Juni 2011

Expertisen und Dokumentationen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Die Weltwirtschaft im Ungleichgewicht

Ursachen, Gefahren, Korrekturen

I II Expertise im Auftrag der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung

Die Weltwirtschaft im Ungleichgewicht

Ursachen, Gefahren, Korrekturen

Jan Priewe WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 3

Abkürzungsverzeichnis 5

Vorbemerkung 6

Zusammenfassung 7

1. Was sind die Probleme? 9

2. Wann sind Leistungsbilanzungleichgewichte problematisch? – Theoretische Analyse 12 2.1 Grundbegriffe 12 2.2 Saldenmechanik und Kreislaufzusammenhang 14 2.3 Triebkräfte für Leistungsbilanzungleichgewichte 17 2.4 Sind Leistungsbilanzungleichgewichte stabil und nachhaltig? 21 2.5 Korrekturmechanismen durch Märkte 26 2.6 Gute und schlechte Leistungsbilanzungleichgewichte 28 2.7 Fazit 33

3. Empirischer Überblick über globale Ungleichgewichte 35

4. Wie es zum Anstieg der Ungleichgewichte in den Jahren 2000 - 2008 kam 44 4.1 Die Entstehung des Defi zits in den USA 44 4.2 Die Entstehung hoher Überschüsse in China, Japan und Deutschland 49 4.3 Fazit 57

5. „Gute“ oder „schlechte“ globale Ungleichgewichte? – Interpretationen 59

6. Europäische und US-amerikanische Ungleichgewichte – Unterschiede und Gemeinsamkeiten 69

7. Korrekturen gefährlicher Ungleichgewichte 73

8. Schlussfolgerungen 82

Literaturverzeichnis 87

Anhang 90

Der Autor 99

Diese Expertise wird von der Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert- Stiftung veröffentlicht. Die Ausführungen und Schlussfolgerungen sind vom Autor in eigener Verantwortung vorgenommen worden.

Impressum: © Friedrich-Ebert-Stiftung | Herausgeber: Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung | Godesberger Allee 149 | 53175 Bonn | Fax 0228 883 9205 | www.fes.de/wiso | Gestaltung: pellens.de | Foto: dpa Picture Alliance | bub Bonner Universitäts-Buchdruckerei | ISBN: 978 - 3 - 86872 - 778 - 4 | WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungen im Text

Abbildung 1: Leistungsbilanzsaldo in % des BIP – China, Deutschland, Japan, USA 9 Schema 1: Zahlungsbilanzen von In- und Ausland im Zwei-Länder-Modell 13 Schema 2: Sparen und Investieren im Zwei-Länder-Modell 15 Abbildung 2: Leistungsbilanzsalden in laufenden US-$ für die wichtigsten Überschuss- und Defi zitländer 36 Schema 3: Drei Gruppen globaler Ungleichgewichte 37 Abbildung 3a: 46 Länder mit Leistungsbilanzüberschuss 2008 – in % des globalen Leistungsbilanzüberschusses 37 Abbildung 3b: 103 Länder mit Leistungsbilanzdefi zit 2008 – in % des globalen Leistungsbilanzdefi zits 38 Abbildung 4: Leistungsbilanzsalden in % des BIP 2008 in 140 Ländern 39 Abbildung 5: Währungsreserven ausgewählter Länder bzw. Ländergruppen in Mrd. US-$ 40 Abbildung 6: Nettoauslandsvermögen ausgewählter Überschuss- und Defi zitländer 40 Abbildung 7: Leistungsbilanzsalden in % des BIP in der Euro-Zone 42 Abbildung 8: Leistungsbilanzsalden in der EU-27 in % des BIP – Durchschnitt 2000 - 2009 43 Abbildung 9: USA: Struktur und Entwicklung der Nachfrage – in konstanten Preisen 45 Abbildung 10: Leistungsbilanz der USA in % des BIP 46 Abbildung 11: Handelsbilanzsaldo der USA mit Partnerländern – ohne Dienstleistungen 47 Abbildung 12: Reale effektive Wechselkurse 1980 -2009 – Japan, Deutschland, China, USA 48 Abbildung 13: Nettovermögensposition der USA 1976 - 2009 in % des BIP 49 Abbildung 14: Exporte und Importe in % des BIP – USA, Deutschland, Japan und China 50 Abbildung 15: Sparen und Investitionen in % des Bruttonationaleinkommens bzw. des BIP in großen Leistungsbilanzüberschussländern 51 Abbildung 16: Japan: Struktur und Entwicklung der Nachfrage – in konstanten Preisen 52 Abbildung 17: Deutschland: Struktur und Entwicklung der Nachfrage – in konstanten Preisen 52 Abbildung 18: China: Struktur und Entwicklung der Nachfrage – in konstanten Preisen 53 Abbildung 19: Handelsbilanz Chinas (ohne Dienstleistungen) gegenüber Partnerländern in Mrd. US-$ 54 Abbildung 20: Leistungsbilanzsaldo Deutschlands mit Partnerländern 55 Abbildung 21: Lohnstückkosten in jeweiliger Währung – Index 1998 = 100 56 Abbildung 22: Leistungsbilanzsaldo und Lohnstückkosten in Deutschland 57

3 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Tabellen im Anhang

Tabelle A1: Salden der Leistungsbilanz, des Budgets und des Privatsektors in % des BIP: Ausgewählte Leistungsbilanzdefi zitländer 91

Tabelle A2: Leistungsbilanzsaldo in % des BIP in der Europäischen Union und in OECD-Ländern 92

Tabelle A3: Sparen und Investitionen in % des Bruttonationaleinkommens bzw. des BIP in ausgewählten Defi zitländern 92

Abbildungen im Anhang

Abbildung A1: Globale Leistungsbilanzungleichgewichte 2008 – 150 Länder in Mrd. US-$ 93

Abbildung A2: Salden der Leistungsbilanz, des Budgets und des Privatsektors in OECD-Ländern 2008 in % des BIP 94

Abbildung A3: Bruttoauslandsvermögen der USA in Mrd. US-$ 95

Abbildung A4: Bruttovermögen des Auslands in den USA in Mrd. US-$ 95

Abbildung A5: Wechselkurse – lokale Währung je US-$ 96

Abbildung A6: Leistungsbilanz Japans in % des BIP 96

Abbildung A7: Leistungsbilanz Chinas in % des BIP 97

Abbildung A8: Leistungsbilanz der USA in Mrd. US-$ 97

Abbildung A9: Leistungsbilanz Deutschlands in % des BIP 98

Abbildung A10: Deutschland – regionalisierter Leistungsbilanzsaldo 2008 in Mrd. € 98

4 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abkürzungsverzeichnis

BIP Bruttoinlandsprodukt

EK Europäische Kommission

EU Europäische Union

EZB Europäische Zentralbank

GSG „Global Saving Glut“

IWF Internationaler Währungsfonds

KBS Kapitalbilanzsaldo

LB Leistungsbilanz

LBD Leistungsbilanzdefi zit

LBS Leistungsbilanzsaldo

NEVE Nettoerwerbs- und Vermögenseinkommen gegenüber der übrigen Welt

NVP Nettovermögensposition gegenüber dem Ausland

SVR Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

SWP Stabilitäts- und Wachstumspakt

SZR Sonderziehungsrechte

WB Weltbank

5 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Vorbemerkung

Die Weltwirtschaft scheint vordergründig be- hindert bzw. verringert werden können. Er trachtet auf einem erfolgreichen Weg aus der Fi- kommt im Rahmen seiner Analyse zu dem Ergeb- nanz- und Wirtschaftskrise zu sein. Insbesondere nis, dass die globalen Ungleichgewichte neben die boomenden Volkswirtschaften Chinas, In- den Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten diens, Brasiliens, Russlands und einiger anderer wesentlich zur Finanz- und Wirtschaftskrise bei- Schwellen- und Entwicklungsländer sind es, die getragen haben. Große globale Ungleichgewichte die weltwirtschaftliche Erholung gegenwärtig sind demnach – anders als oftmals behauptet – in vorantreiben. Hiervon profi tieren auch die Indus- den seltensten Fällen gut und nachhaltig. Sie tra- trieländer, allen voran Deutschland dank seiner gen vielmehr zur Entstehung von Vermögens- starken Exportorientierung. Dies spiegelt sich in preisblasen bei und führen über kurz oder lang in den nach der Krise wieder hohen Exportüber- Überschuldungs- und Zahlungsbilanzkrisen in schüssen und dem lange Zeit in Deutschland den Defi zitländern. Hiervon gehen auch erheb- nicht mehr für möglich gehaltenen Wirtschafts- liche Risiken für die Weltkonjunktur und damit aufschwung mit Rekordwachstumsraten und im- letztlich auch für die Überschussländer aus. mer weiter sinkenden Arbeitslosenzahlen wider. Diese Analyseergebnisse haben wichtige Dennoch lassen sich in der Weltwirtschaft wirtschaftspolitische Implikationen. Soll sich die auch Entwicklungen beobachten, die durchaus Weltwirtschaft in Zukunft auf einem starken, Anlass zur Sorge geben. An vorderster Front ste- nachhaltigen und ausgeglichenen Wachstums- hen hierbei die großen globalen Ungleichgewich- pfad ohne Krisen fortentwickeln, gilt es, nicht nur te in den Leistungs- und Kapitalbilanzen, die be- die Finanzmärkte besser und effektiver zu regu- reits im Vorfeld der Finanz- und Wirtschaftskrise lieren, sondern auch das Problem der globalen zunehmend als problematisch angesehen wurden Ungleichgewichte konsequent anzugehen und zu und die auch nach der Krise weiterhin fortbe- lösen. Die Erfahrungen rund um die Finanz- und stehen. Viele Defi zitländer kämpfen gegenwärtig Wirtschaftskrise zeigen dabei, dass man sich nicht mit dem Problem einer lahmenden oder gar rezes- allein auf rein marktgetriebene Anpassungspro- siven konjunkturellen Entwicklung, hoher und zesse verlassen sollte, sondern dass die Politik die steigender privater und öffentlicher Verschuldung notwendigen Korrekturen aktiv wirtschafts-, wäh- und der damit verbundenen Gefahr von Zahlungs- rungs- und fi nanzpolitisch initiieren, fl ankieren bilanz- und Währungskrisen. Viele Überschuss- und steuern sollte, um die Entstehung größerer länder sehen sich dagegen momentan mit dem globaler Ungleichgewichte und die damit ein- Problem konfrontiert, eine Überhitzung der Wirt- hergehenden Risiken im Vorhinein zu vermei- schaftsentwicklung, spekulative und destabilisie- den. Hierbei ist ein gemeinsames Vorgehen so- rende Kapitalzufl üsse und die Entstehung neuer wohl der Überschuss- als auch der Defi zitländer Vermögenspreisblasen zu verhindern. unabdingbar. Die vorliegende Studie zeigt auf, Vor diesem Hintergrund hat die Friedrich- mit welchen Politikmaßnahmen eine stabilere Ebert-Stiftung an Prof. Dr. Jan Priewe von der weltwirtschaftliche Entwicklung erreicht werden Hochschule für Wirtschaft und Technik (HTW) kann. Berlin einen Forschungsauftrag vergeben, um der Frage nachzugehen, ob und inwieweit die glo- balen Ungleichgewichte zur Finanz- und Wirt- Markus Schreyer schaftskrise beigetragen haben, welche Gefahren Abteilung Wirtschafts- und Sozialpolitik von ihnen ausgehen und wie sie zukünftig ver- der Friedrich-Ebert-Stiftung

6 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Zusammenfassung

Diese Studie untersucht die weltwirtschaftlichen weit reichende Reformvorschläge zur Korrektur Probleme, die durch große und anhaltende Über- und zur Vermeidung von Ungleichgewichten dis- schüsse oder Defi zite in den Leistungsbilanzen kutiert. entstehen können, die im Zuge der Globalisie- Die Untersuchung sucht nach Antworten auf rung von Handel und Finanzmärkten deutlich sechs Fragen, die nachfolgend zusammengefasst zugenommen haben. Dabei werden drei typische sind. Gruppierungen von Ungleichgewichten thema- 1. Unter welchen Bedingungen sind Leistungsbilanz- tisiert: (1) das vieldiskutierte US-Leistungsbilanz- ungleichgewichte ein Problem? Je größer und defi zit gegenüber einer Vielzahl von Ländern, länger anhaltend die Ungleichgewichte, desto insbesondere gegenüber China und den OPEC- größer die Wahrscheinlichkeit von Gefahren, Ländern; (2) die inner-europäischen Leistungs- insbesondere wenn sich die Nettovermögens- bilanzungleichgewichte; (3) die großen Leistungs- positionen gegenüber dem Ausland in den bilanzdefi zite von sehr vielen Entwicklungslän- Überschuss- und Defi zitländern immer weiter dern gegenüber OECD- sowie OPEC-Ländern. spreizen. Letztere werden aus der näheren Analyse ausge- 2. Gibt es „gute“ und „schlechte“ Ungleichgewichte, klammert. Die europäischen Ungleichgewichte wachstums- und wohlstandsfördernde einerseits werden als wichtiger Teil globaler Ungleichge- und Krisen erzeugende andererseits? Wohlfahrts- wichte angesehen. steigern de andauernde Ungleichgewichte exis- Im theoretischen Teil wird untersucht, wann tieren selten – am ehesten wenn die Defi zit- Ungleichgewichte nachhaltig getragen werden länder auf einem hohen Wachstumspfad nach- können und unter welchen Bedingungen sie zu holender Entwicklung sind, ihre Wachstums- krisenhaften Anpassungen führen, meist in Form rate größer als der Zinssatz ist und die Kapi- von Schulden- und Zahlungsbilanzkrisen. Es wird talimporte vorwiegend ausländische Direkt- dabei ein Raster für „gute“ und „schlechte“ Un- investitionen darstellen, die den Wachstums- gleichgewichte entwickelt. Entscheidend ist letzt- pfad erhöhen. Allerdings gibt es für diesen lich die Nachhaltigkeit von Ungleichgewichten, Entwicklungspfad nicht viele erfolgreiche die weitgehend vom Verhältnis der Wachstums- Beispiele. Die meisten großen und länger an- rate eines Landes zum Zinssatz abhängig ist. Die- dauernden Ungleichgewichte führen zu Ver- se Überlegung lässt für den Normalfall nur gerin- schuldungskrisen und/oder zu Vermögens- ge nachhaltige Ungleichgewichte zu. preis blasen, die irgendwann platzen; sie sind Der empirische Teil beleuchtet detailliert die häufi g Ausdruck neo-merkantilistischer Unter- komplexen Zusammenhänge zwischen Über- bewer tungs strategien seitens der Überschuss- schüssen und Defi ziten der vergangenen zehn länder, die andere Länder in Leistungsbilanz- Jahre. Es waren die exzessivsten Ungleichgewich- defi zite treiben, weil die Förderung der in- te, die es je gab. Insbesondere werden die drei ländischen Nachfrage unterlassen wird. Aller- großen Überschussländer China, Deutschland dings sind häufi g – aber nicht immer – auch und Japan untersucht. Dabei werden die unter- die Defi zitländer durch eine Politik zu starker schiedlichen Bewertungen aus Wirtschaftswis- Auslandsverschuldung oder durch Überbe- senschaft und Politik resümiert und kommen- wertung ihrer Währung beteiligt. Derartige tiert. Abschließend werden zahlreiche, teilweise Ungleichgewichte drohen zu eskalieren, sie

7 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

bauen sich langsam und kontinuierlich auf. dukten stark ansteigen lassen, Risiken unterbe- Schließlich gibt es im Rahmen des geltenden wertet und übermäßige Liquidität geschaffen, Weltwährungssystems unvermeidbare Defi zi- die die Finanzindustrie ausgenutzt hat. Die te, die durch die Anlage von Währungsre- Kapitalzufl üsse haben den exzessiven Konsum serven in Reservewährungsländern entstehen. der Privathaushalte und die hohen Budget- Diese Quelle von in jüngster Zeit stark anstei- defi zite des Staates in den USA erst ermöglicht. genden Defi ziten deutet auf die Notwendig- Ohne den Status des US-Dollars als Reservewäh- keit einer Reform des globalen Währungssys- rung mit dem damit verbundenen Vertrauens- tems hin. bonus wäre die Krise nicht möglich gewesen. 3. Wenn es schlechte oder gar gefährliche Ungleich- 5. Sind die Euro-Zonen-Ungleichgewichte Teil der gewichte gibt, wer ist schuld und damit verant- globalen Ungleichgewichte? Ja, die Länder der wortlich für Korrekturen – das „nachlässige“ Defi - Euro-Zone und die anderen EU-Länder sind in zitland, das „fl eißige“ Überschussland, oder beide? globale Handels- und Kapitalströme einbezo- Ungleichgewichte sind „symmetrisch“ in dem gen. Für die Überschussländer der Euro-Zone Sinne, dass sowohl Defi zit- als auch Über- ist der reale effektive Euro-Wechselkurs massiv schussländer, allerdings nicht immer gleichge- unterbewertet, für die Defi zitländer überbe- wichtig, beteiligt sind. In den meisten Fällen wertet. Die Defi zit länder haben nicht nur liegt die Initiative für die Entstehung von Un- gegenüber den Überschussländern der Euro- gleichgewichten bei den Wirtschaftssubjekten Zone ein Defi zit, ebenso wie die Überschuss- der Überschussländer. Indirekt sind sowohl Re- länder auch Länder außerhalb der Euro-Zone gierungen der Überschuss- wie der Defi zitlän- ins Defi zit treiben. Ein Niedergang der Europä- der beteiligt. Die verbreitete Wahrnehmung, ischen Währungsunion hätte weltweite Aus- dass es ursächlich in erster Linie die Regierun- wirkungen. Das derzeitige System der europä- gen der Defi zitländer sind, die ihre Defi zite ischen Ungleichgewichte bremst das Wirt- „erzeugen“, lässt sich kaum aufrechterhalten. schaftswachstum in der Währungsunion und Große und wirtschaftlich starke Länder, gleich der EU-27 insgesamt. ob Defi zit- oder Überschussländer, haben eine 6. Wie sehen Korrekturen für exzessive, also „schlech- besondere Verantwortung. Neben den OPEC- te“ Ungleichgewichte aus? Märkte können bes- Ländern gibt es nur drei große – gemessen an tenfalls leichte Ungleichgewichte krisenfrei der absoluten Höhe der Leistungsbilanzsaldos heilen, Marktkorrekturen größerer und an- – Überschussländer in der Welt, nämlich Chi- dauernder Ungleichgewichte erfolgen meist na, Deutschland und Japan. Neben den USA plötzlich und krisenhaft; sie können sehr gibt es nur rund zehn Länder mit großen abso- hohe volkswirtschaftliche Verluste verursa- luten Defi ziten. chen. Daher sind präventive wirtschaftspoliti- 4. Haben die Ungleichgewichte zur Finanzkrise in sche Korrekturen notwendig. Es sollte allge- den USA beigetragen? Zusammen mit den Fehl- mein anerkannte Regeln zur Vermeidung von regulierungen der Finanzmärkte nicht nur in zu großen Leistungsbilanzungleichgewichten den USA, sondern auch in Europa, haben die geben. Leitbild sollte ein „außenwirtschaftli- Ungleichgewichte maßgeblich zur Entstehung ches Gleichgewicht“ sein. Sanktionen für Län- der Finanzkrise und der nachfolgenden Welt- der mit großen Ungleichgewichten sind not- wirtschaftskrise beigetragen. Dies gilt vor al- wendig. Selten können schwerwiegende Un- lem für das exzessive Anschwellen der Un- gleichgewichte ohne Wechselkurskorrekturen gleichgewichte in den Jahren 2003 - 2008. Die bereinigt werden. Je größer die Ungleichge- massiven Kapitalexporte, einschließlich der wichte sind, desto schwieriger werden die Kor- Währungsreserven, in die USA haben die rekturen. Nachfrage nach neuen, toxischen Finanzpro-

8 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

1. Was sind die Probleme?

Unter „globalen Ungleichgewichten“ werden es größere Ungleichgewichte (vgl. Abbildung 1). größere Leistungsbilanzüberschüsse bzw. -defi zite Für die meisten Beobachter haben diese Ungleich- zwischen verschiedenen Ländern und Länder- gewichte zur weltweiten Finanz- und Wirtschafts- gruppen verstanden. Spiegelbildlich stehen Leis- krise 2008 - 2009 wesentlich beigetragen. Zwar tungsbilanzungleichgewichten gleich hohe Un- haben die Ungleichgewichte in und nach der gleichgewichte mit entgegengesetztem Vorzei- Finanzkrise abgenommen, aber die meisten Prog- chen in der Kapitalbilanz (einschließlich Devisen- nosen gehen von einem neuerlichen Anstieg in reserven) gegenüber. Die Frage, ob Volkswirtschaf- den kommenden Jahren aus. Einer Reihe von ten größere Überschüsse oder Defi zite in ihren Überschussländern, vor allem China, Deutsch- Leistungsbilanzen haben dürfen oder gar haben land, Japan und den Ölproduzenten des Nahen sollten, gehört seit Jahrzehnten zu den großen Ostens, stehen die USA als größtes Defi zitland kontroversen Fragen der Wirtschaftstheorie. Zu- sowie viele kleinere europäische Defi zitländer ge- gespitzt haben sich die Ungleichgewichte seit genüber, abgesehen von sehr vielen armen Ent- Ende der 1990er Jahre bis 2008 zwischen den USA wicklungsländern. In den USA wurde die Frage als größtem Defi zitland und China, Deutschland des Leistungsbilanzdefi zits verkürzt bezogen auf sowie Japan (abgesehen von den OPEC-Ländern) Chinas Exportpolitik diskutiert, in Europa wird als den größten Überschussländern. Nie zuvor gab über scheinbar nur regionale Ungleichgewichte

Abbildung 1:

Leistungsbilanzsaldo in % des BIP – China, Deutschland, Japan, USA Schätzungen der EU-Kommission für 2010 - 2012

12 10 8 6 4 2 0 in % des BIP -2 -4 -6 -8

1960 1962 1964 1966 1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012

Deutschland USA Japan China

Quelle: AMECO, Weltbank 2010, WDI.

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innerhalb der Euro-Zone gestritten, die mögli- spiegelbildlich mit Kapital – nicht so problemlos, cherweise die europäische Währungsunion vor wie es manche Verfechter bedingungsloser, gewis- eine Zerreißprobe stellen. Im europäischen Mikro- sermaßen regelfreier „Globalisierung“ glaubten. kosmos, so scheint es auf den ersten Blick, über- In den theoretischen und wirtschaftspoli- nehmen Deutschland und ein paar andere klei- tischen Debatten geht es vor allem um die folgen- nere Überschussländer die Rolle Chinas bei den den sechs Fragen: globalen Ungleichgewichten. Aber diese Sichtwei- 1. Unter welchen Bedingungen sind Leistungs- se täuscht. Die Ungleichgewichte in Europa gehen bilanzungleichgewichte ein Problem? Anders weit über die Euro-Zone hinaus, und sie hängen gesagt: sind Überschüsse oder Defi zite immer mit den globalen Problemen eng zusammen. ein gefährliches Ungleichgewicht? Noch im deutschen Stabilitätsgesetz von 2. Gibt es „gute“ und „schlechte“ Ungleichge- 1967 war „außenwirtschaftliches Gleichgewicht“ wichte, wachstums- und wohlstandsfördernde eines der vier gesamtwirtschaftlichen Ziele von einerseits und Krisen erzeugende anderer- Bund und Ländern im Rahmen des „magischen seits? Vierecks“. Damals galt noch das Währungssystem 3. Wenn es schlechte oder gar gefährliche Un- von Bretton Woods mit fester Währungsanbin- gleichgewichte gibt, wer ist schuld und damit dung an den US-Dollar. Nach dessen Niedergang verantwortlich für Korrekturen – das „nachläs- 1973 setzten sich freie, durch Angebot und Nach- sige“ Defi zitland, das „fl eißige“ Überschuss- frage gesteuerte Wechselkurse zwischen den gro- land oder beide? ßen Währungen durch und es schien, als könne 4. Haben die Ungleichgewichte zur Finanzkrise man in einem solchen System das alte Ziel aus- in den USA beigetragen? Waren sie unter Um- geglichener Leistungsbilanzen getrost suspen- ständen sogar ein wesentliches Element der dieren. Denn unter den Bedingungen globaler Krise, oder handelte es sich im Kern um eine Finanzmärkte können auch große Leistungsbi- reine Finanzsektorkrise infolge von Fehlregu- lanzdefi zite scheinbar ohne Problem durch die lierungen? Überschussländer fi nanziert werden. In der Euro- 5. Sind die Euro-Zonen-Ungleichgewichte Teil Zone wurde möglichen Ungleichgewichten in der globalen Ungleichgewichte? Wenn ja, wie der Gründungsarchitektur keine Aufmerksamkeit hängen sie mit den Ungleichgewichten außer- gewidmet, vielmehr dachte man, der freie ge- halb Europas zusammen? meinsame Binnenmarkt schließt einen einheitli- 6. Wie sehen Korrekturen für exzessive, also chen Kapitalmarkt ein, auf dem zu einheitlichen „schlechte“ Ungleichgewichte aus? Reicht die Preisen, also gleichen Zinsen, Kapital ge- oder den Märkten inhärente Heilungskraft aus, verliehen werden kann. Jetzt scheint uns die Ver- oder bedarf es wirtschaftspolitischer Aktivi- gangenheit einzuholen. Schon bei der Gründung täten bzw. neuer multilateraler Regeln? des Systems von Bretton Woods im Jahr 1944 In dieser Studie wird ein Überblick über die De- stritt man über Wege zum Ausgleich von Un- batten und die unterschiedlichen Positionen ge- gleichgewichten, und in Pittsburgh im Jahr 2009 geben. Der Autor selbst vertritt die Position, dass war das Thema erneut auf der Tagesordnung des der größte Teil der heutigen Leistungsbilanzun- Gipfels der G-20, ebenso wie bei Verhandlungen gleichgewichte problematischer und nicht nach- in Brüssel 2010/11 über eine Reform des europä- haltiger Natur ist, zu krisenartigen Anpassungs- ischen Stabilitäts- und Wachstumspakts unter prozessen führt und daher vermindert bzw. prä- Einschluss der Probleme exzessiver außenwirt- ventiv vermieden werden sollte. Dies gelingt nur, schaftlicher Ungleichgewichte. Ganz offensicht- wenn sowohl Überschuss- wie Defi zitländer aktiv lich ist der globale freie Handel mit Gütern – und werden. Dafür müssen neue multilaterale Regeln

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ausgehandelt werden. Dazu gehört auch ein neu- Defi zitländer werden in Abschnitt 4 erläutert, es internationales Währungssystem, das den ord- wobei die wichtigsten Erklärungsansätze für das nungspolitischen Rahmen für die Globalisierung Entstehen der hohen Überschüsse und Defi zite von Handel und Kapitalaustausch darstellt. vorgestellt werden. Abschnitt 5 resümiert die Diese Studie geht wie folgt vor: Im Abschnitt Debatte darüber, ob die Ungleichgewichte zur 2 werden zunächst die wichtigsten Begriffe und Finanzkrise beigetragen haben und wenn ja wie, Kreislaufzusammenhänge theoretisch dargestellt ob sie „gute“ oder „schlechte“ Ungleichgewichte und die Nachhaltigkeit von Ungleichgewichten waren und noch sind. Die mit den USA zusam- geprüft. Danach folgt in Abschnitt 3 ein empiri- menhängenden Ungleichgewichte werden mit scher Überblick über die Entwicklung und Struk- denen in Europa in Abschnitt 6 verglichen. In tur globaler Leistungsbilanzsalden, der die ver- Abschnitt 7 werden Möglichkeiten der Korrek- wirrende Komplexität der Daten ordnet und die tur von Leistungsbilanzungleichgewichten dar- Zusammenhänge aufzeigt. Die Ursachen der im gestellt. Schlussfolgerungen werden im letzten Zeitraum 2000 - 2008 stark angestiegenen Un- Abschnitt 8 gezogen. gleichgewichte auf Seiten der Überschuss- und

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2. Wann sind Leistungsbilanzungleichgewichte problematisch? – Theoretische Analyse

Im Folgenden sollen zunächst die wichtigsten Be- Ist die Leistungsbilanz im Defi zit, fl ießen we- griffe und Kreislaufzusammenhänge dargestellt niger laufende Einnahmen ins Inland als laufen- werden, um dann die Formen, Ursachen und Fol- de Ausgaben ins Ausland. Werden letztere in gen von Ungleichgewichten zu erörtern. Fremdwährung getätigt, z. B. in US-Dollar, bedarf es eines Kapitalimports aus dem Ausland, um das Defi zit zu fi nanzieren. Folglich verschuldet sich 2.1 Grundbegriffe das Inland im Ausland. „Verschuldung“ in die- sem Sinne kann auch heißen, dass ausländische Die Leistungsbilanz (LB) ist eine wichtige Teilbi- Firmen oder Einzelpersonen im Inland investie- lanz der Zahlungsbilanz; letztere schließt zusätz- ren, also auf diese Weise Kapitalimport stattfi n- lich die Kapitalbilanz und die Bilanz der Verän- det. Häufi g führt dies später zu Gewinntransfers derung der Währungsreserven ein. Die Summe in die Zentrale des ausländischen Unternehmens. der Salden der Leistungsbilanz (LBS), der Kapital- Alternativ kann ein Defi zit der Leistungsbilanz bilanz (KBS) und der Veränderung der Währungs- durch Abnahme der Währungsreserven fi nanziert reserven (ΔR) ist per defi nitionem Null: LBS + KBS werden. Ein Leistungsbilanzdefi zit in einer Perio- + ΔR = 0. Die Leistungsbilanz, früher auch „Bilanz de erhöht den Nettoschuldenstand eines Landes der laufenden Posten“ („Current Account“) ge- gegenüber dem Ausland. Diese Kennziffer ist das nannt, umfasst die Warenhandels- und Dienst- Verhältnis des Bestands an Forderungen gegen- leistungsbilanz (zusammen Exporte minus Im- über dem Ausland zu den Verbindlichkeiten ge- porte, X-M), die Nettoerwerbs- und Vermögens- genüber dem Ausland (auch Nettovermögens- einkommen aus der übrigen Welt (NEVE) sowie position (NVP) gegenüber dem Ausland ge- die Bilanz der laufenden Übertragungen (TR): nannt). Wenn ein Land mehr laufende Einnahmen (1) LBS = X-M + NEVE + TR. aus dem Ausland erhält als es nach dorthin aus- zahlt und so einen Leistungsbilanzüberschuss er- Dabei ist die Handelsbilanz die mit Abstand wich- zielt, gilt das Umgekehrte. Dieses Land wird also tigste Teilbilanz, was die Größenordnung angeht. in der laufenden Periode mehr Forderungen als Der Saldo der Erwerbs- und Vermögenseinkom- Verbindlichkeiten gegenüber dem Ausland auf- men spiegelt Löhne, Gewinne, Zinsen, Mieten bauen und somit seine Nettovermögensposition etc. wider, die das Inland aus dem Ausland erhält erhöhen. Der einfachste Fall ist, dass das Über- bzw. an das Ausland zahlt; wichtig sind hierbei schussland dem Defi zitland Kredit gewährt, so insbesondere Zinsen auf Auslandsschulden (bzw. dass das Defi zitland sein Leistungsbilanzdefi zit Vermögen) und Gewinntransfers multinationaler fi nanzieren kann. Erklärt sich das Überschussland Unternehmen. Die laufenden Übertragungen dazu nicht bereit, muss das Defi zitland sein Leis- sind Nettotransfers ohne direkte Gegenleistun- tungsbilanzdefi zit durch weniger Importe oder gen, überwiegend seitens des Staates wie z. B. Bei- weniger Transfers ans Ausland oder durch Ein- träge zu den Vereinten Nationen, zur EU, zur stellung der Zinszahlungen auf die Auslands- NATO oder Entwicklungshilfe. schuld (Zahlungsunfähigkeit) etc. abbauen. Je

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länger ein Land ein Leistungsbilanzdefi zit hat, gativen Saldo jeweils bei Direktinvestitionen im desto höher der Schuldendienst gegenüber dem Ausland, Käufen von Finanzderivaten im Aus- Ausland, d.h. der Saldo der Erwerbs- und Vermö- land, Wertpapierkäufen im Ausland (Aktien, An- genseinkommen gegenüber dem Ausland ver- leihen, Geldmarktpapiere) und „übrigem Kapital- mindert sich, wodurch sich die Leistungsbilanz verkehr“, durchgeführt vom Staat, der Zentral- weiter verschlechtert. bank, Finanzierungsinstitutionen, Unternehmen Die spiegelbildliche Struktur der Zahlungs- oder Privatpersonen. So stellt es die international bilanzen von Inland und Ausland in einem Zwei- übliche Zahlungsbilanzstatistik dar. Die Verände- Länder-Modell ist in Schema 1 dargestellt. Es wird rung der Währungsreserven, z. B. eine Zunahme, dabei unterstellt, dass das Inland Exportüber- ist eine Art „offi zieller“ Kapitalexport der Noten- schüsse bei Waren und Dienstleistungen (X-M) bank und könnte auch als Teil der Kapitalbilanz hat, positive Nettoerwerbs- und Vermögensein- verstanden werden. Infolge des Leistungsbilanz- kommen (NEVE) aus dem Ausland bezieht, aber überschusses steigt die Nettovermögensposition Nettotransfers (TR) an das Ausland leistet. Das (NVP) des Inlands, die des Auslands verschlech- Kapitalbilanzdefi zit spiegelt den Nettokapitalex- tert sich entsprechend. Während in der Leistungs- port ins Ausland wider, bestehend aus einem ne- bilanz nur die jährlichen Ströme an Waren bzw.

Schema 1:

Zahlungsbilanzen von In- und Ausland im Zwei-Länder-Modell

Inland Ausland 1.200 1.000 800 600

€ 400 200 0 -200 Salden in Mrd. Salden in Mrd. -400 -600 -800 -1.000 -1.200

LBS KBS NVP LBS KBS NVP

Reserven Reserven

Veränderung Nettovermögens- Saldo Finanzderivate Nettotransfers (TR) position (NVP) in t1

Bestand Nettovermögensposition Saldo Wertpapieranlagen Nettoerwerbs- und (NVP) in t0 Vermögenseinkommen (NEVE)

Saldo übriger Kapitalverkehr Saldo Direktinvestitionen (DI) Exportüberschuss (X - M)

13 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Kapitalfl üssen erfasst werden, drückt die Netto- Kreislauftheoretisch kann man den Saldo der vermögensposition den Nettobestand an Forde- Leistungsbilanz vereinfacht wie folgt darstellen. rungen bzw. Verbindlichkeiten gegenüber dem In einer offenen Volkswirtschaft mit staatlichen Ausland aus. Aktivitäten gilt die Identität1: Die schematische Darstellung enthält die Salden, d. h. die Nettoströme oder -bestände der (2) S = I + G-T + X-M bzw. S = I - (T-G) + X-M, jeweiligen Positionen. Was die Kapitalbilanz an- geht, so wird dadurch nicht mehr sichtbar, dass d.h. die Salden aus riesigen Bruttoströmen resultieren, meist aus sehr kurzfristigen Kapitalexporten und (3) (X-M) = (S-I) + (T-G) -importen, die in den OECD-Ländern häufi g mehr als 100 mal so groß sind wie die Ströme Unterstellt, der Saldo der Nettoerwerbs- und Ver- der Leistungsbilanz. Sowohl Überschuss- wie De- mögenseinkommen gegenüber dem Ausland fi zitländer haben also hohe Bestände an Forde- (NEVE) sei ebenso wie die laufenden Transfers rungen wie auch an Verbindlichkeiten gegenüber (TR) Null, dann ist der Leistungsbilanzsaldo gleich dem Ausland, so dass der Saldo vergleichsweise dem Saldo der Handels- und Dienstleistungsbi- klein ist. lanz (X-M). S ist das inländische Sparen, also der Teil des Nationaleinkommens, der nicht konsu- miert wird, und I sind die Ausgaben für Investi- 2.2 Saldenmechanik und tionsgüter. Damit bedeutet (S-I) > 0 (bzw. < 0) Kreislaufzusammenhang einen Einnahmenüberschuss (bzw. einem Ausga- benüberschuss) des Privatsektors (private Haus- Die Zahlungsbilanz und ihre Teilbilanzen enthal- halte, produzierende Unternehmen und Banken). ten hoch aggregierte Informationen (vgl. Priewe/ Es geht dabei also nicht nur um die laufenden Herr 2005: 70 ff.). Was bedeutet es, wenn ein Ersparnisse der privaten Haushalte. (T-G) ist der Land einen Überschuss oder ein Defi zit hat? Un- Budgetsaldo des Staates mit den Staatsausgaben abhängig von den jeweiligen Motiven der Güter- G und den Steuereinnahmen T. Ist der Budget- und Kapitalströme kann man sagen, dass ein saldo Null, kann ein Finanzierungsüberschuss des Überschussland mehr Güter und Dienstleistun- Inlands nur realisiert werden, wenn das Ausland gen produziert als es selber in Form von Konsum mehr importiert als exportiert, also im Inland ein oder Investitionen nutzt – es lebt gewissermaßen Leistungsbilanzüberschuss entsteht. Umgekehrt gegenwärtig unter seinen Verhältnissen. Umge- ist ein Leistungsbilanzdefi zit des Inlands nur kehrt lebt ein Defi zitland über seinen Verhältnis- möglich, wenn das Ausland diesen mit Kapital- sen, denn es gibt mehr aus als es einnimmt, ver- exporten fi nanziert. Dann kann sich das Inland schuldet sich also. Die Frage ist, wie lange das gut einen negativen Finanzierungssaldo der Privat- gehen kann. Kreditaufnahme, sei es im Inland wirtschaft und/oder ein Haushaltsdefi zit leisten. oder im Ausland, ist nun per se nichts Schlechtes. Ein negativer Finanzierungssaldo des Privatsek- Es kommt vielmehr darauf an, was damit gemacht tors (also (S-I) < 0) kann durch sehr hohe Investi- wird und wie viel Kredit wie lange aufgenommen tionen relativ zum inländischen Sparen entste- wird. Diese Fragen werden wir später genauer un- hen, aber auch durch hohen Konsum (also gerin- tersuchen. ges Sparen) der Haushalte bei niedrigen Investi-

1 In einer geschlossenen Volkswirtschaft ohne staatliche Aktivitäten gilt die Identität I = S, Investitionen gleich Sparen. Was an Einkom- men nicht für Konsumgüterkäufe ausgegeben wird, wird als Sparen defi niert, dem jene produzierten Güter gegenüberstehen, die nicht zum Konsum verwendet werden, also als Investitionsgüter klassifi ziert werden. Wird die Nachfrage des Staates (G) sowie des Auslands nach Gütern und Dienstleistungen (X für Exporte) einbezogen und die im Ausland produzierten und dann importierten Güter (M für Importe) abgezogen, kann das Nettoinlandsprodukt Y als Summe der verschiedenen Nachfrageaggregate angesehen werden, d. h.: Y = C + I + G + X-M (I sind hier die Nettoinvestitionen). Wenn das durch Produktion in Höhe von Y entstehende Nettoinlandsprodukt verteilt wird, wird es teils konsumiert, teils gespart und teils an den Staat in Form von Abgaben T transferiert: Y = C + S + T. Aus diesen beiden Gleichungen für Y folgt: S = I + G-T + X-M.

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tionen. Bei den Investitionen sollte man zwi- Finanzierungsdefi zits seines Privatsektors, der schen Wohnungsbauinvestitionen und anderen mehr investiert als spart, oder wegen einer Mi- Un ternehmensinvestitionen unterscheiden; ers- schung aus beiden Defi ziten. Ist LBD das Leis- tere zählen in der Volkswirtschaftlichen Gesamt- tungsbilanzdefi zit (negatives Vorzeichen), und rechnung zwar als Investitionen, haben aber auch nehmen wir ferner an, NEVE und TR sind 0, dann den Charakter langfristiger Konsumgüter. Damit gilt: wird deutlich, dass Nettokapitalimporte eines Landes, Spiegelbild eines Leistungsbilanzdefi zits, (4) LBD = (S-I) + (T-G) < 0 durchaus Ausdruck eines Wohnungsbaubooms und einer Hauspreisblase sein können, die früher In einem Zwei-Länder-Modell mit einem Über- oder später platzt. schuss- und einem Defi zitland (Schema 2) kön- Gleichung (3) zeigt auch, dass der Handels- nen verschiedene Konstellationen zwischen Spa- bilanzsaldo eines Landes aus dem Budgetsaldo ren und Investieren verglichen werden. Nehmen und dem Saldo des Privatsektors besteht; letzterer wir an, das Inland hat einen „Sparüberschuss“ setzt sich aus dem Finanzierungssaldo der priva- (S>I), realwirtschaftlich also eine Überproduk- ten Haushalte, der produzierenden Unternehmen tion von Gütern im Verhältnis zur inländischen und des Bankensektors zusammen. Ein Defi zit- Nachfrage. Wenn der staatliche Budgetsaldo Null land kann also wegen eines Budgetdefi zits des (oder leicht negativ) ist, entspricht der Sparüber- Staates ins Defi zit geraten, oder wegen eines schuss – exakt oder nahezu – dem Leistungsbi-

Schema 2:

Sparen und Investieren im Zwei-Länder-Modell

Inland mit LB-Überschuss: Ausland mit LB-Defi zit: Konstellation A Konstellation A (X-M) > 0 (X-M) < 0; (S-I) < 0 (S-I) > 0; (T-G) ≤ 0 (T-G) ≤ 0 geringes Haushaltsdefi zit oder ➞ (X-M) = (S-I) + (T-G) > 0 ausgeglichener Haushalt ➞ (X-M) = (S-I) + (T-G) < 0 Beispiel a) privates Sparen sehr hoch bei hoher Investitionstätigkeit (z. B. China) Beispiel a) Boom bei Unternehmensinvesti- und kleinem staatlichem Haushaltsdefi zit tionen (außerhalb Wohnungsbau), u. a. durch bzw. ausgeglichenem Haushalt ausländische Direktinvestitionen Beispiel b) privates Sparen hoch bei Beispiel b) Konsumboom, unveränderte Un- schwacher Investitionstätigkeit und ternehmensinvestitionen relativ kleinem staatlichen Haushaltsdefi zit Beispiel c) Wohnungsbauboom, (z. B. Deutschland) oder ausgeglichenem unveränderte sonstige Investitionen, Haushalt unveränderter privater Konsum (z. B. Spanien) Konstellation B Konstellation B (X-M) > 0 (X-M) < 0 (S-I) > 0, (T-G) > 0 (S-I) = 0 Budgetüberschuss trägt zum LB-Überschuss (T-G) < 0 ➞ (X-M) = (T-G) < 0 bei (z. B. Norwegen) Zwillingsdefi zite (z.B. Griechenland): Kapitalzufl uss wird vom Staat absorbiert Konstellation C Mix aus A und B: Kapitalzufl uss aus dem Ausland wird vom Staat und Privatsektor absorbiert

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lanzüberschuss. Dieser kann bei hohem Wirt- In diesem Fall würde das Wachstum des Volksein- schaftswachstum wie in China und hoher Investi- kommens im Inland gebremst. Freilich ist auch tionsdynamik entstehen, wenn der inländische das Gegenteil möglich. Kapitalexporte des Über- Konsum mit der Produktion nicht Schritt hält, schusslandes (Inland) können eventuell eine gut also die Konsumquote sinkt. Diesem ungewöhn- laufende Konjunktur im Ausland noch verstärken lichen Fall steht der häufi ger anzutreffende Fall und so positiv auf das Inland zurückwirken (z. B. gegenüber, bei dem die inländische Wirtschaft durch höhere Exporte des Inlands). Schauen wir eher stagniert, d. h. die Unternehmen investieren uns drei einfache Beispiele im Zwei-Länder-Mo- wenig im Inland und die Haushalte sparen viel dell an, ausgehend von einer Situation S>I im bei schwacher Einkommensdynamik. Dieser Fall Inland. ist eher für Deutschland 2001-2008 typisch. Im Erstens: Der Sparüberschuss wird ins Ausland Ausland, dem Defi zitland, können die Import- transferiert und dort in Wertpapieren angelegt. überschüsse grundsätzlich zum Konsum oder für Die Verkäufer dieser Wertpapiere im Ausland er- mehr Investitionen (Wohnungsbau oder andere halten Liquidität, die sie horten oder liquiditäts- private Investitionen) oder zur Staatsverschul- nah wieder anlegen. Es kommt zu keinen zusätz- dung verwendet werden, die ihrerseits zur Finan- lichen Ausgaben für Güterkäufe im Ausland, und zierung der Staatsausgaben genutzt werden. Wenn im Inland entstehen daher keine zusätzlichen das Leistungsbilanzdefi zit, also spiegelbildlich der Exporte. Jedoch sinkt wegen der inländischen Kapitalzufl uss aus dem Ausland, vollständig zur Sparüberschüsse die Güternachfrage, woraufhin Finanzierung des Haushaltsdefi zits genutzt wird, – bei konstanten Exporten – weniger importiert herrscht ein „Zwillingsdefi zit“ vor. wird, wenn wir eine konstante Importquote (Im- Die oben dargestellte Kreislaufgleichung (3) porte/Bruttoinlandsprodukt) des Inlands unter- gilt für eine Periode, sagen wir ein Jahr. Damit gilt stellen. So entstehen die oben beschriebenen sie nur ex post, also erst am Ende der Periode, Nettoexporte ex post. wenn die Zahlungsströme bekannt sind, und in- Zweitens: Der Sparüberschuss fl ießt als Direkt- soweit ist es eine Identität. Die von den Akteuren, investition ins Ausland, die in Form einer Be- den Sparern, Investoren etc. zu Beginn der Perio- teiligung eines inländischen Unternehmens an de geplanten oder erwarteten Werte für S und I einem ausländischen realisiert wird. Die Verkäufer etc. müssen nicht unbedingt mit den tatsächlich der Gesellschaftsanteile im Ausland verwenden realisierten Werten übereinstimmen. Ob bei- die Verkaufserlöse zum Kauf von Immobilien, de- spielsweise ein privatwirtschaftlicher Überschuss ren Preise daraufhin steigen, oder zur Rückzah- des Sparens über die Investitionen (S>I) tatsäch- lung von Schulden. Dies induziert keine Exporte lich zu einem Exportüberschuss und steigendem aus dem Inland ins Ausland. Abermals steigt der Volkseinkommen führt, ist keineswegs zu Beginn Exportüberschuss des Inlands nur, weil die Im- der Periode (oder im Verlauf des Jahres) sicher, porte des Inlands, wie im ersten Beispiel, sinken. weil es zu unbeabsichtigten Nebeneffekten kom- Drittens: Der Sparüberschuss des Inlands wird men kann. Sparen ist aus güterwirtschaftlicher im Ausland teils real investiert, d. h. Investitions- Sicht eine Reduktion von Güternachfrage und güter werden gekauft, teils konsumiert. Nehmen damit – ceteris paribus – gleichbedeutend mit wir an, dadurch steigen die aggregierten Investitio- einem Rückgang der Produktion. Ob es über das nen und der aggregierte Konsum im Ausland und Ausland und dessen Finanzmärkte in Ausgaben damit der Output. Bei gegebener Importquote des für Investitionsgüterkäufe, Konsum oder Staats- Auslands wird jetzt mehr aus dem Inland impor- ausgaben transformiert wird, hängt vom jeweili- tiert. Im Inland steigt der Exportüberschuss und gen Verhalten der Investoren, Konsumenten und damit das Bruttoinlandsprodukt, weil die Exporte staatlichen Entscheider im Ausland ab. Ist dies zunehmen. Wir sehen, dass nur im dritten Beispiel nicht oder nur teilweise der Fall, werden die positive makroökonomische Effekte im Inland Nettoexporte nur wenig oder gar nicht steigen wie auch im Ausland entstehen. Ob im dritten und können damit den negativen Nachfrage- Beispiel das Wachstum des Bruttoinlandspro- effekt des Sparüberschusses nicht kompensieren. dukts (BIP) im Inland infolge höherer Exporte

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größer ausfällt als in dem Fall, in dem es gar nicht schwache Importe zustande kommen kann – so- erst zu Übersparen (S>I) im Inland und damit zu fern nicht über Auslandsverschuldung die Im- Kapitalexport kommt, sondern die Einkommen portfähigkeit verbessert wird, so dass das Land im Inland direkt für Konsum und Investitionen ein Defi zitland wird. Hinzu kommt ein weiteres ausgegeben werden, bleibt dabei offen. Argument gegen die These, dass die Kapitalbilanz die Leistungsbilanz bestimmt. Wie kommen die Kapitalexporte bzw. -importe zustande? Der oben 2.3 Triebkräfte für Leistungsbilanz- erwähnte Sparüberschuss ((S-I) > 0) eines Über- ungleichgewichte schusslandes kommt in der Regel durch realwirt- schaftliche Prozesse zustande, also beispielsweise Warum kommt es zu Leistungsbilanzungleich- durch eine schwache Investitionstätigkeit trotz gewichten? Hier sind zwei Fragen von zentraler guter Gewinne, die jedoch im Inland nicht in- Bedeutung: Bestimmt die Kapitalbilanz die Leis- vestiert werden. Eine schwache Binnennachfrage tungsbilanz oder die Leistungsbilanz die Kapital- kann inländische Investitionen behindern, und bilanz? Und: Sind die Defi zitländer die treiben- durch niedrige Löhne im Verhältnis zur Produk- den Kräfte, die Kapital importieren, um Güter- tivitätssteigerung kann hohe preisliche Wettbe- importe zu tätigen, oder sind es die Überschuss- werbsfähigkeit erreicht werden. In diesem Fall länder, die entweder im Wettbewerb überlegen würde realwirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit sind oder durch Kapitalexporte ihre Leistungs- mit Nettokapitalexporten einhergehen; beides bilanzüberschüsse erzeugen? Beide Fragen hän- sind, so gesehen, nur die zwei Seiten der gleichen gen eng zusammen. Medaille. Insgesamt spricht also vieles dafür, dass Besonders die erste Frage wird seit langem realwirtschaftliche und monetäre Faktoren zu- kontrovers diskutiert. An dieser Stelle müssen we- gleich die Leistungsbilanzen beeinfl ussen und es nige Bemerkungen genügen. Vieles spricht dafür, keine eindeutige Kausalität gibt. dass die Kapitalströme der treibende Faktor für Was die Frage angeht, ob die Defi zit- oder die die Entstehung von Ungleichgewichten sind. Überschussländer die treibenden Kräfte für die Zum einen haben sie maßgeblichen Einfl uss auf Entstehung der Ungleichgewichte sind, sind wie die Wechselkurse (sehen wir hier von einer Wäh- bei allen Geschäftsbeziehungen natürlich beide rungsunion wie der Euro-Zone einmal ab), allein Seiten beteiligt. Weist ein Land ein hohes Budget- wegen ihres Umfangs relativ zu den Handelsströ- defi zit auf, das durch Emission von Staatsanlei- men. Der um Infl ationsdifferenzen zwischen In- hen fi nanziert werden soll, können letztere bei und Ausland bereinigte Wechselkurs (also der freien internationalen Kapitalmärkten durch In- reale Wechselkurs) ist eine wichtige Determinan- länder oder Ausländer gekauft werden. Der sich te der Güterströme und damit auch der Wettbe- verschuldende Staat nimmt i.d.R. keinen Einfl uss werbsfähigkeit eines Landes. Zum anderen kann darauf, wer die Staatsanleihen kauft. Zudem kön- ein Land mit Nettokapitalimporten – unabhängig nen inländische Besitzer von Staatsanleihen ihre vom Wechselkurs – mehr Güter als ohne Kapital- Titel an Ausländer verkaufen, selbst wenn das zufl uss importieren, während Länder mit Kapital- laufende Defi zit moderat ist. Auch wenn ein De- exporten weniger Güter importieren. fi zitland exzessive Budgetdefi zite eingeht, sind Gegen diese Argumentation spricht jedoch, die Gläubiger des Staates aktiv an diesen Transak- dass die preisliche und qualitative (technologi- tionen beteiligt. Wenn inländische Banken oder sche) Wettbewerbsfähigkeit eines Landes zweifel- Investmentfonds im Ausland Wertpapiere kau- los eine große Rolle für die Exportstärke spielt. fen, geht die Initiative vom Inland, also hier dem Wenn ein Land keine wettbewerbsfähigen Ex- Überschussland aus. Ähnlich ist es, wenn ein portgüter anzubieten hat, wird es im Export nicht Überschussland Währungsreserven in Staatsan- gut abschneiden, gleich wie hoch der Kapitalex- leihen des Reservewährungslandes, etwa der USA port ist. Allerdings wird dieses Land dann in der und der Euro-Zone, anlegt. Hier sind die Über- Produktion zurückfallen und weniger importie- schussländer die treibenden Kräfte, aber die Defi - ren, so dass ein Leistungsbilanzüberschuss über zitländer und ihre Finanzsysteme bemühen sich

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in der Regel, die Nachfrage der Anleger mit güns- Importe protektionistisch gedämpft werden, oder tigen Angeboten zu bedienen, so dass das Ge- es kann generell auf eine wirtschaftspolitische schäft für beide Seiten attraktiv ist. Förderung der Nettoexporte orientiert werden. Bei der Entstehung der meisten Leistungsbi- Hierbei spielt die Beeinfl ussung der realen Wech- lanzdefi zite geht also die Initiative meist von selkurse eine herausgehobene Rolle, da diese für Wirtschaftssubjekten der Überschussländer aus die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen eines (Unternehmen, Banken, Individuen); Regierun- Landes eine wichtige Determinante darstellen. gen der Defi zitländer können dies kaum verhin- Zusammenfassend kann man sagen, dass bei dern. Dies betrifft privatwirtschaftliche Kapital- Leistungsbilanzungleichgewichten immer Wirt- exporte in Form von Direktinvestitionen, gleich schaftssubjekte der Überschuss- und der Defi zit- ob es Beteiligungen an ausländischen Unterneh- länder beteiligt sind, indirekt auch die Regierun- men oder Immobilienkäufe sind, Erwerb von gen beider Seiten, aber letztlich sitzen die Akteure Ak tien und anderen Wertpapieren, inkl. Staatsan- in den Überschussländern am längeren Hebel. leihen. Nur durch Kapitalverkehrskontrollen Ohne ihre Initiative oder Mitwirkung können könnte die Regierung eines Defi zitlandes verhin- Defi zite nicht entstehen. Dass Ursache und Ver- dern, dass Ausländer Staatsanleihen und andere antwortung für Defi zite in erster Linie in den Wertpapiere erwerben, gleich ob die Neuver- Defi zitländern selbst liegen, ist also eine verbrei- schuldung hoch oder niedrig ist. Lediglich bei tete, intuitive Wahrnehmung, die jedoch nicht direkter Kreditaufnahme einer Regierungsstelle aufrecht zu halten ist. des Defi zitlandes im Ausland ist der Staat unmit- Aus makroökonomischer Sicht kann man die telbar beteiligt, aber diese Form der Staatsver- wichtigsten Determinanten der Leistungsbilanz schuldung wird selten gewählt. Eine hohe Staats- des Inlands (und damit auch des Auslands mit verschuldung im Inland erzeugt erst dann ein umgekehrtem Vorzeichen, wenn man ein Zwei- Leistungsbilanzdefi zit, wenn Staatsanleihen aus Länder-Modell verwendet) wie folgt darstellen: dem Bestand oder bei Neuemissionen von Aus-

ländern gekauft werden (vgl. Griechenland mit (5) LBS = X-M + NEVE + NTR = f (er, ε, str, e hoher Auslands-, Japan mit hoher Inlandsver- gInl/gAusl, ieInl/ieAusl, ToT, R , FP, ΔKXaut, sonstige) schuldung, beide mit hoher Staatsverschuldung). Indirekt kann die Regierung eines Defi zitlan- Die neun in der Klammer aufgeführten unabhän- des freilich Kapitalimporte durch niedrige Steu- gigen Variablen sind in einer umfassenderen Be- ern, Deregulierung von Finanzmärkten oder trachtung ihrerseits wieder von zahlreichen an- durch die Tolerierung spekulativer Blasen oder deren Faktoren abhängig. Sonstige Faktoren kön- „Konsumorgien“ auf Pump fördern. Auch kann nen auch eine Rolle spielen.

tolerierte höhere Infl ation in einem Defi zitland 1. Der reale Wechselkurs (er ) ist ein zentraler Be- zu höheren Nominalzinsen an den Kapitalmärk- stimmungsfaktor der Preise für Exporte und ten führen, die Kapitalimporte anziehen und zu- Importe. Wie erwähnt, hängt der nominale dem die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes aus- Wechselkurs in hohem Maße von Kapitalströ- höhlen, sofern die Währung nicht entsprechend men und damit von erwarteten Renditen ab, der Infl ationsdifferenz abwertet. Aber wer sollte während das Preisniveau von der Kostenent- die „richtige“ Höhe der Infl ationsrate bestimmen, wicklung, hier insbesondere von der Lohn- das Überschuss- oder das Defi zitland? Umgekehrt stückkostenentwicklung sowie von der Güter- kann auch die Regierung eines Überschusslandes nachfrage und indirekt durch die Geldpolitik Kapitalexporte fördern, indem die inländische der Zentralbank bestimmt ist. Zwar entfällt der Nachfrage geld- und fi skalpolitisch gedrosselt Wechselkurs in einer Währungsunion wie der wird, Lohnsteigerungen behindert werden (z. B. Euro-Zone (jedenfalls zwischen ihren Mitglieds- durch die Lohnpolitik des Staates im öffentlichen ländern), jedoch tritt dann die Relation der Dienst, die Förderung eines Niedriglohnsektors Kosten und Preise zwischen den Mitgliedslän- etc.) oder indem eine Politik sehr niedriger Infl a- dern an seine Stelle. Diese Relation kann man tion oder Defl ation toleriert wird. Es können auch als realen Wechselkurs ansehen, obwohl die

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gleiche Währung verwendet wird. In der Euro- wöhnlichen Fall, da hier die Importe trotz ho- Zone hängen also die Handelsbilanzsalden hen Wirtschaftswachstums viel langsamer als eines jeden Landes in hohem Maße von den die Exporte wachsen. Unterschieden im Kostenniveau und der Ent- 5. Die im Inland bzw. im Ausland erwarteten wicklung der Kostenunterschiede ab. Folglich risikobereinigten Renditen der verschiedens-

stehen in einer Währungsunion hinter dem ten Art (ieInl/ieAusl) beeinfl ussen die Kapitalströ- realen Wechselkurs im Kern Unterschiede in me. Unter Renditen werden hier summarisch der Lohnstückkostenentwicklung, weil das Zinsen, Dividenden und Kursgewinne sowie Verhältnis von Löhnen und Produktivität der Unternehmensrenditen verstanden. Trotz wichtigste Kostenfaktor ist. stark verfl ochtener Kapitalmärkte zwischen 2. Die Preiselastizität der Exporte bzw. der Im- den entwickelten Ländern gibt es aus verschie- porte, in der Gleichung mit (ε) zusammenge- denen Gründen keine volle Angleichung der fasst, drückt aus, wie sich die Export- bzw. nominalen Renditen, u.a. weil sich die Infl a- Import menge bei einer Änderung der Preise tionsraten unterscheiden können und Wech- der Güter infolge einer Auf- oder Abwertung selkursänderungsrisiken einkalkuliert werden ändert. Werden beispielsweise importierte Ba- müssen. Für die meisten grenzüberschreiten- nanen billiger, weil das Exportland abwertet, den Kapitalströme sind nominale Zins- bzw. dürfte die Menge der zusätzlich nachgefragten Renditedifferenzen maßgeblich. Arbitragege- Bananenimporte gering sein, weil die Preis- schäfte, die Zinsunterschiede nivellieren, und elastizität der Nachfrage in diesem Fall gering spekulative Geschäfte sind häufi g schwer ist. unterscheidbar. Der größte Teil der Kapital- 3. Der Strukturfaktor (str) drückt die Exportstruk- ströme ist von diesen monetären Faktoren tur im Hinblick auf die Einkommenselastizität und den zugehörigen Erwartungen abhängig. der Exporte aus. Die Einkommenselastizität Faktisch beeinfl ussen Risikoeinschätzungen der Exporte (oder Importe) muss von der Preis- die Rendite; diese Einschätzungen sind unten elastizität der Exporte (oder Importe) unter- als separate Variable aufgeführt. schieden werden. iPods haben möglicherweise 6. Die Terms of Trade (ToT), also das Verhältnis eine geringe Preiselastizität, aber eine hohe der Exportgüterpreise zu den Importgüterprei- Einkommenselastizität. Ein Land, das z. B. re- sen, beeinfl usst sowohl die Importfähigkeit lativ teure iPods produziert, mag gleichwohl eines Landes also auch dessen Kapitalexporte hohe Export zuwächse bei diesem Produkt ha- bzw. -importe. Steigen die Öl- und Rohstoff- ben, während man beim Export von Bananen preise, verbessern sich die ToT der Öl und Roh- selbst mit niedrigeren Preisen und bei starken stoffe produzierenden Länder, was deren Leis- Einkommenszuwächsen in den Importlän- tungsbilanzen verbessert (sofern dies nicht un- dern die Exportmenge kaum steigern kann und mittelbar durch zunehmende Importe kompen- der Exportwert in lokaler Währung sogar sinken siert wird) und zu mehr Kapitalexporten bzw. mag. Bei Wirtschaftswachstum im Ausland wird steigenden Währungsreserven führen kann. also ein Land mit günstiger Exportstruktur 7. Die zukunftsgerichtete Risikoeinschätzung (Re) überproportional profi tieren. auf den Kapitalmärkten im In- und Ausland 4. Das Konjunkturgefälle zwischen Inland und ist ein wichtiger Bestimmungsfaktor für Kapi-

Ausland (gInl/gAusl), also das relative Wirt- tal anlagen im Ausland. Dies gilt natürlich schaftswachstum im Inland, beeinfl usst bei auch für die Einschätzung der Liquidität und gegebener Importquote die Importe des In- Solvenz der Schuldner im Ausland. lands wie die des Auslands. Normalerweise 8. Die Fiskalpolitik (FP) im Inland bzw. im Aus- importiert eine stark wachsende Volkswirt- land bestimmt das geplante Budgetdefi zit wie schaft mehr als eine stag nierende. Allerdings auch die Fristenstruktur der Staatsverschul- kann sich die Importquote aufgrund von dung und nimmt damit ebenfalls Einfl uss auf Strukturwandel auch rasch ändern. China ist die Kapitalströme und damit auf die Leis- ein Beispiel für den umgekehrten, eher unge- tungsbilanzsalden.

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9. Autonome Kapitalexporte oder -importe Land droht dann eine Überschuldung, es muss

(ΔKXaut) sind einerseits politisch bestimmte sich wohl oder übel dem „Diktat“ der Gläubiger Kredite wie subventionierte Darlehen (Entwick- beugen. Freilich ist das Reservewährungsland ver- lungshilfe, Schuldenerlass), die insbesondere pfl ichtet, ohne nennenswerte Infl ation zahlungs- in Entwicklungsländern meist zu hohen Leis- fähig zu bleiben. Diese Bedingung kann aber rela- tungsbilanzdefi ziten führen. Reine Transfers tiv leicht erfüllt werden, wenn dieses Land abwer- (nicht rückzahlbare Zuschüsse), etwa an Ent- tet. Da die Auslandsschulden in der eigenen wicklungsländer, verbessern indessen die Leis- Währung denominiert sind, viele Vermögenstitel tungsbilanz, weil sie innerhalb der Leistungs- des Reservewährungslandes im Ausland jedoch in bilanz gebucht werden. Die politisch bestimm- ausländischer Währung, wird eine Abwertung ten- ten Kapitalfl üsse sind die wichtigsten Bestim- denziell die Nettovermögensposition dieses Lan- mungsfaktoren der Leistungsbilanzdefi zite des verbessern, jedoch die der anderen Länder vieler Entwicklungsländer. Ihnen liegt meis- verschlechtern. So hat das Reservewährungsland tens eine schwache Wettbewerbsfähigkeit des jenes „exorbitante Privileg“, wie es Giscard d’Estaing Exportsektors, schlechte Terms of Trade etc. einst nannte. Dieses Land kann sich also ein ho- zugrunde. Andererseits gehören Veränderun- hes und dauerhaftes Leistungsbilanzdefi zit leis- gen der Währungsreserven auch zu den auto- ten, selbst wenn es der größte Nettoschuldner der nomen Kapitalströmen, die vorwiegend dem Welt ist und selbst wenn die Nettovermögenspo- wichtigsten Reservewährungsland, also den sition gegenüber dem Ausland negativ ist und so- USA, zufl ießen und meist in Staatsanleihen gar immer weiter ansteigt. Hinzu kommt, dass die angelegt werden – oder abfl ießen, wenn sie Zentralbanken der anderen Länder ihre vom Herkunftsland anders verwendet werden. Währungsreserven vorzugsweise in diesem Land Mit den Währungsreserven als Triebkraft von Leis- anlegen, weil diese Anlagen als besonders sicher tungsbilanzungleichgewichten ist eine besondere gelten. Allerdings muss dieses Land fürchten, dass Variante eines Leistungsbilanzdefi zitlandes ange- das Vertrauen in diese Reservewährung verloren sprochen. Das Land mit der am meisten respek- gehen kann und andere konkurrierende Reserve- tierten und weltweit genutzten Währung besitzt währungen am Horizont auftauchen. Zu einem eine Art Weltgeld, das als Maßstab für den Wert Teil können auch die Währungen anderer Länder der meisten anderen Währungen gilt und das na- „in der zweiten Reihe“, etwa der Euro oder der hezu allseits zur Bezahlung von Waren- und Kapi- Yen, die erwähnten Privilegien erlangen und taltransaktionen akzeptiert wird. Nahm früher wahrnehmen. das Gold die Funktion der Weltwährung wahr, ist In der Zahlungsbilanztheorie werden zur es heute – jedenfalls ganz überwiegend – eine natio- Erklärung von unausgeglichenen Leistungsbilan- nale Währung, nämlich der US-Dollar. Die USA zen meist der „Elastizitätsansatz“ und der „Ab- können sich in eigener Währung verschulden; sorptionsansatz“ herangezogen. Bei ersterem er- diese Währung genießt nahezu unbeschränktes folgt der Leistungsbilanzausgleich durch preisli- Vertrauen im Rest der Welt. Sie kann durch die che Änderungen, nämlich Wechselkursanpas- Notenbank dieses Landes erzeugt und bei allen sungen, die mengenmäßige Reaktionen bei internationalen Transaktionen verwendet wer- Exporten und Importen nach sich ziehen, welche den. Dieses Land erscheint nahezu unbeschränkt der sog. Marshall-Lerner-Bedingung genügen. kreditwürdig und unterliegt damit praktisch kei- Wenn die Summe der absoluten Werte der Ex- ner Budgetrestriktion. Andere Länder hingegen port- und Importelastizität größer 1 ist, wird eine unterliegen dem „Diktat der Zahlungsbilanz“ als Währungsabwertung das Leistungsbilanzdefi zit scharfer Budgetrestriktion: Haben sie nicht hin- des Inlands mindern und damit auch den Über- reichend Devisen zur Finanzierung wichtiger Im- schuss des Auslands – so die Aussage der Marshall- porte, müssen sie abwerten, was ihre Importe ver- Lerner-Bedingung. Dieser Ansatz fokussiert also teuert und den in Landeswährung berechneten auf die oben genannten Faktoren 1 und 2, d.h. Wert der Fremdwährungsschulden erhöht. Dem auf den realen Wechselkurs und die Preiselasti-

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zitäten. Die entsprechenden Kapitalströme pas- 2.4 Sind Leistungsbilanzungleichgewichte sen sich bei einer Auf- oder Abwertung passiv an. stabil und nachhaltig? Die Wechselkursanpassung bezieht sich auf reale effektive Wechselkurse, also auf infl ationsbereinig- Bei freiem Waren- und Kapitalverkehr tauschen te und handelsgewichtete Wechselkurse. In einem Unternehmen, Banken und Einzelpersonen Zwei-Länder-Modell gibt es nur einen Wechsel- grenzüberschreitend Güter und Dienstleistungen kurs, in der Realität hunderte. Es kommt also auf ebenso wie Forderungen und Verbindlichkeiten die gewichtete Summe der Wechselkurse an. aus. Offenbar tun sie dies, weil sie sich davon Der Absorptionsansatz negiert zwar nicht die beidseitig Vorteile versprechen. Wenn ein Land Bedeutung von Wechselkursanpassungen, fokus- dadurch mehr Waren exportiert als importiert siert aber auf mengenmäßige Anpassungen in und zugleich mehr Kapital exportiert als impor- Form des Wachstumsgefälles zwischen In- und tiert, und umgekehrt das Ausland, warum sollte Ausland, insbesondere aufgrund unterschiedli- das schlecht sein? Kann es nicht dauerhafte und cher Fiskalpolitiken. Dem Ansatz entsprechend stabile „Ungleichgewichte“ zwischen In- und hat ein Überschussland eine zu geringe Absorp- Ausland geben? Die Zahlungsbilanz ist ja schließ- tion von Ressourcen, d. h. Nutzung von Gütern lich immer per defi nitionem ausgeglichen. Der im Inland, im Verhältnis zu seiner Produktion, Schluss von der mikroökonomischen Rationalität das Defi zitland eine zu hohe. Unter Absorption auf makroökonomische Stabilität ist jedoch un- (A) wird die inländische Nachfrage nach Investi- zulässig. Der Warenaustausch und die Finanz- tions- und Konsumgütern verstanden, also A = C marktaktivitäten Einzelner mögen für die Betei- + I + G (wobei C = Konsumnachfrage, I = Investi- ligten positiv und einkommenssteigernd sein; tionsnachfrage, G = Staatsnachfrage); anders ge- aber wenn alle das Gleiche tun, können große sagt: Y = A + (X-M). Folglich sollte ein Land mit Probleme auftauchen, die letztlich alle schädigen. Leistungsbilanzüberschuss aktive Konjunktur- Denn die Zahlungsbilanz ist nicht einfach eine politik betreiben, etwa mit höheren Budgetdefi - dürre, hochabstrakte Statistik, sondern sie zeigt ziten, um das Bruttoinlandsprodukt und damit Budgetrestriktionen auf. Ein Land kann sehr wohl die Importe zu steigern. Umgekehrt könnte ein vorübergehend über seine Verhältnisse leben, Land mit Leistungsbilanzdefi zit seine Importe aber nicht dauerhaft, weil es sich dann übermä- durch eine restriktive Fiskalpolitik mindern. Al- ßig verschuldet, so dass „es“ – d. h. dessen „Wirt- lerdings wirkt dies wachstumsmindernd, even- schaftssubjekte“ einschließlich der Staat – am tuell gar defl ationär, und kann im Fall großer Ende zahlungsunfähig würde. Aber wo liegen die Länder wie den USA zu einer globalen Rezession Grenzen? Was heißt „übermäßig“? Wir betrach- oder gar zu einer globalen Defl ation führen. Da- ten im Folgenden vier Ansätze zur Beurteilung her wurden von Keynes und vielen Keynesianern von Nachhaltigkeit (vgl. auch Priewe/Herr 2005: stets symmetrische Anpassungen von Defi zit- und 82 - 91). Überschussländern im Falle zu großer Ungleich- Ein erster Ansatz eines strengen Verständnis- gewichte gefordert (siehe Abschnitt 7). ses von Nachhaltigkeit postuliert die Rückzah- Festgehalten werden kann: Sowohl im Elasti- lung der Auslandsschulden. Dies erfordert Leis- zitäts- als auch im Absorptionsansatz bedarf es tungsbilanzüberschüsse. So gesehen sind nega- diskretionären politischen Handelns, um den Leis- tive Leistungsbilanzen niemals nachhaltig, son- tungsbilanzausgleich zu gewährleisten. Dass bei dern nur temporär möglich. Freilich bleibt der fl exiblen, ausschließlich marktbestimmten Wech- Zeitraum offen, in dem Auslandsschulden akku- selkursen ein Leistungsbilanzausgleich automa- muliert werden können. Es kann sich um wenige tisch zustande kommt, ist höchst fraglich (siehe Jahre, also eher konjunkturelle Defi zite, oder um unten). Dies wäre auch gar nicht nötig, wenn es Jahrzehnte handeln. Insofern ist dieser Ansatz zu stabile Ungleichgewichte gäbe, die für Defi zit- wie unbestimmt. Überschussländer gleichermaßen förderlich sind. Ein zweiter Ansatz nutzt eine einfache, wenn Ob dies möglich ist, soll nun geprüft werden. auch grobe Methode, die Nachhaltigkeit von

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Leistungsbilanzdefi ziten zu beurteilen. Als Bedin- toinlandsprodukt. Die Nettovermögensposition gung für Nachhaltigkeit wird ein konstanter im Verhältnis zum BIP bliebe im In- und Ausland Schuldendienst an das Ausland, relativ zum Brut- konstant. Wir unterstellen in dieser einfachen toinlandsprodukt, unterstellt. Dieser Prozentsatz Rechnung, dass die Zinsen im In- und Ausland mag niedrig oder hoch sein, aber er darf nicht auf alle Vermögensarten gleich sind. ständig steigen, weil dann das Land irgendwann Betragen die Nettoauslandsverschuldung seinen Zahlungsverpfl ichtungen nicht mehr beispielsweise 60 Prozent des BIP und das nomi- nachkommen oder seine Schulden nur durch be- nale Wirtschaftswachstum 5 Prozent, dann wäre wusste Infl ationierung nominal bezahlen kann, ein dauerhaftes Leistungsbilanzdefi zit von 3,0 nicht aber real. Dann wäre das Vertrauen der Prozent nachhaltig. Anders gesagt, hat ein Schuld- Gläubiger verwirkt, Rating-Agenturen würden nerland ständig ein Leistungsbilanzdefi zit von das Land abwerten, die Risikozuschläge auf Zin- 10 Prozent bei einem Wachstum des Bruttoin- sen würden steigen, und irgendwann müsste das landsprodukts von nominal 5 Prozent, wäre nur Schuldnerland zunächst Illiquidität und dann In- eine hohe Nettoauslandsverschuldungsquote von solvenz eingestehen. Bei Illiquidität handelt es 2,0 (also 200 Prozent des Bruttoinlandsprodukts) sich nur um eine vorübergehende Zahlungsunfä- nachhaltig. Dies impliziert eine enorme Ver- higkeit, bei Insolvenz ist der Schuldner auf Dauer schlechterung der Nettovermögensposition ge- un -fähig, seine Verbindlichkeiten zu erfüllen. genüber dem Ausland, wenn der Ausgangswert Wir nehmen nun als Bedingung für eine 0,6 war. Wenn wir der Einfachheit halber an- nachhaltige Auslandsverschuldung an, dass die nehmen, dass die Zinsen auf die Auslandsschuld

Quote der Auslandsverschuldung a = DAusl/Y konstant 5 Prozent betragen (als 5 von 200), dann

konstant bleibt. DAusl seien die Nettoauslands- müssten 10 Prozent des Einkommens des Inlands schulden einer Volkswirtschaft (dies entspricht an das Ausland transferiert werden, Jahr für Jahr. der Nettovermögensposition gegenüber dem Da dieser Zinsendienst Teil der Nettoerwerbs- Ausland), Y sei das nominale Bruttoinlandspro- und Vermögenseinkommen (NEVE) ist und da- dukt. D und Y seien in Fremdwährung (oder in mit Teil der Leistungsbilanz (siehe Gleichung 1), Gemeinschaftswährung von In- und Ausland bei würde die gesamte Neuverschuldung im Ausland einer Währungsunion) berechnet, und der Wech- zur Verwendung des Zinsendienstes genutzt wer- selkurs sei konstant. Also dürfen bei Nachhaltig- den müssen. Das heißt, die Handelsbilanz müsste keit die Nettoauslandsschulden nicht schneller ausgeglichen sein (die Nettotransfers seien der wachsen als das Bruttoinlandsprodukt. Die Zu- Einfachheit halber ausgeklammert). nahme der Nettoauslandsschulden in einer Pe- Man kann die Leistungsbilanz ohne Netto- riode entspricht aber dem Leistungsbilanzdefi zit, zinszahlungen (im Beispiel die Handelsbilanz)

so dass gilt: LBD/DAusl = ΔY/Y = gy. gy sei das nomi- auch als Primärbilanz ansehen, die in diesem Fall nale Wirtschaftswachstum. Daraus folgt die Be- stets ausgeglichen sein müsste. Ein Land, das sich dingung für nachhaltige Auslandsschulden:2 in einem Aufholprozess nachholender Indus- trialisierung befi ndet, könnte sich folglich keine

(6) LBD/Y = (DAusl/Y) gy Nettoimporte mehr leisten. Für ein Land mit noch schwacher Exportfähigkeit, aber großem In dem Zwei-Länder-Modell würde dann umge- Importbedarf zum Aufbau des notwendigen Ka- kehrt auch der Leistungsbilanzüberschuss des pitalstocks ist dies schwierig. Unsere bisher ver- anderen Landes relativ zum Bruttoinlandspro- wendete Defi nition von Nachhaltigkeit der Aus- dukt konstant bleiben, ebenso dessen Nettover- landsschulden bzw. des Leistungsbilanzdefi zits schuldung im Ausland im Verhältnis zum Brut- ging davon aus, dass die Schulden nie zurück-

2 Die Logik ist die gleiche wie bei Ableitung nachhaltiger fi skalischer Budgetdefi zite in einem Land, wie sie etwa bei der Bestimmung der Defi zit-Marge von 3,0 Prozent im Rahmen der Maastricht-Konvergenzkriterien angewendet wird.

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gezahlt werden bzw. stets durch Aufnahme neuer etwa 3 Prozent bei einem 5-prozentigen Wachs- Schulden fi nanziert werden. Dies impliziert ein tumstrend akzeptiert werden (zum Vergleich: ständiges Rollover-Risiko. Griechenland verzeichnete 2007 eine NVP von Wenn die Gläubiger im Ausland diese Netto- etwa 100 Prozent). Die niedrigen Werte entspre- verschuldungsposition (NVP) des Inlands als ris- chen auch den Salden der großen Mehrheit der kant ansehen, werden die Zinsen steigen, weil ein OECD-Länder und vieler Entwicklungsländer. Risikozuschlag verlangt wird. Kommt es zu einer Hohe Werte weit über 3 Prozent Leistungsbilanz- Abwertung des Schuldnerlandes, steigt die Last defi zit werden nur von wenigen Ländern über der Fremdwährungsschulden, ausgedrückt in In- längere Perioden ohne Überschuldungskrise rea- landswährung, weiter an. Es entsteht dann eine lisiert (siehe Abschnitt 3). Verschuldungskrise, die möglicherweise auf das Ein dritter Ansatz zur Analyse der Nachhaltig- Ausland, also das Gläubiger- bzw. Überschussland keit von Leistungsbilanzdefi ziten berücksichtigt zurückwirkt. Die Grenzen der Ungleichgewichte die Höhe des Nominalzinses (i) für die Nettoaus- sind dann überschritten. Wo die Grenze für die landsverbindlichkeiten bzw. die Erträge aus den nachhaltige, also tragbare NVP liegt, lässt sich Nettoauslandsforderungen im Verhältnis zum freilich objektiv nicht bestimmen. Sie wird be- nominalen Wirtschaftswachstum (vgl. Priewe/ stimmt durch die subjektive Einschätzung der Herr 2005: 82 ff.; siehe auch SVR 2006: 116 f., Gläubiger bzw. der Kapitalmarktteilnehmer. Sind abgeleitet aus der Tragfähigkeitsanalyse von sie skeptisch, ob ein Land auf Dauer eine Netto- Staatsverschuldung bei SVR 2003: 425 ff.). Ana- auslandsschuld von beispielsweise 200 Prozent log zur Analyse fi skalischer Tragfähigkeit von des Bruttoinlandsprodukts tragen kann, werden Staatsschulden lässt sich die erforderliche Höhe auf den Anleihemärkten die Zinsen durch einen des Primärdefi zits (P) (bzw. von p für die Primär- Risikozuschlag erhöht werden. Diese Bewertungs- defi zitquote P/Y) bestimmen, wenn der Leistungs- änderung durch die Anleger am Anleihemarkt bilanzsaldo sowie die Nettozinszahlungen auf kann dann eine Illiquidität oder Insolvenz des Nettoauslandsschulden (bei Ausklammerung von Landes bzw. der Schuldner des Landes herbei- Transferzahlungen und anderen Komponenten führen. Das Land ist gewissermaßen zur Geisel von NEVE) gegeben sind. Das Leistungsbilanz- der Gläubiger geworden, Ausdruck des erwähn- defi zit sei LBD mit positivem Vorzeichen, das ten „Diktats der Zahlungsbilanz“. Handelsbilanzdefi zit sei HD (mit HD = M-X), so

Bei realistischen Werten der NVP – für die dass gilt: LBD = HD + iDAusl. Das Primärdefi zit (P) USA liegt sie bei rund -25 Prozent des Bruttoin- entspricht dem Leistungsbilanzdefi zit ohne Zins- landsprodukts3 – wäre nur ein geringes Leistungs- zahlungen auf Auslandsschulden, also dem Han- bilanzdefi zit nachhaltig – für die USA läge es in delsbilanzdefi zit. Das Leistungsbilanzdefi zit ist der Größenordnung von 1,25 Prozent des Brutto- also gleich der Zunahme der Auslandsverschul- inlandsprodukts (bei unterstelltem nominalen dung in der laufenden Periode: Wachstumstrend von 5 Prozent p.a.: 0,05 x 0,25 =

0,0125). Man mag eine konjunkturelle Schwan- (7) LBD = P + iDAusl kungsbreite von ein, zwei oder drei Prozentpunk- ten einkalkulieren; dennoch bliebe es dabei, dass Bei Nachhaltigkeit der Auslandsschuld, also Kons- nur ein recht kleines Leistungsbilanzdefi zit als tanz der Auslandsschuldenquote d (d = DAusl/Y), dauerhaft nachhaltig klassifi ziert werden kann. resultiert nach Umformungen:4 Selbst wenn man eine NVP in Prozent des BIP von -0,6 als dauerhaft tragfähig ansieht, kann nur (8) p = HD/Y = (gy - i)d ein durchschnittliches Leistungsbilanzdefi zit von

3 Das Minuszeichen steht für höhere Verbindlichkeiten als Forderungen, umgekehrt das Pluszeichen.

4 Die Konstanz von d = DAusl/Y erfordert LBD/DAusl = ΔY/Y; d.h. P + iDAusl = ΔY(DAusl/Y). Durch Y geteilt ergibt sich: P/Y = p = - iDAusl/Y + (ΔY/Y)d;

d.h. p = (gy - i)d.

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Kommt es zu einer Abwertung der Währung Obwohl dieser Ansatz zur Beurteilung der des Defi zitlandes, steigen Auslandsschuldenquo- Tragfähigkeit der Auslandsschulden eines Landes te und Zinslastquote entsprechend auf ein hö- präziser als der zuvor erläuterte zweite Ansatz heres Niveau. Meist ist dies mit der Gefahr stei- ist, sagt er nichts über die Höhe der langfristig gender Zinsen wegen Risikozuschlägen verbun- tragbaren Auslandsverschuldungsquote (d) aus. den, wodurch die Nachhaltigkeit der Auslands- Nachhaltigkeit kann sowohl bei hoher als auch schuld gefährdet würde. Bezieht man die bei niedriger Auslandsverschuldung im Verhält-

Veränderung des realen Wechselkurses êr ein nis zum Bruttoinlandsprodukt gegeben sein. Eine

(êr > 0 ist eine Abwertung), dann erfordert Nach- tatsächlich stattfi ndende Erhöhung dieser Quote haltigkeit im Fall einer Abwertung eine höhere muss nicht zwangsläufi g Indikator von fehlender Wachstumsrate im Vergleich zum Zinssatz oder Nachhaltigkeit sein, sondern könnte auch den ein kleineres Handelsbilanzdefi zit (vgl. Priewe/ Übergang zu einem höheren, nachhaltigen Ni- Herr 2005: 86): veau der Auslandsverschuldung widerspiegeln. Je höher dieses aber ist, desto geringer wird die

(9) p = (gy - êr - i) d Glaubwürdigkeit, dass es nachhaltig konstant bleibt. Diese Unsicherheit kann spekulative At- Insgesamt resultiert aus dieser Analyse, dass eine tacken oder Schuldenkrisen auslösen. konstante, in diesem Sinn also nachhaltige Aus- Ein vierter Ansatz zur Abschätzung von Nach- landsverschuldungsquote (d) eine Primärdefi zit- haltigkeit betrachtet lediglich die Nettoerwerbs- quote (p) von Null erfordert, wenn die nominale und Vermögenseinkommen gegenüber dem Aus- Wachstumsrate und der Nominalzins gleich sind. land, relativ zum Bruttoinlandsprodukt, also die Dies impliziert aber, dass ein Leistungsbilanzdefi - NVP. Diese ist in vielen Fällen – insbesondere im zit nur im Umfang der Zinslast existieren darf. Bei Falle der USA – komplexer zusammengesetzt als relativ schwächerem Wachstum bzw. höherem bisher dargestellt, da die Struktur des Auslands-

Zins (i > gy) muss der Primärsaldo sogar positiv vermögens und ihre Ertragskraft von der der Ver- sein, d.h. die Volkswirtschaft benötigt zur Finan- bindlichkeiten des Inlands gegenüber dem Aus- zierung des Schuldendienstes permanent einen land abweichen kann; auch kommt es auf die Exportüberschuss. Da die Höhe der Zinsen und Währung der Forderungen und Verbindlichkei- des Wachstums über einen längeren Zeitraum ten an. In diesem Sinne läge Nachhaltigkeit vor, nur geschätzt werden kann, besteht Raum für wenn die NVP (relativ zum BIP) nicht dauerhaft subjektive Erwartungen und Zukunftsspekula- ansteigt. tionen. Eine wichtige Schlussfolgerung dieser Alle dargestellten Messlatten für Nachhaltig- Analyse ist, dass Handelsbilanzdefi zite (bei Aus- keit eines Leistungsbilanzungleichgewichts sind klammerung von anderen Komponenten wie aus mehreren Gründen recht grob: Es wurde nur NEVE und Transfers) dauerhaft nur dann tragbar auf Nettoströme, also auf Salden, geachtet; die Ar- sind, wenn die Wachstumsrate des Defi zitlandes ten des Kapitalfl usses (z. B. Direktinvestitionen, größer als der Zins (oder wenigstens gleich dem Kredite etc.) von den Überschuss- in die Defi zit- Zins) auf Auslandsschulden ist. länder wurden ignoriert, ebenso die Tatsache, Die Budgetrestriktion ist lockerer, wenn das dass in einer Welt mit mehr als zwei Ländern Län- Land hohe Geldüberweisungen von Emigranten derrisiken eventuell diversifi ziert werden können. aus dem Ausland, Entwicklungshilfe oder andere Wie sähen also die Bedingungen für Nachhaltig- Finanztransfers empfängt, z.B. in der EU aus den keit von Ungleichgewichten bei einer stärker dis- europäischen Strukturfonds. Wichtig ist zu beto- aggregierten Betrachtung der Weltwirtschaft aus? nen, dass das Wachstum dauerhaft höher als der Wie erwähnt resultiert der Saldo der Kapital- Zins (oder ihm gleich) sein muss, also nicht nur bilanz in entwickelten OECD-Ländern aus sehr temporär infolge einer Vermögenspreisblase im großen Bruttokapitalexporten und -importen. Wohnungsbau oder einer starken Boomphase. Selbst wenn der Saldo ausgeglichen wäre, kann es

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unter Umständen erhebliche Verschuldungspro- nicht geschlossen werden, dass Leistungsbilanz- bleme einzelner Sektoren eines Landes geben. ungleichgewichte und spiegelbildlich Kapitalbi- Nehmen wir an, ein Land mit relativ ausgegliche- lanzungleichgewichte – also Nettoströme – irrele- ner Leistungsbilanz hat eine hohe Auslandsver- vant sind. Insbesondere können sie Gefahren schuldung des Staates, der aber hohe private Aus- durch große Volatilität von Zu- und Abfl üssen er- landsvermögen gegenüberstehen. Wenn es zu zeugen, die massive Auswirkungen auf die Wech- Zahlungsunfähigkeit des überschuldeten Staates selkurse und die makroökonomische Stabilität kommt, wird das Auslandsvermögen der Inländer insgesamt haben können. Dazu gehört insbeson- bei der Lösung des Problems kaum hilfreich sein. dere das rasche Anschwellen von Zufl üssen, de- Oder nehmen wir an, der Bankensektor ist sehr ren plötzlicher Stopp und die nachfolgende Um- stark im Ausland verschuldet, während der Staat kehr der Kapitalströme, die mit einer starken Auf- und die nicht-fi nanziellen Unternehmen keine wertung und einer plötzlicher Abwertung ver- Auslandsschulden haben. Im Durchschnitt der bunden sind. Insgesamt sollte also nicht nur die Volkswirtschaft erscheinen die Auslandsschulden Nachhaltigkeit der Ungleichgewichte gewährleis- niedrig, aber gerät der hoch verschuldete Banken- tet werden, sondern auch die Nachhaltigkeit der sektor in Schiefl age, erscheint es fraglich, ob die Bruttoströme, unabhängig vom Ausmaß der Leis- anderen Sektoren ihn retten können. tungsbilanzungleichgewichte. Auch bei ausgeglichener Kapitalbilanz eines Wie sieht es nun mit der Art der Kapitalfl üsse Landes kann es große Bruttokapitalanlagen im aus? Können möglicherweise langfristige Kapital- Ausland geben, die sehr riskant sind, wie etwa exporte bzw. -importe zur Stabilität von Leis- beim Engagement deutscher Landesbanken über tungsbilanzungleichgewichten beitragen? Ver- Zweckgesellschaften in den USA im Subprime- breitet ist die Ansicht, dass kurzfristige Auslands- Segment. Dadurch kann sich im Zuge einer Ent- verbindlichkeiten im Verhältnis zu langfristigen wertung krisenhafter Auslandsaktiva eine Ver- Auslandsverbindlichkeiten problematisch sind, schlechterung der Nettovermögensposition des insbesondere wenn es sich um Budgetdefi zite mit Inlands ergeben. Gleichwohl, es handelt sich in kurzen Laufzeiten der Kredite oder Staatsanleihen solchen Fällen zunächst einmal nur um partielle handelt, und dass generell Kredite und Anleihen Ungleichgewichte einzelner Sektoren, die sich problematischer als Portfolio- und Direktinvesti- aber, wenn sie plötzlich ein großes Ausmaß an- tionen sind. Direktinvestitionen im Ausland wer- nehmen, sehr wohl als gesamtwirtschaftlich rele- den als langfristiges Engagement eines inländi- vante Verschuldungsprobleme darstellen können. schen Investors angesehen, bei denen das Risiko Andererseits kann auch die Struktur der Forde- vom Investor selbst getragen wird; bei Portfo- rungen und Verbindlichkeiten eines Landes sehr lioinvestitionen herrscht indessen eine größere unterschiedlich sein, so dass ein Leistungsbilanz- Instabilität, aber es handelt sich ebenfalls um defi zit auf Dauer leichter tragbar oder auch be- Eigenkapitalströme, so dass auch hier das Risiko sonders prekär sein kann. Wenn etwa die Struktur beim ausländischen Financier liegt. Was die Risi- des Auslandsvermögens eines Landes zu einer koverteilung angeht, so liegt bei allen Kapitalex- durchschnittlich hohen Ertragskraft führt, wäh- porten eines Überschusslandes ein Teil des Risikos rend die Verzinsung der Verbindlichkeiten gegen- immer beim Kapitalgeber, selbst bei langfristigen über dem Ausland gering ist, kann sich dieses Krediten. Kredit- sowie Markt- und Länderrisiken Land höhere Leistungsbilanzdefi zite leisten, ohne schlagen immer auf den Gläubiger zurück. Direkt- in Zahlungsschwierigkeiten oder steigenden investitionen sind zwar eher langfristige Anlagen Schuldendienst relativ zum Bruttoinlandsprodukt des Investors, aber sie sind in der Summe durch- zu geraten. Dies ist bei den USA der Fall. aus konjunkturabhängig und damit volatil. Eben- Aus der Tatsache, dass Bruttoströme wichtig so wie Portfolioinvestitionen können sie zu star- sind, weil auch sie unabhängig von den Salden ken Schwankungen an den Kapitalmärkten, ins- Probleme erzeugen oder mindern können, sollte besondere an den Aktienmärkten, beitragen und

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insoweit Boom-and-Bust-Zyklen erzeugen oder ver- Ausnahme der USA als Reservewährungsland und stärken. Ob die Auf- und Abschwungsphasen als größter Volkswirtschaft der Welt – in einer symmetrisch sind, so dass sich ein stabiler Trend schwächeren Position. ergibt, ist unsicher. Insgesamt sollte man vor- Mit zunehmender Verfl echtung der Güter- sichtig sein, bestimmte Kapitalströme als „gut“ und Kapitalmärkte wird jedoch die scheinbar und andere als „weniger gut“ oder „schlecht“ zu starke Gläubigerposition erodiert. Zwischen den qualifi zieren. Allesamt haben sie ihre zwei Seiten. Defi zitländern können Ansteckungs- und Über- Können schließlich Leistungsbilanzungleich- tragungseffekte entstehen, weil sich die Erwar- gewichte je nach der Länderstruktur der Partner tungen und Risikoeinschätzungen der Akteure als eher nachhaltig und stabil qualifi ziert werden, an den globalen Finanzmärkten ändern. Dann weil vielleicht Risiken besonders diversifi ziert können die Finanzkrisen einzelner Defi zitländer sind? Dies kann nur in einem Mehr-Länder- wie der Beginn eines Lauffeuers wirken, das sich Modell untersucht werden. Länder, die selbst letztendlich auch auf die Gläubigerländer aus- einen großen Überschuss haben, der jedoch ge- breitet. Statt nachhaltiger Ungleichgewichte ent- genüber vielen Ländern besteht, können in der steht dann große Unsicherheit, die Schuldner- Tat ihre Gläubiger-Risiken auf diese Art diversi- wie Gläubigerländer lähmt. fi zieren. Nehmen wir Deutschland oder auch die Insgesamt gilt, dass die Nachhaltigkeit von Schweiz als Beispiele für Länder, die hohe Über- Ungleichgewichten ein wichtiger Leitfaden für schüsse mit vielen europäischen und sonstigen die Unterscheidung „guter“ oder „schlechter“ Ländern haben. Wenn ein Schuldnerland wie Salden sein sollte. Je größer die Ungleichgewichte Griechenland strauchelt, werden die deutschen in den Leistungsbilanzen relativ zum Bruttoin- Gläubiger nur moderat betroffen sein. Dagegen landsprodukt sind, desto größer die Wahrschein- macht der Überschuss Chinas gegenüber den USA lichkeit der Verletzung von Nachhaltigkeitsbe- den größten Teil des chinesischen Überschusses dingungen, und desto größer die Unsicherheit aus, wodurch Chinas Abhängigkeit von den USA und damit die Instabilität. Insoweit ist die oben steigt. Große Überschussländer wie Deutschland, dargestellte Grobanalyse hinsichtlich der Bedin- denen viele Defi zitländer gegenüberstehen, sind gung für Nachhaltigkeit von Ungleichgewichten also in einer starken Machtposition. Solange sie vertretbar, die zu dem Ergebnis kam, dass Leis- nicht mit Ansteckungsgefahren unter den ver- tungsbilanzsalden eher klein sein sollten. Daran schiedenen Schuldnern konfrontiert sind, sitzen können die Einbeziehung von Bruttoströmen, sie am längeren Hebel und können den Defi zit- die Berücksichtigung unterschiedlicher Formen ländern die Anpassungsmaßnahmen gewisser- von Kapitalströmen sowie die Möglichkeiten der maßen diktieren. So gesehen ist das erwähnte Diversifi zierung von Länderrisiken durch die „Diktat der Zahlungsbilanz“ ein Diktat des Über- Überschussländer nichts ändern. schusslandes. Damit haben große Überschusslän- der eine große Verantwortung gegenüber den vielen von ihnen abhängigen Defi zitländern. 2.5 Korrekturmechanismen durch Märkte Den Defi zitländern hilft Diversifi zierung ih- rer bilateralen Leistungsbilanzdefi zite indessen Gibt es Marktmechanismen, die exzessive Defi - wenig. Griechenland hat in seiner aktuellen Ver- zite oder Überschüsse in den Leistungsbilanzen schuldungskrise viele Gläubiger, ebenso Argen- korrigieren? Handelt es sich um nicht-nachhal- tinien, als es 2001 zur Zahlungsunfähigkeit kam. tige Ungleichgewichte, die auf konjunkturellen Handelt es sich um dominierende Gläubiger, wie Ungleichzeitigkeiten beruhen, ist eine Bereini- etwa China im Fall der USA, dann können beson- gung infolge eines Abschwungs bzw. einer Rezes- dere polit-ökonomische Verhandlungsstrukturen sion im Defi zitland zu erwarten. In diesem Fall bzw. Abhängigkeiten entstehen, deren jeweilige wird weniger aus dem Überschussland importiert. Vor- oder Nachteile schwer zu beurteilen sind. Dies geht meist mit einer realen Abwertung der Insgesamt sind die Defi zitländer – traditionell mit Währung des Defi zitlandes einher. Bei synchro-

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nisierten Konjunkturzyklen sind Ungleichge- ditätskrisen kommen, die zunächst jedoch durch wichte dagegen nur bei unterschiedlichem Trend- antizyklische Überbrückungskredite der Gläubi- wachstum zu erwarten, die sich dann ebenfalls ger oder supranationaler Institutionen lösbar im Abschwung bzw. in der Rezession zurückbil- sind. Häufi g münden Liquiditätskrisen jedoch in den. Dies ist der Typ vergleichsweise moderater schweren Insolvenzkrisen.5 Bei Insolvenz eines und wenig gefährlicher konjunktureller Un- Landes müssen die Gläubiger einen Teil der For- gleichgewichte. Freilich kann es gefährlicher wer- derungen abschreiben. Dies führt dazu, dass wei- den, wenn sich die Ungleichgewichte durch eine tere Kredite zunächst nicht oder nur zu sehr ho- abrupte Umkehr der Kapitalströme korrigieren. hen Zinsen gewährt werden, wodurch die Real- Insbesondere in den Defi zitländern kann häufi g wirtschaft in eine schwere Krise gerät. Es kann zunächst eine Wachstumsillusion entstehen, die dabei zu panikartigen Reaktionen mit überschie- über die Nicht-Nachhaltigkeit des Wachstums- ßenden Wechselkursänderungen kommen, die trends hinwegtäuscht. Irgendwann aber platzt besonders in Ländern mit hohen Auslandsschul- die Wachstumsblase. Die durch die Marktmecha- den in Fremdwährung zu schweren Zahlungsbi- nismen ausgelösten Korrekturen der Leistungsbi- lanzkrisen führen. Bei einer realen Abwertung lanzungleichgewichte in Form von Kapitalfl ucht des Defi zitlandes verbessert sich in der Regel zwar können dann eine schwere Krise auslösen oder die Leistungsbilanz, aber die Schuldenlast in hei- verstärken. mischer Währung wächst bei nominal gleich ho- Existieren stärkere und länger anhaltende her Fremdwährungsschuld. Insolvenzkrisen sind Ungleichgewichte, die auf verzerrten realen daher langwierig, behindern Wachstum und Be- Wechselkursen beruhen und damit Ausdruck an- schäftigung für längere Zeit und erfordern Kor- haltend unterschiedlicher Wettbewerbsfähigkeit rekturen bei einer übermäßig export- bzw. im- von In- und Ausland sind, können sich Ungleich- portorientierten Wirtschaftsstruktur. gewichte verstärken und im Defi zitland erheb- Vielfach wird behauptet, globale Finanz- liche Verzerrungen der Produktionsstruktur (z. B. märkte bestrafen die exzessiven Defi zitländer hart Deindustrialisierung), Überschuldung und die und brutal und wirken auf diese Weise präventiv Bildung von Vermögensblasen hervorrufen. Auch disziplinierend. Man könnte derartige Marktkor- im Überschussland kann es zu einer verzerrten, rekturen auch anders beschreiben: Sie wirken nämlich einer übermäßig exportlastigen Produk- nicht nur korrigierend, sondern auch zerstöre- tionsstruktur kommen. Die Probleme entladen risch, denn auch gesunde Unternehmen und sich dann in einer abrupten Umkehr der Kapital- Banken oder zuvor gesunde Staatshaushalte wer- und Güterströme, in einer starken plötzlichen den in der Krise in Mitleidenschaft gezogen, häu- Abwertung im Defi zit- und Aufwertung im Über- fi g in den Bankrott. schussland, häufi g mit Banken- und Finanzkrisen Die Korrekturen bei konjunkturellen wie verbunden. Wenn die Verschuldung sich als auch bei strukturellen Ungleichgewichten erfol- nicht-nachhaltig herausstellt, kann es zu Liqui- gen meist sowohl durch eine veränderte Absorp-

5 Liquiditäts- und Insolvenzkrisen sind, bezogen auf Volkswirtschaften oder Staaten, in der Realität schwerer als bei Unternehmen zu unterscheiden. Ein Unternehmen ist insolvent, wenn das Gesamtvermögen dauerhaft negativ ist. Wenn es Zahlungsunfähigkeit (Insol- venz oder umgangssprachlich „Bankrott“) anmeldet, weil es überschuldet ist, wird es am Ende aufhören, als rechtlich selbstständiges Wirtschaftsubjekt zu existieren. In diesem Sinne können jedoch weder ganze Volkswirtschaften noch ihre Regierungen bankrott werden, denn sie werden weiter existieren. Allerdings kann die Regierung einer Volkswirtschaft zahlungsunfähig werden, wenn die Zentralbank sie nicht unterstützt oder die Regierung Steuern zur Rettung nicht erhöhen kann oder will. „Bankrott“ von OECD-Staaten hat es seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Islandkrise 2008 nicht gegeben, abgesehen von Kommunen oder Bundesstaaten (in den USA z. B. New York 1975), die allerdings meist von der Zentralregierung am Ende doch gerettet wurden. Der Begriff Insolvenz von Staaten sollte besser auf seine Staatsanleihen (oder Kredite) bezogen werden, die er in diesem Fall nicht mehr planmäßig bedienen kann. Mit der In- solvenz in diesem Sinne gibt es hingegen reichliche Erfahrungen bei Entwicklungs- und Schwellenländern. In der Mehrzahl der Fälle von Zahlungsunfähigkeit konnte es durch komplizierte Umschuldung – meist mit Hilfe des IWF oder des Pariser Clubs – gelingen, die Forderungen der Gläubiger vollständig zu erfüllen. In den anderen Fällen mussten die Gläubiger endgültig auf einen Teil ihrer Forderun- gen verzichten. Wir verwenden hier zwar den – problematischen – Begriff der Insolvenz von Volkswirtschaften und Staaten, können aber auf die damit verbundenen komplizierten rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen nicht weiter eingehen.

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tion als auch durch Veränderungen der realen nicht-nachhaltigen Ungleichgewichten zu geben. Wechselkurse, meist realisiert über starke nomi- Lediglich bei konjunkturellen Ungleichgewich- nale Wechselkursanpassungen, die häufi g über- ten, also bei nicht-synchronisierter Konjunktur schießend sind: Es erfolgen dann überzogene, zwischen Überschuss- und Defi zitländern, wür- panikartige Ab- bzw. Aufwertungen, die funda- den in einer Währungsunion die Überschüsse mental nicht gerechtfertigt sind. Bereinigungen bzw. Defi zite infolge eines konjunkturellen Rück- von Ungleichgewichten können auch über dras- gangs im Defi zitland sinken. Allerdings ist wegen tische Änderungen der Terms of Trade erfolgen, starker Handels- und Kapitalverfl echtungen in etwa über ausgeprägte Zyklen der Weltmarktprei- einer Währungsunion der Fall nicht-synchroner se für Öl und andere Rohstoffe. Letztere sind häu- Konjunkturverläufe zwischen den Mitgliedslän- fi g auch bei normalen konjunkturellen Ungleich- dern unwahrscheinlich. gewichten ergänzende Korrekturmechanismen. Damit bleibt es bei dem Fazit: in einer Wäh- Zusammenfassend kann man also sagen: rungsunion bedarf es institutionalisierter Regeln Marktkorrekturen von schweren Ungleichge- oder diskretionärer Politiken, um Ungleichge- wichten kommen meist zu spät und führen zu wichte abzubauen bzw. präventiv zu begrenzen. hohen volkswirtschaftlichen Kosten. Daher Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich Ungleich- kommt es auf eine möglichst frühzeitige Prä- gewichte ohne solche Regeln stärker und anhal- vention exzessiver Ungleichgewichte an. tender ausbilden. Ähnliches gilt für Währungs- In einer Währungsunion entfällt der nomi- systeme, die auf festen, jedoch per Vereinbarung nale Wechselkurs als Korrekturmechanismus, also veränderbaren Wechselkursen beruhen (wie im die Möglichkeit der nominellen Abwertung der Bretton-Woods-System oder im Europäischen Währung des Defi zitlandes. Eine mögliche An- Währungssystem 1979-98). Sind Ungleichge- passungsalternative ist jedoch eine „interne Ab- wichte durch exzessive strukturelle Budgetdefi zi- wertung“ durch Lohn- und Preissenkungen rela- te oder institutionalisierte reale Unterbewertung tiv zur Produktivität bzw. eine restriktive Fiskal- der Währung des Überschusslandes verursacht, politik im Defi zitland, um die Importe zu senken. bedarf es ohnehin politischer Korrekturen.6 Damit wird das Defi zitland unter defl ationären Druck gesetzt. Selbst wenn dies ohne großen Schaden gelänge, käme die Korrektur reaktiv, d. h. 2.6 Gute und schlechte Leistungs- spät. Bei stärkerer Lohndefl ation, etwa in mehre- bilanzungleichgewichte ren Ländern einer Währungsunion, kann dies das Preisniveau in der Währungsgemeinschaft insge- Kann man bei der Analyse von Leistungsbilanz- samt nach unten ziehen. Ob mittels Lohnsen- ungleichgewichten „gute“ von „schlechten“ un- kungen bzw. stark restriktiver Fiskalpolitik die terscheiden? Ein „gutes“ Ungleichgewicht müsste Auslandsverschuldung verringert werden kann, erstens nachhaltig sein, zweitens dürfte es kei- ist zweifelhaft, denn allenfalls sinkt das laufende nem der beteiligten Länder kurz- und auch lang- Defi zit der Leistungsbilanz, nicht aber der Be- fristig schaden und mindestens einem nützen, stand an Schulden. Die Auslandsschuldenquote möglichst beiden. Wenn Ungleichgewichte die- könnte zwar bei Wachstum sinken, aber im De- sen Anforderungen nicht genügen, könnte man fi zitland sind die Weichen zunächst auf Kon- sie als „schlecht“ oder „schädlich“ qualifi zieren. traktion gestellt. Wie man es auch dreht und Unsere Untersuchung zur Nachhaltigkeit wendet, in einer Währungsunion scheint es kei- von Leistungsbilanzdefi ziten hat ergeben, dass nen Marktmechanismus zur Bereinigung von „gute“ Defi zite dann möglich sind, wenn die

6 So war es auch, als der Plaza-Akkord 1985 die extreme Überbewertung des US-Dollar und ein hohes US-Leistungsbilanzdefi zit von 3,5 Prozent durch koordiniertes Handeln der G-5 Regierungen beendete, woraufhin der Yen um ca. 50 Prozent gegenüber dem US-Dollar aufwertete; 1987 beendete der Louvre-Accord der G-7 Regierungen die zu starke Aufwertung von Yen und DM. Die Notenbanken der beteiligten Länder einigten sich auf koordinierte Devisenmarktinterventionen.

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Wachstumsrate des Defi zitlandes über dem Zins- Effekt erreicht, der unter Umständen zu einer satz liegt (oder zumindest beide Raten gleich Outputsteigerung führt. sind), insbesondere auch wenn durch die Kapital- Vorübergehende Leistungsbilanzdefi zite sind importe eben dieses höhere Wachstum erzeugt also „gut“ oder zumindest unproblematisch, werden kann. Wenn die Wachstumsrate und der wenn sie vorübergehend das Wachstum im Ver- Zinssatz auf die Auslandsschulden übereinstim- hältnis zum Zins steigern und danach der Out- men, kann zwar durch ein Primärdefi zit von Null put des Defi zitlandes auf dem neuen, höheren Nachhaltigkeit erzielt werden, aber das Land wür- Niveau bleibt und zum alten Wachstumspfad de Jahr für Jahr Teile des Nationaleinkommens zurückkehrt. Dann wird die NVP (relativ zum BIP) an das Gläubigerland abgeben müssen und dürfte nicht steigen. keinen positiven Netto-Ressourcentransfer (nega- tive Handelsbilanz) akzeptieren. Faktisch werden „Gute“ Defi zite durch Direktinvestitionen? jedoch häufi g direkt oder indirekt Kapitalfl üsse zu einem großen Teil konsumtiv verwendet. Sind Direktinvestitionen seitens des Überschuss- landes Ausdruck eines „guten“ Defi zits? Dies wäre Konsumsteigernde Defi zite nur dann der Fall, wenn die Direktinvestitionen tatsächlich die aggregierten Investitionen des De- Um diesen Fall darzustellen, nehmen wir an, dass fi zitlandes steigern und zu mehr Wachstum im das Defi zit ausschließlich für zusätzlichen Kon- Verhältnis zum Zinssatz führen. Bei den meisten sum der privaten Haushalte bzw. für „nicht-pro- Direktinvestitionen zwischen OECD-Ländern duktiven“ Staatskonsum verwendet wird. Neh- handelt es sich aber um bloße Übernahmen men wir den extremen Konsumfall, wenn zusätz- („Mergers&Acquisitions“), also reine Eigentümer- licher Konsum – abgesehen von zusätzlichem wechsel. Die Einnahmen der Alteigentümer wer- Schuldendienst – vollständig durch vermehrte den teils konsumiert, teils gespart, teils tatsäch- Importe gedeckt wird: lich in neues Realkapital investiert. Nur insoweit letzteres der Fall ist, wirken Direktinvestitionen

(10) Yt = Yt+1 = C + ΔC - iΔD + G + I + X - (M + ΔM), investitionssteigernd, abgesehen von „Greenfi eld wobei ΔC = ΔM - iΔD Investments“, d. h. dem Bau neuer Anlagen auf der grünen Wiese durch ausländische Investoren Der Output bleibt nach der Importsteigerung in ohne Verdrängung heimischer Investoren. Wer- Periode t+1 gegenüber Periode t unverändert, al- den die Direktinvestitionen im Wohnungsbau lerdings verschlechtert sich die Nettovermögens- platziert, d. h. zum Bau neuer Wohnungen ver- position des Defi zitlandes. Damit ist klar, dass wendet, zählen sie im Rahmen der Volkswirt- konsumorientierte Leistungsbilanzdefi zite nicht schaftlichen Gesamtrechnung auch als Investi- nachhaltig sein können. Dieser Fall kann auf tionen. Vielfach wird dadurch ein Wohnungs- verschiedene Weise eintreten, zum Beispiel über bauboom ausgelöst, der häufi g eine Wohnungs- Wertpapierkäufe des Auslands im Defi zitland; die preisblase initiiert. Handelt es sich um einen inländischen Besitzer würden ihre Wertpapiere vorübergehenden Boom, würde das Inlandspro- an Ausländer verkaufen und den Erlös ganz oder dukt des Defi zitlandes auf ein höheres Niveau teilweise konsumieren. Oder: Ausländer kaufen klettern, allerdings nicht der Export des Defi zit- im Defi zitland Immobilien, so dass die Preise für landes. Muss der Schuldendienst in Fremdwäh- Häuser steigen. Die inländischen Hausbesitzer, rung bezahlt werden, ist eine Abwertung zu überrascht vom Vermögenszuwachs, steigern da- erwarten, die das Nachhaltigkeitsproblem ver- raufhin ihre Konsumquote. Würde der zusätzli- schärft (vgl. Gleichung 9). Anders indessen bei che Kapitalimport für die Steigerung der Staats- gleicher Währung im Defi zit- und Überschuss- ausgaben G verwendet, sagen wir für Bildung land. Dann könnte infolge des vorübergehenden oder Infrastruktur, wäre u. U. ein „produktiver“ Wohnungsbaubooms die Nettovermögensposi-

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tion konstant bleiben. Wenn eine Immobilien- hohe Verschlechterungen der Exportposition. preisblase platzt und der Wohnungsbau einbricht, Kommt die reale Abwertung des Überschusslan- würde natürlich das Outputniveau sinken und des durch Reallohnsenkung relativ zur Produk- die Schuldenquote steigen. tivität zustande, werden die Lohnquote sowie die Zusammengefasst kann man sagen, dass Kaufkraft der Beschäftigten gesenkt. Unter realis- „gute“ Defi zite nur dann entstehen, wenn die De- tischen Bedingungen ist dann möglicherweise fi zite in der Leistungsbilanz nur vorübergehend der Nachfragezuwachs durch die gestiegenen existieren, aber der Output des Defi zitlandes dau- Nettoexporte geringer als der Nachfragerückgang erhaft auf ein höheres Niveau ansteigt (um dann bei der inländischen Güternachfrage.7 Das scha- auf den alten Wachstumspfad zurückzukehren), det nicht nur dem Überschussland, sondern oder wenn die Defi zite dauerhaft sind, aber auch schwächt auch die Exporte des Defi zitlands und ein dauerhaft höherer Wachstumstrend erreicht dämpft somit das Wachstum beider Länder. Im wird; in beiden Fällen würde sich die Nettover- Zwei-Länder-Modell würde also das Wachstum mögensposition nicht verschlechtern. der „Weltwirtschaft“ insgesamt geringer ausfallen. Im Überschussland entstehen infolge des Folglich handelt es sich nur dann um „gute“ Nettokapitalexports nicht zwangsläufi g höhere Ungleichgewichte, wenn diese die realen Wech- Güterexporte, wie bereits oben dargestellt. Die selkurse nicht oder nur vorübergehend beein- spiegelbildlichen Leistungsbilanzüberschüsse kön- trächtigen und zugleich investive, outputstei- nen auch durch sinkende Importe bei konstanten gernde Effekte im Defi zitland entstehen. Dann Exporten zustande kommen. Kapitalexporte sind und nur dann würde der aggregierte Output bei- zunächst nur eine Form von Sparen, die nicht der Länder zunehmen und in keinem Land der automatisch zu mehr Nachfrage des Auslands Output sinken. nach inländischen Gütern führt. Kommt es zu Zwei Fälle werden häufi g angeführt, in de- vermehrten Exporten, hat das Überschussland nen solche „guten“ Ungleichgewichte entstehen. einen Vorteil. Es hat einen höheren Output in– Erstens bei nachholendem Wachstum von Ent- folge steigender Exporte und des dadurch ausge- wicklungs- und Schwellenländern oder anderen lösten Multiplikatorprozesses sowie zusätzliche relativ zurückgebliebenen Ländern (wie Grie- Vermögenseinkommen aus dem Kapitalexport. chenland, Portugal oder einst Irland), zweitens Aber es könnte auch sein, dass die Leistungs- wenn die Volkswirtschaften rasch alternder Ge- bilanzungleichgewichte zwischen In- und Aus- sellschaften im Ausland einen Kapitalstock zur land negative Nebeneffekte haben, welche die späteren Finanzierung ihrer Altersversorgung auf- outputsteigernden Effekte in beiden Ländern bauen. überkompensieren. Dies ist dann der Fall, wenn es zu anhaltenden Veränderungen der realen „Gute“ Defi zite bei nachholender Wechselkurse kommt. Das Leistungsbilanzdefi - Entwicklung? zitland würde dann real aufwerten und an Wett- bewerbsfähigkeit verlieren, also weniger expor- Nachholendes Wachstum von zurückgebliebe- tieren können bzw. mehr importieren müssen. nen Volkswirtschaften mit ausländischem Kapi- Möglicherweise würde der positive investive Ef- tal ist eine viel diskutierte traditionelle Ent- fekt durch den die Nettoexporte senkenden Auf- wicklungsstrategie, die in den meisten Ländern wertungseffekt übertroffen. Für das In- und Aus- gescheitert ist. Die Grundidee ist, dass hoch ent- land zusammengenommen wäre es ein Nullsum- wickelte Volkswirtschaften Leistungsbilanzüber- menspiel: Das real abwertende Land hätte höhere schüsse haben, weil langfristige Anlagen – Direkt- Nettoexporte, das real aufwertende Land gleich investitionen oder langfristige Kredite – in we-

7 Nur in kleinen Volkswirtschaften mit sehr hoher Exportquote ist der Nettoexportzuwachs größer als der Verlust an Inlandsnachfrage infolge einer sinkenden Lohnquote.

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niger entwickelten Ländern im Unternehmens- können. Die wichtigste Bedingung ist dabei, dass sektor platziert werden. Die neoklassische Theorie tatsächlich die Investitionstätigkeit und länger- hat sogar erwartet, dass ein großer Kapitalfl uss fristig auch die Nettoexporte des Landes gestärkt aus den reichen Ländern in die ärmeren Länder werden, so dass sich die Nettovermögensposition bei liberalisiertem Handel und Kapitalverkehr er- längerfristig verbessert. folgt, weil die Grenzproduktivität des Kapitals in kapitalarmen Volkswirtschaften größer sei als „Gute“ Überschüsse bzw. Defi zite in Ländern in kapitalreichen (vgl. Lucas 1990). Die Realität mit alter bzw. junger Altersstruktur? weicht jedoch von dieser Vorstellung stark ab, da die meisten Kapitalexporte zwischen ähnlich ent- Sollten überproportional stark alternde Gesell- wickelten OECD-Ländern abgewickelt werden schaften ihre Ersparnisse für die Altersvorsorge in und die ärmeren Länder nur einen sehr geringen Ländern mit jüngerer Altersstruktur anlegen? Teil der weltweiten Direktinvestitionen absorbie- Wären Leistungsbilanzungleichgewichte dieser ren. Viele Kapital importierende, nachholende Art stabil und Ausdruck langfristiger Präferenzen Volkswirtschaften sind zu dauerhaften Leistungs- der Bürger (vgl. u. a. Cooper 2008)? Nicht selten bilanzdefi zitländern geworden, in einer Schul- werden mit diesem Argument die hohen Über- denfalle gelandet oder in eine permanente Ab- schüsse Deutschlands oder Japans legitimiert. wertungsgefahr geraten. Diese Konzeption läuft in einem Zwei-Länder- Die meisten erfolgreichen nachholenden Modell mit einem alternden Inland und einem Entwicklungs- und Schwellenländer sind mit sehr jungen Ausland darauf hinaus, dass das Inland moderaten Kapitalzufl üssen oder gar mit Leis- über einen längeren Zeitraum weniger ausgibt als tungsbilanzüberschüssen gewachsen. Markante es produziert und dass das Ausland umgekehrt Ausnahmen sind Korea in den Nachkriegsjahr- mehr Güter absorbiert, also kauft, als es produ- zehnten, als ein hohes Leistungsbilanzdefi zit ziert. Offensichtlich ist dieser „Deal“ für das Aus- vorwiegend durch die Entwicklungshilfe der USA land nur lohnenswert, wenn es die Kapitalzufuhr fi nanziert wurde, Vietnam seit den 1990er Jahren vorwiegend für Investitionsgüter verwendet, also mit einem beträchtlichen Leistungsbilanzdefi zit, seine Investitionsquote steigert und damit sein fi nanziert durch Direktinvestitionen, und Irland Wachstum. Bedingung ist also, dass die Wachs- seit den 1990er Jahren, ebenfalls in starkem Maße tumsrate größer als der Zinssatz ist, zumindest durch Direktinvestitionen fi nanziert. Insbeson- nicht kleiner. Andernfalls sinkt die Nettovermö- dere aber können starke Kapitalzufl üsse in ein gensposition des Auslands, wie oben dargestellt, nachholendes Entwicklungs- oder Schwellenland und das Ausland könnte in eine Überschuldungs- zu Aufwertung der Währung und Dämpfung der falle geraten. Es müssten also die gleichen Bedin- Nettoexporte und des Wachstums führen. Die tra- gungen für Nachhaltigkeit der Auslandsverschul- ditionelle Vorstellung, dass die entwickelten Län- dung gelten wie oben dargestellt, mit der Aus- der einen leichten Leistungsbilanzüberschuss und nahme, dass dann, wenn die Bürger des Inlands die Entwicklungsländer wegen „Kapitalmangel“ in den Ruhestand treten, die Struktur der Leis- ein Defi zit haben sollten („Growth cum Debt“), ist tungsbilanzen der beiden Länder sich umkehrt. denn auch durch viele Negativbei spiele ebenso Das Inland würde nun hohe Vermögenseinnah- wie durch theoretische Erwägungen diskreditiert men aus dem Ausland beziehen und mehr Güter worden (vgl. Priewe/Herr 2005: 102 ff.). Allenfalls importieren als exportieren, so dass die Leistungs- lässt sich sagen, dass durch Direktinvestitionen bilanzungleichgewichte wieder abgebaut würden. erzeugte moderate Leistungsbilanzdefi zite in zu- Das Ausland müsste also Exportüberschüsse er- rückgebliebenen Ländern unter bestimmten Be- wirtschaften, um den Schuldendienst fi nanzieren dingungen – vor allem wenn die Wachstumsrate zu können. Um diesen Umschwung zu bewerk- des Bruttoinlandsprodukts über dem Zinssatz stelligen, bedarf es einer Änderung des realen liegt – nachholendes Wachstum unterstützen Wechselkurses – das Inland muss aufwerten, das

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Ausland abwerten. Der Erfolg dieses Alterssiche- Sind Überschüsse gut für die Überschussländer? rungsmodells für das Inland ist also an eine Rei- he von Voraussetzungen gebunden. Entschei- Auf den ersten Blick scheint es, als lägen die Pro- dend ist, dass der im Ausland aufgebaute zusätz- bleme bei Leistungsbilanzungleichgewichten ein- liche Kapitalstock tatsächlich wachstumsstei- deutig auf Seiten der Defi zitländer. Tatsächlich gernd wirkt. Andernfalls gerät das Ausland in eine liegen hier meist die akuten Probleme. Dennoch dauerhaft prekäre Situation: erst in eine länger sind andauernde hohe Überschüsse in der Regel anhaltende Leistungsbilanzdefi zitposition, zu der auch nicht gut für die Überschussländer. später dann hohe Lasten aus dem Schuldendienst Zunächst können eventuelle Probleme der ans Ausland hinzukommen, die die Leistungs- Defi zitländer auf die Gläubigerländer zurückfal- bilanz weiter belasten. len. Sie sind dann mit notleidenden Krediten, Man kann sich auch fragen, ob die alternde den Folgen von Banken- und Zahlungsbilanzkri- Volkswirtschaft gut beraten ist, einen Kapital- sen in den Defi zitländern konfrontiert, die ihre stock zur Rentenfi nanzierung im jungen Ausland Banken und Vermögensbesitzer treffen können. aufzubauen. In der Aufbauphase wird die inlän- Überschussländer mit festen Wechselkursen – wie dische Nachfrage geschwächt, weil weniger im etwa China heute oder Deutschland am Ende der Inland investiert wird. Damit wird das schwächere Bretton-Woods-Ära – haben mit hohen Export- Wirtschaftswachstum der Zukunft bereits jetzt überschüssen zu kämpfen, die infl ationär wirken, vorbereitet. Die alternde „Rentner-Ökonomie“ wenn sie nicht sterilisiert werden können. des Inlands würde zunehmend auch zur „Rentier- Deutschland gelang zu Beginn der 1970er Jahre Ökonomie“, weil sie mehr und mehr von den die Sterilisierung nicht, musste „importierte In- Auslandserträgen anstelle von eigener Produkti- fl ation“ akzeptieren und teuere Devisenmarkt- on lebt. Unter strengen Annahmen von Vollbe- interventionen durchführen (d. h. US-Dollars schäftigung und Arbeitskräftemangel infolge der durch Ankauf stützen, die hinterher an Wert stark Alterung mag das Modell aufgehen, unter realis- verloren). China dagegen gelingt zumindest bis- tischeren Annahmen wird jedoch die jüngere her die Sterilisierung weitgehend, aber sie ist Generation des Inlands durch die geschwächte fi skalisch kostspielig, zumal die in den USA ange- inländische Investitionstätigkeit benachteiligt. legten Devisenreserven nur geringe Zinserträge Sollte alterungsbedingt Arbeitskräftemangel im bringen und im Fall einer Dollarabwertung an Inland auftreten, wären eine steigende Erwerbs- Wert verlieren. Bei einer erfolgreichen, länger an- quote und Immigration probate Alternativen. haltenden Unterbewertungsstrategie eines Lan- Unter realistischen Bedingungen kann auch des werden zudem zwar Weltmarktanteile hin- bezweifelt werden, dass die alternden Ökono- zugewonnen, aber um den Preis einer schwachen mien tatsächlich in jüngere Volkswirtschaften Lohnentwicklung im Inland, die zu Nachfrage- Altersvorsorgekapital exportieren. Sofern es sich schwäche im Inland führen kann. Deutschland bei den Empfängerländern um Entwicklungs- und Japan sind Musterbeispiele für Überschuss- und Schwellenländer handelt, sind neben Wäh- länder, die aus diesem Grund im vergangenen rungsrisiken noch weitere, höhere Risiken zu er- Jahrzehnt unter schwachem Wachstum und warten. Je jünger die Altersstruktur des Ziellandes schlechter Beschäftigungslage gelitten haben. Der der Kapitalexporte, desto unterentwickelter und Schwerpunkt der Investitionstätigkeit verlagerte riskanter die Anlagen. Im Allgemeinen ist die sich mehr und mehr ins Ausland. Anderen Über- Absorptionsfähigkeit der Kapitalmärkte nur in schussländern wie China gelang zwar eine enor- den OECD-Ländern groß genug, um Sparen für me Steigerung der Binnennachfrage und zusätz- die Altersvorsorge im großen Stil zu gewährleis- lich noch ein Wachstumsschub durch Export- ten, jedoch sind gerade die meisten dieser Länder überschüsse; aber auf längere Sicht ist dieses vom Alterungsprozess in ähnlicher Weise betrof- Ungleichgewicht nicht durchzuhalten und wird fen.

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hier wie in den anderen Überschussländern zu und führen zu großen Einkommens- und Vermö- schmerzhaften Korrekturen in der gesamten Wirt- gensverlusten. Leistungsbilanzungleichgewichte schaftsstruktur führen, sobald die Überschüsse sind nur dann positiv zu beurteilen, wenn sie das zurückgefahren und die Binnennachfrage kom- Wachstum über verstärkte Investitionen und/ pensierend dynamisiert werden müssen. oder Innovationen in den Defi zitländern be- schleunigen, ohne das Wachstum der Überschuss- länder zu vermindern. Am ehesten gelingt dies 2.7 Fazit über Direktinvestitionen des Überschusslandes, soweit diese das Produktionspotenzial des Defi - Nur moderate und temporäre Leistungsbilanzun- zitlandes erhöhen. gleichgewichte sind unproblematisch. Moderat Kapitalexporte eines Überschusslandes stel- heißt einige wenige Prozent des Bruttoinlands- len zunächst einen Verlust an Güternachfrage für produkts, temporär bezieht sich insbesondere auf das Inland dar, eben eine Form des Sparens. Wenn konjunkturelle Ungleichgewichte. Länger anhal- dieser Nachfrageausfall nicht durch vermehrte tende Ungleichgewichte resultieren häufi g aus Exporte ausgeglichen wird, sinken das Brutto- Unterschieden in der Wettbewerbsfähigkeit der inlandsprodukt und damit die Importe. Aus der Volkswirtschaften, die zur Selbstverstärkung ten- Sicht des Kapitalimportlandes führen die auslän- dieren. Nachhaltigkeit von Leistungsbilanzun- dischen Ersparnisse ebenfalls nicht automatisch gleichgewichten liegt vor, wenn die Nettovermö- zu mehr Investitionen oder anderen Arten der gensposition des Defi zitlandes im Trend stabil Güternachfrage. Sie können „versickern“, also in bleibt, was spiegelbildlich eine stabile Netto- der laufenden Periode nicht nachfragerelevant vermögensposition im Überschussland im Zwei- werden. So kann es sein, dass im Defi zitland spie- Länder-Modell impliziert. Andernfalls ist mit gelbildlich zum Überschussland weniger expor- Liquiditäts- und Insolvenzkrisen sowie Wäh- tiert und gleich viel wie zuvor importiert wird. In rungskrisen zu rechnen, die lang anhaltende ne- beiden Ländern gingen dann die Ungleichge- gative Folgen insbesondere für Defi zitländer ha- wichte mit rückläufi ger Produktion einher. Ein ben können. Ungleichgewichte können auf der weniger extremer Fall läge vor, wenn die Aus- Seite der Defi zitländer sowohl durch Budgetde- lands ersparnisse im Inland nur teilweise nach- fi zite als auch durch Defi zite der privaten Haus- fragerelevant werden. halte, Unternehmen oder Banken entstehen. Die Kapitalimporte der Defi zitländer werden Die Triebkräfte für Leistungsbilanzungleich- häufi g direkt oder indirekt zu einem beträchtli- gewichte sind sehr vielfältig. Sie können auf der chen Teil zur Steigerung des privaten und staat- Seite der Leistungsbilanz und auf der Seite der Ka- lichen Konsums verwendet und führen so zu pitalbilanz ihre Gründe haben. Überschuss- und Konsumgüterimporten. Wohnungsbauinvestitio- Defi zitländer sind gleichermaßen die Verursa- nen haben eher den Charakter langlebiger Kon- cher, allerdings kommt den Überschussländern sumgüter. Überdies kann ein Immobilienboom häufi g die aktive, treibende Rolle zu. zu einer Preisblase an den Immobilienmärkten Starke Ungleichgewichte tendieren dazu, führen. Hohe und anhaltende Budgetdefi zite, fi - Wechselkurse zu verzerren, so dass diese von den nanziert durch Ersparnisse des Auslands, sind fundamentalen Gleichgewichtswerten abweichen nicht nachhaltig, insbesondere wenn sie auf ho- und früher oder später korrigiert werden müssen. hen Schuldenständen aufbauen. Entscheidend ist Damit werden auch Handelsströme und die Allo- in allen Fällen, dass die Wachstumsrate des Brut- kation der Produktionsfaktoren auf die Sektoren toinlandsprodukts des Defi zitlandes größer als verzerrt. Marktmäßige Korrekturen von Ungleich- der (oder gleich dem) Zinssatz sein muss, andern- gewichten sind möglich, aber sie kommen meist falls ist mit einer sich verschlechternden Netto- reaktiv in der Folge von Krisen, brauchen Zeit vermögensposition zu rechnen.

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Nachholendes Wirtschaftswachstum wird Insgesamt kann man resümieren, dass au- häufi g als Beispiel eines „guten“ Leistungsbi- ßenwirtschaftliches Gleichgewicht im Sinne einer lanzungleichgewichts angesehen, ebenso das Al- längerfristig ausgeglichenen Leistungsbilanz oder tersvorsorgesparen von Volkswirtschaften mit al- lediglich geringer Abweichungen ein sinnvolles ternder Bevölkerungsstruktur in Ländern mit gesamtwirtschaftliches Ziel darstellt. Große struk- jüngerer demografi scher Struktur. Beide Argu- turelle Leistungsbilanzungleichgewichte führen, mente sind anfechtbar. Nachholendes Wirt- vordergründig betrachtet, nicht unbedingt im- schaftswachstum von Entwicklungs- und Schwel- mer zu eindeutig identifi zierbaren Problemen. Sie lenländern mit Hilfe von Kapitalimport hat viel- wirken eher wie eine hohe Umweltverschmut- fach in einer Schulden- und Zahlungsbilanzkrise zung auf die Gesundheit der Menschen: Beide geendet. Die meisten Erfolge bei nachholendem sind gleichermaßen ein Katalysator für viele, Wachstum beruhten auf moderaten Leistungsbi- mitunter gravierende Folgeprobleme und sollten lanzdefi ziten oder gar -überschüssen. Altersvor- daher vermieden oder klein gehalten werden. sorgesparen in Ländern mit junger Bevölkerungs- struktur ist zudem mit erheblichen Risiken für beide Seiten verbunden.

34 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

3. Empirischer Überblick über globale Ungleichgewichte

Die OECD-Länder haben als Gruppe gegenüber Europäischen Union (EU-27) insgesamt weitge- dem Rest der Welt traditionell nur geringe Leis- hend ausgeglichen (siehe Tabelle A2 im Anhang). tungsbilanzüberschüsse oder -defi zite im Verhält- Nimmt man die absoluten Leistungsbilanzsalden nis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP); es gab im im vergangenen Jahrzehnt und bezieht die EU-27 Zeitraum 1995 - 2010 nur moderate Defi zite, bis ins Bild ein (Abbildung 2), dann wird deutlich, maximal 1,6 Prozent des BIP aller OECD-Länder dass neben den USA 18 EU-Defi zitländer den (2006, siehe Tabelle A2 im Anhang). Allerdings wichtigsten Überschussländern gegenüberstehen, gab es seit Anfang der 1980er Jahre massive Un- unter den letzteren acht Euro-Zonen-Mitglieder gleichgewichte innerhalb der Gruppe der OECD- (vgl. Abbildung 2 auf Seite 36). Länder, da sich die USA immer mehr zu einem Zusammenfassend kann man sagen, dass die Defi zitland entwickelt haben (vgl. Abbildung 1 in globalen Ungleichgewichte drei verschiedene der Einleitung), unterbrochen von Rezessions- Ländergruppen umfassen (siehe Schema 3): ers- jahren, in denen weniger importiert wurde und tens die traditionell großen Defi zite (in Prozent das Defi zit etwas sank. Seit Ende der 1990er Jahre des BIP) bei den ärmeren Entwicklungsländern, nahm das US-Defi zit jedoch massiv zu, spiegel- die sich im Zuge der Rohstoffpreis-Hausse im bildlich die Überschüsse Chinas, der OPEC- und vergangenen Jahrzehnt etwas vermindert haben der sonstigen Rohstoffe exportierenden Länder (25 Prozent der globalen Defi zite); zweitens das (Verachtfachung der Rohölpreise8 zwischen dem US-Defi zit, dessen im vergangenen Jahrzehnt an- Tief im Januar 1999 und dem Hoch im Juli schwellende Größe ihr Gegenstück vorrangig in 2008, Verdoppelung der Rohstoffpreise sowie China, anderen Schwellenländern sowie ölför- der Nahrungsmittelpreise 1999 - 2008), Russlands, dernden Ländern hatte (44 Prozent der globalen anderer Schwellenländer und Deutschlands. Defi zite); drittens die sehr starken Ungleichge- Während Japan als Überschussland – im Gegen- wichte innerhalb der EU. Würde man sonstige satz zu den 1990er Jahren – eine relativ abneh- europäische Überschuss- und Defi zitländer ein- mende Rolle spielte, sind es vor allem asiatische beziehen, wie Norwegen, die Schweiz und mit- Schwellenländer und die Öl exportierenden Län- telosteuropäische sowie südeuropäische Länder, der, die als neue große Überschussländer massiv die nicht Mitglied der EU sind, würden die Kon- Kapital exportieren. Diese Überschüsse werden traste noch deutlicher. Die europäischen Defi zit- von den USA und traditionell von den ärmeren länder vereinen etwa 25 Prozent der globalen Entwicklungsländern, die anhaltende Defi zite Defi zite auf sich. Im Zentrum der Debatte um glo- haben, absorbiert, zusätzlich aber seit etwa dem bale Ungleichgewichte stehen jedoch einseitig Jahr 2000 durch eine ganze Reihe peripherer die USA und einige Schwellenländer, vor allem europäischer Länder, überwiegend innerhalb der China – dies ist jedoch eine stark verengte Pers- EU und auch innerhalb der Euro-Zone. Jedoch pektive. waren und sind die Leistungsbilanzen sowohl der Nimmt man das Jahr 2008 als Referenzjahr Euro-Zone als Ganzes als auch der gesamten für besonders hohe Ungleichgewichte, dann wird

8 Siehe den HWWI-Rohstoffpreisindex (Deutsche Bundesbank 2010) sowie den Überblick über die Rohölpreise www.oilprices.com und die Entwicklung der Nahrungsmittelpreise bei http://www.fao.org

35 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

deutlich, dass sich die Überschüsse (in absoluten zitländern, überwiegend OECD-Länder, 75 Prozent Zahlen) zu etwa 80 Prozent auf nur neun Länder der weltweiten Defi zite. Das letzte Viertel entfällt verteilen und zu gut 50 Prozent auf die großen auf die ärmsten 94 Länder. drei Überschussländer, nämlich China, Deutsch- Nimmt man die Leistungsbilanzsalden im land und Japan (vgl. Abbildung 3a). Hinzu kom- Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), zeigt men weitere 37 Länder, überwiegend Entwick- sich ein anderes Bild (Abbildung 4): Rund zwei lungs- und Schwellenländer, die immerhin 20 Drittel der 140 Länder, für die Zahlen verfügbar Prozent zu den globalen Überschüssen beitru- sind, verzeichneten Defi zite, davon mehr als die gen – in erster Linie Resultat der gestiegenen Hälfte über 10 Prozent des BIP – obwohl im Jahr Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise im vergan- 2008 die Weltwirtschaft noch in vollem Schwung genen Jahrzehnt. Der Löwenanteil der globalen war. Mit einem Leistungsbilanzdefi zit von 4,6 Defi zite konzentriert sich ebenfalls auf wenige Prozent des BIP in 2008 (5,9 Prozent auf dem Hö- Länder (Abbildung 3b): Die USA absorbierten 2008 hepunkt 2006) gehören die USA, relativ gesehen, 44 Prozent, zusammen mit acht weiteren Defi - in den unteren Defi zitbereich. Traditionell haben

Abbildung 2:

Leistungsbilanzsalden in laufenden US-$ für die wichtigsten Überschuss- und Defi zitländer Schätzungen des IWF für 2010 - 2012

1.500

1.000

500

0 Mrd. US-$ Mrd.

-500

-1.000

-1.500 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

GUS Japan China USA Naher Osten, Nordafrika 18 EU-Defi zitländer 8 EU-Überschussländer

Quelle: IMF, WEO 2008, 2010, Weltbank, WDI 2010.

36 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Schema 3:

Drei Gruppen globaler Ungleichgewichte

andere Schwellenländer % - Angaben: in v. H. globaler Überschüsse / Japan Defi zite 2008 China (+10 %) Russland + + Überschussland (+26 %) - Defi zitland OPEC +

Europa (+23 %, -25 %) (+19 %) USA Euro- (- 44 %) MOE Zone (- 4 %)

(-21 %) Ärmere Entwicklungsländer (-25 %)

Anmerkung: Die Angaben zu globalen Überschüssen und Defi ziten weichen geringfügig (um 1,8 Prozent) wegen Erfassungsmängeln ab. Daher sind die Prozentangaben gerundet, um die Größenord- nung darzustellen.

Abbildung 3a:

46 Länder mit Leistungsbilanzüberschuss 2008 in % des globalen Leistungsbilanzüberschusses

37 weitere Länder 20,5 Niederlande 2,6 Schweden 2,9 Kuwait 3,7 Norwegen 5,4 Russland 6,3 Saudi Arabien 8,1 Japan 9,6 Deutschland 15,0 China 26,0

0,0 5,0 10,0 15,0 20,0 25,0 30,0

Quelle: Weltbank, WDI 2010, eigene Berechnungen.

37 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung 3b:

103 Länder mit Leistungsbilanzdefi zit 2008 in % des globalen Leistungsbilanzdefi zits

94 weitere Länder 24,7 Indien 2,2 Großbritannien 2,5 Türkei 2,6 Australien 3,0 Griechenland 3,2 Frankreich 3,4 Italien 4,9 Spanien 9,7 USA 43,9

0,0 5,0 10,0 15,020,025,030,0 35,0 40,0 45,0 50,0

Quelle: Weltbank, WDI 2010, eigene Berechnungen.

die ölfördernden Länder die höchsten prozen- USA (Woolridge 2006). Die Zuwächse kommen tualen Überschüsse (25 - 40 Prozent), aber auch zu den Beständen hinzu und trugen zur starken China mit 11 Prozent und Deutschland mit 7,9 Nachfrage nach US-Wertpapieren bei. Abbildung Prozent (beide 2007 auf dem Höhepunkt der Un- 5 zeigt, wie stark die Währungsreserven seit 2001 gleichgewichte). Die Polarisierung zwischen eini- angestiegen sind, insbesondere in China. Aller- gen wenigen Ländern mit hohen Überschüssen dings machen die chinesischen Reserven selbst und ebenfalls einigen wenigen Ländern mit ho- 2009 nur etwa ein Viertel der weltweiten Reser- hen Defi ziten in der Leistungsbilanz wird noch ven aus, die sich in diesem Zeitraum etwa ver- deutlicher, wenn man sich die absolute Größe vierfacht haben. Auch die Reserven der Industrie- der Salden in Mrd. US-Dollar ansieht (vgl. Abbil- länder haben sich mehr als verdoppelt. Die Reser- dung A1 im Anhang). Der Kern der globalen ven beruhen auf Interventionen der Notenban- Ungleichgewichte, in absoluter Größe betrachtet, ken zur Begrenzung einer Aufwertung der lokalen sind etwa jeweils zehn Länder mit hohen Über- Währung sowie auf Bewertungsänderungen der schüssen bzw. hohen Defi ziten. Für die vielen Bestände. Der rasante Anstieg der Reserven ist Länder mit hohen Defi ziten im Verhältnis zu zweifellos nicht nachhaltig. ihrem BIP entstehen in der Regel auch große Pro- Länger anhaltende Leistungsbilanzdefi zite bleme, aber diese haben keine globale Relevanz. führen zu einem starken Anstieg der Verbind- Die zehn größten Überschussländer der Welt, be- lichkeiten des Defi zitlandes gegenüber dem Rest wertet nach der absoluten Größe der Überschüs- der Welt, insbesondere wenn das BIP langsamer se, repräsentieren etwa 29 Prozent des Welt-BIP, als das Defi zit wächst. Abbildung 6 zeigt das und die zehn größten Defi zitländer rund 40 Pro- Verhältnis von Forderungen zu Verbindlichkei- zent des Welt-BIP (berechnet nach Weltbank ten in ausgewählten Ländern gegenüber dem 2010). Ausland. Die globalen Ungleichgewichte führen Leistungsbilanzüberschüssen stehen Kapital- demnach zu einer zunehmenden Spreizung der abfl üsse gegenüber, entweder als private Kapital- Nettovermögenspositionen. In den USA, dem exporte oder als Währungsreserven, die vorwie- größten Schuldnerland der Welt, ist die Netto- gend bei den großen Reservewährungsländern schuldnerposition von etwa 15 Prozent (2000) angelegt werden, zu etwa zwei Dritteln in den auf knapp 25 Prozent des BIP (2008) gestiegen,

38 WISO Diskurs Abbildung 4: Leistungsbilanzsalden in % des BIP 2008 in 140 Ländern

Liberia São Tomé and Principe Maldives Seychelles Grenada St. Vincent and the Príncipe Dominica St. Lucia St. Kitts and Nevis Antigua and Barbuda Bulgaria Nicaragua Djibouti Georgia Ghana Iceland Jamaica Solomon Islands Serbia Burundi Fiji Cyprus Tonga Guyana Moldova Albania Bosnia and Herzegovina Greece Honduras Lebanon Cape Verde Latvia Macedonia, FYR Kyrgyz Republic Mali Portugal Mozambique Lithuania Romania Vietnam Armenia Panama Sierra Leone Guinea Tanzania Mauritius Jordan Cambodia Estonia Spain Dominican Republic Belize New Zealand Sri Lanka Pakistan Costa Rica Croatia Belarus Togo South Africa EI Salvador Zambia Ukraine Hungary Ethiopia Kenya Uganda Slovak Republic Slovenia Turkey Rwanda Ireland Gambia, The Morocco Poland Yemen, Rep. Australia Guatemala Haiti Tunisia Uruguay Peru Italy India CoIombia Belgium Paraguay Sudan Cameroon France Brazil United Kingdom Chile Mexico Egypt, Arab Rep. Korea, Rep. Czech Republic Indonesia Syrian Arab Republic Thailand Israel Tajikistan Switzerland Bangladesh Canada Cote d'lvoire Ecuador Denmark Argentina Philippines Namibia Finland Japan Austria Botswana Kazakhstan Netherlands Luxembourg Nepal Russian Federation Germany Angola Oman China Sweden Bahrain Suriname Venezuela, RB Bolivia Hong Kong SAR, China Singapore Lesotho Nigeria Malaysia Norway Bermuda Saudi Arabia Quelle: Weltbank 2010, WDI, eigene Berechnungen. Quelle: Weltbank Azerbaijan Libya Kuwait -150 -130 -110 -90 -70 -50 -30 -10 10 30 50 39 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung 5:

Währungsreserven ausgewählter Länder bzw. Ländergruppen in Mrd. US-$

10.000 9.000 8.000 7.000 6.000 5.000 4.000 3.000 2.000 1.000 0 20012002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

China Japan Lateinamerika und Karibik GUS Naher Osten Asiatische Entwicklungsländer ohne China Mittel- und Osteuropa Industrieländer ohne Japan

Quelle: Weltbank, WDI 2010, eigene Berechnungen.

Abbildung 6:

Nettoauslandsvermögen ausgewählter Überschuss- und Defi zitländer

60,0

40,0

20,0

0,0

-20,0

-40,0 in % des BIP -60,0

-80,0

-100,0

-120,0

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Australien Deutschland Japan Spanien China Griechenland Portugal USA

Quelle: IMF, BoP 2010, Weltbank, WDI 2010.

40 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

in Spanien, Portugal und Griechenland noch dem Rest der Welt als sie ans Ausland zahlen müs- viel dramatischer. Besonders in Deutschland stieg sen. Man sieht dies auch an den ständig positiven die Nettogläubigerposition von fast Null im Jahr Nettoeinnahmen aus Erwerbs- und Vermögens- 2000 auf knapp 40 Prozent im Jahr 2009, nicht einkommen gegenüber dem Ausland (NEVE), ei- ganz so stark in Japan. Für China wurde 2008 ner wichtigen Teilbilanz der US-Leistungsbilanz. eine Nettogläubigerposition von rund 35 Prozent Viel deutlicher als auf globaler Ebene zeigen des BIP erreicht. Während die Leistungs- und Ka- sich die Leistungsbilanzungleichgewichte in der pitalbilanzen laufende Ströme an Gütern bzw. Europäischen Union und der Euro-Zone (vgl. Ab- Finanzkapital refl ektieren, spiegelt die Nettover- bildungen 7 und 8). Viele osteuropäische Bei- mögensposition die Veränderung der Bestände trittsländer zur EU haben kontinuierlich hohe an Forderungen und Verbindlichkeiten wider. Defi zite im vergangenen Jahrzehnt aufgebaut Diese sind für die laufenden Einnahmen bzw. (Bulgarien, Rumänien, Lettland, Estland, Ungarn Ausgaben eines Landes aufgrund von Vermögens- etc.), ebenso wie einige Mitglieder der Europä- bzw. Schuldtiteln relevant. Eine ständige Sprei- ischen Währungsunion wie vor allem Griechen- zung der Schuldner- und Gläubigerpositionen land, Portugal und Spanien; Italien und neuer- deutet auf eine Überschuldung hin, welche auf dings auch Irland gehören ebenfalls zu den Län- die Gläubiger negativ zurückwirkt, wie in Ab- dern mit hohen Leistungsbilanzdefi ziten (sog. schnitt 2 dargestellt. GIIPS-Länder). Die Gründe für die Defi zite sind je Die Frage liegt nahe, ob die USA nicht in eine nach Land sehr unterschiedlich. Da man vielfach ähnliche Überschuldung wie Griechenland oder auf einen baldigen Eintritt in die Euro-Zone hoffte, Irland geraten könnten. Trotz der seit Anfang der galten Abwertungen nicht als opportun, um die 1980er Jahre nahezu kontinuierlich anhaltenden Leistungsbilanzen zu verbessern. Zudem mangel- Leistungsbilanzdefi zite bestand diese Gefahr bis- te es nicht an überschwänglichen Kapitalzufl üs- lang nicht und ist auch in Zukunft eher nicht zu sen, teilweise durch die Töchter westeuropäischer erwarten. Die USA haben hohe Direktinvestitio- Banken in den Beitrittsländern fi nanziert, teilwei- nen und Finanzanlagen im Rest der Welt getätigt, se durch ausländische Direktinvestitionen, teil- die viel rentabler sind als viele Finanzanlagen des weise spekulativ auf Immobilienpreissteigerun- Auslands in den USA (etwa Staatsanleihen). Die gen ausgerichtet. Bei den GIIPS-Ländern handelt Anlagestruktur des US-Vermögens im Ausland es sich mit Ausnahme von Griechenland über- (im Hinblick auf Risiko, Fristen und Länderdiver- wiegend um Finanzierungsdefi zite der Privat- sifi zierung) unterscheidet sich also wesentlich haushalte bzw. der Unternehmen. Griechenland von der Anlagestruktur des Auslands in den USA, gelang es dagegen nicht, das Steuersystem zu re- die weit weniger günstig ist. formieren; die Regierung hatte die EU bei statis- Hinzu kommt, dass die US-Anlagen im Aus- tischen Angaben zum Budgetdefi zit getäuscht land, soweit sie in ausländischer Währung deno- bzw. die EU hatte sich täuschen lassen. In Irland miniert sind, bei jeder Dollar-Abwertung aufge- handelt es sich um Defi zite des Bankensektors, wertet werden, während die Auslandsanlagen in die vom Staat allzu großzügig übernommen wur- den USA, gemessen in der heimischen Währung den; in Spanien war es vorwiegend das Platzen der ausländischen Vermögensbesitzer, dann an der Immobilienblase. Alle GIIPS-Länder wie auch Wert verlieren. Da sich die USA in eigener Wäh- die osteuropäischen Beitrittsländer mit hohen rung verschulden können, denn ihre Währung Defi ziten leiden an schwacher Wettbewerbsfähig- wird als Weltreservewährung anerkannt, führt keit, da ihre Lohnstückkosten zu stark anstiegen, eine Dollarabwertung nicht zu einem Schulden- während die Reallöhne in den Überschusslän- anstieg in eigener Währung, wie es für die meis- dern, besonders in Deutschland, hinter den ten Länder der Welt gilt. Trotz der seit 1987 nega- Produktivitätssteigerungen zurückblieben. Im tiven Nettovermögensposition verdienen die USA Durchschnitt der Euro-Zone glichen sich Über- also insgesamt mehr Vermögenseinkommen aus schüsse und Defi zite aus.

41 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung 7:

Leistungsbilanzsalden in % des BIP in der Euro-Zone

15,0 Deutschland

10,0

5,0

0,0

-5,0 % des BIP

-10,0 Schätzung OECD für Euro-Zone 2010 und 2011 -15,0

-20,0

1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

Österreich Griechenland Portugal Finnland Irland Spanien Frankreich Italien Euro-Zone Deutschland Niederlande

Quelle: OECD 2010.

Leistungsbilanzüberschüsse oder -defi zite standen ist. Abbildung A2 im Anhang zeigt, dass müssen, wie in Abschnitt 2 dargestellt, spiegel- in den meisten Fällen hoher Leistungsbilanzdefi - bildlich zu Ausgabenüberschüssen oder -defi ziten zite in Prozent des BIP in den OECD-Ländern so- der inländischen Sektoren gesehen werden. Un- wohl der Staatssektor als auch der private Sektor terscheidet man im Inland zwischen Staatssektor im Defi zit waren (2008). In diesem Jahr waren und Privatsektor (private Haushalte, produzieren- unter den Defi zitländern nur Irland, die USA, de Unternehmen, Finanzsektor), lässt sich im Fall Frankreich und Großbritannien, die einen Privat- eines Leistungsbilanzdefi zits feststellen, ob es sektorüberschuss hatten, d.h. das Defi zit der Leis- durch ein Haushaltsdefi zit und/oder ein Defi zit tungsbilanz wurde in diesen Ländern ausschließ- des Privatsektors zustande kam. Analog wird im lich durch das Staatsdefi zit verursacht. Umge- Fall des Überschusslandes dargestellt, ob der kehrt war die Situation in Neuseeland – einem Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben Überschuss im Staatshaushalt stand ein sehr gro- durch den Privatsektor oder den Staatssektor ent- ßes privatwirtschaftliches Defi zit gegenüber, das

42 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung 8:

Leistungsbilanzsalden in der EU-27* in % des BIP Durchschnitt 2000 - 2009

Luxemburg 9,3 Schweden 6,5 Finnland 5,6 Niederlande 5,5 Deutschland 3,7 Dänemark 2,7 Österreich 1,9 Belgien 1,6 Frankreich 0 Italien -1,6 Großbritannien -2,1 Slowenien -2,1 Irland -2,3 Polen -3,3 Tschechien -3,6 Slovakische Republik -4,1 Spanien -6,1 Zypern -6,4 Ungarn -6,5 Litauen -7,0 Rumänien -7,5 Estland -9,2 Portugal -9,2 Griechenland -9,2 Lettland -10,1 Bulgarien -11,8

-14 -12 -10 -8-6-4-2 0 2 46 8 10

in % des BIP * ohne Malta

Quelle: Weltbank, WDI 2010, eigene Berechnungen. ein Leistungsbilanzdefi zit verursachte. In den nien auf 11,9 Prozent (2007), und auch in Portu- meisten Überschussländern hingegen kam der gal (9,8 Prozent in 2008), Griechenland (10,4 Pro- Überschuss durch private Überschüsse (mit Aus- zent in 2007) und in den USA (5,7 Prozent in nahme von Norwegen) zustande, die nicht oder 2000 und 3,8 Prozent in 2006) erreichten sie in nur schwach durch Haushaltsdefi zite kompen- einzelnen Jahren hohe Werte, die starke interne siert werden. Ungleichgewichte refl ektieren (vgl. Tabelle A1 im Betrachtet man die Dynamik der Defi zitlän- Anhang). der, dann waren es in verschiedenen krassen Fäl- Nie zuvor haben sich in der Weltwirtschaft len extrem ansteigende Finanzierungsdefi zite des seit Ende des Zweiten Weltkriegs so hohe Un- Privatsektors, die für besonders schnell ansteigen- gleichgewichte aufgebaut. Damit stellt sich die de Leistungsbilanzdefi zite verantwortlich waren. Frage, was die Triebkräfte waren und wie die Ri- Diese stiegen beispielsweise in Island im Zuge der siken infolge der Ungleichgewichte zu bewerten Finanzkrise auf über 30 Prozent des BIP, in Spa- sind.

43 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

4. Wie es zum Anstieg der Ungleichgewichte in den Jahren 2000 - 2008 kam

Die globalen Ungleichgewichte haben sich im 4.1 Die Entstehung des Defi zits in den Wesentlichen nach der Asien- und Russlandkrise USA 1997/1998 aufgebaut, unterbrochen von der mil- den Rezession in den USA und einigen anderen Das Leistungsbilanzdefi zit der USA hat sich be- Ländern im Jahr 2001. Wie in Schema 3 darge- reits seit 1991 aufgebaut, nachdem es erstmals stellt, existieren drei verschiedene Arten von Un- seit Anfang der 1980er Jahre wieder auf einen gleichgewichten: jene zwischen einer Gruppe von Wert nahe Null geschrumpft war. 2006 erreichte Überschussländern mit den USA, jene innerhalb es seinen Höchstwert mit knapp 6 Prozent des Europas und jene zwischen einer Vielzahl von BIP. Seitdem ist es im Zuge der Weltrezession ge- OECD-Ländern sowie Öl fördernden Ländern schrumpft, aber es deutet sich erneut ein Wieder- einerseits und etwa 50 ärmeren Entwicklungslän- anstieg an. War es in den 1990er Jahren vor allem dern mit Leistungsbilanzdefi ziten über 5 Prozent die starke Konjunktur im Zusammenhang mit der ihres BIP andererseits. Letztere Ungleichgewich- dotcom-Blase, die Kapitalimporte in die US-Pri- te, die in den Diskussionen über globale Un- vatwirtschaft anzog, so waren es nach der Rezes- gleichgewichte nur eine geringe Beachtung fi n- sion 2001 vor allem Budgetdefi zite des US-Staates, den, werden wir im Folgenden weitgehend aus- die angesichts sinkender heimischer Ersparnisse klammern. Die meist sehr hohen und nicht nach- in den USA durch ausländische Ersparnisse fi nan- haltig tragbaren Leistungsbilanzdefi zite dieser ziert wurden. Das wachsende Leistungsbilanz- Ländergruppe werden vorwiegend durch Ent- defi zit in den USA ging einher mit einer leicht wicklungshilfe, seltener durch kommerzielle Kre- sinkenden Investitionsquote und einer deutlich dite bzw. Anleihenemission oder durch Direkt- rückläufi gen gesamtwirtschaftlichen Sparquote investitionen fi nanziert. Diese Ungleichgewichte (vgl. Tab. A3 im Anhang). Das Wachstum der US- haben sich im Zuge des starken Wachstums der Wirtschaft beruhte also auf einer durch privaten Weltwirtschaft 1998 - 2008 mit einer Verdoppe- und staatlichen Konsum getriebenen Konjunk- lung der Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise auf tur, ferner auf Wohnungsbauinvestitionen, die den Weltmärkten (1999 - 2008) etwas abgebaut, in Verbindung mit den laxen Regulierungen des abgesehen von den Defi ziten jener Entwicklungs- Finanzsystems zu einer Beschleunigung der be- länder, die Nettoimporteure bei Nahrungsmitteln reits seit Mitte der 1990er Jahre existierenden sind und nicht über nennenswerte Rohstoffvor- Immobilienpreisinfl ation beitrugen (vgl. Abbil- kommen verfügen. Wir konzentrieren uns im dung 9). Letztere war eine wesentliche Grundlage Folgenden zunächst auf das Ungleichgewicht der auf 1,4 Prozent (2005) des verfügbaren Ein- zwischen den USA und den Gläubigerländern und kommens sinkenden Sparquote der privaten dann auf die europäischen Ungleichgewichte. Haushalte.9

9 Allerdings hatte die Sparquote der US-Haushalte bereits früher nur in wenigen Jahren einen Wert von 10 Prozent erreicht. Im Durch- schnitt der 1990er Jahre waren es 5,5 Prozent des verfügbaren Einkommens, 2000 - 2008 nur 3,0 Prozent. Berechnet nach CEA 2010, Tab. B30.

44 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung 9:

USA: Struktur und Entwicklung der Nachfrage in konstanten Preisen

11.000

9.000

7.000 Bruttoinvestitionen privater und 5.000 staatlicher Konsum Nettoexporte von 3.000 Gütern und Dienstleistungen

1.000 in Mrd. US-$ (in Preisen von 2000) US-$ (in Preisen in Mrd.

-1.000

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Quelle: Weltbank, WDI 2010.

Ohne die Leistungsbilanzdefi zite hätte diese mensgruppen, so dass diese Konsumschwäche Konstellation – niedrige Sparquote der privaten angesichts nahezu stagnierender Masseneinkom- Haushalte bei steigenden Hauspreisen, sinkende men11 durch sinkende Sparquoten im Durch- Investitionsquote mit starker Orientierung auf schnitt der privaten Haushalte und den spekula- den Wohnungsbau bis 2005, hohe staatliche tiven Wohnungsbau-Boom kompensiert wurde, Budgetdefi zite – nicht aufrechterhalten werden abgesehen von der konjunkturell expansiven können.10 So waren die Leistungsbilanzdefi zite Wirkung der Budgetdefi zite. der USA und die Leistungsbilanzüberschüsse der Insgesamt war damit das außenwirtschaftli- beteiligten Länder eine notwendige Vorausset- che Ungleichgewicht Ausdruck eines krassen in- zung für die Blasenkonjunktur, deren abruptes ternen Ungleichgewichts zwischen Sparen und Ende bei starken Zinssteigerungen durch die Zen- Investieren bzw. zwischen Konsum und Produk- tralbank zur Eindämmung von Infl ationsgefah- tion. Es war instabil und nicht nachhaltig und ren vorhersehbar war. Der sinkende Anteil der daher kein „gutes“ Leistungsbilanzdefi zit, ja es Löhne am Volkseinkommen hatte den „norma- war sogar ein gefährliches Defi zit, weil es zur Ent- len“ Konsum der Masse der Bevölkerung ge- stehung der Finanzkrise indirekt beigetragen hat, dämpft. Die Ungleichheit der Einkommensver- wie weiter unten ausgeführt wird. Zweifellos hät- teilung war in den USA stark gestiegen, bei gerin- te das Außendefi zit durch eine größere Budget- gen Konsumquoten unter den hohen Einkom- disziplin begrenzt werden können, ebenso wie

10 Die nicht auf den Wohnungsbau entfallenden Investitionen stagnierten 2000 - 2005, während die Wohnungsbauinvestitionen mit nahezu 6 Prozent p. a. wuchsen. Vgl. CEA 2010, Tab. B19. 11 Der reale Stundenlohn (in Preisen von 1982) in der Privatwirtschaft (ohne Landwirtschaft) stieg von 1990 - 2009 um nur 0,6 Prozent und lag 2009 mit 8,60 US-Dollar noch unter dem Höchststand von 1973 mit 8,98 US-Dollar. Vgl. CEA 2010, Tab. B47.

45 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

durch eine bessere Bankenaufsicht, insbesondere Das starke Anschwellen des Handelsbilanz- im Segment der Subprime-Hypotheken. Dies hät- defi zits resultierte im vergangenen Jahrzehnt aus te freilich sowohl die US-Konjunktur wie die dem steigenden Defi zit gegenüber China und den Weltkonjunktur erheblich beeinträchtigt. OPEC-Ländern, während das Defi zit gegenüber Die Leistungsbilanz der USA zeigt das größte Japan, Europa und Lateinamerika nur leicht Defi zit im Jahr 2006 (Abbildung 10). Erstaunlich anstieg. Das rasant gestiegene bilaterale Defi zit ist, dass die Nettoeinkommen aus dem Ausland gegenüber China machte 2008 etwa 30 Prozent stets positiv waren und fortwährend gewachsen des gesamten Handelsbilanzdefi zits aus. In den sind. Ihnen stehen allerdings Nettotransfers ins 1990er Jahren war Japan noch das größte bila- Ausland (Militärhilfe, Entwicklungshilfe etc.) in terale Überschussland. Das Defi zit gegenüber den ähnlicher Größenordnung gegenüber. Ein wach- OPEC-Ländern könnte man als temporär anse- sender Teil der US-Exporte sind Dienstleistungs- hen, wenn man die enorme Ölpreissteigerung als exporte, bei denen die USA einen Überschuss ha- konjunkturelles Phänomen interpretiert. Aller- ben, der etwa (2007) 20 Prozent des Defi zits im dings herrscht Unklarheit über die zukünftige Warenhandel ausmacht (vgl. Abbildung A8 im Entwicklung des Ölpreises; viel spricht dafür, dass Anhang). Statistiken für die Struktur der Leis- er in Zukunft im Trend weiter steigen wird, so tungsbilanz gegenüber Partnerländern liegen dass das Defi zit gegenüber den OPEC-Ländern nicht vor, lediglich Angaben über die regionali- auch in Zukunft anhält oder weitersteigt. Auch sierte Handelsbilanz, welche Dienstleistungen haben die USA anders als viele andere OECD-Län- ausschließt (vgl. Abbildung 11). der vergleichsweise wenig für Energieeinsparung

Abbildung 10:

Leistungsbilanz der USA in % des BIP

2

1

0

-1

-2

-3

-4

-5

-6

-7 1999 20002001 2002 200320042005 2006 2007 2008 2009

Handelsbilanz Nettoeinkommen vom Ausland Transferbilanz Leistungsbilanz

Quelle: Weltbank, WDI 2010, IWF, BoP 2010.

46 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung 11:

Handelsbilanzsaldo der USA mit Partnerländern ohne Dienstleistungen

2001 2002200320042005 2006 2007 2008 2009 200

0

-200

-400 in Mrd. US-$ in Mrd.

-600

-800

-1.000

Sonstige OPEC China Kanada Asien & Pazifi k ohne Japan Lateinamerika Europa China und Japan

Quelle: Council of Economic Advisers 2010. getan und sind insoweit strukturpolitisch rück- grund sehen, dass der US-Dollar im Zuge des star- ständig, vom Öl weiter stark abhängig und damit ken konjunkturellen Booms zwischen 1995 und verwundbar. 2001 um 24 Prozent real effektiv aufgewertet hat- Der starke Anstieg des Leistungsbilanzdefi zits te. Zum Vergleich: Das hohe Leistungsbilanzdefi - bis 2008 erfolgte trotz einer realen effektiven Ab- zit zu Beginn der 1980er Jahre konnte nur über wertung12 des US-Dollars um circa 17 Prozent seit eine fast 30 prozentige reale effektive Abwertung dem Höhepunkt im Jahre 2002 bis zum Jahr 2008 mit koordinierten Devisenmarktinterventionen (siehe Abbildung 12, vgl. auch die nominalen aufgrund der Plaza- und Louvre-Vereinbarungen Wechselkurse der wichtigsten Partnerländer ge- 1985 und 1987 abgebaut werden (vgl. Abschnitt genüber dem US-Dollar in Abbildung A5 im An- 2.5). Dass damals das Defi zit mit der Abwertung hang). Dies muss man allerdings vor dem Hinter- sank, jetzt aber stieg, ist freilich erklärungsbedürf-

12 Darunter wird die um Infl ationsdifferenzen bereinigte Wechselkursänderung gegenüber den Währungen der wichtigsten Partnerländer verstanden. Die Wechselkursänderungen gegenüber diesen werden mit den Außenhandelsanteilen gewichtet. Der reale effektive Wech- selkurs drückt damit die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes gegenüber dem Rest der Welt aus.

47 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung 12:

Reale effektive Wechselkurse 1980 - 2009 – Japan, Deutschland, China, USA

170 China 1980: 268 160 150 140 130 120 110 100

Index 1990 = 100 90 80 70 60

198019811982198319841985198619871988198919901991199219931994199519961997199819992000200120022003200420052006200720082009

Japan Deutschland China USA

Quelle: Weltbank, WDI 2010, eigene Berechnungen.

tig. Der wesentliche Grund ist, dass die US-Wirt- ferner spielen die Währungsreserven der USA im schaft seit etwa 2001 mit Kapitalströmen aus dem Ausland eine vernachlässigbare Rolle, während Rest der Welt, unabhängig vom Wechselkurs, ge- die des Auslands in den USA stark gestiegen sind. wissermaßen vollgepumpt und dies seitens der Derivate werden dagegen sowohl für die USA als US-Regierung und der US-Zentralbank toleriert auch für das Ausland immer wichtiger und drü- wurde. Diese Zufl üsse wurden direkt und indirekt cken einen hohen Grad der Spekulation und da- für steigende Importe, vorwiegend aus China, mit des Anlagerisikos aus. Die Differenz der An- verwendet. Die Abwertung des US-Dollars blieb lageformen, der Fristenstruktur und der Erträge dadurch zu schwach, um die Exporte im Tempo (hohe Erträge aus Direktinvestitionen, geringer der Importe zu steigern. Zinsaufwand für Währungsreserven angelegt in Bei der Bewertung der Nettovermögensposi- US-Staatsanleihen) in Verbindung mit Wechsel- tion gegenüber dem Ausland stellt sich die Frage kursgewinnen in diesem Zeitraum für die USA der Nachhaltigkeit. Wie bereits erwähnt, ist die und Verlusten für das Ausland erklären die einzig- Nettoschuldnerposition der USA von 15 Prozent artige Fähigkeit der US-Wirtschaft, einen hohen (2000) auf etwa 25 Prozent des BIP (2008) gestie- Nettoschuldenstand scheinbar dauerhaft zu tragen gen (vgl. Abbildung 13), gleichwohl sind die (vgl. Hau/Rey 2008, Gourinchas u. a. 2010). Nettoeinnahmen der USA aus Auslandsvermögen Das Vertrauen in diese Fähigkeit war und ist weiterhin positiv. Wie die Veränderung der Brut- Grundlage der Bereitschaft der Gläubigerländer, tobestände 2000 - 2008 zeigt (Abbildungen A3 Kapital in den USA – teils mit, teils ohne Risiko – und A4 im Anhang), haben die USA im Ausland in großen Mengen anzulegen, bei Währungs- viel stärker in Vermögen multinationaler Gesell- reserven selbst mit einer geringen Verzinsung. schaften investiert als das Ausland in den USA; Catherine Mann (2009) schätzt, dass die Netto-

48 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung 13:

Nettovermögensposition der USA 1976 - 2009 in % des BIP

175 150 125 100 75 50 in % des US-BIP 25 0 -25

1976197719781979198019811982198319841985198619871988198919901991199219931994199519961997199819992000200120022003200420052006200720082009

Nettovermögensposition Vermögen der USA im Ausland Vermögen des Auslands in den USA

Quelle: Bureau of Economic Analysis, eigene Berechnungen.

schuldnerposition der USA längerfristig auf 70 Aus der Perspektive der USA sind es vor- Prozent des BIP ansteigen wird, obgleich selbst nehmlich die internen Ungleichgewichte zwi- dann noch die Nettoeinkommen aus Auslands- schen Sparen und Investieren bzw. zwischen pri- vermögen positiv sind. Sie bezweifelt jedoch, dass vatem und staatlichem Konsum einerseits und das Ausland einen so großen Anteil des Vermö- der Produktion andererseits, verbunden mit der gens in den USA zu halten bereit ist, da traditio- Fähigkeit, anhaltend positive Nettovermögens- nell der „Home Bias“ bei Kapitalanlagen domi- einkommen aus dem Ausland trotz steigender niert. Wir müssen die Frage der Nachhaltigkeit Nettoauslandsverschuldung zu erzielen. Freilich der US-Defi zite auf längere Sicht hier offen lassen. lässt sich das US-Defi zit – ebenso die Leistungs- Entscheidend für die vergangenen zehn Jahre vor bilanzdefi zite zahlreicher europäischer Länder – der Finanzkrise waren jedoch nicht Fragen der nicht hinreichend erklären, ohne die wesent- Nachhaltigkeit der Auslandsverschuldung, son- lichen Überschussländer einzubeziehen. dern dass das hohe Außendefi zit mit einem nicht nachhaltigen Konsumboom der privaten Haus- halte in Verbindung mit einer früher oder später 4.2 Die Entstehung hoher Überschüsse platzenden Hauspreisblase verbunden war. Hier in China, Japan und Deutschland lag die Expansionsgrenze für das Wachstumsmo- dell der USA, nicht in der Zahlungsfähigkeit ge- Auf dem Höhepunkt der Ungleichgewichte im genüber den Gläubigerländern oder gar im Risiko Jahr 2007 erreichten China, Japan und Deutsch- eines Staatsbankrotts oder einer Währungskrise. land Leistungsbilanzüberschüsse von 10,6 Prozent, Dies war auch der entscheidende Grund, warum 4,8 Prozent bzw. 7,6 Prozent des BIP – nie zuvor die von vielen frühen Kritikern des US-Leistungs- waren sie in diesen Ländern so hoch. Diese drei bilanzdefi zits befürchtete Flucht aus dem US- wichtigen Überschussländer unterscheiden sich Dollar mit starker Abwertung nicht eintrat. vor allem durch das unterschiedliche Wachstums-

49 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

tempo in der Periode, in der sich die starken Un- nationaler Währung) unter den OECD-Ländern, gleichgewichte herausgebildet haben. Japan und was zur starken effektiven realen Abwertung des Deutschland gehörten im Zeitraum 2000 - 2009 Yen in dieser Phase beitrug (vgl. Abbildung 12). zu jenen OECD-Ländern mit den schwächsten Der Leistungsbilanzüberschuss Japans kam vor- Wachstumsraten (jeweils 1,2 Prozent p.a. 2000- wiegend durch den Zufl uss der Nettoeinkommen 2008, 0,5 Prozent bzw. 0,6 Prozent p.a. 2000- aus dem Ausland zustande, der über 3 Prozent des 2009), China durchlief indessen mit etwa 10 Pro- BIP (2007) ausmachte, während der Handelsbi- zent p.a. die stärkste Wachstumsphase seiner lanzüberschuss mit 2 Prozent auf dem Höhepunkt Nachkriegsgeschichte. In allen drei Ländern 2007 klein blieb (vgl. Abbildung A5 im Anhang). wuchsen seit etwa dem Jahr 2000 die Exporte viel Aufgrund der schwachen Inlandsdynamik bei schneller als die Importe (vgl. Abbildung 1413); extrem niedrigen Zinsen dominierte der Kapital- entsprechend fi el die gesamtwirtschaftliche Spar- export, häufi g in Form von „Carry-Trades“14. quote viel höher als die Investitionsquote aus Japan wurde damit mehr und mehr zu einer (vgl. Abbildung 15). In Deutschland stieg die Ex- Rentier-Ökonomie mit geringer Investitionstätig- portquote von 23 Prozent (1997) auf 47 Prozent keit im Inland. Deutschland war hingegen mit (2008), in China verdoppelte sie sich von 1998 einer realen Aufwertung gegenüber Ländern außer- bis 2006, während sie in Japan nur von 10 Pro- halb der Euro-Zone im Zeitraum 2000 - 2009 kon- zent auf gut 17 Prozent (2007) stieg. frontiert, hatte aber aufgrund der schwachen Japan hatte aufgrund einer Lohndefl ation Lohnstückkostenentwicklung einen Preis- und den geringsten Anstieg der Lohnstückkosten (in Gewinnvorteil innerhalb der Europäischen Wäh-

Abbildung 14:

Exporte und Importe in % des BIP – USA, Deutschland, Japan und China

50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0 1997199819992000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Exporte USA Exporte D Exporte J Exporte Ch Importe USA Importe D Importe J Importe Ch

Quelle: Weltbank, WDI 2010, eigene Berechnungen.

13 Hier sind Waren- und Dienstleistungsexporte bzw. -importe erfasst. 14 „Carry-Trade“ bezeichnet die Kreditaufnahme eines Finanzinvestors in einem Land mit niedrigen Zinsen (z. B. Japan), um die Kreditsum- me in einem anderen Land mit hohen Zinsen in anderer Währung (z. B. in Brasilien) anzulegen.

50 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung 15:

Sparen und Investitionen in % des Bruttonationaleinkommens bzw. des BIP in großen Leistungsbilanzüberschussländern

60

50

40

30

20

10

0 199519961997 1998 19992000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Deutschland Investitionen Japan Investitionen China Investitionen Deutschland Sparen Japan Sparen China Sparen

Quelle: Weltbank, World Development Indicators 2010, eigene Berechnungen. rungsunion und gegenüber jenen Ländern, die und 17): Die Inlandsnachfrage (fi naler Konsum ihre Währung mehr oder minder an den Euro ge- von privaten Haushalten und Staat sowie Inves- bunden hatten. titionen) stagniert nahezu, das schwache Wachs- Damit werden die wesentlichen Triebkräfte tum wird fast ausschließlich von steigenden des deutschen Leistungsbilanzüberschusses deut- Nettoexporten getragen, in Deutschland stärker lich: steigende preisliche Wettbewerbsfähigkeit, noch als in Japan15. in Euro gerechnet, sowie schwache Inlandsnach- China erreichte 2007 einen Rekord-Leis- frage, die – im Vergleich zu den Exporten – zu tungsbilanzüberschuss von 10,6 Prozent des BIP. schwacher Importdynamik führte. Deutschlands Im Gegensatz zu Deutschland waren die Investiti- Kapitalexporte erfolgten in hohem Maße in der onen die wichtigste Triebkraft der gesamtwirt- Form von Direktinvestitionen, vorwiegend in schaftlichen Nachfrage mit einer auf 45 Prozent Ländern, gegenüber denen eine preisliche Über- ansteigenden Investitionsquote (2009) (vgl. Ab- legenheit im Wettbewerb bestand, also in Euro- bildung 18). Der Konsum stieg ebenfalls kräftig, land und anderen europäischen Nachbarländern aber langsamer, und seit 2000 stiegen die Netto- (vgl. auch Priewe/Rietzler 2010: 29 ff.). Struktur exporte von nahezu Null auf bis zu 10 Prozent und Entwicklung der Nachfrage in Japan und des BIP. Damit sind es die Nettoexporte, die das Deutschland zeigen für den betrachteten Zeit- Wirtschaftswachstum in China um rund einen raum ein ähnliches Bild (vgl. Abbildungen 16 Prozentpunkt auf gut 10 Prozent p.a. erhöhten

15 In Japan war die Fiskalpolitik wesentlich expansiver als in Deutschland, und die privaten Haushalte senkten angesichts der schlechten Lohnentwicklung ihre Sparquote.

51 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung 16:

Japan: Struktur und Entwicklung der Nachfrage in konstanten Preisen

6.000

5.000

Nettoexporte von 4.000 Gütern und Dienstleistungen 3.000 privater und staatlicher Konsum 2.000 Bruttoinvestitionen 1.000

0 in Mrd. US-$ (konstanter Wechselkurs von 2000) US-$ (konstanter Wechselkurs in Mrd. -1.000

199519961997199819992000200120022003200420052006200720082009

Quelle: Weltbank, WDI 2010.

Abbildung 17:

Deutschland: Struktur und Entwicklung der Nachfrage in konstanten Preisen

2.500

2.000 Nettoexporte von Gütern und 1.500 Dienstleistungen

privater und 1.000 staatlicher Konsum

Bruttoinvestitionen 500

0 in Mrd. US-$ (konstanter Wechselkurs von 2000) US-$ (konstanter Wechselkurs in Mrd.

199519961997199819992000200120022003200420052006200720082009

Quelle: Weltbank, WDI 2010.

52 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung 18:

China: Struktur und Entwicklung der Nachfrage in konstanten Preisen

3.500 3.000 Nettoexporte von 2.500 Gütern und Dienstleistungen 2.000 1.500 privater und staatlicher Konsum 1.000 Bruttoinvestitionen in Mrd. US-$ (konstanter in Mrd. von 2000) Wechselkurs 500 0

199519961997199819992000200120022003200420052006200720082009

Quelle: Weltbank, WDI 2010.

und die Nachfragelücke schlossen. Die für eine um gut 10 Prozent real effektiv abgewertet (siehe derartige Exportexplosion notwendige preisliche Abbildung 12). Mithilfe von Kapitalverkehrskon- Wettbewerbsfähigkeit kam durch die feste Anbin- trollen bei Zu- und Abfl üssen sowie sterilisierten dung des Renminbi an den US-Dollar bis 2005 Devisenmarktinterventionen konnte eine Unter- zustande, danach gebremst durch die nominale bewertung ohne relevante Infl ationsgefahr auf- Aufwertung des Renminbi bis Ende 2010 um rund rechterhalten werden (vgl. David 2008). Unter- 20 Prozent gegenüber dem Dollar (vgl. Abbildung bewertung bezieht sich dabei auf einen hypothe- A5 im Anhang). tischen realen effektiven Referenz-Wechselkurs, Von einer Schwäche der Inlandsnachfrage in der ein annäherndes Leistungsbilanzgleichgewicht China, die zu schwachem Importwachstum wie ermöglichen würde. in Deutschland oder Japan geführt hätte, lässt China (ohne Hongkong und Macao) hat sich kaum sprechen, denn die Inlandsnachfrage einen Leistungsbilanzüberschuss nicht nur ge- boomte, allerdings nicht ganz so stark wie die genüber den USA aufgebaut, sondern ebenfalls Produktion. Wollte man Chinas Leistungsbilanz- gegenüber Hongkong und der Euro-Zone (vgl. überschuss allein durch mehr Importe infolge Abbildung 19). Der Export nach Hongkong ist einer stärkeren Förderung der inländischen Nach- teilweise nur Transit-Handel oder dient der Lohn- frage, etwa des privaten Konsums, abbauen, dann veredelung mit sehr geringer Wertschöpfung in hieße dies, dass Chinas Wachstum noch stärker Hongkong, so dass der wahre chinesische Export- als bisher ausfallen müsste – eine kaum vorstell- überschuss möglicherweise größer ist, insbeson- bare Entwicklung. Vielmehr ist es plausibler an- dere gegenüber den USA und Europa. Die Anga- zunehmen, dass Chinas Exporte infolge einer ben der USA oder europäischer Länder über Im- systematischen Unterbewertung der Währung zu porte aus China differieren von denen von rasch gewachsen sind und die Märkte der Welt „Mainland-China“ erheblich16. Gegenüber Japan mit billigen Waren überfl utet haben. Tatsächlich und mehreren Anrainer-Staaten, einigen OECD- wurde der Renminbi zwischen 1997 und 2005 Ländern, OPEC-Ländern und Rohstoffe expor-

16 Viele Länder unterscheiden hinsichtlich der Herkunft ihrer Importe nicht eindeutig zwischen Hongkong und dem chinesischen Fest- land.

53 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

tierenden Entwicklungsländern hat China indes- US-Dollar, die meist in Renminbi zum vorherr- sen moderate Defi zite. Allerdings sind alle empi- schenden festen bzw. kontrollierten Wechselkurs rischen Angaben unzulänglich, häufi g wider- umgetauscht wurden und somit zur Geldschöp- sprüchlich und mit Vorsicht zu verwenden. fung in China beitrugen. Die chinesischen Behör- Chinas Exporte kommen zu mehr als 50 Pro- den schichteten ihre Währungsreserven nur vor- zent von multinationalen Gesellschaften. Wäh- sichtig in Euro oder andere Währungen um, um rend diese Firmen über Jahre hinweg mehr im- den Wert ihrer Dollarreserven nicht abzusenken. portiert als exportiert hatten, wurde mittlerweile So trug China zur relativen Stabilität des US-Dol- die Fertigungstiefe erhöht (vgl. Goldstein/Lardy lars bei. 2006, 2009). Längst ist ein großer Teil chinesi- Vielfach wird das zu hohe „Sparen“ Chinas scher Exporte nicht mehr „Processing Trade“ mit für den Handelsbilanzüberschuss verantwortlich geringer chinesischer Wertschöpfung. Chinas Im- gemacht. Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht be- porte wurden seit dem Beitritt zur Welthandels- zieht sich dieser Begriff sowohl auf das Sparen der organisation (WTO) zwar liberalisiert, aber es gibt privaten Haushalte, etwa 25 Prozent der verfüg- nach wie vor erhebliche tarifäre und vor allem baren Einkommen, wie auch auf die hohen Un- nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Hinzu kommt, ternehmensgewinne (vgl. u. a. Lin et al. 2010, sie- dass das US-Exportangebot qualitativ und struk- he auch Mayer 2010). Jedoch würde diese Spar- turell der chinesischen Nachfrage nicht gut ange- summe im Finanzsystem versickern und damit passt ist, abgesehen von Exportrestriktionen sei- das Volkseinkommen senken und folglich auch tens der USA bei rüstungsrelevanten Produkten. die Sparsumme mindern, sofern sie nicht zur Den chinesischen Exportüberschüssen stan- Investitions- oder Exportfi nanzierung verwendet den zunehmende Kapitalexporte in Form von wird. Die hohe Sparquote der Haushalte drückt Währungsreserven gegenüber, die vorwiegend in natürlich auch die soziale Unsicherheit aus, ist den USA in Staatsanleihen angelegt wurden. Pri- also Refl ex unzulänglicher sozialer Sicherungs- vate bzw. unternehmerische Kapitalexporte Chi- systeme. Jedoch erklärt dieses Sparverhalten nicht nas blieben vergleichsweise unbedeutend. Der die volkswirtschaftliche Sparsumme, die letztlich Handelsbilanzüberschuss materialisierte sich in aus der Produktionsentwicklung und der immer

Abbildung 19:

Handelsbilanz Chinas (ohne Dienstleistungen) gegenüber Partnerländern in Mrd. US-$

600

500 Sonstige 400 Entwicklungs- und Schwellenländer 300 andere 200 Industrieländer 100 USA Mrd. US-$ Mrd. 0 Japan -100 Hongkong Euro-Zone -200 -300 2000 20012002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Quelle: IWF, DOTS 2010.

54 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

ungleicher werdenden Einkommensbildung re- entstehen gegenüber Nordamerika (siehe auch sultiert. Der Kern der hohen chinesischen Leis- Abbildung A7 im Anhang). Defi zite bestehen fast tungsbilanzüberschüsse ist daher das hohe Wirt- ausschließlich gegenüber China, Japan und eini- schaftswachstum, das gemessen am Wachstum gen anderen asiatischen Ländern. Der Anstieg der der inländischen Kaufkraft eine Überproduktion Überschüsse seit 2000 entstand vorwiegend ge- darstellt, die im Ausland abgesetzt wird. Bei stär- genüber den europäischen Nachbarn und zu ei- kerem Reallohnwachstum, mehr Umverteilung nem geringen Anteil auch gegenüber den USA. über soziale Sicherungssysteme und höheren Deutschland gehörte mit Portugal und Itali- Staatsausgaben gepaart mit einer Aufwertung des en im Zeitraum 2000 - 2009 zu den Schlusslich- Renminbi würde die Inlandsnachfrage stärker tern beim Wirtschaftswachstum in Europa (zu- steigen, aber gleichzeitig die Wettbewerbsfähig- sammen mit Japan auch in der Gruppe der OECD- keit sinken und der Außenhandelsüberschuss ab- Länder). Dies erklärt teilweise die im Vergleich zu schmelzen. Ob dies per saldo zu niedrigerem den Exporten schwache Importdynamik. Wie be- Wirtschaftswachstum führt, bleibt dahingestellt. reits dargestellt stagnierte die Inlandsnachfrage Deutschland hat seit 2001 einen beträchtlichen in diesem Zeitraum, mehr noch als in Japan. Eine Leistungsbilanzüberschuss aufgebaut, den größ- zentrale Ursache hierfür ist die Abkoppelung der ten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit in Reallohnentwicklung von der Produktivitätsstei- der Spitze 7,6 Prozent des BIP in 2007, der den gerung seit Ende der 1990er Jahre, eine Sonder- Rekord von 1989 mit damals 4,3 Prozent bei wei- entwicklung in der Europäischen Union, die sich tem übertraf (siehe Abbildung 20). Der Über- im geringsten Lohnstückkostenanstieg in der EU schuss konzentriert sich zu fast 90 Prozent auf niederschlug (siehe Abbildung 21, vgl. auch Europa und zu nahezu 50 Prozent auf die Euro- Priewe/Rietzler 2010). Eine Steigerung der Lohn- Zone (2008; vgl. auch Abbildung A10 im An- stückkosten, die etwa der Zielinfl ationsrate der hang). 14 Prozent des Leistungsbilanzüberschusses Zentralbank von 2 Prozent p. a. entspricht, wäre

Abbildung 20:

Leistungsbilanzsaldo Deutschlands mit Partnerländern

250 Sonstige 200 Südostasiatische Schwellenländer 150 Japan China 100 Naher und Mittlerer Osten 50 USA andere 0 europäische Länder mit sonstiger EU -50 EU-15

-100 2000 20012002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Quelle: Deutsche Bundesbank, eigene Berechnungen.

55 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

verteilungs- und infl ationsneutral gewesen. Die des DM-Euro-Umtauschkurses in die Europäische deutsche Wirtschaft blieb jedoch weit darunter, Währungsunion eingetreten sei und überdies die Griechenland und andere Defi zitländer hatten starken Lohnstückkostensteigerungen zu Beginn deutlich darüber liegende Lohnstückkostenzu- der 1990er Jahre, welche die preisliche Wettbe- wächse. Erst infolge der Weltrezession 2009, als werbsfähigkeit beeinträchtigt hätten („Standort- die Kapazitätsauslastung massiv sank, stieg die schwäche“), wieder umgekehrt werden mussten. Lohnkostenbelastung der Unternehmen vorüber- Diese Argumentation hat nur eine geringe Erklä- gehend wieder an. rungskraft (vgl. Abbildung 22). Als Deutschland Die schwache Lohnentwicklung trug sowohl 1999 Mitglied der Euro-Zone wurde, gab es zwar zur Wettbewerbsstärke Deutschlands als auch zur ein Leistungsbilanzdefi zit, aber es lag bei nur Schwäche der Inlandsnachfrage bei, d.h. sowohl etwa 1 Prozent des BIP und schon 2001 bei Null, zur Exportstärke als auch zur Importschwäche um sodann kräftig anzusteigen. Die Lohnstei- (vgl. Joebges u. a. 2010, Dullien 2010). Verstärkt gerungen der 1990er Jahre kamen vorwiegend wurde der deutsche Leistungsbilanzüberschuss in Ostdeutschland zustande; in Westdeutschland durch die hohen Einnahmen aus Nettovermö- herrschte bis zur Deutschen Wiedervereinigung genseinkommen aus dem Ausland, die bis zu im Jahr 1990 eine Unterbewertung der DM mit 2 Prozent des BIP ausmachten, ähnlich wie in hohen Leistungsbilanzüberschüssen vor. Nimmt Japan (siehe Abbildungen A6 und A9 im Anhang). man normativ an, dass die Lohnstückkosten im Mitunter werden die seit 1999 nahezu stagnieren- gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt im Trend den deutschen Lohnstückkosten damit legiti- um 2 Prozent steigen sollten, also entsprechend miert, dass Deutschland mit einer Überbewertung der heutigen Zielinfl ationsrate der Europäischen

Abbildung 21:

Lohnstückkosten in jeweiliger Währung Index 1998 = 100

140

130

120

110

100

90

80 199819992000 20012002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Griechenland Euro-Zone USA Japan EU GB Deutschland

Quelle: OECD 2010.

56 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung 22:

Leistungsbilanzsaldo und Lohnstückkosten in Deutschland

150 8 7 140 6 5 130 Lohnstückkosten Norm: 4 Anstieg um 2,0 % p.a. 120 3 2 110

LSK, 1991 = 100 1 LBS in % des BIP 0 100 -1 90 -2

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

Lohnstückkosten (LSK) Lohnstückkosten Norm Leistungsbilanzsaldo (LBS)

Quelle: AMECO 2011, eigene Berechnungen.

Zentralbank (EZB), dann wurde diese Norm be- verbindlichkeiten stiegen schneller als das BIP. reits 1997 unterschritten, 2008 wurde sie sogar Überdies fl uktuieren die Direktinvestitionen pro- um etwa 19 Prozent unterschritten. Man kann zyklisch. dies grob als reale Unterbewertung von etwa Aus deutscher Sicht erschienen die Kapital- 23 Prozent innerhalb der Euro-Zone werten exporte als Kehrseite der Exportüberschüsse ohne (Norm gegenüber dem tatsächlichen Stand 2008). großes einzelwirtschaftliches Risiko, da sie geo- Da Deutschland etwa die Hälfte seines Leistungs- grafi sch diversifi ziert waren. Aus der Sicht der De- bilanzüberschusses mit Ländern außerhalb der fi zitländer ging die Außenverschuldung jahrelang Euro-Zone hat, muss man auch von einer kräf- gut, führte zu kräftigem Wirtschaftswachstum, tigen realen Unterbewertung Deutschlands ge- bis im Zuge der Finanzkrise das Verschuldungs- genüber dem Rest der Welt ausgehen. Anders ge- system kippte. Die Risiken der Außenverschul- sagt, der Wechselkurs des Euro, der ja nur zu dung schlagen nun auf die Gläubiger zurück. Je- einem kleinen Teil von Deutschland abhängt, ist doch wurden diese Risiken seitens der Finanz- für Deutschland zu niedrig, für die Peripherie- investoren erst wahrgenommen, als die Probleme länder der Euro-Zone zu hoch. unübersehbar waren. Gut ein Drittel der deutschen Nettokapital- exporte sind Direktinvestitionen, vorwiegend in den europäischen Nachbarländern platziert. Die- 4.3 Fazit se haben nur in wenigen Fällen zur Steigerung der Investitionsquote des Ziellandes beigetragen, Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass so- so etwa in Spanien, dort jedoch vorwiegend im wohl die Defi zit- als auch die Überschussländer aufgeblähten Wohnungsbau (vgl. Tabelle A3 im am Aufbau der starken Ungleichgewichte in den Anhang). Möglicherweise haben sie zeitweilig das Leistungsbilanzen beteiligt waren. In dem Un- Wachstum in den Zielländern forciert, jedoch ist gleichgewicht zwischen China, den OPEC-Staa- deren Nettovermögensposition gegenüber dem ten und den USA war es vor allem ein Defi zitland, Ausland meist gesunken, d. h. die Nettoauslands- das einer Gruppe von Überschussländern gegen-

57 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

überstand, in Europa waren es vor allem Deutsch- len, ist der Zusammenhang zwischen dem Defi zit land sowie eine Reihe kleinerer Überschussländer, in der US-Leistungsbilanz und der Finanzkrise die einem guten Dutzend europäischer Defi zit- umstritten. Viele Autoren sehen einen direkten länder gegenüberstanden. In allen Fällen waren Zusammenhang, einige sehen keinen oder allen- „pull“- und „push“-Faktoren beteiligt, die sich falls einen schwachen. Wenig strittig ist aber, dass kausal nicht trennen lassen. In den USA trat auf- die Leistungsbilanzungleichgewichte zwischen grund der Sonderstellung des US-Dollars im Welt- den USA und den Überschusspartnern nicht währungssystem zwar keine Überschuldung der nachhaltig sind und erhebliche Probleme dar- US-Volkswirtschaft ein, aber eine Überschuldung stellen (vgl. die Erklärungen der G-20). Zwar hat einzelner Sektoren (private Haushalte, Banken, der Aufbau der starken Ungleichgewichte nach Staat). In Europa kam es hingegen zur faktischen der Asien- und Russlandkrise bis 2008 zum star- Zahlungsunfähigkeit ganzer Länder, zu Liquidi- ken Wachstum der Weltwirtschaft massiv bei- täts- und erwarteten Insolvenzkrisen. Sowohl in getragen, getrieben von den USA und anderen den USA als auch in den meisten europäischen Defi zitländern einerseits und zahlreichen Über- Ländern blieb bislang, d.h. bis Ende 2010, eine schussländern wie China und weiteren Schwel- Währungskrise aus, in den USA wegen des Ver- lenländern andererseits, freilich ohne Japan und trauens in den US-Dollar als dominante Reserve- Deutschland. Aber diese Konjunktur blieb eine währung, in Europa wegen der Gemeinschafts- Konsum- und Blasenkonjunktur, die früher oder währung in der Euro-Zone und der Koppelung später in einer Überschuldung und Weltrezes- der meisten anderen Währungen an den Euro. sion enden musste. Mithin waren die Ungleich- Während es in Europa und insbesondere in gewichte keine „guten“ Ungleichgewichte, son- der Euro-Zone weitgehend unstrittig ist, dass die dern exzessiv, so unser Fazit. Allerdings gibt es Leistungsbilanzungleichgewichte eine zentrale eine Reihe unterschiedlicher Interpretationen, Ursache der Finanzkrise des Eurosystems darstel- die wir nun vergleichen werden.

58 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

5. „Gute“ oder „schlechte“ globale Ungleichgewichte? – Interpretationen

Zu den globalen Ungleichgewichten, insbeson- Realzinsen weltweit gesunken seien, was nahezu dere dem Leistungsbilanzdefi zit der USA und in allen Ländern zu Hauspreisblasen geführt hät- den entsprechenden Überschüssen in China, te, namentlich in den USA. Bernanke ebenso wie Japan, Deutschland und anderen Ländern, gibt es Greenspan glaubten damals an eine langsame, eine breite internationale Diskussion, die wir im aber kontrollierte Bereinigung der Ungleichge- Folgenden anhand von ausgewählten Autoren wichte, wenn die Wirtschaftspolitik sich richtig vorstellen und kommentieren. Die Interpreta- verhält. So scheint es, dass aus dieser Perspektive tionen lassen sich mutatis mutandis auch auf die globalen Ungleichgewichte nicht allzu pro- die europäischen Ungleichgewichte anwenden. blematisch sind. In einem weiteren, jedoch weniger beachte- Ben Bernanke: „Global Saving Glut“ ten Aufsatz hat Bernanke (Bernanke 2011) nicht nur ausführlich die Ursachen der Finanzkrise In seiner berühmt gewordenen Rede (2005) ent- rückblickend resümiert, sondern auch die GSG- wickelte der US-Notenbankgouverneur Ben Hypothese in wichtigen Punkten verändert. Zu- Bernanke die These, dass in China und anderen nächst betont er, dass internationale Kapital- Überschussländern eine anhaltende globale zufl üsse in die USA bei der Entstehung der Fi- „Sparschwemme“ („Global Saving Glut“, GSG im nanzkrise eine signifi kante Rolle spielten, auch Folgenden) herrsche, die zu Kapitalexport vor- wenn die primären Ursachen der Krise in den nehmlich in die USA führe. Die Ursache hierfür USA selbst lagen. Die Zufl üsse hätten in den Jah- läge also in den Überschussländern, während die ren 2003 - 2007, als sie stark anschwollen, zu USA das Leistungsbilanzdefi zit nicht beseitigen niedrigeren Kapitalmarktzinsen geführt, die zur können und eine eher passive Rolle hätten. Da- Überhitzung der Immobilienmärkte und anderer mit wurden globale Ungleichgewichte als eine Finanzmärkte wesentlich beigetragen hätten und schwer beeinfl ussbare, unabwendbare Tatsache auch durch die Zinssteigerungen der Fed nicht gerechtfertigt. Der Trend zum Übersparen bestün- beeinfl usst werden konnten. Der massive Anstieg de seit etwa Mitte der 1990er Jahre in verschiede- der Wertpapierkäufe in den USA in den Boom- nen Ländern: exzessives Sparen privater Haushal- Jahren 2003 - 2007 kam jedoch nicht durch die te in einigen Schwellenländern; hohe Ersparnis- sog. GSG-Länder zustande, die er jetzt auf China bildung der alternden Bevölkerung in einigen und andere asiatische Schwellenländer sowie entwickelten Ländern, in denen es nur noch OPEC-Länder begrenzt, sondern vor allem durch geringe Investitionsmöglichkeiten gäbe; starke europäische Staaten. Von 2003 bis 2007 stieg der Akkumulation von Währungsreserven in Schwel- Bestand an Wertpapieren in den USA um über lenländern, um gegen Finanzkrisen gewappnet 10 Billionen US-Dollar (+ 35 Prozent), wobei zu sein; Sparüberschüsse in ölproduzierenden 51 Prozent der zusätzlichen Nachfrage aus Euro- Ländern infolge von Ölpreissteigerungen und zu- pa kam und nur 12 Prozent aus den GSG-Ländern, nehmender Knappheit fossiler Energie. Green- der Rest kam aus den USA selbst (Bernanke 2011: span (2010) ergänzte, dass nach dem Ende des 22). Während die GSG-Länder ganz überwiegend Kalten Krieges viele Länder mit billigen Produk- sichere Anlagen kauften, investierten die Euro- ten auf den Weltmarkt drängten, die Infl ations- päer vorwiegend in (de facto) riskante Wertpapie- raten senkten („Great Moderation“) und so die re, auch weil sie sehr positiv von den Rating-

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Agenturen bewertet wurden. Bernanke betont, des für den Exportüberschuss zu sichern. China dass „Europa“ Kapital in die USA exportierte, ob- gewährleistet dies beispielsweise durch entspre- wohl die Leistungsbilanz Europas relativ ausge- chende Unterbewertung seiner Währung mit glichen war. Demnach sind die Bruttokapitalströ- Hilfe von Kapitalverkehrskontrollen. Bernanke me relevant, nicht zwangsläufi g der Saldo der vernachlässigt in Bezug auf das wichtigste Über- Leistungs- oder Kapitalbilanz. Allerdings wird schussland, China, dass Kapitalexporte von Pri- Europa nicht genauer defi niert oder nach betei- vathaushalten und Unternehmen im Ausland in ligten Ländern aufgeschlüsselt, da es kaum Daten der Vergangenheit praktisch keine Rolle spielten, über bilaterale Kapitalströme gibt.17 da sie bis vor kurzem nahezu vollständig verboten Kritisch anzumerken ist, dass Bernanke beim waren. Der chinesische Kapitalexport kommt Begriff der „Sparschwemme“ verkennt, dass Über- ganz überwiegend durch die im Ausland angeleg- sparen aufgrund der erwähnten Trends normaler- ten Währungsreserven zustande. Ferner erklärt weise zu geringerem Wachstum und zu verlang- Bernanke nicht, warum die Überersparnis anders samter Einkommensbildung führt, wodurch als früher in so starkem Maße in die USA fl ießen auch das Sparen auf das niedrigere Niveau der konnte und Wechselkursreaktionen in den Über- Inves titionen sinkt. „Sparen“ ist in Wirklichkeit schuss- und Defi zitländern weitgehend ausblie- keine autonome Größe, sondern Resultat der ben. Auch empirisch ist Bernankes Trendbeschrei- Einkommensentwicklung und der Einkommens- bung fragwürdig, weil nicht alle Schwellen- und verteilung. Einem Sparüberschuss in einigen Industrieländer sich gleichermaßen in der be- Ländern steht zwangsläufi g ein Spardefi zit in schriebenen Weise entwickelten. Der exzessive anderen Ländern gegenüber; das eine ist die private Konsum in den USA und die durch Fi- Ursache des anderen und würde ohne das Gegen- nanzmarktderegulierung gesetzten Anreize, Ka- stück nicht existieren. Ein globaler Sparüber- pital im US-Finanzsektor anzulegen, werden in schuss ist ohnehin ein Widerspruch in sich – der ursprünglichen GSG-Version ausgeklammert global sind Sparen und Investieren per defi nitio- (vgl. auch Priewe 2010: 50), allerdings in der Revi- nem wie in einer geschlossenen Volkswirtschaft sion des GSG-Ansatzes von 2011 angesprochen. identisch18. Bernanke meint sicher auch eine Verschiedentlich argumentiert Bernanke, dass bei „Sparschwemme“ lediglich in bestimmten Über- korrekter Regulierung des Finanzsektors in den schussländern.19 Dabei unterstellt er, wie viele USA auch große Leistungsbilanzdefi zite verkraftet andere auch, dass das Sparen einer Periode eine werden können; verkannt wird dabei, dass ein autonome Verhaltensgröße ist (wie etwas die Teil der Finanzzufl üsse dann nicht mehr erfolgen Sparquote privater Haushalte). Hier geht es je- würde, und andererseits aber ein großes Leis- doch um das gesamtwirtschaftliche Sparen von tungsbilanzdefi zit zwangsläufi g zur Überschul- Haushalten, Unternehmen und Staat. Gesamt- dung der privaten Haushalte oder des Staates ge- wirtschaftliches Übersparen („Saving Glut“) ist genüber dem Ausland führen würde, wenn man nichts anderes als das monetäre Spiegelbild der eine starke Zunahme produktiver realwirtschaft- Überproduktion von Gütern in einem Land, die licher Investitionen als Folge von Kapitalimpor- (netto, nach Abzug der Importe) exportiert wer- ten einmal ausklammert. Bernankes Position ist den. Dies erfordert entsprechende Wechselkurse, daher nicht kohärent. um die preisliche Wettbewerbsfähigkeit eines Lan-

17 Viele Beobachter sitzen dem folgenden Trugschluss auf: Zwar muss saldenmechanisch der Leistungsbilanzsaldo eines Landes dem Kapi- talbilanzsaldo (einschließlich Veränderung der Währungsreserven) entsprechen, aber dies gilt nicht für den bilateralen Handels- und Kapitalverkehr. Beispielsweise kann die Euro-Zone eine ausgeglichene Leistungsbilanz mit den USA haben, aber gleichzeitig hohe Netto- kapitalexporte in die USA. 18 Ohne Einbeziehung von staatlichen Budgetdefi ziten. 19 Möglicherweise ist auch das global zu Beginn einer Periode („ex ante“) geplante Sparen gegenüber dem geplanten Investieren gemeint, wie es Greenspan (2010) formuliert. Diese zutreffende Feststellung heißt ja nichts weiter, als dass das globale Nachfragewachstum hinter dem globalen Angebotswachstum zurückbleibt, weil überschüssige Finanzierungsmittel im Finanzsektor versickern. In diesem Fall wird aber nicht erklärt, warum die „ex post“-Anpassung, also am Ende einer Periode, von Sparen und Investieren nicht in den jeweiligen Ländern selbst erfolgt, sondern Sparüberschüsse einzelner Länder in die Defi zitländer fl ießen.

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„Bretton Woods II“: Stabile Ungleichgewichte krepanzen zwischen dem Angebot und der Nach- frage auf den Finanzmärkten in Schwellen- und Dooley et al. (2003) entwickelten die These, dass entwickelten Ländern beruht. Unterentwickelte die Leistungsbilanzungleichgewichte relativ sta- Finanzmärkte würden demnach zu Kapitalströ- bil sind, da sie ein informelles neues Währungs- men in die USA und andere entwickelte Länder system widerspiegeln würden, das sie „Bretton führen, die eine größere Tiefe und Breite von Woods II“ nannten. Viele Schwellenländer ten- Finanzmärkten anzubieten haben. Insbesondere dieren dazu, so die These, ihre Währung wie sei die Nachfrage nach sicheren und liquiden China an den US-Dollar zu koppeln oder durch Finanzprodukten bei zu geringem Angebot („Glo- „Managed Floating“ mehr oder minder fest an bal Asset Shortage“, vgl. Caballero et al. 2008) so den US-Dollar zu binden; dadurch entfällt für die stark gestiegen, dass durch Verbriefung neue, USA die Option einer massiven Abwertung zur scheinbar sichere Instrumente entstanden und Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Da die angeboten wurden. Die starken Finanzströme in Finanzmärkte in den Schwellenländern unter- die USA resultieren seitens der Schwellenländer entwickelt sind, fl ießt Kapital an die modernsten aus starken Wachstumsschüben, die vor allem Finanzplätze der Welt, die besonders in den USA zu hohen Gewinnen der Unternehmen führten, einen „Standortvorteil“ haben. Die Schwellen- aus teilweise neo-merkantilistischer Unterbewer- länder einschließlich der dort investierenden tung der eigenen Währung sowie vor allem aus multinationalen Unternehmen genießen die Vor- dem Vorsichtsmotiv (hohe Währungsreserven als teile einer stabilen, unterbewerteten Währung, Versicherung gegen Finanzkrisen); hinzu kom- die USA bieten dafür ein großes Auffangbecken men die Kapitalanlagen der Ölexporteure. Im Ge- für Währungsreserven und andere Finanzanla- gensatz zu anderen Ländern würden die USA da- gen, nutzen das Vertrauen eines großen Reserve- her keine dramatische Abwertung benötigen, um währungslandes und können mit dauerhaft ho- ihre Nettoschuldnerposition gegenüber dem Aus- hen Kapitalzufl üssen rechnen, ohne sich zu über- land aufrecht zu erhalten; vielmehr scheint diese schulden. Es sei eine „Win-Win-Situation“ für im Urteil der Autoren, im Einklang mit vielen beide Seiten. Studien, relativ stabil zu sein. Die Beschreibung des Währungssystems ist Die Finanzkrise sei daher nicht oder nur mar- zwar zutreffend, aber die Behauptung, es würde ginal durch die globalen Ungleichgewichte verur- sich dabei um ein stabiles Währungssystem han- sacht: Die anschwellenden Kapitalzufl üsse um deln, fragwürdig. Die Risiken dieses Systems, auf einige Prozentpunkte des US-BIP seien im Ver- die weiter oben bereits eingegangen wurde, wer- hältnis zum Volumen der Kapitalmärkte (d. h. den massiv unterschätzt. So hat auch Eichengreen zum Bestand an Finanzvermögen) gering. Sin- (2007) die vermeintliche Analogie des derzeitigen kende Kapitalmarktzinsen aufgrund des globalen Währungssystems zu dem immerhin mehr als Sparvolumens und der „Great Moderation“ hätte ein Vierteljahrhundert stabilen Bretton-Woods- es überall gegeben, nicht nur in den USA, dem System treffend kritisiert. Epizentrum der Finanzkrise. Die Krise selbst hätte ihre Ursachen vielmehr in erster Linie in der Luis Servén und Ha Nguyen (Weltbank) unzureichenden Regulierung des Finanzsystems. und Richard Cooper: Servén und Nguyen rechnen daher mit einer „gleichgewichtige“ Ungleichgewichte Rückkehr der globalen Leistungsbilanzungleich- gewichte, wenn keine gravierenden politischen Servén und Nguyen (2010) kritisieren jene An- Änderungen erfolgen. Offenbar halten sie diese sätze, die die Leistungsbilanzüberschüsse und auch nicht für dringend. Sollten die Defi zitländer -defi zite als nicht nachhaltige Ungleichgewichte ihrerseits ihre Sparleistung erhöhen, wäre das Ent- betrachten, die früher oder später korrigiert wer- wicklungsmodell exportorientierten Wachstums den müssen. Dagegen setzen sie auf einen Gleich- am Ende, so die Autoren, und müsste durch stär- gewichtsansatz, der auf stabilen strukturellen Dis- kere Binnenmarktorientierung ersetzt werden.

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Die Argumentation der Autoren ähnelt der- komplexesten Probleme für Analysten und Politi- jenigen der „Bretton Woods II“-Hypothese. Wie ker. Die Ungleichgewichte in den Leistungsbilan- bei dieser wird die Stabilität der Ungleichgewich- zen selbst seien nicht das Problem, sondern ledig- te weit überschätzt, indem vor allem von der re- lich Symptom von tiefer liegenden „guten“ oder lativen Stabilität der Nettoschuldnerposition der „schlechten“ Ursachen, die mitunter auch ge- USA bzw. der Nettovermögenseinkommen aus mischt auftreten. Zu den „guten“ Ungleichge- dem Ausland ausgegangen wird. Sobald das US- wichten zählen die Ökonomen jene Ungleichge- Budgetdefi zit sinkt und die Sparquote der priva- wichte, die durch Kapitalexporte von Volkswirt- ten Haushalte sich normalisiert, werden sich die schaften mit alternder Bevölkerungsstruktur in Möglichkeiten eines extrem exportgetriebenen solche mit junger Altersstruktur zustande kom- Wachstumstyps in vielen Schwellenländern ver- men; ferner Kapitalströme in Länder mit vermu- schlechtern. Auch hier wird das „Sparen“ der teten besseren Investitionschancen sowie solche Überschussländer fälschlicherweise als Konstante in Länder mit attraktiveren Finanzmärkten, die angesehen, obwohl es Folge mangelnder Inlands- liquider und tiefer sind. Kapitalströme, die von nachfrage und starker Außenhandelsdefi zite der diesen Motiven geleitet sind, betrachten sie als Defi zitländer ist. Deutlich wird jedoch in diesem Ausdruck einer optimalen Allokation von Kapital Ansatz, dass die (bisherige) Nachhaltigkeit des in einer globalen Ökonomie, auch dann, wenn US-Defi zits einen Sonderfall darstellt, der nur für dabei große Leistungsbilanzungleichgewichte ein Reservewährungsland mit Verschuldung in entstehen. „Schlechte“ Ungleichgewichte entste- eigener Währung in diesem Ausmaß möglich ist. hen dagegen insbesondere aus den folgenden Deutlicher noch als Servén/Ha weist Cooper Motiven: wenn hohe private Ersparnisse, die (2010) die These zurück, dass die Finanzkrise Anlagemöglichkeiten im Ausland suchen, durch durch globale Leistungsbilanzgleichgewichte ver- unzulängliche soziale Sicherungssysteme zustan- ursacht sei. Diese seien vielmehr Ausdruck fi nan- de kommen oder durch schlechte Unternehmens- zieller Globalisierung, die unter dem Strich wohl- führung, die darauf abzielt, Gewinne einzubehal- fahrtssteigernd für alle Beteiligten sei (vgl. auch ten, um sie später zu investieren; wenn Kapital Cooper 2008). In Zukunft erwartet er wesentlich durch Vermögenspreisblasen angelockt wird; größere Ungleichgewichte der Leistungsbilanzen, wenn die staatlichen Budgetdefi zite zu hoch sind; weil das „Home Bias“ der Sparer weltweit in den wenn die Investitionen in einem Land im Ver- Hintergrund tritt, d. h. die Sparer würden zuneh- hältnis zum Sparen niedrig gehalten werden, weil mend global ihr Geldvermögen anlegen. Wür- das Finanzsystem schwach ausgebildet ist oder den die großen Defi zitländer, insbesondere die die Eigentumsrechte nicht hinreichend geschützt USA, versuchen, ihr Defi zit abzubauen, sei mit werden. Insgesamt folgen die Autoren faktisch einer Weltrezession zu rechnen, zumal die Über- einer Synthese von GSG-Ansatz, „Bretton Woods schussländer nicht kompensierend ihre Binnen- II“-Hypothese sowie Ansätzen, die entweder die nachfrage steigern würden. Im Übrigen hält er Schuld bei der US-Fiskal- und Geldpolitik oder Finanzkrisen wie in der Vergangenheit für un- bei der chinesischen Wechselkurspolitik sehen. vermeidbar, zumal sie auch korrektive Funktion Bei der Beurteilung der jüngsten globalen hätten. Wenn jedoch globale Ungleichgewichte Ungleichgewichte fällt das Urteil der Autoren ernsthaft als Problem angesehen werden sollten, differenziert aus. Im Zeitraum 1996 - 2000 wären rät er zu Kapitalverkehrskontrollen. die Ungleichgewichte überwiegend aus „guten“ Motiven (vermeintlich bessere Rendite- und Olivier Blanchard und Gian Maria Milesi-Ferretti: Investitionschancen in den USA) heraus ent- „gute“ und „schlechte“ Ungleichgewichte standen, im Zeitraum 2001 - 2004 dagegen zuneh- mend aus „schlechten“ Motiven – insbesondere Blanchard, Chefökonom des Internationalen infolge sinkenden Sparens in den USA und stei- Währungsfonds (IWF), und Milesi-Ferretti (2009) gender Fiskaldefi zite –, während die Ungleich- halten globale Ungleichgewichte für eines der gewichte im Zeitraum 2005 - 2008 immer mehr

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durch Finanzexzesse in den USA verursacht wor- len, in denen multilaterale Regeln zum Abbau den seien. In dieser Phase entstanden die Über- von Leistungsbilanzungleichgewichten sinnvoll schüsse überwiegend bei den Öl exportierenden und notwendig sind. In vielen Fällen drücken Ländern, den europäischen Überschussländern Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz natio- und in China (mit jeweils 1,0 Prozent, 0,7 Pro- nale Verzerrungen zwischen Sparen und Inves- zent und 0,6 Prozent des Welt-BIP). tieren aus, so dass es im nationalen ebenso wie Die empirische Abgrenzung von „guten“ und im internationalen Interesse läge, diese abzubau- „schlechten“ Motiven für Kapitalexporte oder en. Dann seien eigentlich keine internationalen -importe dürfte jedoch bei genauerer Betrachtung Regeln nötig, es sei denn, polit-ökonomische kaum möglich sein; häufi g liegt eine Mischung Gründe verhindern rationales Handeln einzelner unterschiedlicher Motive vor, die zudem nicht Länder. In diesen Fällen seien allerdings inter- immer klar erkennbar sind. Blanchard und nationale Diskussionen sinnvoll, etwa auf G-20- Milesi-Ferretti defi nieren „gute“ Motive für Un- Tagungen. Ferner zeigen die Autoren anhand gleichgewichte so weit, dass spekulative Kapital- eines einfachen (neu-keynesianischen) Modells ströme, die Blasen aufbauen und Wechselkurse einen Fall, den sie für den Normalfall halten, verzerren, eingeschlossen sind, obwohl sie selbst dass eine plötzliche Zunahme des „Sparens“ in diese auch als „schlechte“ Motive ansehen. In- einem Land zu Kapitalexport und Leistungsbil- dessen sollten nicht die Motive, sondern ökono- anzüberschuss infolge sinkender Zinsen und da- mische Resultate entscheiden, ob Ungleichge- durch ausgelöster Abwertung führt, worauf der wichte als „gut“ oder „schlecht“ klassifi ziert wer- Rest der Welt ebenfalls mit sinkenden Zinsen re- den. Freilich macht dies eine ex ante Beurteilung agiert. Bei einer Geldpolitik in allen Ländern, die nicht leicht. sich an der Vermeidung von Outputlücken (Un- Die Autoren scheinen eine ungebrochen posi- ter- bzw. Überauslastung) orientiert, entstünden tive Vorstellung von fi nanzieller Globalisierung zu durch die Leistungsbilanzungleichgewichte in haben, die selbst große Leistungsbilanzungleich- keinem Land Probleme. Das Modell ist jedoch gewichte möglich macht. Gute „Imbalances“ an eine Vielzahl unrealistischer Voraussetzungen werden dabei als Ausdruck von „Equilibrium“ an- gebunden. Nur bei einer Liquiditätsfalle in einem gesehen, schlechte als echte Ungleichgewichte. wichtigen Land mit Leistungsbilanzüberschuss, Dabei gibt es historisch gesehen nur wenig posi- so die Autoren, würde es nicht zu einem globalen tive Beispiele hierfür. Die konkrete Beurteilung Gütermarktgleichgewicht kommen, so dass nur der verschiedenen Phasen der Herausbildung des dann internationale Regeln notwendig seien. Vor hohen US-Defi zits erscheint hingegen nachvoll- diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, ziehbar, obwohl „pull“- und „push“-Faktoren dass der IWF bis heute keine Vorschläge zur Be- schwer auseinander zu halten sind. Auch in der seitigung oder Vermeidung von schwerwiegen- Phase 1996 - 2000 spielten spekulative Zufl üsse den Ungleichgewichten in den Leistungsbilanzen in die USA eine wichtige Rolle, jedoch hielten einzelner Länder vorgelegt hat. sich die Probleme nach dem Platzen der dotcom- Blase in Grenzen. Eine tragfähige globale Politik- Maurice Obstfeld und Kenneth Rogoff: konzeption, die sowohl geeignete Diagnosen ge- Gefährliche Ungleichgewichte währleistet als auch verschiedene Länder und deren Akteure einbezieht, ist bei Blanchard und Für Obstfeld und Rogoff (2009) waren die globa- Milesi-Ferretti letztlich nicht einmal im Ansatz len Ungleichgewichte zwar nicht die Hauptur- erkennbar. sache der Finanzkrise, aber an ihrem Entstehen In einem ergänzenden Beitrag (Blanchard/ beteiligt.20 Sowohl Bernankes These als auch die Milesi-Ferreti 2011) suchen die Autoren nach Fäl- These eines stabilen „Bretton Woods II“ kritisie-

20 „The US conceit that its fi nancial and regulatory system could withstand massive capital infl ows on a sustainable basis without any problems arguably laid the foundations for the global fi nancial crisis of the late 2000s. The thinking that ‚this time is different’ – because this time the US had a superior system – once again proved false … Capital infl ows pushed up borrowing and asset prices while reducing spreads on all sorts of risky assets …“ (Reinhart/Rogoff 2009).

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ren sie. Schon in früheren Veröffentlichungen Leitzinsen der Fed nach 9/11 im Jahre 2001 tat- hatten sie auf die Probleme großer Leistungsbi- sächlich die Finanzmarktentwicklung so stark be- lanzungleichgewichte hingewiesen, jedoch eine einfl usst hat. Dagegen wird der unzulänglichen massive Abwertung des US-Dollars (in der Grö- Finanzmarktkontrolle und der zu expansiven ßenordnung von 30 Prozent) infolge eines plötz- Fiskalpolitik in ihrer Argumentation zu wenig lichen Rückzugs ausländischer Anleger erwartet. Aufmerksamkeit gewidmet. Stattdessen kam es zur Finanzkrise. Die Leistungs- bilanzungleichgewichte seien bis etwa 2003 mo- Justin Yifu Lin u. a. (Weltbank): Ungleich- derat und unauffällig gewesen, danach hätten sie gewichte entstehen in erster Linie in den USA sich rasant und gefährlich vergrößert. Die Ursa- chen waren ihrer Ansicht nach die chinesische Lin, Chefökonom der Weltbank, und Ko-Autoren Wechselkurspolitik, die zu stark steigenden Leis- wenden sich gegen in den USA vorherrschende tungsbilanzüberschüssen geführt hätte, die Öl- Auffassungen, die eine rasche und drastische Auf- und Rohstoffpreissteigerungen sowie die unkon- wertung des Yuan fordern (u. a. Krugman 2010 trollierte Entwicklung strukturierter Finanzpro- und Goldstein/Lardy 2006, 200921). Ihre Analyse dukte, die Risikokapital aus aller Welt, insbeson- deckt sich in weiten Teilen mit den in China un- dere auch aus Europa, angezogen hätte. Durch ter Ökonomen und in der Regierung vorherr- die Kapitalzufl üsse in Verbindung mit einer Nied- schenden Sichtweisen. Lin u. a. weisen darauf rigzinspolitik der US-Zentralbank Fed im Zeit- hin, dass die US-Defi zite bereits lange vor der raum 2001 - 2003, die den Leitzins bis auf 1,0 Pro- Finanzkrise entstanden und damals wenig mit zent verringerte, seien auch die langfristigen Chinas Leistungsbilanz zu tun hatten. Selbst auf Zinsen gesunken, was die Hebelwirkung der dem Höhepunkt des US-Defi zits 2006 machte der Fremdfi nanzierung des Finanzsektors noch ver- Anteil Chinas, wie auch oben erwähnt, kaum ein größert hätte. Das Vertrauen in den US-Dollar Drittel des gesamten US-Defi zits aus. Der Anteil und das US-Finanzsystem hätten zu einer Schwä- der Finanzströme aus China in die USA lag noch chung der Budgetrestriktionen in der US-Zah- unter denen der Handelsströme – ein ansonsten lungsbilanz und im US-Staatshaushalt geführt. unterbelichteter Sachverhalt, der klarmacht, dass Die Übersteigerungen im Leistungsbilanzdefi zit sich bilaterale Handels- und Finanzströme nicht der USA im Zeitraum 2004 - 2007 bzw. in den immer entsprechen. Die 20-prozentige Aufwer- Überschussländern seien das eigentliche Problem tung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar gewesen. Die Autoren sehen einen engen Zusam- nach 2005 hat auch nicht zu einer Verminderung menhang zwischen Leistungsbilanzungleichge- des bilateralen Handelssaldos geführt, vielmehr wichten und Vermögenspreisblasen. Dass die Un- stieg dieser noch weiter bis zur Finanzkrise. Chi- gleichgewichte sowohl durch die Überschuss- na ist also, so die Autoren, nicht stärker als zahl- länder, hier vor allem China, als auch durch das reiche andere Länder am US-Defi zit beteiligt. wichtigste Defi zitland vermieden bzw. nach der Entscheidend seien allerdings die US-Geld- und Krise systematisch verringert werden muss, also Fiskalpolitik sowie die Finanzinnovationen, die durch symmetrische Anpassung der Überschuss- zum exzessiven Konsum und zur Hauspreisblase und Defi zitländer, liegt für Obstfeld und Rogoff in den USA beigetragen hätten. auf der Hand. Die starke Zunahme der chinesischen Leis- So einleuchtend die Erklärungen der Autoren tungsbilanzüberschüsse ab etwa 2005 führen die sind, sie erwecken den Eindruck, als ob die ge- Autoren auf die Sparüberschüsse und damit die fährliche Übersteigerung durch eine Verkettung chinesische Überproduktion zurück. Dazu ver- unglücklicher Umstände nach 2004 zustande weisen sie auf die markante Veränderung in der kam. Fraglich erscheint auch, ob die niedrigen Einkommensverteilung in China, die zu einem

21 Goldstein und Lardy (2009), die zu den wichtigsten wirtschaftswissenschaftlichen China-Experten in den USA gehören, gehen für 2005 von einer notwendigen etwa 40-prozentigen Aufwertung des Renminbi gegenüber dem US-Dollar aus, für 2009 noch von rund 20 Prozent.

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starken Anstieg der Ungleichverteilung geführt talbilanz aufgrund der hohen Zufl üsse von Aus- habe. Entscheidend sei der Anstieg der Unterneh- landsinvestitionen. Die Autoren bleiben daher mensgewinne, nicht das Sparen der Privathaus- die Antwort schuldig, warum die Sparüberschüsse halte. Der Finanzsektor, im Wesentlichen vier alias die Überproduktion exportiert werden konn- staatliche Großbanken, würde zwar die Erspar- ten. Hier hat das System der Kapitalkontrollen, nisse der Masse der unteren Einkommensgruppen die den festen bzw. regulierten Wechselkurs absi- einsammeln, diese jedoch von der Kreditvergabe chern, eine zentrale Rolle gespielt – und damit weitgehend ausschließen; hingegen würden die die Unterbewertung des Renminbi. Zur Vermei- Banken die Ersparnisse zu regulierten niedrigen dung der Ungleichgewichte in den Leistungs- Zinsen an den Unternehmenssektor ausleihen bilanzen sind daher auch Veränderungen in der und so Kapitalbildung und Produktion „subven- Wechselkurs- und Wachstumspolitik Chinas un- tionieren“. Bei Unternehmen aus dem extrak- umgänglich. Kurzfristige Wirkungen einer Auf- tiven Sektor (Bergbau etc.) entstünden hohe wertung des Renminbi auf die Handelsbilanz sind Differentialgewinne, und in einigen anderen ohnehin nicht zu erwarten (sog. „J-Kurven-Effekt“). Branchen wie in der Telekommunikation und Auch andere prominente chinesische Ökonomen im Finanzsektor existierten Monopolgewinne. wie Yu Yongding (2007) fordern seit geraumer Gleichzeitig würden die Löhne wegen der großen Zeit eine grundlegende Reform der chinesischen Unterbeschäftigung hinter der Produktivitäts- Wachstumspolitik, weil die Überschusspolitik steigerung zurückbleiben. nicht nachhaltig sei. Andere Autoren wie Woo 2006 ergänzen, dass das unterentwickelte Finanzsystem auch auf Sachverständigenrat: eine andere Weise Überproduktion und „Über- Ungleichgewichte nicht tragfähig sparen“ fördere. Wegen der Gefahr der infl ationä- ren Überhitzung wurde die Kreditvergabe an die Der deutsche Sachverständigenrat zur Begutach- Staatsunternehmen gedrosselt, während die Pri- tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vatunternehmen traditionell Investitionen durch (SVR 2006: 108 -161), der das US-Defi zit 2006 aus- Eigenmittel fi nanzieren, also hohe Gewinne er- führlich diskutierte und als kritisch einstufte, wirtschaften müssen. Die Überproduktion im diagnostiziert als wichtigste Ursache eine zu ex- Verhältnis zur inländischen Endnachfrage sei ein pansive Geld- und Fiskalpolitik in den USA, die strukturelles, entwicklungsbedingtes Problem wie ein globales Konjunkturprogramm wirke, und könne nur längerfristig durch die Förderung verstärkt durch die exportfördernde Wechsel- der Binnennachfrage vermindert werden. Gang kurspolitik asiatischer Länder (vor allem Chinas (2006) ergänzt, dass der Kern des US-Defi zits in und Japans) und die hohen Leistungsbilanzüber- der Konstruktion des auf den US-Dollar zentrier- schüsse der Ölförderländer. Mit relativ niedrigen ten Weltwährungssystems liege, das es den USA Zinsen und ab 2001 hohen Budgetdefi ziten hät- erlaubt, mittels eigener Geldschöpfung ohne hin- ten die US-Notenbank und die US-Regierung zu- reichend harte Budgetrestriktionen oder andere nächst den Boom 1995 - 2000 gefördert, dann die Sanktionen (wie Infl ationsrisiken) zu hohe Außen- Rezession 2001- 2002 abgepuffert. Einerseits hätte handelsdefi zite zu fi nanzieren. Schnelle Wechsel- das US-Haushaltsdefi zit somit zum US-Leistungs- kursänderungen könnten das Problem nicht lö- bilanzdefi zit beigetragen („Zwillingsdefi zit“), weil sen, allenfalls eine graduelle, langsame Aufwer- so mehr importiert wurde, andererseits hätte die tung des Renminbi in Verbindung mit struktu- US-Geldpolitik vor allem den Wohnungsbau und rellen Reformen. den privaten Konsum so massiv gefördert, dass So zutreffend die Relativierung der Rolle Chi- ausländische Finanzierungsmittel gebraucht wur- nas ist, Chinas Leistungsbilanzüberschuss ist in den, weil die nationalen Ersparnisse zu gering ge- den Jahren 2005 bis 2008 regelrecht explodiert wesen seien. Das US-Defi zit in der Größenord- und offenbar außer Kontrolle geraten, abgesehen nung von fünf oder sechs Prozent des BIP wurde von den gleichzeitigen Überschüssen in der Kapi- vom SVR als nicht nachhaltig angesehen.

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Bei ab dem Jahr 2004 stärker steigenden US- teme, sei mit einer Rückkehr hoher Leistungs- Zinsen seitens der Fed infolge der Bekämpfung bilanzungleichgewichte zu rechnen. Dabei ver- der Infl ationsgefahren und angesichts etwas zu- säumt die EZB nicht darauf hinzuweisen, dass in rückgehender Budgetdefi zite werde sich das Pro- der EU und der Euro-Zone eine nach außen aus- blem aber wieder entspannen, so damals der geglichene Leistungsbilanz herrscht. Gleichwohl Sachverständigenrat – sofern es nicht zu einer unterstützt sie die Bemühungen der G-20 in abrupten Anpassung mit einer Abwertung des Pittsburgh (2009), „rigorose strukturelle Anpas- US-Dollars kommt. Letzteres wurde für unwahr- sungen“ in Überschuss- und Schwellenländern scheinlich gehalten. Der Immobilienpreisanstieg vorzunehmen. Das Fazit der EZB ist eindeutig: wurde ebenso kritisch gesehen wie der exzessive „Zum gegenwärtigen Zeitpunkt stellen globale Konsum der Privathaushalte, aber Zeichen für Ungleichgewichte nach wie vor ein wesentliches eine Finanzkrise nicht erkannt. Gerade aber der Risiko für die Stabilität der Gesamtwirtschaft und vom Rat begrüßte Zinsanstieg war es, der das Plat- des Finanzsystems dar.“ (EZB 2010: 95) zen der Immobilienblase auslöste. Im Jahresgut- achten 2007/2008 (SVR 2007: 92 ff.) werden die Richard Portes (Präsident des Centre treibenden Kräfte für die Finanzkrise ausführlich for Economic Policy Research): diskutiert, globale Ungleichgewichte tauchen da- Globale Ungleichgewichte waren die bei jedoch nicht auf. Insgesamt, so scheint es, hat Hauptursache der Finanzkrise der SVR die hohen globalen Ungleichgewichte eher als temporäres konjunkturelles denn als Portes (2009, 2010) argumentiert, dass die Leis- strukturelles Problem eingestuft und damit die tungsbilanzungleichgewichte die Hauptursache weltwirtschaftlichen Probleme unterschätzt. der Finanzkrise waren. Profi tgier, Anreizproble- me, mangelhafte Regulierung von Finanzmärk- Europäische Zentralbank: ten – all dies habe es schon häufi g in der Finanz- Globale Ungleichgewichte abbauen! geschichte gegeben, aber das Besondere der Fi- nanzkrise 2008/2009 sei die Kombination von Die Europäische Zentralbank (EZB 2010) betrach- massenhaften Kapitalzufl üssen der Überschuss- tet den seit Mitte der 1990er Jahre zu beobach- länder in die USA und auch nach Großbritannien tenden Aufbau von Leistungsbilanzungleichge- gewesen, deren Umwandlung in realwirtschaftli- wichten auf ein Rekordniveau bis kurz vor der che Investitionen durch das Finanzsystem nicht Finanzkrise kritisch. Die USA hätten das höchste gewährleistet werden konnte. Exzessive Liquidi- Leistungsbilanzdefi zit seit Ende des Zweiten Welt- tät fl oss in diese Finanzmärkte, wobei nicht nur kriegs verzeichnet. Die globalen Ungleichgewich- die Netto-, sondern auch die Bruttoströme zu be- te seien erste Anzeichen der Finanzkrise gewesen, trachten seien. Die schiere Größenordnung der und die Übersteigerungen nach 2005 nur die Nachfrage nach liquiden Anlageprodukten hätte Fortsetzung des Trends. Leistungsbilanzungleich- nicht nur zu sinkenden Zinsen, sondern auch zur gewichte seien gefährlich, wenn sie auf „Verzer- Suche nach höheren Erträgen, zur Unterbewer- rungen“ beruhen und zu untragbaren Positionen tung von Risiken angesichts der Leichtigkeit, mit der Defi zit- wie auch der Überschussländer füh- der Finanzierungsinstitute sich kurzfristig refi - ren. Abrupte und ungeordnete Anpassungen nanzieren konnten, geführt, ferner zu einem könnten die Funktionsfähigkeit der Weltwirt- exzessiven Verschuldungsgrad und riskanter Fris- schaft beeinträchtigen. Der Rückbau der Un- teninkongruenz. In den Jahren vor der Krise seien gleichgewichte 2009/10 sei jedoch vorwiegend die Vermögenspreisblasen erst langsam aufgebaut nur konjunktureller Natur. Da die zugrunde lie- worden, bevor sie nach 2004 extrem anschwol- genden strukturellen Verzerrungen nicht besei- len. Auch die europäischen Ungleichgewichte tigt seien, insbesondere der exportgetriebene seien Teil des globalen Trends zu Ungleichge- Wachstumstyp in vielen Schwellenländern und wichten in den Leistungsbilanzen. Portes weist die Unzulänglichkeiten der dortigen Finanzsys- damit die GSG-Hypothese ebenso wie die

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„Bretton Woods II“- und die „Global Asset höher die Ungleichgewichte ausfallen, desto grö- Shortage“-Thesen zurück. Es handele sich um ris- ßer die Wahrscheinlichkeit, dass sie schlechte – kante Ungleichgewichte, nicht um stabile Gleich- mitunter auch sehr schlechte – Ungleichgewichte gewichte. Er fordert daher entschlossene Maß- darstellen. nahmen, um das überbordende Wachstum der Fast alle Analysen konzentrieren sich auf die Währungsreserven einzudämmen, Begrenzungen Finanzströme, also auf die Kapitalbilanz, die zur der Fremdfi nanzierung bei Finanzinstitutionen, Erklärung der Defi zite bzw. Überschüsse in den die auch Auswirkungen auf Kapitalimporte hät- Leistungsbilanzen herangezogen wird. Dies ist ten, sowie die Kontrolle und Regulierung von ein erstaunlicher Unterschied zur Diskussion über Währungs-Mismatch in den Bilanzen. Der Abbau die europäischen Ungleichgewichte. Die schwa- von Ungleichgewichten sei jedoch in erster Linie che preisliche und technologische Wettbewerbs- keine Frage der Wechselkurse. fähigkeit einschließlich der zugrunde liegenden Portes weist zu Recht auf die komplizierte Tendenz zur De-Industrialisierung der USA wird Interaktion zwischen dem Finanzsystem der USA ebenso wenig thematisiert wie die Importschwä- und den Kapitalzufl üssen hin (ähnlich Priewe che der nicht industrialisierten OPEC-Staaten. 2010). Trotz der Größe der US-Finanzmärkte, ins- Wenn aber eine grundlegende Wettbewerbs- besondere auch der Anleihemärkte, haben die schwäche der Defi zitländer vorliegt, wird eine über Jahre hinweg kumulierten privaten und Korrektur der Ungleichgewichte ohne reale Ab- staatlichen Zufl üsse ein erhebliches Gewicht be- wertung der Währung kaum möglich sein. Ein kommen, das die Möglichkeiten der Finanzins- Teil der US-amerikanischen Kritiker Chinas ver- titutionen, neue und mehr Finanzprodukte anzu- tritt diese Position; freilich wird eine isolierte bieten und zu verkaufen, potenziert hat. Unter Abwertung des US-Dollars gegenüber der chine- welchen Bedingungen Leistungsbilanzungleich- sischen Währung kaum ausreichen. In der Folge gewichte unproblematisch oder wachstumsför- müsste also auch eine Abwertung gegenüber an- dernd sind, bleibt hier freilich offen. deren Schwellenländern und gegenüber jenen Währungen, die gegenüber dem US-Dollar fl oaten, Fazit insbesondere dem Euro, eintreten, wenn eine deutliche Korrektur der Ungleichgewichte er- Bei allen Meinungsunterschieden wird im Spek- reicht werden soll. trum der Bewertungen doch deutlich, dass Leis- Das US-Defi zit ist insofern ein Sonderfall, tungsbilanzungleichgewichte in der Größenord- weil es sich auf ein Land mit einem Alleinstel- nung von 6 Prozent des US-BIP verbunden mit lungsmerkmal bezieht. Denn es handelt sich ei- der Art und Weise der Verwendung der Nettozu- nerseits um ein Land mit der wichtigsten Reserve- fl üsse von den meisten Autoren als problematisch währung, das sich folglich in eigener Währung angesehen werden. Mit Ausnahme der „Saving verschulden kann, die von vielen anderen Län- Glut“-Hypothese folgen die meisten Autoren der dern als universelles Tauschmittel, Wertmaßstab Vorstellung, dass eine wechselseitige Verursa- und Wertaufbewahrungsmittel, also als Weltgeld chung durch die Überschuss- und Defi zitländer benutzt wird, an das sie sich mit festen oder halb- vorliegt. Viele Argumente sprechen dafür, dass festen Wechselkursen binden. Dadurch besteht die Episode der Ungleichgewichte der Jahre für den US-Dollar nur eine begrenzte Möglichkeit 1998 - 2008 mindestens zur Finanzkrise und zur der effektiven realen Abwertung. Andererseits anschließenden Weltrezession beigetragen hat, haben die USA eine weit höhere Stabilität ihrer wahrscheinlich sogar notwendige Voraussetzung Nettovermögensposition gegenüber dem Ausland für die Art, Stärke und den Verlauf der Krise war. als die meisten anderen Länder. Außerdem ge- Die meisten Beobachter betrachten die starken nießt diese Währung und das dahinter stehende Ungleichgewichte ab 2004 als „schlechte“ Un- Finanzsystem einen systemischen Vertrauensbo- gleichgewichte, teilweise auch die zeitlich davor nus; solange kein ernsthafter Reservewährungs- liegenden Ungleichgewichte. Es scheint, dass je konkurrent in Sicht ist, hat dieses Land eine fast

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monopolartige Position. Dieses große Privileg kam und eine Währungskrise ausblieb, vielmehr scheint weit höhere Leistungsbilanzdefi zite als in der Euro als potenziell konkurrierende Währung anderen Ländern zu ermöglichen, als gäbe es kei- eher an Vertrauen verloren hat, wurde die glo- ne ernsthaften Budgetrestriktionen. Dies bringt bale Dominanz des US-Dollars und damit des das Problem des „Moral Hazard“ mit sich, das zu Finanzplatzes USA noch gefestigt. Die viel zitierte leichtfertiger Verschuldung von Staat, Privathaus- Größe und Diversifi zierung der US-Finanzmärkte halten und Finanzsektor verführen kann. Obwohl sind also Folge der starken Nachfrage nach eben der US-Dollar seit Ende des Zweiten Weltkriegs dieser Weltwährung. die unangefochtene Reservewährung ist, gab es Wenn diese These zutrifft, dann war der US- nie zuvor Probleme der heutigen Art. Dollar-Standard (im Gegensatz zum früheren Die seit Beginn der 1990er Jahre durchge- Gold-Standard und dem Dollar-Gold-Standard des setzte Globalisierung des Handels und der Finanz- Bretton-Woods-Systems) des derzeitigen Weltwäh- märkte hat eine neue Form der Integration der rungssystems einer der entscheidenden Gründe für US-Wirtschaft in die Weltwirtschaft geschaffen, die globalen Ungleichgewichte und damit einer die zu neuen Problemen geführt hat. Man kann der tieferen Ursachen der Finanzkrise. Eine grund- dies als eine Variante des sog. Triffi n-Dilemmas legende Korrektur der Ungleichgewichte würde ansehen, jenes Problems, das durch die Doppel- in diesem Fall beim Währungssystem ansetzen funktion des US-Dollars als nationale Währung müssen, das einseitig auf den US-Dollar als glo- und als Weltgeld entsteht (vgl. Priewe 2010: 51 ff.). balen Geldstandard zugeschnitten ist. Diese Triffi n hatte bereits 1960 darauf hingewiesen, Sichtweise wird prononciert u. a. auch von Fred dass dadurch die Überlegenheit der US-Wirtschaft Bergsten (Direktor des Peterson Institute of Inter- untergraben wird, so dass das Bretton-Woods- national Economics) vertreten: „[The dollar’s] role System am Ende nicht überlebensfähig sei22. Die- as the dominant international currency has made it ser Grund für die Funktion der USA als Auffang- much easier for the United States to fi nance, and thus becken für die Finanzanlagen der Überschuss- run up, large trade and current account defi cits with länder in Zeiten globalisierter Finanzmärkte the rest of the world over the past 30 years. These bleibt in vielen Analysen zu wenig beachtet. Es huge infl ows of foreign capital, however, turned out to ist nicht einfach die Größe und der hohe Ent- be an important cause of the current economic crisis, wicklungsgrad der US-Finanzmärkte, die sie glo- because they contributed to the low interest rates, bal so attraktiv gemacht haben. Es wäre besser, excessive liquidity, and loose monetary policy that – wenn die Kapitalexporte der Überschussländer – in combination with lax fi nancial supervision – angenommen, sie werden nicht vermieden – auf brought on the overleveraging and underpricing of zahlreiche Defi zitländer verteilt werden könnten. risk that produced the meltdown.” (Bergsten 2009a) Es ist eben die attraktive Währung, die einzige Auch der Gouverneur der chinesischen Zentral- Weltwährung, die mehr Sicherheit und höhere bank, Xiaochuan Zhou, äußerte sich in einer Liquidität verspricht. Dies wird auch daran deut- viel beachteten Erklärung ähnlich, indem er, lich, dass selbst nach der Finanzkrise die Reser- sich auf Keynes beziehend, eine Loslösung des vewährung wie auch die US-Finanzmärkte an Weltwährungssystems vom US-Dollar mittels Attraktivität kaum verloren haben, sondern un- Schaffung von Sonderziehungsrechten forderte verändert als „sicherer Hafen“ gelten. Im Gegen- (Zhou 2009). teil, da es nicht zu einer Flucht aus dem US-Dollar

22 Triffi n (1960) argumentierte, dass die Funktion des US-Dollars als Weltgeld ein Leistungsbilanzdefi zit der USA erfordert, welches das Vertrauen in diese Währung unterminiert. Dies galt insbesondere angesichts des von den USA zugesicherten Umtausches von US-Dollar in Gold zum festen Kurs von 35 US-Dollar je Feinunze. Schon seit 1959 reichten die US-Goldreserven nicht mehr aus. Als die Vermutun- gen einer Überbewertung des US-Dollars im Laufe der 1960er Jahre zunahmen, verkündete Präsident Nixon 1971 das Ende der festen Goldbindung des US-Dollars, was zur Abwertung und dem Ende des Bretton-Woods-Systems 1973 führte.

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6. Europäische und US-amerikanische Ungleichgewichte – Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Lassen sich nun die Interpretationen jener Leis- rer Überschussländer kompensiert und fi elen tungsbilanzungleichgewichte, die sich auf die daher nicht ins Gewicht. Der Kern dieser Un- USA und die entsprechenden Überschussländer gleichgewichte lag, wie oben dargestellt, in der beziehen, ohne weiteres auf die europäischen überlegenen deutschen Wettbewerbsfähigkeit, Ungleichgewichte übertragen? Es gibt auf den wesentlich forciert durch die anhaltende Lohn- ersten Blick erhebliche Unterschiede (vgl. zur zurückhaltung Deutschlands und zu starke Analyse der europäischen Ungleichgewichte auch Lohnsteigerungen in den GIIPS-Ländern. Dullien 2010, Joebges u.a. 2010, zum Vergleich – Nur im Fall Griechenlands lag eindeutig ein zu der europäischen und USA-bezogenen Ungleich- hohes Budgetdefi zit vor, bei den anderen Defi - gewichte Winkler 2010): zitländern dominieren private Finanzierungs- – Die USA sind, wie erwähnt, das zentrale Reser- defi zite, im Gegensatz zu den USA. Hauspreis- vewährungsland; die Zufl üsse an Währungsre- blasen spielten vor allem in Spanien und Irland serven im Euro-Raum hielten sich dagegen in eine Rolle, abgesehen von einer ganzen Reihe Grenzen. Die Finanzmärkte im Euro-Raum von osteuropäischen Beitrittsländern zur EU, sind nicht auf die Funktion, Anlagen für Wäh- nicht jedoch in anderen Ländern. Direktinves- rungsreserven zu bieten, vorbereitet. Sie gelten titionen von Banken und Unternehmen aus als zu zersplittert und segmentiert, Risiken bei den Überschussländern waren wichtige Treiber Staatsanleihen sind angesichts der Vielzahl der der Defi zite. Mitgliedsländer nicht so gut einschätzbar. – Die Ungleichgewichte haben eine wesentliche – Die Kapitalzufl üsse in die USA erfolgten zu Ursache in der Konstruktion der Euro-Zone, in einem großen Teil von den ärmeren Schwel- der einheitliche Geldmarktzinsen existieren lenländern in die hoch entwickelten Vereinig- und in der man im europäischen Binnenmarkt ten Staaten („uphill“), während in Europa die auch an einheitliche Kapitalmarktzinsen glaub- Kapitalexporteure die hoch entwickelten Län- te, ohne dass wasserdichte Vorkehrungen ge- der waren, die in die süd- und osteuropäischen, gen exzessive Budget- und/oder Leistungsbi- eher peripheren Länder investierten. Kapital lanzdefi zite getroffen wurden. Insofern galt die fl oss hier also „bergab“. Europäische Währungsunion als Einladung, – Die Defi zite in den osteuropäischen und auch Budgetrestriktionen bei den Leistungsbilanzen in den sog. GIIPS-Ländern waren – bezogen auf zu lockern. Dies ist zwar ähnlich wie in den das BIP – in den meisten Fällen viel größer als USA, aber die Gründe dafür sind vollkommen in den USA. Die Überschüsse der Überschuss- unterschiedlich. Auch wurden keinerlei Vor- länder konzentrierten sich in Europa größten- kehrungen gegen zu hohe Leistungsbilanz- teils auf Deutschland, in der Euro-Zone zu fast überschüsse und eine divergente Entwicklung 80 Prozent (2008), in der EU zu 70 Prozent und der Wettbewerbsfähigkeit getroffen, bedingt in der EU-27 plus Schweiz und Norwegen zu durch einen Mangel an gemeinschaftlicher etwa 55 Prozent (berechnet nach OECD 2010). Wirtschaftspolitik. Die Defi zite der Euro-Zone gegenüber asiati- – Aus drei weiteren Gründen könnten die Un- schen Schwellenländern wurden durch die gleichgewichte in der Euro-Zone als weniger Überschüsse Deutschlands und einiger kleine- dramatisch als das Defi zit der USA gegenüber

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seinen Gläubigerländern angesehen werden. ebenso von der aggressiven chinesischen Ex- Erstens: Da die Leistungsbilanzdefi zite in der portstrategie. Ohne die Unterbewertungsstrategie Euro-Zone zu einem größeren Anteil über aus- der europäischen Überschussländer wäre die Euro- ländische Direktinvestitionen fi nanziert wer- Zone genauso wie die USA in ein Leistungsbilanz- den, liegen Schuldner- und Gläubigerrisiko im defi zit gedrückt worden. Europa ist der wichtigste gleichen Unternehmen oder in der gleichen Handelspartner Chinas. Die niedrigen Zinsen ha- Bank. Das mindert das Risiko des Defi zitlandes. ben wie in den USA dazu verleitet, Hauspreisbla- Zweitens: Die Kapitalströme erfolgten als Ge- sen aufzubauen, wenn auch nur in einigen weni- genbuchung zur Leistungsbilanz in gemeinsa- gen Ländern. Wie in den USA haben die Über- mer Währung. Teilweise werden sie durch schüsse – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Geldschöpfung durch das Europäische System nicht dazu geführt, dass die Investitionsquoten der Zentralbanken fi nanziert, denn die Geld- in den Defi zitländern anstiegen, abgesehen von schöpfung ist in der Euro-Zone seitens der EZB den Wohnungsbauten in einigen Ländern. So nicht regionalisiert. Bei höherem Wirtschafts- gesehen waren es auch in Europa „schlechte“ wachstum in den meisten Defi zitländern mit Defi zite. Hier liegen die Gemeinsamkeiten zwi- höherem Wachstum der Kreditschöpfung schen den innereuropäischen und den mit den könnte auch mehr Geld in den Defi zitländern USA verbundenen Ungleichgewichten. entstehen, das zur Bezahlung von Importen Auf den ersten Blick scheint es so zu sein, als verwendet werden könnte, ohne dass es zu wäre das europäische Ungleichgewicht kein glo- einer direkten Schuldner-Gläubiger-Beziehung bales, sondern lediglich ein regionales Ungleich- zwischen Defi zit- und Überschussland kommt, gewicht, da die konsolidierten Leistungsbilanzen denn beide Ländergruppen haben ein gemein- Europas, der EU sowie der Euro-Zone relativ aus- sames Zentralbankensystem. Bei den Kapital- geglichen sind. Allerdings ist dieser Eindruck ein strömen innerhalb einer Währungsunion ver- statistisches Artefakt, denn etwa zehn europä- schwimmen die Ländergrenzen immer mehr. ischen Überschussländern (acht in der EU sowie Diese Zusammenhänge sind jedoch bislang Norwegen und die Schweiz) stehen etwa 23 De- wenig erforscht. Drittens: Eine zu hohe Ver- fi zitländer (19 innerhalb der EU-27 plus Island, schuldung von Privaten oder Staaten im Aus- Ukraine, Weißrussland und Moldawien23), teil- land ist in einer Währungsunion einer hohen weise mit sehr hohen Defi ziten, gegenüber. Jedes Inlandsverschuldung viel ähnlicher als bei ei- einzelne der Überschuss- und Defi zitländer ist in ner Auslandsverschuldung in Fremdwährung. den globalen Güterhandel eingebunden und hat Die Unterschiede sind, dass in einer Währungs- mit nicht-europäischen Ländern in der Regel union das Wechselkursrisiko entfällt, das Län- ebenfalls Überschüsse bzw. Defi zite, die sich nur derrisiko schwerer ermittelbar ist, der Schul- in der Summe annähernd ausgleichen. Das Bild dendienst bei Inlandsverschuldung im Wirt- ändert sich auch nicht, wenn man auf die Euro- schaftskreislauf des eigenen Landes verbleibt Zone fokussiert. Beispielsweise erwirtschaftet und die Steuerzahler der nationalen Steuerho- Deutschland die Hälfte seines Leistungsbilanz- heit unterliegen. Wie gewichtig diese Unter- überschusses (2008) mit Nicht-Euro-Ländern – schiede sind, muss hier offen bleiben. China ist z. B. 2010 das wichtigste deutsche Im- Gleichwohl gibt es zahlreiche Ähnlichkeiten zwi- portland und das zweitwichtigste Exportland schen den US-amerikanischen und den europäi- geworden. Zwar ist der Handel innerhalb der schen Ungleichgewichten. Die Länder Europas Euro-Zone und der EU besonders intensiv, aber wurden von den Ölpreis- und Rohstoffpreis- der interkontinentale Handel, insbesondere mit Booms genauso wie die USA negativ getroffen, Asien, nimmt zu. Wie erwähnt, ohne die Export-

23 Die Balkan-Länder, Russland und die Türkei werden hier der Einfachheit halber ausgeklammert.

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stärke Deutschlands und der anderen Überschuss- wenn die Euro-Zone bzw. die EU eine wirt- länder hätten die Euro-Zone und die EU insgesamt schaftspolitische Einheit wie eine große Volks- ein massives und rasch ansteigendes Defi zit mit wirtschaft wäre, wären die internen Ungleich- China in einer mit den USA vergleichbaren Di- gewichte irrelevant. mension. Etwa ein Achtel des US-Handelsdefi zits – Europa ist „globalisiert“: Die starke Weltkon- entfällt auf Europa, ein größerer Anteil auf die junktur der Jahre 1998 - 2008 mit – neben eini- europäischen Überschussländer. Über die geo- gen anderen Schwellenländern – den USA und grafi sche Struktur der Kapitalströme ist wenig China als Wachstumslokomotiven war Voraus- bekannt, sie stimmt keineswegs mit der der Gü- setzung der Überschüsse und Defi zite in Euro- terströme überein; folglich sind grenzüberschrei- pa. Dies war auch der Grund dafür, dass der tende Kapitalströme in Europa nicht notwen- Zusammenbruch der Konjunktur in den USA digerweise rein innereuropäisch. im Jahr 2009 sofort zu einer schweren Rezes- Würde man die europäischen Ungleichge- sion in Europa mit massiven Folgen für die wichte als lediglich „regional“ ansehen, dann Defi zitländer und auch für die exportlastigen dürfte man auch die mit den USA verbundenen Überschussländer führte. Noch stärker als der Ungleichgewichte nicht als wirklich global klas- Handel sind die Kapitalmärkte globalisiert. Die sifi zieren. Denn Europa ist einerseits relativ we- Euro-Zone hat nur eine eingeschränkte Zins- nig am US-Defi zit beteiligt, andererseits sind es Autonomie. Finanzkrisen sind transkontinen- vor allem China und die OPEC-Länder, die das tal. Zur Globalisierung der Finanzmärkte ge- starke Anschwellen der US-Defi zite verursacht hört auch, dass der Wechselkurs des Euro ge- haben. genüber dem US-Dollar auch von dem des Insgesamt sollten die europäischen Ungleich- Renminbi gegenüber dem US-Dollar abhängt. gewichte aus den folgenden vier Gründen als Beispielsweise wurde mit der etwa 20-prozen- wichtiger und kritischer Teil der globalen Un- tigen Aufwertung des Renminbi zum US-Dollar gleichgewichte angesehen werden: der Euro gegenüber dem Renminbi ebenfalls – Verzerrte Wechselkurse und Handelsströme: Der um knapp 20 Prozent von Mitte 2005 bis 2008 Außenwert des Euro ist – gemessen am Ziel aufgewertet, ein gravierendes Problem insbe- außenwirtschaftlicher Gleichgewichte – für die sondere für die Defi zitländer in der EU. Überschussländer der Euro-Zone zu niedrig, – Auswirkungen der „Euro-Krise“ auf die globale für die Defi zitländer zu hoch. Die europäischen Wirtschaft: Die innereuropäischen Ungleich- Defi zitländer sind auch gegenüber Nicht-EU- gewichte und die daraus resultierenden Ver- Ländern im Defi zit. Dies verzerrt den Handel schuldungsprobleme haben globale Auswir- mit Ländern außerhalb der Euro-Zone. Da sich kungen. Die Euro-Zone bremst beispielsweise viele Länder der EU-27, die den Euro noch 2010 und 2011 das Wachstum der Weltwirt- nicht eingeführt haben, mit ihrem Wechsel- schaft. Kommt es zu schwerwiegenden Insol- kurs am Euro orientieren, leiden auch sie viel- venzkrisen in Griechenland, Irland oder an- fach an einer Überbewertung ihrer Währung. deren Mitgliedsländern, ist mit einem sinken- Dies trägt massiv zu den Handelsverzerrungen den Außenwert des Euro zu rechnen, während in der Weltwirtschaft bei. Hinzu kommt, dass der US-Dollar steigt; zudem besteht die Gefahr das EU-Defi zit gegenüber China in rasantem der Ansteckung anderer Defi zitländer. Spekula- Tempo wächst, womit die europäischen De- tionen über das mögliche Auseinanderbrechen fi zitländer stärker zu kämpfen haben als die der Europäischen Währungsunion haben mit Überschussländer. Mithin betrifft Chinas großer Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Überschuss ebenso wie der der Öl fördernden globale Auswirkungen auf andere Defi zitländer Länder Europa ähnlich wie die USA, er wird sowie auf andere Ansätze monetärer Koopera- nur durch die Unterbewertung der europä- tion in verschiedenen Regionen der Welt. ischen Überschussländer kompensiert. Nur

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– Euro als zweite Reservewährung: Seit Einführung mindert. Für die Weltwirtschaft wäre es besser, der europäischen Gemeinschaftswährung ist wenn die beiden zentralen Reservewährungs- der Euro zur zweiten Reservewährung neben räume, also die USA und die Europäische Wäh- dem US-Dollar avanciert. Eigentlich sollte dies rungsunion, moderate Leistungsbilanzdefi zite den US-Dollar als Anlagewährung für Wäh- haben. Dies wird durch die unterbewerteten rungsreserven entlasten und damit das US-De- europäischen Überschussländer verhindert. fi zit mindern. Der Gegensatz zwischen dem Für Euroland würde dies neue Möglichkeiten, US-Dollar als Weltgeld und nationales Geld aber auch neue Pfl ichten schaffen. würde entspannt, das sog. Triffi n-Dilemma ge-

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7. Korrekturen gefährlicher Ungleichgewichte

Wie in Abschnitt 2.5 erwähnt, können durch wirkt diese erst verzögert wachstumssteigernd Marktkräfte Korrekturen in den Leistungs- und (sofern die in Abschnitt 2 erläuterte Marshall- Kapitalbilanzen von Volkswirtschaften mit eige- Lerner-Bedingung gewährleistet ist). Die Über- nen Währungen eintreten. Meist kommen diese schussländer zögern meistens, ihrerseits aktiv zu nach Übersteigerungen der Ungleichgewichte je- werden, weil sie Einbußen bei Wachstum und doch zu spät und krisenhaft. Die Marktkorrektur Beschäftigung fürchten. Dem muss aber nicht so von Leistungsbilanzungleichgewichten geht vor- sein. Autoren des IWF haben Korrekturen von rangig von den Defi zitländern aus, abgesehen Leistungsbilanzüberschüssen in 28 Ländern im vom Reservewährungsland, erfolgt also asymme- Zeitraum 1960 - 2010 untersucht (IMF 2010 b). trisch, und schadet bei starken Rückwirkungen Aus einer Stichprobe von 50 Ländern haben sie auch den Überschussländern (wenn es sich um 28 „politikinduzierte“ Korrekturepisoden genau- eine relevante Menge an stark überschuldeten er analysiert, in denen die Leistungsbilanzüber- Defi zitländern handelt). Derartige Korrekturen schüsse um mindestens zwei Prozentpunkte dau- wirken also wachstumsmindernd, bei Defi zit- erhaft gesenkt wurden. „Politikinduzierte Korrek- und auch Überschussländern. Schwere Wäh- tur“ wurde defi niert als mindestens 10-prozentige rungs- und Finanzkrisen verursachen über Jahre nominale Aufwertung innerhalb von drei Jahren, hinweg hohe Kosten, wie das Beispiel der Asien- unterstützt von Makropolitik und Strukturre- krise zeigt. Die Korrektur von Ungleichgewichten formen. Untersucht wurden Episoden in 13 In- in einer Währungsunion ohne Wechselkursan- dustrie- sowie 15 Schwellen- bzw. Entwicklungs- passung ist besonders schmerzhaft, da sie relative ländern. Das Resultat fassen die Autoren wie folgt Lohnsenkungen erfordert. Da die Geld-, Fiskal- zusammen: und Wechselkurspolitik involviert ist und hohe – Im Durchschnitt der 28 Fälle sank der Über- volkswirtschaftliche Kosten drohen, dürfte eine schuss um 5,1 Prozentpunkte (relativ zum BIP). reine Marktkorrektur nur bei moderaten Un- Nach der Korrektur blieb der Leistungsbilanz- gleichgewichten realistisch sein. Entscheidend ist saldo nahe Null. also, was die Geld-, Währungs- und Fiskalpolitik – Die Importe stiegen stark, die Exporte blieben tun kann, um Korrekturen einzuleiten und schäd- mehr oder minder konstant. liche Wirkungen abzufedern. – Die Korrekturen wurden von einer starken Zu- nahme des privaten Konsums (bzw. Abnahme Erfahrungen mit der wirtschaftspolitischen des Sparens) und der Investitionen begleitet, Korrektur von Leistungsbilanzüberschüssen die den Korrekturprozess im Durchschnitt der Stichprobe von untersuchten Ländern wachs- Bei der Korrektur von Leistungsbilanzungleich- tumsneutral werden ließ. In mehr als der gewichten haben die Defi zitländer zweifellos die Hälfte der Fälle erfolgte eine deutliche nomi- größeren Probleme. Sie sind einerseits zum nale und reale Aufwertung von 9,2 Prozent „Extremsparen“ gezwungen, um Budgetdefi zite bzw. 10,5 Prozent. Eine überschießende Auf- zu senken und durch geringeres Wachstum und wertung wurde nicht beobachtet. damit geringere Importe die Handelsbilanzdefi - – Dass der Abbau der Überschüsse im Durch- zite zu mindern; falls andererseits eine reale Ab- schnitt wachstumsneutral verlief, wird teil- wertung erfolgreich bewerkstelligt werden kann, weise durch expansive Fiskal- und Geldpolitik

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erklärt. In den meisten Fällen nahm das Korea gut 6 Prozent, während Taiwan 1985 - 1987 Wachstum der nicht-handelbaren Güter deut- einen Leistungsbilanzüberschuss von 18 Prozent lich zu, insbesondere des Dienstleistungssek- des BIP erreichte. Die Unterbewertung der Wäh- tors. rungen wurde in der Studie auf 20 - 35 Prozent je – Eine genauere Betrachtung zeigt, dass in etwa nach Land geschätzt. In den meisten Fällen hat- der Hälfte der Länder die Wachstumsrate ge- ten die Länder ihren Wechselkurs zuvor an den genüber den drei vorangegangenen Jahren US-Dollar gebunden und für die Korrektur der deutlich absackte, in der anderen Hälfte teil- Leistungsbilanzungleichgewichte dann freigege- weise kräftig stieg. Im Durchschnitt der Länder ben. Während in Deutschland die reale Aufwer- stieg die Beschäftigung leicht an. tung bis Mitte der 1970er Jahre bei etwa 12 Pro- – Die Unterschiede in der Wachstumsperfor- zent lag, wertete Japan nach dem Plaza-Akkord mance nach Abbau der Überschüsse werden um 54 Prozent bzw. 40 Prozent nominal respek- seitens der Autoren der Studie auf folgende tive real auf. In Taiwan lagen die Aufwertungs- Faktoren zurückgeführt: besonders hohes sätze bei 57 Prozent nominal bzw. 21 Prozent Wachstum vor der Korrektur wirkte positiv; be- real. Es waren also offensichtlich regelrechte Auf- sonders hohe Überschüsse und überdurch- wertungsschocks. Während in Deutschland die schnittlich starke Aufwertung führten zu stär- Geld- und Fiskalpolitik nur leicht gegenüber der keren Wachstumseinbußen; ein günstiges Vorperiode gelockert wurde, wurde in Japan in allgemeines wirtschaftliches Umfeld in der beiden Episoden stark expansiv reagiert, eher Region oder der Weltwirtschaft förderte das restriktiv oder teilweise neutral in Korea und Wachstum; Strukturreformen, die dazu führ- Taiwan. In Deutschland stiegen die Löhne und ten, dass Länder in der „Qualitätsleiter“ der Ex- der Konsum, das Wachstum wurde nur minimal porte aufstiegen, stimulierten das Wachstum. beeinträchtigt, allerdings stieg die Infl ation, ver- Die Studie untersucht darüber hinaus fünf Epi- stärkt infolge der Ölpreisexplosion im Jahr 1973, soden starker, erfolgreicher Korrekturen hoher ebenso wie in Japan. Japan fi el in den Jahren Leistungsbilanzüberschüsse unter der Bedingung, 1973 - 1975 in eine heftige Rezession, und auch dass vor der Korrektur kräftiges Wachstum vor- nach dem Plaza-Akkord fi el das Wachstum um herrschte. Dabei werden Deutschland und Japan 2,5 Prozentpunkte, um dann allerdings infolge zu Beginn der 1970er Jahre analysiert, als sich der extrem expansiven Geldpolitik – die zu einem das Ende des Bretton-Woods-Systems abzeichne- wesentlichen Teil die nachfolgende Vermögens- te, ferner Japan Mitte der 1980er Jahre nach dem preisinfl ation verursachte – wieder anzusteigen. Plaza-Akkord sowie Korea und Taiwan in den In Taiwan und Korea sank nach den Aufwer- späten 1980er Jahren. Dringender Handlungsbe- tungen ebenfalls die Wachstumsrate leicht, aber darf war in allen fünf Fällen gegeben, weil es eine nur vorübergehend. starke Aufwertungsspekulation mit Kapitalzu- Auch wenn die Untersuchung des IWF nicht fl üssen gab, die das Geldmengenwachstum auf- alle Fragen beantwortet, kann doch geschlussfol- blähten, Infl ationsgefahren signalisierten und gert werden, dass selbst heftige Aufwertungs- zudem handelspolitische Konfl ikte entstanden schocks nur zu moderaten und vorübergehenden waren; z. B. hatte Präsident Nixon 1971 eine 10- Negativeffekten auf das Wachstum führten, wenn prozentige Importsteuer erhoben, um die Han- sie mit geeigneter Makropolitik kombiniert wur- delspartner zur Aufwertung zu drängen (sog. den. Der Königsweg ist natürlich, Unterbewer- „Nixon-Schock“), was im Falle Japans dann tungen und entsprechende Leistungsbilanzüber- 1973 geschah. schüsse von vornherein zu vermeiden. Während Die Überschüsse in den Leistungsbilanzen der Zeit des Bretton-Woods-Systems war dies von Deutschland und Japan zu Beginn der 1970er weitgehend gelungen. Für die Korrektur von Leis- Jahre waren zwar mit etwa 2 Prozent des BIP nicht tungsbilanzungleichgewichten innerhalb einer sehr hoch, aber global bedeutsam; 1988 hatte Währungsunion gibt es hingegen kaum Erfah- Japan einen Überschuss von etwa 4 Prozent, rungen.

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„Keynes-Plan“ zur Korrektur von metrische Korrektur von Ungleichgewichten mit Leistungsbilanzungleichgewichten starker Beteiligung der Überschussländer errei- chen. Keynes entwickelte für die Nachkriegszeit im Er schlug eine „International Clearing Union“ Rahmen der Verhandlungen um die Schaffung (ICU) vor, eine Art Weltzentralbank24, die über eines Nachkriegs-Weltwährungssystems den sog. eine neu geschaffene Währung, den sog. Keynes-Plan (Keynes 1980; siehe auch Skidelsky „Bancor“, verfügen sollte; letztere wird in seinem 2003: 674 ff.). Der Plan, entwickelt 1941 - 1944, Vorschlag nur im Verkehr zwischen der ICU und beruhte auf Keynes’ Erwartung, dass es nach dem den nationalen Zentralbanken als Verrechnungs- Zweiten Weltkrieg ähnlich wie nach dem Ersten währung verwendet. Alle nationalen Währungen Weltkrieg massive Leistungsbilanzungleichge- sollten zu einem festen, aber anpassungsfähigen wichte zwischen den westlichen Ländern geben Wechselkurs an den Bancor angebunden werden; wird. Traditionell wurde die Anpassungslast den der Bancor wiederum stünde in fester Relation Defi zit- bzw. Schuldnerländern aufgebürdet, wie zum Gold, jedoch würde kein Anspruch beste- es mit Deutschland im Zuge des Versailler Ver- hen, Bancor stets in Gold einlösen zu können. trags passierte, während es den Überschusslän- Längerfristig wollte Keynes den Bancor vom Gold dern frei stand, ob sie sich an der Lösung der sogar ablösen. Die Mitgliedsländer des Systems Probleme beteiligen. Diese Konstellation wirkt sollten bestimmte handelsabhängige Quoten in defl ationär, weil die Defi zitländer vermehrt spa- die ICU einzahlen, die in Bancor denominiert ren müssen, um Schuldendienst und Tilgung auf- sind. Bis zu einem festgelegten Limit könnten bringen zu können, welche den Gläubigern zu- dann Mitgliedsländer andere Währungen kaufen fl ießen. Die von Keynes fokussierte Schuldner- oder verkaufen. Überschüsse eines Landes sollten Gläubiger-Beziehung behindert also den inter- so Defi zitländern günstig zur Verfügung gestellt nationalen Handel und schwächt das Wachstum werden, da privatwirtschaftliche grenzüber- der Weltwirtschaft. Keynes ging auch davon aus, schreitende Kapitalmobilität damals kaum exis- dass die Defi zitländer im Verhältnis zu dem oder tierte; Kapitalverkehrskontrollen waren – beson- den Überschussländern eher klein und in einer ders während des Krieges – weit verbreitet. Für schwachen Verhandlungsposition sind. Nach der Keynes waren Kapitalverkehrskontrollen eine deutschen Hyperinfl ation wurde das Problem notwendige Voraussetzung für feste Wechselkur- notdürftig durch den Dawes-Plan (1924) gelöst, se und diese wiederum Voraussetzung für freien der dem Deutschen Reich vorwiegend privatwirt- Güterhandel. Bei anhaltenden Ungleichgewich- schaftliche Kredite gewährte, um die Reparatio- ten durfte bzw. sollte eine Verpfl ichtung der Teil- nen zu bezahlen und die Wirtschaft wieder auf- nehmerländer bestehen, die eigene Währung auf- zubauen. Die Kredite wurden nie zurückgezahlt, bzw. abzuwerten. Überschussländer sollten zu- ermöglichten Deutschland aber die sog. „golde- dem verpfl ichtet werden können, mit ihren Über- nen 20er Jahre“. Während der Weltwirtschafts- schüssen Direktinvestitionen in Defi zitländern krise kam es dann zu Kapitalfl ucht in Überschuss- zu tätigen. Verbleibende exzessive Überschüsse länder und zum Horten von Überschüssen, was sollten notfalls am Ende eines Jahres konfi sziert den Mangel an globaler effektiver Nachfrage ver- und einem Reservefonds zugeführt werden. Die stärkte. Nach dem Zweiten Weltkrieg sollte daher Defi zitländer sollten Gold an die ICU verkaufen eine bessere Lösung gefunden werden, zumal die und Kapitalexporte verbieten. Bei exzessiven USA das entscheidende Überschussland waren, Defi ziten sollten ihnen höhere Zinsen für aus- bei dem Großbritannien und Frankreich hoch ländische Kredite abverlangt werden. Am Ende verschuldet waren. Keynes wollte also eine sym- eines jeden Jahres sollten dann Überschüsse und

14 Jedoch ohne Fähigkeit zur Geldschöpfung.

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Defi zite stets ausgeglichen sein, so dass die Über- anderen Mitgliedsländern tätigen; c) Entwick- schüsse tatsächlich realwirtschaftlich – nämlich lungshilfe analog zum Marshall-Plan der USA nur für Importe oder Direktinvestitionen – ver- von 1947 gewähren. Gegen Überschussländer wendet werden und so die weltweite Nachfrage können Sanktionen eingesetzt werden, wenn sie stützen würden. den Regeln nicht in einem bestimmten Zeitrah- Bekanntlich wurde Keynes Vorschlag von men folgen, und zwar in Form einer 100-pro- den USA abgelehnt und stattdessen das Bretton- zentigen Besteuerung der Überschüsse, was Woods-System etabliert. Statt des Bancor wurde Keynes Vorschlag der Konfi szierung der Über- der US-Dollar mit fester Goldbindung als Reser- schüsse gleichkommt. Defi zitländer können auch vewährung eingeführt. Zwar gab es Konsens für Kapitalexportkontrollen einrichten. feste, anpassungsfähige Wechselkurse, jedoch Dieser Vorschlag beinhaltet keine Weltzen- wurde Keynes entscheidender Punkt, die Über- tralbank und keine globale Verrechnungswäh- schussländer zur Lösung von Ungleichgewichten rung. Er erfordert, so Davidson, auch kein Fest- zu verpfl ichten, nicht realisiert. Stattdessen wur- kurssystem. Aber er folgt der Kernidee von Keynes, den der Internationale Währungsfonds und die wie Davidson sie sieht. Die zugrunde liegende Weltbank gegründet, die den Defi zitländern implizite Gleichgewichtsvorstellung ist, dass fi nanziellen Beistand zur Lösung von Währungs- Leistungsbilanzen bis auf jene Defi zite, die durch anpassungen sowie zur Förderung des Struktur- ausländische Direktinvestitionen oder Entwick- wandels geben sollten. lungshilfe25 fi nanziert werden, im Gleichgewicht Keynes Grundidee wird besser verständlich, sein sollten. Auch wenn Davidson reale Aufwer- wenn man sie in einer aktualisierten Form von tungen eines Überschusslandes nicht explizit er- Paul Davidson (2009: 134 -142) betrachtet, der wähnt, dürften sie die wichtigste Anpassungs- sie auf die Situation nach der aktuellen Finanz- form für Überschussländer darstellen. Unklar krise bezieht. Davidson schlägt eine „Interna- bleibt, wie Aufwertungen bei einem fl exiblen tional Monetary Clearing Union“ (IMCU) vor, Wechselkurssystem realisiert werden können. über die der gesamte grenzüberschreitende Zahlungsverkehr für Güter oder Finanzprodukte UNCTAD und die „Stiglitz-Kommission“ der global abgewickelt werden soll. Hier würden – wie Vereinten Nationen in einem nationalen Zahlungssystem – alle Zah- lungsvorgänge mit „Credits“ und „Debits“ ver- Die United Nations Conference on Trade and bucht und Salden ausgeglichen. Das System soll Development (UNCTAD 2009) hat auch eine Rei- nicht nur helfen, Steuervermeidung, Kapital- he von Vorschlägen entwickelt, die an Keynes fl ucht, Geldwäsche und Ähnliches zu überwa- Ideen anknüpfen, wie man mit Leistungsbilanz- chen, sondern es soll vor allem Sparen in Form ungleichgewichten und mit den damit verbunde- von Währungsreserven vermindern bzw. in effek- nen Krisen besser umgehen könnte. UNCTADs tive Nachfrage verwandeln und Liquiditätseng- Vorschläge beziehen sich stark auf die Interessen pässe in Defi zitländern vermeiden. Für Über- der Schwellen- und Entwicklungsländer. Sie sind schussländer soll es einen automatisch wirkenden in Teilen denen der sog. Stiglitz-Kommission Mechanismus geben, der sie zur Korrektur ihrer (UNPGA 2009) ähnlich, die vom Präsidenten der Überschusspositionen zwingt: Gibt es defi nierte Generalversammlung der Vereinten Nationen un- „exzessive Überschüsse“, müssen die Überschuss- ter Leitung des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz länder diese in drei verschiedenen Formen ver- eingerichtet wurde. Ein Großteil der Probleme wenden: a) Güter oder Dienstleistungen eines von Schwellenländern resultiert demnach aus Defi zitlandes kaufen; b) Auslandsinvestitionen in starken Zufl üssen von kurzfristigem Kapital aus

25 Entwicklungshilfe in Form von Transfers („Geschenke“) wird in der Leistungsbilanz verbucht, in Form von zinsgünstigen Darlehen in der Kapitalbilanz.

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entwickelten Ländern, häufi g angezogen von die Entstehung von Leistungsbilanzungleichge- hohen nominalen Zinsen, die zur Bekämpfung wichten vermeidet, ist unwahrscheinlich. Aber von Infl ation notwendig sind. Die Zuströme kön- sie könnte dazu beitragen. nen entweder zu starker Aufwertung und damit Eine Reihe von Schwellenländern hat denn zu Leistungsbilanzdefi ziten führen, bei festen auch nationale Kapitalverkehrskontrollen auf Wechselkursen auch zu stark steigenden Wäh- Kapitalzu- und/oder -abfl üsse eingeführt. Am rungsreserven und Geldschöpfung in nationaler prominentesten sind die strengen Kontrollen Währung, da eine infl ationsneutrale Sterilisie- Chinas, die mit Ausnahme ausländischer Direkt- rung nicht einfach zu realisieren ist. Starkes investitionen nur in kontrolliertem Maße grenz- Anwachsen von nationalen Währungsreserven überschreitende Kapitaltransaktionen gestatten. gilt als teure Versicherung gegen Währungs- Dadurch kann sich China in begrenztem Maße schocks. Mit zunehmender fi nanzieller Globa- einen Handlungsspielraum für eine eigenstän- lisierung nehmen die außenwirtschaftlichen Risi- dige Geldpolitik sichern und den Wechselkurs ken von Entwicklungs- und Schwellenländern stabil halten oder kontrollieren (vgl. Priewe/Herr zu. Sie resultieren in erster Linie aus der Abwesen- 2005, 198 ff.; David 2008). Allerdings nutzt Chi- heit eines internationalen Regelwerks, das Leis- na diese Möglichkeiten seit etwa dem Jahr 2000 tungsbilanzungleichgewichte präventiv verhin- auch zur Steigerung der Leistungsbilanzüber- dert oder wenigstens deren Abbau moderiert. schüsse und damit der Währungsreserven. In Internationale Finanzmärkte haben demnach Brasilien und Korea wurden nach der Finanzkrise nicht nur eine disziplinierende Funktion, son- Steuern auf exzessive Kapitalzufl üsse erhoben, die dern auch eine Wechselkurse und außenwirt- den Wechselkurs aufwerten und eine Schiefl age schaftliche Gleichgewichte verzerrende Wirkung, der Leistungsbilanz bewirken können. Nach lan- die zu massiven Fehlentwicklungen führen kann. gen Jahren der Ablehnung hat auch der IWF mo- Soweit die Problemdiagnose von UNCTAD. Vor- derate Kapitalverkehrskontrollen für bestimmte geschlagen werden die folgenden Lösungsansät- Länder empfohlen (Ostry et al. 2010). Mit Kapi- ze, die allerdings nicht im Detail ausgearbeitet talzufl usskontrollen könne zwar keine geordnete sind: Abwertung eines Defi zitlandes gesichert, aber – Einführung einer internationalen Finanztrans- eine weitere Aufwertung verhindert werden. aktionssteuer (Tobin-Steuer); UNCTAD schlägt antizyklische Kapitalkontrollen – Etablierung nationaler Kapitalverkehrskon- vor, da die Kapitalzufl üsse besonders in Boom- trollen; phasen schädliche Auswirkungen haben können – Setzen von Regeln zum besseren Umgang mit (Aufwertung, Infl ation, Vermögenspreisblasen). Finanzkrisen; Unter OECD-Ländern sind jedoch bislang Ka- – Ausbau des Systems der Sonderziehungsrechte pitalverkehrskontrollen tabu. Sie werden als ord- (SZR) analog den Ideen der Stiglitz-Kommis- nungspolitisch unzulässiger Eingriff in die freien sion; Kapitalmärkte angesehen. Könnten sie allerdings – Etablierung von Regeln für ein neues Welt- effektiv eingesetzt werden, könnten sie erheblich währungssystem. zur Reduktion von Leistungsbilanzungleichge- Eine Tobin-Steuer – ursprünglich von Keynes vor- wichten beitragen. Innerhalb der EU verstoßen geschlagen, später vom Nobelpreisträger James sie jedoch gegen das Leitbild des gemeinsamen Tobin aufgegriffen – auf grenzüberschreitende Binnenmarktes für Güter, Dienstleistungen, Ka- Finanztransaktionen könnte demnach kurzfris- pital und Arbeit. tige spekulative Finanzströme eindämmen und Wenn Finanz- oder Zahlungsbilanzkrisen damit auch sich kumulierende Wechselkursän- eingetreten sind, können zudem auch Regeln derungen dämpfen. Voraussetzung für ihre Wirk- zum Verfahren bei „Insolvenz“ von Staaten oder samkeit ist jedoch, dass sie in einem relevanten bei Umschuldungen hilfreich sein. Häufi g sind Teil der wichtigsten Finanzzentren der Welt heute bereits bei Emissionen von Staatsanleihen gleichzeitig eingesetzt wird. Dass sie unmittelbar sog. „Collective Action Clauses“ eingebaut, die

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eine geordnete Umschuldung, ein Schuldenmo- teilten 250 Mrd. US-Dollar zu 45 Prozent den ratorium und Restriktionen für einzelne Anlei- G-7-Ländern zugeteilt, die derzeit gar keinen henbesitzer vorsehen. Bedarf haben. Jedoch könnten sie die SZR weiter- UNCTAD ebenso wie die Stiglitz-Kommissi- geben. Man kann die SZR letztlich als Nukleus on fordern auch den Ausbau des seit dem Jahr von Keynes Bancor ansehen, als Alternative zu 1969 bestehenden Systems der Sonderziehungs- nationalen Währungen, die zugleich die Rolle rechte (SZR). SZR sind eine künstliche Währungs- des Weltgeldes wahrnehmen. So hatte beispiels- einheit, die als Devisenreserve von nationalen weise auch der chinesische Zentralbank-Gou- Zentralbanken gehalten werden. Alle Mitglieds- verneur Überlegungen dieser Art im Jahr 2009 länder des IWF halten beim IWF SZR, die in na- unter Verweis auf Keynes Ideen vorgetragen. Die tionale Währungen umtauschbar sind. SZR sind vorliegenden Vorschläge sind jedoch noch in eine Korbwährung, bestehend aus dem US-Dollar, einem frühen Stadium. Eine Überlegung ist da- dem Euro, dem Yen und dem Pfund Sterling. An- bei, Anleihen von multilateralen Entwicklungs- fang 2011 entspricht 1 Euro etwa 0,85 SZR. Län- banken, die u. a. für die Anlage von Währungs- der, die Liquiditätsbedarf in harter Währung reserven interessant sein könnten, in SZR zu haben, können hierfür die SZR benutzen, die auf- emittieren. Für die G-20-Tagung in im Jahr grund des Korbcharakters eine relativ stabile 2011 hat der IWF überraschenderweise eine Währung alternativ zum US-Dollar darstellen. Reihe von Optionen dargestellt, wie zukünftig Der Wert der SZR wird täglich anhand der Devi- SZR genutzt werden könnten (IMF 2011). Darauf senmarktschwankungen der vier Währungen er- kann an dieser Stelle jedoch nicht weiter einge- mittelt, die Korbzusammensetzung ist über fünf gangen werden. Jahre konstant. Indem die SZR antizyklisch be- Schließlich schlägt die UNCTAD ein Welt- reitgestellt werden, insbesondere für Länder mit währungssystem vor, das sich am Leitbild fester Zahlungsbilanzproblemen, könnte die Finanzie- realer Wechselkurse aller Teilnehmer orientiert. rung von prekären Leistungsbilanzdefi ziten er- Gleichgewichtige reale Wechselkurse sollten ten- leichtert werden. Vor allem aber könnten die denziell einen Leistungsbilanzausgleich ermög- Währungsreserven der Schwellenländer in einer lichen. Infl ationsunterschiede zwischen Ländern Alternativwährung zum US-Dollar angelegt wer- führen in diesem System zu nominalen Auf- den. Bislang wurden die SZR jedoch nur in ge- oder Abwertungen. Der reale Gleichgewichtskurs ringem Umfang vom Gouverneursrat des IWF würde letztlich der Kaufkraftparität der Wechsel- emittiert. Auch besteht die Gefahr, dass sie zu kurse entsprechen. Diese implizite Annahme liegt Geldschöpfung führen, wenn sie in nationales auch der klassischen Außenhandelstheorie zu- Geld eingelöst werden. Und nur wenige inter- grunde. Damit könnten starke Abweichungen nationale Organisationen benutzen bislang SZR von dem „fundamentalen“ Gleichgewichtskurs als Zahlungsmittel. durch Spekulation oder Nominalzinsarbitrage Für ein Defi zitland ist die Nutzung von SZR verhindert werden. So wünschenswert ein System nicht mit Aufl agen verbunden. Dies kann u. U. dieser Art ist, so unklar ist, wie es erreicht werden sogar die Bereitschaft erhöhen, höhere Defi zite zu kann. UNCTAD bleibt in diesem Punkt die Ant- akzeptieren. Da der Zugang zu SZR für ein Land wort schuldig. Im Prinzip wären umfangreiche beschränkt ist, dürfte dies aber nur eine temporä- Kapitalverkehrskontrollen notwendig, oder aber re Option sein. In einer Zahlungsbilanzkrise oder ein Konsens über koordinierte Notenbankinter- im Fall einer notwendigen Abwertung kann es ventionen, falls eine vereinbarte Bandbreite von daher nötig sein, mit befristeter expansiver Geld- Wechselkursschwankungen überschritten wird. oder Fiskalpolitik gegenzusteuern, da eine Ab- Notenbankinterventionen allein von den Zen- wertung meist erst verzögert Wirkung zeigt. Die tralbanken, deren Währung abwertungsbedroht letzte Erhöhung der SZR (nach langer Zeit der Un- ist, haben nur begrenzte Wirkung; notwendig tätigkeit) fand nach dem G-20-Gipfel in London wäre koordinierte Interventionen verschiedener im Jahr 2009 statt. Allerdings wurden die zuge- Notenbanken. Der Vorschlag beinhaltet eine Art

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Neuaufl age von Bretton Woods, möglicherweise lich, dass der G-20-Gipfel überhaupt ein so gra- in der Form von Wechselkurszielzonen. Insbe- vierendes Problem für die Weltwirtschaft beim sondere die USA und Großbritannien scheuen Namen nennt. allerdings eine Diskussion um ein neues Welt- Diese G-20 Initiative setzt Aktivitäten fort, währungssystem. Und wie man anhand der Euro- die der IWF bereits im Jahr 2006 mit seinen sog. Zone sehen kann, kann es auch innerhalb eines „Multilateralen Konsultationen“ begonnen hat- (nominalen) Festkurssystems massive Ungleich- te. Damals wurde versucht, mit China, der Euro- gewichte geben, so dass auch dieses System ins- Zone, Japan, Saudi-Arabien und den USA länder- titutioneller Regeln bedarf, um die realen inter- spezifi sche Maßnahmenbündel auszuhandeln, nen Wechselkurse, insbesondere bei Lohnstück- die dann koordiniert umgesetzt werden sollten kostendivergenzen, zu stabilisieren. (IMF 2007). Aber die Finanzkrise kam schneller, und man kann bezweifeln, ob die Vereinbarun- G-20: Vorschläge aus Pittsburgh gen wirklich ernsthafte Absichtserklärungen der fünf beteiligten Regierungen waren. Die vorge- Im September 2009 befasste sich der G-20 Gipfel schlagenen Maßnahmen waren sehr allgemein in Pittsburgh erstmalig in einigen wenigen Ab- gehalten, beschrieben überwiegend das, was oh- sätzen seines 23-seitigen Abschlusskommuniqués nehin schon getan bzw. angestrebt wurde, und mit den globalen Ungleichgewichten. Darin wird lassen teilweise kaum Bezug zum zu bekämpfen- anerkannt, dass die Ungleichgewichte ein ernst- den Problem erkennen. Wechselkursanpassungen haftes Problem darstellen. Die Politiker bekennen wurden sogar systematisch ausgeklammert. Be- sich zu ausgewogeneren Leistungsbilanzsalden, sonders erstaunlich sind die vereinbarten Maß- wobei sowohl Defi zit- wie Überschussländer mit nahmen für die Euro-Zone, die keinen Bezug auf Hilfe einer stärkeren Politikkoordination Maß- die Defi zit- bzw. Überschussländer erkennen las- nahmenbündel durchsetzen sollen. Es wird also sen. Jüngst hat sich auch die EZB positiv zu die- eine symmetrische Verantwortung beider Länder- sen unzulänglichen, ja untauglichen Initiativen gruppen gefordert. Ohne Beeinträchtigung offe- geäußert und als Ansatzpunkte für neuerliche ner Gütermärkte sollen Länder mit hohen Defi - Schritte vorgeschlagen (EZB 2010: 104). Immer- ziten in der Leistungsbilanz Maßnahmen zur hin kann man sagen, dass schon im Jahr 2006 Förderung der privaten Ersparnis und zur Konso- innerhalb des IWF und zwischen den beteiligten lidierung der öffentlichen Haushalte ergreifen so- fünf Ländern (inklusive „Euroland“) Konsens da- wie ihre Exportsektoren stärken. Hingegen sollen hingehend herrschte, dass sowohl Defi zit- wie Länder mit anhaltend hohen Überschüssen – ver- Überschussländer handeln müssen. mutlich ist hier China in erster Linie gemeint, Für China werden von vielen Analysten um- aber auch Deutschland – ihre Binnennachfrage fangreiche Reformen zum Aufbau sozialer Siche- stärken, z. B. durch höhere Investitionen; durch rungssysteme gefordert, die das private Sparen – Finanzmarktreformen Verzerrungen beseitigen; vermeintlich zu exzessiv wegen hoher sozialer die Produktivität in Dienstleistungssektoren stei- Unsicherheit – mindern sollen, ferner Reformen gern, die normalerweise stark binnenmarktori- im Finanzsektor, die nationales Sparen attraktiver entiert sind; soziale Sicherungssysteme ausbauen machen und auch Ausschüttungen von Gewin- und Restriktionen für die Binnenmarktentwick- nen staatlicher Unternehmen erleichtern. Da- lung beseitigen. Diese Vorschläge bleiben jedoch hinter steht die bereits weiter oben kritisierte Vor- recht allgemein, aber es ist aufschlussreich, dass stellung einer privaten und unternehmerischen Wechselkurskorrekturen mit keinem Wort an- „Sparschwemme“ in China, die es einzudämmen gesprochen werden. Auch werden europäische gelte. Ohne Aufwertung des Renminbi würde Ungleichgewichte nicht erwähnt, ebenso wenig Chinas Wachstum dann aber noch höher als in einzelne Länder wie China oder die USA. Konkre- der Vergangenheit ausfallen; wie viel zusätzlich tere Pläne sollen in enger Kooperation mit dem importiert würde, sei dahingestellt. Sinnvoller IWF erarbeitet werden. Es ist allerdings beacht- wären dagegen eine weitere kräftige Aufwertung

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sowie eine Änderung der Einkommensverteilung leiten und im äußersten Fall Sanktionen bis zu zugunsten der Lohneinkommen und der land- einer Höhe von 0,1 Prozent des BIP zu erlassen. wirtschaftlichen Einkommen. So könnten ver- Wann Leistungsbilanzsalden als exzessiv anzuse- minderte Exporte durch Binnennachfrage ersetzt hen sind, bleibt jedoch unklar. Die Sanktions- werden, Konsum und Investitionen würden bes- option scheint eher symbolischer Art zu sein. Ein ser ausbalanciert. In diesem Fall würde der Set von relevanten Indikatoren soll beobachtet Schwerpunkt der Anpassung auf der Exportseite werden, zu dem neben Budgetdefi ziten auch liegen, nicht bei höheren Importen. Lohnstückkosten und die jeweiligen Nettover- mögenspositionen gegenüber dem Ausland gehö- Vorschläge für Korrekturen in der Euro-Zone ren. Der Vorschlag kann als ein erster Ansatz ge- wertet werden, das Problem von Leistungsbi- Die Europäische Kommission (2010) sowie eine lanzungleichgewichten wenigstens zu themati- von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy ge- sieren und als symmetrisches Problem von leitete Task Force haben im Herbst 2010 Vor- Überschuss- und Defi zitländern zu behandeln. schläge vorgelegt, wie exzessive Leistungsbi- Allerdings ist es ein Kompromiss, der den Über- lanzungleichgewichte in der Euro-Zone korrigiert schussländern nur mit Mühe abgerungen werden werden sollen. Diese Vorschläge sind im Zusam- konnte und möglicherweise nur einen zahnloser menhang mit der vorgesehenen Härtung des Formelkompromiss darstellt. Endgültige Ent- Europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts scheidungen im Europäischen Rat werden im (SWP) zu sehen, die prozedurale Reformen bei der März 2011 erwartet und können hier noch nicht Überwachung und der Einhaltung der Haushalts- berücksichtigt werden. defi zite vorsieht, quasi-automatische Sanktionen Der SVR (2010: 67 - 135) hat zu diesen Vor- und die Einbeziehung der Schuldenquote bei der schlägen Stellung bezogen und die makroöko- Bemessung der erforderlichen Senkung exzessiver nomische Überwachung von Leistungsbilanz- Budgetdefi zitquoten. Im Rahmen dieser Refor- ungleichgewichten mehrheitlich kritisiert, weil men wird auch ein dauerhafter Rettungsschirm sie seiner Meinung nach eigentlich überfl üssig für Mitgliedsländer mit notleidender Staatsver- sei. Makroökonomische Beobachtung der Wett- schuldung vorgesehen (Europäischer Krisenme- bewerbsfähigkeit von Mitgliedsländern sei zwar chanismus). Der Schwerpunkt der vorgesehenen positiv zu beurteilen, würde aber ohnehin schon Reformen liegt auf der Reduktion von Haushalts- betrieben. Soweit Defi zite in der Leistungsbilanz defi ziten, während privatwirtschaftlichen Quel- durch Budgetdefi zite verursacht sind, sollten sie len von Leistungsbilanzdefi ziten kaum Aufmerk- durch den SWP ernsthaft und sanktionsbewehrt samkeit gewidmet wird. Offenbar liegt den Über- mit besseren Entscheidungsregeln bekämpft wer- legungen der EU-Kommission die Vorstellung den. Soweit sie privatwirtschaftlich generiert zugrunde, dass die Defi zite in der Euro-Zone vor- sind, würde eine einheitliche und wirksame Ban- wiegend durch zu hohe Budgetdefi zite zustande kenaufsicht in der Euro-Zone ausreichen, eine kommen bzw. dass Privatverschuldung im Aus- übermäßige Kreditvergabe zu vermeiden bzw. land eher Privatsache der jeweiligen Schuldner Gläubiger im Fall von Kreditausfällen mit in die und Gläubiger ist. Jedoch ist der größte Teil der Haftung zu nehmen. Im Übrigen wird vom SVR Leistungsbilanzdefi zite in der Euro-Zone Folge auf die Vorteilhaftigkeit von Auslandsverschul- exzessiver Finanzierungsdefi zite nicht-staatlicher dung bzw. Auslandsinvestments hingewiesen, Sektoren im Ausland. also auf die Möglichkeit „guter“ Defi zite bzw. Die EU-Kommission schlägt – über die Re- Überschüsse. Die divergente Entwicklung von form des SWP hinaus – vor, Leistungsbilanzun- Lohnstückkosten könne dagegen nicht Gegen- gleichgewichte in der Euro-Zone mit Hilfe von stand staatlicher Aufsicht sein, wenn die Tarif- makroökonomischen Indikatoren genau zu be- autonomie gewahrt werden solle. obachten, notfalls Verfahren gegen Länder mit Bereits das Minderheitsvotum des Sachver- exzessiven Defi ziten oder Überschüssen einzu- ständigen Peter Bofi nger widerspricht dieser

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Sichtweise deutlich. Nur wenn Gläubiger Risiken Die überblicksartig dargestellten Vorschläge vorausschauend präzise einschätzen können, also zur Vermeidung und zum Abbau vorhandener Finanzmärkte rationalen Erwartungen folgten, Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen die auch makroökonomische Entwicklungen ein- könnten unterschiedlicher kaum sein. Das hat beziehen, können exzessive, privat verursachte natürlich auch damit zu tun, dass internationale Ungleichgewichte vermieden werden. Diese Vor- Politikkoordination von Nationalstaaten außer- aussetzungen liegen jedoch in der Realität nicht ordentlich schwierig ist und am ehesten Chancen vor. Bankenaufsicht und Finanzmarktrationalität hat, wenn unabweisbare Probleme auftreten, die sind damit überfordert. Wie erwähnt muss be- Handlungsbedarf erzwingen, oder wenn ein Land fürchtet werden, dass Korrekturen zu spät, also bzw. mehrere Länder eine Führungsrolle über- reaktiv erfolgen und zu schmerzvollen Krisen nehmen. Die Schwierigkeiten liegen aber auch in führen. Die Fokussierung auf übermäßige Budget- den festgefahrenen Wachstumspfaden der ein- defi zite kann zudem eine prozyklische, wachs- zelnen Länder begründet, denn die außenwirt- tumsdämpfende Sparpolitik fördern oder gar de- schaftlichen Ungleichgewichte sind letztlich nur fl ationär wirken, wenn die Überschussländer Refl ex binnenwirtschaftlicher Ungleichgewichte nicht parallel auf eine expansive Fiskalpolitik zwischen Sparen und Investieren. umschwenken (vgl. auch Horn u. a. 2011).

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8. Schlussfolgerungen

Moderate Ungleichgewichte können im Prinzip delt es sich um überwiegend „gute“ Defi zite bzw. durch eine expansivere Fiskal- und Geldpolitik in Überschüsse, die im Defi zitland Investitionen Verbindung mit stärkeren Lohnsteigerungen in und Wachstum dauerhaft steigern. In solchen den Überschussländern und entsprechend um- Fällen sind reale Wechselkursanpassungen un- gekehrten Maßnahmen in den Defi zitländern vermeidlich. Wenn keine Wachstumseinbußen vermindert und beseitigt werden, also ohne entstehen sollen, muss das aufwertende Land die Wechselkursanpassungen. Überließe man die Binnennachfrage nicht nur einmalig erhöhen, Aufgabe allein den Defi zitländern, wird die Last sondern die Wachstumsrate der Binnennachfrage für sie größer, politisch schwerer durchsetzbar auf Dauer steigern. In der Regel erfordert dies ein und es könnte, wenn es sich um eine Vielzahl höheres Wachstum der Löhne und damit eine von Defi zitländern handelt, zu anhaltender de- Veränderung der Einkommensverteilung. Dies ist fl ationärer Austeritätspolitik führen, die die Welt- beispielsweise sowohl in China als auch in wirtschaft stark belastet. Dies gilt insbesondere, Deutschland notwendig. Die Absenkung der Leis- wenn das größte Defi zitland die USA sind, die tungsbilanzüberschüsse kann auch von einer nicht nur ihr eigenes Wachstum, sondern auch expansiven Geld- und/oder Fiskalpolitik begleitet das der Weltwirtschaft schwächen würden. Inso- werden, aber dies wird nur vorübergehend mög- fern ist die parallele expansive Politik der Über- lich sein, wenn Infl ationsgefahren vermieden schussländer notwendig, um das Wachstum der werden sollen. Weltwirtschaft trotz „Sparpolitik“ der Defi zitlän- Überschussländer, die ihre inneren Ungleich- der zu gewährleisten. Aber auch größere Über- gewichte zwischen Sparen und Investieren länger schussländer wie Deutschland, denen viele klei- anhaltend nicht korrigieren, sondern Wachstum nere Defi zitländer gegenüberstehen, müssen letz- allein oder vorwiegend durch Exportüberschüsse tere bei notwendigen Anpassungsmaßnahmen erzeugen, betreiben eine „Beggar-Thy-Neighbour“- unterstützen, wenn nicht andere zusätzliche Politik, indem sie ihre Inlandsnachfrage drosseln, Defi zitländer an die Stelle der bisherigen treten Nachfrage nach ihrem Exportüberschuss von den sollen. Handelspartnern erwarten und diese so in eine Schwere und persistente Leistungsbilanz- Defi zitposition drängen. Wenn Aufwertungen in ungleichgewichte bedürfen weitergehender Maß- den Überschussländern ausbleiben, weil die nahmen. Haben sich Volkswirtschaften über län- Wechselkurse fi xiert sind, Währungen also sys- gere Zeiträume auf eine exportorientierte Wachs- tematisch unterbewertet werden oder Wechsel- tumsstrategie ausgerichtet, die hohe Export- kursanpassungen innerhalb einer Währungs- überschüsse erzielen oder gar steigern soll union nicht mehr möglich sind, müssen politi- („Neo-Merkantilismus“), und haben sich umge- sche Korrekturen gesucht werden. Handels- und kehrt andere Länder auf anhaltende hohe Leis- Kapitalströme würden ansonsten systematisch tungsbilanzdefi zite eingestellt, die auf privatwirt- und dauerhaft verzerrt. Letzten Endes schaden schaftliche Defi zite oder Haushaltsdefi zite gegen- sich aggressive Exportüberschussländer selbst, über dem Ausland zurückzuführen sind, dann wenn sie ausbleibende Zuwächse der Inlands- tauchen gravierende wirtschaftliche Probleme nachfrage durch Nettoexporte ersetzen wollen. mit großem Gefahrenpotenzial auf. Selten han- Denn da das Gewicht der Nettoexporte in der

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aggregierten Gesamtnachfrage im Verhältnis zur wichtigste Anlageland für Währungsreserven und Inlandsnachfrage gering ist, wird das Wirtschafts- damit auch für private Kapitalanlagen, weil ihr wachstum, trotz aller Exporterfolge, schwach aus- Wechselkursrisiko begrenzt ist. Damit sind die fallen.26 USA gewissermaßen ein „geborenes“ Defi zitland. Durch eine reale Abwertung erhalten Defi zit- Gerät jedoch das Defi zit zu groß, wird der Reser- länder bessere Exportchancen, aber nur unter vestatus der USA unterminiert und unglaub- zwei Bedingungen. Erstens müssen sie strukturell würdig. Daher kommt man an der Frage, die wettbewerbsfähig sein, d. h. Produktionsstruk- 1969 von Robert Triffi n und neuerdings auch turen für vorteilhaft handelbare Güter haben. von der UNCTAD und der Stiglitz-Kommission Sind sie jedoch Agrarländer27 oder nur wenig wieder aufgeworfen wurde, nicht vorbei, wie industrialisiert, oder aber deindustrialisiert infol- Währungsreserven in anderen Währungen als in ge anhaltender Überbewertung ihrer Währung in US-Dollar angelegt werden können, etwa in Son- der Vergangenheit, dann müssen sie erst mühsam derziehungsrechten. Oder eine große Reform des neue wettbewerbsfähige Produktionsstrukturen Weltwährungssystems à la Keynes 1944 rückt ins aufbauen. Dies ist beispielsweise für einzelne Zentrum der Reformüberlegungen, da eine Rück- südeuropäische Länder wie Griechenland und kehr zum alten Bretton-Woods-System mit dem Portugal schwierig und langwierig, denn deren US-Dollar als alleinigem „Weltgeld“ gerade ver- Produktionsstruktur ist in ihrer Entwicklung mieden werden muss. einerseits durch die Überlegenheit hoch entwi- Die innereuropäischen Leistungsbilanzun- ckelter Ökonomien, andererseits durch die stär- gleichgewichte sind ebenfalls besonderer Art, da kere Wettbewerbsfähigkeit von Schwellenlän- nominale Wechselkursanpassungen ausscheiden. dern bedroht. Ähnliches gilt für manche wettbe- Alternative interne reale Wechselkursanpassun- werbsschwache osteuropäische Länder. Zweitens gen über Korrekturen in der Lohnstückkostendy- bringt eine reale Abwertung nur dann dauerhafte namik in der Währungsunion, also eine Art ko- Wachstumschancen für ein Land, wenn das Brut- ordinierte Einkommenspolitik, erscheinen un- toinlandsprodukt der Abnehmerländer wächst, vermeidlich, sind allerdings schwierig. Selbst der d.h. wenn die Überschussländer sich erfolgreich Ausbau der Euro-Zone zu einer Transferunion auf stärker binnenwirtschaftlich orientiertes könnte diese Notwendigkeit kaum vermeiden, Wachstum umstellen. Wenn sie ihrerseits mit denn sich ausweitende Leistungsbilanzdivergen- noch stärkerer Überschussorientierung auf die zen würden fortwährend größere Transfers in Bemühungen der Defi zitländer, ihre Leistungs- die Defi zitländer verlangen. bilanzdefi zite zu senken, reagieren, kommt am In jüngster Zeit wurde vorgeschlagen, die Ende ein desaströser realer Abwertungswettlauf ausländischen Gläubiger von Defi zitländern, d. h. zustande, eine defl ationäre Kostensenkungskon- von privatwirtschaftlichen und staatlichen De- kurrenz, die allen schadet. fi ziten, so in die Haftung zu nehmen, dass sie Wie erwähnt sind die USA ein ganz beson- von exzessiven Kapitalexporten in Defi zitländer deres Defi zitland, weil sie das wichtigste Reserve- Abstand nehmen. Die Gläubiger würden folglich währungsland darstellen. Insofern sind sie das von vornherein den Defi zitländern eine höhere

26 In dem folgenden, stark vereinfachten Beispiel erhöht eine Steigerung der Exporte um 10 Prozent in einem stark exportorientierten Land das BIP um günstigstenfalls 3 Prozent, während eine Steigerung der konsumtiven Inlandsnachfrage der Privathaushalte und des Staates um 10 Prozent das BIP um 4,2 Prozent erhöht (freie Produktionskapazitäten in beiden Fällen unterstellt). Im Ausgangszustand seien das BIP 100, Exporte 50, Importe 40, privater und staatlicher Konsum 70, Investitionen 20 Geldeinheiten (in konstanten Preisen): Y = C + I + X – M bzw. 100 = 70 + 20 + 50 - 40. Steigt der Export von 50 auf 55, die Importe daraufhin bei konstanter Importquote von 40 Prozent um 2 (0,4x5), nimmt das BIP um 3 Prozent zu. Steigt die konsumtive Nachfrage um 10 Prozent von 70 auf 77, werden 4,2 Einheiten zusätzliche Konsumgüter im Inland produziert, 2,8 im Ausland, was den Import auf 42,8 steigert. Das BIP steigt also um 4,2 Prozent. Bleibt dabei das BIP im Ausland konstant, müsste die Exportsteigerung über eine reale Abwertung erreicht werden, wodurch die Inlandsnachfrage wegen teurerer Importe um maximal 4 (wenn keine Importsubstitution eintritt) sinken und das exportgetriebene Wachstum des realen BIP am Ende deutlich schwächer als 3 Prozent ausfallen würde. 27 Es gibt nur wenige Agrarländer, die mit Agrarexporten hohes Wachstum nachhaltig erreichen konnten.

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Risikoprämie bei der Kreditvergabe oder eine hö- andere Länder haben dies relativ erfolgreich here Verzinsung von Anleihen abfordern. Dies praktiziert (vgl. auch seitens des IWF die neuer- setzt allerdings voraus, dass Finanzinvestoren liche Akzeptanz von Kapitalverkehrskontrollen von vornherein Risiken verlässlich einschätzen bei Ostry u. a. 2010). können und dass überdies die verbleibenden Ri- Natürlich könnte man exzessive Leistungs- siken nicht systemische Risiken sind, die am Ende bilanzdefi zite im Prinzip auch durch Importsteu- nur vom Staat oder der Zentralbank abgesichert ern mindern, wie es der Nobelpreisträger Paul werden können. Es gibt große Zweifel, ob in einer Krugman vorgeschlagen hat (Krugman 2010a). Welt, in der Zukunftserwartungen nicht immer Hierfür gibt es eine starke politische Unterstüt- „rational“, sondern hochgradig unsicher sind, zung in den USA, insbesondere hinsichtlich einer Anlagerisiken hinreichend gut abgeschätzt wer- Steuer auf chinesische Importgüter, sofern China den können, zumal es sich bei Leistungsbilanz- seine Währung nicht aufwertet. Die Import- ungleichgewichten ja um makroökonomische steuern müssten allerdings für die Exportsub- Risiken handelt. Daher erscheint es vernünftiger, ventionierung verwendet werden, weil ansonsten diese Risiken und Unsicherheiten von vorne- importhaltige Exporte sinken würden, so dass herein zu vermeiden, indem zu hohe Leistungs- keine wesentliche Verbesserung der Handels- bilanzungleichgewichte nicht zugelassen werden. bilanz eintreten würde. Wenn Überschussländer Geordnete Insolvenzverfahren bei notleidenden mit gleichgerichteten Maßnahmen reagieren Staatsanleihen ebenso wie „Collective Action würden, wäre gar nichts gewonnen. Am Ende Clauses“ helfen in erster Linie erst dann, wenn könnte sich Handelsprotektionismus ausbreiten, Überschuldungsprobleme bereits eingetreten sind. der auch den Defi zitländern schadet. Selbst wenn Man könnte anstelle einer Gläubigerbeteili- Handelsbilanzdefi zite mit Importsteuern und Ex- gung an Kreditrisiken auch eine vorbeugende portsubventionen vermindert werden könnten, Vermeidung exzessiver Kapitalexporte bzw. -im- könnten starke Kapitalimporte in einem Defi - porte in Form von Kapitalexport- oder -import- zitland erneut Ungleichgewichte hervorrufen, die kontrollen vornehmen (Dieter/Higgott 2010). durch eine weitere Erhöhung der Importsteuer Denn eine Kontrolle von Kapitalströmen, also abgebaut werden müssten. staatliches „Kapitalbilanzmanagement“, hat Aus- Diese Überlegungen machen deutlich, dass wirkungen auf die Leistungsbilanz. Insbesondere Korrekturmaßnahmen im Falle starker und an- Entwicklungs- und Schwellenländer wenden die- haltender Leistungsbilanzungleichgewichte ohne ses Instrument an, beispielsweise auch Indien. Wechselkursanpassungen kaum wirksam sein Um das indische Leistungsbilanzdefi zit zu be- werden (siehe auch die empirischen Unter- grenzen, existieren in begrenztem Umfang Ka- suchungen des IWF). Allerdings müssen auch pitalexportkontrollen und selektive Kapitalim- Wechselkursanpassungen von weiteren Reformen portkontrollen, wobei der Wechselkurs eher stabil unterstützt werden, welche das interne Ungleich- gehalten wird. Zwar sind derartige administrative gewicht zwischen Sparen und Investieren in den Kapitalimportkontrollen für das wichtigste De- Defi zit- und Überschussländern abbauen. Wech- fi zitland der Welt, die USA, schwer vorstellbar, selkurskorrekturen sind dann notwendig, wenn ebenso wenig für Defi zitländer in der EU, die sich es schwere Verzerrungen in der Wettbewerbsfä- zum gemeinsamen freien Binnenmarkt für Güter, higkeit von Volkswirtschaften gibt. Dennoch sind Kapital und Arbeit bekennt. Gleichwohl könnten Wechselkursänderungen kein Allheilmittel. Ihre die USA durchaus indirekte Kapitalzufl ussres- Wirkung auf die Leistungsbilanz kann durch Ka- triktionen bei zu hohen Leistungsbilanzdefi ziten pitalströme neutralisiert oder überkompensiert institutionalisieren, indem übermäßige Gewinne werden. Beispielsweise kann ein Defi zitland, das im Finanzsektor, die Anreize für Kapitalimporte real abwertet, durch Kapitalzufl üsse, z. B. durch darstellen, besteuert oder höhere Mindestreser- ausländische Direktinvestitionen oder eine stark vesätze für exzessive Kapitalzufl üsse gesetzt wer- zunehmende Staatsverschuldung, wiederum mehr den. Chile, Brasilien, Korea und verschiedene importieren und die exportsteigernde Wirkung

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der Abwertung zunichte machen. Vor allem bei und Krisen erzeugende andererseits? Wohlfahrts- einer global stark divergierenden Banken- und steigernde andauernde Ungleichgewichte Kapitalmarktaufsicht mit ganz unterschiedlichen existieren selten – am ehesten, wenn die Defi - Standards kann es Anreize für Kapitalströme ge- zitländer auf einem hohen Wachstumspfad ben, die mit Wechselkursanpassungen nicht re- nachholender Entwicklung sind, ihre Wachs- guliert werden können. Theoretisch könnte auch tumsrate größer als der Zinssatz ist und die die nationale Geldpolitik genutzt werden, indem Kapitalimporte vorwiegend ausländische Di- sie mittels höherer oder niedrigerer Zinsen Kapi- rektinvestitionen darstellen, die den Wachs- talströme aus dem Ausland anzieht oder abstößt, tumspfad erhöhen. Allerdings gibt es für die- Wechselkurse und damit die Kapitalbilanz und sen Entwicklungspfad nicht viele erfolgreiche spiegelbildlich die Leistungsbilanz beeinfl usst. Beispiele. Die meisten großen und länger an- Allerdings hat die Geldpolitik die primäre Aufga- dauernden Leistungsbilanzdefi zite führten zu be, Infl ation zu bekämpfen, nicht aber Leistungs- Verschuldungskrisen und/oder zu Vermögens- bilanzungleichgewichte zu vermeiden. In letzter preisblasen, die irgendwann platzten; sie sind Instanz bleiben dann in der Tat nur Kapitalver- häufi g Ausdruck neo-merkantilistischer Un- kehrskontrollen oder Abgaben auf Exporte bzw. terbewertungsstrategien, die andere Länder in Importe. Die Leistungsbilanz ist also nicht allein Leistungsbilanzdefi zite treiben, weil die För- eine Funktion des Wechselkurses. Mithin ist ein derung der inländischen Nachfrage unterlas- größeres Maßnahmenpaket notwendig. sen wird. Derartige Ungleichgewichte drohen Insgesamt zeigt sich, dass das im deutschen zu eskalieren, weil sie auf strukturell überle- Stabilitäts- und Wachstumsgesetz von 1967 ver- gener bzw. mangelnder internationaler Wett- ankerte wirtschaftspolitische Ziel eines „außen- bewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften beruht, wirtschaftlichen Gleichgewichts“ im Sinne allen- die Marktanteile fortschreitend umverteilt. falls moderater Abweichungen des Leistungsbi- Schließlich gibt es im Rahmen des geltenden lanz saldos von Null auch in Zeiten der Globali- Weltwährungssystems unvermeidbare Defi - sierung weiterhin relevant und von größter zite, die durch die Anlage von Währungsre- weltwirtschaftlicher Bedeutung ist. Gerade weil serven in Reservewährungsländern entstehen. dank globaler Finanzmärkte die Illusion entsteht, Diese Quelle von in jüngster Zeit stark anstei- dass selbst große Leistungsbilanzdefi zite locker genden Defi ziten deutet auf die Notwendig- und auf Dauer fi nanziert werden können, er- keit einer Reform des globalen Währungssys- höhen sich die Risiken von außenwirtschaft- tems hin. lichen Ungleichgewichten. Deshalb bedarf es 3. Wenn es schlechte oder gar gefährliche Ungleich- eines globalen Konsenses, dass außenwirtschaft- gewichte gibt, wer ist schuld und damit verant- liche Gleich gewichte im Sinne nur geringer Leis- wortlich für Korrekturen – das „nachlässige“ tungsbilanzungleichgewichte für das Funktio- Defi zitland, das „fl eißige“ Überschussland oder nieren der Weltwirtschaft notwendig sind. beide? Ursachen und Wirkungen, „Täter“ und Die eingangs gestellten sechs Fragen lassen „Opfer“ lassen sich schwer auseinander hal- sich zusammenfassend wie folgt beantworten: ten. Bei Ungleichgewichten in der Leistungs- 1. Unter welchen Bedingungen sind Leistungsbi- bilanz sind immer zwei oder mehr Länder lanzungleichgewichte ein Problem? Je größer und beteiligt. Allerdings haben große und wirt- länger anhaltend die Ungleichgewichte sind, schaftlich starke Länder, gleich ob Defi zit- desto größer die Wahrscheinlichkeit von Ge- oder Überschussländer, eine besondere Ver- fahren, insbesondere wenn sich die Netto- antwortung. Aber selbst Defi zitländer, die eine vermögenspositionen gegenüber dem Ausland unverantwortliche Auslandsverschuldung ih- in den Überschuss- und Defi zitländern immer rer Haushalte zulassen, die schuldenfi nanzierte weiter spreizen. Konsumbooms und Vermögenspreisblasen to- 2. Gibt es „gute“ und „schlechte“ Ungleichgewichte, lerieren oder gar fördern, bedürfen hier der wachstums- und wohlstandsfördernde einerseits aktiven Mithilfe der Überschussländer.

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4. Haben die Ungleichgewichte zur Finanzkrise in genüber den Überschussländern der Euro-Zo- den USA beigetragen? Zusammen mit den Fehl- ne ein Defi zit, ebenso wie die Überschusslän- regulierungen der Finanzmärkte nicht nur in der auch Länder außerhalb der Euro-Zone ins den USA, sondern auch in Europa, haben die Defi zit treiben. Ein Niedergang der Europä- Ungleichgewichte maßgeblich zur Entstehung ischen Währungsunion hätte weltweite Aus- der Finanzkrise und der nachfolgenden Welt- wirkungen. Das derzeitige System der europä- wirtschaftskrise beigetragen. Dies gilt vor al- ischen Ungleichgewichte bremst das Wirt- lem für das exzessive Anschwellen der Un- schaftswachstum in der Währungsunion und gleichgewichte in den Jahren 2004 - 2008. Die der EU-27 insgesamt. massiven Kapitalexporte, einschließlich der 6. Wie sehen Korrekturen für exzessive, also „schlech- Währungsreserven, in die USA haben die te“ Ungleichgewichte aus? Märkte können bes- Nachfrage nach neuen, toxischen Finanzpro- tenfalls leichte Ungleichgewichte krisenfrei dukten geschaffen, Risiken unterbewertet und heilen, Marktkorrekturen größerer und an- übermäßige Liquidität bereitgestellt, die die dauernder Ungleichgewichte erfolgen meist Finanzindustrie ausgenutzt hat. Die Kapital- plötzlich und krisenhaft; sie können sehr zufl üsse haben den exzessiven Konsum der hohe volkswirtschaftliche Verluste verursa- Privathaushalte und die hohen Budgetdefi zite chen. Daher sind präventive wirtschaftspoli- des Staates in den USA erst ermöglicht. Ohne tische Korrekturen notwendig. Es sollte allge- den Status des US-Dollars als Reservewährung mein anerkannte Regeln zur Vermeidung von mit dem damit verbundenen Vertrauensbonus zu großen Leistungsbilanzungleichgewichten wäre die Krise nicht möglich gewesen. geben. Leitbild sollte ein „außenwirtschaftli- 5. Sind die Euro-Zonen-Ungleichgewichte Teil der ches Gleichgewicht“ sein. Sanktionen für Län- globalen Ungleichgewichte? Ja, die Länder der der mit großen Ungleichgewichten sind not- Euro-Zone und die anderen EU-Länder sind in wendig. Selten können schwerwiegende Un- globale Handels- und Kapitalströme einbezo- gleichgewichte ohne Wechselkurskorrekturen gen. Für die Überschussländer der Euro-Zone bereinigt werden. Je größer die Ungleichge- ist der reale effektive Euro-Wechselkurs massiv wichte sind, desto schwieriger werden die unterbewertet, für die Defi zitländer überbe- Korrekturen. wertet. Die Defi zitländer haben nicht nur ge-

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89 Anhang WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs zitländer 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011

USA, LBS USA, BS USA, PSSUSA, -1,7 -1,5 -1,6 -2,4 -3,2 -3,7 -4,3 -4,7 -5,3 LBS -0,8 -1,3 -4,2 -5,9 -6,0 -5,2 -4,9 -3,0 -3,4 -3,7 Spanien, BS-3,7 -3,3 -2,3 -0,9 -10,7 -9,4 0,3 -5,9 -5,1 0,7 -11,2 -0,6 -4,0 -5,0 -4,4 1,5 -3,3 -2,2 -2,8 -6,5 Spanien, -10,0 -9,6 -5,3 -3,8 -3,0 -1,2 -0,3 -0,2 -0,1 -2,9 -3,9 -3,3 -3,5 -5,3 -3,5 -1,1 -4,0 -7,4 -9,0 PSSSpanien, LBS 5,1-10,1 -10,0 -6,8 -6,5 -4,9 -3,4 -3,2 -1,4 -0,7 -0,5 -0,2 -0,4 -4,0 -7,3 -1,0 -11,1 1,0 Griechenland, 2,0 -14,6 BS 1,9 -4,1 -9,6 -8,5 -7,7 3,8-14,4 -11,3 -1,2 -3,4 -4,6 -3,9 -2,8 -5,6 -7,3 -6,8 -6,5 -5,8 -3,2 -1,9 -7,8 -7,3 -10,0 Griechenland, 2,0-12,7 -9,8 -8,3 -9,1 -6,6 -5,9 -3,8 -3,1 -4,4 -4,8 -5,7 -7,4 -11,9 -3,7 -5,3 -3,2 -4,0 -7,8 0,5 -10,9 PSSGriechenland, LBS 1,8-11,1 6,2-10,7 Portugal, -12,1 -9,7 BS-10,0 -9,4 -9,9 -8,1 -6,1 -7,6 0,7-10,2 -9,5 -2,3 -0,1 -4,2 -5,9 -7,0 -8,5 5,5 -0,2 7,8 0,4 Portugal, -0,8 10,0 6,2 PSSPortugal, LBS -2,8 7,0-7,2 -5,0 -4,5 -3,5 -3,4 -2,8 -4,3 -2,9 -3,0 -4,2 -7,5 -3,0 -6,1 -3,9 -2,7 -2,8 -6,7 -7,6 -7,8 4,6 Australien, BS -3,9 5,7 3,3 Australien, -2,6 -4,8 -5,2 -3,7 -2,9 -5,3 -2,0 -3,8 -5,4 -6,1 -3,5 -3,5 -3,1 -3,7 -5,7 -5,3 -6,3 -4,6 -4,2 -4,5 -4,0 -5,7-0,1 1,3 1,8 1,2 -4,0 -0,7 1,6 2,0 1,7 1,9 1,8 1,0 4,0-2,4 0,9 2,1-3,7 -4,5 2,0 PSSAustralien, -3,1-4,4 LBS -5,5 7,9 2,0 -1,5 -0,3Island, BS 4,9 1,0 -3,0 Island, 0,3 1,9-40,4 -8,1 -1,6 4,9-15,4 -3,3 -2,5-25,0 -2,4 -4,2 PSSIsland, -0,9-16,0 1,9 0,7 1,6 -4,6 -9,6 -10,1 0,7 -1,8 -1,7 -6,7 1,3 0,3 -2,8 -4,0-4,7 -3,0 -1,6 -0,40,0 -0,4 -2,8 -4,5 -2,7 1,1 -0,7 -2,6 -2,8 -10,1 -5,8 0,0 1,7 -2,4 -3,3 -2,8-15,7 4,9 -13,6 6,3 -1,5 5,4 -3,8 -3,6 -4,9 -2,0 0,4 -1,4 -2,4 -5,7 -0,8 -8,3 -2,2 5,2 1,6 -11,0 -7,3 1,6 -6,4 6,6 -11,9 8,2 -5,6 -2,0 -7,3 3,7 -5,5 7,3 -5,2 -8,1 -4,7 -0,3 4,2 -3,1 5,7 -10,4 -1,9 -1,7 -4,2 4,7 -6,8 -5,1 -6,3 4,7 -3,4 1,6 -7,2 -7,9 -6,1 -0,1 -7,3 -11,8 -6,8 0,0 -3,6 -7,5 -9,4 4,2 -7,2 -3,0 -1,7 -8,1 -3,2 -9,6 -5,6 -3,4 -20,9 -0,2 -31,3 -1,0 -20,9 -1,3 -26,9 7,5 8,4 4,3 Quelle: OECD 2010, eigene Berechnungen. Tabelle A1: Tabelle Salden der Leistungsbilanz (LBS), des Budgets (BS) und Privatsektors (PSS) in % BIP: Ausgewählte Leistungsbilanzdefi

91 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Tabelle A2:

Leistungsbilanzsaldo in % des BIP in der Europäischen Union und in OECD-Ländern

1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

EU-27 0,3 0,6 0,9 0,3 -0,1 -0,8 -0,3 0,2 0 0,3 -0,2 -0,4 -0,4 -0,9 -0,5 -0,5

EU-15 0,3 0,7 1,2 0,6 0,0 -0,6 -0,1 0,5 0,3 0,6 0,0 0,0 0,0 -0,4 -0,4 -0,3

Euro- 0,5 0,8 1,3 0,6 0,3 -0,4 0,0 0,7 0,3 0,9 0,1 0,2 0,2 -0,7 -0,6 -0,4 Zone

OECD 0,1 0,0 0,1 -0,1 -0,7 -1,3 -1,0 -1,1 -1,0 -0,9 -1,4 -1,6 -1,2 -1,6 -0,9 -0,8

Quelle: AMECO-Datenbank.

Tabelle A3:

Sparen und Investitionen in % des Bruttonationaleinkommens bzw. des BIP in ausgewählten Defi zitländern

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

USA, Sparen 17,4 15,6 13,8 12,9 13,3 14 ,0 14,7 14,3 12,5

USA, Investitionen 19,9 19,1 17,9 17,9 18,1 18,9 18,9 18,0 k.A.

Spanien, Sparen 22,7 22,7 23,7 24,0 23,2 22,7 22,6 22,3 20,5

Spanien, Investitionen 25,8 25,9 26,2 27,1 28,0 29,3 30,5 30,9 29,5

Portugal, Sparen 17,7 17,5 17,4 17,3 15,9 13,5 12,8 13,6 12,6

Portugal, Investitionen 27,0 26,4 24,9 22,8 22,6 22,1 21,7 21,8 21,6

Griechenland, Sparen 12,7 13,6 12,1 13,4 14,0 12,2 12,5 10,2 7,3

Griechenland, Investitionen 21,6 21,6 22,4 23,7 22,5 21,8 22,7 22,6 19,6

Ungarn, Sparen 20,6 20,4 18,9 17,5 18,2 19,1 19,3 17,7 15,8

Ungarn, Investitionen 22,9 22,9 23,0 22,0 22,4 22,9 21,5 21,0 20,1

Australien, Sparen 27,7 26,9 27,0 28,3 27,0 28,4 29,9 31,0 32,8

Australien, Investitionen 24,1 21,3 22,2 24,1 24,7 25,0 26,0 26,0 27,0

Quelle: Weltbank, WDI 2010.

92 WISO Diskurs Abbildung A1: Globale Leistungsbilanzungleichgewichte 2008 – 150 Länder in Mrd. US-$

United States Spain Italy France Greece Australia Turkey United Kingdom India Portugal Brazil Poland Romania South Africa Mexico Pakistan Belgium Ireland Ukraine Bulgaria New Zealand Hungary Vietnam Serbia Colombia Croatia Slovak Republic Korea, Rep. Lithuania Belarus Peru Morocco Latvia Dominican Republic Cyprus Lebanon Sri Lanka Iceland Ghana Slovenia Jamaica Georgia Bosnia and Herzegovina Costa Rica Panama Chile Estonia Tanzania Jordan Albania Kenya Honduras Ethiopia Guatemala Tunisia El Salvador Nicaragua Egypt, Arab Rep. Armenia Sudan New Caledonia Yemen, Rep. Czech Republic Uruguay Macedonia, FYR Liberia Mozambique Bahamas, The Mali Cambodia Zambia Moldova Mauritius Uganda Maldives Kyrgyz Republic Fiji Cameroon Malta Guinea Seychelles Paraguay Antigua and Barbuda St. Lucia Haiti Grenada Rwanda St. Vincent and the Grenadines Sierra Leone Djibouti Togo Burundi Cape Verde Guyana St. Kitts and Nevis Aruba Dominica Belize Solomon Islands Sao Tome and Principe French Polynesia Tonga Gambia, The Tajikistan Syrian Arab Republic Indonesia Namibia Lesotho Suriname Cote d'Ivoire Botswana West Bank and Gaza Nepal Bangladesh Ecuador Bermuda Israel Thailand Bolivia Bahrain Luxembourg Philippines Switzerland Oman Macao SAR, China Kazakhstan Angola Brunei Darussalam Denmark Argentina Finland Austria Azerbaijan Canada Singapore Hong Kong SAR, China Nigeria Libya Venezuela, RB Malaysia Netherlands Sweden Kuwait Norway Russian Federation Saudi Arabia Japan Germany

Quelle: Weltbank 2010, WDI, eigene Berechnungen. Quelle: Weltbank China -800 -600 -400 -200 0 200 400 600 93 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung A2:

Salden der Leistungsbilanz, des Budgets und des Privatsektors in OECD-Ländern 2008

Norwegen Deutschland Schweden Luxemburg Niederlande Japan Österreich Finnland Schweiz Dänemark Kanada Korea Euro-Zone Großbritannien Frankreich Belgien Tschechien Italien Australien USA Polen Irland Slovakische Republik Ungarn Neuseeland Spanien Portugal Griechenland Island

-45,0 -35,0 -25,0 -15,0 -5,0 5,0 15,0

in % des BIP

Leistungsbilanzsaldo Budgetsaldo Privatsektorsaldo

Quelle: OECD 2010, eigene Berechnungen.

94 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung A3:

Bruttoauslandsvermögen der USA

25.000

20.000

15.000

10.000 in Mrd. US-$ in Mrd.

5.000

0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Direktinvestitionen (lfd. Preise) Privatvermögen ohne Direktinvestitionen US-Währungsreserven und Vermögen der Regierung Derivate

Quelle: Bureau of Economic Analysis, eigene Berechnungen.

Abbildung A4:

Bruttovermögen des Auslands in den USA

25.000

20.000

15.000

10.000 in Mrd. US-$ in Mrd.

5.000

0 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Direktinvestitionen (lfd. Preise) Sonstiges Auslandsvermögen ohne Direktinvestitionen Währungsreserven und Vermögen ausländischer Regierungen Derivate

Quelle: Bureau of Economic Analysis, eigene Berechnungen. 95 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung A5:

Wechselkurse – lokale Währung je US-$

300 10 9 250 8

7 200 6

150 5 4 100 Real je US-$ bzw. 3 €

Yen, Rubel bzw. RMB je US-$ Rubel bzw. Yen, 2 50 1

0 0

1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008

Yen / US-$ RMB / US-$ Real / US-$ Rubel / US-$ € (DM) / US-$

Quelle: Weltbank, WDI 2010.

Abbildung A6:

Leistungsbilanz Japans in % des BIP

6,0 5,0 4,0 3,0 2,0 1,0 0,0 -1,0 1999200020012002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Handelsbilanz Nettoeinkommen vom Ausland Transferbilanz Leistungsbilanz

Quelle: Weltbank, WDI 2010, IWF, BoP 2010.

96 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Abbildung A7:

Leistungsbilanz Chinas in % des BIP

12

10

8

6

4

2

0

-2 1999200020012002 2003 2004 2005 2006 2007 2008

Handelsbilanz Nettoeinkommen vom Ausland Transferbilanz Leistungsbilanz

Quelle: Weltbank, WDI 2010, IWF, BoP 2010.

Abbildung A8:

Leistungsbilanz der USA in Mrd. US-$

200

0

-200

-400

-600

-800

-1.000 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009

Güterbilanz Dienstleistungsbilanz Leistungsbilanz

Quelle: Bureau of Economic Analysis.

97 WISO Diskurs Friedrich-Ebert-Stiftung

Abbildung A9:

Leistungsbilanz Deutschlands in % des BIP

10,0

8,0

6,0

4,0

2,0

0,0

-2,0

-4,0 1999 200020012002 2003 20042005 2006 2007 2008 2009

Handelsbilanz Nettoeinkommen vom Ausland Transferbilanz Leistungsbilanz

Quelle: Weltbank, WDI 2010, IWF, BoP 2010.

Abbildung A10:

Deutschland – regionalisierter Leistungsbilanzsaldo 2008 in Mrd. €

200

150

100

50

0

-50 LeistungsbilanzsaldoEuropaEU Euro-ZoneFrankreichItalienÖsterreichSpaniensonstigeGroßbritannien EUNordamerikaAfrikaAsienChinaJapanLateinamerikaIndustrieländerEntwicklungsländer

Quelle: Deutsche Bundesbank.

98 WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

Der Autor

Prof. Dr. Jan Priewe Professor für Volkswirtschaftslehre, insbesondere für Makroökonomie und Wirtschaftspolitik, an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW), Berlin

99

WISO Wirtschafts- und Sozialpolitik Diskurs

33 ISBN: 978 - 3 - 86872 - 778- 4

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