Betroffenen oder organische Ursachen begründet sehen. Johannes Wickert et al. (1976a, 1976b zit.n. ebd.) unterstellen beispielweise „Nichtsesshaften“ eine spezifische Persönlich- keitsstruktur. Ralf Könen (1990 zit.n. ebd.) hingegen beschreibt eine Phase in der der so- genannte Problemfamilienansatz dominiert. Hierbei werden Familiensystemen „irreparable Funktionsstörungen“ (Könen 1990: 100 zit.n. ebd.) nachgesagt. Dadurch ist die Schluss- folgerung entstanden, dass gewisse Familiensysteme nicht für Wohnen geschaffen sind, Umgebungsbedingungen bleiben unberücksichtigt. Pulgerg-Muschiol (ebd.: 51) verweist auf die unzureichend monokausale Perspektive dieser Ansätze sowie auf deren fehlende empirische Fundierung. Sie resümiert: „Da bei diesen Erklärungsansätzen wissenschaftlich fundierte Begründungszusammen- hänge fehlen, setzen sie verschiedene Annahmen (Vorurteile) voraus […] Die vorgestellten Ansätze ignorieren soziologische Aspekte und bieten daher keine adäquaten Erklärungen für das Entstehen von Wohnungslosigkeit. […] Diese monokausale Sichtweise wird dem komplexen Problem der Wohnungslosigkeit nicht gerecht“. (ebd.) Seit den 1970er Jahren werden verstärkt auch Umweltfaktoren als kausal beschrieben. Dementsprechend rücken heute häufiger „strukturelle Erklärungsansätze“ (ebd.: 52-60) in den Fokus. Zu diesen zählen beispielsweise das sozioökologische Modell, das Wohnungs- losigkeit primär als Produkt räumlicher Segregation und Stigmatisierungsprozesse sieht, oder der Armutsansatz, der Wohnungslosigkeit und die unzureichende Befriedigung von

4 Im Folgenden wird mit dem Begriff der Wohnungslosigkeit gearbeitet, da dieser immer auch Obdachlosig- keit umfasst. 17

Grundbedürfnissen auf materielle Unterversorgung zurückführt. Der Armutsansatz wurde aufgrund der monokausalen Perspektive kritisiert und deshalb unter dem Begriff des Un- terversorgungsansatzes erweitert (vgl.ebd.). Dieser integriert Differenzen der Versor- gungslandschaft, selektive Gewährung von Unterstützungsleistungen sowie die Theorie der Zwangsmobilität basierend auf strukturellen Zwängen des Systems (vgl. Specht 1985 zit.n. ebd.). Magen Honor Ravenhill (2008: 32) verweist auf den unzureichenden Erklä- rungsumfang dieses Ansatzes. Dieser vernachlässigt die Möglichkeit, gegen die struktu- rellen Gegebenheiten zu handeln. „The main problem with structuralism is that by focusing on the structures it overlooks the individuals’ ability to be independent of these structures. It doesn’t account for the individ- uals’ ability to act, react and interact with their environment, making conscious decisions, taking risks and determining outcomes.” (ebd.). Teresa Gowan (2010 zit.n. Somerville 2013: 388) umschreibt die oben genannten histori- schen Episoden mit „sin talk“ bis 1960 und „system talk“ von 1960 bis 1980. Während ersterer Wohnungslosigkeit mit vermeintlich individuellen Charakterschwächen, wie Alko- holismus, monokausal begründet, versucht der System Talk strukturelle Gegebenheiten als Erklärung heranzuziehen. Seit den 1980er Jahren dominiert der „sick talk“ (ebd.) als Erklä- rungsansatz für Wohnungslosigkeit. Er führt Wohnungslosigkeit auf die Akkumulation von individuellen sowie strukturellen Belastungen zurück. Damit wird der Blick auf Risikofakto- ren gelenkt. Die Darstellung in Form von Wegen in die Wohnungslosigkeit ist für den ‚pa- thway approach‘ namensgebend. “In other words, homelessness is to be explained in terms of a specific combination of structural factors […] and individual vulnerabilities […]. ‘Structural’ factors create the con- ditions within which homelessness occurs, and then, ‘individual’ factors determine the like- lihood of becoming homeless in those conditions.” (Somerville 2013: 388) Peter Somerville (2013) argumentiert in seinem Systematic Review „Understanding Homel- essness“, dass dieser epidemiologische Ansatz (weiterhin) eine sehr eindimensionale Sichtweise auf das Phänomen Wohnungslosigkeit biete:  einerseits sind sowohl strukturelle und individuelle Faktoren, als auch deren Zu- sammenhang nicht ausreichend definiert. Mit Verweis auf Suzanne Fitzpatrick (2005: 5 zit.n. ebd.: 388) wird angeführt, dass beispielsweise nachlässige Erzie- hung zur Wohnungslosigkeit beitragen kann. Je nach Perspektive könne diese al- lerdings individuell, strukturell oder weder-noch beziehungsweise beides sein  andererseits wird Wohnungslosigkeit als soziales Faktum angenommen. Dadurch wird sie losgelöst von Erfahrungen und Beziehungen beforscht und reduziert die Komplexität und Multidimensionalität von Wohnungslosigkeit auf eine Dimension, nämlich Wohnungslosigkeit per se  außerdem ist der Neuigkeitswert dieser Perspektive in Frage zu stellen. Somerville verweist auf frühe Studien Howard M. Bahrs (1973: 17 zit.n. ebd.: 389), der implizit individuelle und strukturelle Faktoren nennt und auch auf die Multidimensionalität von Wohnungslosigkeit hinweist

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 zu guter Letzt werden nicht reflektierte Kausalzusammenhänge hergestellt. Viele erklärende Variablen (die diversen Risikofaktoren) werden mit einer abhängigen (Wohnungslosigkeit) in Zusammenhang gebracht. Dabei werden viele Variablen in- adäquater Weise als unabhängig angenommen. Gleichzeitig existiert kein allgemei- nes Verständnis von Wohnungslosigkeit. Viel eher haben sich politisch Verantwort- liche der Definitionsmacht des Labels angenommen (vgl. ebd.: 388f). “It is not even clear whether it is possible in all cases to identify (without general agree- ment!) variables that are independent of homelessness. It is of course possible to general- ize to a certain extent – for example, if you do not pay your rent, you are at risk of being evicted and, therefore, becoming homeless – but this says nothing about the reasons why you did not pay your rent, which could equate to a wide variety of independent variables“ (ebd.: 389). Ravenhill (2008: 28-42) hält fest, dass keine Theorie zur Wohnungslosigkeit diese in vollem Umfang erfasst. Funktionalismus liefert Erklärungsmuster basierend auf Dysfunktionalität und deviantem Verhalten von Individuen und übersehe jegliche Umwelteinflüsse. Struktu- ralismus dagegen ignoriert die Fähigkeit von Menschen unabhängig von Strukturen zu re- agieren. Der aktuell prominente Risikoansatz (oder Pathwayapproach) liefert wichtige Er- kenntnisse, kann aber immer nur einen Teil von Wohnungslosigkeit erklären, da auch Per- sonen mit geringem Risikopotential wohnungslos werden. Aus diesem Grund kann Woh- nungslosigkeit nur durch Integration mehrerer bestehender Theorien zur Wohnungslosig- keit adäquat beschrieben werden. Ausgehend von der Kritik an den theoretischen Hintergründen aktueller Forschungen plä- diert Somerville (2013: 408f) für stark kontextualisierte Analysen, biographisch und entlang der individuellen Lebenslagen von Betroffenen. Des Weiteren befasst er sich mit Wegen während sowie aus der Wohnungslosigkeit und attestiert ihnen Entwicklungsbedarf. Es mangle an Längsschnittstudien und diesbezüglich an Daten des Wohnraumerhalts. Gleich- zeitig sind Längsschnittstudien aber bezüglich Eindeutigkeit der Erfahrungen Betroffener, unter anderem in Übergangswohnheimen hin zu selbstständigem Wohnen oder auch chro- nischer Wohnungslosigkeit, besonders gehaltvoll (vgl. ebd.: 409). 2.2.2. Wohnungslosigkeit – kritische Einflussfaktoren und ihre Auswirkungen Wohnungslosigkeit ist in hohem Ausmaß multikomplex und mehrdimensional. Peter So- merville (1992: 532ff) unterscheidet neben der Abwesenheit einer physischen Unterkunft per se, Deprivation in fünf Dimensionen:  physiologisch: Mangel an körperlichem Komfort und Wärme  emotional: Mangel an Liebe und Freude  territorial: Mangel an Privatsphäre  ontologisch: Mangel an Verwurzelung in der Welt, Anomie  spirituell: Mangel an Hoffnung und Sinn Im Folgenden wird diese Komplexität so weit wie möglich reduziert. Dazu werden anhand Studien Ravenhills (2008: 90-129), Fitzpatricks et al. (2000) oder Myra Piats et al. (2015)

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die Vielzahl und Komplexität von Triggern und / oder Risikofaktoren veranschaulicht. An- schließend wird auf unterschiedliche Arten von Wohnungslosigkeit sowie auf geschlechts- und altersspezifische Unterschiede bei Wohnungslosigkeit eingegangen. Abschließend werden Ergebnisse zu betonten Faktoren künstlich isoliert dargestellt. Ravenhills (2008: 90-129) Skizzen zu Wegen in die Wohnungslosigkeit zeigen die Hetero- genität von Einflussfaktoren. Die Autorin identifiziert ein Zusammenspiel biographischer, struktureller und behavioraler Trigger. Eine schnelle Abfolge sowie Akkumulation ebendie- ser, erhöht die Vulnerabilität gegenüber Wohnungslosigkeit, indem sie Betroffene destabi- lisieren und die Fähigkeit blockieren flexibel auf die Gefahr von Wohnungslosigkeit zu rea- gieren. Zu diesen Triggern zählen unter anderem schwache soziale Netzwerke, Marginali- sierung oder Abwesenheit protektiver Faktoren. Ravenhill (ebd.) betont neben der Bedeu- tung destruktiver Beziehungen, wie beispielsweise bei häuslicher Gewalt, den Einfluss be- lasteter Beziehungen zu Bezugspersonen, die Verlust an Stabilität bedeuten. Dabei skiz- ziert die Autorin (ebd.) ausführlich wie sich Sucht, Institutionalisierung, Exklusion, destruk- tive Beziehungen oder Belastung wichtiger Beziehungen sowie rasche beziehungsweise unüberlegte Reaktionen auf den Eintritt einer Krise oder mangelhafte professionelle Unter- stützung im Laufe der Biographie entwickeln und zur Vulnerabilität gegenüber oder Mani- festation von Wohnungslosigkeit beitragen. Einen wesentlichen Beitrag zu Risiko- und Triggerfaktoren publizierten Suzanne Fitzpatrick et al. (2000: 28f). Während unter strukturellen Risikofaktoren Mangel an leistbarem Wohn- raum und materielle Armut subsumiert werden, zählen zu institutionellen Risikofaktoren die Anbindung an das professionelle Unterstützungssystem oder der Militärdienst. Außerdem wirken schwere Belastungen des Familiensystems oder durch das Familiensystem als Ri- sikofaktoren. Individuelle Faktoren umfassen unter anderem Hafterfahrungen, Schulprob- lematiken, geringe soziale Unterstützung oder Suchtverhalten und gesundheitliche Beein- trächtigungen. Zur Problematik dieser Kategorisierung siehe auch Somervilles (2013: 388- 394). Beitrag, zusammengefasst im vorherigen Unterkapitel. Hingegen beschreiben Trig- gerfaktoren nach Fitzpatrick et al. (2000: 26) die Art und Weise, sprich die faktischen Gründe, weshalb eine Unterkunft aufgegeben wird oder werden muss. Dazu zählen neben dem Tod oder der Trennung von Lebensgefährt_innen, Haftentlassung, Delogierung, un- genügende Schuldenregulierung, drastische Verschlechterung des Gesundheitszustands, auch das Verlassen des elterlichen Haushalts aufgrund von Konflikten oder Änderungen in der Haushaltszusammensetzung, wie neue Partner_innen oder Verwandte. Bezogen auf Wohnungslose in Wien treffen viele dieser Faktoren in hohem Maße zu. An- dreas Riesenfelder et al. (2012a: 29-32) untersuchten unter anderem biographische Prä- gungen von Bewohner_innen weiterführender Angebote der WWH. Knapp die Hälfte der Biographien ist geprägt von heftigen Krisen in der Partnerschaft, ein Drittel von Konflikten mit den Eltern und / oder Gewalt im Elternhaus. Fast ein Fünftel der Betroffenen waren zumindest einmal in Heimen untergebracht, 15% verließen früh das eigene Elternhaus, 30% der Betroffenen waren zumindest einmal in Haft. Zum Erhebungszeitpunkt gab jeweils knapp ein Fünftel der Betroffenen an aktuell keine Bezugsperson zu haben oder mit Kon- flikten im sozialen Umfeld konfrontiert zu sein.

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Auch Myra Piat et al. (2015) untersuchten in einer kanadischen Studie Risikofaktoren indi- vidueller und struktureller Natur. In dieser sind allerdings weniger einzelne Faktoren oder deren Akkumulation im Fokus, viel mehr wird die Interaktion ebendieser Faktoren anhand biographischer Typologien veranschaulicht. Es handelt sich somit um eine Chronologie der Akkumulation dieser Risikofaktoren. Ihre Studie (n=219) fokussiert dabei Wege in die Woh- nungslosigkeit von Personen mit psychiatrischer Grunderkrankung (nach DSM-IV). Basie- rend auf der Wechselwirkung zwischen individuellen Faktoren und strukturellen Faktoren konnten die Autor_innen vier Wege identifizieren, die zur Entstehung und Manifestation von Wohnungslosigkeit beitragen. Während der erste Weg ein Zusammenspiel primär individueller Faktoren ist, beispiels- weise Beziehungen und Konsumverhalten, beschreibt der zweite das Verlassen einer in- stitutionellen Unterbringung. Dabei ist insbesondere das Ausbrechen aus der vollen Erzie- hung der Kinder- und Jugendwohlfahrt relevant für diese Forschungsarbeit und wird im Kapitel 2.3 detailliert dargestellt. Der dritte Weg lässt Rückschlüsse auf den Einfluss struk- tureller Faktoren zu. Interviewte, die diesen Weg erfuhren, beschreiben wie sich Woh- nungslosigkeit aufgrund struktureller Stigmatisierung manifestiert hat und sie in ungesi- cherte Wohnverhältnisse gedrängt wurden. Zu guter Letzt beschreibt der vierte Weg das Zusammenspiel von strukturellen und individuellen Faktoren am Ausführlichsten. Exemp- larisch führen die Autor_innen ein Interview an, dass veranschaulicht wie soziale Räume, in diesem Fall Wohngegenden mit hohen Kriminalitätsraten, und individuelle Vulnerabilitä- ten, wie Veränderung des Konsum- und Suchtverhaltens, korrelieren. Gleichzeitig wird be- schrieben wie Gesundheitsrisiken in Kauf genommen werden, beim Versuch existentiellste Bedürfnisse befriedigen zu können (vgl. ebd.: 2373-2377). „’People get into a trap. […] If you’re stuck downtown, and that’s the only place you can afford, and what’s around you? Drugs. So what do you do? Your next door neighbour does it. You’re just in a trap and you can’t really get out.’ […] If [housing] is unstable then my health is poor because then the primary concern for me is that housing I have to get . especially in the dead of winter. So, I have to let go of my physical and mental health as well, eh? Until I get the home again’” (Piat et al. 2015: 2376f). Bedeutende Rollen bei Wege in, während und aus der Wohnungslosigkeit, spielen Alter und Geschlecht. So können drei unterschiedliche Wege in die Wohnungslosigkeit, drei un- terschiedlichen Alterskohorten zugeordnet werden:  “youth pathways into homelessness” – 15 bis 24 Jahre  “adult pathways into homelessness” – 25 bis 50 Jahre  “later life pathways into homelessness” – 50+ Jahre (vgl. Anderson 2001: 4). Bei der Entstehung von Wohnungslosigkeit bei Jugendlichen und Emerging Adults wird besonders der kritische Einflussfaktor von konfliktreichen Familiensystemen hervorgeho- ben (vgl. ebd.: 4f). Auf jene wird im Kapitel 2.3 genauer eingegangen. Charakteristisch für Wege Erwachsener sind Herausforderungen betreffend Änderung der Haushaltsgrößen oder Besitzverhältnisse. Basierend auf Studien Angela Evans (1999 zit.n. ebd.: 5f) und Zahlen der schottischen Exekutive (1999 zit.n. ebd.) können fünf Wege in die Wohnungs- losigkeit bei Erwachsenen unterschieden werden:

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 Wohnungslosigkeit, die bei der Haushaltsbegründung oder -vergrößerung, z.B. Fa- miliengründung, eintritt  Verlust des Wohneigentums aufgrund ausbleibender Hypothekenzahlungen  Wohnraumverlust aufgrund Interventionen der Vermieter_innen. Diesbezüglich sei angemerkt: Gemessen an der Gesamterhebung und bezogen auf Schottland ver- loren nur 1% den Wohnraum aufgrund Mietzinsrückstandes, weitere 1% aufgrund befristeter Miet- oder Nutzungsverhältnisse, 7% aufgrund Interventionen der Ver- mieter_innen. Weshalb Vermieter_innen sich gezwungen fühlten derartige Inter- ventionen einzuleiten wird leider nicht genauer ausgewiesen.  Wohnraumverlust aufgrund von Trennung oder Scheidung. Dabei unterschieden: o Trennungen die häusliche Gewalt beinhalten o Trennungen die ohne häusliche Gewalt zustande kamen, jeweils wird eine 12% Rate für diesen ‚Pathway‘ in Schottland ausgewiesen Im Verhältnis zu anderen Alterskohorten merkt Anderson (ebd.: 6) an, existieren wenig Studien, die sich mit Wegen in die Wohnungslosigkeit im Alter, sprich dem ‚later life pa- thway‘, beschäftigen. Die Arbeiten Maureen Ann Cranes (1998, 1999 zit.n. ebd.) sind des- halb besonders hervorzuheben. Sie (1998 zit.n. ebd.) identifiziert sechs Wege älterer Per- sonen in die Wohnungslosigkeit: 1. Pensionierung oder Jobverlust in Kombination mit geringen familiären Ressourcen. Dabei ist insbesondere bedeutsam, wie der Aufgabenverlust bewältigt wird und wel- che familiären Ressourcen zur Verfügung stehen 2. Verlust der elterlichen Unterstützung im Erwachsenenalter. Dieser Weg trifft beson- ders auf jene Personen zu, die aufgrund individueller Lebenslagen Schwierigkeiten in der Aufrechterhaltung ihres Alltags haben, z.B. aufgrund psychischer und / oder physischer Einschränkungen 3. Verlust einer Lebenspartnerin oder eines Lebenspartners. Dies trifft insbesondere zu, wenn auf den Verlust starke Reaktionen in Form psychischer Erkrankungen oder Alkoholabusus gezeigt werden 4. Trennung eines Paares. Hierbei werden Verbindungen zu psychischen Erkrankun- gen oder häuslicher Gewalterfahrungen (beider Geschlechter) erwähnt 5. psychische Erkrankung per se, häufig in Verbindung mit dem Verlust informeller, sozialer Unterstützung des Familienverbandes 6. chronifizierte Wohnungslosigkeit Crane (1999 zit.n. ebd.) weist darauf hin, dass Wegskizzen im Alter in Relation zu anderen Alterskohorten, wesentlicher von individuellen Faktoren denn von strukturellen gekenn- zeichnet sind. Anders formuliert: Die Flexibilität hinsichtlich der Anwendung oder Adaptie- rung von Copingstrategien ist eingeschränkt. Das macht es schwieriger auf neue, existen- tiell bedrohliche Lebensumstände zu reagieren. Aktuellere Studien Maureen Cranes (vgl. Crane et al. 2005, Warnes, Crane 2006) belegen dennoch die Multidimensionalität von Wohnungslosigkeit bei dieser Alterskohorte. Beide

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britische Studien zeigen, dass bis zu zwei Drittel aller Betroffenen im Alter erstmalig woh- nungslos wurden. Dies führt auch zum logischen Rückschluss Anthony Warnes und Ann Cranes (2006: 417), dass nur eine geringe Anzahl an älteren Personen aufgrund chroni- scher Wohnungslosigkeit (Pathway 6) wohnungslos ist. Die genannten Einflussfaktoren können um Glücksspiel erweitert werden, wobei dieser Faktor insbesondere in Australien starke Einflüsse zeigt (vgl. Crane et al. 2005: 158). Geschlecht und Gender sind angesichts deren komplexer Konstruktion und Rekonstruktion prominent diskutierte Themen in der Forschung (vgl. u.a. Bitzan 2008, Vogel 2016). Unter dem Aspekt der Bedeutung destruktiver Beziehungen, bemängelt Ravenhill (2008: 116f) einerseits den Fokus auf alleinstehende Männer. Andererseits bieten Forschungen zu weiblicher Wohnungslosigkeit primär Ergebnisse zu häuslicher Gewalt und sparen die männliche Seite komplett aus. “This omission in literature leaves a huge gap in knowledge about roofless women, violent men leaving partners and the abuse of males” (ebd.: 116). Auch Fitzpatrick et al. (2000: 27) teilen diese Einschätzung. Das Phänomen verdeckter Wohnungslosigkeit bei Frauen ist verhältnismäßig gut nachge- wiesen. Verdeckte Wohnungslosigkeit beschreibt dabei prekäre Nächtigungssituationen häufig in Kombination mit Ausbeutung und Abhängigkeitsverhältnissen (vgl. Loibl, Corazza 2011: 85f). Ravenhill (2008: 116ff) zeichnet den Weg manch wohnungsloser Frau begin- nend bei häuslicher Gewalt nach. Beginnend mit der Flucht aus der Beziehung, häufig in Form von verstecken oder wegziehen aus der Lebenswelt, dem daraus resultierenden Ver- lust des sozialen Netzwerks, der besonderen Vulnerabilität auf der Straße und kommt es zur Annahme des Angebots in ungesicherten Unterkünften unterzukommen, in denen er- neut Erniedrigung erfahren wird. Des Weiteren werden in der aktuellen Evaluierung der WWH etwa psychische und seeli- sche Belastungen als primär weiblich und Suchterkrankungen als primär männlich hervor- gehoben (vgl. Riesenfelder et al 2012a: 21). Es sei angemerkt, dass diese Einschätzung hauptsächlich aufgrund der Auswertung von Daten zu Personen die Wohnplätze belegten getroffen wurde. Somit sind einerseits Personengruppen ausgeschlossen, die keinen An- spruch auf einen Wohnplatz haben (siehe Kapitel 2.2.4). Andererseits umfasst die Ein- schätzung auch Personen, die nicht in ambulanten Beratungsstellen der WWH andocken mussten, da sie unmittelbar an den Wohnraumverlust einen Wohnplatz erhielten. Das Er- gebnis kann demnach nicht für Wohnungslose Wiens generalisiert werden. Eng verknüpft mit Geschlecht und Gender sind Sexualität und Elternschaft. Suzanna Wen- zel et al. (2012: 8) halten in der Diskussion ihrer Ergebnisse fest, dass geschlechts-, gen- der- und sexualitätsspezifische Unterschiede bei sozialen Netzwerken Wohnungsloser be- stehen. Des Weiteren zeigen Wiener Untersuchungen zur Vater-Kind-Beziehung bei woh- nungslosen Männern die Kontribution der Beeinträchtigung des Kontakts zu psychosozia- len Krisen Betroffener. Es wird unter anderem bemängelt, dass den belasteten Beziehun- gen wenig Aufmerksamkeit in der Genese zukommt oder mangels spezialisierten Angebo- ten zukommen kann (vgl. Arhant et al. 2013: 9f, Diebäcker et al. 2015: 26f). Ravenhill (2008: 118) fasst allgemeiner zusammen, dass sowohl Frauen als auch Männer von Schuldgefühlen und dem Verlust ihrer Kinder geplagt werden.

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„Where children are involved, relationship breakdown becomes more complex as it may signify the loss of contact with children. There was evidence from both the formal and informal interviews to suggest that many roofless people, especially women, suffered years of guilt and anguish over the loss of their children” (ebd.). Neben der Bedeutung von Alter und Geschlecht oder Sexualität und Elternschaft, zeigen sich unterschiedliche Formen von Wohnungslosigkeit. Erstmalige und chronische Woh- nungslosigkeit, unter anderem von Crane (2006) benannt, wurden bereits thematisiert. Eine weitere Form ist die episodische Wohnungslosigkeit, auf die beispielsweise Raven- hills (2008: 116ff; 129) Skizze zur versteckten Wohnungslosigkeit bei Frauen hindeutet und auch explizit in ihrem Resümee erwähnt wird. In Jonathan Mays (2000: 622-635) Untersu- chung ist der Zusammenhang von Arbeitslosigkeit sowie erhöhter Vulnerabilität zentral. Aufgrund unterschiedlicher Häufigkeiten und Erscheinungsformen von Arbeitslosigkeit und Vulnerabilität konnte May (ebd.) die drei Formen von Wohnungslosigkeit, erstmalige, epi- sodisch und Langzeit, deutlich voneinander abgrenzen. Auch die Ergebnisse Andreas Rie- senfelders et al. (2012a: 29-32) weisen auf Unterschiede in Arten der Wohnungslosigkeit hin. Die Autor_innen (ebd.) erhoben bei Bewohner_innen weiterführender Angebote der WWH die Zeitspanne zwischen Erstkontakt mit der WWH und dem Eintritt in die aktuelle Einrichtung. Bei knapp der Hälfte er Bewohner_innen lag der Erstkontakt mehr als ein Jahr zurück, bei 11% fand der Erstkontakt vor mehr als sechs Jahren statt. Wie deutlich erkennbar, ist Wohnungslosigkeit in vielerlei Hinsicht ein biopsychosoziales Phänomen. Die Multikausalität von Wohnungslosigkeit basiert unter anderem auf den Ein- flüssen sozialer Netzwerken, Gesundheit, Devianz, Armut sowie struktureller Umgebungs- bedingungen inklusive Stigmatisierungs- und Exklusionsprozessen. Die Wechselwirkun- gen dieser Einflüsse sind in der Fachliteratur der Sozialen Arbeit deutlich belegt (vgl. u.a. Cornel 2010, Franzkowiak et al. 2011, Klein 2006, Langeland, van den Brink 2006, Pauls 2010, 2013a, 2013b) und somit nur künstlich trennbar. Wie Somerville (2013: 391) erläu- tert, ist die Unabhängigkeit dieser Einflussfaktoren durchaus kritisch zu hinterfragen (siehe 2.2.1). Aus Gründen der besseren Verständlichkeit, werden im Folgenden dennoch ein- zelne Aspekte separat dargestellt. Arbeit und finanzielle Not Justin Jarvis (2015: 26) führte in Costa Mesa Gespräche mit Wohnungslosen um ein Mo- dell zu erstellen, dass die Determinanten und Intensität von erfahrener Wohnungslosigkeit beschreibt. In diesen Gesprächen gaben (gewichtet) 37.5% der Befragten an, ihren Wohn- raum aufgrund von Arbeitslosigkeit beziehungsweise finanzieller Notlagen verloren zu ha- ben. Gefolgt von Trennung (18%) ist die Kategorie mit Abstand die meist genannte. Die bereits vorgestellte Studie Mays (2000: 622-633) zeichnet hinsichtlich der drei identifi- zierten Formen der Wohnungslosigkeit (erstmalig, episodisch, chronisch) ein sehr vielfälti- ges Bild zu Erwerbstätigensituationen und individuellen Vulnerabilitäten. Langzeitwoh- nungslosigkeit erweist sich dahingehend als höchst heterogen. In den individuellen Biogra- phien Betroffener, kann einzig Langzeitarbeitslosigkeit und hohe Vulnerabilität, die unter anderem in Heroin- oder Alkoholsucht Gestalt annimmt, als Schnittpunkte ausgemacht

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werden (vgl. ebd.: 628f). Die Studie zeigt außerdem auf, dass episodische Wohnungslo- sigkeit fast ausschließlich von Arbeitssuche begleitet wird. Vulnerabilitätsformen, die mit Wohnungslosigkeit assoziiert werden, können bei dieser Form kaum identifiziert werden (vgl. ebd.: 625-631). Personen, die erstmalig wohnungslos geworden waren, wiesen hin- gegen ein hohes, akutes Vulnerabilitätsniveau auf und hatten häufig unmittelbar die Arbeit verloren (vgl. ebd.: 631ff). Gerhard Eitel und Heinz Schoibl (1999: 145, 166) erhoben schon vor der Jahrtausend- wende die Einkommensarten bei 3281 in der Wohnungslosenhilfe stationär untergebrach- ten Personen in Österreich: 37,81% bestritten mit selbständiger und / oder unselbständiger Beschäftigung beziehungsweise mit Alters-, Früh- oder Invaliditätspension ihren Lebens- unterhalt, 43,74% erhielten unterschiedliche Leistungen des Arbeitsmarktservice und 18,38% waren im Sozialhilfebezug, heute Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS). Bei ambulant betreuten Personen gingen circa 80% keiner Beschäftigung nach. Je ungefähr ein Viertel der Betroffenen erhielt Leistungen des Arbeitsmarktservice, Sozialhilfe oder hat- ten keinen gesicherten Lebensunterhalt. Die aktuellere Evaluierung der WWH von Andreas Riesenfelder et al. (2012a: 28ff) hält fest, dass 60% der Bewohner_innen von Übergangswohnheimen sowie 64% der Notquar- tiersnächtiger_innen keiner Erwerbstätigkeit nachgehen beziehungsweise nachgehen kön- nen. Knapp zwei Drittel der Bewohner_innen aller Angebotsformen hat Schulden, die Hälfte geht keiner Beschäftigung nach, 13% der Betroffenen brach die Schule ab. Zusätz- lich ist bei über der Hälfte aller Befragten die Biographie von Zeiten großer materieller Ar- mut und Phasen langer Arbeitslosigkeit geprägt. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Woh- nungslosenhilfe (BAWO) weist, österreichweit und relativ stabil hinsichtlich Geschlecht und Alter, 13% bis 17% Erwerbstätigkeit bei Klient_innen der Wohnungslosenhilfe aus. Physische und psychische Gesundheit Die Wirkrichtungen von Wohnungslosigkeit und Gesundheit sind wechselseitig. Einerseits wirkt die Lebenslage sowie die erfahrene Lebenswelt Wohnungsloser auf Gesundheit, in- klusive eingeschränkterem Zugang zu medizinischen Angeboten aufgrund von Scham o- der fehlender Versicherung, andererseits sind gesundheitliche Beeinträchtigung selbst ein relevanter Risikofaktor für Wohnungslosigkeit. Spätestens mit Eintritt der Wohnungslosig- keit geht Sicherheit und Stabilität verloren, Stress auf physiologischer und psychologischer Ebene entsteht in Verbindung mit Zukunftsängsten, finanzieller Notlagen und allgemein verschlechterten Lebensbedingungen (vgl. Steiger 2010: 31-34; Wagner et al. 2014). Erneut muss auf die Komplexität und Mehrdimensionalität von Wohnungslosigkeit hinge- wiesen werden. So herrscht in der Scientific Community weiterhin Unklarheit darüber, ob Sucht eher Grund für oder Auswirkung von Wohnungslosigkeit ist. Der Konflikt wird teil- weise, trotz mangelnder Evidenz, aufgelöst, indem davon ausgegangen wird, dass Beides ein wenig zutrifft. Häufig wird sich mit dem Ansatz beholfen, dass Sucht und Wohnungslo- sigkeit ähnlich kritische Einflussfaktoren, wie Traumata, Gewalt oder Missbrauch, aufwei- sen (vgl. Mallett 2005: 186). Evidenz für Zusammenhänge von Sucht und Gewalt (vgl. u.a. Klein 2006) oder Sucht und Trauma (vgl. u.a. Schäfer 2006) sind in der Fachliteratur gut

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dokumentiert. Auch Fitzpatrick et al. (2013: 163) bestätigen den weiteren Bedarf an For- schungsergebnissen. Sie halten neben deren zentralem Ergebnis, dass Substanzmiss- brauch vorrangig in frühen Phasen (vor) der Wohnungslosigkeit beginne, fest: “[S]ubstance misuse is in turn likely to be one (crucial) link in a chain of interacting causal factors which stretch back to childhood trauma and deprivations of various kinds” (ebd.). Mit der Korrelation von Trauma in der Kindheit oder Adoleszenz und Wohnungslosigkeit befassen sich unter anderem Shelly Mallet et al. (2005) sowie Claudine Martijn und Luise Sharpe (2006). Auf ihre Ergebnisse wird im Kapitel 2.3 ausführlich eingegangen. Des Wei- teren verweist die FEANTSA (2017) darauf, dass neben der hohen Prävalenz von Trauma in der Kindheit bei Betroffenen zusätzlich die Gefahr der (Re)Traumatisierung in Zeiten der Wohnungslosigkeit besteht, beispielsweise aufgrund von Gewalt, fehlender Privatsphäre oder Wohnungslosigkeit per se. In einer quantitativ sehr umfangreiche Längsschnittstudie (n=32711) untersuchten Sandra Feodor Nielsens et al. (2011) die Auswirkung der Notquartiersnutzung auf die Mortalität von Betroffenen. Im Zuge dessen wurden Daten zu psychiatrischen Erkrankungen sowie zum Kontakt mit psychiatrischen Unterstützungsangeboten erhoben. (vgl. Abbildung 2) Die Daten weisen mit jeweils 60% bei Männern und Frauen eine hohe Prävalenz bei psychiat- rischen Diagnosen aus. Der Anteil an Suchterkrankungen bei Männer liegt bei knapp 40% und bei Frauen bei knapp 30% (vgl. ebd.: 2207). In der kalifornischen Studie Jarvis (2015: 26) geben 6.9% der Befragten Drogen- oder Alkoholkonsum als Grund ihrer Wohnungslo- sigkeit an, weitere 6.4% Verletzungen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen.

Abbildung 2: Psychiatrischer Krankheitsbilder und Nutzung des Unterstützungssystems (n=32711) (Nielsen et al. 2011: 2207)

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Eitel und Schoibl (1999: 35) merken in der ersten Grundlagenerhebung zur Wohnungslo- sigkeit in Österreich an, dass es keine gesicherten Angaben zu Wohnungslosen und psy- chischen Erkrankungen gibt, Schätzungen aber von 10% ausgehen. In der Erhebung zei- gen zwei Drittel der stationär in Wohnungslosenhilfeeinrichtungen untergebrachte Betroffe- nen kritischen Umgang mit Alkohol ein Fünftel zeigt Anzeichen für Drogensucht. 14% der Untersuchungspopulation zeigen Symptome einer physischen Erkrankung (vgl. ebd.). Sig- nifikant geringer ist der Anteil an Drogenkonsument_innen in der ambulanten Betreuung (4,4%), dafür höher bei psychiatrischen Auffälligkeiten (33%) (vgl. ebd.:172). Die aktuellere Evaluierung der WWH weist für Klient_innen von Übergangswohnheimen eine Prävalenz von 52% bei Suchterkrankungen aus. Quer durch alle Angebotsformen se- hen sich knapp 40% der Bewohner_innen mit psychischen oder seelischen Beschwerden konfrontiert. Circa die Hälfte der Bewohner_innen aller Angebotsformen weist in ihrer Bio- graphie Alkohol- oder Drogensuchtproblematiken und / oder Probleme psychischer und seelischer Gesundheit auf, weitere 12% der Biographien sind von nicht-substanzgebunde- ner Sucht geprägt. Des Weiteren haben 57% der Bewohner_innen körperliche Beschwer- den. Jede zweite Biographie von Betroffenen ist von Problemen körperlicher Gesundheit geprägt (vgl. Riesenfelder et al. 2012a: 29f). Sowohl das subjektive Gesundheitsgefühl als auch den beobachtbaren Gesundheitszu- stand von Wohnungslosen und Nicht-Wohnungslosen in Wien vergleichen Julia Wagner et al. (2014). Beide sind im Vergleich zur Bevölkerung mit fester Unterkunft signifikant gemin- dert. Hinsichtlich physischer Gesundheit stellen die Autor_innen (ebd.) unter anderem er- höhtes Auftreten chronischer Bronchitis sowie einen wesentlich schlechteren Zustand der Zähne fest. Dabei betonen sie die erhöhte Prävalenz chronischer Erkrankungen sowie den problematischen Umgang mit Alkohol und psychischen Erkrankungen. Der Anteil psychi- atrischer Störungsbilder beläuft sich in ihrer Studie auf 44%. Der Alkoholabusus ist in Re- lation zu anderen Forschungsergebnissen geringer, aber im Vergleich zur Kontrollgruppe noch immer hoch signifikant gesteigert (vgl.: 302-306). “[T]hey smoked more (in the past as well as at the time of the interview) [p<0.001], con- sumed more alcohol per month [p=0.042], drank alcohol in the morning more often [p<0.001], had the desire to reduce their alcohol consumption [p<0.001] and felt guilty be- cause of their drinking behaviour [p<0.001]” (ebd.: 305). Das schlechtere Gesundheitsgefühl wird in einer kalifornische Studie Jarvis (2015: 27) be- stätigt (gewichtet; n=179). 23.9% der Befragten geben an, invalid zu sein, 2.1% bezie- hungsweise 5.5% schätzen ihren Gesundheitszustand als sehr schlecht bis schlecht ein. Immerhin knapp 70% geben ihren Gesundheitszustand als in Ordnung oder gut an. Daten zu Kontrollgruppen wurden nicht präsentiert. Wechselwirkungen zwischen Wohnungslosigkeit und subjektivem Gesundheitsgefühl und -verständnis werden auch in Studien zur Notquartiersnutzung aufgezeigt. Wagner et al. (2014: 301) erläutern in ihrer Wiener Studie basierend auf Ergebnissen Gerhard Traberts (1999 zit.n. ebd.), dass der Verlust an Privatsphäre durch die Notquartiersnutzung sowie die Manifestation von Wohnungslosigkeit per se, das subjektive Verständnis von Gesund- heit auf existentielle Bedürfnisse reduziert.

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Weitere Studien befassen sich mit dem Zusammenhang von Notquartiersnutzung und Mor- talität. Stephen Metraux et al. (2011: 1091) halten fest, dass einschlägige Studien eine 2 bis 10 mal so hohe Mortalitätsrate für wohnungslose Notquartiersnutzer_innen im Ver- gleich zur wohnhaften Bevölkerung ausweisen. Die Autor_innen (ebd.) verweisen aller- dings auf die erhöhte Prävalenz von weiteren Risikofaktoren bei Wohnungslosen. Bei- spielsweise werden sowohl Suchterkrankungen als auch psychische Erkrankungen mit er- höhter Mortalität assoziiert. Erhöhte Mortalitätsraten können somit nicht direkt und aus- schließlich auf die Notquartiersnutzung zurückgeführt werden. In Metrauxs et al. (2011) Studie (n=106.525) wurden Zeit in Notquartieren, Art der Notquar- tiersnutzung (erstmalig, episodisch, chronisch) und Austritt aus der Wohnungslosigkeit un- tersucht. Es zeigt sich ein positiver Gesundheitseffekt bei Austritt aus der Wohnungslosig- keit. Die Mortalität bei episodischer Nutzung des Notquartiers war in Relation zu chronifi- zierten Nutzung erhöht. Dabei wird episodisch als häufige Phasen kurzer Nutzung und chronisch als lange durchgehende Nutzung definiert (vgl. ebd.: 1096-1100). “[E]xits to housing were associated with 11% and 29% reductions in mortality hazard for single adults and adults in families, respectively” (ebd.: 1096) “The modest decrease in mortality hazard related to housing indicates that there were health benefits associated with ending homelessness” (ebd.: 1110). Auch Stephen W. Hwang (2000, 2002) untersucht den Zusammenhang von Notquartiers- nutzung und Mortalität von Männern. Im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Torontos wei- sen Männer im Alter von 45 bis 64 Jahren ein 2.3 Mal höheres Risiko auf zu versterben, die Alterskohorte der 25- bis 44-jährigen ein 3.7 Mal höheres Risiko, die der jüngsten Al- terskohorte vom 18. bis 24. Lebensjahr gar eine 8.3 Mal so hohe (vgl. Hwang 2000: 2154f). Sowohl erhöhte Mortalitätsraten von Wohnungslosen als auch höheres relatives Risiko der Mortalität bei jüngeren Betroffenen bestätigen sich in Studien zur Notquartiersnutzung in New York (vgl. Barrow et al. 1999), Philadelphia (Hibbs et al. 1994) und Boston (vgl. Hwang 2002). Es wird allerdings darauf hingewiesen, dass jüngere Altersgruppen durch die Be- rechnungsmethode natürlich benachteiligt sind, da ältere Menschen allgemein höhere Mor- talitätsraten aufweisen. Die meisten identifizierten Todesursachen bei Wohnungslosen Torontos der jungen Alterskohorte sind Unfälle, Vergiftungen und Suizide, wobei die man- gelhafte Datenlage diesbezüglich vom Autor kritisiert wird (vgl. Hwang 2000: 2154ff). Die bereits erwähnte dänische Studie Nielsens et al. (2011: 2210ff) weist unter Wohnungs- losen mit psychiatrischen Diagnosen ebenfalls erhöhte Mortalitätsraten aus. Aufgrund des Studiendesigns verweisen die Autor_innen allerdings darauf, dass kein Rückschluss gezo- gen werden kann, ob und in welchem Ausmaß Wohnungslosigkeit beziehungsweise die Erkrankung zum Anstieg der Mortalitätsrate beiträgt. Hwang (2002: 410) hält allgemein fest, dass (noch) kein eindeutig kausaler Zusammenhang zwischen Wohnungslosigkeit und Mortalität nachgewiesen wurde, allerdings einige Indikatoren diesen nahe legen. „Regardless of the underlying mechanisms, the association between shelter use and risk of death is real and has important clinical implications. (…) Nonetheless, a growing body of evidence suggests that adequate housing has the added benefit of improving health” (ebd.).

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Trotz erhöhter Mortalität und negativen Gesundheitseffekten bei Notquartiersnutzung sei angemerkt, dass diese einen positiven Gesundheitseffekt im Kontrast zur Nächtigung auf der Straße hat. Deshalb kann die Notquartiersnutzung auch als Gesundheitsverhalten aus- gelegt werden (vgl. Chew Ng et al. 2013: 382). Abschließend müssen auch Passungsproblematiken und Hürden beim Zugang zu medizi- nischer Versorgung erwähnt werden (vgl. u.a. Steiger 2010: 26-31; Crane et al. 2006). Diese tragen zu einer geringeren und ineffektiven Nutzung medizinischer Angebote seitens Betroffener bei. Wagner et al. (ebd.:305) führen aus, dass dieser allgemeine Trend nicht für ihre Wiener Studie zutrifft. In dieser suchen Wohnungslose in einem Zeitraum von circa einem Monat wesentlich öfter Allgemeinmediziner_innen (Hausärzt_innen) auf als Nicht- Wohnungslose. Ein Erklärungsmodell für die abweichenden Ergebnisse bezieht sich auf den niederschwelligen Zugang zu medizinischen Angeboten in der Wiener Versorgungs- landschaft (z.B. der sogenannte ‚NeunerHaus Arzt‘). Auch Ignaz Steiger (2010: 77-87) zeigt in seiner Dissertation, dass niederschwellige medi- zinische Angebote ihr Ziel des besseren Zugangs für Wohnungslose erreichen. Insgesamt wird von einschlägigem Fachpersonal der Zugang zu regulären medizinischen Angeboten als schwierig beschrieben. Über 60% der Mitarbeiter_innen von Einrichtungen für Woh- nungslose schätzen den Zugang zu Fußpflege und circa 30% den Zugang zu psychiatri- scher Behandlung und Optiker_innen auf einer dreistufigen Likertskala (schwierig – wech- selnd – einfach) als schwierig ein. Dies trifft auch auf den Zugang zu Fach- und Zahn- ärzt_innen bei über 20% zu. Für Klient_innen, die auf der Straße schlafen, erhöht sich die angenommene Hürde der Inanspruchnahme, so das Ergebnis der Befragung (vgl. ebd.). Hinsichtlich der Behandlung von psychiatrischer Erkrankungen verweisen Eitel und Schoibl (1999: 159) auf die Schwierigkeit der häufig geforderten Problemeinsicht vor Behandlungs- beginn. Diese stelle „für die meisten wohnungslosen Menschen […] eine unüberwindbare Zutrittsbarriere“ (ebd.) dar. Strukturelle Problemstellungen Maureen Crane et al. (2005) sowie Athony Warnes und Crane (2006) halten Nachlässig- keiten der Anbieter_innen beim Setzen von Unterstützungsangeboten fest. Ausgehend da- von, dass knapp zwei Drittel der Wohnungslosen in höherem Alter erstmalig betroffen sind und die Mehrheit jahrelang denselben Wohnsitz hatte (siehe Kapitel 2.2.2), schließen die Warnes und Crane (2006: 418) auf überwiegend strukturell-institutionelle Faktoren als Grund für deren Wohnungslosigkeit. Personen, die in die Situation kommen erstmalig von Wohnungslosigkeit bedroht zu sein, können und müssen durch präventive Angebote bes- ser erreicht werden, so die Kritik (vgl. Crane et al. 2005: 158, Warnes, Crane 2006: 417ff). “Social housing providers failed to recognise the needs of people with poor coping skills who succeeded a tenancy and thereafter acquired rent arrears. The health services on occasion failed to identify and respond effectively to people with exceptional domestic sup- port needs” (vgl. Warnes, Crane 2006: 417). Gleichzeitig weisen Crane et al. (2005: 158) auf eine veränderte Angebotsstruktur und - landschaft am Wohnungsmarkt hin, die in besonderem Ausmaß Personen mit geringen

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finanziellen Ressourcen marginalisiert. Rapider Rückgang an leistbarem Wohnraum be- ziehungsweise Mangel an Angeboten geförderter Wohneinheiten durch Gemeinden sind sowohl in Australien als auch England und den USA erkennbar. „Such housing market circumstances interacted with low income, the lack of financial re- serves and social support, and poor money management skills to lead the subjects into financial difficulties, rent arrears, and homelessness” (ebd.). Auch Piat et al. (2015) gehen bei zwei von vier Pathways auf eine Kombination von Merk- malen ein, die überwiegend struktureller Natur sind. Auf den zweiten Weg „Transitions from foster care and institutional settings“ (ebd.: 2375) wird noch im Kapitel 2.3 genauer einge- gangen. Kurz dargestellt handelt es sich hierbei um eine ‚Entlassung in die Wohnungslo- sigkeit‘ betreuenden Institutionen. Dies betrifft sowohl den Mangel an Folgeunterkünften als auch den fehlenden Kompetenzerwerb selbstständig Wohnraum zu erschließen. Der dritte Weg „Becoming entrenched: Substandard housing, unsafe and druginvolved neigh- bourhoods“ (ebd.: 2375f) beschreibt Marginalisierungs- und Stigmatisierungsprozesse. Wenn leistbarer Wohnraum erschlossen werden kann, sind es meist Substandardwohnun- gen in Gegenden mit hoher Kriminalität. Eine Betroffene / ein Betroffener schildert unter anderem wie ihr / ihm ein Vermieter bei der Besichtigung aufgrund des Sozialhilfebezugs unterstellt, Drogen zu konsumieren und daher keinen Mietvertrag anbietet. Schon vor der Jahrtausendwende stellen Eitel und Schoibl (1999: 16-30) im nationalen Kontext strukturelle Einkommensarmut, fehlende Treffsicherheit sozialer Unterstützungs- systeme sowie einen Mangel an leistbarem Wohnraum fest. Sie konstatieren, dass regio- nale Entwicklungen insbesondere einkommensschwache Personen treffen, aber auch im- mer häufiger Personen die von „neuer Armut“ (ebd.: 29) betroffen sind. Diese Erschei- nungsform umschreibt die Verarmung der mittleren Einkommensschicht als progressiven, sozialen Abstieg von passager hin zur manifesten Armut. Der Prozess selbst ist begleitet von belastenden Lebensereignissen. Des Weiteren führen sie verändertes Wohnverhalten, in Form von geringeren Haushaltsgrößen, als relevante Einflussgröße an. Auch aktuelle Situationsdarstellungen beschreiben rapide Prekarisierungstendenzen am privaten Wohnungsmarkt (vgl. Schoibl 2013a: 43f, Riesenfelder et al. 2012b: 77f). Selbst mit intensiver Unterstützung des Fachpersonals der Sozialen Arbeit, ist es für Bewoh- ner_innen von geförderten Wohnplätzen kaum möglich, eigenen Wohnraum zu erschlie- ßen (vgl. Riesenfelder et al. 2012b: 77f). Im Kontext peripheren und urbanen Raumes ist außerdem das von Eitel und Schoibl (ebd.: 29) und der BAWO (2009: 89) als „Problemtransfer“ betitelte Phänomen des Zuzugs in Städte von besonderer Bedeutung. Peripherer Raum verliert durch Veränderung der Land- wirtschaft sowie Diversifizierung an Bindevermögen und damit einhergehend auch an in- tergenerationserhaltenden sozialen Systemen (vgl. Eitel, Schoibl 1999: 29f). Zusätzlich wir- ken insbesondere die Anonymität der Großstadt und deren Infrastruktur als Pullfaktoren. Begünstigt ist die Situation Binnenwanderung von Wohnungslosen durch Mangel an An- geboten der Wohnungslosenhilfe im peripheren Raum (vgl. BAWO 2009: 89f). Nachdem landflüchtige Personen überproportional von Armutsrisiken betroffen sind kommt es in Städten zur Verfestigung von Armut in bestimmten Stadtteilen. Hinsichtlich der Situation

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Wiens kritisiert die BAWO (ebd.) den Mangel an adäquaten Versorgung und Steuerung dieses Problemtransfers, der durch Kriterien für weiterführende Wohnplätze (siehe Kapitel 2.2.4 oder vgl. „Lebensmittelpunkt in Wien“ FSW 2014: 2f) ausgeschlossen ist. 2.2.3. Wohnungslosigkeit in Wien Eitel und Schoibl (1999) haben im Rahmen der BAWO erstmals eine strukturierte Grund- lagenerhebung zur Wohnungslosigkeit in Österreich publiziert. In dieser wird von 21000 wohnungslosen Personen in Wien ausgegangen (ebd.: 36). Es wird angenommen, dass davon 2000 Personen auf der Straße schlafen. Des Öfteren wird darauf verwiesen, dass es sich bei diesen Zahlen um erste grobe Schätzungen handelt und beispielsweise keine gesicherten Daten zu wohnungslosen Migrant_innen und Personen, die auf der Straße oder in Herbergen nächtigen, oder im peripheren Raum wohnungslos sind, existieren (vgl. ebd.: 15f, 35). Basierend auf Daten der Städte Wien, Salzburg und Innsbruck schätzen sie, dass 2% der städtischen Bevölkerung im Zeitraum eines Jahres von Wohnraumverlust be- droht und 0.35% akut wohnungslos sind. Weitere 0.2% nächtigen in Notquartieren oder prekär bei Bekannten sowie 0.05% über einen längeren Zeitraum wiederholt auf der Straße. (vgl. ebd.: 34) Die Erhebung weist das Fehlen einer ersten Wohnmöglichkeit, Tren- nung und Mietzinsrückstand bei stationär versorgten5 sowie ambulant beratenen Personen in der Wohnungslosenhilfe als häufigstes Ereignis aus, das Wohnraumverlust bedingte. Bei stationär aufgenommenen Personen waren veränderte Finanzsituationen, wie Arbeits- losigkeit, (Frauen 20%, Männer 22%) beziehungsweise Überschuldung (Frauen 55%, Männer 29%) die Hauptgründe für den Mietzinsrückstand. Die aktuelle Evaluierung der WWH hält fest, dass 2010 circa 6800 Personen einen Wohn- platz (exklusive Notquartieren) in Anspruch nahmen (vgl. Riesenfelder et al. 2012b: 34). Diese Anzahl ist weit entfernt von einer umfassenden Gesamtzahl Betroffener, da nicht jede wohnungslose Person einen Wohnplatz erhält (siehe Kapitel 2.2.3, 2.2.4 oder vgl. FSW 2014: 2f). Ein weiterer Indikator um eine Zahl zur Wohnungslosigkeit zu berechnen, können Notquar- tiersnächtiger_innenzahlen oder die Klient_innenzahl ambulanter Angebote dienen. So waren 2011 circa 5200 Klient_innen in der quantitativ größten Wiener Beratungsstelle, P7 – Wiener Service für Wohnungslose (P7), betreut (vgl. BAWO 2013: 29). Dabei schwankte im Zeitraum von 2006 bis 2011 die Bettenzahl der Notquartiere zwischen 257 und 454 (vgl. Riesenfelder et al. 2012b:18). Allerdings ist auch die Notquartiersnutzung als Indikator auf- grund von Zugangsbeschränkungen oder individuellem Nutzverhalten mangelhaft. Bezüg- lich der Klient_innenzahlen ambulanter Einrichtungen existieren ferner keine gesicherten Daten zu Doppelnennungen, also Notquartiersnächtiger_innen, die Beratungsstellen auf- suchten und anschließend einen festen Wohnplatz bezogen, oder Personen, die von Woh- nungslosigkeit betroffen sind ohne Beratungsstellen aufzusuchen. Insofern ist es auch nicht möglich über diese Gesamtzahl an von Wohnungslosigkeit betroffenen oder gefähr- deten Personen qualifizierte Aussagen zu treffen.

5 Zu der Gruppe stationär versorgter Personen zählen nur Personen, die einen festen Wohnplatz erhalten, nicht jene, die in temporären Notquartieren nächtigen. 31

2.2.4. Die Wiener Wohnungslosenhilfe Die WWH ist in einem Stufenmodell organisiert. Die Organisation und Koordination obliegt dem FSW, der Einrichtungen per Subjekt-, Objekt- oder Projektförderung subventioniert6. Dabei zeigt sich eine vielfältige Träger_innenlandschaft, zu denen die direkte Tochterge- sellschaft des FSW, ‚wieder wohnen Gmbh‘, die Caritas oder das Rote Kreuz zählen (vgl. Magistratsabteilung 24: 148-160). Differenziert werden dabei:  Einrichtungen mit unterschiedlichsten existenzsichernden Angeboten und gekop- pelt mit sozialarbeiterischer Beratung. Zu diesen zählen P7, welcher die Notquar- tiersvergabe administriert, sowie die Tageszentren Gruft, Josi, Ester, Hauptbahnhof und Stern. Diese Einrichtungen können ihren Klient_innen ein Notquartiersbett zu- weisen (zur Zuweisungslogik siehe unten). Zusätzlich können aus dem Suchtbe- reich Change und Jedmayer sowie aus dem Delinquenzbereich die Haftentlasse- nenhilfe Klient_innen ihrer Zielgruppe ein Nachtnotquartiersplatz vermitteln. Das- selbe gilt für Sachwalter_innen oder Auftragssozialarbeit nach Kontakt mit P7.  das Beratungszentrum Wohnungslosenhilfe (bzWo), das subjektfinanzierte, be- treute Wohnplätze vermittelt (vgl. u.a. FSW 2015; Schoibl 2013a: 29).

Abbildung 3: Stufenmodell der WWH (Schoibl 2013a: 36) Unterschiede zwischen Nachtnotquartieren und Wohnplätzen betreffen unter anderem die Nutzungsmöglichkeiten. Notquartiere können erst in den Abendstunden aufgesucht und müssen in der Früh verlassen werden. Sie umfassen fast ausschließlich Mehrbettzimmer

6 Es existieren auch wenige ungeförderte Einrichtungen beziehungsweise sind Einrichtungen auch ergänzend über Spenden oder Ähnliches finanziert (vgl. u.a. Schoibl 2013a: 26f). Zu den Förderrichtlinien für Einrichtun- gen der WWH siehe FSW (2014: 4ff). 32

(teilweise auch große Schlafsäle), während feste Wohnplätze hauptsächlich Einzel- und Doppelzimmer in Wohnhäusern oder eigene Wohneinheiten umfassen und durchgehend von Klient_innen genutzt werden können. Wie die Namen beider Formen bereits implizie- ren, betrifft der Unterschied Nächtigen beziehungsweise Wohnen (vgl. Riesenfelder et al. 2012b: 16ff). Die Betten- sowie die Notquartierszahl unterliegt dabei permanenter Veränderung. So standen in den einzelnen Kalenderjahren 2005 bis 2011 zwischen 194 und 454 Notquar- tiersbetten zur Verfügung (vgl. Riesenfelder et al. 2012b: 18). Während Notquartiersplätze im Winter aufgestockt werden und unter anderem für die sogenannte erweiterte Zielgruppe nicht anspruchsberechtigter Betroffener zugänglich sind, sind Betten während der Som- mermonate nur für anspruchsberechtigte Personen verfügbar. (vgl. u.a. Budin et al. 2013, Chwistek 2013) Die Möglichkeit der Inanspruchnahme richtet sich dabei nach der Anspruchsberechtigung auf einen festen Wohnplatz, dessen Kriterien der FSW (2014) formuliert. Hinsichtlich der festen Wohnplätze muss ein Antrag beim bzWo gestellt werden. Basierend auf Informatio- nen aus dem Antrag und eines Gesprächs werden Zugangskriterien überprüft und Kli- ent_innen für Wohnplätze bewilligt oder abgelehnt (vgl. FSW 2011). Die Förderkriterien (vgl. FSW 2014: 2f) umfassen:  Obdachlosigkeit oder Wohnungslosigkeit  Vorliegen einer sozialen Notlage  Unterstützungsbedarf  Commitment der Klient_innen zu einem kooperativen Unterstützungsprozess  Einkommen zumindest in Höhe der Wiener BMS oder der Bezug der Wiener BMS7  kein Vermögen. Bei Unzumutbarkeit der Verwertung von Vermögen zum Zeitpunkt des Antrags, kann die „Förderung von einer Sicherstellung (z.B. Pfandrecht) ab- hängig gemacht werden, wenn die Rückzahlung voraussichtlich ohne Härte mög- lich sein wird“ (FSW 2014: 2)  Österreichische Staatsbürgerschaft oder Gleichstellung entsprechend dem Wiener Sozialhilfegesetzes in der geltenden Form „sofern sich die gleichgestellte Person rechtmäßig im Inland aufhält und die Einreise nicht zum Zweck des Bezuges von Fördermitteln erfolgt ist“ (ebd.) Der FSW verweist bei diesem Punkt darauf, dass bei Fremden ohne Gleichstellung zur Vermeidung sozialer Härte von dieser Vo- raussetzung abgesehen werden kann, sofern ein möglicher Bedarf nicht durch die Wiener Grundversorgung abgedeckt wird / werden kann. Des Weiteren sei darauf zu achten, dass „familiäre Beziehungen erhalten und gefestigt werden“ (ebd.)  Lebensmittelpunkt in Wien. Zuziehende Personen aus den Bundesländern sind ausgeschlossen, insofern die „bloße Absicht einer Person den Lebensmittelpunkt in Wien zu begründen […] für eine Förderung nicht ausreichend“ (ebd.) ist. Bei Aus-

7 Stand 2016 sind dies 837.76€ 33

nahmen kann von diesem Förderkriterium Abstand genommen werden und aus- schließlich der tatsächliche Aufenthalt in Wien herangezogen werden. Des Weite- ren seien „berufliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Lebensbeziehungen der Kundin/des Kunden heranzuziehen“ (ebd.) Die Förderrichtlinien werden aufgrund der Uneindeutigkeit von Betreuungsbedarf (vgl. Rie- senfelder et al. 2012b: 68f, 92ff), des Kriteriums des Lebensmittelpunktes in Wien (vgl. BAWO 2009: 89f, Schoibl 2013a: 49) oder des Ausschlusses bestimmter Migrant_innen- gruppen, insbesondere EU Staatsbürger_innen, die häufig an der Hürde des BMS An- spruchs scheitern (vgl. Budin et al. 2013: 84f, Chwistek 2013: 8ff), kritisiert. Hinsichtlich des Lebensmittelpunkts in Wien wird betont, dass „keine adäquaten Maßnahmen und Vorsor- gen zur Steuerung des Problemtransfers aus dem Umland in die Stadt Wien“ (BAWO 2009: 90) existieren. Dies ist begünstigt durch den Mangel an Angeboten der Wohnungslosen- hilfe im Wiener Umland, der sich bis ins Burgenland erstreckt (vgl. ebd.). Gleichzeitig ist nicht sichergestellt, dass freiwillige oder unfreiwillige Rückkehrer_innen aus dem Ausland eine Förderbewilligung für einen Wohnplatz erhalten (vgl. Schoibl 2013a: 46). Zusätzlich ist die Tendenz zu erwähnen, Personen aufgrund „selbstverschuldeter Woh- nungslosigkeit“ (BAWO 2012) abzulehnen. In der Logik des Systems bedeutet dies unter anderem, dass Personen abgelehnt werden, die sich Mietkosten nicht mehr leisten können und selbst Wohnraum aufgeben bevor es zur Delogierung kommt oder den Mietvertrag der Wohnung aufgrund unzumutbarer Umstände kündigen. Des Weiteren wird von der Arbeits- gruppe Junge Wohnungslose (2013a: 6) kritisiert, dass eine Antragsabgabe erst ein Monat vor Vollendung des 18. Lebensjahres möglich ist und die Wartezeit auf ein Gespräch bei bzWo aber zwischen zwei und drei Monaten betragen kann. Im Falle einer Förderbewilligung für einen betreuten Wohnplatz wird im Gespräch bei bzWo geprüft welchen Bedarf Klient_innen aufweisen. Entsprechend der Bedarfslage sollen möglichst passgenau Wohnplätze vermittelt werden. Es wird zwischen Übergangswohnen, Zielgruppenwohnen, Mutter-Kind Einrichtungen, Betreutes Wohnen in Wohnungen, Sozial Betreutes Wohnen, mobiler Wohnbetreuung und ‚Housing First‘ differenziert (vgl. u.a. Grabner et al. 2008: 22-77, vgl. BAWO 2009: 51ff, Magistratsabteilung 24 2015: 148-160, Riesenfelder et al. 2012a: 15-24, Schoibl 2013a: 26-46). Hinsichtlich des Zielgruppenwohnen muss das ‚Haus Juca – Haus für junge Erwachsene‘ als besonders relevant für die Zielgruppe dieser Arbeit genannt werden. Es richtet sich ausschließlich an Personen zwischen dem 18. und 30. Lebensjahr. Betreutes Wohnen um- fasst das befristete zur Verfügung stellen von Wohnungen, inklusive Betreuung. Das An- gebot richtet sich insbesondere an in hohem Ausmaß selbständige Personen. Sozial Be- treutes Wohnen adressiert primär ältere Personen und jene, mit von der WWH abdeckba- ren mobilem Pflegebedarf. Auch Personen mit psychischen Auffälligkeiten und in psychi- atrischer Betreuung sowie substanzabhängige Personen zählen zu der Zielgruppe des So- zial Betreuten Wohnens. (vgl. ebd.) Dieses differenzierte betreute Wohnplatzangebot wird positiv hervorgehoben (Schoibl 2013a: 46).

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Des Weiteren wurde seitens des FSW auf episodische Wohnungslosigkeit reagiert. Auf- grund der Feststellung, dass viele ehemalige Klient_innen nach der Ablösung in eigenstän- digen Wohnraum erneut bei der Delogierungsprävention vorstellig werden, wurde ein Nachbetreuungssystem etabliert. Diesem wird allerdings noch deutlicher Entwicklungsbe- darf attestiert. Einerseits sind Personalressourcen zu gering, andererseits muss eine Nach- betreuung schon vorsorglich beantragt werden. Eine Beantragung nach dem Bezug der eigenen Wohnung ist somit nicht mehr möglich (vgl. Riesenfelder et al. 2012b: 71f). Zur Sicherung von Wohnraum beziehungsweise zur Adressierung und Versorgung woh- nungsloser Personen sind auch präventive sowie mobile Angebote hervorzuheben. Delo- gierungsprävention betreibt in Wien die Fachstelle für Wohnungssicherung (FAWOS) be- ziehungsweise die Magistratsabteilung 11 ‚Amt für Jugend und Familie‘ in Kooperation mit der Magistratsabteilung 40 ‚Soziales, Sozial- und Gesundheitsrecht‘ der Gemeinde Wien. Seit 2017 wird vom Wohnservice Wien auch Delogierungsprävention für Gemeindewoh- nungsmieter_innen angeboten. Zu mobilen Angeboten zählen insbesondere Streetwork. unter anderem geleistet von SAM, oder mobile Essensausgaben sowie mobile medizini- sche Versorgung insbesondere durch Canisi-, Louise- und Francescobusse (vgl. Grabner et al. 2008: 22-77, vgl. BAWO 2009: 51ff, Magistratsabteilung 24 2015: 148-160, Schoibl 2013a: 26-46). 2.3. Wohnungslose Emerging Adults Einleitend sei angemerkt, dass die hier genannten Studien unterschiedliche Altersbegren- zungen umfassen. Viele Autor_innen beziehen sich auf „“ (vgl. u.a. Barker 2016, Chew et al. 2013) und legen daher die untere Altersgrenze ab dem 12. bis hin zum 17. Lebensjahr fest. Fast ausschließlich befassen sich deren Studien aber auch mit Altersgruppen über die Volljährigkeit, sprich das 18. Lebensjahr, hinaus. Die Vielfalt an Altersgrenzen ist vermutlich auf international oder methodisch unterschiedliche Definitio- nen von Erwachsensein zurückzuführen. Nur wenige Autor_innen (vgl. u.a. Thompson et al. 2010, Wenzel et al. 2012) arbeiten mit dem Terminus Emerging Adulthood. Im Folgen- den wird dennoch für eine bessere Lesbarkeit von jungen Wohnungslosen oder wohnungs- losen Emerging Adults gesprochen. Nach einem kurzen allgemeinen Überblick zu Risiko- faktoren bei Emerging Adults werden einige detaillierter dargestellt. Abschließend wird auf ihre Häufigkeit und spezialisierte Angebote der österreichischen Wohnungslosenhilfe ein- gegangen. 2.3.1. Überblick über Einflussfaktoren bei Wohnungslosigkeit von Emerging Adults Frühe Studien zur Wohnungslosigkeit von Jugendlichen und Emerging Adults fokussieren vorrangig Risikofaktoren, wie mangelhafte Bedürfnisbefriedigung betreffend Essen, Klei- dung, Wohnen sowie sexuelle Ausbeutung und Gewalt. Aktuellere untersuchen das Ver- halten junger Wohnungsloser, wie beispielsweise ihr Konsum- oder Sexualverhalten (vgl. Hyde 2005). Die Fachliteratur weist Konfliktsituationen im Familiensystem, psychiatrische Erkrankungen und damit verbundene Herausforderungen, Erwerbslosigkeit, Armut, Alko- hol- und Drogenkonsum sowie kriminelles Verhalten als primäre Risikofaktoren aus (vgl. u.a. Hyde 2005; Mallett et al. 2005; Martijn, Sharpe 2006).

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Anderson (2001: 4ff) identifiziert Differenzen im Alter beim Weg in die Wohnungslosigkeit. Unterschiedlichen Alterskohorten können demnach unterschiedliche Sets an Risiken zu- geschrieben werden. Zwei der drei Alterskohorten „adult“ und „later life pathway“ (ebd.: 5f) wurden bereits vorgestellt (siehe Kapitel 2.2.2). Der „youth pathway“ (ebd.: 4) betrifft die jüngste Alterskohorte zwischen 15 und 24 Jahren. Jugendhilfemaßnahmen, Gewalterfah- rungen, Sucht, häufige Entwurzelung aus und Wiederherstellung des Familiensystems so- wie Umzüge und gravierende Schulprobleme wurden bei diesem Weg als besondere Risi- ken identifiziert. Auch Riesenfelder et al. (2012a: 29-32) zeigen, dass junge Wohnungslose von diversen Risikolagen überproportional betroffen sind. Am deutlichsten betrifft dies die Risikolage verringerter gesellschaftlicher Teilhabe (56%; Durchschnitt aller Altersgruppen 42%) sowie herkunftsfamilienbedingte Risikolagen (63%; Durchschnitt aller Altersgruppen 36%). Ge- ringe gesellschaftliche Teilhabe liegt laut Autor_innen dann vor, wenn Personen häufig und lange mit Arbeitssuche und großer materieller Armut konfrontiert waren. Herkunftsfamili- enbedingte Risikolagen liegen untere anderem vor, wenn vor Vollendung des 16. Lebens- jahres aus dem Elternhaus ausgezogen oder Gewalt im Elternhaus erfahren wurde. 2.3.2. Destruktives Familiensystem Familiäre Konflikte werden als gemeinsamer Nenner wohnungsloser Emerging Adults be- schrieben. Die Zielgruppe ist demnach häufig von disziplinären Problemen, Mangel an Af- fekten oder Fürsorge sowie inadäquater Kommunikation und Aufsicht seitens der Erzie- hungsberechtigten sowie Missbrauch oder häuslicher Gewalt betroffen (vgl. Hyde 2005: 180ff, Mallet et al. 2005: 196ff, Ryan 2012 et al. 2012: 47). Dementsprechend oft, sind wohnungslose Emerging Adults im Speziellen (vgl. Martijn, Sharpe 2006: 4f) und Wohnungslose im Allgemeinen (vgl. Ravenhill 2008: 96-108) von traumatischen Erfahrungen betroffen. In der Untersuchung Claudine Martijns und Louise Sharpes (2006: 4), haben 90% der befragten Emerging Adults zumindest ein Trauma er- fahren. Ein Fünftel insgesamt und drei Fünftel der weiblichen Emerging Adults sind von sexuellem Missbrauch in der Kindheit, knapp über die Hälfte aller Interviewten von körper- lichem Missbrauch betroffen. Die Autor_innen (ebd.: 9) weisen darauf hin, dass traumati- sche Erfahrung selten monokausal ausschlaggebend für Wohnungslosigkeit sind. Meist treten sie gemeinsam mit Sucht, kriminellem Verhalten oder anderen psychischen Problem auf. Ravenhill (2008: 104) beschreibt die komplexe Dynamik von traumatische Erfahrungen und weiteren Risikofaktoren bei der Entstehung von Wohnungslosigkeit wie folgt: „Trauma rarely happens within a vacuum. It was not unusual for the child to react through disruptive/angry behaviour at school, running away from home, arguments in the home, involvement in crime, depression, stress related illnesses or feelings of isolation and lone- liness. This in turn caused immense pressure on relationships within the family, in care and/or at school.” Auch nach Justin Hyde (2005: 175f, 180f) stehen Konflikte im Familiensystem im Zusam- menhang mit stressauslösenden und teilweise traumatischen Life-Events, wie neue Part- ner_innen eines Elternteils oder der Tod eines Familienmitgliedes. Um Konflikte zu vermei- den bleiben Jugendliche und Emerging Adults von zu Hause fern und / oder konsumieren

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legale und illegale Drogen. Die kurzfristige Lösung wird in weiterer Folge häufig zu einem permanenten Zustand, da Betroffene ihre Bedürfnisse in höherem Ausmaß befriedigt emp- finden als im familiären Umfeld. In weiterer Folge werden Verbindungen zur Familie häufig komplett abgebrochen. Marie Vagnerova et al. (2014) widmen sich den familiären Beziehungen 90 junger Woh- nungsloser Prags. Die Autor_innen (ebd.: 64-70) halten fest, dass ein Drittel des Samples ihr Familiensystem als hoch unbefriedigend einstuft. Häusliche Gewalt, psychiatrische und / oder Suchterkrankungen der Erziehungsberechtigten sind häufig. Besonders signifikant sind die Abwesenheit des Vaters und die schlechte Beziehung zur Mutter. Viele Betroffene berichten, dass negative Gefühle gegenüber den Eltern bis heute bestehen. 2.3.3. Erfahrungen mit institutioneller Unterbringung Die Herausnahme von Kinder und Jugendlichen aus ihrer Familie ist die extremste Maß- nahme der Kinder- und Jugendhilfe. Derartige Maßnahmen scheinen dem Risiko späterer Wohnungslosigkeit aber kaum entgegen zu wirken. So schätzen Tiffany Ryan et al. (2012: 74), dass 35%-50% junger Wohnungsloser in der USA direkt von einer stationären Jugend- wohlfahrtsmaßnahme betroffen waren. In der Prager Untersuchung Vagnerovas et al. (2014: 71f), sind 20% des Samples von institutioneller Unterbringung oder der Unterbrin- gung bei einer Pflegefamilie betroffen. Für die Bewohner_innen aller Alterskohorten und weiterführenden Angebotsformen der WWH weisen Riesenfelder et al. (2012a: 29-32) eine Prävalenz von 18% bezüglich Heimunterbringung in der Biographie nach. Piat et al. (2015: 2375) widmen einen von vier Wegen ausschließlich dem Thema „Transi- tions from foster care and institutional settings“. Einerseits wird die Trennung von Famili- enmitgliedern als prägende Herausforderung beschrieben, andererseits auch Missbrauch während der Unterbringung von Befragten thematisiert. Unmittelbar wirken sowohl das ‚Herauswachsen‘ aus dem System, wodurch weitere Unterstützung ausbleibt, als auch der Mangel an Fähigkeiten in einer Gemeinde Fuß zu fassen. „And it was okay in foster homes but after I was 18, they kicked me out and I was on my own, they didn’t teach me nothing. […] Cause when you get out, after, like you do more than five years, you don’t know how to live out here ... you know, I didn’t know how to go to the Welfare Office and fill out a form” (ebd.). Ob Kinder und Jugendliche bei Übertragung der Pflege und Erziehung an staatliche Insti- tutionen ein geringeres oder höheres Risiko aufweisen, von Wohnungslosigkeit betroffen zu sein, kann mangels empirischer Daten nicht beantwortet werden. Die Vermutung liegt nahe, dass Zeitpunkt und Grund der Maßnahme sowie die weitere Entwicklung der Bezie- hung zu den Eltern eine wesentliche Rolle spielen. Ravenhill (2008: 106) merkt jedenfalls an, dass in Untersuchungen zum Übergang von institutioneller Unterbringung in die Woh- nungslosigkeit den Umständen für die institutionelle Unterbringung und deren Langzeitfol- gen wenig Beachtung geschenkt wird. Heinz Schoibl (2013: 20ff) kritisiert im Kontext der Beendigung institutioneller Unterbrin- gung in Österreich, dass seitens der österreichischen Kinder- und Jugendhilfe keine Daten zur Wohnversorgung nach (teil)stationären Unterbringungen von Jugendlichen sowie zu Wohnversorgungskrisen bei Ablöse aus dem familiären System existieren. 37

2.3.4. Soziale Netzwerke In der Klinischen Sozialen Arbeit wird Unterstützung seitens sozialer Netzwerke als Stress- moderator betont (vgl. u.a. Nigel 2011: 62ff), allerdings auch deren Risikopotential thema- tisiert (vgl. u.a. Deloie 2011: 184ff). Untersuchungen zu sozialen Netzwerken junger Wohnungsloser weisen, trotz des in Kapi- tel 2.3.2 beschriebenen Konflikt- und Risikopotentials, Verwandten ein hohes Unterstüt- zungspotential nach. Sie stellen laut Betroffenen häufiger Unterstützung zur Verfügung als Personen im Bekannten- oder Freundeskreis. Gleichzeitig werden sie wenig ermutigend hinsichtlich des eigenen Risikoverhaltens eingeschätzt. Eine ambivalente Position im Ge- flecht sozialer Netzwerke wohnungsloser Emerging Adults nehmen Sexualpartner_innen ein, die einerseits sehr ermutigend hinsichtlich des Risikoverhaltens, andererseits auch als sehr unterstützend bezüglich Herausforderungen wahrgenommen werden. Straßenbe- kanntschaften hingegen werden als sehr ermutigend und unzuverlässig von Betroffenen beschrieben (vgl. Wenzel et al. 2012: 7ff). Vielleicht werden auch aufgrund des gering wahrgenommenen Unterstützungspotentials keine beziehungsweise kaum längerfristige Beziehungen in der Szene eingegangen. Die Skepsis wohnungsloser Emerging Adults gegenüber neuen Bekanntschaften basiert je- denfalls auf deren Antizipation von Betrug, auch parallel immer Assistenz seitens potenti- eller Bekanntschaften wahrgenommen wird. Insbesondere die Beziehung zu jemand au- ßerhalb der Straßenkultur werten junge Wohnungslose als Perspektive Obdachlosigkeit zu überwinden (vgl. Vagnerova et al. 2014: 71f). Trotz alle dieser Skepsis bestehen soziale Netzwerke wohnungsloser Emerging Adults zu einem Zehntel aus Bekanntschaften durch Wohnungslosenhilfeeinrichtungen und einem Viertel aus Straßenbekanntschaften (vgl. Wenzel et al. 2012: 6f). So halten auch (Vag- nerova et al. 2014: 63) fest, dass junge Wohnungslose um die Notwendigkeit wissen, sich mit erfahrenen Personen oder Cliquen der Szene zu arrangieren und deren Regeln zu akzeptieren. „They acknowledge that being part of the homeless community is restricting, but are very aware that this is the only group that accepts them without censure” (ebd: 63) “Young homeless people often say that they try to help other people because it is essential on the street, but that they do not trust these people because they have been repeatedly disap- pointed”. (ebd.: 79) Rilene A. Chew Ng et al. (2013: 383ff) belegen einerseits in einer Längsschnittstudie die Prozesse der Cliquenbildung bei Notquartiersnutzer_innen. Andererseits zeigen die Au- tor_innen, dass das Vorhandensein und die Anzahl an Notquartiersnutzer_innen in sozia- len Netzwerken einen indirekt positiven Gesundheitseffekt auf junge Wohnungslose die im öffentlichen Raum nächtigen hat. Denn mit steigenden Notquartiersnutzer_innen im Netz- werk, steigt die Wahrscheinlichkeit selbst ein Notquartier in Anspruch zu nehmen. Wie oben bereits beschrieben (siehe Kapitel 2.2.2) hat die Notquartiersnutzung im Kontrast zur Nächtigung im öffentlichen Raum positive Gesundheitseffekte, wodurch Bekanntschaften mit Notquartiersnächtiger_innen als mittelbar positiver Effekt erklärbar sind.

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Ravenhill (2008: 145f, 162) beschreibt im Kontrast zur Antizipation von Betrug und Cliquen- bildung, dass starke Freundschaften die Kultur der Wohnungslosigkeit prägen. Diese er- füllen die Funktionen von Sicherheit oder Stabilität. Noch stärker kontrastierend schreibt Hyde (2005: 180): „[…] these young people learn early on that their survival is dependent on no one but themselves.“ Die widersprüchlich anmutenden Ergebnisse zu sozialen Kontakten innerhalb der Szene wohnungsloser Emerging Adults, dürften auf unterschiedlichen Foki der Studien basieren. Außerdem verweisen Wenzel et al. (2012: 8) auf die hohe Diversität von sozialen Netzwer- ken wohnungsloser Emerging Adults. Die Ergebnisse zu sozialen Netzwerken wohnungsloser Emerging Adults ließen sich wie folgt zusammenfassen: Es werden selten oder kaum Bekanntschaften in der Szene durch Einrichtungen, viele auf der Straße geschlossen. Bestehen Freundschaften sind sie stark und erfüllen die Funktion von Stabilität und Sicherheit. Parallel zu Bekanntschaften und Freundschaften benötigt es ein Arrangement Regeln der Kultur oder Szene zu akzeptieren, um den Alltag mit größtmöglicher Sicherheit bewältigen zu können. Kontakte außerhalb der Szene werden so gut es geht genutzt, da sie als Ressource gesehen werden, um Woh- nungslosigkeit zu überwinden. Insgesamt geht mit Wohnungslosigkeit ein Mangel und eine Abnahme des sozialen Kapitals einher (vgl. Ryan 2012). 2.3.5. Suchtverhalten In viele Studien (vgl. u.a. Mallett et al. 2005: 186, Tyler, Johnson 2006: 133ff, 150) wird auf die ausreichende Evidenz für hohen Substanzkonsum bei wohnungslosen Emerging Adults hingewiesen. Trotz der Tatsache, dass Emerging Adults die Altersgruppe mit dem höchsten Substanzkonsum in der Gesamtbevölkerung sind, wie auch von Arnett (2000: 474f) angemerkt, sind Prävalenzzahlen wohnungsloser Emerging Adults nochmals um ein Vielfaches höher (vgl. Tyler, Johnson 2006: 150). Eine Studie, die dem Zusammenhang zweier relevanter Risikofaktoren, nämlich Familien- konflikte und Substanzkonsum, bei jungen Wohnungslosen gewidmet ist, publizierten Shelly Mallett et al. (2005). In dieser beschreiben sie vier Wege in die Wohnungslosigkeit, die durch Dreischritt-Kombinationen der Ereignisse „persönlicher Substanzkonsum“, „Sub- stanzkonsum eines Familienmitglieds“, „Familienkonflikt“ und „Wohnungslosigkeit“ (ebd.: 187) geprägt sind. In allen vier Konstellationen waren Familienkonflikte ein signifikant bei- tragender Faktor. Ein Drittel der Studienteilnehmer_innen sah persönlichen Konsum und/o- der Konsum in der Familie als kritischen Faktor, der zur Wohnungslosigkeit führte. Die Hälfte der Befragten nennt den eigenen Konsum als direkten oder indirekten Grund für Wohnungslosigkeit und ein Viertel den Konsum von Familienmitgliedern. Beim restlichen Viertel begann der Konsum erst mit Einsetzten der Wohnungslosigkeit. Nur wenige Stu- dienteilnehmer_innen gaben an, dass das eigene Konsumverhalten erst mit Eintreten der Wohnungslosigkeit problematisch wurde. Markant war, dass Marihuanakonsum in einem wesentlich höheren Maße Wohnungslosigkeit mitbeeinflusste als der Konsum härterer Dro- gen, da dieser öfter zu Auseinandersetzungen mit Eltern führte. In der Studie Kimberly Tylers und Katherine Johnsons (2006: 138) konsumierten 85% der interviewten Woh-

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nungslosen zwischen 18 und 21 Jahren Marihuana. 92.5% der Befragten hat ein Familien- mitglied, meist Mutter oder Vater, das selber Drogen konsumiert, bei einem Drittel wurde Mutter oder Vater zumindest einmal aufgrund Drogendealens verurteilt. Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass Konsum von Alkohol oder Drogen selten Zeichen einer Rebellion ist, sondern viel eher als Bewältigung die Konflikte im Familiensystem (vgl. Wenzel et al 2012) wie Missbrauchserfahrungen (vgl. Tyler, Johnson 2006: 151) beschrie- ben wird. So geben 45% wohnungsloser Emerging Adults an, Konsum diene der Bewälti- gung während 22.5% zur Unterhaltung konsumieren und 25% beide Begründungen nen- nen (vgl. Tyler, Johnson 2006: 140). Sowohl Tylers und Johnsons (2006: 140, 151) als auch Sanna J. Thompson et al. (2010: 234, 243) verweisen neben dem Konsum als Co- pingstrategie für vergangener Ereignisse auch auf die Bewältigungsfunktion für die Belas- tung durch das gegenwärtige Leben in der Wohnungslosigkeit. Der Akt des Konsumierens dient des Weiteren als Möglichkeit mit Peers in Kontakt zu treten oder als Selbstmedikation physischer oder psychischer Symptome (vgl. ebd.). 2.3.6. Weitere Einflussfaktoren: Arbeit, Bildung und strukturelle Herausforderungen Weitere Studien zu Einflussfaktoren bei der Entstehung und Manifestation von Wohnungs- losigkeit von Emerging Adults, weisen Arbeitslosigkeit (vgl. Ferguson, Thompson 2012), strukturelle Bedingungen wie Prekarisierung des Wohnungsmarkts oder schlechte Wirt- schaftslage (Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013a: 2f) sowie unzureichende Versor- gung (vgl. Barker 2016: 677-681, Ryan et al. 2012: 70-77) als relevant aus. Studien zur Arbeitslosigkeit gehen von 66%-71% Raten bei jungen Wohnungslosen im Al- ter zwischen 18 und 24 in den USA aus (vgl. Ferguson, Thompson 2012: 28). Eine Stich- probe (n=40) zu 19- bis 21-jährigen Wohnungslosen hält fest, dass 7,5% aktuell noch zur Schule gingen, 37,5% diese positiv abgeschlossen und 30% diese abgebrochen haben (vgl. Tyler, Johnson 2006: 138). Unter 196 befragten jungen Wohnungslosen gaben 31% an ihr Einkommen über „survival behaviors“ (vgl. Ferguson et al. 2011: 404) zu beziehen, sprich Prostitution, Plasma- oder Blutspenden, Dealen oder auch Stehlen. 28% gingen einer legalen Beschäftigung nach, 22% gaben an ihr Einkommen aus illegalen und legalen Tätigkeiten zu beziehen, 19% gingen weder einer legalen noch illegalen Erwerbstätigkeit nach. (vgl. ebd.) Die Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose (2013a: 2ff) konstatiert des Weiteren eine verrin- gerte Chance auf gesellschaftliche Teilhabe und Wohnversorgung, genährt durch den Qualifikationsdruck am Arbeitsmarkt sowie dem Schwinden an leistbarem Wohnraum in Wien. Somit steht diese Alterskohorte vermehrt unter erhöhtem Druck am privaten Woh- nungsmarkt, in einer Phase, in der richtungsweisende Entscheidungen getroffen werden müssen. Auch Ryan et al. (2012: 47) fordern mehr leistbaren Wohnraum explizit im Hinblick auf die besondere Bedarfslage wohnungsloser Emerging Adults. Abschließend heben sowohl Ryan et al. (ebd.: 70-77) als auch Barker (2016: 677-681) die Verantwortung der regionalen Wohnungslosenhilfe und Träger_innen hervor. Instabilität im Leben junger Wohnungsloser existiere nicht alleine mangels einer festen Unterkunft. An- gebote müssen daher neben materieller Sicherung insbesondere stabile soziale Unterstüt- zung bieten (vgl. ebd.). Außerdem benötige es den Ausbau nachgehender Angebote. Um 40

den speziellen Bedürfnissen und der Heterogenität junger Wohnungsloser gerecht zu wer- den, muss die Angebotslandschaft mit möglichst hoher Diversität in den Angebotsformen reagieren. Erstberatungsstellen und Notquartiere müssen dabei niederschwellig konzipiert sein, um die wichtige Funktion der Adressierung zu erfüllen und Barrieren zu weiterführen- den Angeboten zu verringern (vgl. Ryan et al. 2012: 76f). Hinsichtlich der notwendigen Diversität von Unterkunftsformen für Emerging Adults, sprechen sich Ryan et al. (ebd.: 67) für eine Verkleinerung der Unterkünfte selbst aus. Dadurch soll einer Ghettoisierung vor- gebeugt werden, die eine schädliche Umwelt schafft und Stigmatisierungsprozesse der Gesellschaft fördert. Gleichzeitig plädieren sie dafür Kooperation und Koproduktion im Un- terstützungsprozess junger Wohnungsloser zu fördern: “Participants in this study were partial to cooperative housing and communes. […] For example, in the cooperative style of housing, duties are equally divided among residents such as cooking, cleaning, shopping, yard-work, and maintenance. Beyond taking care of the chores and being cost effective, this model can offer benefits like accountability, per- sonal investment, and a sense of community. […] Services should be diversified, both in type and structure, to meet various needs found within the population” (ebd.:76f). Es wird abschließend darauf hingewiesen, dass keine Evidenz zur höheren Effektivität un- terschiedlicher Interventionen bei jungen Wohnungslosen existiert. Dies basiert einerseits auf dem Mangel an Studien zur Interventionsforschung, andererseits auf der Heterogenität dieser wenigen Forschungen (vgl. Altena et al. 2010: 643f). 2.3.7. Häufigkeit wohnungsloser Emerging Adults und spezialisierte Angebote In Jarvis (2015) Untersuchung zur Intensität der und Einflüssen von Wohnungslosigkeit auf Emerging Adults, wurde mit der Definition des U.S. Department of Housing and Urban De- velopment (HUD) gearbeitet. Dies erlaubt die Vergleichbarkeit mit einer nationalen Erhe- bung ebendieser (vgl. HUD 2009 zit.n. ebd.: 24). Beide wiesen zur Wohnungslosigkeit von 18- bis 30-jährigen sehr ähnliche Ergebnisse von 22.3% (HUD) beziehungsweise 23.6% (Jarvis) aus (vgl. ebd.: 25). In Nielsens et al. (2011: 2206) Kohortenstudie (n=32711) wird der erste Kontakt zur dänischen Wohnungslosenhilfe alters- und geschlechtsspezifisch ausgewiesen. Sowohl die Alterskohorte der 16- bis 24-jährigen als auch der 25- bis 34- jährigen sind für diese Arbeit von Interesse und stellen mit knapp 12% bis 28% auch we- sentlichen Anteil an der Gesamtpopulation der dänischen Studie.

Männer (n=23040) Frauen (n = 9671)

16 - 24 2788 (12·1%) 1831 (18·9%)

25 - 34 5294 (23·0%) 2699 (27·9%)

35 - 44 7032 (30·5%) 2555 (26·4%)

45 - 44 5276 (22·9%) 1771 (18·3%)

55–64 2213 (9·6%) 697 (7·2%)

≥65 437 (1·9%) 118 (1·2%)

Abbildung 4: Alter bei erstem Kontakt mit dänischer Wohnungslosenhilfe bei Notquartiersnutzer_innen (n=32711) mit psychiatrischer Diagnose (Nielsen et al. 2011: 2206)

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Im Jahr 2011 sind 39% der Antragssteller_innen bei bzWo zwischen 18 und 31 Jahre alt. Bei Personen, die einen Wohnplatz erhalten haben beläuft sich der Anteil derselben Al- tersgruppe auf 35%. Der Anteil der Notquartiersnächtiger_innen wird mit 40% ausgewiesen (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 5-9). Basierend auf Interviews mit Fachkräften der WWH und Längsschnittdaten unterstreichen Riesenfelder et al. (2012b: 75) die Relevanz und Dringlichkeit einer spezifischeren Ausei- nandersetzung mit der Zielgruppe wohnungsloser Emerging Adults. Zwar verläuft der An- stieg der Zahl junger Wohnungsloser entlang demographischer Entwicklungen, allerdings sind in spezifischen Angebotssegmenten überproportionale Anstiege erkennbar. „Fachkräfte [beobachten] […] eine Tendenz der Zunahme des Auftretens junger Erwach- sener im Bereich spezifischer Angebotssegmente. Dies kann auch anhand der Längs- schnittdaten in dieser Studie untermauert werden.“ (ebd.) Es sei an dieser Stelle kritisch angemerkt, dass die Zahl der Nutzer_innen auch von der Platzzahl im Bereich der Notquartiere und fixen Wohnplätze abhängig ist. Der Verweis auf den insignifikanten Anstieg in Relation zur demographischen Entwicklungen ist demnach ungenügend, da sich nicht auf die (unbekannte) absolute Zahl von Wohnungslosen und jungen Wohnungslosen bezogen werden kann. Allerdings lässt der steigende Anteil junger Wohnungsloser in manch Angebotssegmenten der WWH eine tendenzielle Verjüngung vermuten. Dies konnte unter anderem auch als allgemeiner Tenor auf der BAWO Fachta- gung 2016 in der Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose vernommen werden. Im Jahr 2007 waren in Wien 1402 Menschen zwischen 18 und 30 Jahren wohnungslos. Davon war circa ein Viertel weiblich. Knapp über die Hälfte der Betroffenen ist jünger als 25. Zu diesem Zeitpunkt existierten in ganz Österreich neun spezialisierte Einrichtungen für jugendliche und / oder junge Wohnungslose, zwei davon (Zielgruppenwohnhaus Juca und Notquartier a_way) in Wien. Im Burgenland sowie in Vorarlberg mangelt es an einer spezialisierten Einrichtung (vgl. Schoibl 2013a: 21).

3. Junge Wohnungslose und Klinische Soziale Arbeit Klinische Soziale Arbeit entwickelte sich als Reaktion auf die Bobachtung von steigenden Zahlen chronischer Erkrankungen und Multiproblemlagen bei Adressat_innen der Sozialen Arbeit (vgl. Pauls 2013a: 11f). Dementsprechend richtet sie sich an Personen mit multiplen schweren Belastungen. Mit Verweis auf Feinbier (1997) schreibt Helmut Pauls (Pauls 2013a: 19; Hervorhebung im Original), im Fokus stehe „gesundheitsrelevantes abweichen- des Verhalten, das durch psycho-soziale Problemlagen […] verursacht und/oder aufrecht- erhalten wird.“ Zur Klinischen Sozialen Arbeit Publizierende sehen es dementsprechend als primäre Aufgabe die Passung zwischen Klient_innensystemen und deren Umwelt zu verbessern (vgl. u.a. Franzkowiak et al. 2011: 181-185, Gahleitner 2010: 167, Pauls 2013a: 16). Forschungsergebnisse bestätigen die Instabilität und Risikobereitschaft Emerging Adults (siehe 2.1.1) sowie die Prekarisierung essentieller Subsysteme ihrer Lebenswelt (siehe 2.3.6). Gleichzeitig sind Komplexität von Wohnungslosigkeit oder erhöhter Stress und Vul-

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nerabilität bei wohnungslosen Personen hinreichend evident (siehe 2.2.2). Die Schlussfol- gerung des Auftrags Klinischer Sozialer Arbeit speziell junge Wohnungslose zu adressie- ren liegt nahe. Im Folgenden wird auf ausgewählte Theorien und Forschungsergebnisse Klinischer Sozialer Arbeit verwiesen, die Schnittstellen mit der Zielgruppe junger Woh- nungsloser aufweisen. 3.1. Bio-psycho-soziales Gesundheitsverständnis Grundlegend für die Klinische Soziale Arbeit ist das, erstmals von Georg Engels (1977, 1980 u.a. zit.n. Nigel 2011: 45ff) formulierte, bio-psycho-soziale Krankheitsmodell. Die drei Ebenen bio-psycho-sozial stehen dabei in ständiger Wechselwirkung, sodass Gesundheit psychosozial mitbedingt ist. Evidenz erlangt dieses Modell aufgrund von Ergebnissen zur Wechselwirkung von Stress, Coping und sozialer Unterstützung sowie zur Epigenetik, Emotionsregulierung, Bindung und Neuroplastizität (vgl. Pauls 2013a: 32-88, 2013b: 36- 53). Die Korrelation von Armut und Gesundheit ist dabei evident (vgl. u.a. Deloie 2011: 164- 168). Strittig ist allerdings noch immer die Wirkrichtung. Aktuelle Theorien und Forschun- gen befassen sich mit den Anteilen und dem Zusammenspiel von individuellen und struk- turellen Faktoren hinsichtlich Gesundheit. Dabei kann zwischen zwei zentralen Strömun- gen unterschieden werden: Akkumulation von benachteiligenden Lebensbedingungen in der Biographie bedingt erhöhtes Erkrankungsrisiko und dem Fokus auf Mikrogesellschaf- ten und deren sozialem Kapital (vgl. Deloie 2011:164-168). Wesentlich sozial (ko-)produ- zierte Determinanten sind neben Einkommen und Beruf(sbedingungen), sozialer Status, Lebenswelt, Gesundheitsverhalten auch soziale Netzwerke und deren Unterstützungsleis- tung (vgl. Franzkowiak 2011: 39f, 44). Pauls (2013a: 72-88) beschreibt das Verhältnis von Belastung und sozialer Unterstützung. Entscheidend ist dabei das Vulnerabilitäts-Stressmodell. Soziale Unterstützung dient in diesem Modell als Stressmoderator. Mit steigendem Grad sozialer Integration in einem Netzwerk können positive Auswirkungen auf biologischer Handlungsebene nachgewiesen werden (vgl. ebd., Nigel 2011: 59-64). Dario Deloie (2011: 184ff) fasst dabei die unter- schiedlichen Formen sozialer Unterstützung zusammen. Wesentlich ist auch die erwart- bare Unterstützung. Allerdings verweist der Autor (ebd.) ebenfalls auf negative Einflüsse sozialer Netzwerke. All diese Themen treffen mehrheitlich, im negativen Sinne, auf wohnungslose Emerging Adults zu, wie oben skizzierten Forschungsergebnisse zeigen. Wohnungslosigkeit wird durch eine Akkumulation von Stressoren bei gleichzeitiger Abwesenheit protektiver Fakto- ren beschrieben. Betroffene sind im erheblichen Maße und in mehreren Dimensionen über- proportional von Armut betroffen. Soziales Kapital sinkt insgesamt mit Eintritt und Manifes- tation von Wohnungslosigkeit. Durch Stigmatisierungs- und Marginalisierungsprozesse werden Wohnungslose in prekäre und krankmachende Arbeits- und / oder Wohnverhält- nisse gedrängt. Räume, in denen sie mehrheitlich nächtigen (Notquartiere oder die Straße), haben mittelbare und unmittelbare Auswirkung auf deren Gesundheit. Chew Ng et al. (2013: 382) definieren sogar die Notquartiersnutzung per se, die wie sie zeigen we-

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sentlich durch Peers beeinflusst ist, aufgrund des positiven Gesundheitseffekts im Ver- gleich zur Nächtigung auf der Straße als Gesundheitsverhalten. Gleichzeitig belegen Un- tersuchungen zu sozialen Netzwerken von Emerging Adults im Allgemeinen deren hoch ausgeprägtes Risikoverhalten und jungen Wohnungslosen im Speziellen die Komplexität und Belastung ihrer sozialeren Kontakte. (siehe 2.1.1 und 2.3.4) 3.2. Das junge Erwachsenenalter & Entwicklungsaufgaben Zentrale Bedeutung in der Klinischen Sozialen Arbeit hat die psychosoziale Entwicklung von Menschen. Dabei nehmen die Theorien Eriksons (1950, 1968) und Havighursts (1981) eine zentrale Rolle ein (vgl. u.a. Nigel 2011: 49, Franzkowiak et al. 2011: 97ff, Pauls 2013a: 56-64). Das junge Erwachsenenalter, 18 Jahre bis 27 Jahre, wird dabei eigens von Peter Franzkowiak et al. (2011: 97ff) thematisiert. Die Alterskohorte ist heute im besonderen Aus- maß Instabilität ausgesetzt. Außerdem weisen sie im Vergleich zu anderen Altersgruppen andere Krankheitsthemen und Bewältigungsmuster auf. Diese machen sie als Zielgruppe für die Klinische Soziale Arbeit relevant. 3.3. Hard-To-Reach & Niederschwelligkeit Klinische Soziale Arbeit muss sich besonders um Niederschwelligkeit (zum Begriff der Nie- derschwelligkeit vgl. Mayrhofer 2012) bemühen, um deren formulierte Zielgruppe der hard- to-reach Klient_innen (zum Begriff hard-to-reach vgl. Labonte-Roset 2010) zu erreichen. Neben Drogen-Usern oder psychisch kranken Menschen sind auch obdachlose Menschen zum hard-to-reach Klientel (vgl. Fitzpatrick et al. 2000: 11) zu zählen. Die schwere Erreich- barkeit ist häufig durch geringes Vertrauen in Unterstützungssysteme gekennzeichnet. Prinzipiell betrifft das Phänomen alle Gesellschaftsgruppen im selben Ausmaß. Arme oder von Armut bedrohte Personen sind aber deshalb überproportional beobachtbar, da mate- riell besser gestellte, durch die Transformation von Kapital eine entsprechende Kompen- sation erzielen (können) (vgl. Pauls 2010: 101-104). Wie zum Abschluss des letzten Kapitels 2.3 anschaulich dargestellt wurde, fallen auch junge Wohnungslose in die Zielgruppe des hard-to-reach Klientels. Insbesondere die Un- tersuchungen zu auf der Straße nächtigenden Emerging Adults, zeugen von fehlendem Vertrauen und der Notwendigkeit niederschwelliger, nachgehender und insbesondere stabiler Unterstützungsangebote. 3.4. Multiproblemlagen Die steigende Zahl an Multiproblemlagen bedingte die Notwendigkeit und Implementierung der Klinischen Sozialer Arbeit (vgl. u.a. Nigel 2011, Pauls 2013a: 24). Die Multidimensio- nalität von Wohnungslosigkeit wird in jeglicher Fachliteratur anschaulich belegt. So sind Betroffene in erheblichen Ausmaß mit mehreren Herausforderungen (Gesundheit, materi- eller Armut, Traumata, etc.) konfrontiert. Es mangelt nicht ausschließlich an einer stabilen Unterkunft (siehe 2.2).

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4. Forschungsbedarf & Forschungsfrage Studien zu wohnungslosen Emerging Adults weisen die komplexe Interaktion von Einfluss- faktoren aus, die zur Wohnungslosigkeit führen (können). Forschungsbedarf wird am deut- lichsten in der Phase während und bei Wegen aus der Wohnungslosigkeit identifiziert (vgl. Altena et al. 2010: 643f, Somerville 2013: 408f). Neben generell ausreichendem Bedarf an Forschungsergebnissen zu Wohnungslosigkeit und Emerging Adulthood in Österreich, scheint die vorliegende Studie überhaupt die erste nationale Untersuchung zu sein die mit dem Begriff Emerging Adulthood in Verbindung mit Wohnungslosigkeit operiert. Gleichzeitig ist die Gruppe wohnungsloser Emerging Adults aufgrund ihrer Häufigkeitsent- wicklung (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 5-9, Riesenfelder et al. 2012b: 75), deren besonderen Bedarfslagen (vgl. u.a. Ryan et al. 2012: 70-77) sowie schon be- stehenden Angeboten innerhalb der WWH (vgl. u.a. Schoibl 2013a: 21) von wissenschaft- lichem Interesse. Des Weiteren äußern sich viele kritische Stimmen zur Passung der An- gebote. Sowohl international als auch national werden Zugänge und Angebote für Woh- nungslose allgemein und für wohnungslose Emerging Adults im Speziell kritisiert (vgl. Ar- beitsgruppe Junge Wohnungslose 2013a: 6, 2013b: 7, Barker 2016: 677-681, BAWO 2009: 89f, Budin et al. 2013: 84f, Chwistek 2013: 8ff, Ryan et al. 2012: 70-77, Schoibl 2013a: 49). Von besonderer Bedeutung für diese Arbeit ist die Wiener Statistik, wonach 40% der Not- quartiersnutzer_innen zwischen 18 und 30 Jahre alt waren, während dieselbe Altersgruppe ‚nur‘ 10-15% der Wohnplätze in großen Übergangwohnheime der WWH bewohnten (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013a: 6) sowie die Tendenz, dass die Einzugswahr- scheinlichkeit mit Abnahme des Alters sinkt (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b:7). Dementsprechend lautet die hier bearbeitete Forschungsfrage: Welche Merkmale weisen junge Wohnungslose Wiens auf und wirken sich diese auf den Zugang zu weiterführenden, geförderten Angeboten der WWH aus? Neben der eben erläuterten allgemeinen Bedeutung der Zielgruppe für die Klinische Sozi- ale Arbeit, ist diese Studie aufgrund der negativen Gesundheitseffekte von Wohnungslo- sigkeit bedeutsam. (siehe 2.2.2) Wenn sich Klinische Soziale Arbeit der „Verbesserung der psycho-sozialen Passung zwischen Klient bzw. Klientensystem und Umwelt“ (Pauls 2013:17; hervorgehoben im Original) annimmt, leistet diese Forschung eben da einen es- sentiellen Beitrag, wo Nutzverhalten von und Zugänge im Unterstützungssystem genauer beleuchtet und diskutiert werden müssen.

5. Methodik Die Studie setzt auf ein sequenzielles Verallgemeinerungsdesign (vgl. Kuckartz 2014: 77- 83). Mittels Qualitativer Inhaltsanalyse (QIA) (vgl. Mayring 2015) werden Merkmale, Her- ausforderungen und Perspektiven von jungen Wohnungslosen erhoben und quantifiziert. Die gewonnenen Kategorien sind Grundlage für die Beantwortung des ersten Teils der Forschungsfrage. Um den Zugang zu weiterführenden Unterstützungsangeboten zu unter- suchen werden logistische Regressionsmodelle erstellt. Als abhängige Variable (AV) fun- giert bzWo_FB_C mit dem dichotomen Antwortset ja / nein. Unabhängige Variablen (UV) 45

werden aus den Variablensets Soziodemographie und Nutzung des Unterstützungssys- tems sowie den Kategorien der Inhaltsanalyse gewählt. Diese Designform ist aufgrund der kombinierten Fragestellung des Profils und des Zugangs notwendig und hoch praktikabel, während die Bearbeitung nur einer Fragestellung andere Formen zuließen. Zielgruppe der Analyse sind Wohnungslose Wiens im Alter zwischen 18 und 30 Jahren (Stichtag 1.7.2016). Die Alterseingrenzung basiert auf Forschungsergebnissen Arnetts und Andersons sowie Angeboten der WWH und Alterseingrenzungen nationaler Evaluierungen oder Grundlagenerhebungen (Kapitel 2) zu ebendieser. Im Folgenden wird auf den Pro- zess der Datenerhebung, erhobene Variablen sowie die Berechnung der Regressionsmo- delle eingegangen. 5.1. Datenerhebung Als Datengrundlage dienen Fallverlaufsdokumentationen zu Klient_innen des P7 sowie die Notquartiersstatistiken betreffender Klient_innen. Die Zustimmung der Notquartiersträ- ger_innen Caritas, Rotes Kreuz, Arbeitersamariterbund, Johanniterhilfe sowie Wieder Wohnen wurde eingeholt. Fallverlaufsdokumentationen sowie bestehende Statistiken als Basis der Auswertung zu wählen, kann aus mehreren Perspektiven kritisch gesehen werden. So unterliegen unter anderem Gestaltung und Genauigkeit der Fallverlaufsdokumentation in hohem Maß der Individualität der dokumentierenden Fachkraft sowie den Rahmenbedingungen der Ein- richtung. Mehrere Argumente sprechen bei dieser Forschungsfrage für die Verwendung vorhandener Daten. Ein Argument ist die Bearbeitung einer hohen Fallzahl und somit auch die Möglichkeit zur Quantifizierung. Des Weiteren erlaubt die Auswertung von Fallverlaufs- dokumentation die Perspektive zweier Expert_innen der relevanten Lebenswelten zu- gleich: Klient_innen und Fachkräfte. Es sind daher sowohl hoch individuelle Teile der Kli- ent_innenbiographien enthalten, als auch Themenbereiche, die basierend auf Expert_in- nenwissen, von der Fachkraft in die Beratung eingebracht werden. Zu guter Letzt bietet P7 keine Einzelbezugsbetreuungen an. Fallverläufe werden somit von einem Team geleitet. Die Beteiligung mehrerer Personen am Fallverlauf lässt die Hypothese hoher Genauigkeit der Dokumentation (Kolleg_innen müssen mit fremder Dokumentation arbeiten und soziale Kontrolle) sowie breiterer Erfassung der Lebenslage (mehrperspektivisch) zu. Eine Studie zur erneuten Straffälligkeit junger Erwachsener wurde und wird mit ähnlichem Design durchgeführt (vgl. Cornel 2010). Der Auswertung von Gefangenenpersonalakten folgte eine Quantifizierung mittels zweier Erhebungsbögen. Die Daten werden ins Verhält- nis zu vier Abfragen des Bundeszentral- und Erziehungsregisters gesetzt um Rückfälligkeit zu identifizieren. Der Unterschied der Designs besteht einerseits in der tendenziell deduk- tiven Datenerhebung Heinz Cornels (ebd.), während in der vorliegenden Untersuchung versucht wird aus Falldokumentationen induktiv Merkmale abzuleiten, andererseits kann Cornels Studie als Längsschnitt verstanden werden, jene hier beobachtet keine Verände- rungen über längere Zeiträume. Die Studie untersucht die Dokumentation des Kalenderjahres 2016 von einem Fünftel mit- tels SPSS24 zufällig ausgewählter Klient_innen der betreffenden Alterskohorte. Zusätzlich müssen Klient_innen im ersten Halbjahr 2016 zumindest drei Kontakte im P7 verzeichnet 46

haben. Kontakte umfassen neben Beratungsgesprächen auch Rückmeldung zur Nutzung der Nachtnotaufnahme, zu Hausverboten oder Kommunikation und Vernetzung ohne Kli- ent_innen. Mit der Anhebung der Kontaktzahl wird vermieden, dass verzerrende Fallver- läufe in die Auswertung miteinfließen. Derartige Fallverläufe entstehen beispielsweise, wenn wohnversorgte Personen an Einrichtungen der Delogierungsprävention weiterver- wiesen werden, und dadurch nur ein Kontakt verzeichnet wird. Die Einschränkung auf das Kalenderjahr 2016 ist mit der Aktualität sowie Stabilität der Angebotsformen begründet (vgl. u.a. zu Schwankung von Bettenzahlen der Nachtnotquartiere in Riesenfelder et al. 2012b: 18). Gleichzeitig werden durch die Auswertung eines gesamten Kalenderjahres eventuelle Verzerrungen durch das jährlich sechsmonatige Winterpaket der WWH (vgl. u.a. Chwistek 2013) ausgeglichen. 5.2. Soziodemographie und Nutzung des Unterstützungssystems Folgende soziodemographische Daten sind erhoben oder generiert worden und sind rele- vant für diese Untersuchung:  Alter mit Stichtag 01.07.2016 (age8): die Wahl des Stichtages hat logistische Gründe und ergab sich durch das Datum der ersten Datensondierung  Alter gruppiert (age_c): zur differenzierten Darstellungen des Alters werden Kli- ent_innen einer jüngeren (unter 25 Jahre) und älteren Alterskohorte (25 bis 30) zu- geordnet. Die Grenzziehung erfolgte angelehnt an frühen Forschungsergebnissen Arnetts und Tabers (1994) und den Ergebnissen Andersons (2001: 4)  Geschlecht (sex)  Staatsbürgerschaft (Nat)  Staatsbürgerschaft gruppiert (Nat_C): o Österreicher_in (1) o EU / EWR Staat (2) o Drittstaat (3) o unbekannt / staatenlos (4)  Aufenthaltstitel (AT): in Berechnungen wird ‚ÖsterreicherIn‘ als Aufenthaltstitel hin- zugefügt um sie von Personen unbekannten Titels unterscheiden zu können  Beschäftigung 2016 (EK_Ausb): o keine (0) o Arbeit (1): da mehrmals nicht zwischen angemeldeter Arbeit und undoku- mentierter Arbeit differenziert werden kann, werden beide Beschäftigungs- arten subsumiert, auch wenn letztere, beispielsweise hinsichtlich Aufent- haltstitel oder Sozialversicherungsansprüchen, nachteiliger für Betroffene sein kann; dasselbe gilt für befristete Dienstverträge oder Probemonate o Schule oder Studium (2): ohne AMS Kursmaßnahmen

8 Codierung der Variable im Datenset 47

 Zuzug Bundesland (ZZ_BL): der letzte aufrechte Wohnsitz ist in einem österreichi- schen Bundesland, dass nicht Wien ist; dies hat insbesondere in Hinblick auf An- spruchsvoraussetzungen des FSW (2011, 2014) Bedeutung Folgende Variablen sind dem Bereich Nutzung des Unterstützungssystems zuzurechnen:  Art der Wohnungslosigkeit (Art_Wo): die Wahl der Zeiträume orientiert sich zu ei- nem großen Teil an der Logik des Dokumentationssystems von P7; nach einem Jahr ohne Kontakt werden Klient_innendokumentationen ‚stillgelegt‘; haben Be- troffene nachdem erneut Kontakt, lebt der Akt wieder auf. Indikator für die Variable war die Nutzung des Unterstützungssystems: o erstmalig (1) o episodisch (2): zumindest ein Jahr zwischen erneutem Kontakt zur WWH o chronisch (3): zumindest über ein Jahr durchgehender Kontakt zur WWH o episodisch und letzte Phase chronisch (4) o Anmerkung: es werden auch Personen als wiederkehrend gezählt, wenn sie in einem Übergangwohnheime wohnten und den Wohnplatz verloren. Dies entspricht nicht der Definition nach ETHOS (FEANTSA 2005). Nach ETHOS (ebd.) ist diese Personengruppe in diesem Zeitraum weiterhin wohnungslos. Die Entscheidung ist nicht aufgrund einer inhaltlichen Ablehnung der Defi- nition, sondern aufgrund der Reduktion von Komplexität bei der Kategori- sierung getroffen worden. So lagen beispielsweise exakte Zeitangaben zu Einzügen häufig nicht vor  Postadresse 2016 (PA): trifft nicht zu (0), trifft zu (1)  Postadressenauflösungen 2016 (PAA)  Gesamtnächte im Notquartier (NQ_n_gesamt): Nächte in einem Notquartier abso- lut in der Biographie von Betroffenen  Anwesenheitsnächte (NQ_g_e_gv): Nächte im Notquartier gekommen, gekommen verspätet oder entschuldigt absolut in der Biographie von Betroffenen  Fehlnächte (NQ_ng_hv): Nächte im Notquartier nicht gekommen oder Hausverbot absolut in der Biographie von Betroffenen  Kein Platz (NQ_KP): kein freies Bett im Notquartier 2016  Nachtnotaufnahme (NQ_NNA): Nächtigungen in der Nachtnotaufnahme 2016  Notquartiersverlust (NQ_verl): Verluste des regulären Notquartierbetts 2016  Hausverbot (NQ_hv): Anzahl an Hausverbote in Notquartieren 2016

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 Kontakte (K): umfassen alle Dokumentationseinträge in der Dokumentation des P7. Es zählen auch solche hinzu, die der logistischen und organisatorischen Verant- wortung der Bettenverwaltung dienen, wie beispielsweise die Statistik zu Nächti- gungen in der Nachtnotaufnahme oder die Einbuchung des Kostenbeitrags9  Beratungsrelevante Gespräche (B): Anzahl der Beratungen sowie Gespräche der Kategorien Kommunikation intern (z.B. Teambesprechungen zur weiteren Vorge- hensweise) und extern (z.B. Vernetzungsgespräche mit ehemalig betreuenden Ein- richtungen oder bei paralleler Betreuung unterschiedlicher Schwerpunkte); bei be- sonderer Relevanz für die Lebenswelt und -lage von Klient_innen sind auch Ge- spräche von Sozialarbeiter_innen und -betreuer_innen am Empfang, am Postemp- fangsschalter oder im Notquartier U63 als Beratung gewertet. Sie fließen somit in die Auswertung mit ein; jeglicher andere Kontakt, wie jene der logistischen und or- ganisatorischen Verantwortung der Bettenverwaltung, ist ausgeschlossen  Betreuungsdauer (B_Tage): Tage der Betreuung im Kalenderjahr 2016. Bei Kli- ent_innen, die erstmals 2016 in Beratung sind, werden die Tage in Betreuung ab dem Tag des ersten Kontakts (nicht gleich Gespräch, Kommunikation intern oder extern; s.o.) gezählt. Klient_innen mit dem ersten Kontakt am 1.12.2016 sind somit 31 Tage im Kalenderjahr 2016 in Betreuung. Klient_innen, die wiederkehren und mehr als ein Jahr keinen Kontakt verzeichnet haben, werden ebenfalls als Erstkon- takt geführt. Sollte hingegen weniger als ein Jahr zwischen dem Kontakt im Kalen- derjahr 2016 und dem letzten Kontakt liegen, wird der 1.1.2016 als erster Tag der Betreuung herangezogen. Bei allen Klient_innen endet die Betreuung mit 31.12.2016, da keine umfassenden Daten darüber vorliegen können, ob eine Per- son erneut den Kontakt zur WWH innerhalb oder mit mindestens einjähriger Unter- brechung suchen muss  Betreuungsintensität (B_intense): Prozentwert der Beratungen (B) in der Betreu- ungsdauer (B_Tage). Es kann somit die Aussage getroffen werden „An X% der Tage in Betreuung wurde ein Beratungskontakt oder Kontakt der Art Kommunika- tion intern oder extern verzeichnet“  Anspruchsstatuts (bzWo_FB): o kein Antrag kein Anspruch (1): diese Möglichkeit wird von P7 gewählt, wenn aufgrund eindeutiger ‚harter Faktoren‘ ein eindeutiger Ablehnungsgrund vorliegt. Das betrifft unter anderem Personen, die von Wohnungslosigkeit betroffen sind, die allerdings noch Ansprüche in der Grundversorgung auf- grund ihres Aufenthaltstitels innehaben (vgl. FSW 2014: 2f). In diesen Fällen wird auch kein Antrag von P7 mitgegeben, Betroffenen haben aber selbst- verständlich die Möglichkeit selbstständig einen zu stellen

9 Bei abgesichertem Einkommen ist für die Notquartiersnutzung pro Nacht ein Kostenbeitrag von 2€ zu ver- richten (vgl. Riesenfelder 2012b: 19). 49

o abgelehnt (2): nur gewählt, wenn eine Verifizierung in schriftlicher oder te- lefonischer Form vermerkt ist. In Fällen von Doppelnennung kein Antrag kein Anspruch und abgelehnt, wurde Letzterer gewertet o bewilligt (3): nur gewählt, wenn eine Verifizierung in schriftlicher oder tele- fonischer Form vermerkt ist o in Abklärung / unbekannt (99)  Anspruchsstatus gruppiert (bzWo_FB_C): transformiert basierend auf bzWo_FB o subsumiert kein Antrag, kein Anspruch (1) und abgelehnt (2) zu kein An- spruch (0) o bewilligt (3) wird zu anspruchsberechtigt (1) transformiert Bis auf die Variablen Beschäftigung, Art der Wohnungslosigkeit, Postadressenauflösun- gen, Betreuungsintensität und Anspruchsstatus gruppiert werden alle Variablen standardi- siert von P7 erhoben. 5.3. Merkmalsidentifikation Merkmale, Herausforderungen und Perspektiven werden anhand induktiver Kategorienbil- dung (vgl. Mayring 2015) bei einer 20% Zufallsstichprobe der Klient_innen identifiziert. Die Auswertung betrifft alle beratungsrelevanten Gespräche (B) von Fachkräften der Sozialen Arbeit des P7. Es wurden nur Passagen gewertet die tatsächlich die Lebenswelt von Kli- ent_innen tangieren. Dokumentationsstellen zu Überlegungen betreffend hypothetischer Interventionen sowie Erinnerungen für eventuell zukünftig stattfindende Gespräche wurden nicht in die Auswertung aufgenommen. In dieser hypothetischen Form dienen derartige Einträge primär der Organisation oder der Fachkraft und sind bis zum Eintreten nicht Teil der Lebenswelt von Klient_innen. Eine wesentliche Abgrenzung veranschaulicht die Aus- wertung: Wurde in der Dokumentation vermerkt, dass auf einen Bescheid gewartet werden und ab einer bestimmten Wartezeit interveniert werden muss, zählt dies nicht als auswer- tungsrelevant. Wird mit einer Klient_in über den Akt des Wartens gesprochen, um Vorge- hensweisen zu besprechen oder aufgrund der Nachfrage von Klient_innen, oder setzt die faktische Intervention ein, weil die Wartezeit verstrichen ist, wird der Dokumentationsab- schnitt als relevant angesehen. Die induktive Kategorienbildung ist der deduktiven mangels vergleichbarer Forschungen in Wien im Speziellen und im deutschsprachigen Raum im Allgemeinen vorzuziehen. Eine (ausschließlich) deduktive Herangehensweise an das Material liefe Gefahr die Lebenswelt von Klient_innen nicht in all ihren Fassetten abbilden zu können. Das erste Abstraktions- niveau ist aus eben diesem Grund stark am Originaltext der Dokumentation orientiert. Erst mit der Subsumtion und dem zweiten sowie dritten Abstraktionsniveau konnten greifbare und in der Anzahl übersichtliche Kategorien generiert werden. Nach Identifikation der Kategorien wird deren Relevanz auf abschließendem Abstraktions- niveau ermittelt. Dazu wird die absolute Häufigkeit der Nennungen einer Kategorie pro Kli- ent_in (keine Mehrfachnennung einer Kategorie pro Dokumentationseintrag möglich) ins Verhältnis zu deren Betreuungsdauer (B_Tage) gesetzt und die prozentuelle Häufigkeit

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ermittelt. Dadurch ist erneut die Betreuungsintensität berücksichtigt, die nicht mit der Vari- able B_intense zu verwechseln ist. Entsprechend kann folgende Aussage getroffen wer- den: „Die Dimension / die Kategorie wurde an X Tagen in der Betreuung thematisiert.“ Es wurde sich bewusst aufgrund der schwächeren Aussagekraft gegen ein Verhältnis der quantifizierten Kategorien zu Beratungen (B) und für ein Verhältnis zur Betreuungsdauer (B_Tage) entschieden. Klient_innen, die erstmals Kontakt mit P7 am 1.6.2016 hatten, hat- ten weniger Zeit Beratungen in Anspruch zu nehmen als jemand der seit Jahresbeginn in Betreuung ist. Im Gegenzug können dieselben Personen aber in einem kürzeren Zeitraum gleichviele oder mehr Beratungsgespräche in Anspruch nehmen und wäre dementspre- chend ‚betreuungsintensiver‘. Gleichzeitig kann die Nennung einer Kategorie nur mit stei- gender Beratungszahl erhöht werden, da keine Mehrfachnennung derselben Kategorie pro Beratung möglich ist. Das potentiellen Gegenargument, Beratung käme zu wenig Bedeu- tung zu, kann somit abgeschwächt werden, da ein Beratungsgespräch immer der erneuten Nennung einer Kategorie implizit ist. Nach Festlegung des Materials sowie der Analyse der Entstehungssituation ergibt sich nach dem von Philipp Mayring (2015) empfohlenen Vorgehen folgendes Ablaufmodell:  induktive Kategorienbildung bei 50% der Stichprobe  erste Revision und Subsumtion bei 25% des Materials  bei treffsicherer Kategorienbildung Durcharbeitung des Gesamtmaterials  Berücksichtigung der Betreuungsintensität durch Berechnung des prozentuellen Anteils einer Kategorie an Betreuungstagen 5.4. Logistische Regression Die Berechnung von Chancen im Zugang zu weiterführenden Angeboten der WWH erfolgt mittels logistischer Regressionen. Fälle, in denen Anträge in Abklärung sind oder deren Ausgang unbekannt ist, werden nicht berücksichtigt. Die abhängige Variable ist somit bzWo_FB_C: keinen Anspruch (0), anspruchsberechtigt (1). Ausgewählte Variablen der QIA, der soziodemographischen Daten und der Nutzung des Unterstützungssystems die- nen als unabhängige Responsevariablen (UV). Aus dem Variablenset zur Nutzung des Unterstützungssystems sind neben der AV, Art_Wo, B_intense, NQ_NNA, NQ_verl, NQ_hv für ein Regressionsmodell interessant. Die weiteren Variablen sind entweder indi- rekt integriert, beispielsweise Beratungen (B) durch Beratungsintensität (B_intense), sind absolut auf Biographien der Klient_innen und nicht auf den Beobachtungszeitraum bezo- gen, zum Beispiel Gesamtnächte in Notquartieren (NQ_n_gesamt) oder sind durch Kate- gorien der Inhaltsanalyse weitgehend abgedeckt, unter anderem Postadressennutzung (PA) oder die kein Platz Statistik (NQ_kP). Insgesamt werden vier Modelle berechnet. 1 Modell Sozialgeographie: umfasst soziodemographische Variablen. Diese erklären in zweierlei Hinsicht harte Faktoren der Anspruchsvoraussetzungen des FSW (2014): Staatsbürgerschaft oder Gleichstellung (AT) sowie letzter Wohnsitz in Wien (ZZ_BL). Gleichzeitig nehmen Alter, Geschlecht sowie Art der Beschäftigung in der Fachliteratur eine prominente Position ein. Ziel ist es Aussagen über den Zugang

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spezieller Gruppen (Arbeiter_innen, Männer / Frauen, Personen mit oder ohne Staatsbürgerschaft) treffen zu können. 2 Modell Art der Wohnungslosigkeit: ergänzt das Modell Sozialdemographie um die Variable Art der Wohnungslosigkeit (Art_Wo). Neben den Einflüssen der Variable per se stehen die Veränderungen der Koeffizienten und Signifikanzen der soziode- mographischen Variablen im Fokus. 3 Modell Betreuungsintensität: ergänzt das Ausgangsmodell Art der Wohnungslosig- keit um den Faktor Betreuungsintensität (B_intense). Es umfasst somit das Modell Sozialdemographie als auch Variablen zur Art der Wohnungslosigkeit. Auch hier stehen Einfluss der Variable auf die AV sowie die weiteren UVs im Mittelpunkt. 4 Das vierte Modell ergänzt das Modell Art der Wohnungslosigkeit um die induktiven Kategorien der Inhaltsanalyse. Von einer Ergänzung des Modells Betreuungsinten- sität um ebendiese ist abzusehen, da sowohl Betreuungsintensität (B_intense) als auch die Kategorien der Inhaltsanalyse mit Intensitätsgraden operieren. Besonders im Fokus steht welche dieser weichen Faktoren wie Einfluss auf die AV hat. Die Berechnung der Modelle erfolgte mittels SPSS (Version 24).

6. Ergebnisse Die einleitende Datensondierung (22.8.2016) ergab: Im ersten Halbjahr 2016 verzeichnen 3833 Klient_innen im P7 einen Kontakt. Davon sind 1289 zwischen 18 und 30 Jahre alt (Stichtag 01.07.2016). Wiederum 412 Personen verzeichnen zumindest drei Kontakte. Die zufällig gezogene 20% Stichprobe ergibt somit ein Sample von 82 Fallverlaufsdokumenta- tionen. Im Folgenden werden deskriptiv diese 82 Klient_innen, deren Nutzung des Unter- stützungssystems sowie deren Herausforderungen, Merkmale und Perspektiven darge- stellt. Abschließend werden relevante Regressionsmodelle beschrieben. Aufgrund der Be- deutung von Geschlecht und Alter in der Literatur (siehe 2.2.2) wird Geschlechts- und Al- tersdifferenzen besondere Aufmerksamkeit geschenkt. 6.1. Soziodemographie und Nutzung des Unterstützungssystems Der Untersuchungspopulation gehören 56 Männer (68.3 %) und 26 Frauen (31.7%) an (sex). Das arithmetische Mittel (M) des Alters (age) liegt bei 23.71, die Standardabweichung (SD) bei 3.43. Die jüngste Person ist zum Stichtag 1.7.2016 18.09 und die älteste 29.85 Jahre alt. 50 Klient_innen (61%) sind zum Stichtag jünger als 25 Jahre alt, während 32 Personen (39%) der Altersgruppe 25 bis 30 Jahren zuzuordnen sind. Wie in Abbildung 5 ersichtlich, ist der Anteil an Frauen (M = 22.68, SD = 3.25) tendenziell jünger als jener der Männer (M = 24.2, SD = 3.44). So sind fast drei Viertel (73.1%) aller Frauen der Altersgruppe jünger als 25 Jahre zuzuordnen, während nur knapp über die Hälfte (55.4%) der Männer derselben Altersko- Abbildung 5: Boxplot Altersver- horte angehört. teilung nach Geschlecht (n=82)

52

6.1.1. Nationalität und Aufenthaltstitel Knapp die Hälfte der Personen (48.8.%) besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft (Nat). Die nächstgrößere Gruppe sind Staatsbürger_innen Somalias (12.2%) und Russ- lands (6.1%). Insgesamt zählt die Untersuchungspopulation 17 verschiedene Staatsbür- gerschaften, bei vier Personen ist die Staatsbürgerschaft unbekannt und eine Person be- sitzt keine Staatsbürgerschaft, ist also staatenlos. Gemessen an der Gesamtpopulation, daher inklusive österreichischer Staatsbürger_innen und Personen, deren Staatsbürger- schaft unbekannt ist, sind 31.6 % Personen aus Drittstaaten und 13.5% Staatsangehörige eines Staates der EU oder des EWR Raumes (Nat_C). Auch bei separater Betrachtung der Geschlechter sind österreichische (m = 50%, w = 46.2%) und somalischen Staatsbürgerschaften (m = 10.7%, w = 15.4%) am häufigsten. Exakt die Hälfte (50%) der Personen unter 25 Jahren und knapp die Hälfte (46.9%) der 25- bis 30-jährigen besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft. Klient_innen somalischer (16%) und russischer Staatsbürgerschaft (10%) stellen in der Alterskohorte unter 25- Jah- ren weiterhin die zweit- und drittgrößte Gruppe. In der Alterskohorte von 25- bis 30-Jahren sinkt der Anteil somalischer Staatsbürger_innen auf 6.3%, eine Person mit russischer Staatsbürgerschaft ist nicht mehr enthalten. Die zweitgrößte Gruppe stellen nun drei Per- sonen mit slowakischer Staatsbürgerschaft (9.4%). Innerhalb der Personengruppe ohne österreichische Staatsbürgerschaft (n=42) ist die Mehrheit asylberechtigt (38.1%). Etwas mehr als ein Zehntel (11.9%) der Drittstaatsange- hörigen besitzt einen Daueraufenthalt. Jeweils vier Personen (9.5%), die eine Staatsbür- gerschaft eines EU oder EWR Staates besitzen, haben eine Anmeldebescheinigung oder keine Dokumentation, weitere drei Personen (7.1%) haben einen Daueraufenthalt für EWR oder EU Bürger_innen (AT). Die geschlechterspezifische Auswertung zu Aufenthaltstitel von Personen ohne österrei- chische Staatsbürgerschaft (nm = 28, nw = 14) ergibt: Sowohl bei Männern (35.7%) als auch bei Frauen (42.9%) ist die Gruppe an Asylberechtigten in der Mehrheit. Bei Männern stellen jeweils vier Personen (14.3%) aus dem EU oder EWR Raum ohne Dokumentation und jene, deren Aufenthaltstitel unbekannt ist, die zweitgrößte Gruppe dar. Vier Frauen (28.6%) mit Daueraufenthalt für Drittstaatsangehörige bilden hingegen in der weiblichen Untersu- chungspopulation die zweitgrößte Gruppe. Wird die Alterskohorte der unter 25jährigen (n = 25) und 25- bis 30-jährigen (n = 17) separat betrachtet, setzt sich dieses Bild nur bei der jüngeren Gruppe fort. Circa die Hälfte der Personen (52%) ist asylberechtigt, die zweit- größte Gruppe bilden jene vier Personen (16%) mit Daueraufenthalt für Drittstaatsangehö- rige. In der Alterskohorte der 25- bis 30-jährigen hingegen sind Asylberechtigte und EU / EWR Bürger_innen mit Anmeldebescheinigung oder ohne Dokumentation in selber Anzahl vertreten (je 17.6%). 6.1.2. Beschäftigung Im Beobachtungszeitraum 2016 arbeitet knapp ein Fünftel (19.5%) der Untersuchungspo- pulation, ein weiteres Zehntel besucht die Schule oder studiert (11%). Eine Person (1.2%) besucht die Schule oder studiert und arbeitet (EK_Ausb).

53

Die geschlechterspezifische Auswertung zeigt mit elf arbeitenden Männern (19.6%) und fünf arbeitenden Frauen (19.2%) sowie sechs Männern (10.7%) und drei Frauen (11.5%), die zur Schule gehen oder ein Studium absolvieren, ähnliche Werte. Altersspezifisch ist der Anteil der Arbeiter_innen innerhalb der unter 25-jährigen (18%) geringer als bei jenen Betroffenen zwischen 25 und 30 Jahren (21.9%). Hingegen ist der Anteil an Personen, der in einem schulischen oder hochschulischen Ausbildungsverhältnis war, bei unter 25-jähri- gen (16%) deutlich höher als jener bei der älteren Alterskohorte (3.1%). 6.1.3. Art der Wohnungslosigkeit Fast die Hälfte der Personen (45.1%) hatte im ersten Halbjahr 2016 zum ersten Mal Kon- takt mit der WWH (Art_Wo). Zehn Personen (12.2%) weisen episodischen Kontakt mit der WWH auf, bei weiteren acht (9.8%) ist der Kontakt episodisch und die letzte Phase chro- nifiziert. Bei rund einem Drittel (32.9%) der Personen ist der Kontakt einen ausschließlich chronischen Charakter auf. Dementsprechend hat seit über einem Jahr Kontakt ohne Un- terbrechung von mindestens einem Jahr bestanden. In der geschlechtsspezifischen Auswertung zeigen sich hinsichtlich erstmaliger Wohnungs- losigkeit die deutlichsten Differenzen. Wie aus Abbildung 6 hervorgeht verzeichneten knapp die Hälfte der Männer erstmalig bei P7 einen Kontakt. Selbiges trifft nur auf knapp jede vierte Frau zu. Während Frauen dagegen öfter von episodischer oder episodisch- chronischer Wohnungslosigkeit betroffen sind, zeigt sich betreffend chronischer Woh- nungslosigkeit nur marginal ein geschlechterspezifischer Unterschied. Hinsichtlich der zwei Alterskohorten ist eine Verschiebung von erstmaliger und chronischer Wohnungslosigkeit bei der jüngeren hin zu episodischer und episodisch-chronischer bei der älteren Altersko-

horte erkennbar (vgl. Abbildung 6)

Häufigkeit Prozent age Häufigkeit Prozent Art der Wohnungslosigkeit sex

erstmalig 27 48,2 26 52,0

episodisch 6 10,7 1 2,0

chronisch m 18 32,1 20 40,0 < < 25a episodisch & letzte Phase chronisch 5 8,9 3 6,0

Gesamt 56 100,00 50 100,00

erstmalig 10 38,5 11 34,4

episodisch 4 15,4 9 28,1

30a

chronisch w 9 34,6 7 21,9

episodisch & letzte Phase chronisch 3 11,5 25a 5 15,6

Gesamt 26 100,00 32 100,00

Abbildung 6: Art der Wohnungslosigkeit nach Alter und Geschlecht (n=82)

54

6.1.4. Zuzug aus dem Bundesland Bei über einem Fünftel (22%) der Personen ist in der P7 Dokumentation Zuzug Bundesland (ZZ_BL) angegeben. Dieser Wert ist in der geschlechterspezifischen Betrachtung (m = 21.4%, w = 32.1%) bei Frauen höher. Knapp über ein Viertel (26%) der unter 25-jährigen hat in einem anderen österreichischen Bundesland als Wien den letzten aufrechten Wohn- sitz. Dies trifft nur auf 15.6% der 25 bis 30-jährigen zu. 6.1.5. Postadressennutzung Knapp drei Viertel (72%) aller Klient_innen nutzt im Beobachtungszeitraum das Angebot einer Postadresse (PA). Gemessen an der Gesamtpopulation ist circa in einem Viertel (24.4%) der Fälle eine Postadresse im Beobachtungszeitraum wieder aufgelöst (PAA). Bei zwei Personen (2.4%) fand sogar zwei Mal eine Postadressenauflösung statt. Während sowohl die geschlechterspezifische Nutzung der Postadresse (m = 71.4%, w = 73.1%) als auch die geschlechterspezifische Statistik zu Postadressenauflösungen (m = 28.6%, w = 23.1%) recht ausgeglichen sind, zeigt die altersspezifische deutlichere Diffe- renzen. So hatten knapp vier Fünftel (78%) der jüngeren, hingegen nur knapp drei Fünftel (62.5%) der älteren Alterskohorte eine Postadresse. Selbe Verschiebung ist bei Postad- ressenauflösungen erkennbar. Während gemessen an der Gesamtpopulation dieser Un- tersuchung in einem Drittel der Fälle (34%) eine Postadresse aufgelöst wurde, fand eine Auflösung nur in 15.7 % der Fälle bei der älteren Altersgruppe statt. 6.1.6. Notquartiersnutzung Circa zwei Drittel oder 51 Personen (62.2%) der Untersuchungspopulation haben über- haupt einmal in ihrer Biographie ein Notquartier genutzt (NQ_gesamt). Die maximale Näch- tigungszahl liegt bei 288 Nächten (M = 35.22, SD 64.2, Md10 = 3) absolut. Ein Bett belegt aber, aufgrund von Nichterscheinen oder Hausverboten nicht genutzt (NQ_ng_hv), wird maximal 59 Nächte (M = 6.59, SD = 11.98, Md = 1). Nur die Notquartiersnutzer_innen im Fokus (n = 51), verschiebt sich das arithmetischer Mittel an konsumierten Nächten auf 56.63 (SD = 73.76), der Median auf 16. Der Durch- schnitt an Nächten, in denen Betten aufgrund Nichterscheinens oder Hausverboten nicht genutzt wurden, erhöht sich auf 10.6 (SD = 13.75), der Median auf 5. Während über die Hälfte (57.1%) der Männer überhaupt einmal in ihrer Biographie ein Not- quartier genutzt haben, trifft dies sogar für knapp drei Viertel (73.1%) der Frauen zu. An- gesichts der Geschlechterverteilung des Samples von knapp 70% Männern, sind 62.7% der Notquartiersnutzer_innen männlich und 37.3% weiblich. In der Gruppe der Notquartiersnutzer_innen (n = 51) ist bei den Männern das arithmetische Mittel der Notquartiersnutzung 59.25 (SD = 79.52) Nächte und der Median 15 Nächte, bei Frauen ist das arithmetische Mittel 52.21 (SD = 64.73) Nächte und der Median 17 Nächte. Frauen weisen im Vergleich zu Männern mehr Nächte auf, an denen sie das Notquartiers- bett nicht nutzen (vgl. Abbildung 7).

10 Median (Md) 55

Die altersspezifische Auswertung weist aus, dass knapp über die Hälfte (54%) der unter 25-jährigen, hingegen exakte drei Viertel der 25- bis 30-jährigen einmal in ihrer Biographie ein Notquartier genutzt haben. Das Verhältnis der Alterskohorten innerhalb der Notquar- tiersnutzer_innen (n =51) ist mit 52.9% betreffend die jüngere und 47.1% betreffend die ältere annähernd ausgeglichen. Die ältere Alterskohorte konsumiert in Relation zur jünge- ren in ihrer Gesamtbiographie mehr Nächte und weist höhere Schwankungsbreiten aus. Auch nutzt sie im Durchschnitt häufiger das Bett trotz Zuweisung nicht, den höheren Me- dian der Nicht-Nutzung weist allerdings die jüngere Alterskohorte auf (vgl. Abbildung 7). sex age_C

m w jünger 25 25 -30 M 59,25 52,21 47,30 67,13 SD 79,515 64,728 60,386 86,528 Gesamtnächte im Notquartier Max 288 198 198 288 (NQ_n_gesamt) Min 1 1 1 1 Md 15,00 17,00 15,00 17,00 M 10,09 11,42 9,00 12,38 SD 14,506 12,716 8,540 17,954 Fehlnächte Max 59 48 31 59 (NQ_ng_hv) Min 0 1 0 0 Md 4,50 7,00 7,00 3,00 Abbildung 7: Deskriptive Statistik zur Notquartiersnutzung nach Alter und Geschlecht (n=51)

Nachdem Hausverbote auch in der Nachtnotaufnahme zustande kommen können, diese Nächte aber nicht in die Gesamtstatistik miteinfließen und Klient_innen nicht in der Not- quartiersstatistik aufscheinen, aber trotzdem einmal nach einem Platz gefragt haben kön- nen, ist es sinnvoll die Variablen NQ_kP, NQ_NNA, NQ_HVs auf die Gesamtpopulation der Untersuchungen (n = 82) bezogen auszuwerten. Da Daten zu ebendiesen und zum Notquartiersverlust nur im Beobachtungszeitraum 2016 und nicht absolut vorliegen, wird auch NQ_verl nur auf die Gesamtpopulation bezogen ausgewertet. Zumindest einmal haben zwölf Personen (14.6%) im Beobachtungszeitraum nach einem Schlafplatz gefragt und es konnte kein Platz (NQ_kP) zur Verfügung gestellt werden (M = 0.21, SD = 0.603, Md = 0), knapp ein Viertel (24.4%) nächtigte in der Nachtnotaufnahme (NNA) (M = 0.73, SD = 0.1.879, Md = 0), exakt die Hälfte verlor den Notquartiersplatz (NQ_verl) (M = 1.24, SD = 2.07, Md = 0.5), fünf Personen (7%) erhielten ein Hausverbot in einem Notquartier (NQ_hv) (M = 0.23, SD = 1.081, Md = 0). Wie in Abbildung 8 ersichtlich haben im Durchschnitt Männer öfter keinen Platz in einem Notquartier (M = 0.29, SD = 0.76) erhalten und häufiger in der Nachtnotaufnahme (M = 0.86, SD = 2.049) geschlafen. Der Median von Null ist bei beiden Geschlechtern ident. Während beim Notquartiersverlust arithmetisches Mittel und Standardabweichung der Frauen leicht höher sind, ist es der Median bei den Männern. Hinsichtlich der Hausverbote in Notquartieren variiert ausschließlich die Standardabweichung (M = 0.23, Md = 0), welche mit 1.177 bei Frauen leicht höher ist. (vgl. Abbildung 8)

56

sex age_C

m w jünger 25 25 -30 M 0,29 0,04 0,10 0,38 SD 0,706 0,196 0,364 0,833 Kein Platz Max 4 1 2 4 (NQ_kP) Min 0 0 0 0 Md 0,00 0,00 0,00 0,00 M 0,86 0,46 0,56 1,00 Nachtnotaufnahme SD 2,049 1,449 1,775 2,032 (NQ_NNA) Max 9 7 8 9 Min 0 0 0 0 Md 0,00 0,00 0,00 0,00 M 1,23 1,27 1,26 1,22 SD 1,982 2,290 1,838 2,419 Notquartiersverlust Max 11 11 11 11 (NQ_verl) Min 0 0 0 0 Md 1,00 0,00 1,00 0,00 M 0,23 0,23 0,22 0,25 SD 1,044 1,177 1,093 1,078 Hausverbot Max 6 6 6 6 (NQ_HVs) Min 0 0 0 0 Md 0,00 0,00 0,00 0,00

Abbildung 8: Differenzierte Statistik zur Notquartiersnutzung im Beobachtungszeitraum 2016 (n = 82) 6.1.7. Anspruch auf einen Wohnplatz (AV) Bei einem Viertel (24.4%) der Untersuchungspopulation ist der Anspruch auf einen fixen Wohnplatz (bzWo_FB) noch in Abklärung oder der Status ist unbekannt. Bei einem Drittel (30.5%) ist von Seiten P7 ‚kein Antrag, kein Anspruch‘ aufgrund fehlender fester An- spruchsfaktoren ausgewählt worden. Bei knapp über einem Zehntel (11%) der Klient_innen ist der Antrag auf einen Wohnplatz abgelehnt, bei einem Drittel (34.1%) bewilligt worden. In weiterer Folge wird für Regressionsmodelle die Personengruppe ausgeschlossen, deren Ausgang ungewiss ist sowie die Personengruppe kein Antrag, kein Anspruch und Ableh- nung zusammengelegt (bzWo_FB_C). Es bleiben 62 Personen, von denen 54.8% der Per- sonen keinen Anspruch haben und 45.2% anspruchsberechtigt sind. Frauen (50%) ist häu- figer ein Wohnplatz zuerkannt worden als Männern (42.9%). Dasselbe gilt für die Altersko- horte der 25 bis 30-jährigen (50%) in Relation zu jener unter 25-jährigen (41.7%). 6.1.8. Beratungen, Betreuungsdauer und Beratungsintensität Insgesamt sind 746 Beratungen oder externe und interne Kommunikationseinträge (B) in- nerhalb von 26154 Beratungstagen (B_Tage) bei der Gesamtpopulation (n = 82) dokumen- tiert. Das entspricht einem Gespräch alle 36 Tage pro Klient_in. Das arithmetische Mittel der Dokumentationseinträge entspricht 9.1 (SD = 12.49, Md = 4), jenes der Betreuungstage 318.95 (SD = 53.93, Md = 343). Maximal sind 75 Einträge bei einer Klient_in verzeichnet. Der späteste Einstieg in die Betreuung liegt recht genau in der Hälfte des Jahres 2016 (182 Tage in Betreuung).

57

638 Dokumentationseinträge (B), die für die Berechnung der Regressionsmodelle von Be- deutung sind (n = 62), können innerhalb von 20260 Betreuungstagen (B_Tage) gezählt werden. Hier entspricht das Verhältnis einem Gespräch alle 32 Tage. Statistische Daten zu Dokumentationseinträgen sind entsprechend höher (M = 10.29, SD = 13.92, Md = 5). Dasselbe trifft für die Betreuungsdauer zu (M = 326.77, SD = 48.73, Md = 358.5). Erneut war die maximale Zahl an Gesprächen gleich 75, der früheste Einstieg in die Betreuung fand am 163. Tag des Kalenderjahres 2016 statt. Für die Betreuung der Gesamtpopulation bedeutet das eine durchschnittliche Intensität (B_intense) von 2.77 (SD = 3.56, Md = 1.41). An 2.77 % der Tage in Betreuung fand eine Beratung oder relevante interne oder externe Kommunikation statt. Hinsichtlich jener Fall- verläufe, die in Regressionsmodellen berücksichtigt werden (n=62), entspricht der Wert 3.07 (SD = 3.96, Md = 1.64). Der Anteil der Tage an denen Gespräche stattfanden, ist somit um 0.3 Prozentpunkte höher. Im geschlechterspezifischen Vergleich der regressionsrelevanten Population (n = 62) ver- zeichnen Frauen (M = 15.3, SD = 20.49, Md = 6) wesentlich mehr relevante Dokumentati- onseinträge (B) als Männer (M = 7.9, SD = 8.28, Md = 4). Dasselbe gilt für die durchschnitt- lichen Tage in Betreuung (B_Tage) sowie den Median. Die Standardabweichung ist bei Männern höher als bei Frauen (Frauen: M = 339.9, SD = 41.96, M = 365; Männer: M = 320.52, SD = 50.93, M = 343). Für die Betreuungsintensität (B_intense) von Frauen gilt daher ein durchschnittlicher Wert von 4.52 (SD = 5.89, M = 1.91), für jene der Männer ein durchschnittlicher Wert von 2.38 (SD = 2.4, M = 1.15). Frauen verzeichnen im Durchschnitt fast doppelt so häufig beratungs- relevante Einträge in Relation zu den Tagen in Betreuung wie Männer, die Betreuungsin- tensität ist durchschnittlich um 2.14 Prozentpunkte höher. Diese Tendenz spiegelt sich auch deutlich im geschlechtsspezifischen Boxplot zur Betreuungsintensität wieder. (vgl. Abbildung 9) Die altersspezifische Gegenüberstellung (n = 62) der beratungsrelevanten Gespräche (B) zeigt nur marginale Unterschiede im arithmetischen Mittel und in der Standardabweichung (<25a: M = 10.19, SD = 13.52; 25a – 30a: M = 10.42, SD = 14.72). Der Median der jüngeren Alterskohorte ist allerdings mit 4 bedeutend niedriger als jener der älteren mit 6.5. Dasselbe gilt für arithmetisches Mittel und Standardabweichung der Tage in Betreuung (B_Tage). Mit einer Differenz der Mediane von 26.5 zugunsten der jüngeren Kohorte weist dieser statistisch Werten den auffälligsten Unterschied auf (< 25a M = 331.56, SD = 49.76, Md = 365; 25a – 30a: M = 320.15, SD = 47.43, Md = 338.5). Entsprechend sind arithmetisches Mittel und Standardabweichung der Betreuungsintensi- tät (B_intense) ähnlich, während der Median der älteren Kohorte fast doppelt so hoch ist (< 25a M = 3.08, SD = 3.98, Md = 1.12; 25a – 30a: M = 3.06, SD = 4, Md = 2.08). Demnach suchen beide Alterskohorten an circa 3% der Tage in Betreuung P7 für ein Gespräch auf oder Fachkräfte führten interne oder externe Kommunikation betreffend deren Fallverläufe. Die Ähnlichkeiten und Unterschiede sind auch in der Gegenüberstellung von Boxplots deutlich zu erkennen. (vgl. Abbildung 9)

58

Abbildung 9: Geschlechts- und altersspezifischer Vergleich der Betreuungsintensität (n = 62) 6.2. Ergebnisse der Qualitativen Inhaltsanalyse Im Folgenden werden die Ergebnisse der QIA vorgestellt. Einleitend werden absolute Nen- nungen sowie deren Verteilung innerhalb der Gesamtpopulation (n = 82) und der Klient_in- nengruppe, die eine Antwort bezüglich eines Wohnplatzes erhielten (n = 62), gegenüber- gestellt. In Hinblick auf die Interpretation der Regressionsmodelle werden anschließend einzelne Kategorien im Verhältnis zur Betreuungsdauer (zur Berechnung siehe Kapitel 5.3) sowie geschlechts- und altersspezifisch dargestellt. Nachdem mit drei Abstraktionsniveaus gearbeitet worden ist, wird abschließend zur besseren Veranschaulichung der Kategorien auch auf einzelne Ergebnisse des vorletzten Abstraktionsniveaus der QIA eingegangen. 6.2.1. Prominente Kategorien der QIA Insgesamt können 20 relevante Beratungsthemen in den Fallverlaufsdokumentationen der Untersuchungspopulation identifiziert werden. In beiden Gruppen (n = 82 und n = 62) sind Notquartier11, Perspektive, Transferleistungen, Schlafen, Wohnbiographie und Post- adresse die häufigsten Themen der Beratung. Mit Abstand die wenigsten Personen brin- gen Themen betreffend Gewalt, Sachwalterschaft, Konsum oder Elternschaft, Gender und Sexualität in die Beratung ein. Die Ergebnisse der beiden Samples (n = 82 und n = 62) variieren diesbezüglich nur marginal (maximal 5.9 Prozentpunkte zwischen Transferleis- tungen). Die Betrachtung der absoluten Nennungen, des arithmetischen Mittels sowie des Medians innerhalb der unterschiedlichen Samples und / oder in Relation zur Betreuungs- intensität, bestätigen weitgehend die Positionen der Kategorien. (vgl. Abbildung 10) Sowohl Wohnbiographie und Schlafen als auch Postadresse, ausgenommen dem Sample n = 62, und Sachwalterschaft, in Verbindung mit Betreuungsintensität, zeichnen sich durch ähnliche arithmetische Mittel und Mediane aus. Die statistischen Werte fast aller Katego- rien deuten auf deutlich rechtsschiefe Verteilungen hin, bei meist relativ hoher Streuung und hohen Maximalwerten. Gleichzeitig werden viele Themen von unter der Hälfte der Per- sonen genannt, woraus Mediane von 0 resultiert. (vgl. Abbildung 10)

11 Aufgrund der besseren Lesbarkeit werden in Folgendem Kategorien der QIA kursiv hervorgehoben 59

% Summe M SD Md Max % Summe M SD Md Max M SD Md Max

NQ

34 34

452 390

75,6 5,51 7,67 2,00 77,4 6,29 8,40 2,00 1,86 2,41 0,78 9,32

Perspektive

48 48

379 320

75,6 4,62 6,87 2,50 72,6 5,16 7,72 2,50 1,57 2,37 0,85

13,15

Transferleistun-

72 21 21

223 181

3,82 1,00 66,1 2,92 4,28 1,00 0,87 1,24 0,32 6,21

gen 2,72

Schulden

28 43 12 36 12

0,52 1,47 0,00 30,6 0,58 1,63 0,00 0,18 0,45 0,00 3,29

Arbeit

71 11 63 11

32,9 0,87 1,97 0,00 32,3 1,02 2,22 0,00 0,31 0,66 0,00 3,01

7

Ausbildung 7

42 38

25,6 0,51 1,30 0,00 27,4 0,61 1,46 0,00 0,19 0,43 0,00 1,92

5

Schlafen 5

71 72

102

74,4 1,24 1,12 1,00 1,16 1,15 1,00 0,37 0,37 0,27 1,74

Wohnbiogra-

5 5

85 62

1,04 1,09 1,00 61,3 1,00 1,17 1,00 0,31 0,39 0,27 1,92

phie 65,9

9

Postadresse 9

159 120

76,8 1,94 1,92 2,00 75,8 1,94 1,92 1,50 0,59 0,58 0,47 2,47

Dokumente

79 12 56 12

23,2 0,96 2,49 0,00 24,2 0,90 2,37 0,00 0,28 0,76 0,00 4,35

4

Gewalt 4

23 18

19,5 0,28 0,69 0,00 19,4 0,29 0,73 0,00 0,09 0,22 0,00 1,10

Elternschaft /

Gender/ Sexua-

27 13 25 13

0,33 1,49 0,00 16,1 0,40 1,70 0,00 0,12 0,47 0,00 3,56

lität 14,6

Kommunikati-

onsschwierig-

17 89 17

102

1,24 2,64 0,00 46,8 1,44 2,96 0,00 0,43 0,84 0,00 4,66

keiten 45,1

Professioneller

24 91 24

102

1,24 3,13 0,00 45,2 1,47 3,54 0,00 0,44 1,00 0,00 6,58

Support 43,9

Sonstiges

28 28

145 117

54,9 1,77 3,68 1,00 54,8 1,89 4,03 1,00 0,57 1,16 0,27 7,67

Informeller

9 9

62 54

0,76 1,75 0,00 27,4 0,87 1,97 0,00 0,26 0,56 0,00 2,47

Support 29,3

Konsum

24 11 22 11

9,8 9,7

0,29 1,34 0,00 0,35 1,53 0,00 0,11 0,45 0,00 3,01

Sachwalter-

6 3 5 3

4,9 4,8

0,38 0,00 0,08 0,42 0,00 0,02 0,12 0,00 0,82

schaft 0,07

Gesundheit

54 17 44 17

24,4 0,66 2,16 0,00 22,6 0,71 2,43 0,00 0,21 0,68 0,00 4,66

Exekutive / Jus-

28 62 21 29 51 21

2,49 0,00 0,82 2,76 0,00 0,24 0,76 0,00 5,75 tiz 0,76

n = 82 n = 62 BI (n = 62)

Abbildung 10: Kategorien – ihre Häufigkeit & ihre Verteilung absolut (n = 82, n = 62) und relativ zur Betreu- ungsintensität (BI) (n = 62)

60

6.2.2. Geschlechtsspezifische und altersspezifische Differenzen Geschlechtsspezifische Differenzen können in mehreren Kategorien identifiziert werden. Betrachtet man ausschließlich Werte die um 50% des niedrigeren Pendants erhöht sind, erzielen Frauen in insgesamt 13 Kategorien höhere Werte. Elf davon erreichen sogar Werte, die um ein Vielfaches erhöht sind. Männer erzielen nur in zwei Kategorien deutlich höhere Werte. Die fünf Dimensionen Transferleistungen, Arbeit, Ausbildung, Postadresse und Gewalt zeigen keine Unterschiede der arithmetischen Mittel, der Standardabweichung oder des Medians in dieser Höhe. (vgl. Abbildung 11) Im Vergleich zu Männern weisen Frauen in den Bereichen Notquartier, Kommunikations- probleme, professioneller Support und Sonstiges ein deutlich höheres arithmetisches Mit- tel, eine höhere Standardabweichung und einen höheren Median auf. In den Kategorien Perspektive, Schlafen, Konsum, Gesundheit sowie Exekutive und Justiz beziehungsweise Elternschaft, Gender und Sexualität sind ausschließlich arithmetisches Mittel und Stan- dardabweichung zumindest um die Hälfte höher. Des Weiteren weisen Wohnbiographie und Informeller Support im arithmetischen Mittel sowie Schulden in der Standardabwei- chung Differenzen dieser Größenordnung auf. Nur arithmetisches Mittel und Standardabweichung der Bereiche Dokumentation und Sachwalterschaft sind beim männlichen Anteil des Samples nach diesem Prozedere her- vorzuheben. Unter 25-jährige weisen in sieben Bereichen um 50% höhere Werte auf als die ältere Al- terskohorte. Umgekehrt gilt dies für neun Bereiche bei 25- bis 30-jährigen. Es bleiben somit nur vier Bereiche, Transferleistungen, Schlafen, Postadresse und Dokumentation, in denen nicht Differenzen dieser Größenordnung festgestellt werden können. (vgl. Abbildung 11) In Gesprächen mit unter 25-jährigen sind die Themen Perspektive, Wohnbiographie sowie Elternschaft, Gender und Sexualität deutlich prominenter. Sowohl arithmetisches Mittel als auch Standardabweichung sind um zumindest die Hälfte höher. Dasselbe gilt in den Di- mensionen Arbeit, Ausbildung und Informeller Support hinsichtlich des arithmetischen Mit- tels. Ausschließlich der Median ist im Bereich Kommunikationsschwierigkeiten erhöht. Die Alterskohorte der 25- bis 30-jährigen bringt öfter Themen zu Schulden, Sonstiges, Kon- sum, Sachwalterschaft, Gesundheit sowie Exekutive und Justiz ein. Bei all diesen The- mengebieten sind arithmetisches Mittel sowie Standardabweichung erhöht. Ausschließlich ein um mehr als die Hälfte höheres arithmetisches Mittel weist das Thema Notquartier, einen erhöhten Median das Thema Gewalt auf. Alle statistischen Werte des Themas pro- fessioneller Support sind um zumindest die Hälfte erhöht.

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sex age m w jünger 25 25 -30 M SD Md M SD Md M SD Md M SD Md NQ 1,51 2,02 0,50 2,58 2,99 1,42 1,90 2,58 0,70 1,79 2,19 1,13

Perspektive 1,29 1,49 0,81 2,17 3,56 1,02 1,86 2,89 0,87 1,17 1,32 0,85

Transferleistungen 0,85 1,27 0,32 0,94 1,22 0,42 0,94 1,37 0,32 0,78 1,06 0,42

Schulden 0,16 0,22 0,00 0,22 0,75 0,00 0,13 0,23 0,00 0,24 0,65 0,00

Arbeit 0,33 0,64 0,00 0,28 0,72 0,00 0,38 0,71 0,00 0,21 0,59 0,00

Ausbildung 0,17 0,41 0,00 0,23 0,49 0,00 0,25 0,48 0,00 0,10 0,33 0,00

Schlafen prekär 0,31 0,29 0,27 0,48 0,49 0,29 0,40 0,33 0,28 0,32 0,43 0,27

Wohnbiographie 0,25 0,31 0,27 0,44 0,49 0,30 0,37 0,44 0,27 0,23 0,28 0,27

Postadresse 0,63 0,63 0,55 0,51 0,47 0,32 0,64 0,65 0,44 0,53 0,48 0,47

Dokumente 0,38 0,90 0,00 0,07 0,17 0,00 0,28 0,68 0,00 0,28 0,87 0,00

Gewalt 0,08 0,23 0,00 0,11 0,19 0,00 0,07 0,20 0,00 0,11 0,24 0,00

Elternschaft / Gender / 0,04 0,13 0,00 0,28 0,80 0,00 0,17 0,60 0,00 0,05 0,13 0,00 Sexualität Kommunikationsschwie- 0,27 0,53 0,00 0,75 1,22 0,30 0,44 0,75 0,27 0,40 0,96 0,00 rigkeiten Professioneller Support 0,26 0,61 0,00 0,83 1,47 0,29 0,26 0,44 0,00 0,70 1,42 0,28

Sonstiges 0,35 0,54 0,14 1,05 1,84 0,55 0,45 0,78 0,27 0,74 1,55 0,27

Informeller Support 0,19 0,51 0,00 0,39 0,66 0,00 0,33 0,63 0,00 0,16 0,45 0,00

Konsum 0,04 0,15 0,00 0,28 0,75 0,00 0,07 0,28 0,00 0,17 0,62 0,00

Sachwalterschaft 0,03 0,14 0,00 0,01 0,06 0,00 0,02 0,07 0,00 0,03 0,16 0,00

Gesundheit 0,11 0,37 0,00 0,42 1,05 0,00 0,10 0,25 0,00 0,36 0,99 0,00

Exekutive / Justiz 0,16 0,29 0,00 0,40 1,28 0,00 0,10 0,19 0,00 0,42 1,14 0,00

Abbildung 11: Geschlechts- und altersspezifische Auswertung der Kategorien (n = 62)

6.2.3. Details des vorletzten Abstraktionsniveaus Nur vereinzelt können Kategorien des vorletzten Abstraktionsniveaus direkt übernommen werden. Mit 51 Kategorien ist eine weitere Zusammenführung notwendig gewesen um die Berechnung statistischer Modelle gewährleisten zu können. Die Kategorien des vorletzten Abstraktionsniveaus enthalten allerdings wesentlich detaillierte Informationen über die Le- benswelt junger Wohnungsloser. Damit bieten sie neben der Erklärung von Merkmalen, Aufschluss über Herausforderungen und Perspektiven. Die Unterkategorien der prominen- ten Variablen Notquartier, Perspektive, Transferleistungen, Schlafen, Wohnbiographie, in Beratungen von knapp zwei Drittel und mehr Personen thematisiert, und Gesundheit, ge- wählt aufgrund des Schwerpunkts der Klinischen Sozialen Arbeit sowie alters- und ge- schlechtsspezifischer Unterschieden, werden im Folgenden deskriptiv dargestellt.

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Die Variable Notquartier setzt sich aus neun Unterkategorien zusammen. 61% der Unter- suchungspopulation (n = 82) bringen zumindest einmal das Thema Notquartierzuweisung, Verlängerung und Anfrage (M = 3.89, SD = 5.84, Md = 1) ein. Diesem Wert folgen die Unterkategorien allgemeine Informationen, Wartelisten und Kostenbeiträge (M = 1.63, SD = 2.6, Md = 0) mit 48.8%, Schwierigkeiten mit Notquartierstrukturen oder -nächtiger_innen (M = 0.79, SD = 1.55, Md = 0) mit 32.9% und Zuweisungssystembedingte Herausforderun- gen (M = 0.93, SD = 2.52, Md = 0) mit 31.7%. Letztere subsumiert unter anderem Ängste aufgrund von notwenigen Befristungen oder Wechseln des Notquartiers. Hinsichtlich der Kategorie Perspektive stehen verständlicherweise Wohnplätze der WWH besonders im Fokus. Die Unterkategorie Perspektiveneröffnung FSW (M = 1.96, SD = 2.82, Md = 1) ist bei 56.1% Personen des Samples Thema der Beratung. Dazu zählen Wege zur Antragsabgabe oder das Arbeiten an der Erfüllung von Wiedereinzugsbedingungen, sollte jemand den Wohnplatz verloren haben. Der Wert betreffend Zweifel an und Nichterfüllung der Förderkriterien des FSW sowie Härtefall (M = 1.38, SD = 3.03, Md = 0) liegt bei 45.1%, die Bewilligung und das Warten auf den Einzug (M = 0.72, SD = 2.29, Md = 0) bei 24.4%. Abseits der Unterkategorien zur WWH Perspektive ist bei 19.5% der Personen Privater Wohnungsmarkt und merkmalsorientierte Alternativen (Arbeiter-, Studenten-, Kolping- heime, …) (M = 1.03, SD = 1.8, Md = 0) Thema in Beratungsgesprächen. Bei immerhin 17.1% wird zumindest einmal die Rückkehr ins Bundesland und / oder den ehemaligen Haushalt (M = 0.35, SD = 0.83, Md = 0) in der Beratung thematisiert. Die Variable Transferleistungen setzt sich aus drei Unterkategorien zusammen. Bei 75.6% der Personen ist zumindest einmal die Beantragung und Aufrechterhaltung von Transfer- bezügen des AMS sowie der BMS (M = 2.72, SD = 3.67, Md = 2). Diese Unterkategorie subsumierte damit unter anderem Nachreichungen von Unterlagen, Probleme mit der Adressänderung / dem Adressverlust, Interventionen aufgrund von Fehlberechnungen. In- fos zur und Beantragung der Familienbeihilfe ist bei 4.9% (M = 0.61, SD = 0.29, Md = 0) der Untersuchungspopulation Thema in der Beratung, die Beantragung einer Invaliditäts- pension beziehungsweise die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit bei 2.4% (M = 0.16, SD = 1.15, Md = 0). Die Variable Schlafen prekär beschreibt prekäres Nächtigen mit regelmäßigem Schlaf- platzwechseln. Circa zwei Drittel (62.2%) geben zumindest einmal in der Beratung an bei Freunden oder Lebensgefährt_innen (M = 0.98, SD = 1.02, Md = 0) prekär zu schlafen. Nur knapp ein Fünftel (19.5%) führen die Familie (M = 0.26, SD = 0.56, Md = 0) dahinge- hend als verfügbare Ressource an. 23.2% der Personen thematisierten das Nächtigen im öffentlichen Raum, Frauenhäusern und / oder Hotels (M = 0.34, SD = 0.79, Md = 0). Das Thema Wohnraumverlust subsumiert fünf Unterkategorien. 28% der Personen berich- ten zumindest einmal von Erfahrungen mit institutioneller Unterbringung (M = 0.342, SD = 0.65, Md = 0). Neben stationären Therapien zählen dazu auch Fremdunterbringungen wäh- rend der Kindheit oder der Adoleszenz. Noch immer über ein Viertel (26.8%) der Klient_in- nen berichtet von Wohnraumverlust aufgrund eines Konflikts im Familiensystem (M = 3.78, SD = 0.71, Md = 0). Ein weiteres Viertel (24.4%) berichtet zumindest einmal privat prekär, in einer WG oder einem Studentenheim (M = 0.4, SD = 0.86, Md = 0) gewohnt zu haben. Anders als bei der Variable Schlafen prekär, wird privat prekär nicht mit einem temporären 63

Schlafplatz assoziiert, sondern mit faktischem Wohnen, allerdings ohne Titel. Noch 11% geben in der Beratung an Wohnraum aufgrund von Trennung oder Konflikten in der Bezie- hung verloren (M = 0.11, SD = 0.32, Md = 0) oder schon privat mit eigenem Mietvertrag gewohnt (M = 0.16, SD = 0.51, Md = 0) zu haben. Letztere Unterkategorie beinhaltet so- wohl das Wohnen in einer Gemeinde- als auch einer Privatwohnung. Gesundheit zählt drei Unterkategorien. Zumindest einmal berichten 18.3% der Personen von einem viralen Infekt o.Ä. sowie Aufsuchen der Ärzt_in oder des Spitals (M = 0.24, SD = 0.91, Md = 0). Bei 12.2 % der Personen sind psychiatrische Diagnosen, akute Suizidalität sowie deren Herausforderungen (M = 0.15, SD = 0.83, Md = 0) Themen in der Beratung. Immerhin noch 4.9% der Klient_innen berichten von Problemen mit Medikamentenbesor- gung oder -wirkung. Letzte Unterkategorie beinhaltet nicht Substitution. Diese ist in der Kategorie Konsum integriert ist. 6.3. Regressionsmodelle Im Folgenden werden vier logistische Regressionsmodelle vorgestellt. Aufbauend werden in jedem Modell andere Variablensets eingeschlossen. Erstes Modell umfasst die sozial- demographischen Variablen. Das Zweite schließt die Arten der Wohnungslosigkeit mit ein. Modell Drei und Vier bauen auf dem Zweiten auf. Sie schließen die Variablen Betreuungs- intensität beziehungsweise Kategorien der Qualitativen Inhaltsanalyse ein. Abschließend werden Veränderungen und Unterschiede zwischen Prädikatoren der Modelle sowie Mo- dellgüten dargestellt. Die Voraussetzung keiner Kolinearität ist dieser Arbeit angehängt. 6.3.1. Soziodemographisches Modell Das soziodemographische Modell umfasst die Prädikatoren sex, age sowie Dummyvariab- len zur österreichischen Staatsbürgerschaft Ö_Staat, zum Aufenthaltstitel AT Asylberech- tigteR und AT EWR / EU - Bescheinigung des Daueraufenthalts sowie EK_Ausb Arbeit und Schule oder Studium. Es dient der Grundlage für weitere Modelle sowie Vergleichen und wird daher nicht optimiert. Weitere Variablen des Blocks Soziodemographie sind aufgrund sehr geringer Nennungen und / oder gänzlicher zutreffender Vorhersagen sowie sehr ähnlicher Informationen aus- geschlossen. So haben im Sample 17 von 17 Personen mit dem Vermerk ZZ BL keinen Anspruch auf einen weiterführenden Wohnplatz. Dummyvariablen zur Nationalität weisen logischerweise Kolinearität mit Aufenthaltstiteln auf (z.B. VIF 10.68 bei Nationalität eines EWR Staates). Aufenthaltstitel bekommt gegenüber Nationalität den Vorzug, da die Vari- ablen weitgehend dieselben Informationen zur Nationalität, Aufenthaltstitel aber wesentlich mehr Informationen zu Rechtsansprüchen in Österreich enthalten. Zwei der sieben Prädikatoren sind signifikant. Der Regressionskoeffizient β von Ö_Staat ist mit -1.51 signifikant (p = 0.026). Der Effekt-Koeffizient oder die Odds Ratio (OR) von Ö_Staat beträgt 0.22 und ist auf einem Signifikanzniveau von 5% von 1 verschieden. Des Weiteren weist EK_Ausb Arbeit einen signifikanten Einfluss (β = 1.78, p = 0.05) auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von y = 1 auf. Die OR ist mit 5.95 deutlich höher als jene von Ö_Staat, allerdings nicht signifikant von 1 verschieden.

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Während die Prädikatoren sex (β = -0.41, p = 0.533) und EWR - Bescheinigung des Dau- eraufenthalts (β = -1.9, p = 0.893) negative Vorzeichen aufweisen, sind die Regressions- koeffizienten von age (β = 1.3, p = 0.164), AT AsylberechtigteR (β = 0.7, p = 0.463) und EK_Ausb Schule (β = 0.09, p = 0.938) positiv. Die signifikanten Prädikatoren weisen den stärksten Einfluss im Modell auf, age und EK_Ausb Schule zeigen die schwächsten Aus- wirkungen auf die Eintrittswahrscheinlichkeit y = 1. (vgl. Abbildung 12) Das soziodemographische Modell ist im Vergleich zum Nullmodell mit einer Likelihood- Ratio (LR) von 17.04 signifikant. Der maximierte Likelihood-Wert des Vorhersagemodells

(-2LLV) beträgt 68.32 bei einem Nagelkerkes R² von 0.321. Das entspricht einer Vari- anzaufklärung von 32.1%. Der Vorhersagewert bezüglich negativ beschiedenen Anträgen liegt bei 79.4%, jener positiv beschiedener bei 71.4%. Insgesamt beschreibt das soziode- mographische Modell 75.8% der Fälle. (vgl. Abbildung 16)

Abbildung 12: Modell Soziodemographie

6.3.2. Modell Art der Wohnungslosigkeit Das Ausgangsmodell schließt Variablen des Modells Soziodemographie und die Dum- myvariablen zu Art der Wohnungslosigkeit mit ein. Die Berechnung des VIF sowie die Be- rechnung per Kreuztabelle und Chi-Quadrat weist Art_Wo chronisch als aussage- schwächste Variable aus, weshalb diese als Referenz entfernt wird. Auch wenn Art_Wo episodisch & chronisch als Referenzkategorie entfernt wird, ergibt sich folgendes Modell: Das Modell hat eine signifikante Konstante von β = - 2.35 (p = 0.028). Es weist für den Prädikator EK_Ausb Arbeit den höchsten Einfluss (β = 2.32, p = 0.017, OR = 10.19) auf die Eintrittswahrscheinlichkeit y = 1 aus, während Ö_Staat (β = -1.82, p = 0.05, OR = 0.16) und Art_Wo erstmalig (β = 1.84, p = 0.009, OR = 6.31) recht ähnliche und verhältnismäßig schwächere Regressionskoeffizienten haben. Die Effekt-Koeffizienten sind auf einem Sig- nifikanzniveau von 5% von 1 verschieden. Das Modell Art der Wohnungslosigkeit ist mit einer LR von 21.82 hoch signifikant. Bei einer Varianzaufklärung von 39.7% beträgt -2LL 63.55. Das Modell sagt 70.6% negativer Ant- worten und 71.4% positiver Antworten sowie 71% aller Antworten korrekt vorher. Nachdem der Ausschluss der Prädikatoren sex und age die stärksten Auswirkungen auf die Regressionskoeffizienten (maximal 0.56 Differenz bei β) hat, sind diese kontrolliert wor-

65

den. Es zeigten sich allerdings keine Veränderung betreffend die signifikanten Prädikato- ren. Der Einfluss von EK_Ausb Arbeit (β = 2.4, p = 0.016) und Ö_Staat (β = -1.89, p = 0.005) steigt, jener von Art_Wo erstmalig (β = 1.8, p = 0.015) sinkt. Bei schwacher Ände- rung der Modellgüte (-2LL = 62.41, Nagelkerkes R² = 0.42) und einem leicht gestiegenen Vorhersagewert von 74.2%, wird im Sinne eines knappen Modells ersteres beibehalten. (vgl. Abbildung 16)

Abbildung 13: Modell Art der Wohnungslosigkeit

6.3.3. Modell Betreuungsintensität Der Einschluss von Betreuungsintensität führt in Kombination mit den Ausgangsvariablen vom Modell Art der Wohnungslosigkeit (= Modell Soziodemographie inklusive Art_Wo, s.o.) zu keinen Änderungen hinsichtlich signifikanter Prädikatoren. Dementsprechend wird bei Einschluss von Betreuungsintensität und schrittweiser Entfernung erneut das Modell Art der Wohnungslosigkeit berechnet. B_intense muss im dritten Schritt entfernt werden. Durch Kontrolle von B_intense wird das Modell Betreuungsintensität berechnet. Es gleicht dem Regressionsmodell Art der Wohnungslosigkeit in dessen signifikanten Prädikatoren. Die Konstante des Modells ist mit β = -2.48 (p=0.083) insignifikant. EK_Ausb Arbeit (β = 2.37, p = 0.016, OR = 10.65) ist am einflussreichsten, gefolgt von Ö_Staat (β = -1.9, p = 0.004, OR = 0.15) und Art_Wo erstmalig (β = 1.7, p = 0.018, OR = 5.5). Der Prädikator B_intense (β = 0.07, p = 0.366, OR = 1.07) ist insignifikant. Das Modell Betreuungsintensität ist mit einer LR von 22.7 hoch signifikant, welches einen leichten Anstieg im Vergleich zum Modell Art der Wohnungslosigkeit darstellt und logi- scherweise zu einer leichten Abnahme des -2LL auf 62.67 führt. Das Nagelkerkes R² wird mit 0.41 ausgewiesen, 85.3% der negativen sowie 71.4% der positiven Antworten können mit diesem Modell vorhergesagt werden. Es führt somit zu einer Steigerung des Gesamt- vorhersagewerts von acht Prozentpunkten auf 79%. (vgl. Abbildung 16)

Abbildung 14: Modell Betreuungsintensität

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6.3.4. Modell Qualitative Inhaltsanalyse Die Berechnung des Modells QIA basiert auf dem Modell Art der Wohnungslosigkeit und schließt 19 der 20 Kategorien der QIA ein. Einzig Sonstiges wurde aufgrund geringer in- haltlicher Aussagekraft und Interpretierbarkeit ausgeschlossen. Die Konstante des Modells ist mit β = -2.42 (p=0.098) insignifikant. Die Berechnung weist sieben Prädikatoren als signifikant aus: Ö_Staat (β = -3.15, p = 0.001, OR = 0.043), EK_Ausb Arbeit (β = -4.136, p = 0.012, OR = 64.27), Notquartier (β = 0.8, p = 0.013, OR = 2.23), Perspektiven (β = 1.250, p = 0.018, OR = 3.5), Ausbildung (β = -2.6, p = 0.026, OR = 0.074), Schlafen prekär (β = -4.1, p = 0.027, OR = 0.017), Elternschaft, Gender und Sexualität (β = -6.183, p = 0.002, OR = 0.002). Die Effekt-Koeffizienten der Prädikatoren sind auf einem Signifikanzniveau von 5% von 1 verschieden. Das Modell QIA ist bei einer LR von 37 hoch signifikant. Bei einem Nagelkerkes R² von 0.6 beträgt die -2LL 48.36. Fast jeder neunte Fall (88.2%) einer Ablehnung und exakt drei Viertel der Bewilligungen können mit diesem Modell vorhergesagt werden. Dies ergibt ei- nen Gesamtvorhersagewert von 82.3%. (vgl. Abbildung 16)

Abbildung 15: Modell Qualitative Inhaltsanalyse 6.4. Vergleich der Koeffizienten unterschiedlicher Modelle In Folgendem werden Veränderungen der Regressionskoeffizienten bei Einschluss weite- rer Variablen veranschaulicht. Dabei werden die signifikanten Regressionsmodelle einer- seits und andererseits deren Ausgangsmodelle gegenübergestellt. Nachdem das Modell Soziodemographie nicht optimiert wurde besitzt dieses auch kein Ausgangsmodell. Das Ausgangsmodell QIA lässt Kolinearitäten zwischen einigen Variablen vermuten (vgl. An- hang). In weiterer Folge ist deren Interpretation vage, weshalb von einer Gegenüberstel- lung abgesehen wird. Stattdessen werden Vergleiche mit dem finalen Modell QIA ange- strebt sowie mit einem Modell Art der Wohnungslosigkeit inklusive signifikanter Prädikato- ren des Modells QIA. Letzteres entspricht dem Modell QIA inkl. Art_Wo erstmalig. Die skiz- zierten Veränderungen sind in Abbildung 16 deskriptiv dargestellt.

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6.4.1. Sozialdemographisch & Art der Wohnungslosigkeit Bei Einschluss der Art_Wo Dummyvariablen steigt der Einfluss des Regressionskoeffizien- ten β von Ö_Staat um -0.78, von AT AsylberechtigeR um 0.08 von EWR – Bescheinigung des Daueraufenthalts um β = -2.17 und von EK_Ausb Arbeit um 0.22. Die Regressionsko- effizienten β der Variablen sex, age und EK_Ausb Schule wechseln ihr Vorzeichen, ohne dabei signifikant zu werden. Nach Entfernen der insignifikanten Variablen Art_Wo episodisch sowie episodisch & chro- nisch verbessern sich die Signifikanzen von Ö_Staat, EK_Ausb Arbeit und Art_Wo erstma- lig. Der Einfluss auf die Eintrittswahrscheinlichkeit y = 1 steigt bei EK_Ausb Arbeit und Art_Wo erstmalig, während jener Ö_Staats sinkt. Allerdings weisen im Vergleich zum so- ziodemographischen Modell Ö_Staat und EK_Ausb Arbeit weiterhin Verbesserungen des Regressionskoeffizienten β und der Signifikanz auf. 6.4.2. Art der Wohnungslosigkeit & Betreuungsintensität Beim Vergleich der Modellkoeffizienten vom Ausgangsmodell Art der Wohnungslosigkeit und Ausgangsmodell Betreuungsintensität, daher bei Einschluss von Betreuungsintensität, findet eine Steigerung sowohl positiver als auch negativer Einflüsse bei sieben Variablen statt, eine Abnahme bei zweien. Prinzipiell nimmt auch der Einfluss von EK_Ausb Schule ab. Dies geschieht im Rahmen eines insignifikanten Vorzeichenwechsels des Regressi- onskoeffizienten β = -1.64 auf β = 0.06. Die eindeutigsten Erhöhungen betreffen die Vari- ablen sex, AT AsylberechtigteR, EK_Ausb Arbeit und Art_Wo episodisch. Die Abnahmen betreffen die Variablen Art_Wo episodisch sowie episodisch & letzte Phase chronisch. Letztere weist mit einer Veränderung des Regressionskoeffizienten β um +0.356 mit Ab- stand die eindeutigste auf (vgl. Abbildung 16). Nach dem schrittweisen Optimieren des Ausgangsmodells Betreuungsintensität und der Kontrolle von B_intense, werden die drei Prädikatoren signifikanter. Des Weiteren steigen deren Regressionskoeffizienten β. Für Ö_Staat bedeutet das eine Abnahme des Einflus- ses, aufgrund des negativen Vorzeichens des Regressionskoeffizienten β. Im Vergleich der zwei finalen Modelle Art der Wohnungslosigkeit und Betreuungsintensität ist EK_Ausb Arbeit (β = 2.37, p = 0.016, OR = 10.65) weiterhin am einflussreichsten, wobei Regressionskoeffizient β um +0.05, Signifikanz p um -0.001 und OR um +0.46 marginal steigen. Die Ähnlichkeit des Einflusses von Ö_Staat und Art_Wo erstmalig des Modells Art der Wohnungslosigkeit bleibt nicht bestehen. Während Einfluss β um -0.08 und Signifikanz p um -0.001 von Ö_Staat (β = -1.9, p = 0.004, OR = 0.15) zunehmen und dessen OR um - 0.01 abnimmt, sinken bei Art_Wo erstmalig (β = 1.7, p = 0.018, OR = 5.5) Regressionsko- effizient β um -0.14, Signifikanz p um +0.009 und OR um -0.81. 6.4.3. Art der Wohnungslosigkeit & Modell QIA Werden dem Modell Art der Wohnungslosigkeit signifikante Kategorien der QIA hinzuge- fügt, sinkt der Einfluss von Art_Wo erstmalig (β = 1.3, p = 0.116) um -0.54 und wird insig- nifikant. Der Einfluss auf die Eintrittswahrscheinlichkeit von y = 1 von Ö_Staat (β = -2.95, p = 0.002) und EK_Ausb Arbeit (β = 4.275, p = 0.007) sinken deutlich um -1.13 und 1.96.

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Des Weiteren sind nun beide mit einer Abnahme von p um -0.003 beziehungsweise -0.01 auf einem Signifikanzniveau von 0.01 signifikant. Nach Entfernen von Art_Wo erstmalig, daher einer Reduktion auf das Modell QIA, ist Ö_Staat (β = -3.15, p = 0.001) auf einem Niveau von 0.001 signifikant. Der Regressions- koeffizient β sinkt um -1.2., das aufgrund des negativen Vorzeichens einen stärkeren Ein- fluss bedeutet. Auch bei EK_Ausb Arbeit (β = 1.84, p = 0.012) steigt der Regressionskoef- fizient β und ist eine Zunahme der Signifikanz zu verzeichnen. Des Weiteren ist bei Kate- gorien der QIA ein deutlicher Einfluss und Signifikanzverbesserung zu verzeichnen.

6.5. Vergleich der Aussagekraft unterschiedlicher Modelle Im Vergleich berechneter Modelle (vgl. Abbildung 16) weist das Soziodemographische den höchsten -2LL und dementsprechend den geringsten Chi-Quadrat Wert auf. Gleichzeitig weisen Cox & Senells und Nagelkerkes R² die geringste Varianzaufklärung für das Modell nach. In der Chronologie der Erstellung und Präsentation, Modell Art der Wohnungslosig- keit, Betreuungsintensität und QIA, verbessern sich diese Werte sukzessive. Während das Soziodemographische Modell mit 0.017 signifikant ist, sind alle weiteren hoch signifikant. Die Abnahme der Gesamtvorhersage bei Erweiterung des Modells Soziodemographie (df = 7) zum Modell Art der Wohnungslosigkeit (df = 3) ist ausschließlich an einer Abnahme der richtigen Vorhersage betreffend Klient_innen ohne Anspruch um fast 10 Prozentpunkte festzumachen. Gleichzeitig basieren die Zunahmen der richtigen Gesamtvorhersagewerte im Vergleich der Modelle Soziodemographie sowie Art der Wohnungslosigkeit mit dem Mo- dell Betreuungsintensität ausschließlich auf einer Zunahme der richtigen Vorhersage be- treffend Klient_innen ohne Anspruch. Der Vergleich mit dem Modell Soziodemographie zählt diesbezüglich fast sechs Prozentpunkte mehr, jener mit Art der Wohnungslosigkeit sogar fast fünfzehn Prozentpunkte. Die Anzahl der richtig vorhergesagten Befürwortungen eines Wohnplatzes ist dementsprechend in allen drei Modellen ident. Im Vergleich der vier Modelle optimiert Modell QIA den Vorhersagewert jeder Kategorie. Differenzen richtiger Vorhersagewerte der Modelle Betreuungsintensität und QIA zeigen eine Steigerung von circa drei Prozentpunkten zu Gunsten QIA. Somit ist erstmals auch eine Steigerung der Prozentwerte betreffend Befürwortungen zu erkennen. Exakt drei Vier- tel ebendieser kann nun mit dem Modell QIA richtig vorhergesagt werden. Während das Modell sieben Freiheitsgrade aufweist, umfasst das Modell Betreuungsintensität nur vier. Außerdem sollte dem Modell QIA unter Kontrolle der Variable Art_Wo erstmalig Beachtung geschenkt werden. Unter Einschluss dieses insignifikanten Prädikators können sowohl - 2LL, R² nach Cox & Snell sowie Nagelkerkes als auch Prozentwerte richtiger Vorhersagen erhöht werden. Dementsprechend weist das Modell die höchsten Gütewerte auf, ist aller- dings auch gemessen an der Freiheitgraden das umfassendste Modell.

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Abbildung 16: Gegenüberstellung der Regressionsmodelle, ihrer Koeffizienten und -güten

Sozi-

QIA & & QIA

tät

Variab-

keit keit keit

phie

tensität

der der Woh- der Woh- der Woh-

len

Modell Art Modell Art Modell Art

modell Art Art modell

modell Be- modell

Ausgangs- Ausgangs-

Modell QIA Modell

aldemogra-

treuungsin- Sig.

nungslosig- nungslosig- nungslosig-

Modell Modell

tungsintensi- Modell Modell Betre-

RK B Sig. RK B Sig. RK B Sig. RK B Sig. RK B Sig. RK B Sig. RK B Sig.

sex -0,41 0,533 0,62 0,422 x x 0,81 0,310 x x x x x x

age 0,13 0,164 -0,04 0,772 x x -0,04 0,731 x x x x x x

Ö Staat -1,51 0,026 -2,30 0,012 -1,82 0,005 -2,39 0,011 -1,90 0,004 -2,95 0,002 -3,15 0,001

AT Asyl. 0,70 0,463 0,78 0,487 x x 0,95 0,415 x x x x x x AT EWR Daueraufent- -0,19 0,893 -2,36 0,155 x x -2,45 0,148 x x x x x x halt EK_Ausb Ar- 1,78 0,05 2,01 0,053 2,32 0,017 2,20 0,039 2,37 0,016 4,28 0,007 4,16 0,012 beit EK_Ausb 0,09 0,938 -0,16 0,886 x x 0,06 0,962 x x x x x x Schule erstmalig x x 1,75 0,057 1,84 0,009 1,65 0,077 1,70 0,018 1,30 0,116 x x

episodisch x x -1,48 0,240 x x -1,63 0,207 x x x x x x episodisch & x x -2,41 0,127 x x -2,05 0,183 x x x x x x chronisch BI x x x x x x 0,10 0,286 0,07 0,366 x x x x

NQ x x x x x x x x x x 0,67 0,033 0,80 0,013

Perspektive x x x x x x x x x x 1,11 0,031 1,25 0,018

Ausbildung x x x x x x x x x x -2,29 0,048 -2,60 0,026

Schlafen x x x x x x x x x x -3,71 0,046 -4,10 0,027 Parent x x x x x x x x x x -5,57 0,011 -6,18 0,006 Gender Konstante -4,31 0,144 3,87 0,488 -2,34 0,028 3,06 0,587 -2,48 0,023 -3,29 0,029 -2,42 0,098

Omnibus-Tests

Chi-Quadrat 17,044 X 21,820 X 22,698 39,548 37,008

df 7 X 3 X 4 8 7

Sig. 0,017 X 0,000 X 0,000 0,000 0,000

Modellzusammenfassung

-2LL 68,324 X 63,549 X 62,671 45,821 48,361 Cox & Snell 0,240 X 0,297 X 0,307 0,472 0,449 R² Nagelkerkes 0,321 X 0,397 X 0,410 0,631 0,601 R²

Richtig vorhergesagt (%) Kein An- 79,4 X 70,6 X 85,3 91,2 88,2 spruch Anspruch 71,4 X 71,4 X 71,4 78,6 75,0

Gesamt 75,8 x 71,0 X 79,0 85,5 82,3

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7. Interpretation & Diskussion der Ergebnisse Dieses Kapitel widmet sich der Beantwortung der Forschungsfrage nach den Merkmalen junger Wohnungsloser sowie des Einflusses ihrer Verteilung auf den Zugang zu weiterfüh- renden Angeboten der WWH. Im ersten Schritt wird ein Profil wohnungsloser Emerging Adults anhand ihrer Merkmale erstellt. In einem zweiten Schritt werden signifikante Ein- flussfaktoren der Regressionsmodelle interpretiert und diskutiert. 7.1. Profil junger Wohnungsloser Wohnungslose Emerging Adults sind eine der größten Altersgruppen der Wohnungslosen Wiens. Einige sind besonders schwer erreichbar und werden vom Unterstützungssystem kaum adressiert. Bei erfolgreicher Adressierung impliziert die Nutzung des Unterstützungs- systems hohe Flexibilität und Mobilität junger Wohnungsloser. Diese werden unter ande- rem in der sporadischen Nutzung der Notquartiere oder den Fehlnächten bei zugewiese- nem Notquartiersbett sichtbar. Es finden sich Hinweise darauf, dass Alter und Geschlecht bei der Nutzung des Unterstützungssystems sowie der Angewiesenheit auf eben jenes eine starke Rolle spielen. Bezüglich der Angewiesenheit müssen zukünftig insbesondere Daten zu Arten der Wohnungslosigkeit für die Beurteilung gelungener und nicht gelungener Intervention der WWH herangezogen werden. Vorliegende Daten deuten darauf hin, dass Wohnungslosigkeit bei Emerging Adults früh in der Biographie beginnt, das bestehende System aber nur einem Teil adäquate Unterstützung bereitstellt und viele Betroffene von dieser gänzlich ausschließt. Speziell die Gruppe zugezogener Personen verdient Beach- tung, für dessen „Steuerung des Problemtransfers“ (BAWO 2009: 90) noch immer keine passenden Instrumente implementiert wurden. Die Anzahl und Verteilung der Merkmale wohnungsloser Emerging Adults deuten auf hohe Diversität und Heterogenität der Zielgruppe hin. Neben Implikationen für die Bedeutung von Alter und Geschlecht, und damit der Bedeutung von alters- und gendersensibler Arbeit in der Wohnungslosenhilfe, wird sichtbar, dass Wohnungslosigkeit nicht ausschließlich als Abwesenheit eigenen Wohnraums und unmittelbaren Problemstellungen von Unterkunfts- losigkeit verstanden werden kann. Insbesondere Ergebnisse der QIA zeigen, dass, neben Herausforderungen und Merkmalen die eindeutig mit Wohnungslosigkeit assoziierbar sind, des Öfteren einzelne, sehr stark belastende Lebensbereiche einen wesentlichen Teil der Lebenswert junger Wohnungsloser darstellen. Die Interpretation zum Profil wohnungsloser Emerging Adults sind mit jenen früheren Stu- dien konsistent (vgl. u.a. Ravenhill 2008: 90-129, Ryan et al. 2012 70-77). 7.1.1. Alter und Geschlecht im Vergleich Mit knapp einem Drittel ist die Alterskohorte der 18- bis 30-jährigen zu einem hohen Anteil im gesamten Klient_innenstamm der Beratungsstelle P7 vertreten. Damit ist die Alters- gruppe wesentlich prominenter vertreten als beispielsweise in der Studie Jarvis (2015: 24). Auch national liegt diese Zielgruppe über dem Durchschnitt. So stellen österreichweit 18 bis 29-jährige mit 26% die zweitgrößte Alterskohorte bei ambulanten Angeboten, mit 31% die größte in Notquartieren (vgl. BAWO 2009: 83). Nur die Anteile der 18- bis 31-jährigen

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bei Notquartiersnächtiger_innen mit 40% sowie Antragssteller_innen auf einen weiterfüh- renden Wohnplatz mit 39% sind höher. Der Anteil an einziehenden Personen ist mit einem Drittel allerdings wieder ident (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 5-9). Auch wenn Alter per se ausschließlich innerhalb der Alterskohorte zwischen 18 und 30 Jahren als signifikante Einflussgröße getestet wurde, ist die Frage naheliegend weshalb diese Kli- ent_innengruppe häufig von Wohnungslosigkeit betroffen ist. Dies betrifft sowohl Wege in, aber auch aus der Wohnungslosigkeit, da anhand der Daten nicht beantwortet werden kann, ob Emerging Adults häufiger wohnungslos werden oder länger in der Wohnungslo- sigkeit verharren. Zwar beschreibt Isobel Anderson (2011: 4) Wege während der Woh- nungslosigkeit anhand unterschiedlicher Alterskohorten. Die Studie liefert allerdings auf diese Frage keine Antwort. Der hohe Männeranteil dieses Samples von knapp zwei Drittel ist aufgrund des Phäno- mens verdeckter Wohnungslosigkeit nicht überraschend. Dieses beschreibt undokumen- tierte Wohnungslosigkeit, da prekärer Wohnraum anstelle von Unterstützungsangeboten beansprucht wird. Verdeckte Wohnungslosigkeit bei Frauen geht dabei häufig mit Ausbeu- tung und Abhängigkeitsverhältnissen einher (vgl. Loibl, Corazza 2011: 85f, Ravenhill 2008: 118). Das Verhältnis der Geschlechter in der vorliegenden Untersuchung, insbesondere der Männeranteil, ist daher mit jenen internationaler (vgl. u.a. Nielsen et al. 2011: 2206) und nationaler Studien (vgl. Grabner et al. 2008: 84, BAWO 2009: 82) vergleichbar. Sowohl die Verteilung der Geschlechter innerhalb der Alterskohorten als auch Median und arithmetisches Mittel des geschlechtsspezifischen Alters belegen einen deutlich jüngeren Frauenanteil im Vergleich zu den Männern dieses Samples. Statistiken zur Notquartiers- nutzung in Wien deuten ebenfalls auf die Tendenz geringerer Frauenanteile mit steigen- dem Alter hin (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 10). In Nielsens et al. (2011: 2206) Erhebung zu Notquartiersnutzer_innen ist die jüngste Altersgruppe von 16 bis 24 Jahren allerdings nur die drittgrößte. 7.1.2. Nationalitäten und Aufenthaltstitel Die Gleichverteilung österreichischer Staatsbürger_innen und Personen ohne österreichi- sche Staatsbürgerschaft weicht von nationalen Relationen ab. Beispielsweise waren 2006 drei Viertel der Klient_innen ambulanter Beratungsstellen österreichische Staatsbürger_in- nen, während 13% Staatsbürgerschaften von EU oder EWR Ländern und 9% Staatsbür- gerschaften von Drittstaaten besaßen (vgl. BAWO 2009: 84). Mit Abstand der größte Anteil nicht österreichischer Klient_innen, ist jener somalischer Staatsbürger_innen. Entspre- chend der Migrationsbewegungen der letzten Jahre in Verbindung mit dem hohen Anteil somalischer Staatsbürger_innen, sind nicht österreichische Klient_innen vorwiegend asyl- berechtigt. Die unterschiedlichen Angaben zur Verteilung der Nationalitäten können einerseits dem höheren Migrant_innenanteil Wiens im Vergleich zum Rest Österreichs geschuldet sein (vgl. Statistik Austria 2017), andererseits den unterschiedlichen Zeitpunkten der Erhebun- gen. Zusätzlich kann aufgrund unterschiedlicher Zuständigkeiten der WWH, und daraus resultierend mangelnden Referenzzahlen, die Statistik nur vorsichtig interpretiert werden.

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Die Sozial- und Rückkehrberatung der Caritas ist primäre Anlaufstelle für EU und EWR Staatsbürger_innen ohne Anspruch auf weiterführende Angebote. Die Gründe für Häufig- keit sowie Anspruchslosigkeit wohnungsloser EU und EWR Bürger_innen, und damit Ur- sache für die Notwendigkeit einer derartig spezialisierten Stelle, werden unter anderem von Peter Chwistek (2013) differenziert dargestellt. Zentral ist, dass EU und EWR Bürger_innen nur unter bestimmten Voraussetzungen (vgl. Wall 2016: 347ff) BMS beziehen können. De- ren Bezug beziehungsweise Einkommen in deren Höhe ist aber neben einem entsprechen- den Aufenthaltstitel ein zentrales Förderkriterium (FSW 2014: 2f) für die Anspruchsberech- tigung in der WWH. Des Weiteren ist die auf Bundesebene geregelte Grundversorgung für die Unterbringung von Asylwerber_innen und bis zu einem gewissen Grad auch von sub- sidiär Schutzberechtigten zuständig (vgl. u.a. BAWO 2009: 84). Dem gegenüber stehen Beratungsstellen und Tageszentren, die entweder für unterschiedliche Personengruppen geöffnet sind oder die primär für Personen mit gesicherten Sozialversicherungsansprüchen zugänglich sind. Exakte Verhältnisse von jungen Wohnungslosen ohne und mit österrei- chischer Staatsbürgerschaft sind daher kaum abschätzbar. Trotz der Ungewissheit über tatsächliche Relationen österreichischer und nicht österreichi- scher wohnungsloser Emerging Adults, wird ihre Verteilung nicht jener der Wiener Gesamt- bevölkerung entsprechen. Innerhalb der Wiener Gesamtbevölkerung besitzen 71.38% die österreichische Staatsbürgerschaft (vgl. Statistik Austria 2017). Dementsprechend kann die Gleichverteilung österreichischer und nicht österreichischer Staatsbürgerschaften in dieser Untersuchung als Schwierigkeit von Migrant_innen ausgelegt werden eigenen Wohnraum zu erschließen oder zu erhalten. Auf diesen Umstand wird auch von der Wiener Beratungsstelle Interface (2015: 35f), die unter anderem Wohnberatung für geflüchtete Personen anbietet, hingewiesen. Wohnen war 2016 bei Interface das zweitgrößte Themen- gebiet, nach Existenzsicherung und vor rechtlichen Fragen (vgl. Interface 2016: 32). Die Hürden für asylberechtigte Personen Wohnraum zu erschließen sowie daraus resultie- rende verdeckte Wohnungslosigkeit werden von Interface (2015: 36) besonders betont. Im geschlechtsspezifischen Vergleich der Staatsbürgerschaftsverteilung sind nur margi- nale Unterschiede erkennbar. Sowohl bei Männern als auch bei Frauen überwiegen öster- reichische Staatsbürger_innen. Die Verteilung der Aufenthaltstitel weist asylberechtigte Personen bei beiden Geschlechtern als größte Klient_innengruppe aus. Aufgrund der gro- ßen Anteile russischer und somalischer Staatsbürger_innen im Sample ist dies nicht ver- wunderlich. Allerdings sticht der weibliche Anteil somalischer und / oder asylberechtigter Frauen sowie Frauen mit Daueraufenthalt für Drittstaatsangehörige besonders hervor. Zwar läge die Vermutung nahe, dass kulturspezifische Geschlechterunterschiede in der Annahme von Unterstützung bestehen. Allerdings ist die Gruppe an Frauen ohne österrei- chische Staatsbürgerschaft zu klein und der Frauenanteil somalischer Klient_innen zu groß, um fundierte Aussagen zu treffen. Hinsichtlich der Annahme von Unterstützung liegt allerdings Evidenz vor, wonach somalische Frauen für Gesundheitsangeboten schwer adressierbar sind. Die ebenfalls hervorgehobene gute Vernetzung somalischer Frauen in Wien, könnte allerdings Hürden abbauen Unterstützung zu suchen oder anzunehmen und so den Zugang zu Unterstützungsangeboten, wie auch jenen der WWH, verbessern (vgl. Beer 2015: 86-100).

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In der jüngeren Alterskohorte steigen die Anteile somalischer und russischer Klient_innen deutlich. Entsprechend ist der Anteil asylberechtigter Personen der jüngeren Alterskohorte höher als jener der älteren. Entlang der Migrationsbewegungen der letzten Jahre ist inte- ressant, ob generell innerhalb der Bevölkerung Wiens bei diesen Alterskohorten ähnliche Tendenzen betreffend Nationalitäten erkennbar sind. Sollten ähnliche Tendenzen nicht er- kennbar sein, stellt sich die Frage, weshalb insbesondere sehr junge Personen aus Soma- lia und Russland von Wohnungslosigkeit betroffen sind. 7.1.3. Beschäftigung Ab Beginn der Betreuung im ersten Halbjahr 2016 bis zum Ende des Kalenderjahres 2016 ging circa ein Zehntel der Klient_innen zur Schule oder studierte und ein Fünftel arbeitete. Die aktuelle Evaluierung der WWH ergab, dass 13% aller Bewohner_innen von weiterfüh- renden Angeboten jeglichen Alters die Schule abbrachen. Des Weiteren sind Emerging Adults überproportional von der Risikolage verringerter gesellschaftlicher Teilhabe betrof- fen. Diese umfasst unter anderem lange Phasen der Arbeitssuche oder großer materieller Armut (vgl. Riesenfelder et al. 2012a: 29-32). Selbstverständlich stellen sich somit die Fra- gen, in welchem Ausmaß das faktisch erworbene Bildungsniveau, das Stigma der Woh- nungslosigkeit12, die psychische und physische Verfassung der Betroffenen oder der Pro- zess der Bewerbung ausschlaggebend sind. Die Tatsache ist insofern bedeutend, als dass Erwerbseinkommen oder Schulbesuche wesentliche Perspektivenöffner sind. So steigen die Chancen am Wohnungsmarkt bei Erwerbstätigkeit deutlich. Gleichzeitig eröffnet ein Schulbesuch den Zugang zu Schüler- und Student_innenheimen. Österreichweit und un- abhängig von Geschlecht und Alter arbeiten 13% bis 17% der Klient_innen der österreichi- schen Wohnungslosenhilfe, womit das Sample dieser Forschungsarbeit leicht über dem österreichweiten Durchschnitt liegt (vgl. BAWO 2009: 82). Männer und Frauen des Samples ähneln sich stark in Häufigkeit und Art der Beschäftigung im Beobachtungszeitraum. Diese Feststellung impliziert eine Abweichung von der Wiener Gesamtbevölkerung. Für diese weist die zuständige Magistratsabteilung 23 (vgl. MA23 2016a) für das Kalenderjahr 2015 einen leicht größeren weiblichen Bevölkerungsanteil zwi- schen 18 und 65 Jahren, bei geringerer Arbeitslosigkeit von Frauen im Kalenderjahr 2015 (vgl. MA23 2016b) aus. Logische Unterschiede bestehen im Vergleich der Alterskohorten dieser Arbeit. So war der Anteil an Schulbesuchen und Universitätsinskriptionen bei der jüngeren Alterskohorte er- höht, während die Gruppe der 25- bis 30-jährigen wesentlich häufiger arbeitete. 7.1.4. Arten der Wohnungslosigkeit Der prominente Anteil an erstmaliger Wohnungslosigkeit wird deutlich, wobei Prozentwerte anderer Arten der Wohnungslosigkeit alarmierend sind. Dementsprechend muss danach gefragt werden, wie die stabile Wohnversorgung von Emerging Adults gefördert oder ver- hindert wird.

12 Oftmals ist über die Postadresse / Anschrift ersichtlich, dass eine Person wohnungslos ist. Diese wird von Arbeitgeber_innen benötigt um potentielle Angestellte / Arbeiter_innen bei den Sozialversicherungsträger_in- nen anzumelden. 74

Eine Interpretation wäre, dass episodische oder chronische Wohnungslosigkeit als Wider- stand und Reaktanz (vgl. Klug, Zobrist 2013: 79-87) und episodisch oder chronisch woh- nungslose Klient_innen als besonders hard-to-reach (vgl. Pauls 2010: 101-104) verstan- den werden. Eine weitere Hypothese befasst sich mit dem korrekten Ausschluss, basie- rend auf einer „Zielgruppeneinschränkung“ (Mayrhofer 2012: 168), von nicht anspruchsbe- rechtigter Personen. Sowohl hinsichtlich episodischer als auch chronischer Art der Wohnungslosigkeit legt das Widerstandsphänomen die Notwendigkeit niederschwelliger Angebote des Unterstüt- zungssystems nahe. Dies kann bei chronischer Wohnungslosigkeit bedeuten, dass der Zu- gang zu weiterführenden Angeboten niederschwelliger (zur Dimensionen von nieder- schwelliger Angebote siehe Mayrhofer 2012: 159-176) gestaltet werden muss um Chroni- fizierung zu verhindern. Betreffend episodischer Wohnungslosigkeit impliziert Reaktanz den Mangel an passgenauen oder bedürfnisgerechten Angebotsformen, da sich Klient_in- nen entweder der Adressierung längere Zeit entziehen und prekär unterkommen oder ge- förderte Wohnplätze verlieren. So weisen auch Ryan et al. (2012: 70-77) darauf hin, dass Angebotsformen häufig nicht den Bedürfnis- und Bedarfslagen junger Wohnungsloser ent- sprechen, somit niederschwelliger oder passgenauer sein müssen. Der Begriff der Pass- genauigkeit (vgl. Franzkowiak et al. 2011: 181-185, Gahleitner 2010: 167, Pauls 2013a: 16) impliziert dabei in besonderem Maße den Handlungsbedarf der Klinischen Sozialen Arbeit. Wenn jedoch Personen primär chronisch oder episodisch wohnungslos sind, die laut FSW (2014: 2f) nicht anspruchsberechtigt sein sollen, ist die Unterstützung für dessen definierte Zielgruppe treffsicher. Chronisch oder episodisch Wohnungslose sind demnach von der „Zielgruppeneinschränkung“ (Mayrhofer 2012: 168) bei Niederschwelligkeit richtig betrof- fen. Diese Gruppe Nicht-Anspruchsberechtigter beziehungsweise korrekt von Unterstüt- zung ausgeschlossener müsste insbesondere aufgrund harter Kriterien wie Zuzug Bun- desland oder Aufenthaltstitel abgelehnt werden, da weiche Kriterien, wie Betreuungsbe- darf, chronischer und episodischer Wohnungslosigkeit implizit sein müssten. Ergebnisse zum Einfluss von Arten der Wohnungslosigkeit (siehe Kapitel 7.2.4), wonach sich erstma- lige Wohnungslosigkeit negativ auswirkt, legen diese Interpretation allerdings nicht nahe. Interessanterweise sind im Sample vertretene Männer wesentlich öfter erstmalig woh- nungslos als Frauen. Entsprechend sind episodische und episodisch-chronische Woh- nungslosigkeit bei Frauen erhöht, während der chronische Anteil recht ausgeglichen ist.  Neben der Erklärung für einen generell erhöhten Männeranteil birgt das Phänomen verdeckter Wohnungslosigkeit (vgl. Loibl, Corazza 2011: 85f, Ravenhill 2008: 118) einen Erklärungsansatz für die Verteilung episodischer Wohnungslosigkeit. Diesem ist ableitbar, dass Frauen eher dazu tendieren sich für einige Zeit in Abhängigkeits- verhältnisse zu begeben beziehungsweise, dass ihre durch Wohnungslosigkeit ge- steigerte Vulnerabilität eher missbraucht wird. Dem ist implizit, dass Frauen erst nach einiger Zeit wieder Beratungen aufsuchen und häufiger episodisch wohnungs- los sein müssten. Der leicht erhöhte Anteil episodisch-chronischer Wohnungslosig- keit bei Frauen dieses Samples würde in diesem Szenario bedeuten, dass Frauen

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ihr Verhalten im Prozess der Wohnungslosigkeit ändern und weniger oder zumin- dest kürzere Abhängigkeitsverhältnisse eingehen.  Eine zusätzliche Interpretation ist einer hypothetischen, gendersensiblen Reaktion der WWH auf die oben beschriebene, erhöhte Gefährdungslage von Frauen auf der Straße oder in prekären Wohnsituation ableitbar. Eine mögliche gendersensible Reaktion, ist die Tendenz Frauen in Notquartieren kaum zu befristen13. Diese Inter- pretation wird gestützt durch Ergebnisse zur Notquartiersnutzung, woraufhin Frauen fast immer Platz in einem Notquartier erhielten.  Andere Erklärungsansätze betreffen die Manifestation von Wohnungslosigkeit. Ein Szenario sähe vor, dass Frauen eher erneut wohnungslos werden und somit eige- nen Wohnraum nochmals verlieren oder weniger Perspektiven / Chancen haben Wohnungslosigkeit zu überwinden. Gleichzeitig kann die Tendenz seltener Unter- stützung anzunehmen, unter anderem auch verdeckter Wohnungslosigkeit (vgl. u.a. Loibl, Corazza 2011: 85f) kausal ableitbar, bei erneut wohnungslosen Frauen weniger stark ausgeprägt sein. Beide Interpretationen können höhere Anteile epi- sodischer Formen der Wohnungslosigkeit erklären. Altersspezifische Differenzen zu Arten der Wohnungslosigkeit können nur sehr vage inter- pretiert werden, da die ältere Alterskohorte mehr Zeit zur Manifestation von Wohnungslo- sigkeit hatte. Es ist allerdings davon auszugehen, dass einige Klient_innen unter 25 woh- nungslos wurden und jetzt in der Statistik der Alterskohorte von 25 bis 30 Jahren als epi- sodisch oder chronisch wohnungslos aufscheinen. Aufgrund der geringen Relevanz der Kategorie Rückkehr ins Bundesland oder den ehemaligen Haushalt beim vorletzten Abs- traktionsniveau ziehen vermutlich wenige erstmals wohnungslose Emerging Adults der jün- geren Alterskohorte wieder zurück in den ehemaligen Haushalt oder ins Bundesland. Somit wird die These unterstützt, dass Zugang oder Bedürfnisorientierung der Angebotsland- schaft nicht passgenau sind und die Überwindung von Wohnungslosigkeit in vielen Fällen länger als ein Jahr benötigt. Des Weiteren bedeutet diese Interpretation, dass Wohnungs- losigkeit bei Emerging Adults früh in der Biographie beginnt. Dies wird durch die größere Alterskohorte unter 25 bei einer Zufallsstichprobe gestützt. Die Studie Chew Ngs et al. (2013: 385f) gibt Hinweise darauf, wonach hoher Manifestati- onsgrad der Wohnungslosigkeit mit geringer Nutzung von Notquartieren einhergeht, somit Klient_innen dem Unterstützungssystem wegbrechen ohne wohnversorgt zu sein. Auf- grund der hohen Anteilswerte episodischer oder chronischer Wohnungslosigkeit in der äl- teren Kohorte können diese Ergebnisse nicht bekräftigt werden. Vielmehr legen diese das Gegenteil nahe. Diese Erkenntnis wird durch Interpretationen zur Notquartiersnutzung oder der Betreuungsintensität (siehe 7.1.7 beziehungsweise 7.1.8) gestützt, die einen Gewöh- nungs- oder Stabilitätseffekt implizieren.

13 Befristungen in Notquartieren werden unter anderem dann angewendet, wenn Personen die Förderkriterien des FSW nicht erfüllen. Die Vorgehensweise soll Notquartiersplätze für (potentiell) ‚anspruchsberechtigte Personen‘ wahrscheinlicher machen. Befristungen finden ausschließlich in Sommermonaten statt. Während der Wintermonate werden Notquartiersplätze somit nicht entzogen. (vgl. u.a. Chwistek 2013) 76

7.1.5. Zuzug Bundesland Der FSW (2014: 2) weist darauf hin, dass in „besonders berücksichtigungswürdigen Fällen“ vom Kriterium des letzten Wohnsitzes in Wien abgesehen werden kann. Mehr als jede Fünfte Person des Samples hatte ihren letzten Wohnsitz nicht in Wien. Keine dieser Per- sonen konnte eine Förderbewilligung für einen Wohnplatz erwirken. Allerdings ist auch an- zumerken, dass nicht alle zugezogenen Betroffenen einen Antrag stellten. Beim Zuzug be- sonders im Fokus stehen Push- und Pullfaktoren (vgl. BAWO 2009: 89f) in Kombination mit der hohen Flexibilität und dem Positivismus von Emerging Adults (vgl. Arnett 2000: 470-474, 2014: 158f), welche Zuzug bedingen. Sowohl im Sinne der Betroffenen selbst als auch der WWH, gilt es den Zuzug aus dem Bundesland in die Wohnungslosigkeit möglichst gering zu halten beziehungsweise geeignete Konzepte zu dessen „Steuerung“ (BAWO 2009: 90) zu entwickeln. Betroffene haben kategorisch kaum Zugang zu weiterführenden Angeboten der WWH (vgl. FSW 2014), gleichzeitig bedeutet die Abklärung aller Möglich- keiten eine Bindung von Ressourcen der WWH. Die Prozentwerte zum Zuzug sind weitge- hend mit jenen Riesenfelders et al. (2012a: 43) ident. Abzuleiten ist, dass es an Unterstützung im ehemaligen Sozialen Raum des Bundeslandes mangelt oder diese für Betroffene nicht attraktiv genug sind. Dies kann sowohl das soziale Netz und geleistete Unterstützung als auch infrastrukturelle Angebote umfassen. Wie Rie- senfelder et al. (2012a: 29-32), Hyde (2005) oder Vagnerova et al. (2014) zeigen, ist wenig soziale Unterstützung seitens des Familiensystems zu erwarten. Weitere Faktoren, die Zu- zug beeinflussen, sind die Anonymität der Großstadt sowie deren Infrastruktur (vgl. BAWO 2009: 89). So existieren beispielsweise nur in den Bundeshauptstädten, ausgenommen Eisenstadt und Bregenz, spezialisierte Einrichtungen für junge Wohnungslose (vgl. Schoibl 2013b: 25). Geschlechterspezifische Statistiken zum Zuzug aus den Bundesländern lassen unter- schiedliche Interpretationen zu. Interpretationen dieser geschlechterspezifischen Differen- zen basieren auf der Theorie von Push- und Pullfaktoren. Nach diesen sind wohnungslose Frauen einerseits eher von Vorteilen der Großstadt, wie der Anonymität, angezogen, an- dererseits empfinden sie Angebote in den Herkunftsbundesländern tendenziell weniger an- sprechend. Möglichkeiten könnten sein, dass Herausforderungen mit denen sich Frauen konfrontiert sehen, eher nach Anonymität oder spezifischeren Angeboten verlangen, die in der Großstadt häufiger vorzufinden sind. Diese Hypothese wird unter anderem durch die Interpretation der QIA gestützt (siehe Kapitel 7.1.9), wonach Frauen häufig Extremwerte bei unterschiedlichen Herausforderungen erzielen, demnach von manchen Themen be- sonders intensiv betroffen sind. Gleichzeitig könnte der Exklusionsgrad bei Wohnungslo- sigkeit in der Heimatgemeinde bei Frauen schwerer wiegen als bei Männern. Ravenhill (2008: 118) zeigt in Wegskizzen zur Wohnungslosigkeit von Frauen, dass diese bei Tren- nung aufgrund häuslicher Gewalt häufig aus dem gewohnten sozialen Umfeld ausbrechen und dieses hinter sich lassen. Dieses Ergebnis unterstützt oben genannte These. Altersspezifische Differenzen, wonach jüngere häufiger zuziehen, decken sich insofern mit bestehenden Ergebnissen, die höhere Mobilität bei geringerem Alter nahelegen. Diese

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kann unter anderem dadurch bedingt sein, dass mit steigendem Alter die Wahrscheinlich- keit an sozialen Verpflichtungen steigt und sowohl Positivismus als auch Risikoverhalten, hier interpretiert ans antriebsfördernd, sinken (vgl. Arnett 2000: 470-474, 2014: 158f). 7.1.6. Postadressennutzung Da ohne Postadresse oder Meldung keine Sozialversicherungsleistungen bezogen werden können (vgl. Wall 2016: 347ff) und diese auch von Arbeitgeber_innen und Bildungseinrich- tungen benötigt werden, ist die Prominenz der Variable Postadresse nicht unerwartet. Viel mehr überrascht es, dass knapp ein Viertel der Betroffenen das Postadressenangebot nicht nutzen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass viele bei Bekannten oder Verwandten eine Meldung besitzen oder aber gar keine aufrechte Meldung existiert. Das Ergebnis Wen- zels et al. (2012: 7ff), dass Familie nicht nur Konflikt- sondern auch hohes Unterstützungs- potential birgt, kann somit teilweise bestätigt werden. Abgesehen von deren Unterstüt- zungswillen kann ein Grund für die Meldung bei Familienmitgliedern oder Bekannten sein, dass Betroffene ein Wohnticket für eine Gemeindewohnung besitzen. In diesem Fall würde eine Ab- oder Ummeldung zu einem Verlust des Tickets und damit einer sicheren Wohn- möglichkeit führen, da nicht durchgehend zwei Jahre der Hauptwohnsitz an einer Adresse gemeldet war (vgl. Wohnberatung Wien 2017). Entsprechend der unterzeichneten Postadressenmodalitäten dürfen diese aufgelöst wer- den, sollten deren Besitzer_innen nicht regelmäßig nach Post fragen. Werte zu Postad- ressenauflösungen indizieren eine gewisse Sprunghaftigkeit oder Unzuverlässigkeit der Alterskohorte. Um diese Werte allerdings seriös bewerten zu können, mangelt es einer Kontrollgruppe. Geschlechtsspezifische Differenzen bezüglich der Postadressennutzung können nicht festgestellt werden. Allerdings zeigen Auswertungen nach Altersgruppen, dass jüngere Wohnungslose das Angebot häufiger nutzen. Der ersten Interpretationen ist zentral, dass dem Sample zufolge jüngere Wohnungslose häufiger erstmalig wohnungslos sind, der zweiten, dass dem Sample zufolge jüngere Wohnungslose häufiger zugezogen sind:  Studien zu sozialen Netzwerken sind teilweise widersprüchlich. Auch wenn wenig über Freundschaften durch Einrichtungen entstehen (vgl. Wenzel et al. 2012: 6f) und Betrug seitens Straßenbekanntschaften antizipiert wird (vgl. Hyde 2005: 180, Vagnerova et al. 2014: 71f) scheint Cliquenbildung häufig und Intensität von Freundschaften hoch (vgl. Chew Ng et al. 2013: 383ff, Ravenhill 2008: 145f, 162, Vagnerova et al. 2014). Es ist anzunehmen, dass Cliquenbildung, Freundschaften aber auch Antizipation von Betrug, bei chronischer oder episodischer Wohnungs- losigkeit deutlicher vorangeschritten sind. Die erfahrene, wenn auch instabile, Un- terstützung wird somit vermehrt durch szenenahe oder -angehörenden Personen geleistet. Gleichzeitig ist das Wissen um alternative Strategien des Erwerbs einer Postadresse bei höherem Manifestationsgrad der Wohnungslosigkeit wahrschein- lich. Die Chance von diesen alternativen Strategien zu erfahren und sie anwenden zu können würde somit auch mit dem Manifestationsgrad von Wohnungslosigkeit steigen. Die Nutzung der Postadresse wäre nach diesem Erklärungsmodell durch das Alter beeinflusst, welches aber durch die Art der Wohnungslosigkeit erklärt ist.

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 Eine etwas simplere Erklärung basiert darauf, dass jüngere Personen häufiger zu- gezogen sind. Sofern nicht soziale Kontakte primäre Pullfaktoren für den Zuzug waren, ist anzunehmen, dass ein quantitativ und qualitativ schwächeres soziales Netz besteht. Die Chance auf erfahrene Unterstützung in Form einer Postadresse ist somit geringer. Des Weiteren haben zugezogene Personen aufgrund fehlender Meldezeiten (für Voraussetzungen der Gemeindewohnungsvergabe siehe Wohn- beratung Wien 2017) keine Chance auf eine Gemeindewohnung. Einige wenige wienstämmige Personen des Samples erfüllen allerdings diese Voraussetzung. Existiert schon ein Wohnticket, würde dieses bei Ab- oder Ummeldung an Gültigkeit verlieren. Wie schon skizziert, ist die Gemeindewohnungsperspektive jener eines betreuten Wohnplatzes vorzuziehen, weshalb derartige Ab- und Ummeldung bei Gemeindewohnungsperspektive nicht stattfinden. Somit nehmen auch weniger wienstämmige, und damit ältere, Personen das Postadressenangebot in Anspruch, um die Gültigkeit des Wohntickets nicht zu verlieren. 7.1.7. Notquartiersnutzung Ein Drittel aller Klient_innen musste, wollte oder konnte nie ein Notquartier in Anspruch nehmen. Alternative Schlafplätze befinden sich im öffentlichen Raum, Motels, Frauenhäu- ser oder prekär bei Bekannten und / oder Verwandten. Die Statistik zur Gesamtnutzung zeigt, dass einige Betroffene das Angebot sehr intensiv nutzen, der Großteil allerdings nur vereinzelt. Anhand kurzer, aber regelmäßige Phasen der Nutzung vieler Personen kann unter anderem auf instabile, aber geleistete soziale Unterstützung in Form von Schlafplät- zen rückgeschlossen werden. Metraux et al. (2011: 1094) definieren das Verhalten der kurzen sequenziellen Nutzung als episodisch und die fast durchgehende als chronisch und bestätigen damit diese Interpre- tation unterschiedlicher Gruppen von Notquartiersnutzer_innen. Die Autor_innen zeigen dabei auf, dass Personen, die Notquartiere episodisch nutzen im Vergleich zu jenen die Notquartiere chronisch nutzen höhere Mortalitätsraten aufweisen (vgl. ebd.: 1095ff). Die hohe Nutzung durch einige, wenige Personen kann außerdem als Cliquenbildung in- terpretiert werden. Aktuelle Untersuchungen bestätigen die Cliquenbildung bei wohnungs- losen Emerging Adults (vgl. Vagnerova et al. 2014: 63) und Notquartiersnutzer_innen (vgl. Chew Ng et al. 2013: 383ff). Dabei steigt die Wahrscheinlichkeit ein Notquartier in An- spruch zu nehmen mit der Zahl an Personen im Netzwerk, die Notquartiere in Anspruch nehmen. Dabei hat die Notquartiersnutzung per se einen mittelbaren positiven Gesund- heitseffekt auf wohnungslose Emerging Adults, da die Notquartiersnutzung im Kontrast zu Nächtigung auf der Straße positive Gesundheitseffekte aufweist (vgl. ebd.). Die Notquartiersstatistik zu Fehlnächten trotz Zuweisung eines Notquartiers ist jener der Gesamtnächte sehr ähnlich. Konnte Klient_innen ein Bett in einem Notquartier zugewiesen werden, so nahmen diese das Angebot in der Mehrheit tatsächlich wahr. Es wirkt als kön- nen steigende Fehlnächte in aller Regel mit steigenden Gesamtnächten erklärt werden. Der Hypothese bedarf es allerdings einer statistischen Überprüfung. Müsste die Hypothese verworfen werden, wiese dies auf eine Art Gewöhnungseffekt hinsichtlich der Notquartiers- nutzung hin. Gleichzeitig zeigen hohe Betroffenheit und niedrige arithmetische Mittel sowie

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Mediane zur kein Platz-, Nachtnotaufnahme-, Notquartiersverlust- und Hausverbotsstatis- tik junger Wohnungsloser, dass die Ereignisse viele unterschiedliche Personen in gerin- gem Ausmaß betreffen. Weibliche Emerging Adults nehmen das Notquartierangebot generell häufiger in Anspruch. Wird es in Anspruch genommen, geschieht dies entsprechend dem arithmetischen Mittel durchschnittlich kürzer aber entsprechend dem Median in der Mehrheit länger. Das Ergeb- nis der starken weiblichen Nutzung von Notquartieren weichen von jenen internationaler und nationaler Studien ab (vgl. u.a. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 10, Niel- sen et al. 2011: 2206). Während in einer dänischen Studie die Nutzung der Notquartiere von Frauen bei der Alterskohorte von 25 bis 34 Jahren am höchsten ist (vgl. Nielsen et al. 2011: 2206), weist die Statistik zu Notquartiersnutzer_innen Wiens 2011 aus, dass die Ver- teilung der Geschlechter umso weiblicher ist, je jünger die Klient_innen sind (vgl. Arbeits- gruppe Junge Wohnungslose 2013b: 10). Sollte allerdings auch die Verteilung der hilfesu- chenden Personen bei jüngeren Alter weiblicher sein, würde sich diese Tendenz zur Ge- schlechterdifferenz bei Notquartiersnutzung relativieren. Über diese Interpretationen hinaus ist aus den Statistiken wenig ableitbar, da die Zahlen absolut sind und nicht nur den Beobachtungszeitraum 2016 betreffen. So sind Frauen die- ses Samples tendenziell jünger und hatten daher auch weniger Zeit Nächte in Anspruch zu nehmen. Konsumierte Nächte müssten daher zumindest in Relation zum Alter gestellt werden, um aussagekräftige Interpretationen zu gewährleisten. Die Argumentation wird auch dadurch gestützt, dass nur die Hälfte der unter 25-jährigen, allerdings drei Viertel der 25- bis 30-jährigen das Notquartierangebot einmal in ihrer Biographie nutzte. Auffällig ist allerdings, dass die jüngere Alterskohorte im Median öfter Nächte nicht nutzt oder Hausverbote hat. Ein möglicher Grund könnte erneut aus der Kombination von Alter und Arten der Wohnungslosigkeit abzuleiten sein. So könnte die Phase der erstmaligen Nutzung eines Notquartiers, die bei erstmalig Wohnungslosen und damit tendenziell jun- gen Klient_innen wahrscheinlicher ist, durchaus abschreckend sein und einige Gewöhnung benötigen. In dieser Phase wird daher tendenziell soziale Unterstützung in Form der Ge- währleistung eines Schlafplatzes bei Bekannten oder der Familie spontan angenommen. Die Statistik wäre demnach ein Indikator für Ängste und Flexibilität der jüngeren Altersko- horte und oder erstmalig Wohnungsloser. Entsprechend der Definition Metrauxs et al. (2011: 1094) tendieren somit Klient_innen manifester Wohnungslosigkeit zu chronische- rem Nutzverhalten. Männern kann im Durchschnitt häufiger kein Notquartiersbett angeboten werden als Frauen. Möglicherweise wird besonders viel Wert darauf gelegt Frauen in Notsituationen einen Schlafplatz anbieten zu können, um beispielsweise Gewaltbeziehungen der verdeck- ten Wohnungslosigkeit oder bei Nächtigung im öffentlichen Raum (vgl. Ravenhill 2008: 118) zu verhindern. Gleichzeitig nächtigen Männer öfter in der Nachtnotaufnahme, wobei diese Statistik sicherlich durch den Mangel an regulären Plätzen mitbeeinflusst wird. Der Median von Null geschlechtsunabhängig in beiden Statistiken ist durchaus erfreulich, da dieser zeigt, dass die Mehrheit das Angebot innerhalb eines Jahres nicht in Anspruch neh- men musste oder kein Bett mehr erhalten konnte.

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Frauen sind betreffend den Verlust des Notquartiers wesentlich heterogener als Männer, wobei der Großteil der Frauen nie, Männer allerdings zumindest einmal, ein regulär zuge- wiesenes Bett verlor. Wichtig zu beachten ist, dass die Statistik nicht ausschließlich Not- quartiersklient_innen sondern die Gesamtpopulation umfasst und somit Verzerrungen auf- weist. Erfreulich ist, dass nur Einzelpersonen von Hausverboten betroffen waren. Deren Gründe und Länge sind sehr individuell und reichen von nicht Erbringen einer TBC Bestä- tigung bis hin zu gewalttätigem Verhalten der Person. 7.1.8. Betreuungsintensität Durchschnittlich haben Klient_innen des Samples ein Gespräch pro Monat. Da ein Kli- ent_innenstamm zu existieren scheint, der primär das Postadressen oder Nachnotaufnah- meangebot nutzt und diese Personengruppe tendenziell seltener Beratungen aufsuchen (muss), ist die Anzahl der Gespräche durchaus hoch einzuschätzen. Zur genaueren Inter- pretation würde es allerdings sowohl eine Kontrollgruppe als auch Detailinformationen zur Nutzung der Beratungen benötigen. Während die Hälfte der Klient_innen zumindest vier Beratungen im Beobachtungszeitraum in Anspruch nimmt, ist die hohe Anzahl an Tagen in Betreuung nicht verwunderlich. Die Wahl des Betreuungsbeginns im zweiten Halbjahr 2016 sowie das einheitliche Betreuungsende 2016 war aus Designgründen und aufgrund von Rahmenbedingungen nicht anders möglich (siehe auch Kapitel 5.1). Daher ist die Skiz- zierung der Betreuungsintensität teilweise mangelhaft. Diese weist aus: Klient_innen ha- ben entsprechend der Betreuungsintensität an 2.7% der Tage in Betreuung ein Beratungs- gespräch oder es werden beratungsrelevante Gespräche zu ihren Fallverläufen geführt. Frauen verzeichneten durchschnittlich sowohl mehr Beratungen als auch Betreuungstage. Männer hingegen sind heterogener in der Inanspruchnahme von Beratung. Die Statistik zur Betreuungsintensität, welche sich aus dem Verhältnis von Beratungen und Betreu- ungstagen zusammensetzt, weist Frauen höhere Werte aus. Entsprechend diesem Indika- tor sind Frauen betreuungsintensiver als Männer. Gleichzeitig ist die Mehrheit der Kli- ent_innen zwischen 25 und 30 Jahren betreuungsintensiver. Mögliche Gründe für geringere Betreuungsintensität bestimmter Gruppen könnten Reak- tanz in Form aktivem Entziehens aus dem Betreuungsverhältnis, Unsicherheit gegenüber dem bestehenden Angebot oder klare Perspektiven sein. Für das Entziehen aus dem Be- treuungsverhältnis existieren unterschiedliche Ursachen (vgl. Klug, Zobrist 2013: 79-87). Die tendenziell entziehende Klient_innengruppe ist dabei im Speziellen als hard-to-reach einzuschätzen. Unter anderem Fitzpatrick et al. (2000: 11) und Pauls (2010: 101-104) hal- ten fest, dass wohnungslose Personen schwer erreichbar sind. 7.1.9. Merkmale und Herausforderungen wohnungsloser Emerging Adults Die Prominenz von Herausforderungen der existentiellen Grundsicherung, wie beispiels- weise Notquartiere oder Transferleistungen, ist aufgrund des Handlungsfeldes nicht ver- wunderlich. So sind diese auch die einzigen Kategorien die für die Mehrheit der Klient_in- nen relevant war, während tangierende Themenfelder von weniger als der Hälfte der Kli- ent_innen eingebracht wurden. Dennoch muss speziell dem hohen Median der Kategorie Postadresse Beachtung geschenkt werden. Dieser spiegelt einerseits die Relevanz in der

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Lebenswelt wohnungsloser Emerging Adults wieder. Andererseits ist eine gewisses Her- ausforderungspotential ableitbar. Wäre das Thema Postadresse mit deren Installation ge- löst, hätte es wesentlich geringe Relevanz im Betreuungsverlauf. So ist es nicht verwun- derlich, dass auch eine Kategorie des vorletzten Abstraktionsniveaus unter anderem Her- ausforderungen bei der Einlösung von Kontaktstellen umfasst. Durch das Verhältnis von Nennungen einer Kategorie zu Betreuungstagen anstatt zu Beratungen wurde verhindert, dass Klient_innen deren primäres Anliegen eine Postadresse ist und wahrscheinlich selte- ner zu Beratungen kommen, da sie beispielsweise die Notquartiersnutzung nicht verlän- gern müssen, unverhältnismäßig viel Gewicht verliehen wurde. Die deutliche Relevanz ist daher einerseits verwunderlich, andererseits evident. Die Anzahl weiterer lebensweltrelevanter Kategorien und deren komplexe Subsumption sowie häufige Kombination von hohem arithmetischen Mittel und Standardabweichung so- wie Extremwerte bei einem Median von null, ist Ausdruck der hohen Heterogenität und Diversität der Zielgruppe. Zusammengefasst weisen viele Klient_innen in einigen Berei- chen sehr extreme Werte auf, während die restlichen Themenfelder tendenziell sehr ge- ringe Relevanz für sie haben. Wohnungslosigkeit kann daher keinenfalls als schlichte Ab- wesenheit einer Unterkunft und unmittelbar resultierenden Herausforderungen verstanden werden, sondern steht in Verbindung zu mehreren Dimensionen, die je nach Klient_in va- riieren. So wird das Thema Sachwalterschaft oder Sucht bei Relevanz für den Fallverlauf regelmäßig in die Beratung eingebracht werden, während ebendiese nur in wenigen Sze- narien selten oder vereinzelt in der Beratung Platz haben dürfte. Die Multidimensionalität von Wohnungslosigkeit und Heterogenität der Zielgruppe ist in der Fachliteratur das unum- strittenste Ergebnis (vgl. u.a. Ryan et al. 2012: 70-77, Somerville 2013: 388f). Sie sind auch aus die Vielzahl an Risikofaktoren und Berührungspunkten mit anderen Lebensbereichen ableitbar (vgl. Fitzpatrick et al. 2000: 28f, May 2000: 622-635, Ravenhill 2008: 90-128). Gleichzeitig liegt nahe, dass Betroffene, die keine Beratung in Anspruch nehmen und daher geringe Werte bei Herausforderungen aufweisen, mit einem breiteren Spektrum an Her- ausforderungen konfrontiert sind, als dies das Datenset vermuten lässt. Die Klientin- nen_gruppe, die keine Beratungen in Anspruch nimmt ist in besonderem Ausmaß hard-to- reach. Es stellt sich daher die Frage weshalb die Personengruppe nicht erreicht wird, mit welchen Herausforderungen sie konfrontiert ist und wie sie adressiert werden kann. Wie unter anderem Pauls (2010: 101-104) oder Ryan et al. (2012: 70-77) zeigen, basiert das Nichterreichen von Klient_innen immer auch auf hohen Schwellen im Sinne mangelnder Passung zwischen Angebot und Bedarf sowie Bedürfnissen der Adressat_innen. Der relativ geringen Bedeutung der Themen Sucht, Sachwalterschaft, Gewalt sowie Eltern- schaft, Gender und Sexualität, können teilweise banale Ursachen zu Grunde liegen. Für die Personengruppe suchtkranker Wohnungsloser existieren zwei spezialisierte Bera- tungsstellen der Suchthilfe Wiens, Jedmayer und Change, die ebenfalls Notquartiere ver- mitteln können. Kontakte werden zwar bei P7 aufgrund der Zuweisung verzeichnet, sie scheinen aber nicht als deren Klient_innen auf. Außerdem wird nicht jegliches Konsumver- halten rasch in der Beratung thematisiert, sofern kein Bedürfnis der Klient_in existiert Kon- sum als Thema einzubringen oder dem Fachpersonal kein Anlassgrund vorliegt, wie bei- spielsweise erhebliche Dosissteigerung oder schwere gesundheitliche Beeinträchtigung.

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Ähnliches gilt für Personen mit psychischen Erkrankungen, die des Öfteren besachwaltet sind und über Sachwalter_in oder Auftragssozialarbeit das Notquartier vermittelt bekom- men können. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass die strukturelle Bearbeitung von Gewalterfahrungen eine stärke Vertrauensbeziehung bedarf, als dies das Setting einer Erstberatungsstelle wie P7 erlaubt. In der Fachliteratur ist die Prävalenz und Relevanz der jeweiligen Themenbereiche bei wohnungslosen Emerging Adults eindeutig belegt (vgl. u.a. Hyde 2005: 180ff, Mallet et al. 2005: 186, 196ff, Martijn, Sharpe 2006: 4f, Ryan 2012 et al. 2012: 47, Tyler, Johnson 2006: 133ff, 150). Sowohl geschlechts- als auch altersspezifische Vergleiche zeigen deutliche Differenzen. Die Herausforderungen der existenziellen Grundsicherung bleiben von diesen weitgehend unberührt. Dies ist insofern nachvollziehbar, als dass Themenbereiche wie Transferleis- tungen oder Postadresse Wohnungslosigkeit höchst unmittelbar betreffen und daher auch Betroffene beider Geschlechter oder unterschiedlichen Alters gleichermaßen (vgl. u.a. Vo- raussetzungen zum BMS Bezug in Wall 2016: 347ff). Die Differenzen in fast allen der wei- teren Herausforderungen sind allerdings, mehr denn je, Indiz für die Bedeutung von Gendersensibilität (vgl. Anderson 2001: 7f, Arhant et al. 2013: 9f, Loibl, Corazza 2011: 85f,) und die Bedeutung des Alters (vgl. Anderson 2001: 4, Wenzel et al. 2012: 1ff) in der Arbeit mit Wohnungslosen im Allgemeinen und jungen Wohnungslosen im Speziellen. Hinsichtlich der Differenzen ist erneut zu beachten, dass weibliche Klient_innen tendenziell jünger sind und somit Interaktionseffekte zwischen den soziodemographischen Variablen Alter und Geschlecht nicht ausgeschlossen werden können. Des Weiteren sind Frauen und Emerging Adults zwischen 25 und 30 Jahren betreuungsintensiver. Nachdem die Betreu- ungsintensität ein Verhältnis zwischen Beratungen und Betreuungsdauer ist, sind höhere Werte betreuungsintensiverer Gruppen implizit. Im Folgenden wird nur differenzierter auf Unterschiede eingegangen, die sowohl arithme- tisches Mittel als auch Median oder ausschließlich den Median betreffen. Kombination aus höherem arithmetischen Mittel und ähnlichem Median, werden als Extremwerte interpre- tiert und nicht detaillierter erläutert. Sie sind, wie oben beschrieben, Ausdruck der Diversi- tät. Um allerdings signifikante Unterschiede betreffend arithmetischen Mittel zu belegen, wäre ein statistisch gesicherter Mittelwertsvergleich notwendig, der in dieser Arbeit nicht durchgeführt wurde. Geschlechtsspezifische Differenzen Die Relevanz des Themas Notquartier bei Frauen spiegelt sich auch in der Statistik zur Notquartiersnutzung wieder. Die Hypothese in Kapitel 6.1.6, dass die tendenziell weibli- chere Notquartiersnutzung aufgrund des jüngeren Frauenanteils erklärt werden könne, ist bei aufgrund der Variable Notquartier relativiert. Bei ebendieser erschließt sich die Rele- vanz durch das Verhältnis absoluter Nennungen der Kategorie zum Beobachtungszeitraum 2016 und betrifft daher keine absoluten Nächtigungen in der Biographie von Klient_innen. Die Notquartiersnutzung von Frauen in tendenziell jüngeren Jahren ist auch in weiteren Erhebungen ablesbar (vgl. u.a. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 10). Eine ge- nauere Untersuchung des vorletzten Abstraktionsniveaus kann für die Interpretation hilfe- reich sein, wurde allerdings nicht durchgeführt. So muss angenommen werden, dass in

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bestimmten Bereichen des vorletzten Abstraktionsniveaus Frauen höhere Werte erzielen als Männer. Dies kann einerseits die Zuweisungen betreffen, worauf die Notquartierssta- tistik hindeuten würde, andererseits auch mit Herausforderungen bezüglich Struktur, War- telisten oder anderen Nächtigerinnen der Notquartiere zusammenhängen. Differenzen in Kommunikationsproblemen, Auffälligkeiten und Schwierigkeiten in der Be- ratung könnten unter anderem darauf zurückgeführt werden, dass Frauen schneller, öfter oder stärker ihre Krisensituation artikulieren oder Fachpersonal eher und stärker darauf reagiert. Zur Klärung dieser Hypothese bedarf es allerdings wesentlich differenzierterer Herangehensweise als es hier möglich ist, beachtet man den Diskurs zur Konstruktion und Rekonstruktion von Geschlecht (vgl. u.a. Bitzan 2008, Vogel 2016). Des Weiteren würde der hohe Anteil asylberechtigter Frauen in Kombination mit der oben erläuterten Hypothese, dass kulturspezifische Geschlechterunterschiede bei der Annahme von Unterstützung existieren, höhere Werte der Variable professioneller Support erklären. Wie schon erläutert ist diese Hypothese nicht durch Ergebnisse der Nutzung von Gesund- heitseinrichtungen seitens somalischer Frauen gestützt (vgl. Beer 2015: 86-100). Des Wei- teren erzielen Frauen in vielen Herausforderungen hohe arithmetische Mittel, allerdings ähnliche Mediane im Vergleich zu Männern. Die Interpretation dieser statistischen Werte, dass viele Frauen in unterschiedlichen Problemdimensionen hohe Extremwerte erzielen, ist eine plausible Erklärung für höhere Relevanz des Themas professioneller Support. Der professionelle Support wäre dann je nach spezifischer Problemlage die extrem ausgeprägt ist von unterschiedlichen spezialisierten Anbieter_innen geleistet. Gleichzeitig wäre diese Interpretation durch Ergebnisse Ravenhills (2008: 118) gestützt, wonach Frauen tendenzi- ell Kontakte zum informellen Sozialen Netz abbrechen, und somit auf professionelle Unter- stützung zurückgreifen müssten. Ähnlicher Median und erhöhtes arithmetisches Mittel von Frauen bei informellen Support, relativieren jedoch diese These. Gleichwohl die statistische Testung auch bei erhöhtem arithmetischen Mittel der Männer fehlt, ist die Interpretation der Werte bei ähnlichem Median durch die hohe Relevanz bei einzelnen Klienten plausibel. Einige Klienten wären demnach hinsichtlich Dokumentation und Sachwalterschaft Ausreißer. Wie schon angemerkt, sind andere Designformen und weitere Forschung vonnöten um aus den vereinzelten Extremen Rückschlüsse ziehen zu können. Altersspezifische Differenzen Der erhöhte Median des Themas Kommunikationsprobleme, Auffälligkeiten und Heraus- forderungen in der Beratung der jüngeren Alterskohorte ist besonders vorsichtig zu inter- pretieren. Wie des Öfteren angemerkt ist der weibliche und asylberechtigte Anteil junger Klient_innen vergleichsweise hoch. Nachdem hier eine Überlappung vorliegt sind Interak- tionseffekte nicht ausgeschlossen. Thesen zur Interpretation sind somit weitgehend de- ckungsgleich zu jenen der geschlechtsspezifischen, die Sprachbarrieren, sowie Emotions- artikulation und -wahrnehmung umfassen. Sie können erweitert werden um die Hypothese, dass ältere Klient_innen seltener erstmalig wohnungslos waren. Einige Problemstellungen wurden somit in der Vergangenheit schon amnestieret und Interventionen dessentwegen

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eingeleitet. Auch wenn Lebenslagen und -welten bei episodischer oder chronischer Woh- nungslosigkeit Änderungen erliegen, ist doch beispielsweise die Reaktivierung von Res- sourcen schneller möglich, da schon Erfahrungswerte mit unterschiedlichen Angeboten gemacht wurden. Gleichzeitig könnte auch eine höhere Abgebrühtheit, da die Situation der Wohnungslosigkeit schon länger bekannt ist oder schon einmal erfahren wurde, dazu füh- ren, dass Emotionen nicht so stark Ausdruck verliehen wird wie bei erstmaliger Wohnungs- losigkeit. Der weniger offensichtliche Ausdruck einer Krise soll hier nicht gleichzusetzten sein mit deren geringerer Bedeutung für die Lebenswelt einer betroffenen Person. Ähnlich wie im geschlechtsspezifischen Vergleich, spiegelt sich der altersspezifische Ver- gleich des Themas Notquartier in der Notquartiersstatistik wieder. Dabei ist nicht zu ver- gessen, dass Notquartiere auch Thema der Beratungen waren, auch keine Nächte konsu- miert wurden. Gleichzeitig führt häufigere Nutzung von Notquartieren auch zu mehr Raum für Erfahrungen mit Notquartieren. Der Spielraum ist dabei durchaus breit und umfasst un- ter anderem Konflikte, wie im Unterpunkt zur Darstellung des zweiten Abstraktionsniveaus veranschaulicht wurde (siehe Kapitel 7.1.9). Altersdifferenzen des Themas professioneller Support widersprechen teilweise obigen Thesen zum professionellen Support. In diesen wird davon ausgegangen, dass professio- neller Support mitunter durch erhöhte Werte in Kommunikationsprobleme, Auffälligkeiten und Herausforderungen in der Beratung mitbedingt ist. Diese These verliert an Stärke, wenn die jüngere Alterskohorte einen erhöhten Median bei ebendiesen und die ältere bei professionellem Support erzielt. Die ergänzende Interpretation allerdings, dass bei schon installiertem professionellen Support die Werte in Kommunikationsprobleme, Auffälligkei- ten und Herausforderungen sinken, wäre hier passgenau. Gleichzeitig sind ältere Woh- nungslose seltener erstmalig wohnungslos. Die Manifestation von Wohnungslosigkeit kann insofern Auswirkungen auf den professionellen Support haben, als Perspektiven schon einmal eröffnet wurden und die erneute Perspektiveneröffnung die Zusammenarbeit mit weiteren Stellen erfordert. Dies kann einerseits in Form von Stellungnahmen anderen Stel- len erfolgen, andererseits durch Auflagen für Wiedereinzüge, die unter anderem regelmä- ßige Beratungen bei Stellen des psychosozialen Dienstes oder ambulanter Suchteinrich- tungen umfassen. Das vorletzte Abstraktionsniveau Die Zahl an Unterkategorien sowie deren komplexe Subsumtion zeigt die Heterogenität der Problemlagen in unterschiedlichen Bereichen. Neben der Verlängerung der Notquartiers- nutzung zeigt das vorletzte Abstraktionsniveau deutlich, dass die Lebenswelt der Notquar- tiere mit Herausforderungen verbunden ist. So waren sowohl Konflikte mit anderen Näch- tiger_innen als auch strukturbedingte Herausforderungen häufig Thema der Beratung. Werte Perspektiveneröffnung FSW veranschaulichen, wie diese Perspektive mit bürokrati- schen oder Zugangshürden in gewissen Lebenslagen verbunden sein kann (zu Dimensio- nen der Niederschwelligkeit vgl. Mayrhofer 2012: 159-176). Ängste abgelehnt zu werden, Öffnungszeiten oder notwendige Dokumente verzögerten Antragsabgabe, Gespräche oder Rückmeldungen des Öfteren um einige Tage und Wochen. Wesentlich höheres arithmeti- sche Mittel als Median sowie hohe Standardabweichung weisen darauf hin, dass sich bei

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einzelnen Personen die Antragsabgabe als besonders komplex erwies. Gleichzeitig sind Zweifel an der Anspruchsberechtigung in vielen Beratungen Thema. Dies hängt unter an- derem damit zusammen, dass Förderkriterien des FSW (2014: 2f) eindeutige, aber auch uneindeutige Kriterien, wie Unterstützungsbedarf, mit Interpretationsspielraum (vgl. Rie- senfelder 2012a: 207-210) beinhalten. Bei Nichterfüllung harter Kriterien, wie Zuzug Bun- desland sowie fehlendem oder unsicherem BMS Anspruch beziehungsweise Erwerbsein- kommen in dessen Höhe, ist die Anspruchslosigkeit eindeutig(er). Dies ist allerdings nicht damit gleichzusetzten, dass sie keinen Raum in der Beratung erhält, wenn Klient_innen Fragen oder Emotionen zu diesen äußern. Zweifel bei weichen Kriterien sind gleichzeitig häufig bis zu einer Rückmeldung des FSW und teilweise darüber hinaus Thema in Bera- tungen. Des Weiteren kann auch eine Befürwortung oder das Warten auf den Wohnplatz Thema sein, wie z.B. baldige Ummeldung oder Ansparen für Kaution und erste Miete. Neben dem privaten Wohnungsmarkt per se waren auch merkmalsorientierte Angebote wie Kolping- und Studentenheime für wohnungslose Emerging Adults eine wichtige Per- spektive. Anzumerken ist, dass keine einzige Person Erfolg am Wohnungsmarkt hatte. Prekarisierungstendenzen am Wohnungsmarkt in Wien (Schoibl 2013a: 43f) machen diese Perspektive auch zukünftig weitgehend unrealistischer. Selbst Fachkräfte stationärer Un- terbringungsformen, also in der Arbeit mit anspruchsberechtigten Klient_innen, haben größte Schwierigkeiten am privaten Wohnungsmarkt Wohnraum mit Klient_innen zu akqui- rieren (vgl. Riesenfelder et al. 2012b: 77f). Jungen Wohnungslosen bleiben somit primär merkmalsorientierte Angebote als Alternative zu Angeboten der Wohnungslosenhilfe. Für jene müssen sie allerdings das jeweilige Merkmal, wie Schulbesuche oder Erwerbstätig- keit, nachweisen. Dies traf auf ein Drittel der Untersuchungspopulation zu. Die Rückkehr ins Bundesland oder in den ehemaligen Haushalt wird mit vielen Personen besprochen. Niedrige arithmetische Mittel und Mediane zeigen allerdings auch, dass die Rückkehr für Betroffene keine realistische Alternative darstellt und die Rückkehr nicht weiterbesprochen wird. Des Öfteren waren junge Wohnungslose auch schon länger in Wien prekär aufhältig. Mangels selbstständigen Wohnraums mit Mietvertrag und Meldung, zählen diese aller- dings noch zur Gruppe Zugezogener. Dies kann auch bedeuten, dass jemand ohne Miet- vertrag in einer Wohngemeinschaft wohnte, Miete gezahlt hat, allerdings nicht im Mietver- trag stand. Diese Klient_innengruppe trifft häufig besonders hart, dass sie in der WWH keine Ansprüche hat und gleichzeitig mangels fehlender Meldung in der ehemaligen Wohn- sitzgemeinde und längerem prekärem Aufenthalt in Wien Ansprüche der regionalen Woh- nungslosenhilfe des ehemaligen Bundeslandes verwirkt sind. Die Unterkategorien zu Transferleistungen zeigen die Vielzahl an Möglichkeiten, wann Probleme bei ebendiesen auftreten können. Sowohl Werte zur Beantragung als auch Er- halt weisen dahingehend jungen Wohnungslosen Unterstützungsbedarf nach. Der Über- gang der elterlichen Fürsorge bezüglich Transferleistungen in die selbstständige Einhal- tung von Terminen oder Erbringung von Dokumenten dürfte eine besonders markante Um- stellung sein. Dies trifft insbesondere für jene Personengruppe zu, die relativ neu in Wien oder Österreich ist, da Transferleistungserbringung sowie Organisation deren Distribution von Bundesland zu Bundesland und insbesondere von Land zu Land unterschiedlich ist.

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So hat Wien beispielsweise hinsichtlich der BMS als einziges Bundesland eine Mitwir- kungspflicht (vgl. Wall 2016: 347ff). Die geringe Relevanz der Familienbeihilfe ist durch die Altersverteilung erklärbar. Familienbeihilfe kann nur in seltenen Fällen über die Volljährig- keit hinaus bezogen werden (vgl. Bundeministerium für Familien und Jugend 2017). Auch, dass die Beantragung einer Invaliditätspension sowie die Überprüfung der Arbeitsunfähig- keit wenig Relevanz haben, ist in dieser Altersgruppe und hinsichtlich der geringen Rele- vanz schwerer psychischer oder physischer Erkrankungen nicht ungewöhnlich. Wie schon des Öfteren dargestellt, scheinen junge Wohnungslose ein geringes Maß an Unterstützung von ihrer Familie zu erhalten. So wurde wesentlich seltener über prekäre Nächtigungen bei Familienmitgliedern als bei Freunden, Bekannten oder Lebensge- fährt_innen im Verhältnis zur Betreuungsdauer gesprochen. Diesbezüglich sei allerdings anzumerken, dass nicht für jede Person, beispielsweise zugezogene Klient_innen, Famili- enmitglieder gut erreichbar sind. Wie schon bei der Interpretation und Diskussion zum Zu- zug angemerkt, kann dieser allerdings auch als geringes Maß sozialer Unterstützung inter- pretiert werden. Die regelmäßige Thematisierung des Nächtigens auf der Straße, in Hotels oder Frauenhäusern, ist erneut die Bestätigung, dass einige Personen sehr reserviert der Notquartiersnutzung gegenüberstehen. In dem Kontext dürfte keinen Platz erhalten zu ha- ben wesentlich weniger Einfluss haben, da die kein Platz Statistik sehr gering ausfiel. Ge- ringe arithmetische Mittel und Mediane bei allen Unterkategorien, sind Indikator für die Ak- zeptanz der Lebenswelt und -weise von Klient_innen seitens des Fachpersonals sowie der Verfestigung von Lebensstilen bei wohnungslosen Emerging Adults. Auch die Subkategorie Wohnbiographie weist aufgrund der Häufigkeit des Verlusts von Wohnraum aufgrund Konflikten in der Familie sowie Erfahrungen mit stationärer Unterbrin- gung auf Konflikte und mangelnde Unterstützung im Familiensystem hin. Wichtig zu be- achten ist bei der Statistik, dass Mehrfachnennungen möglich waren. Somit kann eine Per- son Wohnraum aufgrund Konflikts in der Familie verloren, gleichzeitig aber auch Erfahrun- gen mit stationärer Unterbringung gesammelt haben. Sowohl Familienkonflikte als auch die Relevanz stationärer Unterbringung sind in der Fachliteratur als evident ausgewiesen (vgl. Hyde 2005: 180ff, Mallet et al. 2005: 196ff, Ryan 2012 et al. 2012: 47, 74, Piat et al. 2015: 2375, Ravenhill 2008: 106). 7.1.10. Anspruch auf einen Wohnplatz Der Anspruchsstatus bezüglich eines geförderten Wohnplatzes ist in dieser Arbeit von be- sonderem Interesse. Die hohe Anzahl an Personen, in deren Dokumentation ‚kein Antrag, kein Anspruch‘ vermerkt wurde, kann in geringem Ausmaß durch Aufenthaltsstatus und in hohem Ausmaß durch Zuzug aus dem Bundesland erklärt werden. Kreuztabellen zeigen, dass bis auf einen Fall alle durch Zuzug Bundesland oder falsche Aufenthaltstitel (jeweils 12 Fälle) erklärt werden können. Ablehnungen und Befürwortungen eines Wohnplatzes wurden ausschließlich bei telefonischer oder schriftlicher Verifizierung gewertet. Da diese P7 nur selten vorliegen, ist eine Verzerrung möglich. In der vorliegenden Arbeit beläuft sich das Verhältnis auf 34% Bewilligungen zu 11% Ablehnungen. Die geringe Zahl an Ableh- nungen ist trotz der Möglichkeit einer Verzerrung überraschend. Es ist allerdings darauf

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hinzuweisen, dass 2011 39% der Antragssteller_innen zwischen 18 und 31 Jahren alt wa- ren, während 34% derselben Altersgruppe tatsächlich für einen festen Wohnplatz bewilligt wurden und einzogen sind (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 4-9). Trotz der überraschend häufigen Bewilligungen, ist die Hälfte der jungen Wohnungslosen Wiens ohne Ansprüche in der WWH ist. Erneut muss darauf verwiesen werden, dass P7 nicht alle Klient_innengruppen gleichermaßen abdeckt und somit durchaus eine Nivellie- rung dieser Werte nach oben wahrscheinlich ist. (siehe Kapitel 7.1.2) Mögliche Gegenten- denzen könnten entstehen, wenn eine betroffene Person nie Kontakt mit einer ambulanten Beratungsstelle hatte und eine Befürwortung oder Ablehnung hinsichtlich eines betreuten Wohnplatzes erhielt. Nachdem die Regressionsmodelle ausschließlich Personen mit oder ohne Anspruch umfassen und diese Werte gesichert sind, besteht bei Regressionsmodel- len keine Gefahr der Verzerrung. 7.2. Perspektive WWH – Anspruch oder nicht? Im folgenden Abschnitt wird sich dem zweiten Teil der Forschungsfrage, dem Zugang zu weiterführenden Angeboten der WWH, gewidmet. Zuerst werden getestete Faktoren der diversen Modelle und anschließend die Modelle und deren Relevanz interpretiert und dis- kutiert. In Kombination mit den signifikanten sozialdemographischen Einflussfaktoren österreichi- sche Staatsbürgerschaft und Erwerbstätigkeit, ist erstmalige Wohnungslosigkeit in zwei Modellen signifikant. Des Weiteren können fünf der 19 getesteten Merkmale junger Woh- nungsloser als relevant für die Anspruchsberechtigung ausgewiesen werden. Dabei hat die prozentuell häufigere Nennung der Themen Notquartier und Perspektive im Verhältnis zur Betreuungszeit einen positiven Einfluss. Für die Themen Ausbildung, Schlafen prekär und Elternschaft, Gender und Sexualität werden negative Einflüsse ausgewiesen. Unter Kon- trolle erstmaliger Wohnungslosigkeit sinken die Chancen aller Merkmale. Für Notquartier und Perspektive bedeutet dies, dass eine Förderbewilligung ein wenig unwahrscheinlicher wird. Bei Merkmalen mit negativem Einfluss, dass ebendieser verstärkt wird. Zwei Regressionsmodelle werden jedenfalls, abhängig vom Ziel der Anwendung, aufgrund deren Güten vorgeschlagen. 7.2.1. Egal wie alt, ob Frau, ob Mann - Zur Einflusslosigkeit von Alter, Geschlecht und weiteren Faktoren Geschlecht und Alter sind in keinem der Modelle signifikant. Dies ist insofern unerwartet als sie in der Fachliteratur des Öfteren als wesentliche Faktoren in der Entstehung und Manifestation von Wohnungslosigkeit genannt werden (vgl. Anderson 2001: 7f, Loibl, Corazza 2011: 85f, Ravenhill 2008: 108) und deutliche Tendenzen erkennbar sind, dass wohnungslose Emerging Adults mehr Anträge (Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 4-9) auf stationäre Wohnplätze stellen als untergebracht werden. Die Hypothese der Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose (2013b: 6), wonach hohe Flexibilität und Mobilität dazu führen, dass Abklärungsprozesse nicht abgewartet werden, scheint somit teilweise bestätigt. Des Weiteren lag 2007 österreichweit der Frauenanteil ambulanter Einrichtungen

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bei 21%, jener betreuter Wohnformen allerdings bei 31% (vgl. BAWO 2009: 82). Ein posi- tiver Einfluss des Geschlechts bei Frauen wäre somit naheliegend gewesen. Es ist immer noch möglich, dass Alter und Geschlecht mittelbar, aufgrund extremer Ausprägungen sig- nifikanter Variablen, Einfluss auf die Anspruchsberechtigung haben. Dies kann allerdings nur durch Kontrollgruppen überprüft werden. Je nachdem welches Ziel von der WWH angestrebt wird, ist das Ergebnis der Einflusslo- sigkeit von Alter und Geschlecht positiv oder negativ zu bewerten. Beim Ziel gänzlicher Gleichbehandlung ist Einflusslosigkeit positiv. Sollten allerdings gewisse Personengrup- pen, wie besonders junge Klient_innen, bevorzugt behandelt werden, wird das Ziel bei die- sem Sample nicht erfüllt. Ebenfalls keinen signifikanten Einfluss zeigen die Anerkennung eines Asylstatus, der Er- werb eines Daueraufenthalts für EU und EWR Bürger_innen sowie der Schul- oder Univer- sitätsbesuch oder die Betreuungsintensität. Die Insignifikanz des Aufenthaltstitels Asylberechtigung ist insofern erfreulich, als dass die Personengruppe gemäß Förderkriterien (FSW 2014: 2f) zur Gleichstellung mit österreichi- schen Staatsbürger_innen und zur BMS anspruchsberechtigt sind. Selektive oder nachtei- lige Auslegung ist damit statistisch bei diesem Sample ausgeschlossen. Ähnliches gilt für den Aufenthaltstitel Daueraufenthalt für EU und EWR Staatsbürger_innen (vgl. ebd.), wo- bei deren BMS Anspruch nicht automatisch durch den Erwerb des Titels (vgl. Wall 2016: 347ff) gesichert ist. 7.2.2. Die Nationalität - österreichische Staatsbürgerschaft als positiver Einfluss Nicht im Besitz einer österreichischen Staatsbürgerschaft zu sein hatte in allen Regressi- onsmodellen einen signifikanten, negativen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit einer För- derbewilligung für einen weiterführenden Wohnplatz beziehungsweise auf die Anspruchs- berechtigung von Klient_innen. Die Chance ohne Staatsbürgerschaft anspruchsberechtigt zu sein liegt je nach Modell nur zwischen 4% und 22%. Dabei hat der Ausschluss insigni- fikanter soziodemographischer sowie der Einschluss von Arten der Wohnungslosigkeit, Be- treuungsintensität und / oder signifikanter Variablen der QIA einen effektsteigernden Ein- fluss. Der positive Einfluss der österreichischen Staatsbürgerschaft ist demnach im Modell QIA am niedrigsten, gefolgt von den Modellen Betreuungsintensität und Art der Wohnungs- losigkeit. Nachdem Asylstatus und Daueraufenthalt für EU und EWR Bürger_innen insignifikant ge- testet wurde, dürften vor allem Personen nicht österreichischer Staatsbürgerschaft mit an- deren Aufenthaltstiteln, wie beispielsweise der Anmeldebescheinigung für EU und EWR Staatsbürger_innen, für den negativen Einfluss ausschlaggebend sein. Dieser würde sich unter anderem dadurch erklären, dass nur in seltenen Fällen BMS bezogen werden kann und / oder eine Gleichstellung mit österreichischen Staatsbürger_innen nicht gegeben ist (vgl. Wall 2016: 347ff). Kritisch zum eingeschränkten Zugang von EU und EWR Bürger_in- nen in Wien äußert sich unter anderem Peter Chwistek (2013).

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7.2.3. Durch Arbeitslosigkeit zur Unterstützung? - Arbeit als hemmender Faktor Auch die Erwerbstätigkeit von Klient_innen wurde in allen Modellen als signifikant ausge- wiesen, wobei im Fall des soziodemographischen Modells die Odds Ratio nicht von 1 ver- schieden und daher das Ergebnis nicht statistisch abgesichert ist. Spannend ist insbeson- dere, dass Erwerbstätigkeit einen stark negativen Einfluss auf die Anspruchsberechtigung hat. Bei Arbeitslosigkeit im gesamten Beobachtungszeitraum war die Chance 10 bis 64 Mal höher Anspruch auf einen weiterführenden Wohnplatz zu haben. Wie in der Interpretation der österreichischen Staatsbürgerschaft hat Erwerbstätigkeit im Modell QIA den größten Einfluss, gefolgt von den Modellen Art der Wohnungslosigkeit und Betreuungsintensität. Der enorme Einfluss von Erwerbstätigkeit könnte durch drei Szenarien erklärt werden:  Erwerbstätigkeit erhöht die Chance auf einen Gemeindewohnungserhalt bei Wohn- werber_innen über die Beurteilung der Wohnungskommission. Bei Vorliegen sozi- aler Härte kann eine Wohnungswerber_in sich an die Wohnungskommission wen- den, die deren Situation individuell auf soziale Härte prüft und gegebenenfalls das „Abgehen von den Vergaberichtlinien empfehlen“ (vgl. Magistratsabteilung 50 2017). Diese Perspektive ist jenen Angeboten der Wohnungslosenhilfe vorzuzie- hen, da sie eigenen Wohnraum beschreiben. Allerdings hatten nur wenige Kli- ent_innen des Samples, realistische, und damit verfolgte, Gemeindewohnungsper- spektiven.  Des Weiteren muss mitbedacht werden, dass P7 primär für jene EU und Drittstaats- angehörigen zuständig ist, die BMS nachweisen können. Demensprechend dürfte das Sample überdurchschnittlich viele Personen mit ausländischer Staatsbürger- schaft beinhalten die arbeiteten, da aktuelles Erwerbseinkommen oder Erwerbsein- kommen über bestimmte Zeiträume bei den meisten Aufenthaltstiteln Vorausset- zung für der BMS ist. Diese Hypothese wurde per Kreuztabelle überprüft: Während 14.3% der österreichischen Staatsbürger_innen arbeiteten, arbeiteten exakt ein Viertel der ausländischen Staatsbürger_innen im Untersuchungszeitraum. Auch in Stellungnahmen der Sozial- und Rückkehrberatung wird angeführt, dass die ar- beitsmarktpolitische Lage im Heimatland und der Wunsch nach Arbeit aber auch schon bestehende Wohnungslosigkeit vor der Migration wesentlich Push- bezie- hungsweise Pullfaktoren für EU und EWR Bürger_innen sind (vgl. Budin et al. 2013: 27-33, Wimmer 2014).  Einen großen Einfluss dürfte die Erwerbstätigkeit unter dem Aspekt des Unterstüt- zungsbedarfs, als Förderkriterium des FSW (2014: 2f) für die Befürwortung weiter- führender Unterstützung, haben. So dürften Klient_innen mit Erwerbstätigkeit ent- weder weniger Unterstützungsbedarf attestiert bekommen oder tatsächlich weniger aufweisen. Unterstützungsbedarf wird laut FSW (2014: 1) jenen attestiert, „die auf Grund ihrer derzeitigen psychosozialen Situation ohne professionelle Hilfe nicht in der Lage sind ihre Obdach- bzw. Wohnungslosigkeit zu überwinden“. Riesenfelder et al. (2012a: 207-210) weisen aus, dass der Begriff Unterstützungsbedarf inner- halb der WWH äußerst kritisch bedacht wird, da er viel Interpretationsspielraum lässt. Dies zeigt sich auch in dieser vagen Interpretation.

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7.2.4. Rasche versus stabile Hilfe - Warum erstmalige Wohnungslosigkeit hemmt Unter den Arten der Wohnungslosigkeit hatte nur erstmalige einen signifikanten Einfluss in den Regressionsmodellen. In beiden Fällen war der Einfluss von erstmaliger Wohnungslo- sigkeit deutlich negativ. Sind Klient_innen episodisch oder chronisch wohnungslos, weisen ihnen die Regressionsmodelle eine 5.5 bis 6.3 Mal höhere Wahrscheinlichkeit aus an- spruchsberechtigt zu sein. Bei Kontrolle von Betreuungsintensität war der Effekt schwä- cher. Wurden anstelle der Betreuungsintensität Variablen des Modells QIA eingeschlos- sen, war der Effekt von erstmaliger Wohnungslosigkeit noch schwächer und insignifikant. Es scheint als beinhalte Betreuungsintensität und Art der Wohnungslosigkeit teilweise ähn- liche Informationen. Die Einflussrichtung von erstmaliger Wohnungslosigkeit ist insofern erklärbar, als dass Per- sonen die episodisch oder chronisch wohnungslos sind, höhere Wahrscheinlichkeit aufwei- sen dürften Anspruchsvoraussetzungen für Wohnplätze (vgl. FSW 2014: 2f) zu erfüllen.  So erhielten episodisch wohnungslose Personen entweder schon Unterstützung o- der hatten für zumindest ein Jahr eine Unterkunft. Außer wenn die Unterkunft hoch prekär oder in einem Bundesland war, sollten somit Anspruchsvoraussetzung be- züglich des Lebensmittelpunkts in Wien gegeben sein. Wenn schon einmal geför- dert wurde, dürften die Anspruchsvorrausetzungen zu Unterstützungsbedarf und Commitment zu hoher Wahrscheinlichkeit erneut erfüllt werden. Insbesondere Un- terstützungsbedarf ist episodischer Wohnungslosigkeit mit großer Wahrscheinlich- keit implizit. Die Theorie wird dadurch gestützt, dass junge Klient_innen, die häufi- ger erstmals wohnungslos sind, eher aus Bundesländern zugezogen sind.  Komplizierter sind Erklärungsmodelle hinsichtlich chronischer Wohnungslosigkeit, da diese permanente Manifestation bedeutet. Wohnungslosigkeit wurde somit in keiner Weise auch nur temporär überwunden. Perspektiven der WWH innerhalb eines Jahres nicht zu erschließen, kann unterschiedliche Ursachen haben: o So kann aufgrund von Uneindeutigkeit der Anspruchsberechtigung, deren Abklärung lange Zeit dauern oder die soziale Härte erst durch Härtefallan- träge (vgl. ebd) in zweiter Instanz, und damit in längerer Prozedur, festge- stellt werden. o Gleichzeitig könnte allerdings auch wachsender Druck auf wohnungslose Emerging Adults, beispielsweise das plötzliche Ausbleiben sozialer Unter- stützung, oder die langwierige Besorgung benötigter Dokumente dazu füh- ren, dass die Antragsabgabe spät und nicht unmittelbar bei Eintritt der Woh- nungslosigkeit stattfindet. Die Ergebnisse implizieren einerseits das erfreuliche Ergebnis, dass junge Wohnungslose, die schon einmal weiterführende Angebote erhielten, eher erneut auf Unterstützung ver- trauen können. Insbesondere unter Beachtung der hohen Mobilität und Instabilität der Ziel- gruppe ist dies ein wichtiger Stabilitätsfaktor, dessen Mangel unter anderem von Barker (2016: 677-681) kritisiert wird. Andererseits deuten die Ergebnisse darauf hin, dass viele Personen, die erstmalig wohnungslos sind, um deren Förderbewilligung zittern müssen, in Relation zu Betroffenen, die episodisch oder chronisch wohnungslos sind. Die Ergebnisse 91

regen somit insbesondere in Richtung jener Personengruppe einen kritischen Diskurs an, die laut den Förderkriterien des FSW (2014: 2f) anspruchsberechtigt sind, aber sich die Wege der Antragsabgabe aufgrund geringer Niederschwelligkeit (Bürokratie, Öffnungszei- ten, etc.) deutlich verzögern und zur Chronifizierung von Wohnungslosigkeit beitragen. Riesenfelder et al. (2012b: 29) erhoben die Zeitspanne zwischen Erstkontakt mit der WWH und Einzug in die aktuelle Einrichtung bei Übergangswohnheimbewohner_innen. Zwischen Erstkontakt mit der WWH und dem Eintritt in die aktuelle Einrichtung liegen bei knapp der Hälfte der Bewohner_innen mehr als ein Jahr. Zu dieser Gruppe zählen allerdings auch Personen, die Einrichtungen wechselten und nie bei einer ambulanten Beratungsstelle Un- terstützung suchten. Die erstmalige Befürwortung von bzWo für einen Wohnplatz kann da- her innerhalb des ersten Jahres der Wohnungslosigkeit stattgefunden haben. Des Weite- ren beantragt nicht jede Person bei Eintritt in die Wohnungslosigkeit zum ehest möglichen Zeitpunkt ein derartiges Unterstützungsangebot und nur ein Bruchteil der Bewohner_innen von weiterführenden Angeboten verzeichnete den Erstkontakt bei einer Beratungsstelle. Trotz dieser Limitationen bekräftigt die Statistik das Ergebnis negativer Einflussnahme von erstmaliger Wohnungslosigkeit nach der hier gewählten Definition. Mit höherer Wahr- scheinlichkeit erhalten Personen, die über ein Jahr oder episodisch wohnungslos sind und somit den Erstkontakt vor über einem Jahr verzeichneten, einen Wohnplatz. 7.2.5. Muss ich mich erst mit Notquartieren auseinandersetzen? - Zum komplemen- tären Einfluss von Notquartieren und alternativen Schlafplätzen Steigen die Prozentwerte in denen Notquartier im Betreuungszeitraum als Thema einge- bracht wird um den Wert eins, ist die Chance 2.2 mal höher Anspruch auf einen weiterfüh- renden Wohnplatz zu haben. Im Kontrast sinkt die Wahrscheinlichkeit bei Schlafen prekär. Bei Steigerung des Wertes um eins liegt die Wahrscheinlichkeit nur bei einem Fünftel. Die Erklärung des positiven Einflusses der Variable Notquartier, kann durch die Subkate- gorien des vorletzten Abstraktionsniveaus interpretiert werden (siehe 7.1.9). In dieser ist einerseits die Notquartiersnutzung inkludiert. Diese impliziert eine verstärkte Perspektiven- arbeit, da häufiger Gespräche stattfinden um Notquartiere zu verlängern. Sie kann per se noch keinen Einfluss auf die Anspruchsberechtigung haben, da nur rascher eine Antwort herbeigeführt wird. Allerdings können nur bestimmte Personengruppen, deren Anspruch naheliegend ist oder zumindest einer Abklärung bedarf, in Sommermonaten das Notquar- tier nutzen. Personengruppen deren Anspruch eindeutig nicht vorhanden ist, muss außer- halb des Winterpakets ein Notquartiersplatz verweigert werden. Auch wenn bei dieser Per- sonengruppe Notquartiere Thema sein können, sind sie es wohl nur in wesentlich geringe- rem Ausmaß. Andererseits können Subkategorien zu Herausforderungen im Notquartier zu einem gewissen Grad als leicht identifizierbarer Unterstützungsbedarf interpretiert wer- den. Die Hypothese ist somit, dass bei häufigen Hausverboten, Problemen mit strukturellen Rahmenbedingungen oder Konflikten mit Notquartiersnutzer_innen aufgrund des offen- sichtlicheren abweichenden Verhalten, eher Unterstützungsbedarf attestiert wird. Nicht au- ßer Betracht gelassen werden darf, dass wohnungslose Personen dieses Samples zwi- schen 18 und 25 Jahren seltener Notquartiere in Anspruch nehmen und auch der Mittelwert und Median der QIA niedriger sind als jene der älteren Alterskohorte. Gleichzeitig waren

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sie wesentlich häufiger erstmals wohnungslos, welches, wie schon interpretiert und disku- tiert, einen negativen Einfluss auf die Anspruchsberechtigung hat. Prekäres Nächtigen wird im Regressionsmodell als negativ ausgewiesen. Eine nahelie- gende Hypothese, dass insbesondere Personen, die Anspruchskriterien nicht erfüllen, pre- kär nächtigen, da sie keine oder nur befristet Notquartiere im Sommer nutzen können, (vgl. Chwistek 2013) kann in diesem Sample trotz Überprüfung nicht eindeutig bestätigt werden. Die Häufigkeiten und Verteilung von Zuzug Bundesland beziehungsweise der Aufenthalts- titel bei Personen, bei denen prekäres Nächtigen eine Rolle spielte, war weitgehend ähn- lich zu jenen der gesamten Untersuchungspopulation. Dennoch liegt die Vermutung nahe, dass insbesondere Personen prekäres Schlafen in Beratungen besprechen, die selten das Thema Notquartier einbringen. Dies ist schon durch Anamnesen des Fachpersonals be- gründet in denen selbstverständlich abgefragt wird, ob Betroffene prekär nächtigen können und daher kein Notquartier benötigen. Unterstützung bei der Interpretation bietet ein Streu- diagramm. (vgl. Abbildung 17)Abbildung 17: Streudiagramm - prekäres Schlafen und Not- quartiersnutzung sowie deren Auswirkung auf die Anspruchsvoraussetzungen. Aus diesem geht hervor, dass prekäres Nächtigen durchaus häufig auch zu Förderbewilligungen führt sofern der Wert niedrig ist. Zusätzlich häufiger das Thema Notquartier einzubringen zeigt hierbei den schon oben beschriebenen positiven Effekt. Geringe Bedeutung des Themas Notquartier und hohe Bedeutung des Themas prekäres Nächtigen wirkt dabei deutlich ne- gativ auf die Förderbewilligung. Der schon zu Anfangs geäußerte Verdacht, dass Werte der Variablen tendenziell indirekt proportional sind, bestätigt sich im Streudiagramm (vgl. Abbildung 17), ist aber nicht statistisch abgesichert. Diese Sachlage ist insofern misslich, als es den Anschein hat, dass junge Wohnungslose sich erst gezwungen fühlen müssen ein Notquartier in Erwägung zu ziehen (also zumindest darüber in Beratungen zu sprechen) um weiterführende Unterstützung zu erhalten. Solange sie noch soziale Unterstützung im Bekannten- oder Familienkreis erhalten, sieht die WWH weniger Handlungsbedarf.

Abbildung 17: Streudiagramm - prekäres Schlafen und Notquartiersnutzung sowie deren Auswirkung auf die Anspruchsvoraussetzungen

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7.2.6. Positiver Leidensdruck? - Erfahrene Wohnungslosigkeit & Perspektivenarbeit Steigt das Thema Perspektive um den Wert eins, ist die Chance 3.5 Mal höher anspruchs- berechtigt zu sein. Der positive Einfluss der Variable Perspektive ist durchaus naheliegend. Dabei ist zu beachten, dass die Nennungen im Verhältnis zur Betreuungszeit stehen und nicht zu den Beratungen. Klient_innen, die somit in hundert Betreuungstagen eine Bera- tung in Anspruch nahmen in der das Thema Perspektive besprochen wurde, weisen somit geringere Werte auf als Personen, die im selben Zeitraum zehn Beratungen hatten und fünf Mal das Thema einbrachten. Einerseits ist der Signifikanz von Perspektive abzuleiten, dass mehr Unterstützung bei der Erfüllung von Voraussetzungen, wie beispielsweise bei der Dokumentenbeschaffung ge- sucht und / oder benötigt wird. Anderseits scheint der von Betroffenen verspürte Druck auf Wohnversorgung ein höherer, da entweder Klient_innen öfter das Thema Perspektive ein- bringen oder vom Fachpersonal häufiger gezielt auf eine Perspektiveneröffnung hingear- beitet wird. Beide Interpretationen können in gewisser Weise als Indikator für „Unterstüt- zungsbedarf“ (vgl. FSW 2014: 2) und Notlage verstanden werden. 7.2.7. Zukunftsvision ade? - Ausbildung als negativer Einflussfaktor Steigt der Wert von Ausbildung um eins, haben betroffene Klient_innen nur mehr eine Chance von drei Viertel auf eine Förderbewilligung. Betrachtet man bei welchen Klient_in- nen Ausbildung besonders häufig eine Rolle spielt, zeigt sich, dass insbesondere Be- troffene ohne österreichischer Staatsbürgerschaft oder junge Klient_innen, die vermehrt erstmalig wohnungslos waren, das Thema Ausbildung in die Beratungen einbrachten. Dies geschah sowohl unter dem Gesichtspunkt eine Ausbildung abzubrechen, eine Ausbildung zu absolvieren als auch absolvieren zu wollen. Unbeachtet welches Motiv der Einbringung zu Grunde liegt, zeigt die Einbringung per se, dass sich Klient_innen Unterstützung wünschen. Somit zeigt sich der negative Einfluss im Kontext des Förderkriteriums „Unterstützungsbedarf“ (FSW 2014: 2) widersprüchlich. Al- lerdings kann der Schulbesuch per se, der Wunsch nach einer Ausbildung oder der Ab- bruch einer Ausbildung als Strukturiertheit oder Realitätsnähe ausgelegt werden und somit die Chance Unterstützungsbedarf attestiert zu bekommen schmälern. Sehr viel wahrscheinlicher, wenn auch nicht bestätigt, ist allerdings, dass Ausbildung mit erstmaliger Wohnungslosigkeit oder Staatsbürgerschaft starke Interaktionseffekte auf- weist. Personen hätten daher nicht ausschließlich geringere Chancen auf Anspruchsbe- rechtigung aufgrund nicht attestiertem Unterstützungsbedarfs, sondern auch aufgrund ih- rer sozialdemographischen Merkmalsverteilung. Dies wäre insofern nachlässig, als dass damit Chancen Ausbildungen abzuschließen oder anzufangen abgebaut werden könnten, welches unmittelbar negative Auswirkungen Chancen am Arbeitsmarkt und damit Woh- nungsmarkt für Betroffene hätte. 7.2.8. Habe keine Kinder, rede nicht über Sexualität - Der Einfluss von Elternschaft; Gender und Sexualität als zukünftiger Forschungsauftrag Steigt der Wert des Themas Elternschaft, Gender und Sexualität um den Wert ein, liegt die Chance auf Anspruchsberechtigung nur noch bei 2%. Das Thema Elternschaft, Gender

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und Sexualität reicht von Schwangerschaft bis zu Probleme im Kontakt zu den eigenen minderjährigen Kindern. Des Weiteren zählen Homo-, Inter- oder Transsexualität als rele- vant, sofern es diesbezüglich psychosozialer Unterstützung, beispielsweise aufgrund von Marginalisierungsprozessen oder inneren Konflikten, bedarf. In diesem Sample beschäftigten Klient_innen am häufigsten Konflikte mit ehemaligen Part- ner_innen, welche die alleinige Obsorge gemeinsamer Kinder zugesprochen bekamen, so- wie die belastete Beziehung zu den leiblichen Kindern. In Studien zu wohnungslosen Vä- tern wird unter anderem die Vernachlässigung von Eltern-Kind Beziehungen auf unter- schiedlichen Ebenen kritisiert und der Anteil der Vater-Kind Beziehung an psychosozialen Krisen erläutert (vgl. Arhant et al. 2013). Zu ähnlichen Ergebnissen kommt Ravenhill (2008: 118), die das Leid und die Scham durch den Verlust der Kinder aufgrund der Woh- nungslosigkeit betont. Marc Diebäcker et al. (2015: 27) resümieren: „Die Figur der Familie tritt dabei in zweierlei Dimensionen besonders in den Vordergrund: Erstens repräsentiert sie das zentrale soziale Bezugssystem der Männer, durch das sie in einem weniger prekären Alltag vor der Wohnungslosigkeit Sicherheit, Orientierung und Stabilität gefunden haben. Zweitens wird Familie mit Bildern von gelingender Lebensfüh- rung und gesellschaftlicher Normalität verbunden, sodass sie perspektivisch als Orientie- rungsmaßstab und (Re-)Integrationsinstanz gedeutet wird und zugleich aufgrund von Tren- nung oder familiären Krisen als gewünschte Form nicht mehr realisierbar erscheint.“ (ebd). Um wirklich eindeutige interpretieren zu können, ist eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Themenbereich Elternschaft, Gender und Sexualität sowie deren Herausforderungen notwendig. Betrachtet man die Themen einzeln, sollte eigentlich kein negativer Einfluss von diesen ableitbar sein. Eine Ausnahme wäre, wenn die Gruppe der Personen, bei denen Elternschaft, Gender und Sexualität eine große Rolle spielt, überproportional jener Kli- ent_innengruppe, die harte Anspruchskriterien wie BMS Anspruch nicht erfüllen, ent- spricht. Einerseits liefert die gruppenspezifische Auswertung zu Zuzug Bundesland, als eindeutigster harter Grund für Anspruchslosigkeit, für diese Hypothese keine Hinweise. Andererseits würde sich bei der Ablehnung aufgrund harter Kriterien und starker Betonung des Themas Elternschaft, Gender und Sexualität häufig die Frage nach „besonders be- rücksichtigungswürdigen Fällen“ (FSW 2014: 2) stellen. Denn, wie in diesem Unterpunkt einleitend dargestellt, umfasst die Kategorie unter anderem Schwangerschaft, schwer be- lastete Beziehungen oder starke Marginalisierung und innere Konflikte. Aufgrund der hohen Unschärfen und Unbekannten des Themas Elternschaft, Gender und Sexualität, ist dieses Themengebiet im Speziellen bei zukünftigen Forschungsvorhaben zu berücksichtigen um differenziertere und eindeutigere Aussagen tätigen zu können. 7.3. Vorgeschlagene Modelle Anhand der vorliegenden Daten können insbesondere zwei Modelle empfohlen werden. Das Modell Betreuungsintensität besticht vor allem in Knappheit an Freiheitsgraden bei hohem Vorhersagewert. Zwar ist ein Freiheitsgrad insignifikant und Chi-Quadrat sowie -2LL und R² legen nur eine leichte Verbesserung der Güte nahe, dafür steigen der Vorher- sagewert von Personen ohne Anspruch um knapp 15 Prozentpunkte. Das Modell ist be-

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sonders ökonomisch und daher für rasche oder große Berechnungen interessant. So kön- nen über standardisiert erhobene Variablen und Wenn-Dann Funktionen Arten der Woh- nungslosigkeit sowie die Betreuungsintensität berechnet werden. Aufwendige Erhebungs- prozesse werden somit umgangen. Das zweite vorgeschlagene Modell ist jenes der QIA. Eine hohe Zahl an Freiheitsgraden steht sehr hohen Erklärungswerten und Modellgüten des Gesamtmodells gegenüber. Da- bei beschreibt es über vier Fünftel des Anspruchs auf weiterführende Wohnplätze. Für dif- ferenzierte Aussagen ist es jedenfalls anderen Modellen vorzuziehen, wobei die Erhebung der Merkmale relativ aufwendig ist. Die Erweiterung um einen Freiheitsgrad, die Variable erstmalige Wohnungslosigkeit, bedeutet nochmals eine Komplexitätssteigerung. Da nur leichte Steigerungen der Aussagekraft und Modellgüten bei Einschluss von erstmaliger Wohnungslosigkeit erzielt werden können, ist im Sinne eines knapperen und weniger kom- plexen Modells zu entscheiden.

8. Resümee und Ausblick Die vorliegende Arbeit bestätigt, dass Emerging Adults eine der größten Altersgruppen der Wohnungslosen Wiens darstellen. Das Profil junger Wohnungsloser ist von Diversität und Heterogenität geprägt. Außerdem zeigen sich deutliche Hinweise sowohl alters- als auch geschlechtsspezifischer Charakteristika sowie die hohe Betroffenheit von Migrant_innen und die Bedeutung von Arten der Wohnungslosigkeit. Die Untersuchungen bietet außer- dem Evidenz für die schwere Adressierbarkeit der Zielgruppe. Ergebnisse zu Arten der Wohnungslosigkeit zeigen, dass Wohnungslosigkeit bei Emerging Adults tendenziell in jungen Jahren erstmalig eintritt. Gleichzeitig zeigt sich ein deutlicher Anstieg episodischer und chronischer Wohnungslosigkeit bei Emerging Adults zwischen 25 bis 30 Jahren im Vergleich zur Alterskohorte 18 bis unter 25 Jahre. Die Beobachtung bestätigt den dringenden Bedarf (vgl. Somerville 2013: 408f) an Untersuchungen zu We- gen während, aus, aber auch nach der Wohnungslosigkeit von Emerging Adults. Der hö- here Anteil episodisch wohnungsloser Emerging Adults zwischen 25 und 30 Jahren legt nahe, die Nachhaltigkeit der WWH teilweise zu hinterfragen. Insbesondere gilt es die Qua- lität der Wohnversorgung (Stichwort verdeckte Wohnungslosigkeit) zu ermitteln, wenn Emerging Adults Wohnungslosigkeit überwinden. Des Weiteren stellen sich die Fragen, weshalb sie erneut wohnungslos werden sowie welche Ressourcen ihnen dabei helfen nicht wieder wohnungslos zu werden. Diskutierte Erklärungsmodelle zum Anstieg episodi- scher und chronischer Wohnungslosigkeit in der vorliegenden Arbeit umfassen einen suk- zessiven, treffsicheren Ausschluss nicht anspruchsberechtigter Emerging Adults seitens der WWH, von Hemma Mayrhofer (2012: 168) als „Zielgruppeneinschränkung“ bezeichnet, sowie nicht passgenaue Angebote, auf welche seitens Emerging Adults mit Reaktanz (vgl. Klug, Zobrist 2013: 79-87) reagiert wird. Des Weiteren besitzen wohnungslose Emerging Adults überproportional im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung Wiens (vgl. Statistik Austria 2017) eine ausländische Staatsbürger- schaft. Asylberechtigung ist der häufigste Aufenthaltstitel. Die Ergebnisse zeigen auf, dass Migrant_innen stark von den Prekarisierungstendenzen am Wohnungsmarkt (vgl. Arbeits-

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gruppe Junge Wohnungslose 2013a: 2f, Ryan et al. 2012: 28-42) betroffen sind, die Siche- rung eigenen Wohnraums häufiger missglückt oder die Wege aus der Wohnungslosigkeit höhere Hürden aufweisen. In der Fallverlaufsdokumentation wohnungsloser Emerging Adults können mittels QIA in- duktiv 20 relevante Themenbereiche identifiziert werden. Sie stehen für die Vielfalt rele- vanter Dimensionen der Lebenswelt junger Wohnungsloser. Nicht überraschend sind The- menbereiche der existentiellen Grundsicherung, die unmittelbar mit Wohnungslosigkeit as- soziiert werden, wie Notquartier oder Postadresse, am relevantesten in der Beratung. Jede Lebenswelt und jede Beratung umfasst allerdings weitere relevante Charakteristika. Diese sind meist in der Anzahl pro Klient_in überschaubar, in deren Relevanz allerdings hoch ausgeprägt. Zu diesen sind beispielsweise Suchtmittelkonsum, Ausbildung, informeller so- wie professioneller Support zu zählen. Ergebnisse des vorletzten Abstraktionsniveaus der QIA beschreiben die Bedeutungen der Themenbereiche für die Lebenswelt junger Woh- nungsloser am detailliertesten. Kategorien des vorletzten Abstraktionsniveaus umfassen unter anderem Konflikte mit anderen Notquartiersnächtiger_innen, Substitutionsbeschaf- fung, Therapiewunsch, Ausbildungsabbrüche, Unterstützung durch Angehörige oder Pro- zesse der Ausweisbeschaffung. Insbesondere das Ergebnis generell hoher Relevanz der Themen existentieller Grundsicherung, kombiniert mit spezieller hoher Relevanz weiterer weniger Lebensbereiche, zeigt die Diversität und Heterogenität der Zielgruppe. Die Woh- nungslosigkeit von Emerging Adults ist somit strikt multidimensional zu verstehen, wie un- ter anderem auch Ryan et al. (2012: 73-77) betonen. Bei vielen Merkmalen und Herausforderungen sind geschlechtsspezifische Unterschiede junger Wohnungsloser erkennbar. Unter anderem sind weibliche Emerging Adults des Samples wesentlich betreuungsintensiver als männliche, gemessen an dem Verhältnis be- ratungsrelevanter Gespräche und Beratungen zu Tagen in der Betreuung. Des Weiteren nutzen sie häufiger das Notquartier zumindest eine Nacht in ihrer Biographie. Dies ist zu- treffend obwohl der Frauenanteil der Untersuchungspopulation wesentlich jünger ist als der männliche. Diese Beobachtungen decken sich mit der Tendenz, dass tendenziell junge Frauen Notquartiere in Anspruch nehmen (vgl. Arbeitsgruppe Junge Wohnungslose 2013b: 10). Eine mögliche Erklärung ist, dass Frauen häufiger nach Wien zugezogen sind als Männer und somit auch auf weniger informelle Unterstützung zurückgreifen können. Hin- weise darauf, dass Frauen tendenziell Verbindungen im sozialen Netz kappen um häusli- cher Gewalt vollständig zu entkommen, geben Wegskizzen Ravenhills (2008: 116ff). Wei- tere geschlechtsspezifische Auswertungen zeigen, dass männliche Emerging Adults des Samples häufiger erstmalig und weibliche häufiger episodisch wohnungslos sind. Einen Erklärungsansatz für häufigeres Aufkommen episodischer Wohnungslosigkeit bei Frauen bietet das Phänomen verdeckter Wohnungslosigkeit (vgl. Loibl, Corazza 2011: 85ff). Geschlechtsspezifische Unterschiede werden insbesondere in der differenzierten Darstel- lung der mittels QIA erarbeiteten Charakteristika deutlich. Fast alle Kategorien, die nicht mit Wohnungslosigkeit assoziiert werden, weisen deutliche Unterschiede in der Relevanz bei Frauen und Männern auf. Einzig die Themen Transferleistungen und Postadresse aus dem Set der existentiellen Grundsicherung sowie Arbeit, Ausbildung und Gewalt zeigen keine geschlechtsspezifischen Tendenzen. 13 der 15 unterschiedlichen Kategorien haben

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bei Frauen mehr Relevanz in der Beratung. Dies ist insofern nachvollziehbar, als dass de- ren Betreuungsintensität höher ist. Die Studie Wenzels et al. (2012: 8) zu Unterschieden in sozialen Netzwerke wohnungsloser Emerging Adults, unterstreichen die Bedeutung von Gendersensibilität in der Wohnungslosenhilfe. Bevor signifikante Einflussfaktoren zusammengefasst werden, ist der Bedarf an einer „Steuerung“ (BAWO 2009: 90) des Zuzugs aus dem Bundesländern festzuhalten. In dieser Arbeit wurde Zuzug Bundesland mit Anspruchslosigkeit gruppiert um höhere Fallzahlen zur Berechnung der Regressionsmodelle zu erhalten. Bei zugezogenen Klient_innen wird zwar in der Dokumentation ‚kein Antrag, kein Anspruch‘ angegeben, sie haben allerdings immer die Möglichkeit einen Antrag zu stellen. Zugezogenen Klient_innen wurde in keinem Fall Anspruchsberechtigung attestiert. Nachdem die Förderkriterien (FSW 2014: 2f) zur An- spruchsberechtigung diese Klient_innengruppe deutlich ausschließen, ist diese Beobach- tung nicht überraschend. Allerdings finden sich Hinweise, dass die Klient_innengruppe meist prekär wohnungslos in Wien verweilt. Wie Auswertungen zum vorletzten Abstrakti- onsniveau der QIA zeigen, spielt die Rückkehr in das ehemalige Bundesland oder den ehemaligen Haushalt kaum eine Rolle in den Überlegungen junger Wohnungsloser. Fort- schreitende Manifestation der Wohnungslosigkeit wird zum psychischen und physischen Abbau der Betroffene beitragen und zukünftige Adressierung und Wohnversorgung schritt- weise komplexer machen. Der private Wohnungsmarkt ist in der Verhinderung oder Über- windung von Wohnungslosigkeit keine Option. Insofern sind sowohl die WWH als auch die Wohnungslosenhilfen der Bundesländer und deren politische Verantwortliche geforderte adäquate Maßnahmen zur Versorgung dieser Personengruppe zu setzten. Diese müssen sowohl adäquate Versorgung in den Herkunftsbundesländern umfassen, als auch die Tat- sache berücksichtigen, dass die Mobilität der Personengruppe nicht gänzlich verhindert werden kann. Zwei logistische Regressionsmodell beinhalten insgesamt sieben signifikante Prädikatoren hinsichtlich des Zugangs wohnungsloser Emerging Adults zu festen Wohnplätzen der WWH. Alter und Geschlecht zeigen entgegen der Erwartungen keinen Einfluss. Unter an- derem weist Anderson (2001: 4-7) diese als bedeutsamste Faktoren bei Wegen in die Woh- nungslosigkeit aus. Während der Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft sowie die höhere Relevanz der Themen Notquartier und Perspektive positive Einflüssen zeigen, sen- ken Erwerbstätigkeit, erstmalige Wohnungslosigkeit sowie hohe Relevanz der Themen Ausbildung, prekäres Schlafen sowie Elternschaft, Gender und Sexualität die Wahrschein- lichkeit anspruchsberechtigt zu sein. Während der Einfluss der sozialdemographischen Variable österreichische Staatsbürger- schaft weitgehend durch Förderkriterien zur BMS erklärbar ist, bedarf es zur Interpretation der Variable Elternschaft, Gender und Sexualität einer vertieften wissenschaftlichen Aus- einandersetzung. Alle weiteren Einflussfaktoren implizieren eine extreme Defizitorientie- rung der Zugangskriterien. Entsprechend den Umkehrschlüssen haben Arbeitslosigkeit und hoch manifeste Wohnungslosigkeit positive Einflüsse. Die hohe Relevanz des Themas Perspektive kann unter anderem hohen Unterstützungsbedarf oder Leidensdruck implizie- ren. Das Thema Ausbildung umfasst beispielsweise die Überlegung die Schule abzubre- chen oder den Wunsch eine zu beginnen. Die Kategorie ist in diesem Kontext insofern

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negativ konnotiert, als dass eine Ausbildung absolviert zu haben keinen positiven Effekt zeigte, insofern nicht der Abbruch, sondern viel mehr der Wunsch nach einer Ausbildung relevant ist. Um hohe Werte im Bereich Notquartier zu erzielen, muss dessen Inanspruch- nahme zumindest in Erwägung gezogen werden. Nachdem prekäres Nächtigen den um- gekehrten Effekt zeigt, kann geschlussfolgert werden, dass erst soziale Unterstützung in Form von Nächtigungsangeboten ausbleiben muss, um die Wahrscheinlichkeit auf eine Förderbewilligung zu erhöhen. Selbstverständlich können diese Ergebnisse auch als Notfallangebot der WWH interpretiert werden. Immerhin ist die Argumentation, dass schwerer belastete Personen auch rascher einen Wohnplatz benötigen, plausibel. Wahrscheinlich ist diese Begründung allerdings nicht. Schließlich können sowohl offensichtlich schwer belastete und der Kultur der Woh- nungslosigkeit angehörende, wie auch weniger offensichtlich belastete Personen an- spruchsberechtigt sein. Trotzdem könnten erstere bezüglich des Einzug bevorteilt behan- delt und so ihren ausgeprägteren Bedarfslagen nachgekommen werden. Dementsprechend ist es wahrscheinlicher, dass obige Interpretationen weitgehend mit dem Förderkriterium „Betreuungsbedarf“ (vgl. FSW 2014: 2) kohärent sind. Das Förderkri- terium wird unter anderem aufgrund dessen Interpretationsspielraums (vgl. Riesenfelder et al. 2012a: 207-210, 2012b: 68f, 92ff) kritisiert. Dieser macht es auch in diesem Resümee schwierig exakter zu interpretieren. Dennoch kann überspitzt formuliert werden: die Wahr- scheinlichkeit einer Förderbewilligung steigt mit dem Grad der Einbindung in die Kultur der Wohnungslosigkeit. Bedenkt man deren Sogwirkung bei parallel negativer Auswirkung von Wohnungslosigkeit auf alle Lebensbereiche von Betroffenen (vgl. u.a. Ravenhill 2008: 90- 129, Steiger 2010: 77-87 Wagner et al. 2014) steigen die Chancen auf Anspruchsberech- tigung mit der Zeit. Im Sinne einer modernen, klienten_innenorientierten und effektiven So- zialen Arbeit ist dementsprechend die Aufnahme ressourcenorientierter Klauseln in die Förderkriterien empfohlen.

9. Limitationen Limitationen betreffen designbedingte Ungenauigkeiten sowie die Erwerbstätigkeit des Au- tors bei P7. Aufgrund des Designs können einige Zahlen nur vorsichtig interpretiert werden. Auf den Umstand wurde bei betreffenden Stelle hingewiesen. Des Weiteren ist die Variabel zur Art der Wohnungslosigkeit insofern unscharf, als chroni- sche und episodische Wohnungslosigkeit durch die Dauer zwischen Beratungen generiert wurde. Dieser Indikator erhob somit nicht den tatsächlichen Aufenthalt sowie dessen Qua- lität. Kritisch zusammengefasst: Nur, weil eine Person ein Jahr keinen Kontakt zur Woh- nungslosenhilfe hatte, war sie nicht automatisch wohnversorgt in diesem Zeitraum. Eine weitere Fehlerquelle ergibt sich dadurch, dass der Beobachtungszeitraum nicht das Jahr 2017 umfasst. So kann sich bei einigen episodisch wohnungslosen Klient_innen die letzte Phase der Wohnungslosigkeit erneut im Jahr 2017 chronifizieren. Dies würde den Eindruck verstärken, dass es häufig über ein Jahr dauert um Wohnungslosigkeit zu überwinden be- ziehungsweise keine Beratung mehr zu beanspruchen.

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Gefühlte Zugehörigkeit zur Gruppe Erwachsener (Arnett 2000: 472) ...... 13 Abbildung 2: Psychiatrischer Krankheitsbilder und Nutzung des Unterstützungssystems (n=32711) (Nielsen et al. 2011: 2207) ...... 26 Abbildung 3: Stufenmodell der WWH (Schoibl 2013a: 36) ...... 32 Abbildung 4: Alter bei erstem Kontakt mit dänischer Wohnungslosenhilfe bei Notquartiersnutzer_innen (n=32711) mit psychiatrischer Diagnose (Nielsen et al. 2011: 2206) ...... 41 Abbildung 5: Boxplot Altersverteilung nach Geschlecht (n=82) ...... 52 Abbildung 6: Art der Wohnungslosigkeit nach Alter und Geschlecht (n=82) ...... 54 Abbildung 7: Deskriptive Statistik zur Notquartiersnutzung nach Alter und Geschlecht (n=51) ...... 56 Abbildung 8: Differenzierte Statistik zur Notquartiersnutzung im Beobachtungs- zeitraum 2016 (n = 82) ...... 57 Abbildung 9: Geschlechts- und altersspezifischer Vergleich der Betreuungs- intensität (n = 62) ...... 59 Abbildung 10: Kategorien – ihre Häufigkeit & ihre Verteilung absolut (n = 82, n = 62) und relativ zur Betreuungsintensität (BI) (n = 62) ...... 60 Abbildung 11: Geschlechts- und altersspezifische Auswertung der Kategorien (n = 62) ...... 62 Abbildung 12: Modell Soziodemographie ...... 65 Abbildung 13: Modell Art der Wohnungslosigkeit ...... 66 Abbildung 14: Modell Betreuungsintensität ...... 66 Abbildung 15: Modell Qualitative Inhaltsanalyse ...... 67 Abbildung 16: Gegenüberstellung der Regressionsmodelle, ihrer Koeffizienten und -güten ...... 70 Abbildung 17: Streudiagramm - prekäres Schlafen und Notquartiersnutzung sowie deren Auswirkung auf die Anspruchsvoraussetzungen ...... 93

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Anhang Voraussetzungen Regressionsmodelle Soziodemographisch

Voraussetzungen Regressionsmodelle Art der Wohnungslosigkeit

Voraussetzungen Regressionsmodelle Betreuungsintensität

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Voraussetzungen Regressionsmodelle Qualitative Inhaltsanalyse

Ausgangsmodell QIA

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