Dieser Artikel stammt aus dem EBFÖ, dem EisenBahnForum-Österreich, erschienen unter dem Titel Der Vindobona im Wandel der Zeit

Quelle: http://www.bahnforum.info/index.php?ind=reviews&op=entry_view&iden=254#Der%20Vindobona%20im%20Wandel%20der%20Zeit

Hinweis: Diese Reportage gibt den Stand aus den Jahren 1979/1980 wieder.

Der Vindobona im Wandel der Zeit Mit dem Ende des laufenden Fahrplanjahres am 26.05.1979 wurden die letzten internationalen Trieb- wagenschnellzüge (TS) zwischen Österreich und seinen Nachbarstaaten eingestellt oder auf lokomotiv- bespannte Garnituren umgestellt: o Der Saisonzug 'Karvendel' (TS 1151/1150), seit 1970 zwischen Frankfurt am Main und Seefeld in Tirol eingesetzt, verkehrte bereits im März dieses Jahres zum letzten Mal. o Der TS 314 'Paracelsus' von nach München und sein ungleicher Gegenzug D 315 von Mün- chen nach Salzburg entfallen durch die gänzliche Neuordnung der Tagesverbindungen zwischen Kärn- ten und der Bundesrepublik Deutschland. o Der TS 70/71 'Vindobona' zwischen Wien, Prag und wurde mit mehr als 22 Jahren der älteste aller internationalen TS-Züge und verkehrt nun als lokomotivbespannter Zug. Über seine Geschichte soll nachfolgend ausführlicher berichtet werden. Grundlage für die Einführung dieser Tagesverbindung war eine Vereinbarung zwischen der Deutschen Reichsbahn (DR), den Tschechoslowakischen Staatsbahnen (CSD) und den Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) vom 11.12.1956. Bereits einen Monat später, am 13.01.1957, traf erstmals ein DR-Dieseltriebwagen als 'Vindobona' in Wien ein, und vom nächsten Tag an erfolgte der Verkehr in beiden Richtungen. Als Name für dieses Zugpaar wurde die lateinische Bezeichnung für die römische Siedlung an der Stelle des heutigen Wien gewählt. Durch die Forderungen, einerseits eine hochwertige Zugverbindung zu schaffen und ande- rerseits Prag zu bedienen, gab es für den Zuglauf nur eine einzige Möglichkeit, und zwar von Wien über die Franz-Josefs-Bahn bis Prag, von dort über die ehemalige nördliche Staatsbahn (später Strecke der Staats- Eisenbahn-Gesellschaft StEG) und die Sächsische Staatsbahn nach und weiter über die Berlin- Dresdner-Eisenbahn nach Berlin. Dabei mag es interessant sein, einen kurzen Blick auf die Eröffnungsjahre der befahrenen Strecken zu werfen: die den Flüssen Moldau und folgende Verbindung zwischen Prag und Dresden durchfährt dichter besiedeltes Gebiet und besteht bereits seit 1851, während die beiden an- deren Streckenteile keine größere Stadt berühren und erst wesentlich später gebaut wurden (Wien – Prag 1871, Dresden – Berlin 1875). Mit einer Fahrzeit von etwas mehr als zwölf Stunden konnte man eine bequeme Tagesreise anbieten und war damit um rund ein Drittel schneller als mit der bereits bestehenden und sehr schlechten Kurswagen- verbindung Wien Südbahnhof – Breclav (Lundenburg) – Prag – Dresden – , die sich noch bis 1961 neben dem 'Vindobona' halten konnte. In diesem Jahr wurde mit dem Expresszug 'Chopin' der in- ternationale Verkehr von Wien über Lundenburg neu geordnet und dabei der Berliner Kurswagen auf die Strecke Wien – Prag gekürzt. Nun war der 'Vindobona' für vier Jahre die einzige direkte Verbindung zwi- schen Wien und Berlin. 1965 führte man unter dem Namen 'Sanssouci' (französisch = 'Ohne Sorge', Schloss Friedrichs des Großen in Potsdam) eine neue Nachtverbindung mit Sitz- und Schlafwagen ein, die zwischen Wien und Berlin über die gleiche Strecke verkehrte wie der 'Vindobona' . Zwischen Prag und Berlin fuhr man allerdings nur 1968 bis 1970 als eigener Zug, sonst wurden die Kurswagen anderen internationalen Zügen dieser Strecke beigegeben. Im Jahre 1976 stellte man die zumindest auf österreichischer Strecke recht unattraktive Verbindung ein und führt seither die zwei Wagen zwischen Wien Südbahnhof und Berlin in den Zügen 'Chopin' und 'Istropolitan' über Lundenburg. Damit ist, abgesehen von der Fahrplanlage und der Möglichkeit, einen Schlafwagen zu benützen, wieder jener Zustand hergestellt, den es bis 1961 gab. Zum Vergleich geben die Tabellen 1a und 1b einen Überblick über Fahrplan und Fahrzeiten dieser Verbin- dungen nach Berlin. Wenden wir uns aber wieder unserem eigentlichen Thema zu und betrachten Fahrplan und Fahrzeit des 'Vindobona' . Bei beiden gab es im Laufe der Jahre kaum größere Veränderungen. Die Abfahrt in Wien er- folgte anfangs um 09:15 Uhr und rückte bis 1961 auf 10:10 Uhr. 1962 wurde sie auf 08:20 Uhr vorverlegt und blieb schließlich ab 1968 bei 09:35 Uhr. Lediglich die Änderung des Zuglaufes ab Wien Mitte im Jahre 1975 bewirkte eine Vorverlegung der Abfahrt auf 09:20 Uhr, womit fast wieder die Abfahrtszeit von 1957 erreicht wurde. In der Gegenrichtung erfolgte die Abfahrt in Berlin zunächst um 7 Uhr, seit 1960 um 9 Uhr, wobei diese Angaben nur als grobe Richtwerte dienen können. da bei der DR die Abfahrts- und Ankunfts- zeiten von einer Fahrplanperiode zur anderen stark schwanken (fallweise bis zu 20 Minuten Differenz zwi- schen Sommer- und Winterabschnitt des gleichen Fahrplanjahres!), obwohl die Verkehrszeiten bei ÖBB und CSD in vielen Fällen gleich bleiben. In der Tabelle 2 sind Angaben aus einigen repräsentativen Fahrplan- abschnitten zusammengestellt.

Änderungen der befahrenen Strecken und der berührten Bahnhöfe gab es im Laufe der vergangenen 22 Jahre in allen drei vom 'Vindobona' verbundenen Großstädten. In Berlin wurde ursprünglich bis und ab dem Bahnhof Berlin Friedrichstraße gefahren, wo ein Übergang auf Stadtbahnzüge möglich ist, die in den Westteil der Stadt fahren. Seit Sommer 1961 und – sofern die Angaben im amtlichen Österreichischen Kursbuch vollständig sind auch bereits im Fahrplanjahr 1959/1960 – endete und begann der Zuglauf in Berlin Ostbahnhof (früher Schlesischer Bahnhof). In Prag wurden bis 1962 zwei Bahnhöfe berührt, nämlich hlavni nadrazi (Prag Hauptbahnhof, früher Franz-Josefs-Bahnhof) und Praha stred (Prag Mitte, früher Staatsbahnhof). Bei der Überstellung von einem auf den anderen Bahnhof musste der Zug einmal gestürzt werden, ebenso natürlich im Kopfbahnhof Praha stred. Seit 1962 fährt man nur mehr zum Hauptbahnhof, muss aber dennoch einmal stürzen, da von diesem Bahnhof keine direkte Gleisverbindung in Richtung Usti (Aussig) – Dresden – Berlin besteht. Die größte Änderung gab es im Bereich Wien, als man ab 1975 den in- ternationalen während der Abbruch- und Neubauarbeiten nicht zum wenig einladenden Franz- Josefs-Bahnhof führen wollte. Als Ersatzziel wurde der Bahnhof Landstraße ausgewählt, der dafür eine Umbenennung in Wien Mitte über sich ergehen lassen musste. Die Franz-Josefs-Bahn wird nun bereits in Absdorf-Hippersdorf – knapp 50 Kilometer vor Wien – verlassen und der Bahnhof Wien Mitte über die Nordwestbahnstrecke erreicht. Im Laufe der Jahre wurden vom 'Vindobona' folgende Bahnhöfe bedient: o Wien Franz-Josefs-Bahnhof (bis 1974/1975) o Wien Mitte (ab 1975/1976) o Eggenburg (von 1965/1966 bis 1970/1971 nur in Richtung Wien) o Sigmundsherberg (von 1965/1966 bis 1970/1971 nur in Richtung Wien) o Schwarzenau (von 1965/66 bis 1970/71 nur in Richtung Wien) o Gmünd NÖ. (österr. Grenzkontrolle) o Ceske Velenice (CSSR-Grenzkontrolle) o Veseli nad Luznici (bis 1960/1961) o Tabor (ab 1959/1960) o Praha hl. n. o Praha stred (bis 1961/1962) o Usti nad Labe hl. n. (1959/1960, 1960/1961, 1962/1963 bis 1964/1965, Sommer 1967 (nur Richtung Berlin), seit Winter 1967/1968) o Decin hl. n. (CSSR-Grenzkontrolle) o (DDR-Grenzkontrolle) o o Dresden-Neustadt (bis 1958/1959. 1959/1960 und 1961/1962 nur Richtung Berlin) o Zentralflughafen Berlin-Schönefeld (seit 1976: Flughafen Berlin-Schönefeld) 1963/1964, 1964/1965 und seit 1966/1967 o Berlin Ostbahnhof o Berlin Friedrichstraße (bis 1958/1959 sowie 1960/1961). Die Zugnummern waren bei den beteiligten Verwaltungen einheitlich und wechselten während der ganzen Zeit lediglich ein einziges Mal: TS 55/54 bis 1973 und seither TS 70/71 (Richtung Wien – Berlin an erster Stelle). Wie bei allen großen internationalen Triebwagenverbindungen gab es natürlich auch beim 'Vindo- bona' die Platzkartenpflicht mit allen sich daraus ergebenden Vor- und Nachteilen. Letztere wurden noch dadurch verstärkt, dass über die Platzreservierung kein ständiger Informationsaustausch zwischen den Bahnverwaltungen erfolgte. Bei jedem Grenzübergang wurden die freien Plätze neu erfasst, und erst da- nach konnten von der übernehmenden Verwaltung Platzkarten dafür verkauft werden. Für den Richtung Wien fahrenden Zug wurde die Platzkartenpflicht 1976 von den ÖBB aufgehoben, während der Gegenzug zuletzt der einzige ÖBB-Zug war, für den es eine solche Bestimmung gab. Weiter konnte der 'Vindobona' bis 1977 (Umstellung des '' auf einen lokomotivbespannten Zug und gleichzeitige Aufhebung aller Benutzungsbeschränkungen) mit zahlreichen ermäßigten Fahrausweisen nicht benutzt werden. Interessantestes Kapitel in der Geschichte des 'Vindobona' ist zweifellos jenes über das Fahrzeugmaterial, kamen doch in etwas mehr als zwei Jahrzehnten acht Triebwagentypen aller drei beteiligten Verwaltungen zum Einsatz: o ab 13.01.1957: DR, SVT Bauart Köln (dreiteilig) oder SVT Bauart Leipzig (dreiteilig) o ab Sommer 1960: CSD, M 495.0 o ab Sommer 1962: ÖBB, 5045 o ab Sommer 1964: CSD, M 498.0 (mit 01.01.1965 umzeichnet in M 298.0) o ab Sommer 1966: DR, SVT Bauart Köln (vierteilig) + SVT Bauart (zweiteilig) o ab Winter 1966: DR, VT 18.16 (auch Bauart Görlitz genannt) o ab 02.08.1969: CSD, M 296.1 o ab Sommer 1972: DR, 175 (Bauart Görlitz, bis 1970 als VT 18.16 bezeichnet).

Fahrzeuge der DR Mit Einführung des 'Vindobona' setzte die ostdeutsche DR Schnelltriebwagenzüge der ehemaligen Deut- schen Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) ein. Da das Nummernschema der DRG – es wurde für die vorhande- nen Triebwagen nach dem 2. Weltkrieg durch die DR beibehalten – keine einfache Baureihenbezeichnung durch eine kurze Buchstaben-Ziffern-Gruppe zulässt und es dadurch immer wieder zu Unklarheiten kommt, soll an dieser Stelle etwas weiter ausgeholt werden. Die DRG reihte die Triebwagen in das Nummernsystem für Reisezugwagen ein und reservierte für vierachsige Dieseltriebwagen (als solche wurden alle Schnell- triebwagen angesehen, auch wenn sie mehrteilig waren und Jakobsdrehgestelle besaßen) zunächst die Nummerngruppe 851 bis 899, die man später mit der Gruppe 137 000 bis 138 999 erweiterte. Eine Bezeich- nung VT 137, wie man sie öfters vorfindet, kennzeichnet also noch lange nicht eine bestimmte Baureihe. Vielmehr ist dazu die Angabe der genauen Nummerngruppe oder eines Bauartnamens (den aber nur einige Typen haben) nötig. 1932 beschaffte die DRG den berühmten 'Fliegenden Hamburger' (VT 877), der später bei der DB die Nummer VT 04.000 erhielt und heute im Verkehrsmuseum Nürnberg steht. Dieses Einzel- stück war der Prototyp für eine größere Zahl ähnlicher Diesel-Schnelltriebwagen, die zwischen 1935 und 1939 gebaut wurden: o 13 zweiteilige Einheiten Bauart 'Hamburg' , mit Jakobsdrehgestellen und elektrischer Kraftüber- tragung, Nummerngruppen SVT 137 149 bis 152 und SVT 137 224 bis 232 o 4 dreiteilige Einheiten Bauart 'Leipzig' (ursprünglich als Bauart 'Breslau' bezeichnet), mit Jakobs- drehgestellen, Nummerngruppen SVT 137 153 und 154 (hydraulische Kraftübertragung) und SVT 137 233 und 234 (elektrische Kraftübertragung) o 14 dreiteilige Einheiten Bauart 'Köln' mit Einzelwagen und elektrischer Kraftübertragung, Nummern- gruppen SVT 137 273 bis 278 und SVT 137 851 bis 858. Mit diesen Triebwagen baute die DRG ein innerdeutsches Schnellverkehrsnetz auf, dem durch den Kriegs- ausbruch ein jähes Ende bereitet wurde. Soweit die Triebwagen nach dem Krieg noch vorhanden und ver- wendbar waren, wurden sie sowohl von der DB als auch von der DR in Betrieb genommen. Die DB reihte ihre Triebwagen in ein neues Schema ein (Baureihe VT 04.1 ex SVT 'Hamburg' , Baureihe VT 06.1 ex SVT 'Köln' ) und baute einige auf hydraulische Kraftübertragung um (Baureihen VT 04.5 und VT 06.5). Der Neubau von Dieseltriebwagen in größerer Zahl machte die Vorkriegsbauarten jedoch bald entbehrlich, und 1959 ging eine größere Zahl von ihnen im Rahmen eines Tauschhandels an die DR, wo sie wieder ihre alten Nummern (VT 137...) erhielten. Für den 'Vindobona' wurden in den ersten Jahren dreiteilige Einheiten der Bauarten Köln und Leipzig ein- gesetzt. Als die DR 1966 zum zweiten Mal die Fahrzeuge zu stellen hatte, genügten die dreiteiligen Ein- heiten nicht mehr. Man setzte Doppelgarnituren ein, die aus einer vierteiligen Einheit der Bauart Köln (mit zwei gleichen Mittelwagen) und einer zweiteiligen Einheit der Bauart Hamburg bestanden. Letztere waren in der Zwischenzeit mit neuen CKD-Motoren ausgerüstet worden. Da die rund 30 Jahre alten Fahrzeuge aber den Anforderungen nicht mehr gewachsen waren und es zu zahlreichen Ausfällen kam, zog man die Triebwagen zum nächsten Fahrplanwechsel bereits wieder vom 'Vindobona' ab und ersetzte sie durch die Neubaureihe VT 18.16. Die alten Triebwagen wurden in anderen Verbindungen weiter verwendet, teil- weise noch größeren Umbauten unterzogen und erhielten 1970 im neuen Nummernschema der DR die Reihenbezeichnung 182 ( Köln ) und 183 ( Hamburg und Leipzig ). Die Baureihe VT 18.16 stellt im Bereich der DR die Fortsetzung des Schnelltriebwagenbaues der alten Reichsbahn dar. Ähnlich wie bei der DB wandte man auch hier das inzwischen ausgereifte hydraulische Kraftübertragungssystem an und behielt das Grundkonzept der Vorkriegswagen Bauart Köln bei; zwei Triebwagen an den Zugenden und Zwischenwagen. 1963 wurde der erste Prototyp VT 18.16.01 geliefert, der sich von den ab 1965 eingesetzten Serienfahr- zeugen in einigen Details unterscheidet (etwas schwächerer Motor, den allerdings die ersten Triebwagen der Serie ursprünglich auch hatten, andere Raumaufteilung in den Zwischenwagen, Schiebetüren als Außentüren, anderer Anstrich). Die Grundeinheit besteht aus insgesamt vier Wagen und kann durch Ein- reihen weiterer Zwischenwagen zur fünf- oder sechsteiligen Garnitur erweitert werden. Als 'Vindobona' sollten normalerweise vierteilige Einheiten fahren, jedoch waren fünfteilige Züge keine Seltenheit, und fallweise verkehrten auch Doppelgarnituren. Im Jahre 1970 erhielt die Baureihe VT 18.16 die neue Reihen- nummer 175. Während im alten Schema eine Betriebsnummer für den ganzen Zug galt und die Einzelfahr- zeuge durch Zusatzbuchstaben unterschieden wurden (a, b für die Triebwagen, c, d und e für die Zwi- schenwagen), bezeichnet seither jede Betriebsnummer nur mehr ein einzelnes Fahrzeug.