Plenarprotokoll 19/200

Deutscher

Stenografischer Bericht

200. Sitzung

Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Inhalt:

Tagesordnungspunkt I (Fortsetzung): Stephan Stracke (CDU/CSU) ...... 25156 A a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU) . . . . . 25157 B rung eingebrachten Entwurfs eines Geset- I.19 Einzelplan 32 zes über die Feststellung des Bundes- Bundesschuld haushaltsplans für das Haushaltsjahr Drucksache 19/23322 ...... 25158 D 2021 (Haushaltsgesetz 2021) Drucksachen 19/22600, 19/22602, I.20 Einzelplan 60 19/24535 Nr. 1 ...... 25139 B Allgemeine Finanzverwaltung Drucksache 19/23323 ...... 25159 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- I.21 Haushaltsgesetz 2021 tung durch die Bundesregierung: Finanz- Drucksachen 19/23325, 19/23326 ...... 25159 B plan des Bundes 2020 bis 2024 Drucksachen 19/22601, 19/23839 Nr. 1, 19/22602, 19/24535 Nr. 1, 19/23327 ...... 25139 B I.18 Einzelplan 11 Tagesordnungspunkt III: Bundesministerium für Arbeit und Dritte Beratung des von der Bundesregierung Soziales eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Drucksachen 19/23311, 19/23324 ...... 25139 B die Feststellung des Bundeshaushaltsplans Ulrike Schielke-Ziesing (AfD) ...... 25139 C für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltsge- setz 2021) , Bundesminister BMAS ...... 25140 D Drucksachen 19/22600, 19/22602, 19/23302, Johannes Vogel (Olpe) (FDP) ...... 25143 A 19/23305, 19/23306, 19/23309, 19/23310, 19/23311, 19/23312, 19/23313, 19/23314, Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) 19/23315, 19/23316, 19/23320, 19/23322, (CDU/CSU) ...... 25144 B 19/23323, 19/23324, 19/23325, 19/23326 . . . . 25159 D Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 25145 C (AfD) ...... 25160 A Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) 25146 C Michael Groß (SPD) ...... 25161 C (SPD) ...... 25147 C Bettina Stark-Watzinger (FDP) ...... 25162 B René Springer (AfD) ...... 25148 C Dr. André Berghegger (CDU/CSU) ...... 25163 B Hermann Gröhe (CDU/CSU) ...... 25149 C Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE) ...... 25165 B (FDP) ...... 25151 A (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 25167 C (DIE LINKE) ...... 25152 A , Bundesminister BMF ...... 25168 C Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) ...... 25153 A Dr. (AfD) ...... 25169 D (CDU/CSU) ...... 25154 A (CDU/CSU) ...... 25170 D Michael Groß (SPD) ...... 25155 A Otto Fricke (FDP) ...... 25172 C II Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Dr. (BÜNDNIS 90/ Namentliche Abstimmung ...... 25182 B DIE GRÜNEN) ...... 25174 A (SPD) ...... 25174 D Ergebnis ...... 25183 C Dr. (AfD) ...... 25175 D Nächste Sitzung ...... 25186 A (CDU/CSU) ...... 25176 A Dr. (DIE LINKE) ...... 25177 C (SPD) ...... 25177 D Anlage 1 Otto Fricke (FDP) ...... 25179 B Entschuldigte Abgeordnete ...... 25187 A Dennis Rohde (SPD) ...... 25179 D (CDU/CSU) ...... 25179 D Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . 25181 C Anlage 2 Eckhardt Rehberg (CDU/CSU) ...... 25181 D Amtliche Mitteilungen ...... 25188 A Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25139

(A) (C)

200. Sitzung

Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Für die Aussprache wurde eine Dauer von 90 Minuten Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Bitte beschlossen. nehmen Sie Platz. Die Sitzung ist eröffnet. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort der Ich habe Ihnen zunächst mitzuteilen, dass die reguläre Kollegin Ulrike Schielke-Ziesing, AfD. Präsenzpflicht am Dienstag der nächsten Sitzungswoche im Benehmen mit dem Ältestenrat aufgehoben wird. (Beifall bei der AfD) Nach § 14 Absatz 1 Satz 2 des Abgeordnetengesetzes bestimme ich daher, dass der Dienstag, 15. Dezember 2020, nicht als Sitzungstag gilt. Damit entfällt insbeson- Ulrike Schielke-Ziesing (AfD): dere die Pflicht, sich an diesem Tag in die Anwesenheits- Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und listen einzutragen. Angesichts aktueller Entwicklungen Herren! Verehrte Bürger! In diesen Coronazeiten – wir (B) füge ich hinzu: Nach jetzigem Stand sind Mittwoch bis haben es in dieser Woche schon öfter gehört – ist wenig (D) Freitag Präsenztage. normal. Die Bewältigung der Coronakrise hat erhebliche Auswirkungen auf den Bundeshaushalt. Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesordnungs- punkt I – fort: Besonders davon betroffen ist – kein Wunder – der Bereich des Einzelplans 11, Arbeit und Soziales. Der a) Zweite Beratung des von der Bundesregie- Haushaltsentwurf 2021 für das Bundesministerium für rung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes Arbeit und Soziales hat einen Umfang von insgesamt über die Feststellung des Bundeshaushalt- rund 165 Milliarden Euro und ist damit wieder der größte splans für das Haushaltsjahr 2021 (Haus- Einzelplan im Bundeshaushalt. Vom Entwurf bis zur haltsgesetz 2021) Bereinigungssitzung wuchs dieser Haushaltsplan auf Drucksachen 19/22600, 19/22602, knapp 1 Milliarde Euro auf. 19/24535 Nr. 1 Ein Teil dieses Aufwuchses ist nachvollziehbar, da sich b) Beratung der Beschlussempfehlung des einige Zuschüsse und Leistungen an die Herbstprojektion Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der und die Steuerschätzung anlehnen und dadurch zur Berei- Unterrichtung durch die Bundesregierung nigungssitzung angepasst werden. Was mich aber ärgert, sind neue Maßnahmen, die erst zur Bereinigungssitzung Finanzplan des Bundes 2020 bis 2024 auftauchen und für die dann neue Mittel beantragt wer- Drucksachen 19/22601, 19/23839 Nr. 1, den. Im letzten Jahr waren es die Hilfen für Zeitungszu- 19/22602, 19/24535 Nr. 1, 19/23327 steller, in diesem Jahr sind es knapp 5 Millionen Euro für die Förderung der Sicherung von Arbeitsplätzen an deut- Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.18 auf: schen Häfen. Das mag ja alles gut sein – oder gut hier: Einzelplan 11 gemeint. Aber fallen solche Ideen immer kurz vor der Bundesministerium für Arbeit und Soziales Bereinigungssitzung vom Himmel und werden dann noch schnell eingebracht? Sollten nicht die Abgeordneten Drucksachen 19/23311, 19/23324 aller Parteien vorher die Chance haben, sich in den Ein- Berichterstatter sind die Abgeordneten Ekin Deligöz, zelplanberatungen über diese Maßnahmen zu informie- , Michael Groß, Ulrike Schielke-Ziesing, ren? Wir sollen hier einen Blankoscheck über 5 Millionen Otto Fricke, Dr. Gesine Lötzsch. Euro ausstellen für einen Antrag, dessen Begründung nur einen Satz umfasst. Das ist nicht sauber. Zum Einzelplan 11 liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der FDP vor. (Beifall bei der AfD) 25140 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Ulrike Schielke-Ziesing (A) Sauber ausgestaltet ist leider auch nicht die Finanzie- sich viele Menschen unverschuldet in existenzieller Krise (C) rung der Grundrente. Dabei haben Sie das, Herr Minister befinden. Vor allem, da es in erster Linie die fragwür- Heil, in den Beratungen zur Grundrente immer wieder digen Lockdown-Maßnahmen einer nicht demokratisch versprochen. Nun versteckt sich die Finanzierung des legitimierten Kungelrunde der Kanzlerin mit den Minis- Ganzen in ungenau abgerechneten Bundeszuschüssen terpräsidenten waren und sind, wegen derer heute ganze und einer globalen Minderausgabe in Höhe von 400 Mil- Branchen in ihrer Existenz gefährdet sind. lionen Euro. Es wird also mit Einsparungen im eigenen Haushalt geplant, um die Grundrente finanzieren zu kön- (Beifall bei der AfD – Beate Müller-Gemmeke nen. Und was ist, wenn die geplanten Mittel nicht aus- [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was würden reichen? Werden dann wieder neue versicherungsfremde Sie denn machen? Gar nichts? – Zurufe von Leistungen generiert? Wir müssen hier vor allem eines der CDU/CSU: Oh!) sehen: Die Ausgaben für die Grundrente sind keine ein- Wenn aber Unternehmen und Beschäftigte mit immer maligen Ausgaben, die man notgedrungen dieses eine neuen Hilfsmaßnahmen gerettet werden müssen, ist die Mal im Haushalt zusammenkratzt und wo man froh ist, Frage – auch die wurde in dieser Woche öfter gestellt –: das irgendwie finanziert zu haben. Die Grundrente wird Wer soll das bezahlen, wie lange und vor allem wovon? ab dem nächsten Jahr ein stetiger Ausgabeposten im Was Sie tun, ist Folgendes: Sie stopfen Löcher mit Geld, Haushalt sein. Soll dann die Finanzierung immer so lau- das Sie nicht haben, und schieben die Belastung in die fen, über globale Minderausgaben? Zukunft. Wie wir die Grundrente solide und sauber und vor allem nachvollziehbar finanzieren können, haben wir (Dr. [CDU/CSU]: Ist doch als AfD-Fraktion in den Haushaltsberatungen aufgezeigt. geschickt!) Es wäre schön gewesen, hätten Sie, Herr Minister Heil, Zur Wahrheit gehört aber auch: Das ist nicht neu und diese Idee zur Bereinigungssitzung aufgegriffen. Aber hat mit Corona nicht viel zu tun. Die Ausgaben für gut, mit diesem von Ihnen geschaffenen Durcheinander Sozialleistungen – darum handelt es sich ja im Wesentli- wird sich dann der nächste Arbeitsminister herumschla- chen im Einzelplan 11 – steigen seit Jahren. Das ist kein gen müssen. Grund zur Freude und kein Grund, sich auf die Schulter In den Haushaltsberatungen haben wir als AfD-Frak- zu klopfen; denn unser Etat zeigt wie durch ein Brennglas tion aufgezeigt, wie sich Geld sparen ließe, wenn sich die die Schieflage einer einfallslosen und kurzsichtigen Wirt- Bundesregierung und die Länder an bestehende Gesetze schafts- und Sozialpolitik. Die Schulden von heute sind halten würden. Es geht hier um die anfallenden Kosten die Steuern von morgen. Das ist eine Binse. Ich ergänze: Die Kurzarbeiter von heute sind die Arbeitslosen von (B) für abgelehnte Asylbewerber, die nicht abgeschoben wer- (D) den. Das sind immerhin 4,4 Milliarden Euro allein im morgen und die armen Rentner von übermorgen. Einzelplan 11. Ein weiteres Einsparpotenzial ist die Bun- (Beifall bei der AfD) desbeteiligung an den Kosten der Unterkunft. Die Bun- desbeteiligung wurde prozentual erhöht, die Prüfbefug- Indem wir den Menschen über Sozialleistungen das nisse des Bundesrechnungshofes verringert. Dabei gibt es zurückgeben müssen, was wir ihnen vorher an Steuern gerade in diesem Bereich sehr viele Missbrauchsfälle. und Abgaben abgenommen haben, schaffen wir keine Der Bundesrechnungshof hat in seiner Stellungnahme Beitragszahler, sondern zukünftige Leistungsempfänger zu den KdU-Leistungen bemängelt, dass die Kosten der in einem Transferleistungsstaat, den wir uns dann nur Unterbringung von Flüchtlingen oft mehr als doppelt so nicht mehr leisten können. Das, liebe Kolleginnen und hoch liegen wie die ortsübliche Vergleichsmiete. Hier Kollegen, ist das Hauptproblem Ihrer Sozialpolitik. jetzt mehr Geld zu verteilen und weniger zu prüfen, wird die Länder und Kommunen nun gerade nicht dazu Vielen Dank. anhalten, sparsam mit diesen Mitteln umzugehen. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Wir haben außerdem einen Haushaltsvermerk einge- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: bracht, der die Höhe der Zuschüsse an die Deutsche Ren- Jetzt erteile ich das Wort dem Bundesminister für tenversicherung kritisiert und einen konsequenten Aus- Arbeit und Soziales, Hubertus Heil. gleich der versicherungsfremden Leistungen fordert. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Im Ergebnis sind wir mit diesem Haushaltsplan nicht der CDU/CSU) einverstanden und werden ihn ablehnen. Der Gesamthaushalt, wie wir ihn in dieser Woche Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Sozia- debattieren, umfasst ein Ausgabevolumen von knapp les: 500 Milliarden Euro, dem nur geschätzte 293 Milliarden Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Euro an Steuereinnahmen gegenüberstehen. Es müssen Kollegen! Das Coronavirus hat uns mit voller Wucht Schulden in Höhe von rund 180 Milliarden Euro aufge- getroffen. Das Ausmaß der Pandemie – wir erleben das nommen werden. Wir bezahlen damit also auch unsere auch heute angesichts neuer Infektionszahlen – ist histo- Sozialleistungen über Kredite. Es ist richtig und notwen- risch. Es ist allerdings eine Krise, die die gesamte Welt dig, Betrieben und Arbeitnehmern zu helfen, wenn Um- erfasst hat, und in vielen Ländern ist aus dieser Gesund- sätze einbrechen, Einkommen plötzlich wegfallen und heitskrise längst mehr geworden, nämlich eine dramati- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. 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Bundesminister Hubertus Heil (A) sche soziale Krise mit Massenarbeitslosigkeit, mit Hun- gesichert wurden. Es war richtig und vernünftig, dass wir (C) ger, mit Obdachlosigkeit, und das auch in entwickelten diese Regeln, auch mit Blick auf die aktuelle Situation, in Industriestaaten. das nächste Jahr verlängert haben. In der Autobranche In den USA beispielsweise lag die Arbeitslosigkeit in waren zwischenzeitlich fast 60 Prozent der Beschäftigten diesem Jahr streckenweise bei über 14 Prozent. Vor den in Kurzarbeit, im Gastgewerbe sogar noch viel, viel mehr. Food Banks, den amerikanischen Suppenküchen, bilde- In einzelnen Regionen war es zum Teil so, dass jeder ten sich teilweise kilometerlange Autoschlangen – auf zweite Beschäftigte in Kurzarbeit war, beispielsweise in der Suche nach Lebensmitteln. Übrigens, auch das ist Weiden in der Oberpfalz. Keiner von uns will sich vor- ein Grund, warum es gut ist, dass – hoffentlich – jetzt stellen, wie es in diesen Branchen und Regionen ausge- ein amerikanischer Präsident ins Weiße Haus einzieht, sehen hätte, wenn es kein Kurzarbeitergeld gegeben hät- der ein soziales Gespür hat. te. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie Frau Schielke-Ziesing, das, was Sie sagen, ist wahr- des Abg. Johannes Vogel [Olpe] [FDP]) heitswidrig. Die meisten Menschen sind von Kurzarbeit in Beschäftigung zurückgekehrt. Meine Damen und Herren, auch bei uns hat die Pande- mie unsere Wirtschaft schwer erschüttert. Trotz dieser (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) massiven wirtschaftlichen Erschütterung ist in Deutsch- Wir hatten im Mai 6 Millionen Menschen in Kurzarbeit, land aus dieser Pandemie kein soziales Erdbeben gewor- jetzt sind es 2,5 Millionen; die Zahl steigt wieder an. Aber den. Kurzarbeit ist eine Brücke in Arbeit und in der Regel (Zuruf von der AfD]: Noch nicht!) eben nicht in Arbeitslosigkeit. Auch bei uns ist die Arbeitslosenquote durch die Krise (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der um 1,1 Prozentpunkte gegenüber dem Vorjahr auf 5,9 Pro- FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN) zent gestiegen. Aber ich will sagen: Angesichts der mas- Ja, es ist richtig: Kurzarbeit kostet sehr viel Geld. Seit siven wirtschaftlichen Erschütterungen ist das weit weni- Jahresbeginn haben wir fast 20 Milliarden Euro für das ger, als es zu befürchten stand. Liegt das daran, dass wir konjunkturelle Kurzarbeitergeld und die Erstattung von mehr Glück gehabt haben als die Amerikaner? Sozialversicherungsbeiträgen für die Betriebe aufge- (Zuruf von der AfD: Mehr Geld!) wandt. Aber ich sage Ihnen auch: Massenarbeitslosigkeit und die Rückkehr von Massenarbeitslosigkeit wäre für Die Antwort ist: Nein, das liegt daran, dass wir in dieses Land finanziell, wirtschaftlich und sozial viel teu- Deutschland einen der leistungsfähigsten Sozialstaaten rer. der Erde haben, (B) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (D) (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der CDU/CSU) bei Abgeordneten der FDP) Wir haben die Kraft, dafür zu sorgen, dass in dieser Krise einen Sozialstaat, der sich gerade in dieser Krise auch dauerhafte Massenarbeitslosigkeit nach Deutschland bewährt, einen Sozialstaat, in dem übrigens seit Monaten nicht zurückkehrt. Da hilft die Kurzarbeit. Deshalb dür- und auch im Moment Zehntausende von Beschäftigten fen Sie dieses Instrument nicht so madig machen, wie Sie für soziale Sicherheit sorgen. Ob die Pflegerin in der das hier gerade getan haben. Klinik oder der Sachbearbeiter in der Arbeitsagentur: Dieser Sozialstaat ist einer, indem viele Menschen jetzt (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie mithelfen, dass Hilfen auch ankommen. bei Abgeordneten der LINKEN – Widerspruch bei der AfD) Dieser Sozialstaat, meine Damen und Herren – ich sage das gerade in Bezug auf die Vorrede –, wirkt auch Arbeit, meine Damen und Herren, hat einen Wert für wie ein Immunsystem für unsere Gesellschaft. Dieses diese Gesellschaft, einen Wert auch für gesellschaftlichen Immunsystem schützt uns vor den sozialen, aber eben Zusammenhalt, einen Wert aber auch für die Menschen auch den politischen Infektionen in der Krise; denn da, an sich, nämlich selbstbestimmt leben zu können. Es gibt wo Vertrauen in soziale Sicherheit verloren geht, gewin- aber auch eine andere Seite, wenn wir über den Wert der nen politische Scharlatane. Lassen Sie mich das deutlich Arbeit reden. sagen: Egal ob sie innerlich Pickelhaube, Stahlhelm oder Wir haben in dieser Coronakrise erlebt, dass viele Aluhut tragen, das werden wir in Deutschland nicht Menschen, die den Laden am Laufen halten, viel Applaus zulassen. bekommen haben, aber zu wenig Lohn. Deshalb war es (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP wichtig, dass wir gerade in diesen Zeiten, Frau Schielke- und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie Ziesing, die Grundrente nicht gestrichen haben, sondern des Abg. Dr. [DIE LINKE]) sie für die Menschen, die ihr Lebtag gearbeitet haben – das sind vor allem Frauen – und aufgrund von viel zu Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir debat- niedrigen Löhnen nicht genug Rente bekommen, einzu- tieren in dieser Woche einen Haushalt mit außergewöhn- führen. Sie wird zum 1. Januar allen Widerständen zum lich hohen Ausgaben. Dazu gehören auch die Ausgaben Trotz in diesem Land eingeführt, meine Damen und Her- für das Kurzarbeitergeld, für den erleichterten Zugang ren. zur Grundsicherung und die Ausbildungsprämie. Wir haben mit dem Kurzarbeitergeld dafür gesorgt, dass in (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der Krise Millionen von Arbeitsplätzen in Deutschland der CDU/CSU) 25142 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Bundesminister Hubertus Heil (A) Es ist auch richtig, dass der Mindestlohn steigt. Die industrie, wo wir seit vielen Jahren ein System der Aus- (C) Mindestlohnkommission hat entsprechende Empfehlun- beutung erlebt haben, das unter den Bedingungen der gen auf den Weg gebracht. Pandemie zu einem großen Gesundheitsrisiko für viele Menschen geworden ist. Deshalb bin ich den Koalitions- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ein fraktionen außerordentlich dankbar, dass wir in der Trippelschrittchen!) nächsten Woche – da bin ich zuversichtlich – das Arbeits- – Ja, kleinen Moment mal. – Die Kommission wird zum schutzkontrollgesetz durchsetzen, um mit solchen aus- 1. Januar einen Schritt in die richtige Richtung gehen. beuterischen Verhältnissen aufzuräumen. (Otto Fricke [FDP]: Sie wollen immer mehr!) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Wir feiern jetzt fünf Jahre Mindestlohn. Der Mindestlohn der CDU/CSU) hat übrigens – im Gegensatz zu dem, was vor fünf Jahren Ich habe aber bei den Koalitionsfraktionen auch die behauptet wurde – keine Arbeitsplätze vernichtet. Im Hoffnung, dass wir, wenn wir über die Würde der Arbeit Gegenteil: Er hat die Kaufkraft gestärkt. reden, nicht nur den nationalen Blick haben, sondern im Kampf um menschenwürdige Arbeitsbedingungen unse- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) rer Verantwortung auch weltweit gerecht werden. Des- Ich sage aber auch: Die Mindestlohnerhöhung kann für halb setze ich darauf, dass wir zu einer Einigung beim die Menschen, die jetzt den Laden am Laufen halten, die Lieferkettengesetz kommen. Meine Damen und Herren, zum Beispiel Regale in unseren Supermärkten einräu- es geht an dieser Stelle nicht um Kapitalinteressen, son- men, nur ein Zwischenschritt sein. Wir müssen – darüber dern es geht um Menschenwürde. werden wir reden; ich werde dazu Vorschläge machen – den Mindestlohn weiter erhöhen und weiterentwickeln, (Beifall bei der SPD sowie den Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU] und Matthias W. Birkwald meine Damen und Herren. Auch das ist notwendig. [DIE LINKE]) (Beifall bei der SPD – Matthias W. Birkwald Es geht also um den Wert der Arbeit und die Würde der [DIE LINKE]: Unbedingt! – Dr. Dietmar Arbeit. Es geht aber gerade in dieser Pandemie auch um Bartsch [DIE LINKE]: Schneller!) den Wandel der Arbeit; denn Corona wird vieles Aber vor allen Dingen müssen wir dafür sorgen, dass beschleunigen: in der Digitalisierung, im Strukturwandel wir oberhalb des Mindestlohns wieder zu mehr Tarifbin- unserer Industrie, aber auch in der Art und Weise, wie wir dung in diesem Land kommen; denn Tarifbindung heißt arbeiten. Deshalb ist es wichtig, dass wir in der Krise in der Regel bessere Löhne und Gehälter. Wir haben über nicht nur Krisenmanagement machen, sondern auch viele Jahrzehnte einen Rückgang der Tarifbindung in Zukunftsvorsorge betreiben. Das tun wir in diesem Haus- (B) Deutschland erlebt, zum Beispiel im Einzelhandel, wo halt, indem wir beispielsweise mithelfen, den Instrumen- (D) nur noch 20 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden ten, die wir jetzt geschaffen haben, Flügel zu verleihen, sind, aber zum Beispiel auch in der Altenpflege, wo damit die Beschäftigten von heute auch die Chance auch nur 20 Prozent der Beschäftigten tarifgebunden haben, die Arbeit von morgen zu machen. Es geht um sind. die Instrumente, die die Kurzarbeit mit Qualifizierung Wir reden alle immer so schön über die Helden und verbinden, die Instrumente, die vor allen Dingen kleinen Heldinnen des Alltags, und wir klatschen hier im Bundes- und mittelständischen Unternehmen bei der Fachkräfte- tag auch ganz kräftig für sie. Aber Klatschen zahlt für die sicherung helfen. Im Sinne der Beschäftigungsfähigkeit Pflegerinnen und Pfleger keine Rechnung und keine Mie- der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sorgen wir da- te. Deshalb haben wir nicht nur den Mindestlohn erhöht, mit dafür, die Krise für Qualifizierung und Weiterbildung und zwar differenziert erhöht, auch für Pflegehilfskräfte zu nutzen. und für qualifizierte Pflegekräfte, sondern wir haben die Es geht aber auch um das mobile Arbeiten. Wir arbei- Chance für einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag ten an einem Rechtsrahmen, der mithilft, dieser neuen eröffnet. Wenn der Antrag vorliegen wird, wir ihn prüfen Realität für viele Beschäftigte Rechnung zu tragen, und die Voraussetzungen erfüllt sind, will ich, dass wir im indem wir da, wo es möglich ist, den Beschäftigten recht- nächsten Jahr für die Altenpflege diesen Tarifvertrag für lich den Rücken stärken, auch einmal ein, zwei Tage allgemeinverbindlich erklären, meine Damen und Her- Homeoffice machen zu können, aber auch dafür sorgen, ren. dass Homeoffice nicht zur Entgrenzung von Arbeit und Privatleben führt. Auch im Homeoffice, meine Damen (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten und Herren, muss einmal Feierabend sein. Das ist Teil der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten. GRÜNEN) Es geht also um den Wert der Arbeit in der Krise. Aber (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten es geht auch um die Würde der Arbeit. Der Harvard- der CDU/CSU) Philosoph Michael Sandel hat es auf den Punkt gebracht – Herr Präsident, meine Damen und Herren, es geht in ich zitiere mit der Genehmigung des Präsidenten –: Unser diesen Zeiten darum, unser Land zusammenzuhalten. Wir größtes Problem ist die wachsende Ungleichheit, nicht haben nach wie vor schwierige Monate vor uns. Am nur mit Blick auf Einkommen und Wohlstand, sondern Wochenende sind Entscheidungen zu treffen, die wiede- auch mit Blick auf die soziale Wertschätzung. – Ich sage rum wahrscheinlich unser gesellschaftliches und wirt- das, weil wir in der Krise auch erlebt haben, dass es an schaftliches Leben einschränken werden, um die Gesund- Wertschätzung gefehlt hat, zum Beispiel in der Fleisch- heit von Menschen zu schützen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25143

Bundesminister Hubertus Heil (A) Aber Sie können sich, meine Damen und Herren, auch bis heute keinen guten Rechtsrahmen für mobiles Arbei- (C) draußen an den Bildschirmen, darauf verlassen: Diese ten und Homeoffice, sondern wir drängen Menschen der- Bundesregierung kämpft um jeden Arbeitsplatz. Diese zeit millionenfach in rechtliche Grauzonen; das ist die Bundesregierung weiß um den Wert, die Würde und Realität. Das Gesetz liegt noch nicht vor. den Wandel der Arbeit, und das kennzeichnet auch diesen (Zustimmung der Abg. Antje Lezius [CDU/ Haushalt. CSU]) Herzlichen Dank. – Da nicken selbst Kolleginnen und Kollegen der Union. (Beifall bei der SPD und der CDU/CSU) Wir haben einen erschreckenden Zustand der Digitali- sierung in diesem Land. Der DigitalPakt Schule kam Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: doch viel zu spät und ist bis heute nicht ausreichend aus- Johannes Vogel, FDP, ist der nächste Redner. gerollt. Ich finde auch, es ist ein Armutszeugnis, dass Novemberhilfen für die Unternehmen in diesem Land (Beifall bei der FDP) im Januar erst ausgezahlt werden können, weil die ent- sprechende Software noch programmiert werden muss, Johannes Vogel (Olpe) (FDP): liebe Kolleginnen und Kollegen. Das ist zu wenig. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 2020 war in der Tat – ich glaube, das kann man so sagen – ein (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten furchtbares Jahr: Sorgen um die Gesundheit, Sorgen um der LINKEN) die Gesundheit der Lieben, der eigenen Familie, Sorgen Das zeigt, wie wichtig Vorausschau ist. Mit Blick auf um die wirtschaftliche Existenz, Depressionen, familiäre Vorausschau, lieber Hubertus Heil, sehr geehrter Herr Herausforderungen, Beklemmung durch die Einschrän- Arbeitsminister, muss ich sagen: Also, Zukunftsvorsorge, kungen, durch die Enge. Ich glaube, das treibt uns dieser wie Sie das eben genannt haben, die finde ich in diesem Tage alle um. Haushalt zu wenig. Im Gegenteil: Der größte Posten des In der Tat – da will ich dem Arbeitsminister zustim- Haushalts des Bundesarbeitsministeriums ist der Zu- men –: Ich glaube, es ist gut, dass wir hier in Gemein- schuss zur Rente. samkeit der Demokraten dafür gesorgt haben – da hat die (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist Regierung auch unsere Unterstützung; das weiß sie auch gut so!) auch –, dass die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt Jeder, der sich seriös mit der Rente beschäftigt und in Gott sei Dank erheblich geringer waren als in vielen längeren Zeiträumen als in Legislaturperioden denkt, anderen Ländern. Das ist eine gute Nachricht, die, glaube der weiß: Dieses Land ist katastrophal vorbereitet auf (B) ich, Regierung und Opposition hier eint, liebe Kollegin- die demografische Herausforderung, die in diesem Jahr- (D) nen und Kollegen. zehnt auf uns zukommt. – Da haben Sie zur Verschlech- (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie terung beigetragen, und nicht zur Vorsorge, liebe Kolle- bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN) ginnen und Kollegen. Die zweite gute Nachricht ist, dass es Hoffnung auf (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Ekin Licht am Ende des Tunnels gibt. In beeindruckender Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zeit, noch nicht mal ein Jahr nach Entdeckung dieser Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber Pandemie, hat die Menschheit jetzt schon mehrere seriöse euer Vorschlag würde es nicht besser machen!) Impfstoffe in Zulassungsverfahren. Das hat es so noch nie Das müssen wir besser machen, gegeben. Wenn man die eigene Vorstellungskraft ein ganz klein bisschen bemüht, dann kann man wissen: Wir wer- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber den uns wieder umarmen, wir werden wieder reisen nicht so, wie ihr es wollt!) können, damit es nicht zum Lockdown des Horizonts aber nicht so, wie die Linkspartei das will, sondern ganz kommt – all das wahrscheinlich zu einem Zeitpunkt, der im Gegenteil: mit zukunftsfester und enkelfitter Rente, näher liegt, als uns die Pandemie bisher beschäftigt. Das liebe Kolleginnen und Kollegen. ist eine großartige Aussicht zum Ende des Jahres; auch das muss man sich einmal vergegenwärtigen, liebe Kol- Die zweite Lehre, die man aus diesem Jahr ziehen leginnen und Kollegen. kann, ist: Fortschritt und Innovation geben uns Hoffnung für den Weg aus der Krise. Schauen wir mal auf den (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten BioNTech-Impfstoff. Ginge es nach der AfD, dann hätte der CDU/CSU) es die Gründer dieses Unternehmens als Kinder türki- Was wir heute tun sollten, wenn wir den Bundeshaus- scher Einwanderer in Deutschland nie gegeben, halt 2021 beraten, ist, darüber nachzudenken, was wir aus ( [AfD]: Das ist doch Unsinn!) diesem furchtbaren Jahr 2020 für die Zukunft lernen kön- nen. Da will ich mal zwei Lehren aus meiner persönli- und es ist großartig, dass wir sie in diesem Land haben. chen Sicht und aus Sicht meiner Fraktion nennen: (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD, Erstens. Man muss festhalten: Absehbare Versäumnis- der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE se holen einen in der Krise ein, liebe Kolleginnen und GRÜNEN) Kollegen. Da ist dieses Jahr auch reich an Erfahrungen Man muss aber ehrlicherweise auch sagen: Ginge es nach gewesen. Pandemiepläne waren nicht ausreichend um- dem einen oder anderen harten Kritiker von Kapitalismus gesetzt mit entsprechender Vorratshaltung. Wir haben und Globalisierung, hätte es wahrscheinlich die Koopera- 25144 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Johannes Vogel (Olpe) (A) tion mit dem Pharmamulti Pfizer nie gegeben, und ich Vor diesem Hintergrund haben wir auf Basis des erst (C) sage: Es ist auch gut, dass wir die haben, liebe Kollegin- spät vorgelegten Haushaltsentwurfs der Bundesregierung nen und Kollegen. für das kommende Jahr in den Beratungen der vergange- nen Wochen einige notwendige Akzente, vor allem im (Beifall des Abg. Otto Fricke [FDP]) Bereich der Rentenversicherung, der Arbeitsmarktpolitik Aber was können wir daraus für die Zukunft lernen? und im Ausbildungsbereich, gesetzt. Die im ersten Regie- Ich finde, zweierlei: Erstens. Wir brauchen auch in Zu- rungsentwurf geplanten Ausgaben, die bereits um 21 Mil- kunft mehr Einwanderung in diesem Land und deshalb liarden Euro über den vor einem Jahr geplanten Ausga- endlich ein modernes Einwanderungsgesetz, wie uns das ben lagen, wurden für das kommende Jahr noch um Kanada, Neuseeland und andere vormachen, liebe Kolle- knapp 1 Milliarde Euro auf 165 Milliarden Euro allein ginnen und Kollegen von der Koalition. Da ist diese im Bereich Arbeit und Soziales ausgeweitet. So wollen Legislaturperiode zu wenig passiert. wir dazu beitragen, den entstandenen und weiter entste- henden Schaden für die Betroffenen möglichst kleinzu- (Beifall bei der FDP) halten. Zweitens. Unternehmertum und Gründer sind es eben Meine Damen und Herren, die Aufwüchse resultieren auch, die Innovation fördern. Das ist auch der Grund, im Wesentlichen aus Ansatzerhöhungen bei der Beteili- lieber Hubertus Heil, warum wir so erschreckt sind, wie gung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Hei- Sie mit den Selbstständigen in diesem Land umgehen. zung. Hier übernimmt der Bund verstärkt ehemals rein Die leben nämlich Unternehmertum jeden Tag, und die kommunale Aufgaben und Verpflichtungen zur Daseins- lassen Sie als einzige Gruppe katastrophal im Regen ste- vorsorge für sozial Bedürftige. Beim Arbeitslosengeld II hen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition. mussten angesichts verschlechterter Aussichten auf dem Arbeitsmarkt, aber auch wegen rechtlicher Änderungen (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten noch 300 Millionen Euro draufgepackt werden. In Erwar- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) tung einer erhöhten Inanspruchnahme des Kurzarbeiter- Das muss sich in den nächsten Wochen endlich ändern. geldes auch im kommenden Jahr haben wir den von der Dann haben wir aus 2020 die richtigen Lehren für 2021 Bundesregierung vorgesehenen Zuschuss an die Bundes- gezogen. agentur für Arbeit um 250 Millionen Euro angehoben. Die Ausgaben für arbeitsmarktpolitische Leistungen Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. und Programme sowie für den Zuschuss an die Bundes- (Beifall bei der FDP) agentur für Arbeit summieren sich damit auf 48,8 Milliar- den Euro. (B) (D) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Erfreulicherweise zeigt sich unser Arbeitsmarkt der- Axel Fischer, CDU/CSU, erhält als nächster Kollege zeit trotz der teilweise erheblichen wirtschaftlichen Ein- das Wort. brüche noch relativ stabil. Zwar liegt die Zahl der Arbeitslosen rund eine halbe Million über der des Vor- (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Otto jahrs, und auch die Zahl der Kurzarbeiter dürfte derzeit Fricke [FDP]) deutlich höher liegen als noch mit 2,2 Millionen im Sep- tember, aber die Nachfrage nach Arbeitskräften hat sich von April bis zum erneuten Lockdown Anfang Novem- Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): ber merklich erholt. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mei- ne Damen und Herren! Der Haushaltsentwurf 2021 für Welche Folgen sich angesichts der neuen Beschrän- den Bereich Arbeit und Soziales, den wir heute hier kungen für die Beschäftigten in den ohnehin besonders debattieren, ist ein wichtiger Beitrag, um die aktuellen betroffenen Sektoren wie Hotel, Gaststätten, Ausbildung und die zu erwartenden negativen Auswirkungen der und Kultur bzw. dem Dienstleistungssektor insgesamt seit Frühjahr bestehenden Coronakrise abzufedern und und auch im kränkelnden verarbeitenden Gewerbe erge- gleichzeitig die erfolgreiche Modernisierungspolitik der ben, ist derzeit nicht absehbar. Offenkundig sind jedoch – Koalition fortzusetzen. nach den Meldungen über Entlassungen und Konkurse im industriellen Bereich und ersten Insolvenzen größerer Nach einem Jahrzehnt wirtschaftlichen Aufschwungs Dienstleister –, insbesondere im Automobilbereich, Be- sind Wirtschaft und Gesellschaft durch Corona in schwe- richte über umfassende Produktionsverlagerungen ins re Fahrwasser geraten. Nach ersten Erholungszeichen im Ausland. Gerade auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Sommer verschärft sich mit dem von der Bundeskanzle- Merkel hat bereits mehrfach von einer Verschiebung der rin Dr. und den Ministerpräsidenten der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse aufgrund der Corona- Länder verhängten Lockdown die wirtschaftliche Situa- krise zulasten Europas und zugunsten Chinas und Süd- tion seit Anfang November zusehends. Unser soziales ostasiens gesprochen. Leben ist erheblich eingeschränkt. Wirtschaftlich, am Ausbildungs- und am Arbeitsmarkt läuft es nicht gut. Da stellt sich uns dann die Frage, ob wir die Corona- Die kurze wirtschaftliche Erholung des Sommers wurde krise ebenso durchstehen können wie die Finanzkrise unterbrochen. Die aktuelle Verlängerung der Coronaein- 2009 bzw. wie wir das am besten hinbekommen. Mit schränkungen bis ins neue Jahr verschlechtert den Aus- dem Kurzarbeitergeld ist es uns bislang gelungen, in eini- blick weiter. Es scheint fast so, als drohe unsere Gesell- gen Bereichen die schlimmsten Folgen abzufedern. Aber schaft auseinanderzudriften. Kurzarbeitergeld ist kein Geschäftsmodell, und dauerhaft Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25145

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (A) finanzierbar ist es aus leeren öffentlichen Kassen bei Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) erheblicher staatlicher Neuverschuldung schon gar nicht. Dr. Gesine Lötzsch, Die Linke, erhält jetzt das Wort. Wohlstand wird von leistungsfähigen Arbeitskräften an produktiven Arbeitsplätzen erwirtschaftet, nicht durch (Beifall bei der LINKEN) die Auszahlung von Lohnersatzleistungen. (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Meine Damen und Herren, angesichts der erheblichen Damen und Herren! In der Tat: Der Etat für Arbeit und derzeitigen Bedrohung und Aushöhlung großer Teile der Soziales ist der größte im Bundeshaushalt. Doch ist des- wirtschaftlichen Basis unseres Gemeinwesens muss halb dieser Haushalt insgesamt sozial gerecht? Da müs- unser Hauptaugenmerk daher insbesondere auf die Siche- sen wir eindeutig Nein sagen, meine Damen und Herren; rung von Arbeitsplätzen und Ausbildungsplätzen gerich- tet sein. Es wäre fatal, wenn nach dem noch gut verlauf- (Beifall bei der LINKEN – Zuruf von der FDP: enden aktuellen Ausbildungsjahr 2020 im kommenden Überraschung!) Jahr 2021 junge Menschen aufgrund der aus wirtschaft- denn es gibt Gewinner und Verlierer, und das muss sich lichen Gründen notwendigen Zurückhaltung von Unter- ändern. nehmen keine Ausbildung antreten könnten. Schauen wir in den Armutsbericht 2020 des Paritäti- Die aktuell gestiegene Zahl an Jugendarbeitslosen ist schen Gesamtverbandes. Dort steht: 13 Millionen Men- ein deutliches Warnsignal. Wir müssen unbedingt ver- schen sind in unserem reichen Land arm. – Das ist doch meiden, dass eine junge Coronageneration jetzt durch wirklich ein trauriger Rekord im 30. Jahr der deutschen Unterrichtsausfall, vermeidbare emotional-soziale Belas- Einheit. Das hat nichts mehr mit sozialer Marktwirtschaft tungen oder fehlende Arbeits- oder Ausbildungsplätze zu tun, das ist purer Kapitalismus, und dagegen steht Die um Lebenschancen gebracht wird und so zu einer zusätz- Linke, meine Damen und Herren. lichen erheblichen Belastung für unser Gemeinwesen gemacht wird. (Beifall bei der LINKEN) Daher begrüße ich ausdrücklich die Initiative der Bun- Besonders stark betroffen sind Alleinerziehende, Er- desregierung zur Sicherung von Ausbildungsplätzen. Mit werbslose, Menschen mit niedriger Qualifikation und Ausbildungsprämien, Übernahmeprämien sowie über Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Besonders Zuschüsse wird kleinen und mittleren Unternehmen seit bemerkenswert ist, dass die größte Gruppe der Armen August dieses Jahres bei ihrem Ausbildungsengagement erwerbstätig ist. Das ist doch eine Bankrotterklärung für geholfen. Etwa 20 000 Prämien- und 900 Zuschussanträ- die Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung. Das muss (B) ge wurden bislang bewilligt. Es ist zu hoffen, dass es mit sich dringend ändern, meine Damen und Herren. (D) unternehmerischem Willen und dem Programm „Ausbil- (Beifall bei der LINKEN) dungsplätze sichern“ insgesamt gelingt, die Ausbildungs- plätze für die Fachkräfte der Zukunft im wirtschaftlichen Darum fordert die Linke einen Mindestlohn von 12 Euro Mittelstand als dem Herzen unserer Wirtschaft zu pro Stunde und einen Hartz-IV-Satz von 658 Euro im sichern. Nur gemeinsam können wir erfolgreich an einer Monat, damit alle menschenwürdig leben können. Das guten Zukunft für unser Land arbeiten. ist unser Ziel. Meine Damen und Herren, abschließend noch ein Wort (Beifall bei der LINKEN) zur Entwicklung der Eingliederungstitel für Langzeit- Wir sagen Ihnen auch ganz deutlich: Die Regierung arbeitslose. Richtig ist, dass das Gesamtbudget zur Ein- muss gegen Unternehmen vorgehen, die mit legalen und gliederung von Langzeitarbeitslosen mit etwas mehr als illegalen Methoden Menschen um ihren gerechten Lohn 10 Milliarden Euro konstant auf erhöhtem Niveau ver- bringen. Lohnbetrug darf nicht länger ein Kavaliersdelikt bleibt. Mit weiteren zusätzlichen Mitteln von bis zu sein. über 1 Milliarde Euro wollen wir Langzeitarbeitslosen in einem ganzheitlichen Ansatz den Weg in den Arbeits- (Beifall bei der LINKEN) markt ebnen. Die Mittel haben sich bisher als auskömm- Für uns ist auch unerträglich, dass mit Steuergeldern die lich erwiesen. Entlassung von Tausenden Menschen bei der Lufthansa Abschließend möchte ich allen, die mitgeholfen haben, finanziert wurde. Wir sagen deutlich: kein Steuergeld für diesen Etat auf den Weg zu bringen, sehr herzlich danken, Entlassungsmanager und Großaktionäre. insbesondere Ekin Deligöz als Hauptberichterstatterin (Beifall bei der LINKEN) und den Mitberichterstattern Michael Groß, Ulrike Schielke-Ziesing, Gesine Lötzsch und Otto Fricke. Es Gerne wird hier im Bundestag von den Menschen war eine ausgezeichnete, inhaltlich gute Zusammenar- gesprochen, die früh aufstehen und zur Arbeit gehen. beit. Mein Dank gilt auch dem Ministerium und der Bun- Mal nebenbei: Was ist eigentlich mit denen, die Nacht- desagentur für Arbeit. Ich freue mich auf die weitere schichten schieben? Zusammenarbeit im kommenden Jahr. (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Herzlichen Dank. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Danke!) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Wie ist deren Situation? Die Bruttomonatsverdienste neten der SPD und des Abg. Otto Fricke waren im zweiten Quartal 4 Prozent niedriger als im Vor- [FDP]) jahreszeitraum, sagt das Statistische Bundesamt, und die 25146 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Dr. Gesine Lötzsch (A) Verbraucherpreise stiegen um 0,8 Prozent. Das ist ein Es reicht nicht, sie in Talkshows zu fordern, Herr Scholz. (C) realer Verlust von 4,7 Prozent, der historisch stärkste Die Vermögensabgabe muss hier im Bundestag beschlos- seit 2007. Das können wir nicht hinnehmen. sen werden. Und wenn die Union das ablehnt, liebe Kol- leginnen und Kollegen von der SPD, dann ziehen Sie (Beifall bei der LINKEN) doch endlich mutig den Koalitionsstecker! Gleichzeitig sind die Vermögen der Milliardäre in der Vielen Dank. Krise explodiert. Wenn die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird, dann muss der Staat endlich (Beifall bei der LINKEN) entschieden umsteuern. Und ich sage Ihnen ganz deut- lich: Unsere Forderung nach einer Vermögensabgabe Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: hat überhaupt nichts mit einer Neiddebatte zu tun, son- Nächste Rednerin ist die Kollegin Ekin Deligöz, Bünd- dern es ist genau das Gegenteil, nämlich die Forderung, nis 90/Die Grünen. endlich soziale Gerechtigkeit herzustellen, meine Damen (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Herren. (Beifall bei der LINKEN) Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schauen wir uns mal ein konkretes Beispiel an. Staats- Guten Morgen, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und sekretär Kukies von der SPD sitzt im Aufsichtsrat der Kollegen! Herr Minister! Ja, es ist richtig: Wir haben Deutschen Post. Also weiß er genau, dass der Chef des einen starken Sozialstaat. Aber das ist nichts Statisches, Unternehmens das 232-Fache des durchschnittlichen das ist auch kein Selbstläufer, und es ist erst recht keine Einkommens eines Beschäftigten erhält. Damit ist die Selbstverständlichkeit. Man muss auch etwas dafür tun, Deutsche Post auf Platz eins der Liste mit der größten dass der starke Sozialstaat stark bleibt. Und da, finde ich, Gehaltsdifferenz zwischen Vorstandsvorsitzenden und tun Sie zu wenig, und das will ich Ihnen in meiner Rede Beschäftigten. Das muss Sie doch stören, liebe Kollegin- hier zeigen. nen und Kollegen von der SPD. Tun Sie was dagegen! Ich fange mit dem Thema Rente an. Es ist nicht so sehr im Fokus, aber es wird uns wieder einholen. Vieles von (Beifall bei der LINKEN) dem, was bei der Rente auf uns zukommt, war eigentlich Konkreter Vorschlag: Nehmen wir uns ein Beispiel an schon vor der Krise klar, und da haben Sie auch schon zu Kalifornien. In Zukunft zahlt dort jedes Unternehmen, wenig gehandelt. Sie haben die Finanzierungsprobleme dessen Führungskraft 100-mal mehr verdient als ein einfach in die Zukunft geschoben. durchschnittlicher Arbeitnehmer, einen Zuschlag auf die Ich mache es konkret: Für die Mütterrente werden (B) jährliche Gewerbesteuer. Machen Sie von der SPD sich 11 Milliarden Euro im Moment komplett aus der Renten- (D) diesen Vorschlag zu eigen! kasse, von den Beitragszahlerinnen und -zahlern, finan- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, Sie müssen viel ziert. Darauf haben Sie immer noch keine Antwort. Der Geld für Soziales ausgeben, weil das Steuersystem unso- Demografiebeitrag – es geht um 2 Milliarden Euro –, der zial ist. Es begünstigt die Vermögenden und bestraft die ja hätte kommen sollen, ist jetzt aus dem kommenden arbeitenden Menschen. Wo sind denn zum Beispiel die Etat gestrichen, und zwar komplett. Das heißt, Sie haben Milliarden aus der Finanztransaktionsteuer, die uns ver- uns zwar etwas in Aussicht gestellt, aber Sie halten das sprochen wurden? nicht ein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN) Die Rentenkommission, die Sie uns jahrelang groß als diejenige prophezeit haben, die Ergebnisse erbringen Die Grundrente sollte damit finanziert werden. soll, hat faktisch keine Ergebnisse geliefert. Ihre Grund- (Otto Fricke [FDP]: Hättet ihr mal einen Ge- rente ist nicht solide und redlich finanziert. 400 Millionen setzentwurf vorgelegt!) Euro sollen aus der globalen Minderausgabe finanziert werden. Für ein Jahr kriegen Sie das hin. Was machen Meine Damen und Herren, schauen wir noch einmal in Sie dann aber übernächstes Jahr? Was machen Sie über- den Paritätischen Armutsbericht 2020. Dort steht: Die mit übernächstes Jahr? Insgesamt müssen Sie sogar 700 Mil- Abstand stärkste Zunahme des Armutsrisikos betrifft die lionen Euro aus Ihrer GMA finanzieren, und das in einem Rentnerinnen und Rentner, und deren Armutsquote ist Etat, in dem die meisten Mittel für gesetzliche Leistungen seit 2006 um 66 Prozent gestiegen. – Wir sagen Ihnen: gebunden sind. Da haben Sie nur zwei Alternativen, um Die Grundrente wird dieses Problem nicht ansatzweise das hinzubekommen. Entweder müssen wir im nächsten lösen. Darum fordern wir als Linke eine solidarische, Jahr frisches Geld zuschießen, oder Sie fangen irgend- armutsfeste Mindestrente, die diesen Namen wirklich wann an, gesetzliche Leistungen zu kürzen. Gerade in verdient, meine Damen und Herren. einer Pandemie kann das doch nicht die Antwort sein, Herr Minister. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das Grundproblem liegt in unserem Steuersystem, und ein erster Schritt zu mehr sozialer Gerechtigkeit wäre Ja, das Kurzarbeitergeld ist gut, es ist wichtig, es hält eine Vermögensabgabe. auch dieses Land stabil. Aber es gibt auch Menschen, die trotz Kurzarbeitergeld nun langsam in Armut kommen, (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) die schmerzhafte Einkommensverluste hinnehmen müs- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25147

Ekin Deligöz (A) sen. Wir als Grüne haben Ihnen da sehr gute Vorschläge Wir tun das, auch in der Überzeugung, dass das zu unse- (C) gemacht. Ein Vorschlag war, die Bemessung der Grund- rer Demokratie dazugehört. Ich hoffe, dass ich auch Sie lage von der Steuerklasse abzukoppeln. Ein anderer Vor- dafür gewinnen kann. schlag war, dass wir Menschen mit niedrigen Löhnen Vielen Dank. einen höheren Beitrag geben. Betroffen sind davon vor- wiegend Frauen, Herr Minister. Fakt ist: In diesem Land (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ist Armut weiblich und jung. Sie trifft die Alleinerzieh- enden; sie trifft die Frauen, und sie trifft die Familien. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Herr Minister, Sie sind noch nicht mal darauf eingegan- gen. Wir haben Ihnen vorgeschlagen, den Bundeszu- Jetzt erteile ich das Wort der Kollegin Katja Mast, schuss für die Bundesagentur für Arbeit im nächsten SPD. Jahr um eine weitere Milliarde zu erhöhen. Der Hinter- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten grund war genau das: Spielräume zu schaffen, damit Sie der CDU/CSU) flexibel reagieren können und die Umsetzung unserer Vorschläge gegenfinanzieren können. Sie sind noch nicht einmal verbal darauf eingegangen, was man in diesem Katja Mast (SPD): Bereich tun muss, trotz Kenntnis der Tatsache – das Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und haben Sie selber mehrfach zugegeben-, dass es so ist. Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich Weggucken ist doch keine Lösung! bin froh, dass wir mit diesem Haushalt mit 165 Milliarden Euro für den Bereich Arbeit und Soziales richtig Geld in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Hand nehmen. Wir haben einen Haushalt vor uns, der sowie des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LIN- sozialen Fortschritt bringt, für das ganze Land: einen KE]) Haushalt für Zusammenhalt und soziale Sicherheit, einen Haushalt, der Zuversicht gibt und Vertrauen schafft, gera- Völlig unverständlich ist mir, ehrlich gesagt, auch, de auch in dieser Pandemie. Das ist deshalb für uns so dass Sie bei der Jobcenterfinanzierung nicht weiter- wertvoll, weil es letztendlich schlichtweg auch gesell- kommen. Wir wissen, dass im Moment die Zugänge zur schaftlich notwendig ist, in den sozialen Zusammenhalt Grundsicherung moderat sind. Wir wissen aber nicht, wie zu investieren, und weil viele Bürgerinnen und Bürger wir aus dieser Pandemie herauskommen werden. Wir übrigens die Solidarität auch mit uns allen gemeinsam wissen auch nicht, wie hoch die Zahl der Insolvenzen leben. im nächsten Jahr sein wird. Wir wissen auch nicht, wie der Arbeitsmarkt sein wird. Gerade deshalb ist es gut, (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten (B) vorausschauend zu denken und die Qualifizierung und der CDU/CSU) (D) die aktive Vermittlung mit in den Blick zu nehmen, damit Der Grundsatz des Zusammenhalts spiegelt sich natür- die Jobcenter finanziell gewappnet sind und reagieren lich auch in der Finanzpolitik wider, nicht nur im Haus- können. Nein, Herr Minister, von Ihnen kam da leider halt für Arbeit und Soziales, sondern – wir sind ja mitten bisher nichts. in der Haushaltswoche – im gesamten Haushalt. Er steht eben auch für Wirtschaftskompetenz. Er steht dafür, die (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) erschütterte Wirtschaft zu stützen und den Zusammenhalt Gut ist tatsächlich, dass der soziale Arbeitsmarkt recht hinzubekommen. Ich freue mich natürlich, dass dieser unbeschadet durch die Krise gekommen ist. Mir scheint, Bundeshaushalt einen sozialdemokratischen Namen dass die Regelinstrumente in diesem Bereich durchaus trägt, nämlich den unseres Finanzministers Olaf Scholz. recht erfolgreich sind und dass es, wenn wir in ruhigeres (Beifall bei der SPD) Fahrwasser kommen, vielleicht auch noch mal zu einem Aufschwung kommt; das wäre gut. Ich denke, auch hier Viele merken: Trotz Krise, trotz erschütterter Wirt- haben wir noch eine Baustelle. Wenn die Instrumente schaft keine Kündigung! – anders als in den USA; Bun- wirklich so gut sind, wie wir glauben, sollten wir sie desarbeitsminister Hubertus Heil hat schon darauf hinge- verstetigen und ausweiten sowie den Einsatz von Pas- wiesen. Viele merken, dass in der Not der Sozialstaat zur siv-Aktiv-Transfers voranbringen. Stelle ist. Ich bin nicht nur für einen starken Sozialstaat, sondern ich bin auch froh, dass es uns gelungen ist, in (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dieser Krise den Sozialstaat auszubauen, indem wir die Grundrente eingeführt haben, indem wir Zukunft gestal- An dieser Stelle will ich mich auch noch mal bei den ten. Wir haben mit dem Kurzarbeitergeld gezeigt, zu wel- Berichterstattern und Berichterstatterinnen bedanken. Ich cher Leistung dieser Sozialstaat in ganz kurzer Zeit in der glaube, wir haben echt harte Arbeit geleistet. Das ist nicht Lage ist. Für mich persönlich ist es eine wichtige Bot- nur der größte, sondern auch der arbeitsintensivste Etat. schaft an die Bürgerinnen und Bürger: Hier sind Sozial- Vielen Dank dafür! Ich kann Ihnen aber sagen: Auch im staat und Zusammenhalt nach vorne gebracht worden. kommenden Jahr ist unsere Arbeit als Berichterstatter Wir sind gemeinsam erfolgreich durch die Krise gekom- und -erstatterinnen noch lange nicht zu Ende, weil die men. Wir wissen: Wenn wir Zukunft gestalten wollen, Punkte, die ich Ihnen gerade aufgezählt habe, Hinweise brauchen wir einen Sozialstaat auf der Höhe der Zeit, sind, dass wir das alles spätestens in einem Vierteljahr der die Wirtschaft und unser Gemeinwohl stützt, Kolle- wieder auf dem Tisch haben werden und darüber reden ginnen und Kollegen. müssen, wenn wir in diesem Land für einen starken Sozialstaat einstehen. Wir als Grüne bekennen da Farbe. (Beifall bei der SPD) 25148 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Katja Mast (A) Bei all dem geht es eben auch darum, nach vorne zu Katja Mast (SPD): (C) gucken, in die Zukunft zu gucken. Gute Haushaltspolitik Ich komme zum Schluss. schaut nach vorne. Deshalb ist mir wichtig, dass der Haushalt, den wir hier diskutieren, auch etwas mit Zu- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: kunftsperspektiven zu tun hat, nämlich mit dem Sozial- Ja, bitte. staatskonzept: der Sozialstaat als Partner. Das haben wir verabschiedet. Aber viele merken – gerade diejenigen, die jetzt in der Krise vielleicht zum ersten Mal Anträge Katja Mast (SPD): stellen und auf den Sozialstaat angewiesen sind –, dass Wir haben eine klare Perspektive und die Entschlos- sie überfordert sind, Zugang zu Leistungen zu bekom- senheit, das Gegebene zum Besseren zu wenden und den men, weil die Komplexität groß ist. Deshalb wollen wir Alltag jeden Tag besser zu machen. Zukunft sagen und als SPD den zugewandten Sozialstaat als Partner mit Zukunft machen: Das ist unsere Handschrift in diesem Leistungen aus einer Hand und auf Augenhöhe. Niemand Haushalt und für die Bundesrepublik Deutschland. soll als Bittstellerin oder Bittsteller zum Amt gehen müs- Vielen Dank. sen. (Beifall bei der SPD) (Beifall bei der SPD)

Leistungen sind für uns Rechtsansprüche. Deshalb sol- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: len die Leistungen – das ist die große Perspektive; daran Nächster Redner ist der Kollege René Springer, AfD. arbeiten wir jeden Tag in unserer Regierungsverantwor- tung – einfach zu den Bürgerinnen und Bürgern kommen, (Beifall bei der AfD) ohne großen Antragswust, um es umgangssprachlich zu sagen. Genau das setzen wir bei der Grundrente, bei den René Springer (AfD): digitalen Familienleistungen und nun auch beim Kurz- Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her- arbeitergeld um, sodass die Leistungen, die auf Rechts- ren! Nun hat sich die Große Koalition 50 Minuten lang ansprüchen beruhen, einfach zu den Bürgerinnen und selbst gelobt und dabei völlig vergessen, über den rosa Bürgern – sie sind keine Bittsteller – kommen. Elefanten zu sprechen, der hier mitten im Raum steht, (Beifall bei der SPD) (Zuruf von der CDU/CSU: Die AfD!) Natürlich arbeiten wir in unserem Sozialstaat auch an Zukunftskonzepten, an den nächsten Schritten. Wir aber das kennen wir schon. Deshalb: Lassen Sie uns mehr haben zum Beispiel ganz klar vor Augen, dass Deutsch- Realität wagen! Gerade noch 15 Millionen Nettosteuer- (B) land eine Kindergrundsicherung braucht. zahler finanzieren heute ein Heer von über 5,5 Millionen (D) Hartz-IV-Empfängern. Das ist fast die gesamte Bevölke- (Beifall bei der SPD sowie des Abg. rung Dänemarks; nur damit man es mal gehört hat. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]) Zu diesen Hartz-IV-Empfängern gehören auch über Deshalb haben wir den Kinderzuschlag entsprechend 2 Millionen ausländische Staatsbürger. Vor fünf Jahren reformiert. Wir wollen die Erwerbstätigen weiter stärken. waren es fast 600 000 weniger. Der Arbeitsminister hat schon etwas zur Tarifbindung im Bereich der Pflege gesagt. Aber natürlich geht es auch (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]. Noch darum, überall zu höheren Tarifbindungen, überall zu keine 30 Sekunden hat er diesmal gebraucht!) mehr Mitbestimmung zu kommen; denn das stärkt den – Ich will mal auf 10 Sekunden kommen; ich arbeite Schutz und die Würde der Arbeit und gibt Sicherheit. daran. – Diese 2 Millionen nichtdeutschen Leistungsbe- (Beifall bei der SPD) zieher kosten uns etwa 13 Milliarden Euro im Jahr, und Natürlich – und das unterscheidet uns dann schon fun- da sind die Ausgaben für Asylbewerber und ausländische damental von den Redebeiträgen beispielsweise der Sozialhilfeempfänger noch nicht einmal mit eingerech- net. FDP – wollen wir, dass die Menschen im Alter auch in Würde leben können und stärken deshalb (Beifall bei der AfD) (Otto Fricke [FDP]: Und das will die FDP Das alles erwähnen Sie hier mit keinem einzigen Wort. nicht? Das will die FDP nicht? – Matthias W. Dafür haben Sie schon Schwielen an den Händen vom Birkwald [DIE LINKE]: Mit eurem gegenseitigen Schulterklopfen für Ihre Grundrente, die Rentenkonzept wird das nichts!) Sie dreisterweise „Respektrente“ nennen, für die Sie perspektivisch die gesetzliche Rentenversicherung. aber gerade einmal 1,3 Milliarden Euro aufbringen, also Darum geht es. nur ein Zehntel dessen, was Sie für ausländische Hartz- IV-Empfänger zahlen. (Beifall bei der SPD) (Zurufe von der CDU/CSU: Oje!) Ich bin froh, dass wir es in der Fleischindustrie hin- kriegen, dass wir in der Transformation durch Qualifizie- Sie speisen unsere Eltern und Großeltern mit Armutsren- rung sind. ten ab, während Sie die Früchte ihrer Lebensleistung völlig verantwortungslos an alle Welt verschleudern. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (Beifall bei der AfD – Dr. Götz Frömming Frau Kollegin. [AfD]: Das wollen die nicht hören!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25149

René Springer (A) Von 2012 bis 2019, also in nur sieben Jahren, sind rund nicht da, wo wir sie als AfD sehen. Sie haben unsere (C) 4 Millionen Menschen aus aller Welt nach Deutschland Kinder zum Armutsrisiko gemacht und unsere Rentner gekommen. Das ist etwa die Einwohnerzahl von Bran- zu Bedürftigen. denburg und Mecklenburg-Vorpommern zusammenge- (Beifall bei Abgeordneten der AfD) nommen. Im Gegenzug haben 3,4 Millionen Deutsche, etwa die Einwohnerzahl Berlins, das Land verlassen: Mit diesem Haushalt haben Sie schwarz auf weiß den meist hochqualifizierte Fachkräfte, die woanders bessere Nachweis erbracht, dass Ihre Politik gegen die eigenen Perspektiven vorfinden als im ausgemerkelten Land mit Bürger gerichtet ist. Und das ist exakt das Gegenteil der der höchsten Steuer- und Abgabenlast der Welt. Politik, die wir als AfD vertreten. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das sind (Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – doch Fake News!) Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das glauben Sie doch selber nicht!) Die Leistungsträger von heute fliehen, und die, die Die AfD-Fraktion lehnt diesen Haushalt ab. unseren Wohlstand aufgebaut haben, verarmen. Seit Amtsantritt der Bundeskanzlerin hat sich die Zahl der (Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald Rentner, die auf Sozialhilfe angewiesen sind, fast ver- [DIE LINKE]: Die Lebensarbeitszeit ist auch doppelt. 1,3 Millionen Altersrentner müssen zusätzlich in Deutschland nicht am höchsten! Er hat keine arbeiten gehen. Da sind die Flaschensammler, die man Ahnung von den Fakten! – Zuruf von der CDU/ leider immer häufiger in unseren Stadtbildern sieht, nicht CSU: Maske auf!) mit dabei. Und dennoch wollen Sie im vorliegenden Haushalt, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: dass der Bund jetzt auch noch zu 100 Prozent die Kosten Jetzt erteile ich das Wort dem Kollegen Hermann der Unterkunft für jene neuen Asylforderer übernimmt, Gröhe, CDU/CSU. die einzelne Kommunen noch zusätzlich aufnehmen wol- (Beifall bei der CDU/CSU) len, darunter die etwa 220 Kommunen der Initiative See- brücke, die auch von der Antifa und anderen gewaltbe- reiten Linken unterstützt wird, Hermann Gröhe (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! In (Beifall der Abg. Corinna Rüffer [BÜND- der Krise zeigt sich der Charakter. Das gilt für den Ein- NIS 90/DIE GRÜNEN]) zelnen, zum Guten wie zum Schlechten; das kennen wir. Das gilt auch für einzelne Fraktionen, wenn ich an das (B) im Übrigen auch vom Potsdamer Oberbürgermeister, spalterisch-hetzerische Reden auf der äußeren Rechten (D) Ihrem SPD-Kollegen, Herr Minister. denke. (Beifall bei der AfD – Matthias W. Birkwald (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem [DIE LINKE]: Ja, weil das Unsinn ist, was Sie BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- da erzählen! – Zurufe von der CDU/CSU und ordneten der FDP und der LINKEN) der SPD) Wer bei staatlicher Unterstützung zunächst nach dem Das heißt, zumeist links-grün regierte Kommunen Abstammungsnachweis fragt – der völkische Versorger locken nun als sogenannte sichere Häfen eigenmächtig ist das Gegenteil von einem menschengerechten Sozial- Asylsucher ins Land, während wir angesichts drohender staat –, der hat von Menschenwürde und Sozialstaatlich- Massenarbeitslosigkeit und einer Viertelmillion Ausrei- keit nichts verstanden. sepflichtiger in Deutschland vielmehr eine Abschiebe- (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, offensive bräuchten. der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei Abgeordneten der AFD – Matthias GRÜNEN – Dr. Götz Frömming [AfD]: Der W. Birkwald [DIE LINKE]: Gucken Sie mal Sozialstaat braucht Grenzen!) ins Grundgesetz! Artikel 1! Da steht nichts Krise zeigt Charakter – das gilt auch für unser Gemein- von „Deutschen“!) wesen, für unseren Staat als Ganzes. Darin zeigt sich: Der deutsche Arbeitnehmer darf diese Menschen dann Unser Land ist geprägt durch eine solidarische Gesell- über den Bundeshaushalt mittels Hartz IV und Wohnkos- schaft und einen starken Sozialstaat. Darauf sind wir ten voll finanzieren, während er selbst die höchste stolz, meine Damen, meine Herren. Lebensarbeitszeit aller Euro-Länder ableisten muss, die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und niedrigsten Renten bekommt und am wenigsten Vermö- der SPD) gen in der Tasche hat. Ich erwähne bewusst die solidarische Gesellschaft Nun wollen Sie im kommenden Jahr mehr als 164 Mil- zuerst; denn es geht nicht nur um die Milliarden – so liarden Euro für Sozialpolitik ausgeben. Das sind über wichtig sie sind –, zusammengetragen von den Steuer- 26 Milliarden Euro mehr als im letzten Jahr. Allein diese zahlerinnen und Steuerzahlern, über die wir heute hier Steigerung von 26 Milliarden Euro ist mehr, als Sie ins- entscheiden. Es geht um die Haltung der Menschen in gesamt in Bildung und Forschung stecken, und doppelt so diesem Land. Es geht um diejenigen, die in ihrer tägli- hoch wie das, was Sie für Familien ausgeben wollen. Das chen Arbeit für andere Menschen diesen Sozialstaat erst zeigt, wo Ihre Prioritäten liegen. Ihre Prioritäten liegen mit Leben füllen, und die in diesen Monaten oft an, ja 25150 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Hermann Gröhe (A) über die Grenzen der eigenen Belastbarkeit hinausgehen. Das ist nicht überzeugend. (C) Es geht aber auch um die Achtsamkeit, um die gelebte (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Otto Nachbarschaft – es geht um all das, was Menschen in Fricke [FDP]: Die Kassen sind leer!) diesen Monaten füreinander getan haben. Das ist die Grundlage für unseren Sozialstaat. – Nein. Und gleichzeitig zeigt sich in diesen Monaten noch (Otto Fricke [FDP]: Die Kassen sind leer!) etwas, das uns von besonderer Wichtigkeit erscheint: Der Sozialstaat ist eben als kluger Sozialstaat nicht Wirtschaftliche Vernunft, wirtschaftliche Stärke und so- nur – wiewohl er etwas kostet – Belastung für die Wirt- ziale Verantwortung gehören zwingend zusammen. Des- schaft, sondern er ist Voraussetzung für erfolgreiches wegen stärken wir jetzt Unternehmen den Rücken, die in wirtschaftliches Handeln. Wer umgekehrt einem unbe- Not sind, und deswegen haben wir auch einen Schutz- zahlbaren „Wünsch dir was“ huldigt und das für Sozial- schirm für die Sozialstaatsinstitutionen aufgespannt, politik hält, wird nachhaltiger Solidarität ebenfalls nicht weil wir den Sozialstaat in der Krise, aber auch nach gerecht. der Krise brauchen. Ich halte es für wichtig, dass wir in dieser Krise an die (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und Zeit nach der Krise denken. Schon vor Corona herrschte der SPD) in vielen Regionen Fachkräftemangel. Nach der Corona- Natürlich steht im Mittelpunkt die Frage: Wie erhalten krise ist wieder Fachkräftemangel das Hauptthema. Des- wir Arbeit? Wie stellen wir sicher, dass Menschen über wegen bin ich mit Kollegen Fischer der Meinung: „Bildet die Angst um die eigene Gesundheit und die Gesundheit jetzt aus!“ – trotz Krise. Dies ist eine der wichtigsten ihrer Lieben nicht auch noch Angst um den Job oder die Ansagen an die Wirtschaft. Deswegen Ausbildungsprä- eigene Firma haben? Da ist das zentrale Instrument die mie und andere Unterstützungsleistungen: der jungen Kurzarbeit. Und auch in diesem Instrument zeigt sich wie Generation zuliebe, aber auch, damit unsere Wirtschaft durch ein Brennglas, dass wirtschaftliche Vernunft und gut aus der Krise kommt. soziale Verantwortung zusammengehören; denn das ist Deswegen ist es so wichtig, dass die Wirtschaftshilfen wichtig für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. nicht nur Vorhandenes stärken, sondern von künstlicher Gerade noch hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Intelligenz bis zur Wasserstoffstrategie Zukünftiges in Berufsforschung darauf hingewiesen, dass das Kurzar- den Blick nehmen. Wir wollen in der Tat Arbeitnehme- beitergeld und die Verbesserungen für Alleinerziehende rinnen und Arbeitnehmer dabei mitnehmen. Deswegen bei Kinderbonus und Kinderzuschlag wesentlich dabei ist es gut, dass wir die verschiedenen Instrumente der helfen, Einkommensverluste abzufedern. Weiterbildung stärken, mit Kurzarbeit verbinden. Des- (B) Das Kurzarbeitergeld ist aber auch wichtig für die wegen ist es auch gut, beispielsweise im Rahmen der (D) Wirtschaft. Wir haben es im Sommer in den Fabriken Zusagen beim Autogipfel, auch in regionalen Weiter- und in vielen Einrichtungen gesehen, als wieder gearbei- bildungsverbünden vor Ort, gerade auch kleinen und mit- tet werden konnte. Da waren die Beschäftigten wieder telständischen Zuliefererbetrieben zu helfen, sich auf die- schnell an Deck, und deswegen ist das so wichtig. Kurz- se neue Arbeitswelt vorzubereiten. Vor Ort weiß man am arbeit ist ein Instrument für Arbeitnehmerinnen und besten, was der Arbeitsmarkt braucht. Arbeitnehmer und für die Wirtschaft. Dass wir im Früh- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und jahr beherzt dazu greifen und die Maßnahmen erleichtern der SPD) konnten, lag auch an den prall gefüllten Kassen der Bun- desagentur für Arbeit. Es war richtig, dass wir diesen Weil vor Ort zu entscheiden ist, ist dieser Etat – auch Schritt gewagt haben; denn wir konnten ihn uns leisten dieser Sozialetat – eben auch ein Etat der kommunalen Entlastung. Wenn der Bundesanteil bei den Hilfen in der (Otto Fricke [FDP]: Deswegen sind die Kassen Grundsicherung im Hinblick auf Kosten der Unterkunft leer!) und der Heizung um 25 Prozent auf durchschnittlich als Resultat einer erfolgreichen Entwicklung auf dem 74 Prozent steigt, dann bedeutet das Jahr für Jahr 3,5 Mil- Arbeitsmarkt. liarden Euro mehr für die Kommunen. Mit anderen Maß- (Otto Fricke [FDP]: Deswegen sind sie jetzt nahmen der letzten Jahre sind das zukünftig jedes Jahr auch leer!) weit mehr als 10 Milliarden Euro, die einen handlungs- fähigen Staat genau dort ermöglichen, wo ihn die Bürger- – Nein. Reserven werden angelegt, damit man sie in der innen und Bürger erleben: in ihrer Kommune, vor Ort. Not einbringt. Deswegen ist auch das eine gute Nachricht für ein hand- (Otto Fricke [FDP]: Und jetzt sind sie leer!) lungsfähiges Gemeinwesen. Jetzt schaffen wir in diesem Haushalt mit der Darle- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und hensübernahme und einem erneuten Zuschuss volle der SPD) Handlungsfähigkeit für die Bundesagentur für Arbeit. Meine Damen, meine Herren, wir haben über Milliar- (Otto Fricke [FDP]: Also!) den geredet. Ich bin auch dankbar für Millionenbeträge, mit denen wir Wichtiges tun. Ich will ausdrücklich dan- Es ist nicht überzeugend, dass Sie auf der liberalen Seite ken dafür, dass eine Verständigung erzielt werden konnte den Staat gerne erst aushungern und dann sagen, er tut im Hinblick auf die Krebsberatungsstellen. Dort wird nicht genug. gerade angesichts des erfreulichen Umstands von Lang- (Otto Fricke [FDP]: Die Kassen sind leer!) zeitüberlebenden schwerer Krebserkrankungen wichtige Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25151

Hermann Gröhe (A) Arbeit in der Begleitung dieser Menschen, auch im So- fragen: Wenn man in Not ist, wie muss ich dann reagie- (C) zialen, geleistet. Gut, dass wir diese Arbeit auf sichere ren? Dann muss ich die Schwächsten schützen. Dann Füße stellen. Auch das zeigt: Dieser Haushalt sichert in muss ich nicht neue Leistungen ausbauen – darüber guter Weise einen starken, einen leistungsfähigen Sozial- kann ich nach der Notsituation einen politischen Diskurs staat. führen. Was Sie aber machen – das sieht man sowohl an Vielen Dank. der Kurve der Zuschüsse für die Bundesagentur für Arbeit als auch an der Kurve der Zuschüsse für die Ren- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- tenversicherung –: Sie tun so, als würde es diese Not- ordneten der SPD) situation nicht geben, (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ach!) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: und überlassen es der nächsten Regierung, dann festzu- Otto Fricke, FDP, ist der nächste Redner. stellen: Liebe Leute, es geht doch nicht so weiter. (Beifall bei der FDP) (Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ist ja schlimmer als Brüning!) Otto Fricke (FDP): Geschätzter Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Jetzt sehe ich das Kopfschütteln. Jetzt frage ich Sie, Kollegen! Als Erstes fange ich mit dem Dank bei den Herr Gröhe: Sagen Sie uns hier, sagt die CDU uns hier, Berichterstattern an. Es ist wirklich ein hochkomplexer dass das, was Sie jetzt an finanziellen Mitteln zur Ver- Einzelplan, der nicht nur ob seiner Größe, ob seiner Ver- fügung stellen, was Sie gemeinsam beschließen mit der antwortung, sondern auch ob seiner Differenziertheit Grundrente – die Sie ja eigentlich gar nicht haben woll- einer guten Beratung bedarf. Liebe Ekin – ich darf dich ten –, in der nächsten Legislatur ausreicht? Ich merke nur mit deinem Vornamen ansprechen-, du hast mit dafür eines: Ihre Fraktion sagt sowohl bei der Frage der Ein- gesorgt, dass die Spreu vom Weizen getrennt wurde an haltung der Schuldenbremse nichts mehr davon, dass sie der Stelle, und das war auch sehr, sehr wichtig. Es ist aber das tun will, als auch beim Thema Steuererhöhungen. Ich auch wichtig in einer solchen Debatte wie heute hier, die habe das Gefühl, dass Ihre Aussagen, die Sozialabgaben Dinge nicht durcheinanderzubringen, wie das der Kolle- bei 40 Prozent zu halten, gleichzeitig aber alle Leistungen ge Gröhe gerade eben wieder in einer sehr typischen Art beizubehalten, nichts anderes bedeuten, als dass der staat- und Weise gemacht hat. liche Zuschuss steigen muss. Und das können Sie nur wie machen? Genau: mit Steuererhöhungen. Und das ist das – Meine Damen und Herren, wir sind in den Sozialhaus- bei einem Sozialstaat, wie Sie ihn haben wollen –, was halten wieder in einer Phase, die mich sehr daran erinnert, Sie vorher nicht sagen, sondern was Sie uns allen und den (B) wie es am Ende von Rot-Grün war: Man erkennt, dass es Bürgern immer erst nach der Wahl sagen. (D) so nicht weitergeht, und der erste Versuch – den auch diese Regierung wieder macht – ist: Alles weiter wie (Beifall bei der FDP) bisher, neue Leistungen dazu, mehr Geld ausgeben, in Meine Damen und Herren, ich will mich kurz noch mit die Verschuldung gehen – um dann der nächsten Regie- der Bundesagentur für Arbeit beschäftigen. Herr Minis- rung die Erkenntnis zu überlassen, dass man davon wie- ter, da habe ich eine Bitte. Die Anforderungen an die der zurückmuss. Das ist keine vorausschauende Sozial- Bundesagentur für Arbeit werden – auch aufgrund perso- politik. Was Sie hier mit dem Sozialhaushalt machen, ist neller Veränderungen, die ja klar sind – sehr hoch sein. Wahlkampf. Sie werden im Bereich der Digitalisierung sehr, sehr hoch (Beifall bei der FDP) sein. Ich habe eine Bitte: Nicht vor der Bundestagswahl wieder nach politischer Parität – die Schwarzen kriegen Herr Gröhe, ich fand es schon bemerkenswert, wie Sie einen, die Roten kriegen einen, und Bayern kriegt irgend- gesagt haben: Die Kassen waren voll. – Das sind aber was anderes – vorgehen, sondern bitte nach dem Motto nicht Ihre Kassen. Das waren auch nie Ihre Kassen, vorgehen, qualifizierte Leute zu bekommen. Gerade beim Herr Gröhe. Thema Digitalisierung brauchen wir eine Bundesagentur (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ich habe von für Arbeit, die den Schritt in die nächste Generation den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern macht und die nicht von parteipolitischen Dingen geführt gesprochen!) wird, sondern von Verstand, Sachverstand, so wie es drin- gend notwendig ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeit- Das waren nie die Kassen der Politik. Es sind auch nicht nehmer. die Kassen von Herrn Heil, bei dem ich genau weiß, dass er da differenziert. Es ist auch nicht der Steuerzahler, (Beifall bei der FDP) Herr Gröhe, sondern es sind die Beitragszahler gewesen, Meine Damen und Herren, wir müssen – das gehört zur die die Arbeitslosenversicherung so stark gemacht haben. Sozialpolitik dazu – auch ehrlicherweise zugeben, dass (Beifall bei der FDP) viele Arbeitsplätze, die jetzt noch da sind, verschwinden werden. Wir müssen aber – und das ist das Wichtige – Das ist das, was Sie einfach nicht sehen wollen: Es sind klarmachen, dass, wenn es um den Erhalt von Arbeits- Gelder von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. plätzen geht, wir damit meinen: Arbeitsplätze insgesamt. Jetzt sagen Sie: Ja, wir haben da reagieren müssen. – Denn eines ist doch ganz klar – das können wir doch bei Richtig, wir haben reagieren müssen. Aber Sie müssen der Rentenversicherung sehen –: Hätten wir in den letzten sich doch in der Notsituation, in der wir uns befinden – es Jahren nicht diese wunderbaren Zahlen auf dem Arbeits- wird von allen bestätigt, dass wir in einer solchen sind –, markt gehabt – es waren 16 Prozent mehr beitragspflich- 25152 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Otto Fricke (A) tig Beschäftigte; es waren 33 Prozent weniger Arbeits- fällt. Das ist auch finanzierbar, wenn wir endlich Mil- (C) lose als 2009 noch prognostiziert –, dann wären uns die lionengewinne und Millionenerbschaften ordentlich Sozialkassen an der Stelle explodiert, und wir hätten, weil besteuern. es unsere Pflicht in einem Sozialstaat ist und weil es auch essenzielle Voraussetzung für unser Miteinander ist, über (Beifall bei der LINKEN) andere Zuschussmaßnahmen reden müssen. Vielen Familienunternehmen hierzulande liegt ihre Wir müssen die Herausforderung erkennen, die darin Belegschaft am Herzen. Aber es gibt eben auch Unter- besteht, dass folgende Generationen und vor allen Dingen nehmen, deren Geschäftsmodell auf besonders aus- meine Generation – Jahrgang 65, Babyboomer – es uns beuterischen Arbeitsbedingungen basiert. Und just diese sehr, sehr übel nehmen werden, wenn wir ihnen in der fallen auch durch besondere Nachlässigkeit beim Infek- Rentenpolitik nicht deutlich zeigen, dass wir es trotz des tionsschutz auf. sich verändernden Verhältnisses von Arbeitenden zu Nehmen wir nur mal Amazon. Dieser Konzern macht Leistungsempfängern schaffen, diese zu stabilisieren. gerade das Geschäft seines Lebens. Er verweigert den Dafür muss man etwas tun. Beschäftigten höhere Löhne. Um nur ein Beispiel zu nen- Ich möchte zum Schluss sagen: Man muss in einer nen: Am Amazon-Standort in Augsburg sind von insge- Krise ehrlich sagen, dass man bei neuen Leistungen auf samt 1 800 Beschäftigten 300 infiziert. Das zeigt doch, den Pausenknopf drücken muss. Man muss ehrlich sagen, dass dort beim Infektionsschutz geschlampt wird. Ein an welcher Stelle man verzichten kann, um das zu erhal- anderes Beispiel sind Schlachtunternehmen wie Tönnies, ten, was essenziell für die Bundesrepublik Deutschland wo es immer wieder zu Ausbrüchen kommt. ist: ein funktionierender Sozialstaat. Ich sage: Die Nachlässigkeit von Amazon, Tönnies Herzlichen Dank. und Co reißt ein, was Millionen Familien mit Einschrän- kungen beim Infektionsschutz leisten. Wenn der Lock- (Beifall bei der FDP) down nun verschärft werden muss, dann liegt das auch daran, dass diese Regierung bisher nicht den Mut hatte, Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: die großen Konzerne wie Amazon und Tönnies verbind- Nächste Rednerin ist die Kollegin Katja Kipping, Die lich in die Pflicht zu nehmen beim Infektionsschutz, und Linke. das muss sich ändern! (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Das Arbeitsschutzkontrollgesetz für die Fleischindust- (B) Katja Kipping (DIE LINKE): rie, das die CDU lange verhindert hat, (D) Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Manchmal kann es verdammt schnell gehen: Gerade noch läuft das (Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Blödsinn! Das Geschäft gut, gerade noch sind die Auftragsbücher voll, ist doch wirklich Quatsch! Einfach Quatsch! – und plötzlich droht das berufliche Aus. – Ja, Corona hat Gegenruf des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE uns vor Augen geführt, wie schnell man unverschuldet in LINKE]: Doch, das ist schon so!) existenzielle Nöte rutschen kann. Insofern sollten wir aus ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Ich sage aber dieser Zeit eine wichtige Lehre ziehen: Wir brauchen auch: Damit es wirklich wirkt, brauchen wir jetzt mehr ganz dringend soziale Garantien, die alle vor Armut Personal für unangekündigte Kontrollen bei diesen groß- schützen. en Unternehmen. (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- (Beifall bei der LINKEN – Hermann Gröhe neten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) [CDU/CSU]: Kann ja Thüringen vorangehen! Leider hat diese Regierung bei ihrer Coronapolitik drei Ländersache!) Gruppen bisher vernachlässigt. Erstens: die Ärmsten, de- Doch es gibt auch eine ermutigende Entwicklung, die nen Sie einen Coronaaufschlag bisher verweigern. Zwei- mich als Ostdeutsche besonders freut: Es gibt inzwischen tens: Rentnerinnen und Rentner, Studierende und alle, die im Osten eine neue Bereitschaft, für ordentliche Löhne zu auf Minijobs angewiesen waren, die nun weggebrochen streiten – sei es beim Bautz’ner Senf, bei den Riesaer sind. Und drittens: Freischaffende, Soloselbstständige, Nudeln, bei den Lausitzer Früchten oder, ganz aktuell, deren höchste Kosten die eigenen Lebenshaltungskosten beim Balzer Kabelwerk in Meißen. Den dortigen Warn- sind, die eben bei den Wirtschaftshilfen nicht vorgesehen streik im Morgengrauen durfte ich am Dienstag besu- sind. chen. In Meißen zum Beispiel kämpfen die Kolleginnen Dieser Haushalt ist insofern auch Ausdruck der Igno- und Kollegen für eine Selbstverständlichkeit: einen Tarif- ranz gegenüber denen, die besonders von der Krise vertrag. Ja, höhere Löhne sind gut und wichtig für die gebeutelt sind. Dieser Haushalt basiert auf gezielt klein- Binnenkaufkraft. Wer mehr in der Lohntüte hat, kann gerechneten Hartz-Regelsätzen. Schon deshalb werden auch mehr ausgeben, und das ist gut für die krisenge- wir als Linke diesem Haushalt nicht zustimmen. beutelten Läden und Kneipen vor Ort. (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Wir beantragen stattdessen Sozialleistungen, die vor Allen Beschäftigten, denen der Chef immer noch einen Armut schützen, und mehr Geld für den sozialen Arbeits- Tarifvertrag verweigert, sage ich: Euch steht ein Tarifver- markt, um jenen zu helfen, denen es besonders schwer- trag zu. Verbündet euch! Beratet euch mit den Gewerk- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25153

Katja Kipping (A) schaften vor Ort, und kämpft für das, was euch zusteht! – Der Druck, eine Kindergrundsicherung zu schaffen, (C) Höhere Löhne sind gut für das ganze Land, damit wir alle wächst und wächst. Nun sagen auch die Bundesländer, sozial durch diese Krise kommen. dass eine Kindergrundsicherung machbar ist, und legen den Grundstein dafür, sie endlich auf den Weg zu brin- (Beifall bei der LINKEN) gen. Ich frage mich: Wie viele Weckrufe braucht es da Kurzum: Die Zeit ist reif für soziale Garantien und eigentlich noch? Die Zeit ist überreif für einen System- ordentliche Löhne. wechsel in der Familienförderung hin zu einer Kinder- grundsicherung. Die Weichen müssen jetzt gestellt wer- Vielen Dank. den, nicht erst nach der Bundestagswahl – jetzt! (Beifall bei der LINKEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Das fängt mit einer deutlichen Erhöhung der Kinder- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: regelsätze und einer automatischen Auszahlung des Kin- Nächster Redner ist der Kollege Sven Lehmann, Bünd- derzuschlags an. Das würde arme Familien und Kinder nis 90/Die Grünen. gezielt erreichen. Rund 2,8 Millionen Kinder und Ju- gendliche wachsen nämlich in Armut auf; das ist keine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) kleine Minderheit. Trotz guter wirtschaftlicher Entwick- lung in den letzten Jahren verharrt die Kinder- und Sven Lehmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jugendarmut auf erschütternd hohem Niveau. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Auch beim Homeschooling sind Kinder aus armen die Ausgaben in diesem Etat sind so hoch wie nie. Aber Verhältnissen mal wieder besonders benachteiligt, weil trotzdem hat der Haushalt eine soziale Schieflage; denn sie seltener über die notwendige technische Ausstattung er lässt in dieser Krise ausgerechnet die Ärmsten in der verfügen und auch keine Rückzugsräume zum ungestör- Gesellschaft weiter zurückfallen. Trotz milliardenschwe- ten Lernen haben. Kinder und Jugendliche waren die rer Hilfspakete enthält ausgerechnet der Einzelplan für Leidtragenden des ersten Lockdowns. Mit der Schlie- Soziales keinen Cent zusätzlich für Erwerbslose oder ßung der Bildungs- und vieler sozialer Einrichtung fielen arme Rentnerinnen in der Grundsicherung. Das ist nicht wichtige Orte für sie auf einen Schlag weg. sozial, das ist lebensvergessen, liebe Kolleginnen und Kollegen. Kinder und Jugendliche, die schon vor der Krise in Armut gelebt haben, standen plötzlich vor verschlosse- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nen Türen. Sozialarbeiter/-innen und Menschen in der sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE Erziehungshilfe haben das Schlimmste verhindert und (B) LINKE]) die Kinder zu Hause besucht. Sie sind mit ihnen zum (D) Beispiel eine halbe Stunde spazieren gegangen, weil es 7 Millionen Menschen in der Grundsicherung müssen viele Kinder in unserer Gesellschaft gibt, die sonst gar schon heute jeden Cent dreimal umdrehen. Wir Grüne nicht aus dem Haus gekommen wären. Ich finde, dafür haben deswegen bereits im Frühling einen Krisenauf- gebührt allen Beschäftigten in der sozialen Arbeit ein schlag in der Grundsicherung beantragt. Denn Erwerbs- ganz großer Dank, liebe Kolleginnen und Kollegen. lose, Angestellte im Niedriglohnbereich, Alleinerziehen- de und Familien in Armut leiden besonders stark unter (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) dem Lockdown und den erhöhten Kosten, zum Beispiel Die Bundesregierung will viele dieser sozialen Notla- für Lebensmittel. gen vor allem mit Sachleistungen mindern. Das ist viel zu Ein Krisenaufschlag von 100 Euro für Erwachsene und kompliziert, gerade in der Krise, und kommt viel zu oft 60 Euro für Kinder ist und bleibt notwendig. Deswegen bei den Familien, die es brauchen, nicht an. Deswegen haben wir das mit diesem Haushalt erneut beantragt. Sie müssen wir Abschied nehmen von Instrumenten, die ein- lehnen das erneut ab. Aber wir werden da nicht locker- fach gescheitert sind, wie dem Bildungs- und Teilhabe- lassen; wir werden das einfach immer weiter beantragen, paket. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wir müssen hin zu direkten, unbürokratischen Zuwen- und zwar im Schulterschluss mit Gewerkschaften, mit dungen an Kinder und Familien in Armut und einem Sozialverbänden, mit Kinderschutzverbänden, mit Fami- Ausbau der sozialen Infrastruktur. Beides leistet dieser lienverbänden, mit den Tafeln. Wenn dieser Bundestag es Haushalt leider nicht so, wie es notwendig wäre. Des- nicht schafft, die Grundsicherung auf ein würdevolles wegen werden wir diesem Haushalt auch nicht zustim- Niveau anzuheben, dann wird es der nächste Bundestag men. tun, und zwar mit einer neuen Bundesregierung, liebe Kolleginnen und Kollegen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bundeshaushalt ist ausgerichtet auf Schadensbe- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: grenzung; das ist so weit auch richtig. Aber die Aufgaben, gerade in der Sozialpolitik, waren schon vor Corona Nächste Rednerin ist die Kollegin Antje Lezius, CDU/ größer. Das sieht man vor allem am Beispiel von Kindern CSU. und Familien. (Beifall bei der CDU/CSU) 25154 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

(A) Antje Lezius (CDU/CSU): sorgeansprüche bereitstellen. Im Jahre 2021 sind hierfür (C) Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und 6 Millionen Euro im Haushalt eingeplant; ein im Ver- Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit rund gleich kleiner Betrag mit hoffentlich großer Wirkung. 165 Milliarden Euro ist das Budget für den Bereich „Arbeit und Soziales“ der mit Abstand größte Einzelplan Zum Thema Digitalisierung. Das Ministerium für im Haushalt – der größte Einzelplan, der auch für einen Arbeit und Soziales erhält für die Jahre 2021 bis 2024 starken Sozialstaat steht. insgesamt 78 Millionen Euro aus der KI-Strategie. Unter anderem soll hiermit der Aufbau eines Einstiegsportals Für Passivleistungen im Arbeitsmarkt – Leistungen für eine Weiterbildungsplattform geprüft werden. Wenn also, die Hilfebedürftigen und den Mitgliedern der wir eine Kultur der Weiterbildung erreichen wollen, brau- Bedarfsgemeinschaft Unterstützung garantieren – sowie chen wir eine übersichtliche Plattform mit attraktivem für die Leistungen zur Bildung und Teilhabe sind knapp Einstieg; das kann ich nur immer wieder betonen. Gerade 35 Milliarden Euro vorgesehen. Ein Teil davon entlastet jetzt in der Pandemie zeigt sich, wie wichtig der Umgang die Kommunen, zum Beispiel bei Unterkunft und Hei- mit digitalen Medien ist, wie wichtig es ist, die Möglich- zung. Hier übernimmt der Bund 75 Prozent der Kosten. keit zu haben, auch von zu Hause aus aktiv zu sein. Mit einem Zuschuss in Höhe von 3,35 Milliarden Euro und dem Erlass eines gewährten Darlehens für das Jahr Ich komme auf einen weiteren Punkt für das kommen- 2020 stärken wir die Bundesagentur für Arbeit. Die de Jahr zu sprechen: Homeoffice und mobiles Arbeiten. Agentur hat in den vergangenen Monaten durch hervor- Eine Homeoffice-Pauschale im Steuerrecht ist gut und ragende Arbeit dazu beigetragen, dass Millionen richtig, aber das Thema hat nicht nur finanzielle Aspekte. Beschäftigten in Deutschland kurzfristig Kurzarbeit Wir brauchen einen sicheren Rechtsrahmen, und wir ermöglicht werden konnte. An dieser Stelle noch mal müssen die Chancen nutzen, die mobiles Arbeiten bietet. herzlichen Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbei- Wie können wir Berufsleben, Familie und Freizeit noch ter! besser unter einen Hut bringen, welche Änderungen brau- chen wir bei der Unfallversicherung, und wie kann mobi- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- les Arbeiten im ländlichen Raum gefördert werden? Die ordneten der SPD) Diskussionen hierzu sind in vollem Gange, und das freut mich sehr; wenigstens etwas Gutes hat diese Pandemie, Kurzarbeit – hier herrscht international Einigkeit – ist auf die ich jetzt gerne noch zurückkommen möchte. das erfolgreichste arbeitsmarktpolitische Mittel in der Pandemie. Sie hilft gesunden Unternehmen, auch wäh- Ein Bürger aus meinem Wahlkreis hat mir in der ver- rend der Krise ihre Beschäftigen zu halten, und ermög- gangenen Woche am Telefon gesagt, er fühle sich zurzeit (B) licht damit auch eine schnelle Wiederaufnahme der Tä- sehr an einen Marathonlauf erinnert: 42,2 Kilometer, (D) tigkeit, sobald sich die Situation verbessert. Dass die motiviert gestartet, die Herausforderung zu bewältigen. Kurzarbeit in den Monaten mit niedrigen Infektionszah- Die letzten Kilometer, obwohl schon mehr als drei Viertel len schnell zurückgegangen ist – von 6 Millionen im geschafft, obwohl er das Ziel erahnen konnte, waren die April dieses Jahres auf 2,22 Millionen im September –, härtesten; sie schienen sich unendlich in die Länge zu zeigt: Dieses Instrument wirkt. Es zeigt, dass wir einen ziehen. Es waren letztendlich die gemeinsamen Anstren- starken Arbeitsmarkt haben. gungen – die Helfer mit Getränken und Verpflegung, die Vieles spricht dafür, dass nach den Wintermonaten Menschen an der Strecke –, die ihn diese schwierigste auch wieder erfreuliche Zahlen bei der wirtschaftlichen Phase haben überstehen lassen. Entwicklung zu verzeichnen sind; ich bleibe optimis- Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Corona- tisch, auch weil der erste Impfstoff aus Rheinland-Pfalz krise trifft und fordert einige mehr als andere. Überstehen kommt. Umso wichtiger ist es, dass dann wieder Berufs- können wir sie aber nur gemeinsam durch gegenseitige beratung und Berufsvermittlungen im Vordergrund ste- Unterstützung, gerade für die, die sie am dringendsten hen, gerade auch für die jungen Menschen, die eine Aus- benötigen, und indem wir das gemeinsame Ziel, diese bildung beginnen und ins Berufsleben starten. Wir wollen Kraftanstrengung gesund zu meistern, nicht aus den kein verlorenes Coronajahr, und wir sind stark genug Augen verlieren. Der Haushalt für Arbeit und Soziales aufgestellt, dies zu verhindern. Auch dafür wird die Bun- spiegelt dies auf seine Weise wider, wenn auch nur in desagentur für Arbeit im kommenden Jahr finanziell wei- unzähligen Zahlenkolonnen. ter unterstützt. Zum Thema Rente. Durch 101 Milliarden Euro werden Ich wünsche Ihnen einen besinnlichen dritten Advent. die Rentenkassen deutlich unterstützt. In den vergange- Bleiben Sie gesund! nen Jahren sind eine ganze Reihe von Maßnahmen be- schlossen worden, die die gesetzliche Rente stärken und Danke schön. zu zusätzlichen Leistungen führen. Die berufliche Alters- versorgung haben wir attraktiver gestaltet, bei der priva- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) ten Altersvorsorge brauchen wir noch weitere Verbesse- rungen. Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Die Digitale Rentenübersicht – ein Vorhaben aus unse- Michael Groß, SPD, ist der nächste Redner. rem Koalitionsvertrag – wird Bürgerinnen und Bürgern zukünftig individuelle Informationen über ihre Altersvor- (Beifall bei der SPD) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25155

(A) Michael Groß (SPD): sen werden. Wir wollen, dass sie auf Augenhöhe mit (C) Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr denjenigen umgehen können, die ihre Arbeitgeber und geehrte Damen und Herren! Der Kollege Gröhe hat mit Arbeitgeberinnen werden. Helmut Schmidt sozusagen die Vorlage geliefert: „In der (Beifall bei der SPD) Krise beweist sich der Charakter.“ Das ist ein sehr gutes Zitat. Es zeigt sich jetzt wahrlich der Charakter. An die Deswegen werden wir die Angebote des DGB weiter Kolleginnen und Kollegen der AfD gerichtet, muss ich ausbauen und mit 3,25 Millionen Euro finanzieren. Wir sagen: Hören Sie doch endlich auf, die Menschen in werden außerdem im nächsten Jahr erstmals für diejeni- Deutschland gegeneinanderzustellen. gen, die in der Mobilitätswirtschaft arbeiten wollen, Geld zur Verfügung stellen, damit auch diese Kolleginnen und (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP, Kollegen Beratungsangebote finden. Das ist ein guter der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Weg. GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Wir stehen für Zusammenhalt. Wir wollen, dass hier alle friedlich zusammenleben, und wir haben jetzt Wich- Ich möchte noch auf ein Thema zu sprechen kommen, tigeres zu tun, als uns gegeneinander aufzustellen. Ich das etwas zu kurz gekommen ist: Wir wollen Inklusion. glaube, diese Aufgabe steht auch im Mittelpunkt dieses Wir wollen, dass die Menschen Teilhabe erleben. Des- Haushalts. Und: Otto Fricke, das ist kein Wahlkampf. Das wegen werden wir weiterhin Geld zur Verfügung stellen, ist die Antwort auf die Anforderungen, auf die Problem- um das Bundesteilhabegesetz umzusetzen, und zwar lagen der Menschen, auf die Pandemie 511 Millionen Euro. Wir wollen auch die unabhängige Teilhabeberatung stärken. Hierfür werden wir über (Beifall bei der SPD) 50 Millionen Euro zur Verfügung stellen – und sicherlich nicht schon ein Blick auf 2021. Ich glaube, (Beifall bei Abgeordneten der SPD und des ein solcher Vorwurf wird der Sache nicht gerecht. Abg. Hermann Gröhe [CDU/CSU]) Was tun wir? Wir stellen 165 Milliarden Euro – die ein ganz wichtiges Feld. Summe ist genannt – zur Verfügung. Jeder einzelne Euro ist wirklich gut ausgegeben. Wir wollen Arbeit statt (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Arbeitslosigkeit finanzieren. Der Minister – herzlichen der CDU/CSU) Dank an Ihr Haus! – hat deutlich gemacht, dass es immer Ich will aber auch auf eine Kleinigkeit hinweisen im besser ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren, Haushalt. 200 000 Euro wird die BAG Wohnungslosen- Wertschöpfung und Kaufkraft zu generieren. hilfe erhalten, damit gerade in der Zeit der Pandemie Menschen eine Anlaufstelle haben, damit wir das gut (B) (Beifall bei der SPD) (D) koordinieren und damit Menschen eine Wohnung finden Darüber hinaus – das wurde auch schon angesprochen – und nicht auf der Straße leben müssen. sorgen wir mit dem sozialen Arbeitsmarkt dafür, dass (Beifall bei der SPD) Menschen, die lange aus dem Arbeitsleben herausge- fallen sind, wieder ein selbstbestimmtes Leben führen Die Rente ist schon angesprochen worden. Wir stellen können, dass sie Tarifverträge erleben, dass sie Mitbe- 101 Milliarden Euro für die Rentenkasse zur Verfügung. stimmung erleben, dass sie zu Hause erleben, dass sie Davon sind 17 Milliarden Euro für die Anrechnung von anerkannt werden, dass sie von ihrem Einkommen leben Kindererziehungszeiten vorgesehen – als Anerkennung können, und das ist ein Erfolg dieser Koalition, insbeson- und nicht als Almosen. dere der Sozialdemokratie. (Beifall der Abg. [SPD]) (Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Kein Für die Grundrente stehen 1,3 Milliarden Euro zur Ver- Wahlkampf!) fügung – auch nicht als Almosen, sondern als Anerken- – Ja. nung für die geleistete Lebensarbeit. Das ist ein wichtiger Punkt. Ich kann Ihnen sagen: In meinem Wahlkreis, Reckling- hausen II, haben inzwischen 950 Menschen einen (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hermann Arbeitsvertrag; viele haben schon einen unbefristeten. Gröhe [CDU/CSU]) Inzwischen ermöglicht es unser Haushalt, dass die Ver- Sie konnten vor Tagen in einer Presseerkärung der waltungskosten nicht mehr durch den Eingliederungstitel Deutschen Rentenversicherung lesen: Die Finanzlage ist aufgeführt werden müssen. Vielmehr haben wir haben stabil. – Wir gehen im nächsten Jahr davon aus, dass das diesen Bereich so ausfinanziert, dass die Jobcenter und Rentenniveau über 49 Prozent liegen wird, und das bei die Bundesagentur arbeitsfähig sind. Auch das ist ein gleichen Beitragssätzen. Das ist das Ziel der sozialdemo- Erfolg dieser Koalition. kratischen Politik und des Arbeitsministers gewesen, und (Beifall bei der SPD) das ist gut so. Was wollen wir? Wir wollen gute Arbeitsbedingungen (Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Kein schaffen. Wir werden weiterhin dafür sorgen, dass Men- Wahlkampf!) schen, die zu uns kommen – wir brauchen Zuwanderung, Wer heute behauptet: „Die Rente ist nicht bezahlbar“, der gerade in der Pflege, aber auch in der Fleischindustrie; wagt einen Blick in die Zukunft; Prognosen sind schwie- das will ich an dieser Stelle noch mal deutlich sagen –, rig. Herr Heil hat schon darauf hingewiesen, dass es eine gute Beratung finden und auf ihre Rechte hingewie- darauf ankommt, möglichst viele Menschen in sozialver- 25156 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Michael Groß (A) sicherungspflichtige Arbeit zu bringen. Davon, ob das Es gibt auch gute Nachrichten aus dem Ausbildungs- (C) gelingt, wird abhängig sein, ob die Rente finanzierbar markt. Es ist gut, zu sehen, dass weiterhin auf hohem ist oder nicht. Das ist die zentrale Frage, und dafür arbei- Niveau ausgebildet wird. Junge Menschen brauchen Zu- ten wir. kunft, und sie brauchen Perspektive. Deshalb ist es wich- tig, dass wir die Betriebe hierbei noch breiter unterstüt- Damit komme ich zurück zum Beginn meiner Rede. zen, gerade jetzt in der Phase der Nachvermittlung. Wir müssen so viele Arbeitsplätze erhalten wie möglich und so viele Arbeitsplätze schaffen wie möglich, und Und wir setzen auf Qualifizierung und Weiterbildung zwar durch Transformation, auch durch ökologische gerade während Kurzarbeit; denn die Veränderungspro- Transformation. Das ist unser Ziel als Sozialdemokraten. zesse sind dynamisch und verlangen ein immer höheres Herzlichen Dank. Qualifikationsniveau. Wir wollen, dass die Beschäftigen von heute nicht den Anschluss an die Arbeit von morgen (Beifall bei der SPD) verlieren. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: Stephan Stracke, CDU/CSU, ist der nächste Redner. Und wir unterstützen und entlasten unsere Unterneh- men, wo immer es geht. Mit der Sozialgarantie 2021 (Beifall bei der CDU/CSU) begrenzen wir die Sozialabgaben auf maximal 40 Pro- zent. Stephan Stracke (CDU/CSU): (Zuruf von der FDP: Schon wieder!) Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten acht Monaten ging Das stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und stabilisiert die es darum, die Substanz unserer Volkswirtschaft zu erhal- Nettoeinkommen der Beschäftigten, gerade die von ten und den Menschen in Zeiten größter Unsicherheit Geringverdienern. Stabile Sozialabgaben nutzen zwei- Schutz und Sicherheit zu geben. Das tun wir; wir können fach, nämlich Unternehmen und Beschäftigten. Deshalb dies, weil Deutschland ein starker Staat ist, weil wir einen machen wir es und sichern dies mit der Sozialgarantie ab. starken Sozialstaat haben. (Beifall bei der CDU/CSU) Im zweiten Quartal dieses Jahres mussten wir mit minus 9,8 Prozent den größten Wirtschaftseinbruch seit Und mit den milliardenschweren Überbrückungshilfen der Nachkriegszeit erleben. Nach einer spürbaren Erho- und Kreditangeboten geben wir den Firmen die notwen- lung im dritten Quartal wird es jetzt bereits wieder deut- dige Liquidität, um durch diese Krise zu kommen. Ja, es (B) lich schwieriger. Dazu kommen weitere Unsicherheiten ist richtig: Die Novemberhilfen kommen spät. Ich hätte (D) auf dem Weltmarkt und mit dem drohenden harten Brexit. es mir auch gewünscht, dass sie früher kommen. Aber Wir müssen alles dafür tun, dass der deutsche Arbeits- wenn ich mir mal anschaue, ob sich eines der Bundes- markt durch diese Krise keinen dauerhaften Schaden länder – ich blicke mal nach Nordrhein-Westfalen oder nimmt, und verhindern, dass Millionen von Menschen Rheinland-Pfalz – bereit erklärt hat, zu sagen: „Ja, wir vor dem Nichts stehen. nehmen diese Aufgabe an; wir administrieren dieses und sorgen für schnelle Auszahlungen in diesem Das beste Mittel, um größten wirtschaftlichen, sozialen Bereich“, dann kann ich das nicht erkennen. So hat sich oder psychischen Schaden von Deutschland abzuhalten, der Bundeswirtschaftsminister dieses Themas ange- ist, eine konsequente Pandemiebekämpfung zu machen; nommen: 140 000 Anträge sind eingegangen. Über denn die Zahlen sind viel zu hoch, und aus dem Kranken- 100 000 Abschlagszahlungen bis 10 000 Euro konnten hausbereich erreichen uns ja Notsignale. Deswegen müs- bereits geleistet werden. sen wir etwas tun und ändern. Und ja, auch bei Selbstständigen merkt man natürlich: Das beste Mittel im Kampf um Arbeitsplätze – und das Allein die Fixkostenerstattung hilft nicht. Deswegen hat die Vergangenheit auch gezeigt – ist Kurzarbeit. Des- verändern wir dies ja und setzen beispielsweise noch halb war es klug und vorsorgend, dass wir die Regelun- die Betriebskostenpauschale hinzu. gen für die Kurzarbeit bis ins nächste Jahr verlängert haben. Das schafft Planungssicherheit und Liquidität für Der alleinige Verweis auf Grundsicherung reicht die Unternehmen und sichert Arbeitsplätze. sicherlich auch nicht aus. Aber 30 000 Anträge auf die Novemberhilfe zu erhalten und dabei bereits 95 Prozent Ich finde, es macht Mut, zu sehen: Hohe Kurzarbeiter- an Abschlagszahlungen abgewickelt und ausgezahlt zu zahlen bedeuten nicht hohe Arbeitslosigkeit. Unterneh- bekommen, das ist etwas, wozu wir auch sagen können: men haben so die Chance, mit ihren Fachkräften nach Da läuft etwas gut in diesem Land; wir unterstützen dort, der Krise wieder voll durchzustarten. So war es nach wo es notwendig ist. der Finanzkrise, und so wird es jetzt auch wieder sein; darauf setzen wir. Das dritte Quartal hat es gezeigt. (Beifall bei der CDU/CSU) Wir sorgen dafür, meine sehr verehrten Damen und Wir unterstützen die Betriebe aktiv auf dem Weg durch Herren, dass wir auch nach der Krise wirtschaftlich diese schwierige Zeit. Ihnen diese Hilfe durch Steuer- erfolgreich bleiben. Wir setzen auf wirtschaftliche Dyna- erhöhungen dann wieder direkt abnehmen zu wollen, ist mik, auf Innovation, Forschung und Bildung, beispiels- der falsche Weg aus der Krise. Steuererhöhungen, wie sie weise im Bereich der künstlichen Intelligenz oder im jetzt Die Linke wieder fordert, verhindern Aufschwung Bereich der Wasserstoffwirtschaft. und wirtschaftliche Dynamik. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25157

Stephan Stracke (A) (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Für die (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (C) höchsten Einkommen! Nur für die höchsten ordneten der SPD) 0,7 Prozent der Einkommen! Für die Reichen!) Weil in einer Krisenzeit wie während der Herausforde- Unternehmen brauchen keine weiteren Erschwernisse à rung durch die Coronapandemie diese Fragestellung so la links, zentral ist, würde ich eigentlich erwarten, nachdem die (Otto Fricke [FDP]: Der Finanzminister ist kein Beiträge der Opposition so halb moderat waren, dass das Linker!) gesamte Haus diesem Haushalt zustimmt. sondern sie brauchen Erleichterungen und Perspektiven. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- Dafür stehen wir, und dafür werden wir auch als Union neten der SPD – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: sorgen, meine sehr verehrten Damen und Herren. Sehr gut! – Lachen des Abg. Matthias W. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Birkwald [DIE LINKE]) Und wir stehen auch für gute Arbeit und gute Löhne. Verehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist schon mehr- Deswegen haben wir die Missstände in der Paketbranche mals betont worden, und ich will es auch noch mal beseitigt, jetzt in der Fleischindustrie. machen: Mit diesem Haushalt nehmen wir wahnsinnig (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Bei der viel Geld in die Hand, um die Bundesagentur für Arbeit Fleischindustrie habt ihr auf der Bremse nochmals zusätzlich zu stärken, vor allem, um das Kurz- gestanden!) arbeitergeld zu gewährleisten. Das Kurzarbeitergeld ist nicht nur eine Hilfe, um jetzt über eine schwierige Zeit Wir sorgen dabei auch für die notwendige Flexibilität hinwegzukommen, sondern das Kurzarbeitergeld ist in und setzen bewusst auf die Kraft der Tarifvertragspar- Wahrheit auch eine Investition in die Zukunft, und da teien. Und ich sage auch noch mal: Eine flächendeckende haben wir eine konkrete Erfahrung: Das ist die Finanz- Tarifbindung ist gut. Dort, wo Tariflöhne gelten, sind und Kapitalmarktkrise 2009/2010. Löhne und Arbeitsbedingungen in der Regel besser. Alle auf dieser Welt bescheinigen uns: Deutschland Deswegen sagen wir auch für die Altenpflege: Wenn wäre so schnell und so stark aus dieser Krise damals nicht die Voraussetzungen geschaffen werden, dann werden herausgekommen ohne Kurzarbeitergeld. Und wir haben wir das Instrument der Allgemeinverbindlichkeit in die- anschließend zehn wirklich gute Jahre in Deutschland sem Bereich ebenfalls ziehen, um auch hier für gerechte erlebt, was das wirtschaftliche Wachstum, was den und gute Löhne zu sorgen. Zuwachs an Beschäftigung anbelangt. Genau deswegen Dieser Haushalt steht für Chancen. ist Kurzarbeitergeld nicht einfach nur Geldausgeben, son- (B) (D) Herzliches Dankeschön! dern ist Zukunftsinvestition, damit es nach dieser Krise schneller und besser aufwärts geht. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: ordneten der SPD) Voraussichtlich letzter Redner zu diesem Einzelplan ist Natürlich haben wir die Bundesagentur für Arbeit mit der Kollege Peter Weiß, CDU/CSU. allen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denen wir (Beifall bei der CDU/CSU) dankbar sind, veranlasst, sich jetzt zu hundert Prozent auf Kurzarbeitergeldbeantragung und Kurzarbeitergelda- brechnungen zu konzentrieren. Aber die Agentur für Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): Arbeit muss natürlich dringend, gerade in dieser Krisen- Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol- zeit, auch ihre anderen Tätigkeiten wieder vollumfäng- legen! Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger! Wenn ich, lich wahrnehmen, nämlich Beratung von Arbeitslosen, Herr Präsident, der voraussichtlich letzte Redner in dieser Vermittlung in Arbeit, Beratung und Berufsinformation Debatte zum Einzelplan 11 bin, dann sollte ich jetzt noch für junge Leute, damit diese einen guten Weg in Aus- mal sagen, was es eigentlich im Kern mit diesem Haus- bildung und Arbeit gehen. halt auf sich hat. (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD – Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE des Abg. Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn GRÜNEN – Zuruf: Endlich!) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Kern ist: Deswegen gehört zur Hilfe für die Bundesagentur für Dieser Einzelplan 11, Arbeit und Soziales, ist das zentrale Arbeit auch, dafür zu sorgen, dass sie entsprechendes Bollwerk gegen die Auswirkungen der Coronapandemie. Personal anstellen kann. Sie hat jetzt im Oktober und Er ist die klare Zusage der Politik: Wir lassen in dieser November die Möglichkeit gehabt, 1 000 zusätzliche Krise niemanden allein – die Arbeitnehmerinnen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen. Sie wird Arbeitnehmer nicht, die Unternehmen nicht, die sozialen im Frühjahr des nächsten Jahres erneut eine entsprechend Dienste und Einrichtungen nicht –, sondern wir stehen große Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein- solidarisch zu diesem Sozialstaat, zu denen, die in diesem stellen. Und sie hat nach dem Beschluss ihres Verwal- Land etwas leisten, und zu denen, die Hilfe und Unter- tungsrates eine Option, wenn das im nächsten Jahr noch stützung brauchen. Das ist die Kernbotschaft des Einzel- mal notwendig wäre, weitere 2 500 Mitarbeiterinnen und plans 11. Mitarbeiter neu anzustellen. 25158 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Peter Weiß (Emmendingen) (A) Also: Dieser Haushalt ist auch Ausdruck der Unter- Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: (C) stützung der Agentur für Arbeit, damit sie genügend Herr Kollege Weiß, damit Sie bald erfahren, ob Ihre Personal an Bord nehmen kann, um nicht nur Krise zu Erwartungen sich erfüllen, sollten Sie zum Schluss Ihrer bekämpfen, sondern auch Zukunftsinvestitionen zu Rede kommen. machen, das heißt, Menschen in Arbeit zu vermitteln und vor allem – das ist mir das Wichtigste – den jungen (Heiterkeit) Leuten, die jetzt noch in der Schule sind, ausreichend Berufsinformation, ausreichend Berufsberatung anzubie- Peter Weiß (Emmendingen) (CDU/CSU): ten. Ich würde mir wünschen, dass wir das, was wir im Herr Präsident, vielen Dank. – Mit diesem Haushalt Herbst wegen der Pandemie vielleicht versäumt haben, stärken wir die soziale Infrastruktur. Deshalb noch mal im Frühjahr durch eine starke Offensive für Ausbildung meine herzliche Bitte an alle Kolleginnen und Kollegen: nachholen könnten. Ich möchte, dass die jungen Leute in Stärken Sie den Einzelplan 11 mit Ihrer Stimme! Es ist unserem Lande wissen: Ja, sie bekommen bei uns alle eine gute Zukunftsinvestition, und es ist eine klare Hilfe Unterstützung, dass sie auch in Coronazeiten einen für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. gescheiten Job, eine gescheite Ausbildung finden. – Das ist mit unsere Aufgabe. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – ordneten der SPD) Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Bravo! Bravo!) Meine sehr geehrten Damen und Herren, nun ist natür- lich zu Recht gefragt worden: Ja, geben wir denn nicht zu Präsident Dr. Wolfgang Schäuble: viel Geld aus? – Aber wir können es deswegen tun – das Damit schließe ich die Aussprache. will ich noch mal betonen –, weil wir die letzten zehn Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel- Jahre gut gewirtschaftet haben. Der Herr Präsident hinter plan 11 – Bundesministerium für Arbeit und Soziales – in mir war in dieser Zeit unter anderem Bundesfinanzminis- der Ausschussfassung. Es liegt ein Änderungsantrag der ter und hatte mit dazu einen Beitrag geleistet. Aber vor FDP-Fraktion vor, über den wir zuerst abstimmen. allen Dingen haben unsere Sozialversicherungen Rück- lagen anlegen können. Die Rente ist doch deswegen Wer stimmt für den Änderungsantrag der FDP auf der sicher, weil wir eine ordentliche Rücklage in der Ren- Drucksache 19/25043? – Das sind die AfD und die FDP. tenversicherung haben. Wir können deswegen in die Wer stimmt dagegen? – Das sind die Koalitionsfraktio- Kurzarbeit investieren, weil wir eine Rücklage in der nen. Wer enthält sich? – Das sind Bündnis 90/Die Grünen Arbeitslosenversicherung haben. Das ist doch das Ent- und Die Linke. Damit ist der Änderungsantrag mit der (B) (D) scheidende. Rücklagen sind dazu da, dass man diese in festgestellten Mehrheit abgelehnt. schlechten Zeiten einsetzt, und die Zeit ist jetzt da, diese (Otto Fricke [FDP]: Leider!) Rücklagen einzusetzen. Dann kommen wir zur Abstimmung über den Einzel- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- plan 11 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – neten der SPD – Otto Fricke [FDP]: Wenn wir Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – das Geld haben!) Dann ist der Einzelplan 11 mit den Stimmen der Koali- Wenn ich von dem Beschäftigungsaufwuchs der letz- tion gegen die Stimmen der Opposition angenommen. ten zehn Jahre rede, der es uns erst ermöglicht hat, ver- Ich rufe Tagesordnungspunkt I.19 auf: ehrte Kolleginnen und Kollegen, dann bitte ich, doch auch zu sehen: Der Beschäftigungsaufwuchs in Deutsch- hier: Einzelplan 32 land der letzten zehn Jahre, die zusätzlichen Beitragszah- Bundesschuld lerinnen und Beitragszahler für unsere Sozialsysteme Drucksache 19/23322 waren nur möglich, weil wir rund 50 Prozent dieser zusätzlichen Arbeitsplätze mit Menschen mit Migrations- Berichterstatter sind die Abgeordneten Eckhardt hintergrund, mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mit- Rehberg, Dennis Rohde, Peter Boehringer, Otto Fricke, bürgern besetzen konnten. Es zeigt: Was hier von der Dr. Gesine Lötzsch, Sven-Christian Kindler. rechten Seite gesagt wird, ist grottenfalsch. Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Wir kommen also gleich zur Abstimmung über den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Einzelplan 32 – Bundesschuld – in der Ausschussfas- Otto Fricke [FDP] – Dr. Harald Weyel [AfD]: sung. Wer stimmt dafür? – Liebe Kollegen, wenn wir 50 Prozent in Hartz IV!) abstimmen, müssen Sie am Platz bleiben, sonst kann Nein, wir müssen dankbar sein – und ich bin dankbar –, ich beim besten Willen nicht erkennen, wie wir abstim- dass die ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger men. Das gilt auch für den Kollegen Kuffer. – Danke sehr. einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet haben, dass Wer stimmt für den Einzelplan 32 in der Ausschuss- in den letzten zehn Jahren Rücklagen in unseren So- fassung? – Das ist die Koalition. Wer stimmt dagegen? – zialversicherungssystemen aufwachsen konnten. Vielen AfD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke auch. Ent- Dank dafür! haltungen? – Keine. Dann ist der Einzelplan 32 mit den (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Opposi- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tion angenommen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25159

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Ich rufe Tagesordnungspunkt I.20 auf: Eine Aussprache ist in zweiter Beratung – jenseits der (C) Einzelplanberatung; wir haben ja jetzt vier Tage beraten – hier: Einzelplan 60 nicht vorgesehen. Allgemeine Finanzverwaltung Damit kommen wir in zweiter Beratung zur Abstim- Drucksache 19/23323 mung über den Entwurf des Haushaltsgesetzes 2021 in Berichterstatter sind die Abgeordneten Eckhardt der Ausschussfassung und stimmen zunächst über die Rehberg, , Dr. André Berghegger, Änderungsanträge der Fraktion Die Linke ab. Dennis Rohde, , Peter Boehringer, Volker Münz, , Otto Fricke, , Änderungsantrag auf der Drucksache 19/25001. Wer Dr. Gesine Lötzsch, Sven-Christian Kindler. stimmt dafür? – Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Der Rest des Hauses. Der Ände- Es liegen zu dem Einzelplan 60 vier Änderungsanträge rungsantrag ist abgelehnt. der FDP-Fraktion vor. Außerdem hat die AfD-Fraktion zwei Entschließungsanträge eingebracht, über die wir Änderungsantrag auf der Drucksache 19/25002. Wer aber erst nach der Schlussabstimmung abstimmen wer- stimmt für diesen Änderungsantrag? – Die Linke und den. Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Der Rest des Hauses. Dann ist auch dieser Änderungsantrag Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. abgelehnt. Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan Damit stimmen wir über den Entwurf eines Haushalts- 60 – Allgemeine Finanzverwaltung – und beginnen mit gesetzes 2021 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt den vorliegenden vier Änderungsanträgen der Fraktion dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – Die der FDP. Opposition. Gibt es Enthaltungen? – Keine. Dann ist Änderungsantrag auf Drucksache 19/25046. Wer das Haushaltsgesetz 2021 in zweiter Beratung mit der stimmt für diesen Änderungsantrag? – Die FDP. Wer genannten Mehrheit angenommen. stimmt dagegen? – Die Koalition, Bündnis 90/Die Grü- Wir kommen zum Finanzplan des Bundes 2020 bis nen, Die Linke. Wer enthält sich? – Die AfD. Der Ände- 2024 auf den Drucksachen 19/22601 und 19/22602. Der rungsantrag ist abgelehnt. Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussemp- (Otto Fricke [FDP]: Leider!) fehlung auf der Drucksache 19/23327, den Finanzplan zur Kenntnis zu nehmen. Wer stimmt für die Empfeh- Dann kommen wir zum Änderungsantrag auf der lung, den Finanzplan zur Kenntnis zu nehmen? Drucksache 19/25047. Wer stimmt dafür? – Die FDP, (B) die AfD, Die Linke auch. Wer stimmt dagegen? – Die (Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- (D) Koalition und Bündnis 90/Die Grünen. Der Änderungs- NEN], an den Abg. Stefan Müller [Erlangen] antrag ist abgelehnt. [CDU/CSU] gewandt: Herr Müller!) Dann kommen wir zum Änderungsantrag auf der Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Dann ist das Drucksache 19/25048. Wer stimmt dafür? – Die FDP. einstimmig so angenommen. Wer stimmt dagegen? – Die Koalition, Bündnis 90/Die (Otto Fricke [FDP]: Bei der CDU war das nicht Grünen, Die Linke. Wer enthält sich? – Die AfD. Der so klar!) Änderungsantrag ist abgelehnt. – Na ja, gut. Was soll man auch machen? Man kann ja die Änderungsantrag auf der Drucksache 19/25049. Wer Kenntnisnahme schlecht ablehnen. stimmt dafür? – Die FDP. Wer stimmt dagegen? – Die Koalition, Bündnis 90/Die Grünen. Wer enthält sich? – Damit rufe ich den Tagesordnungspunkt III auf: AfD und Die Linke. Dann ist der Antrag mit dieser Mehr- Dritte Beratung des von der Bundesregierung heit abgelehnt. eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Damit kommen wir zum Einzelplan 60 – Allgemeine die Feststellung des Bundeshaushaltsplans Finanzverwaltung – in der Ausschussfassung. Wer für das Haushaltsjahr 2021 (Haushaltsgesetz stimmt dafür? – Die Koalition. Wer stimmt dagegen? – 2021) Die Opposition. Enthält sich jemand? – Keine Enthal- Drucksachen 19/22600, 19/22602, 19/23302, tung. 19/23305, 19/23306, 19/23309, 19/23310, Ich rufe Tagesordnungspunkt I.21 auf: 19/23311, 19/23312, 19/23313, 19/23314, 19/23315, 19/23316, 19/23320, 19/23322, hier: Haushaltsgesetz 2021 19/23323, 19/23324, 19/23325, 19/23326 Drucksachen 19/23325, 19/23326 Es liegen folgende Entschließungsanträge vor, über die Die Berichterstatter für das Haushaltsgesetz 2021 so- wir später abstimmen werden: acht Entschließungsanträ- wie für den Finanzplan des Bundes 2020 bis 2024 sind ge der Fraktion der AfD, vier Entschließungsanträge der die Abgeordneten Eckhardt Rehberg, Dennis Rohde, Fraktion der FDP, drei Entschließungsanträge der Frak- Peter Boehringer, Otto Fricke, Dr. Gesine Lötzsch, tion Die Linke sowie zwei Entschließungsanträge der Sven-Christian Kindler. Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Es liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion Die Über das Haushaltsgesetz werden wir später nament- Linke vor, über die wir gleich abstimmen werden. lich abstimmen. 25160 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Präsident Dr. Wolfgang Schäuble (A) Für die Aussprache wurde eine Dauer von 90 Minuten eine Rettungssumme von 430 000 Euro. Tausende kleiner (C) beschlossen. Unternehmen werden gegenüber Konzernen diskrimi- Dann eröffne ich die Aussprache und erteile das Wort niert, welche beileibe nicht alle systemrelevant sind. dem Kollegen Peter Boehringer von der AfD. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Erneut liegt auch ein rechtlich bedenklicher Haushalt vor, der gegen Haushaltsprinzipien verstößt. Coronakre- Peter Boehringer (AfD): ditgelder werden überjährig für krisenfremde Dauerauf- Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! gaben genutzt; zudem werden Rücklagen in Schatten- Ein Haushaltsgesetz mit über 3 200 Seiten, fast 60 Stun- haushalten und die Asylrücklage wieder mal nicht den Ausschussberatungen mit 1 900 Änderungsanträgen, angetastet. Wir hatten dem Bundestag dazu bereits zum davon über 700 in der Bereinigungssitzung – dafür Dank 2020er-Haushalt eine Verfassungsklage vorgelegt, und an die Kollegen aller Fraktionen und an die Vertreter der den Missbrauch der haushalterischen Notsituation sehen Regierung und auch an das Ausschusssekretariat; das wir nun auch erneut wieder im Haushalt 2021. Aus all- Team ist ja heute im Plenum anwesend. Ohne Ihre einge- dem ergibt sich ein Steuererhöhungsrisiko oder gar die spielte Arbeit bis in die Nachtstunden hätten wir es nicht Wahrscheinlichkeit einer Steuerneueinführung: der Coro- schaffen können. Herzlichen Dank für Ihre erneut sehr nasoli. Aber das wird uns erst nach der Bundestagswahl zuverlässige und wertvolle Arbeitsleistung! erzählt werden. (Beifall im ganzen Hause) Wir sehen zudem hohe Fehlbeträge im Finanzplan. Was hat sich in diesem letzten Haushalt der aktuellen „Finanzpolitischer Handlungsbedarf“ ist der Euphemis- Koalition nicht geändert? Weiterhin sind alle ideologie- mus der Regierung für: Wir haben keine Ahnung, wie wir getriebenen Ausgaben der vergangenen Jahre ohne jede das Loch von mindestens 42 Milliarden Euro bis 2024 Einsparung darin enthalten: EU-Transferkosten, Immi- stopfen sollen. – Der Finanzminister wird nach seinem letzten Amtsjahr völlig leere Kassen hinterlassen. Die grationskosten, Kosten der CO2-Klimareligion wie etwa Subventionen für E-Autos, arbeitsplatzvernichtend in der Gelegenheit, im Zuge der EU-Ratspräsidentschaft bei deutschen Industrie – und nun zusätzlich noch hohe den Verhandlungen zum neuen Finanzrahmen eine Lockdown-Ausgaben. Zudem hat Olaf Scholz auch Reduktion des EU-Haushaltsbudgets zu erreichen, wurde noch sehr viel Geld auf Vorrat gebunkert. von der Bundesregierung schlicht verpasst. Wie gelingen diese Wunder? Eben hat uns der Unio- Von der AfD würde die EU aus dem Bundeshaushalt nskollege Weiß ja weismachen wollen, dass es durch kein Geld mehr enthalten für Mondmomente oder für die (B) hohe Rücklagen gelingen könne. Das ist natürlich nicht große planwirtschaftliche Transformation. (D) so. Es gelang, Herr Weiß – der Kollege ist, glaube ich, (Beifall bei der AfD) nicht mehr da –, nur über gewaltige Schuldenaufnahme: 180 Milliarden Euro. Schon die Neuschulden 2020 von Geldgeschenke für den Mittelmeerraum im Zuge von über 220 Milliarden Euro waren im laufenden Jahr nicht „Next Generation EU“ würden von uns niemals mit vollständig auszugeben, weil sie zu hoch kalkuliert deutschem Steuergeld finanziert. Und die EU-Schulden- waren. aufnahme über 750 Milliarden Euro ist ein Dammbruch, der den Nichtstaat EU zu einem Gebilde mit einem aus- Hunderte Milliarden Euro auf Pump werden 2021 nun gewachsenen faktischen Staatsbudget macht. aber tatsächlich aufgebraucht, allerdings beileibe nicht nur zur Epidemiebekämpfung. Mindestens 100 Milliar- ( [Erfurt] [SPD]: Jetzt haben den Euro können im Wahljahr auch zu ganz anderen Sie verstanden! Endlich! Hat lange gedauert!) Zwecken ausgegeben werden. Der Finanzminister hat derart hohe Kredite aufgenommen, dass es tatsächlich Und zu einer illegalen Staatlichkeit passen auch gut bis zur Bundestagswahl reichen könnte. Auf Steuerbür- illegale Programme. Klammheimlich wurde die bislang gerkosten droht die teuerste Wahlkampffinanzierung aller bilaterale Hilfe aus dem deutschen Haushalt „Ertüchti- Zeiten. gung von Partnerstaaten“ erweitert zu einer multilatera- len sogenannten European Peace Facility – eine Friedens- (Beifall bei der AfD) fazilität, die aber mit Friedensförderung nichts zu tun hat. Sofort nach der Bundestagswahl werden dann aber Bei diesem Fonds handelt es sich um eine Kriegskasse, wieder die sehr großen Risiken dominieren. Der Solidari- um künftig die Aufrüstung von Staaten oder Rebellen- tätszuschlag etwa hat seit 2020 keine Rechtsgrundlage gruppen mit Waffen im Ausland finanzieren zu können. mehr. Hier besteht ein Haushaltsrisiko von bis zu 30 Mil- (Beifall bei der AfD) liarden Euro. Viele Kredite für Rettungen von Groß- unternehmen werden abgeschrieben werden müssen. Das wäre laut EU-Vertrag glatt illegal, wenn es nicht Konzerne wie die Lufthansa, BER oder die Deutsche außerhalb des EU-Haushalts angelegt wäre. Über den Bahn machen derzeit Milliardenverluste. deutschen Haushalt, also worüber wir hier entscheiden, ist es aber anscheinend nicht illegal. Der mehrheitlich im Besitz ausländischer Investoren befindliche Reisekonzern TUI alleine macht 700 Millio- Eine weitere Absurdität: Die FDP will ernsthaft nen Euro Verluste – pro Monat. Die Regierung hat hier Steuerreduktion bei gleichzeitiger Zustimmung zu fast bereits 4,3 Milliarden Euro an Steuergeldern eingesetzt, 100 Milliarden Euro Neuverschuldung. Schulden statt um TUI zu retten. Auf jeden TUI-Angestellten entfällt Steuern: Ist das die neue FDP-Finanzstrategie? Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25161

Peter Boehringer (A) (Otto Fricke [FDP]: Was? Ich glaube, du hast Michael Groß (SPD): (C) den Gesamtantrag nicht gesehen!) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Die AfD dagegen konnte für Unternehmen und Bürger Boehringer, ich habe heute Morgen jemanden im Kiosk trotz Corona ohne exzessive Verschuldung Steuern und getroffen, der wie ich ein Croissant gekauft hat. Interes- Abgaben um 26 Milliarden Euro senken. santerweise ist ja Ihre Methode, Politik zu machen, alles schwarzzumalen. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Unfassbar! Sie sind großartig! Alchimist!) (Otto Fricke [FDP]: Was hast du an?) Wir fordern die Bundesregierung auf, den Lockdown Mir wurde heute Morgen gesagt: Uns geht es eigentlich zu beenden und nur die kleine Risikogruppe zu schützen. noch gut. Mit Blick auf die Welt geht es uns sogar beson- Das ist zwingend und auch verantwortbar. ders gut. Wir müssen auch das Gute in der Welt und in Deutschland sehen und sollten nicht ständig nur auf das (Beifall bei der AfD) Auseinandertreiben der Menschen in Deutschland setzen. Das tun Sie die ganze Zeit, und das lehnen wir als Sozial- Die Fallzahlen werden zwar auf hohem Niveau bleiben – demokraten ab. Deswegen ist es auch richtig, einen Haus- saisonal bis März, wie immer –; wichtig ist aber nur die halt zu haben, bei dem 500 Milliarden Euro ausgegeben Beherrschung der Lage in den Intensivstationen, wofür werden, auch die AfD alles tun wird – alles! Intensivstationen aufrüsten! Die AfD trägt diese Ausgaben seit März (Beifall bei Abgeordneten der SPD) immer mit. Die GroKo dagegen hat die Krankenhäuser um die Pandemie zu bekämpfen. Das ist auf keinen Fall seit Jahren kaputtgespart. Die Intensivstationen fahren im Wahlkampf. Winter seit Jahren am Anschlag; das ist an der Stelle nichts Neues. Ich möchte noch einmal die Gelegenheit nutzen, Olaf Scholz zu danken, Auch die Kollateralschäden des Lockdowns müssen unbedingt im Blick bleiben – und ich spreche jetzt von (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: den gesundheitlichen, menschlichen Kollateralschäden –: Ach ja!) Massenhaft vermeidbare Todesfälle wird es Lockdown- den Ministerien, den Häusern, natürlich auch den Mit- bedingt geben wegen unterlassener Vorsorgeuntersu- arbeitern, dem Ausschusssekretariat. Insbesondere Olaf chungen im Bereich der Herz- oder Krebserkrankungen. Scholz zu danken, war mir als Abgeordneter aus dem Existenzängste von Arbeitslosen – und man darf das nicht Ruhrgebiet wichtig, weil er vor etwa zwei Jahren im (B) (D) kleinreden – werden zu Suiziden führen. Und ein dem- Ruhrgebiet war und sich dort die Sorgen angehört hat. nächst marodes Gesundheitssystem in einem verarmen- Wir sind eine Region, in der es immer noch hohe Arbeits- den Deutschland wird zu vielen unnötigen Toten führen. losenzahlen gibt und in der wir einen großen Struktur- Die Zahl der weltweiten Hungertoten – der weltweiten! – wandel zu bewältigen haben. Olaf, du hast es, Herr durch Lockdowns liegt weit über der der offiziellen Coro- Minister, Sie haben es geschafft, durch Ihr Angebot den natoten; es zählt sie aber niemand. Millionen Menschen Kommunen zu helfen und dadurch, dass Sie die Diskus- werden nicht an einer Coronainfektion, sondern aufgrund sion über die Altschuldenregelung angestoßen haben, der Auswirkungen des Lockdowns auf die Welternäh- wieder Hoffnung in die Städte zu bringen. rungslage sterben. (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: (Beifall bei der AfD) Das war bislang nur eine Diskussion!) Weitere Lockdown-Schäden betreffen die Bürgerrech- Ich kann Ihnen die Rückmeldung von meinen Bürger- te bis hin zum Recht auf körperliche Unversehrtheit, ver- meisterinnen und Bürgermeistern geben: Dass wir jetzt letzt durch die bereits geforderte – bereits geforderte! – 74,9 Prozent der KdU übernehmen, hilft den Städten, um indirekte Impfpflicht. Die Hoffnung auf schnelle Rettung auch in Zeiten der Pandemie wieder eine Perspektive durch einen Impfstoff aber ist unrealistisch. Die Testpha- aufzubauen, Investitionen vorzunehmen, in Kindergärten sen sind viel zu kurz bei einem neuen Impfprinzip, das und Schulen zu investieren und letztendlich auch ein noch nie erfolgreich bei Menschen eingesetzt wurde. Der gutes Lebensumfeld für die Familien zu schaffen. – Herz- anhaltende Lockdown – ist ja sicher – wird damit auch lichen Dank. weiterhin zu Haushaltsbelastungen von 20 Milliarden (Beifall bei der SPD) Euro pro Monat führen. Es ist einfach nicht finanzierbar. Steuern Sie bitte um! Wann ist die Zeit besser als heute, um mehr als 13 Mil- liarden Euro für starke Familien, Kinder, Jugendliche und Vielen Dank. Senioren auszugeben? Wann ist die Zeit angemessener, 165 Milliarden Euro für Arbeit und Soziales auszugeben? (Beifall bei der AfD) Das sind Dinge ähnlich wie die über 20 Milliarden Euro für Bildung und Wissenschaft und die über 60 Milliarden Vizepräsidentin : Euro für Straßen, digitalen Ausbau, für eine Energiewen- Das Wort geht an Michael Groß von der SPD-Fraktion. de, die insbesondere auch Wasserstoff als neuen Energie- träger stärkt, zu denen zu sagen ist: Wann ist die Zeit (Beifall bei der SPD) dafür besser als jetzt? Deswegen danke ich auch allen 25162 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Michael Groß (A) Kolleginnen und Kollegen hier in diesem Haus, die die- Der Fraktionsvorsitzende der Union, , (C) sem Haushalt zustimmen wollen; denn das ist ein Haus- hat bei der Einbringung des Haushalts gesagt: Wir wer- halt der Zukunft. den uns einer Ausgabenkritik stellen müssen. – In über (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der 1 000 Änderungsanträgen wurden praktisch keine sub- Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU] und stanziellen Einsparpotenziale vorgelegt: Herr Brinkhaus, [CDU/CSU]) ein bisschen mehr Durchsetzungsvermögen hätte ich Ihnen in dieser Koalition schon zugetraut. Zum Schluss muss ich auf ein Deckblatt eingehen; da geht es um einen Herdenschutzesel. Alle Kritik am Haushalt bezeichnen Sie als „Kaputt- sparen“. Dabei hat Ihr Haushalt eine Schlagseite. Nur (Otto Fricke [FDP]: Ja, wichtiger Punkt) 4 Prozent werden in Bildung und Forschung eingesetzt. Es soll eine Machbarkeitsstudie geben, ob dieser Esel in In 2021 werden unter 30 Millionen – nicht Milliarden – der Lage ist, Nutztierherden zu schützen. Euro ins Mobilfunknetz gesteckt und weniger als 450 Millionen Euro in den Giganetzausbau. Hubertus (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE Heil gibt an einem Tag mehr aus als die Bundesregierung GRÜNEN]: Das hängt vom Esel ab!) im ganzen Jahr für den digitalen Ausbau. Ich würde die Machbarkeitsstudie gern um die Frage (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das ist ergänzen, ob nicht dieser Esel geeignet ist, um vor den auch gut so! Wir haben 21 Millionen Rentner- Fake News der AfD zu schützen. innen und Rentner!) Herzlichen Dank. Glück auf! Das ist kein Ausdruck von Zukunftsfähigkeit. Die Leidt- (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei ragenden sind die Menschen, die Bürgerinnen und Bürger Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des in den ländlichen Regionen, in den strukturschwachen BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Regionen. Und das ist falsch, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: [DIE LINKE]: Nicht das eine gegen das andere Wir denken bitte beim Kommen und beim Gehen an ausspielen, Frau Kollegin!) die Maske. – Das Wort geht an Bettina Stark-Watzinger Mit der Begründung der fehlenden Investitionsmög- von der FDP-Fraktion. lichkeiten – dahinter steckt aber mehr – soll die Schul- (Beifall bei der FDP) denbremse aufgelöst werden, weil sie Investitionen ver- hindert. Seit Einführung der Schuldenbremse sind Investitionen, zumindest die, die im Haushalt stehen, (B) Bettina Stark-Watzinger (FDP): (D) Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und aber gestiegen. Die Milliarden fließen aber nicht ab. Ob Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister! Gleich zu Beginn: die A 49 in Hessen, ob die Fehrmanbeltquerung Man lernt ja nie aus. Ich habe in diesem Haushaltsjahr (Zurufe von der CDU/CSU sowie von Abge- den Herdenschutzesel kennengelernt, den wir fördern. ordneten der AfD: Fehmarnbeltquerung!) (Heiterkeit des Abg. Otto Fricke [FDP]) – Fehmarnbeltquerung, danke schön –, Ich würde mich aber noch mehr freuen, wenn wir diesen (Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]: So viel Zeit Herdenschutzesel nicht nur gegen Wolfsangriffe nutzen muss sein!) würden, sondern wenn wir ihn gegen Angriffe von Minis- unser Planungsrecht ist für eines nicht geeignet: Es ist ter Scholz auf unseren Haushalt nutzen würden. Dann nicht geeignet, Projekte zu fördern, es ist nur geeignet, hätte er nämlich wirklich einen Sinn. Projekte zu verhindern, meine Damen und Herren. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten (Beifall bei der FDP) der CDU/CSU und der Abg. Dr. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Sie fordern lautstark öffentliche Investitionen, ver- nachlässigen dabei aber private Investitionen. Dabei Deutschland befindet sich in einer Notsituation, das ist kommen von 10 investierten Euro in Deutschland, ob in unbestritten. Der Staat musste schnell handeln, er musste Bildung, ob in Infrastruktur, ob in Arbeitsplätze, 9 Euro eine Brücke bauen. Aber das entbindet Sie, liebe Bun- aus dem privaten Bereich. Die wirtschaftliche Zukunft desregierung, nicht von der Verpflichtung, in der Not- Deutschlands hängt vor allen Dingen von den privaten situation die Maßnahmen – nur für die wirklichen Aus- Investitionen ab. nahmetatbestände – auf das Nötigste zu reduzieren – zur Bekämpfung der Pandemie – und alle Konsolidierungs- (Beifall bei der FDP) kräfte auszuschöpfen. Deshalb ist es genau richtig, jetzt zu entlasten. Und Über 70 Milliarden Euro haben Sie, Herr Scholz, im genau deshalb wollen wir die Menschen und die Unter- Haushalt geparkt, davon allein 22 Milliarden Euro Aus- nehmen um 36 Milliarden Euro entlasten. Das sind keine gabenreste. Statt diese Milliarden zu nutzen, schreiben Unternehmer, die im Liegestuhl liegen, wie sich die SPD Sie lieber ungedeckte Schecks auf die Zukunft derer, das vorstellt, oder die mordenden Unternehmer im „Tat- die heute noch keine Stimme haben. Das ist falsch, Herr ort“, Minister. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Den (Beifall bei der FDP) „Tatort“ anzugreifen, ist keine gute Idee!) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25163

Bettina Stark-Watzinger (A) sondern das sind die Mittelständler, die in strukturschwa- Coronapandemie. Und welches war das zweitplatzierte (C) chen Gebieten Arbeitsplätze schaffen oder zu erhalten Wort? Weiß das auch einer? versuchen; und die müssen entlastet werden. (Sonja Amalie Steffen [SPD]: Das war (Beifall bei der FDP) Babyelefant!) Was mir aber noch mehr Sorge macht, ist die mittel- Es ist wie mit der Mondlandung, da kennt man den zwei- fristige Finanzplanung für die nächsten Jahre, also nach ten auch nicht. – Lockdown war das zweitplatzierte Wort. 2021; denn schon vor Corona lagen die Ausgabewünsche Was zeigt uns das, liebe Kolleginnen und Kollegen? Ich der Großen Koalition über den Einnahmen, die Sie prog- denke, das zeigt, dass uns die Pandemie in diesem Jahr nostiziert haben. Man kann jetzt fragen: Wie wollen Sie fest im Griff hat, in allen gesellschaftlichen Bereichen. das Problem lösen? Ich glaube – das ist ja schon von der Das wirkt sich natürlich auf den Haushalt aus. Der Haus- SPD ins Spiel gebracht worden –, Sie werden die Steuern halt ist in Zahlen gegossene Politik. Deswegen ist der erhöhen. Ich glaube, das wäre Gift für die Menschen, das Haushalt 2021 der zweite Haushalt in Folge, der maß- wäre Gift für die Heilungskräfte in unserem Land. Man geblich unter dem Einfluss dieser Pandemie steht. kann das ja politisch ins Spiel bringen, aber dann muss man es auch vor der Wahl und bei der Einbringung des Was wollen wir mit diesem Haushalt erreichen? Wir Haushaltsplans ehrlich sagen. wollen erstens natürlich die Gesundheit der Bevölkerung schützen, zweitens die Wirtschaft stabilisieren und drit- (Dennis Rohde [SPD]: Wie wollen Sie denn die tens den Zusammenhalt in der Gesellschaft verbessern. 80 Milliarden nächstes Jahr finanzieren, die Sie Wir stemmen uns mit gesamter Kraft gegen diese Pande- jetzt verschenken? Wie wollen Sie denn für mie, und das ist ein schwerer Weg; aber wir werden ihn 2022 einen Haushalt aufstellen?) weitergehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, Sie (Beifall bei der CDU/CSU) haben, wenn Sie diesem Haushalt zustimmen, diesen Steuererhöhungen dann auch schon zugestimmt. Das parlamentarische Verfahren haben wir dazu genutzt, nachzujustieren, und zwar in großem Umfang. Ich komme zum Ende. Die finanzielle Größe eines Wir haben die Wirtschaftshilfen für Unternehmen, für Haushalts sagt nichts darüber aus, ob er die Größe hat, Freiberufler, für Selbstständige, für in der Kultur Tätige die Herausforderungen, die vor uns liegen – Digitalisie- fortgeschrieben, umgesetzt, und wir haben natürlich wei- rung, Demografie und Klimawandel –, auch zu stemmen. tere Ausgaben im Gesundheitsbereich festgesetzt. Das Statt sich in der Höhe der Ausgaben, die Sie tätigen, zu alles führte dazu, dass wir nach dem Haushalt in diesem sonnen, brauchen wir eine gezielte Entlastung für Wachs- Jahr mit einem Umfang von gut 500 Milliarden Euro – (B) tum, treffsichere Maßnahmen zur Sicherung von Arbeits- inklusive der zwei Nachträge – im nächsten Jahr wieder (D) plätzen, zum Beispiel negative Gewinnsteuer oder Unter- ein Haushaltsvolumen von knapp 500 Milliarden Euro nehmerlohn, und wir brauchen effizienten Schutz von erreichen. Das sind Rekordwerte. Risikogruppen. Aber diese Rekordwerte haben natürlich auch Schat- Es geht anders. Wir haben einen Gegenentwurf vorge- tenseiten; denn sowohl in diesem Jahr als auch im nächs- legt: die Hälfte der Neuverschuldung bei gleichzeitiger ten Jahr werden wir die Nettokreditaufnahme erhöhen Entlastung. müssen: auf 218 Milliarden Euro in diesem Jahr und (Dennis Rohde [SPD]: Wie machen Sie das auf 180 Milliarden Euro im nächsten Jahr. Das sind 22?) auch Rekordwerte. An dieser Stelle sei noch mal darauf hingewiesen: Wir finanzieren unseren Haushalt in diesem Jeder Euro, den wir ausgeben, den die Große Koalition und im nächsten Jahr zu 40 Prozent aus Schulden. ausgibt, der muss verdient werden. Geben wir den Men- schen, die diese Euros verdienen müssen, eine Stimme in Die FDP – ich glaube, es war Christian Dürr; ich sehe diesem Bundestag! ihn gerade – hat, glaube ich, am Dienstag gesagt, das sei Vielen Dank. das süße Gift der Schulden. Aber Christian: Gemach, gemach! (Beifall bei der FDP) (Christian Dürr [FDP]: Das hat Herr Brinkhaus gesagt!) Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Das Wort geht an Herrn Dr. André Berghegger von der – Du auch! CDU/CSU. (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU (Beifall bei der CDU/CSU) und der FDP) Denn natürlich hat die Regierung einen Beurteilungs- Dr. André Berghegger (CDU/CSU): spielraum bei der Erstellung des Entwurfes eines Haus- Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und haltes. Und wir als Parlament haben natürlich auch einen Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Gesellschaft Beurteilungsspielraum, wie wir einen Haushalt aufstellen für deutsche Sprache hat vor Kurzem das Wort des Jahres und wie wir am Ende das Haushaltsgesetz beschließen. 2020 ausgewählt. Welches war es, lieber Ingo? (Otto Fricke [FDP]: Nein! Die Regierung hat (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE höchstens einen Ermessensspielraum! Sie müs- GRÜNEN]: Coronapandemie!) sen sich an die Gesetze halten!) 25164 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Dr. André Berghegger (A) Wir wollen damit ein deutliches Signal an alle nach außen müssen. Unsere Aufgabe ist es, dauerhaft nach einem (C) senden, dass der Staat alles versucht, was finanziell Weg zu suchen, wie wir mit dem Einkommen auch aus- machbar ist, um zu helfen. kommen. (Beifall bei der CDU/CSU) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Und wie finanzieren wir das? Die Linke fordert hier den Klassiker. Sie diskutieren wieder Vermögensteuer und Vermögensabgabe. Wir können es erstens finanzieren, weil wir in guten Zeiten vorgesorgt haben. Die Politik der schwarzen Null (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Gute hat uns finanzielle Spielräume erarbeitet. Wolfgang Idee! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Schäuble hat sie vor Jahren eingeführt. Auch wenn es Höchste Zeit!) nicht jeder sagen mag, glaube ich aber, die allermeisten In dieser Woche wurde auch deutlich, dass Sie sich noch in diesem Raum, in diesem Hohen Haus freuen sich darü- nicht mal einig sind. ber, dass wir diese Spielräume hatten. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was?) Zweitens. Wir müssen natürlich im kommenden Jahr erneut die Schuldenbremse nach Artikel 115 Grundgesetz Wenn Sie überhaupt differenzieren, dann verschweigen aussetzen – nach dem vorgesehenen Verfahren bei einer Sie wesentliche Punkte. Es gibt nämlich bei diesen bei- außergewöhnlichen Notsituation. Da wundert es mich den Instituten gravierende rechtliche Hindernisse. schon – nein, eigentlich wundert es mich nicht –, dass Punkt eins: die Vermögensteuer. Sie wurde Mitte der die Linken die Schuldenbremse aussetzen wollen oder 90er-Jahre eingestellt, abgeschafft vom Bundesverfas- dass die Grünen, wie sie formuliert haben, die Schulden- sungsgericht, bremse reformieren wollen. Beide wollen auf jeden Fall die bestehende Regelung nicht einhalten. ( [DIE LINKE]: Sie steht im Grundgesetz!) (Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht! – Dr. Franziska Brantner und vor allen Dingen steht sie den Ländern zu. [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Haben so nicht, André!) wir nie geleugnet!) Ich finde, gleich bei der ersten Bewährungsprobe, vor der Punkt zwei: die Vermögensabgabe. Die einmalige Ver- wir jetzt stehen, Änderungen zu diskutieren, zeugt nicht mögensabgabe setzt eine existenzielle finanzielle Notla- gerade von einem klaren Kompass, sondern eher von ge des Staates voraus. (B) einer Schönwetterdenkweise. (D) (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Konrad Wir wollen die Aussetzungsmöglichkeit der Schulden- Adenauer!) bremse gerade für schwierige Bewährungsproben nutzen; wir wenden sie jetzt an. Sie ist dafür konzipiert und nicht Wenn Sie sich mit den historischen Beispielen beschäftigt für Boomphasen der Wirtschaft. Wir stehen zu der Rege- hätten, bei denen sie angewendet worden ist, dann wür- lung im Grundgesetz, und wir wollen schnell zur Schul- den Sie feststellen, dass diese Voraussetzungen kaum denbremse zurück, so schnell wie möglich. vorliegen werden. (Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das hat (Otto Fricke [FDP]: 2022?) Konrad Adenauer gemacht! Das war kein Lin- Das ist nachhaltige und gerechte Finanzpolitik. ker!) (Beifall bei der CDU/CSU) Aus unserer Sicht müssen wir die Ausgaben priorisie- ren. Wir müssen den Menschen auch sagen, dass wir die Die aktuelle Finanz- und Haushaltspolitik wirkt. Das umfassenden Hilfen, die wir derzeit mit großer Kraftan- bestätigt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. strengung aufbringen, nicht unbefristet werden aufrecht- (Peter Boehringer [AfD]: Ach! – Otto Fricke erhalten können. Wir müssen Prioritäten setzen und [FDP]: Ach! Das sind jetzt auf einmal eure zukünftig Entscheidungen treffen. Und wir müssen vor Freunde?) allen Dingen mit den Ländern und Kommunen über eine gerechte Verteilung der finanziellen Lasten sprechen. Die Hilfen für Kommunen, die Zuschüsse für Familien Was meine ich damit? – Die Steuereinnahmen der Länder und die geringere Mehrwertsteuer in diesem Jahr heben und Kommunen erreichen bereits 2021 das Vorkrisenni- die Wirtschaftsleistung in diesem und im nächsten Jahr veau. Nehme ich die Zuweisungen des Bundes hinzu, an; sie liegt um 1,3 bzw. 1,5 Prozentpunkte höher im erreichen die Länder und Kommunen bereits dieses Jahr Vergleich zu dem Fall, dass es diese Hilfen nicht gegeben das Vorkrisenniveau. Die Kreditfinanzierungsquote des hätte. Ich denke, das ist ein beachtlicher Wert. Bundeshaushaltes in diesem und im nächsten Jahr liegt bei – ich habe es vorhin gesagt – ungefähr 40 Prozent, die Aber diese expansive Finanzpolitik kann nur eine Aus- der Länder bei ungefähr 10 Prozent. nahme sein. In der Zusammenschau von Artikel 115 und Artikel 109 Grundgesetz wird deutlich, dass die Pande- Der Bund alleine zahlt die Soforthilfe, den Wirt- mie der Grund, aber auch die Grenze für die Aussetzung schaftsstabilisierungsfonds, die Überbrückungshilfe I, der Schuldenbremse ist. Und sobald wir die Coronapan- die Überbrückungshilfe II, die Novemberhilfe, die demie im Griff haben, wird sich die Bewertung verändern Dezemberhilfe. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25165

Dr. André Berghegger (A) (Otto Fricke [FDP]: Und die Mehrwertsteuer- Aber auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD wollen (C) absenkung!) eigentlich die Vermögenden stärker besteuern. Ich bitte Sie: Reden Sie nicht nur im Wahlkampf darüber, machen Ich könnte diese Reihe fortsetzen. Der Bundesrechnungs- Sie auch ernst, liebe SPD! hof hat aktuell die Finanzhilfen des Bundes an die Länder und Kommunen – in den letzten Jahren und für die Zu- (Beifall bei der LINKEN) kunft geplante –, insbesondere mit den Investitionen in Es gab ja zu Beginn der Pandemie bei vielen die Illu- die Kohleregionen, noch einmal aufgelistet. Demnach sion, die Gesellschaft würde jetzt näher zusammen- geben wir weitere 44 Milliarden Euro an Länder und kommen. Der Befund ist: Das Gegenteil ist passiert. Kommunen. Irgendwo müssen wir auch auf unsere Die Politik der Bundesregierung hat weiter zur Spaltung finanzielle Leistungsfähigkeit achten. Bei aller Wert- beigetragen. Hilfen wurden ungerecht verteilt. Milliardä- schätzung der Arbeit in den Ländern und Kommunen – re wurden gerettet, und fast 1 Million Niedriglöhner dort wird hervorragende Arbeit geleistet –: Wir müssen haben ihre Arbeit verloren und fallen durch die sozialen über eine faire Verteilung der finanziellen Lasten reden; Netze. So kann das nicht weitergehen! denn nach dem Grundgesetz erfüllen Bund und Länder gemeinsam die Verpflichtung zur Wahrung der Haus- (Beifall bei der LINKEN) haltsdisziplin. Wir haben drei Fragen gestellt: Ist der Haushalt sozial, (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie ist er friedlich, ist er klimafreundlich? der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE ( [CDU/CSU]: Und alle drei konn- GRÜNEN]) ten mit Ja beantwortet werden!) Das gilt nicht nur in der Coronapandemie, sondern natür- Alle drei Fragen mussten wir mit Nein beantworten. lich grundsätzlich auch darüber hinaus. (Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Drei falsche Schließen möchte ich mit einem Vergleich, mit einer Antworten!) interessanten Haushaltsstelle aus dem Umweltministe- rium. Er ist nicht sozial, weil er zu wenig gegen die soziale Spaltung unserer Gesellschaft tut. Er ist nicht friedlich, (Otto Fricke [FDP]: Da kenne ich auch eine!) weil er mit über 53 Milliarden Euro – nach NATO-Krite- rien berechnet – zur Aufrüstung der Bundeswehr beiträgt. – Wir alle kennen mehrere Haushaltsstellen. – So wie der Und er ist nicht klimafreundlich, weil Menschen mit dem Herdenschutzesel die Schafe vor den Wölfen beschützen größten CO -Abdruck, die Vermögenden, begünstigt soll, so schützt die schwarze Null den Haushalt vor wei- 2 (B) werden. So kann das nicht weitergehen, meine Damen (D) teren Schulden. – Da wollen wir wieder hin. und Herren! Vielen Dank fürs freundliche Zuhören. Ich bitte um (Beifall bei der LINKEN) Zustimmung. Ich will aber bei der Bewertung des Haushalts Union (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- und SPD nicht über einen Kamm scheren. Hubertus Heil neten der SPD und der Abg. Bettina Stark- ist ehrlich bemüht, etwas für Rentnerinnen und Rentner, Watzinger [FDP]) Arbeitslose und Niedriglöhner zu tun. (Beifall der Abg. Matthias W. Birkwald [DIE Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: LINKE] und Michael Groß [SPD]) Das Wort hat die Abgeordnete Dr. Gesine Lötzsch von der Fraktion Die Linke. Doch schauen wir uns den Befund an. Der Armutsbericht des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes sagt: 13 Millionen (Beifall bei der LINKEN) Arme. – Das können wir nicht hinnehmen. Das entspricht nicht unserem Menschenbild. Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE): (Beifall bei der LINKEN) Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Meine sehr geehrten Ich sage Ihnen: Das Grundproblem liegt doch nicht in Damen und Herren! Wir haben zu Anfang dieser Woche den einzelnen Haushaltszahlen, sondern es liegt im die Frage gestellt: Wer soll die Pandemierechnung bezah- gesamten Politikansatz. Schauen wir uns nur die Bereiche len? – CDU/CSU und SPD drücken sich vor der Antwort Wohnen, Gesundheit, Bildung, Verkehr und Rente an. In und wollen es erst nach der Wahl sagen. Das lassen wir allen diesen Bereichen wurde das Profitprinzip der Neoli- ihnen nicht durchgehen, meine Damen und Herren! beralen eingeführt. Der Markt sollte den Wohnungsbau, (Beifall bei der LINKEN) das Gesundheits-, Bildungs-, Verkehrs- und Rentensys- tem auf Vordermann bringen. Doch das Ergebnis ist: Die Union will ja nach der Wahl die Schuldenbremse Diese Politik ist gescheitert. wieder anziehen. Wir wollen – in der Tat – eine Vermö- gensabgabe für Milliardäre, so wie es unser Grundgesetz (Beifall bei der LINKEN) vorsieht. Das ist der Unterschied, meine Damen und Her- Es fehlen nämlich preiswerte Wohnungen, es fehlt Pfle- ren! gepersonal in den Krankenhäusern, (Beifall bei der LINKEN) (Otto Fricke [FDP]: Insbesondere in Berlin!) 25166 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Dr. Gesine Lötzsch (A) es fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden, die Auto- ( [AfD]: Die Linke verbie- (C) bahnprivatisierung ist ein Desaster, und die kapitalge- ten! Das wäre ein guter Schritt in die richtige deckte Riester-Rente ist gescheitert. So kann das nicht Richtung! SED, PDS, Die Linke!) weitergehen! sein Denken vom Profit auf sinnstiftende Zwecke umstel- (Beifall bei der LINKEN) len. Ihre Formel „Was sich nicht rechnet, wird eingespart“ Es gibt innovative Unternehmen, die sich vom Profit- hat fatale Folgen. Vorratswirtschaft war angeblich falsch. denken verabschieden und einen sinnstiftenden Zweck Die Neoliberalen wollten alles just in time, also genau auf verfolgen. Es haben inzwischen auch Unternehmen die Sekunde machen. Das solle Kosten sparen. Welch erkannt, dass Maximalprofit nicht die Lösung, sondern fataler Irrtum! Das müssen wir jetzt alle gemeinsam aus- das Problem ist. Das sollten in diesem Haus hier alle baden. verstehen, meine Damen und Herren! (Beifall bei der LINKEN) (Beifall bei der LINKEN) Der Gesundheitsminister hat Masken und Schutzausrüs- Verabschieden Sie sich also von der neoliberalen Ideo- tungen zu Wucherpreisen aufkaufen müssen. Doch er logie. Globalisierung und Flexibilisierung sind kein Wert scheitert natürlich, wenn es ums Pflegepersonal geht. an sich. Wir haben doch erlebt, was es heißt, dass be- Menschen kann man nicht just in time, also über Nacht, stimmte Medikamente in Europa nicht mehr hergestellt wie bei Amazon bestellen. Und das ist auch gut so, meine werden. Antibiotika wurden in unserer Überflussgesell- Damen und Herren! schaft plötzlich knapp. Die kapitalistische Globalisierung (Beifall bei der LINKEN) hat die Arbeitsteilung pervertiert. Sie ist zu einem Sicher- heitsrisiko geworden. Wir als Linke wollen eine solida- Ich sage Ihnen: Wer eine Gesellschaft wie ein Online- rische Globalisierung, die nicht auf Konkurrenz, sondern kaufhaus organisieren will, muss scheitern. Ein Kranken- auf Zusammenarbeit beruht. Das ist der richtige Weg. haus kann nicht wie eine Schraubenfabrik auf Profit getrimmt werden. Im Krankenhaus sollen der Patient (Beifall bei der LINKEN) und die Patientin und natürlich auch die Menschen, die Ich sage Ihnen auch in aller Deutlichkeit: Nur so werden dort arbeiten, im Mittelpunkt stehen und nicht die Fall- wir Kriege und Klimakatastrophen verhindern. Der pauschale und nicht der Profit. Das ist der falsche Weg, marktradikale Flügel der Union ist ja immer noch ein meine Damen und Herren! großer Freund der Flexibilisierung. Arbeitnehmerinnen (Beifall bei der LINKEN) und Arbeitnehmer sollen Tag und Nacht für Unternehmen verfügbar sein. Dem stellen wir uns entgegen, meine (B) Ich sage Ihnen auch: Wenn wir die Krankenhäuser nicht Damen und Herren! (D) von den Pandemielasten befreien, werden wir nach der Pandemie noch weniger öffentliche Krankenhäuser (Beifall bei der LINKEN – Peter Beyer [CDU/ haben als vor der Pandemie. Das müssen wir verhindern! CSU]: Ihre Rede ist komplett aus der Zeit gefallen!) (Beifall bei der LINKEN) Ein Wort zur Außenpolitik. Viele Kolleginnen und Selbst die Bundeswehr sollte ja zu einem Unternehmen Kollegen der SPD, aber auch von meiner Fraktion haben umgebaut werden. Frau von der Leyen und ihre Unter- in dieser Woche an den historischen Kniefall von Willy nehmensberaterin sind bei dem Versuch grandios Brandt am 7. Dezember 1970 erinnert. Ich glaube, es ist gescheitert. an dieser Stelle auch Zeit, an die Ostpolitik von Willy (Zuruf des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU]) Brandt zu erinnern. Für Willy Brandt war eben damals die Sowjetunion nicht das Feindbild, Die Ausgaben für die Bundeswehr steigen seit Jahren in einem atemberaubenden Tempo. Aber die Bundeswehr (Otto Fricke [FDP]: Ja! Aber einen Kniefall vor wirkt wie ein Durchlauferhitzer: Das Geld wird an Airbus Honecker hat es nie gegeben!) und Rheinmetall durchgereicht. Die liefern dann zu über- sondern er hatte erkannt, dass die Sowjetunion die Haupt- höhten Preisen alles Mögliche, was angeblich oder wirk- last bei der Befreiung Deutschlands vom Faschismus lich nicht funktioniert, und die Rendite von Airbus und geleistet hat. Herr Maas, auch Sie sollten das wissen, Rheinmetall stimmt. Dieses Geld können wir besser für meine Damen und Herren! soziale Zwecke verwenden, meine Damen und Herren! (Beifall bei der LINKEN – Eckhardt Rehberg (Beifall bei der LINKEN) [CDU/CSU]: Oh Gott!) Viel wurde natürlich auch über die innere Sicherheit Nun gibt ja der Finanzminister Scholz hier den Her- gesprochen und über das Geld, das dafür zur Verfügung denschutzesel. Doch die Wählerinnen und Wähler sind gestellt werden muss. Auch hier muss man grundsätzlich keine Schafe. Sie sind selbstbewusst und lassen sich nicht herangehen; denn das Grundproblem der inneren Sicher- per Verordnung herumkommandieren. Auch die emotio- heit ist nicht mit Polizei und Geheimdiensten zu lösen. nalen Appelle der Kanzlerin ändern doch nichts daran, Wirklich extrem ist das zerstörerische Profitstreben. Das dass sie für 15 Jahre Privatisierung und Mangelwirtschaft muss beendet werden, meine Damen und Herren! im Gesundheitswesen Verantwortung trägt. (Beifall bei der LINKEN) Wenn Sie eine halbe Billion Euro im kommenden Jahr Wer also wirklich etwas gegen Extremismus tun will, der ausgeben wollen, klingt das beeindruckend. Aber mit muss einer Bazooka lassen sich Probleme lindern, nicht lösen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25167

Dr. Gesine Lötzsch (A) Nach der Finanzkrise kam die ökonomisch völlig unsin- Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (C) nige Politik der schwarzen Null; sie ist ja hier auch schon Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Her- wieder beschworen worden. Diese Politik der schwarzen ren! Ja, das waren diesmal wirklich besondere Haushalts- Null hat unser Land in eine Investitionskrise gestürzt. beratungen. 85 Milliarden Euro mehr an Ausgaben im Vergleich zur ersten Lesung und eine entsprechende, (Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: So ist es!) um fast diesen Betrag gestiegene Kreditaufnahme: Das Sie darf nach der Pandemie nicht fortgesetzt werden, ist das Ergebnis unserer Haushaltsberatungen. Ich sage meine Damen und Herren! ganz klar: Wir Grünen gehören zu denen, die sagen: Wir können uns das leisten, und wir müssen uns das (Beifall bei der LINKEN – Ingo Gädechens leisten – für die Bekämpfung der Pandemie, für unser [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Meine Gesundheitswesen und für wirtschaftliche Hilfen für Güte!) die, die ihren Beruf und ihr Geschäft jetzt eben nicht Wir wollen endlich raus aus dieser Investitionskrise. ausüben können und dürfen. Wir wollen in die Zukunft unserer Kinder und Enkelkin- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der investieren. Dafür brauchen wir bessere Schulen, sowie der Abg. Dr. [CDU/CSU]) preiswertere Wohnungen, leistungsfähigere Hochschulen und sichere Krankenhäuser. Aber, Herr Minister Scholz, zu den Besonderheiten der Coronapandemie, dieser Krise gehört ehrlicherweise (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) auch, zu sagen, dass die Unternehmen und die Menschen Das alles ist auch bezahlbar, wenn wir endlich ein gerech- sehr unterschiedlich betroffen sind. Deswegen ist das tes Steuersystem durchsetzen, meine Damen und Herren! Einfordern von Zielgenauigkeit bei den Hilfen nicht spitzfindig, sondern es ist geboten, auch aus Gerechtig- (Beifall bei der LINKEN) keitsgründen. Ich kann es noch mal wiederholen: Wir wollen eine (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Vermögensabgabe. Natürlich sind wir auch für andere Sie haben gesagt, die Mehrwertsteuersenkung wäre Formen der Gerechtigkeit offen; das ist doch völlig klar. quasi das Herzstück des Konjunkturpakets. Ich sage Nach dem Corona-Lockdown, glaube ich, sollte auch die Ihnen: Die war sehr teuer und eben nicht zielgenau. SPD sich fragen, ob sie das mit der CDU/CSU durch- Man hätte eher überlegen müssen: Wie können wir dem setzen kann oder – weil es Ihnen vorhin so gut gefallen Einzelhandel in den Innenstädten vor Ort stärker helfen? hat – sich nicht doch lieber dazu entscheidet, den Koali- tionsstecker zu ziehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (B) sowie bei Abgeordneten der FDP) (D) (Beifall bei der LINKEN – Lachen des Abg. Eckhardt Rehberg [CDU/CSU]) Die Mehrwertsteuersenkung hat dagegen dem Online- handel sehr geholfen. Nach dem Lockdown wird das Denn die Union ist der Vermögensverwalter von Millio- Thema Innenstädte sicher wieder sehr wichtig. nären und Milliardären. Mit ihr ist keine gerechte Gesell- schaft zu machen. Oder die Überbrückungshilfen: Die sind am Anfang gar nicht in Anspruch genommen worden, also die Über- Meine Damen und Herren, es ist ja vielen gedankt brückungshilfen I, weil sie schlecht konzipiert waren. worden. Ich bedanke mich auch sehr herzlich beim Se- Jetzt die Novemberhilfen: Die sind auch nicht zielgenau; kretariat. denn sie setzen am Umsatz an. Ich kann Sie nur auffor- (Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeord- dern, gerade Sie, Herr Scholz: Öffnen Sie sich für ein neten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE Betriebskostenmodell, nach dem man 100 Prozent der GRÜNEN) Betriebskosten spätestens ab Januar erstattet, und führen Sie einen Unternehmerlohn ein – für die Zeit der Krise. Ich bedanke mich natürlich auch bei den Kolleginnen und Geben Sie da Ihren Widerstand auf! Das wäre wichtig. Kollegen für die Zusammenarbeit. Ich bedanke mich bei meiner eigenen Fraktion für die vielen guten Vorschläge, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Sie gemacht haben. sowie bei Abgeordneten der FDP) (Victor Perli [DIE LINKE]: Wir danken dir!) Es werden noch andere Dinge unterlassen, die viel hilfreicher wären, zum Beispiel die Ausweitung des Ver- Ich wünsche Ihnen allen eine gute Weihnachtszeit. lustrücktrags. Sie wollen das nur in einem kleinen Bleiben Sie gesund! Umfang machen. Dabei sind sich Wirtschaft und auch (Anhaltender Beifall bei der LINKEN – Wissenschaftler einig, dass gerade das Unternehmen in der Krise helfen würde. Es würde am besten wirken, Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- wenn wir den Verlustrücktrag für Unternehmen darüber NEN]: Frohe Ostern!) hinaus auch rückwirkend zulassen würden, also für die Jahre 2018, 2017, 2016. Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Das Wort hat die Abgeordnete Anja Hajduk von der (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ne, ne!) 25168 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Anja Hajduk (A) Das würde den Bundeshaushalt vielleicht mit 4 Milliar- Olaf Scholz, Bundesminister der Finanzen: (C) den Euro belasten. Dieses Geld würde in den Folgejahren Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeord- zu 90 Prozent zurückkommen, nete! Die Coronapandemie hat uns alle immer noch im Griff. Das ist eine globale Herausforderung, vor der die (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Alchemie!) ganze Menschheit steht, aber eben auch wir hier in die- sodass man sagen kann: Das wäre dann im Vergleich zu sem Land. Deshalb ist es ganz, ganz wichtig, dass wir, den Kosten für die Mehrwertsteuersenkung finanziell während wir hier diskutieren, schon wissen, dass wir sehr eher eine Petitesse. Also: Strengen Sie sich an! Korrigie- absehbar mit den Impfstoffen Möglichkeiten haben wer- ren Sie Ihre Hilfen! Das haben die, die betroffen sind, den, vielen Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes, aber verdient. auch vielen Bürgerinnen und Bürgern in der Welt zu helfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Otto Fricke [FDP]) Trotz dieses Lichtblicks wissen wir, dass es noch eine ziemlich lange Zeit dauern wird, dass wir jetzt noch über Sie sagen ja immer, Sie wollen helfen. Weihnachten und auch im nächsten Jahr noch lange mit Ich muss noch einen anderen Punkt ansprechen, Herr den gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Scholz, weil ich den nicht verstehe. Laut einem aktuellen Herausforderungen zu kämpfen haben werden, die aus OECD-Bericht sind die Maßnahmen gegen Steuerhinter- dieser Pandemie folgen. ziehung in Großbritannien, Frankreich, Italien und Spa- Was braucht man in einer solchen Situation – neben nien vorbildlich. Deutschland schneidet da als Land im Vertrauen in die Zukunft und Vertrauen in die Wissen- Verzug ab. Zum Beispiel gibt es keine Sanktionen für schaft, in den Fortschritt, den die Medizin macht, aber Banken und Kontoinhaber, die falsche Angaben machen auch in die Erkenntnisse, die wir über die Pandemie oder keine ausreichende Prüfung von Selbstauskünften haben? Was wir immer brauchen, ist Vertrauen in unsere vornehmen. Warum haben Sie in Ihrer Amtszeit das gemeinschaftliche Kraft. Diese gemeinschaftliche Kraft noch nicht besser umsetzen lassen? Es ist ungerecht, bei verschafft uns die Möglichkeit, durch diese Krise zu der Bekämpfung der Steuerhinterziehung zu trödeln; da kommen. Das ist das, was dieser Haushalt symbolisiert. haben Sie wirklich noch viel zu tun. Da reichen keine Er zeigt: Dies ist ein Land, das stark genug ist, auch eine Versprechen für die Zukunft. solche Herausforderung zu bewältigen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Ich möchte aber auch etwas Versöhnliches sagen. Es ist Ich bin deshalb den Abgeordneten sehr dankbar, dass gut, dass es beim EU-Haushalt eine Einigung gibt. Das sie mit der ganzen Arbeit, die in den letzten Wochen und (B) war schwer. Wir sind über das Ergebnis nicht nur glück- Monaten geleistet wurde, und mit den Beratungen, die in (D) lich, aber es ist gut, dass es eine Einigung gibt. Das ist dieser Woche stattgefunden haben, die Voraussetzung wichtig, weil es damit auch gelingt, den Wiederaufbau- dafür geschaffen haben, dass wir mit diesem Haushalt fonds, den Recovery Fund, umzusetzen. Wir in Deutsch- das Signal aussenden: Wir haben die Kraft, das, was im land dürfen bei aller Krisenbekämpfung hier vor Ort nicht nächsten Jahr erforderlich ist, zu tun. 180 Milliarden Euro vergessen: Wir werden aus der Krise nur herauskommen, zusätzliche Kreditaufnahme ist sehr, sehr viel Geld. Aber wenn unsere europäischen Nachbarn sie auch überstehen. es ist auch ein Symbol und ein Zeichen dafür, dass man (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf die Gemeinschaft vertrauen kann. Lasst uns das ge- sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und meinsam hier aussprechen. der FDP und des Abg. Dr. Dietmar Bartsch (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten [DIE LINKE]) der CDU/CSU) Insofern sage ich mal versöhnlich: Dabei hat die Bundes- Ich bin dankbar für die Beratung und will bei dieser regierung mitgeholfen. Gelegenheit all denjenigen Dank sagen, die in den Ab- Zum Schluss. Herr Scholz, es soll ja Herdenschutzesel geordnetenbüros mit den Abgeordneten zusammen mit- geben. Aber ich wünsche mir – das würde mir reichen –, geholfen haben. Ich will den Mitarbeiterinnen und Mit- dass Sie, von mir aus zusammen mit Frau Merkel, vor arbeitern im Bundesministerium der Finanzen und in den Weihnachten den Schutzengel für ein Lieferkettengesetz anderen Ministerien Dank sagen. Ganz besonders möchte geben. Das wäre der politische Weihnachtswunsch mei- ich auch meiner Parlamentarischen Staatssekretärin ner Fraktion an Sie. Hoffentlich erfüllen Sie ihn. danken, die immer für die guten Ge- spräche zwischen den Abgeordneten und dem Ministe- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN rium sorgt. sowie bei Abgeordneten der SPD) (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. der CDU/CSU, der FDP, der LINKEN und des (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) Der Dank, der hier so oft ausgesprochen wird und Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: begründet ist, ist in dieser Situation ganz besonders begründet. Natürlich wäre die Situation eine ganz andere, Das Wort hat der Bundesminister der Finanzen, Olaf wenn wir in einer solchen Lage kein Vertrauen schaffen Scholz. würden, weil wir selber durcheinandergeraten, weil wir (Beifall bei der SPD) zu aufgeregt über all das diskutieren, was ist. Dass man Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25169

Bundesminister Olaf Scholz (A) besonnen und klug berät, dass man sehr sorgfältig über- Letzte Bemerkung. Trotz all der Krise ist es immer (C) legt, was zu tun ist: Das ist genau das, was wir in dieser wichtig, an die Aufgaben der Zukunft zu denken. Dass Situation brauchen. in Europa nicht nur über den mehrjährigen Finanzrahmen diskutiert wird, sondern eben auch über den Klimaschutz, Deshalb sage ich: Wir werden noch vor großen Heraus- ist ein wichtiges Zeichen. forderungen stehen. Wir werden noch manche schwierige Entscheidung treffen müssen. Aber der Haushalt legt die (Dr. [AfD]: Und Kuba! Jetzt fehlt Grundlage dafür, dass jeder darauf vertrauen kann, dass nur noch Argentinien!) wir die notwendigen wirtschaftlichen und sozialen Hilfen Dass dieser Haushalt Weichenstellungen beinhaltet, was bereitstellen, damit wir gemeinsam gut durch diese Krise die Aufgabe betrifft, wie wir den menschengemachten kommen. Klimawandel aufhalten können, (Beifall bei der SPD) (Dr. Alice Weidel [AfD]: Jetzt kommt das Im Übrigen bin ich froh, dass wir, während wir hier noch!) sitzen und beraten, wissen, dass es auch in Europa was die Aufgabe betrifft, wie wir Deutschland technolo- gelingt, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln. Das gisch so aufstellen können, war nicht einfach. Ich glaube, man kann sagen: Das hät- ten viele nicht gedacht, dass wir in Europa eine koordi- (Dr. Alice Weidel [AfD]: Jawoll!) nierte solidarische Antwort auf die Coronakrise geben. dass wir auch in 10, 20 und 30 Jahren noch gute Arbeits- Ich stimme mit der Abgeordneten Hajduk völlig über- plätze haben, dass wir dafür sorgen, dass wir auch in ein: Ja, es ist wichtig, dass wir nicht nur an uns denken, Fragen der Digitalisierung mit vornean diskutieren und sondern auch daran, dass Europa gemeinsam handeln handeln können, kann. Das ist das Zeichen, das mit dem Wiederaufbau- (Dr. Alice Weidel [AfD]: Jawoll! Ganz weit fonds verbunden ist. Wenn jetzt im Rat der Weg für den vorne!) Haushalt des nächsten Jahres freigemacht worden ist, dann ist das eine Grundlage dafür, dass es eine gemein- das ist ein gutes Zeichen. same europäische Antwort auf die Krise gibt. Sie ist not- Ich glaube, der Haushalt ist ein gelungenes Paket, wendig, meine Damen und Herren. (Dr. Alice Weidel [AfD]: Sie können es nicht!) (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Eckhardt eine Gemeinschaftsleistung dieses Hauses, Rehberg [CDU/CSU]) (Dr. Alice Weidel [AfD]: Jawoll!) (B) (D) Deshalb bleibt die Botschaft: Wir können zusammen- aber auch eine Gemeinschaftsleistung, halten. Wir können stark sein. Wir haben ein leistungs- fähiges Gemeinwesen. Natürlich müssen wir dafür Sorge (Dr. Alice Weidel [AfD]: Eine Glanzleistung!) tragen, dass dieses leistungsfähige Gemeinwesen auch die für unser Land steht, das in so schwieriger Zeit solidarisch in dem Sinne ist, dass die Gesellschaft zusam- zusammenhält. menhält. Wenn eine solche Kraft mobilisiert wird, dann darf es eben nicht so sein, dass die einen denken, dass nur Schönen Dank. an die anderen gedacht worden ist. Das gilt dann nicht nur (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten für diese Krise. Das, was wir hier an Kraft mobilisieren, der CDU/CSU) darf nicht verloren gehen, wenn die Krise zu Ende gegan- gen ist. Das muss aufrechterhalten bleiben, wenn wir über Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: die Zukunft diskutieren. Danke schön. – Das Wort hat Herr Dr. Harald Weyel (Peter Boehringer [AfD]: Also dauerhaft von der AfD-Fraktion. schön! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Unerträg- lich!) (Beifall bei der AfD) Deshalb sage ich an dieser Stelle ausdrücklich noch Dr. Harald Weyel (AfD): mal: Es muss auch fair und gerecht zugehen, Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Liebes Publikum! (Dr. Alice Weidel [AfD]: Natürlich! Dauer- Seit Monaten sehen wir von der Regierungsbank den hafte Verschuldung!) erhobenen Zeigefinger und hören die mahnenden Worte, die uns zur Vernunft bringen sollen. Dann legen Sie hier wenn es darum geht, die Lasten dieser Krise zu schultern, einen Haushalt vor, der nichts, nicht das Geringste mit (Peter Boehringer [AfD]: Amen! – Gegenruf Vernunft und Disziplin zu tun hat. Im Gegenteil: Dieser der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD]: Genau!) Haushalt ist ein Produkt einer durch die Regierung aus- wenn es darum geht, den Wiederaufbau in Deutschland gelösten Massenpsychose, der sie nunmehr selbst zum zustande zu bringen und die Zukunftsaufgaben zu Opfer gefallen ist. schultern. (Beifall bei der AfD – [SPD]: (Beifall bei der SPD – Dr. Alice Weidel [AfD]: Was? Blödsinn!) Der Wahnsinn! – Peter Boehringer [AfD]: Was Der Haushalt ist eine Operation am offenen Herzen der für ein Pathos hier!) sozialen Marktwirtschaft, 25170 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Dr. Harald Weyel (A) (Ulli Nissen [SPD]: Sie sollten sich schämen! Wer lang genug dabei ist und als Beobachter eine Lern- (C) Wir haben 600 Tote!) kurve hat, der müsste den Schwindel doch längst durch- schaut haben. der Grundlage unseres Wohlstands. Aber er ist noch weit mehr: Er ist ein Experiment am Menschen, ein Experi- (Dr. [DIE LINKE]: Was ment, dessen Notwendigkeit mit ebenso irreführenden wissen Sie schon von Lernkurven!) wie irrelevanten Coronastatistiken begründet wird. Aber wie bei allen schlechten Produkten erzeugen gerade (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: die eiskalten Nepper, Schlepper und Bauernfänger, die Widerlich!) Berufseuropäer der Altparteien ganz EU-Europas seit Jahrzehnten daraus ihren schäbigen Profit, notfalls auch Die Blaupause der irrationalen Herangehensweise an auf Kosten der eigenen Leute. nahezu jedwedes Thema liefert hierbei die Klimasonder- schule. Hier versteigt man sich in wissenschaftlich unbe- (Beifall bei der AfD) gründbare Kapriolen einer Umwelt-, Energie- und Ver- Wenn erst die letzten deutschen Autos in China und kehrspolitik, die Wirtschaft und Verkehr zunehmend zum sonst wo gebaut werden, wird man hierzulande feststel- Erliegen bringt und obendrein noch Landwirtschaft, len, dass man allein von Klimazertifikaten nicht leben Landschaft und Umwelt ruiniert. kann. Möge all dies den Betreibern von Deindustrialisie- Warum können Sie seelenruhig einen solchen Haushalt rung, Steuergeldexport und pseudointernationalisierter einbringen und müssen außer dieser Debatte kaum Kritik Moralhysteriepolitik gerade noch rechtzeitig nicht auf fürchten? Weil die Massenhysterie alle Jahre wieder die Füße, sondern auf die bürokratischen Wasserköpfe durchexerziert wird fallen. (Ulli Nissen [SPD]: Was ist mit den 600 (Beifall bei der AfD) Toten?) Nur mit der Alternative für Deutschland kann ein Neu- und mit dem diesjährigen Neutronenbombenthema Coro- start für Deutschland gelingen. Der Haushalt zeigt, wie na nur auf neue Spitzen getrieben wird. Die Angst wird sehr der nottut. durch geradezu irre Fallzahlkonstruktionen jenseits re- ( [SPD]: Ekelhaft! – Ulli levanter Hospitalisierungs- und Sterblichkeitsraten er- Nissen [SPD]: Sie sollten sich schämen! – zeugt, die in einer 24-Stunden-Bepeitschung durch Anke Domscheit-Berg [DIE LINKE]: Mir ist Staatsmedien und gekaufte Privatmedien in die Köpfe schlecht!) der Wähler eingehämmert werden. Danke schön. (B) (D) (Beifall bei der AfD – Sven Lehmann [BÜND- (Beifall bei der AfD – Der Redner verlässt das NIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie mal in ein Rednerpult ohne Mund-Nase-Bedeckung – Krankenhaus! – Ulli Nissen [SPD]: Glauben Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Sie selbst, was Sie hier sagen?) NEN]: Maske! – Ulli Nissen [SPD]: Maske! – Die Brechung des freien Volkswillens durch Informa- Gegenruf des Abg. Otto Fricke [FDP]: Jetzt tionsunterdrückung und mittelalterliche Endzeitszenarios lasst ihn doch mal! Das passiert doch hier erleichtert aber auch ungemein die Ausrufung eines jedem mal! – Weiterer Gegenruf der Abg. neuen Staatsziels, nämlich die Massenimpfungen nach Dr. Alice Weidel [AfD]: Herr Scholz setzt sie Lobbygusto. Angesichts des vermeintlich drohenden doch auch nie auf!) Weltuntergangs mag nämlich keiner mehr über die Kos- ten reden, die diesen Untergang angeblich abwenden. Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie viele Das Wort geht an den Abgeordneten Christian Haase Infizierte hat denn die AfD-Fraktion? Wissen von der CDU/CSU-Fraktion. Sie das? Wie viele Ihrer Kollegen sind infi- (Beifall bei der CDU/CSU) ziert? – Zuruf der Abg. Dr. Kirsten Tackmann [DIE LINKE]) Christian Haase (CDU/CSU): In EU-topia steigen die Grundkosten von derzeit über Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten 32 Milliarden Euro schon im nächsten Jahr auf fast Damen und Herren! In den letzten Wochen haben wir 43 Milliarden Euro. Diese Summe, so wird suggeriert, viel über die Ausgestaltung des Weihnachtsfestes gespro- sei eine Art Versicherung. Nun: Wenn EU-Europa eine chen. Nun steht der dritte Advent bevor, und das Fest der Versicherung ist, dann eine schlechte, die keinen wirk- Geburt Christi, der Liebe und der Familie rückt näher. lichen Leistungsfall kennt, sondern nur Vertragsbruch Dieses Jahr werden wir das Fest allerdings in gemein- und unverschämte Prämienerhöhungen ohne vernünfti- samer Verantwortung anders feiern. Wenn ich an die ges Preis-Leistungs-Verhältnis. Weihnachtsfeste der Vergangenheit zurückdenke: Da ver- sammelt sich die Familie, da versammeln sich Jung und (Beifall bei der AfD) Alt. Weihnachten ist das Fest der Generationen. Meist Und wenn es ein Sicherheitskaufhaus ist, dann eines, was finden die kleinsten Familienmitglieder in den ältesten noch nie das geliefert hat, was man bestellte. Was man die größten Fans. Alles jubelt und trubelt im Wohnzim- bekommt, sind wertlose Gutscheine und Empfehlungen mer um den Weihnachtsbaum, und unter dem Baum steht für Produkte, die nur in der Fantasie existieren. die Krippe mit Ochs und Herdenschutzesel. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25171

Christian Haase (A) (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der dieses Jahres. Im Klartext: Bis 2043 werden wir diese (C) FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Schulden abstottern, und das mit zweistelligen Milliar- sowie bei Abgeordneten der SPD und der LIN- denbeträgen jedes Jahr. KEN – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/ (Dr. Alice Weidel [AfD]: Bei Negativzinsen DIE GRÜNEN]: Der war gut! – Thomas auf Staatsanleihen!) Ehrhorn [AfD]: Ist das peinlich!) Allerdings bedeutet Generationengerechtigkeit ja Meine Damen und Herren, was hat das mit Haushalts- nicht, dass wir prinzipiell keine Schulden machen oder politik zu tun? Eine ganze Menge, meine ich. Denn wenn gar kein Geld mehr ausgeben. wir als Eltern oder Großeltern, die wir hier im Parlament Verantwortung übernehmen, unseren Job ernst nehmen, (Otto Fricke [FDP]: So ist es!) dann muss uns genau dieses Bild der Generationen Es kommt darauf an, wofür wir das Geld im Bundes- Ansporn und Verpflichtung für eine solide und genera- haushalt ausgeben. tionengerechte Haushaltspolitik sein. (Otto Fricke [FDP]: Sehr wahr!) Es ist richtig, dass wir in dieser Zeit mit den Corona- Für Zukunftsaufgaben, für Forschung und Entwicklung hilfen zu unseren Selbstständigen und deren Arbeitneh- und gute Infrastruktur – mern stehen. Wir wollen nach der Coronawelle keine Pleitewelle. Aber ich sage auch: Die Coronahilfen kön- (Dr. Alice Weidel [AfD]: Davon sind wir weit nen in der bisherigen Form nicht ewig so weitergehen. entfernt!) Was im November und Dezember gerade noch vertretbar ja, dafür müssen wir Geld bereitstellen. ist, können wir nicht unbegrenzt fortsetzen. Wir müssen zielgenauer werden – und das in gemeinsamer Verant- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach so!) wortung mit den Ländern. Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind solche Zukunfts- themen. Als Berichterstatter für den Haushalt des Bun- (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) deslandwirtschaftsministeriums habe ich hier vor allem Diese Debatte brauchen wir jetzt und nicht erst im neuen den Wald im Blick. Jahr. Sonntag ist da vielleicht eine gute Gelegenheit, Herr (Dr. Alice Weidel [AfD]: Aha!) Finanzminister. Der Wald ist ein Schlüsselfaktor in unserer Klimapolitik. Meine Damen und Herren, dem guten Wirtschaften der Allerdings haben Dürre, Sturm und Schädlinge den Wald unionsgeführten Bundesregierung haben wir die Spiel- in den letzten Jahren deutlich geschädigt. räume für solidarische Hilfen zu verdanken. Deshalb ist (B) eine Lehre der Krise, dass die Einführung der Schulden- (Dr. Alice Weidel [AfD]: Und Windräder!) (D) bremse richtig war. Umso wichtiger sind unsere Förderprogramme für den (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP) Wald, etwa in der GAK. Die starke Nachfrage zeigt, wie groß die Not an dieser Stelle ist. Im parlamentari- Linken Forderungen, die Schuldenbremse jetzt abzu- schen Verfahren haben wir die Mittel für die Fachagentur schaffen, wo sie sich doch gerade bewährt, erteilen wir Nachwachsende Rohstoffe und den Waldklimafonds eine klare Absage. daher erhöht. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Schade Ich unterstütze auch die Forderung, dem Wald aus der eigentlich!) CO2-Abgabe eine Prämie zu gewähren. Denn der deut- Wir wollen möglichst schnell diesen Ausnahmefall been- sche Wald speichert jährlich 58 Millionen Tonnen CO2. den. Dazu kommen positive Substitutionseffekte in gleicher Höhe durch die Nutzung von Holz als Energieträger (Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. oder im Holzbau. Diese Klimaleistung des Waldes müs- Birkwald [DIE LINKE]: Wir wollen Investitio- sen wir anerkennen, meine Damen und Herren. nen ins Gemeinwohl! – Peter Boehringer (Beifall der Abg. Dr. André Berghegger [CDU/ [AfD]: Deshalb haben Sie ihn zum dritten CSU] und [FDP]) Mal verlängert!) Daneben stehen auch große Fortschritte beim Zu- Denken wir daran: In der Summe lasten wir den nächsten kunftsthema schlechthin, der Digitalisierung, an. Das Generationen mit diesem Haushalt einen bedrohlichen zieht sich durch alle Haushaltspläne des Bundeshaus- Schuldenberg auf. Wir müssen schon jetzt an diejenigen halts: Digitale Schiene Deutschland, DigitalPakt Schule, denken, die diese Schulden wieder zurückzahlen müssen. digitale Experimentierfelder in der Landwirtschaft, (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ja!) (Dr. Alice Weidel [AfD]: Genial!) Wir sollten uns keine Illusionen machen. Der Druck Förderung von Quantencomputing und künstlicher Intel- zur Haushaltskonsolidierung wird in den nächsten Jahren ligenz. gewaltig sein. (Dr. Alice Weidel [AfD]: Hauptsache nicht (Otto Fricke [FDP]: Ja!) Rechtschreibung und Mathe!) Die Tilgung der Neuverschuldung 2021 in Höhe von Wo heute noch der Herdenschutzesel seinen harten 180 Milliarden Euro soll über 17 Jahre ab 2026 erfolgen, Dienst verrichtet, vertreibt morgen schon ein Roboter und das zusätzlich zu den außerordentlichen Schulden hungrige Wölfe. 25172 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Christian Haase (A) (Dr. Alice Weidel [AfD]: Ein Roboter also!) sönlichen Impuls. Unsere Politik muss vom christlichen (C) All das ist gut und richtig. Nicht bei den Investitionen Menschenbild geleitet sein. Daher sind solide Staats- in die Zukunft, sondern bei den konsumtiven Ausgaben finanzen gelebte Generationengerechtigkeit. Lassen Sie müssen wir genauer hinschauen. uns doch dieses Weihnachtsfest, das ganz anders sein wird als alle anderen zuvor, einmal als Chance begreifen. (Dr. Alice Weidel [AfD]: So, so!) Lassen Sie uns aus der Not eine Tugend machen. Lassen Denn der demografische Wandel wirft seine Schatten Sie uns im kleinsten Kreis, so wie damals in Bethlehem voraus. Immer weniger Erwerbstätige kommen auf einen an der Krippe, feiern – nur der kleinste Kreis, das Herz Rentenbezieher. Immer höhere Zuschüsse aus dem Bun- der Familie. Weihnachten ist eigentlich kein Fest von deshaushalt dienen der Deckung der sozialen Sicherungs- Glanz und Gloria. Es ist ein besinnliches Fest. Erinnern systeme. wir uns daran! Die Wirtschaftsweisen machen uns immer wieder auf Vielen Dank. die langfristige Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie aufmerksam. Auch die Tragfähigkeitsberichte des Bun- der Abg. Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE des selbst zeigen uns hier steigenden Handlungsbedarf. GRÜNEN]) Die aktuellen Berichte weisen eine Tragfähigkeitslücke von bis zu 3,8 Prozent des BIP auf. Die nächste Legisla- turperiode muss daher von einer Haushaltskonsolidie- Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: rung geprägt sein, Vielen Dank. – Das Wort geht an Herrn Otto Fricke von der FDP-Fraktion. (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Durch mehr Einnahmen, nicht durch weniger Ausga- (Beifall bei der FDP) ben!) nachdem wir die Pandemie hoffentlich überstanden Otto Fricke (FDP): haben. Geschätzte Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen! Trotz der kurzen Redezeit will ich doch eine Liebe Kolleginnen und Kollegen, mehr Ausgabenkri- Minute für Dank verwenden. Ich sage gerne in Richtung tik ist angesagt. des Sekretariats, weil ich das, wie Gesine Lötzsch, noch (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!) aus alten Zeiten kenne: 1 800 Anträge und ein bisschen Und wenn uns der Bundesrechnungshof mahnt, der Bund mehr in diesen Haushaltsberatungen – das alles so richtig müsse sich stärker auf die eigenen Aufgaben konzentrie- hinzubekommen, war, weil wir eben bei der Digitalisie- (B) ren, dann ist das richtig. Der Bund kann nicht weiter rung noch nicht ganz so weit sind, eine harte Arbeit. (D) Ausfallbürge für Versäumnisse der Länder sein, zum Bei- Danke, dass ihr das gemacht habt! Das muss man aus- spiel bei der Kommunalfinanzierung. Mit Spannung drücklich noch mal sagen. erwarte ich das Urteil des Verfassungsgerichtshofes am (Beifall im ganzen Hause) 16. Dezember zu den Fehlentwicklungen in Rheinland- Pfalz. Auch wenn jetzt einige fragen werden: „Warum sagt der das?“, will ich mich ausdrücklich beim stellvertreten- Der Bund muss sich gerade in dieser Frage keine Vor- den Vorsitzenden und beim Vorsitzenden des Haushalt- würfe machen. Im Bundeshaushalt 2021 stehen rund sausschusses dafür bedanken, dass sie diese 17 Stunden 65 Milliarden Euro mit direktem oder indirektem kom- so ordentlich durchgebracht haben, dass wir diese Mas- munalen Bezug zur Verfügung, 5,5 Milliarden Euro mehr senaufgabe, die wir hatten, hinbekommen haben, ohne als im Haushaltsjahr 2020 und über 22 Milliarden Euro dass an der Stelle Fehler und Ähnliches mehr passiert mehr als 2019. Mit dem Coronakommunalpaket im sind. Das ist schon eine Aufgabe, die nicht einfach ist, Sommer haben wir gezeigt: Wir stehen auch in Krisen- aber die ihr beiden – das darf ich mal sagen – wirklich gut zeiten an der Seite der Kommunen. Kostenübernahmen gemacht habt. Danke dafür! bei der Grundsicherung im Alter oder den Kosten der Unterkunft entlasten Kommunalhaushalte strukturell, (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der langfristig und nachhaltig. SPD sowie bei Abgeordneten der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE Meine Damen und Herren, das Haushaltsjahr 2021 GRÜNEN) wird leider nicht besser für die Kommunen. Durch den Teil-Lockdown sind weitere Steuerausfälle zu erwarten. Meine Damen und Herren, ich muss mich noch bei Aber ich will es wiederholen: Die Länder müssen hier einem bedanken: Ecki. Ich hätte eigentlich gerne nach ihre finanzielle Verantwortung wahrnehmen. Der An- dir geredet, um mich zu bedanken; aber ich tue das jetzt spruch auf eine auskömmliche kommunale Mindestaus- hier. Ich sage für alle: Du bist der, der bei aller Kritik stattung in Artikel 28 Absatz 2 Grundgesetz ist keine immer wieder für diesen Haushalt steht, und du bist der, Prosa, sondern Rechtsanspruch. der als Puffer am meisten aushalten muss, wenn es darum geht, dass das, was du als Haushälter eigentlich willst, (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Otto nicht das ist, was manche in deiner Fraktion – zu viele Fricke [FDP]) in deiner Fraktion – wollen und was insbesondere die Liebe Eltern, liebe Großeltern, liebe Tanten und Onkel, Regierung will. Insofern kommt der Dank nicht nur von liebe Enkelkinder, Nichten und Neffen, erlauben Sie mir meiner Seite, sondern, wie ich denke, von allen; denn es zum Abschluss dieser Haushaltswoche noch einen per- ist dein letzter Haushalt! Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25173

Otto Fricke (A) (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD Ich habe gemerkt, dass leider auch bei der Union nie- (C) und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie mand den Satz gesagt hat – ich wäre froh, wenn einer der bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN) Nachredner, vielleicht du, Ecki, es nachholen könnte –: Wir werden die Schuldenbremse 2022 einhalten. – Das Meine Damen und Herren, aber dennoch: Kritik muss war ursprünglich mal der Satz, und dann wurde daraus: sein, und Kritik ist auch notwendig; denn Kritik ist das, Wir wollen … – Der feine Unterschied ist da auch bei der was uns voranbringt. Es ist, wenn wir in wenigen Minu- CDU/CSU schon erkennbar. ten den Haushalt verabschieden, ein Rekordhaushalt, ein Rekordverschuldungshaushalt, der mit dem letzten zu- Das, Herr Scholz, sage ich Ihnen ganz deutlich, wenn sammen die Grenze von 1 Billion Euro überschreitet. es um die Schuldenbremse geht: Die Wahrheit kommt Es ist aber ein Haushalt, der – und das muss man sehen – noch vor der Wahl, und wenn Sie den Entwurf des Haus- in einer Notsituation entstanden ist, und das wird auch haltes vorlegen, dann können Sie nicht Kanzlerkandidat nicht von meiner Fraktion bestritten. Nur gelten in einer sein, sondern müssen Finanzminister sein. Und ich warne Notsituation doch zwei Dinge: Erstens kann ich mich Sie im Interesse der nachfolgenden Generationen davor, nicht verschulden, wie ich Lust und Laune habe. Zwei- dann wieder mit sogenanntem finanzpolitischem Hand- tens muss ich in einer Notsituation auf Dinge, die im lungsbedarf im Umfang von 42 Milliarden Euro zu kom- normalen Alltag notwendig sind, verzichten. – Dieses men. Wissen Sie, was das übersetzt heißt? Verzichten fällt großen Teilen dieses Hauses sehr schwer. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Wie hoch Daher sind wir bei dieser übermäßigen Verschuldung, die ist der bei euch?) die FDP mit ihren Vorschlägen um 100 Milliarden Euro reduziert hätte. „Finanzieller Handlungsbedarf“ bedeutet: (Beifall bei der FDP) (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Otto, diese Rücklage, die dann weg ist, wie hoch ist die bei Meine Damen und Herren, ich will das auch noch mal euch? 50 Milliarden, 60 Milliarden?) sagen: Es wird hier immer in den ganzen Einzelplande- batten so getan – und ich habe hier in dieser Woche lange Ich weiß nicht, woher ich das Geld nehmen soll, ich stelle gesessen, so wie viele andere haushaltspolitische Spre- das jetzt mal ein. – Das ist kein Generationenvertrag, das cher und viele andere Mitglieder des Haushaltsausschus- ist unverantwortlich. ses auch –, als gäbe es in diesem Land den Glauben: (Beifall bei der FDP- Carsten Schneider Alles, was wir machen, ist richtig, überall noch ein biss- [Erfurt] [SPD]: Wie viel ist es bei euch?) chen dazu, hier noch was, da noch was, es geht doch Meine Damen und Herren, zum Schluss die Position eigentlich, ist doch nur eine kurze Unterbrechung. – Die- der FDP. Das Interessante ist an dieser Stelle: Wir werden (B) ses Land, die ganze Welt, die Menschheit ist nur dadurch (D) das anders machen; denn wir kommen von einem ganz groß geworden, dass sie neue Ideen hatte, weil es Knapp- anderen Niveau, lieber Carsten Schneider, weil wir eben heit gab, nicht ständig neue, zusätzliche Ausgaben tätigen. Das ist (Dr. Alice Weidel [AfD]: Genau!) der Unterschied. dass sie neu überlegt hat, wie man vorankommt und für (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nee, ihr sich, für andere im Rahmen sozialstaatlicher und wirt- verpulvert die Rücklage!) schaftlicher Maßnahmen etwas tun kann. Das machen Zum Schluss. Die „FAZ“ sagt heute sehr schön in Sie nicht, indem Sie sagen: Das Alte einfach noch mal einem Kommentar zu der Frage der Haushaltspolitik und noch ein bisschen drauf und noch neue Leistungen – das, was Herr Schneider nicht gerne hört: so kommen wir gut durch die Krise. – Nein, so werden Sie vielleicht noch bis ans Ende der Krise kommen, aber Nur die FDP bemüht sich um Vorschläge, die den ab dann ist – in Anführungszeichen – das Grauen groß. Schutz der Gesundheit und der Wirtschaft mit dem Schutz öffentlicher Kassen besser zusammenbrin- Meine Damen und Herren, der Finanzminister hat hier gen sollen. Das ist der richtige Ansatz für das zweite eine – na, ich will es mal so sagen – interessante Rede Pandemiejahr. gehalten. Aber man muss ja bei ihm immer aufpassen, was er nicht sagt. Man könnte es aber auch einfach sagen: Die FDP ist der einzige Herdenschutzesel für Wirtschaft, Gesundheit (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE und Generationenvertrag. GRÜNEN]: Ja! Steuerflucht, Steuerhinterzie- hung!) Herzlichen Dank. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Peter Das ist das Wichtige. Und was erkennbar war: Er hat sich Boehringer [AfD] – Bettina Stark-Watzinger zur Schuldenbremse nicht geäußert. Und er hat ja auch [FDP]: Die sind sehr leistungsfähig, die Esel, schon seinen Haus- und Hofvolkswirt äußern lassen, dass habe ich gehört! – Matthias W. Birkwald [DIE im Jahre 2022 die Schuldenbremse nicht einzuhalten sei, LINKE]: Die FDP ist ein Esel, habe ich jetzt die wahrscheinlich irgendwo zwischen 10 und 30 Milliar- verstanden!) den Euro Neuverschuldung erlaubt. Und ich habe auch genau gemerkt, Herr Minister, dass es bei Ihnen über- haupt kein Thema mehr ist, zu sagen: Wir wollen die Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Schuldenbremse 2022 einhalten. – Das interessiert gar Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Tobias Lindner von nicht. der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. 25174 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler (A) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Um in Ihrem eigenen Bild zu bleiben: Sir haben am (C) Anfang dieses Jahres gesagt: Wir packen jetzt die Bazoo- ka aus. – Wenn Sie aber die Bazooka auspacken, dann Dr. Tobias Lindner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): dürfen Sie nicht im Streufeuer auf alles Mögliche zielen. Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Dann müssen Sie auch zielgerichtet vorgehen, Olaf Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, Scholz. wir beraten hier einen Bundeshaushalt in Ausnahmezei- ten. Als Teil der Opposition hat meine Fraktion in den (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vergangenen Monaten dieser Krise immer wieder in der Sache entschieden und – das wissen Sie auch – bei der Letzter Punkt. Hier wurde viel über die Schuldenbrem- Beratung der beiden Nachtragshaushalte hier in diesem se fabuliert. Kollege Haase, ich war vorhin versucht, die Hohen Haus nicht auf plumpe Opposition gesetzt. Aber entsprechende Bibelstelle zu finden, als Sie vom christ- wenn man sich den Bundeshaushalt für 2021 anschaut, lichen Menschenbild und von der Schuldenbremse spra- dann wird man feststellen, wie es hier ja schon Vorredner chen. gesagt haben: Er enthält so manche Eselei, nicht nur (Otto Fricke [FDP]: Für dich: Unter „Sprü- Herdenschutzesel, sondern auch Maulesel, beispielswei- che“!) se – ich schaue die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch an, die hier von diesem Pult viel über Aufrüstung spricht – beim Wir brauchen bei allem Dissens in der Sache, wie wirk- Thema Bundeswehr. sam dieses Instrument in der Vergangenheit war, doch eine vernünftige Antwort darauf, wie es uns in den Es mag manche Eselei in diesem Haushalt sein. Aber kommenden zehn Jahren gelingen kann, zielgerichtet – wenn man sich dann die Frage stellt: „Ist er wirklich eine nicht nach dem Gießkannenprinzip – Investitionen der Antwort auf die Fragen der Zukunft, die auch im komm- öffentlichen Hand in die Zukunftsfelder Klima, Digitali- enden Jahr vor uns liegen?“, dann muss man feststellen: sierung, Zusammenhalt zu tätigen, liebe Kolleginnen und Dieser Haushalt 2021 greift deutlich zu kurz, meine Kollegen. Darauf bieten Sie keine überzeugende Antwort Damen und Herren. mit diesem Haushalt und mit Ihrer Haushaltspolitik. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Es geht doch nicht nur darum, ob man aus der Krise Meine sehr geehrten Damen und Herren, in dieser herauskommt, sondern wir müssen auch die Frage stel- Debatte wären viele gern Herdenschutzesel gewesen, len: Wie kommen wir denn aus dieser Krise gestärkt auch mein Vorredner von der FDP. Herr Scholz, Sie heraus? In den letzten Stunden ihres Gipfels hat die EU haben die Kanzlerkandidatur vor sich; ich glaube, Sie (B) richtigerweise ihre Klimaschutzziele noch einmal ver- werden auch das versuchen. Ich habe den Eindruck: Viele (D) schärft. Es wäre jetzt an uns, an der Bundesregierung, hier – auch von der Großen Koalition – sind doch eher an Deutschland, hier klare Angebote zu machen und Meister Lampe, der sich in die Büsche schlägt, wenn es voranzugehen. Wir müssen uns doch die Frage stellen: wirklich gefährlich und kritisch wird. Machen wir wirklich genug im Bereich der Digitalisie- rung, nicht nur was den Breitbandausbau betrifft, sondern Herzlichen Dank. beispielsweise auch bei der Digitalisierung der Dienst- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – leistungen des Bundes? Wir müssen uns die Frage stellen: Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen wir wirklich genug für den sozialen Zusammen- Wen meint er denn?) halt in Deutschland mit diesem Haushalt? Nein, meine Damen und Herren, was Sie hier liefern, sind nette Über- schriften, aber keine Antworten auf diese drängenden Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Fragen. Das Wort geht an die Abgeordnete Doris Barnett von der SPD-Fraktion. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der SPD) Herr Scholz, um es klar und deutlich zu sagen: Es geht doch nicht darum, dass Sie Schulden machen. Da haben Sie uns an Ihrer Seite. Auch wir erkennen diese Notwen- Doris Barnett (SPD): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! digkeit an. Aber es geht darum, wofür wir Schulden auf- nehmen und wie wir das Geld ausgeben. Wenn ich sehe, Zunächst einmal gilt bei dem letzten Haushalt, den ich mitzuverantworten habe – die Grundsätze des nächsten dass Novemberhilfen erst im Januar ausgezahlt werden Haushalts könnte ich auch noch ein bisschen mitbestim- sollen, dass in dieser Woche ruckartig eine Abschlags- zahlung hinterherkommt, dass für Soloselbstständige men –, mein Dank dem Sekretariat, unseren Mitarbeitern, noch immer nicht genug getan wird, dass wir zwar vielen aber auch besonders dem Finanzminister und seinem Haus. Wir haben hier, glaube ich, etwas Gutes geschaf- Menschen – meine Kollegin Frau Hajduk ist darauf schon fen. eingegangen – mit einer Umsatzerstattung helfen, dass wir aber an vielen anderen Stellen überhaupt nicht ziel- (Beifall bei der SPD) gerichtet fördern, dann muss ich feststellen: Sie nehmen zwar Schulden auf, geben aber das Geld nicht zielgerich- Aber mein Dank gilt auch Dennis Rohde, unserem haus- tet aus, Herr Scholz. haltspolitischen Sprecher, der den Haushalt, den er erst- malig in dieser Position zu verantworten hat, gut zusam- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) mengehalten hat, halt wie ein guter Herdenschutzesel. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25175

Doris Barnett (A) (Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei sen. Auch dort müssen sie wissen, dass es weitergeht (C) Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP) nach der Krise. Wenn wir hier helfen – die Menschen dort sollen ja unsere Waren kaufen –, dann ist das der Jetzt lassen Sie mich aber wenigstens noch ein paar richtige Weg, und das ist gut so. Worte auf die rechte Seite des Hauses verschwenden. Wenn das Coronavirus nicht so tödlich wäre, könnte (Beifall bei der SPD) man die Beiträge der AfD als Satire betrachten und viel- Ich bin auch froh, dass wir den Entwicklungsländern, leicht sogar darüber schmunzeln. Das Schlimme ist aber: zum Beispiel den Ländern in Afrika, helfen und unsere Sie meinen alles, was Sie hier plappern, ernst. Selbst der humanitäre Hilfe großzügig aufgestockt haben; denn dort beste Herdenschutzesel schützt Sie nicht davor. Denn Sie werden wir zukünftig Menschen brauchen, die uns hel- überprüfen Ihren Sermon nicht auf Seriosität und wissen- fen. schaftliche Haltbarkeit, im Gegenteil. (Beifall bei Abgeordneten der SPD) Deswegen verwundert es mich auch nicht, dass Sie vorgestern von hier aus noch mal ganz kräftig den Herrn Jetzt möchte ich noch einem Bildungsträger ganz herz- Trump unterstützt haben. Offensichtlich haben Sie mit lich gratulieren, dem wir auch immer viel Geld geben, der Demokratie nicht viel am Hut. es aber auch gut nutzt. Das ist das Goethe-Institut. Das Goethe-Institut ist ausgezeichnet worden als bester digi- (Ulli Nissen [SPD]: Das stimmt!) taler Bildungsanbieter. Das hat doch was. Ihr Ding ist dann eher die Autokratie, und autokratisch (Beifall bei Abgeordneten der SPD) regierte Länder sind ja für Sie sowieso ein beliebtes Rei- seziel. So waren Sie erst vor Kurzem wieder in Russland, Das ist eine Institution, die wir unterstützen und die sich und auch auf die Krim fahren Sie nach wie vor. Sie gehen auf die neuen Zeiten eingerichtet hat und etwas Gutes zu Herrn Assad. Wahrscheinlich holen Sie sich dort nicht bewirkt. nur Anregungen. Ich vermute: Sie würden, wenn Sie Dieser Haushalt hat die Herausforderungen der Zeit könnten und dürften, wahrscheinlich eine Mauer um aufgenommen und wird sie auch meistern. Deswegen Deutschland bauen und dann einen hervorragenden würde ich mich freuen, wenn Sie ihm auch zustimmen Haushalt aufbauen, weil Sie dann keinen Außenhandel könnten. haben usw. Vielen Dank. Lassen Sie mich aber auf unseren Haushalt zurück- kommen. Der Haushalt ist wirklich gut. Es ist ein (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Rekordhaushalt – das stimmt –, aber wir erleben auch der CDU/CSU) (B) eine ungewöhnliche Zeit, in der viele Menschen sterben. (D) Wir haben schon über 20 000 Tote in unserem Land. Da Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: darf man nicht kleckern. Da muss man sich etwas trauen. Ich gebe das Wort an den Abgeordneten Spaniel aus Unser Finanzminister hat sich etwas getraut, und ich bin der AfD-Fraktion für eine Kurzintervention. froh, dass er das gemacht hat. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Auch das (Beifall bei der SPD) noch!) Er hat viel Geld in die Hand genommen für die Men- schen in unserem Land, für die Familien, für die Arbeit- Dr. Dirk Spaniel (AfD): nehmerinnen und Arbeitnehmer, für die Unternehmer. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrte Kolle- Natürlich muss er auch Unternehmen schützen. Wie sonst gin, hier in dieser Debatte kommt ja immer wieder das sollen denn Arbeitsplätze erhalten bleiben? Man kann Wort „Herdenschutzesel“ vor. Es mag eine gute Tradition natürlich sagen: Hauptsache, die Arbeitnehmer und die sein, dass man ein solches Wort verwendet. Der Herden- Rentner haben etwas. – Aber wenn die Firmen kaputt schutzesel dient einer Herde als Schutz gegen Angriffe sind: Wo sollen die Menschen dann arbeiten gehen? von außen. Das, was wir bei diesem Bundeshaushalt erle- Also bitte! ben, ist meiner Ansicht nach etwas völlig anderes. Wir sehen hier einen Bundeshaushalt, der aus einer Lock- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten down-Politik resultiert. Die Menschen in diesem Land der CDU/CSU) vertrauen dieser Regierung, und diese Regierung führt Es ist wichtig, dass auch die Kommunen unterstützt die Menschen in diesem Land in die Irre, und zwar mit werden, und – meine Vorredner haben das ja schon aus- einer katastrophalen Wirtschafts- und Überschuldungs- geführt – das tun wir. Wir lassen die Kommunen nicht im politik. Das haben wir hier identifiziert. Stich. Aber die Länder müssen ihren Beitrag auch dazu Ich finde, der Ausdruck „Herdenschutzesel“ ist völlig leisten. unangemessen. Es gibt einen ganz anderen Ausdruck, der (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Eckhardt hier angemessen wäre. Dies ist der Ausdruck „Judaszie- Rehberg [CDU/CSU]) ge“. Die Judasziege führt ihre Herde in den Schlachthof. Und genau das passiert in diesem Land. Deshalb bin ich Es ist gut, dass wir jetzt in Europa einheitliche Regel- dafür, dass wir diesen Ausdruck hier auch ins Gespräch ungen haben und dass Geld nach Europa fließt. Es kann bringen. – Vielen Dank. nicht sein, dass nur Deutschland mit viel Geld aus der Krise herauskommt. Wir brauchen auch starke Nachbarn. (Beifall bei der AfD – Zurufe von der SPD und Auch dort müssen die Menschen wieder Hoffnung fas- der LINKEN) 25176 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

(A) Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: und deswegen haben wir jetzt die Möglichkeiten zur Ver- (C) Frau Abgeordnete, möchten Sie darauf reagieren? – fügung. Wir müssen aber die schwarze Null weiter fest im Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zu Herrn Auge behalten. Wir müssen sie ab 2022 wieder in den Sebastian Brehm, der für die CDU/CSU-Fraktion spricht. Blick nehmen, und darüber müssen wir hart diskutieren. (Beifall bei der CDU/CSU) Die Schwerpunkte im Haushalt zeigen aber auch eine klare Handschrift. Wir helfen kurzfristig, aber wir inves- Sebastian Brehm (CDU/CSU): tieren mittel- und langfristig. Kurzfristig helfen wir mit Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! 39,5 Milliarden Euro für die Überbrückungshilfe III, mit Wir verabschieden heute einen der wohl wichtigsten den November- und Dezemberhilfen. Es gibt ein großes Haushalte in der jüngeren bundesdeutschen Geschichte, Hilfspaket: 35 Milliarden Euro für den Covid-19-Vorsor- neben dem Haushalt zur Finanzkrise zum Beispiel oder getitel, das KfW-Sonderprogramm, die Unterstützung der dem zur deutschen Wiedervereinigung. Auch dort ging es Bundesagentur für Arbeit zur Finanzierung des Kurzar- darum, künftige Weichenstellungen, die in ihrem ganzen beitergeldes. Ausmaß noch nicht abzusehen waren, zu beschließen. Im mittel- und langfristigen Bereich treffen wir wich- Und dies gilt auch heute. tige Entscheidungen mit 35 Milliarden Euro beim Etat für Wir befinden uns nach wie vor in einer ernsten Krisen- Gesundheit, zum Beispiel um die Krankenhäuser leis- situation, gerade in diesen Tagen. Seit Beginn der Pande- tungsfähiger zu machen, neue Impfstoffe zu beschaffen mie arbeiten wir unermüdlich mit voller Konzentration oder auch neue Medikamente gegen Covid-19 zu entwi- und Sorgfalt an der Lösung der großen Herausforderun- ckeln. Wir entlasten die Kommunen, damit weiteres gen, und wir werden dies auch mit aller Kraft weiter tun. Investitionspotenzial dort verbleibt. Lassen Sie mich drei Punkte ansprechen, die mich im Zusammenhang mit dem Haushalt 2021 bewegen: Der Haushaltsausschuss hat die bislang höchsten In- vestitionen in diesem Haushalt angelegt. Mit 61,8 Milliar- Erstens. Dieser Punkt ist etwas allgemeiner. Unser den Euro setzt der Staat so starke Investitionspotenziale Fraktionsvorsitzender Ralph Brinkhaus hat am wie noch nie zuvor: 26. November dieses Jahres zutreffend formuliert: Füh- rung bedeutet eben auch, den anderen etwas zumuten zu (Otto Fricke [FDP]: Das stimmt doch gar können. – Wir haben natürlich versucht, haushalts- und nicht!) finanzpolitisch unter den gegebenen Umständen das Bes- te möglich zu machen. Manche Wünsche wurden erfüllt, Klimaschutz, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, In- manche Wünsche konnten aber leider nicht erfüllt wer- vestitionen in Bildung oder unsere Wasserstoffstrategie, (B) den. Und so ist es auch bei unseren Hilfsmaßnahmen: Das Investitionen in den Strukturwandel. Wir müssen für die (D) bedeutet, sich diese jeden Tag mit aller Sorgfalt anzu- Zukunft noch mehr in die Ressourcen Mensch und Wis- sehen, nachzusteuern, zu verbessern, gegebenenfalls sen in Deutschland investieren. Das ist übrigens eine auch Fehler zu korrigieren. Wir übernehmen Verantwor- große Chance dieses Haushaltes, und die nutzen wir. tung in dieser Zeit wie in keinem anderen Land dieser (Beifall bei der CDU/CSU) Erde. (Beifall bei der CDU/CSU) Drittens. Dieser Punkt ist für mich entscheidend: Wie soll es in Zukunft weitergehen? Wie kommen wir gestärkt Zweitens. Betrachtet man einen Staat wirtschaftlich für aus der Krise? Das wurde während der ganzen Woche sich alleine, gibt es aus volkswirtschaftlichen Gesichts- schon an vielen Stellen betont, und ich will es noch punkten zwei Möglichkeiten, eine Krise zu kontrollieren: einmal doppelt unterstreichen: Wenn wir die Krise lang- Die erste ist monetär, also geldpolitisch, und die zweite fristig meistern wollen, schaffen wir das nur durch ist fiskalisch, also haushalts- und steuerpolitisch. Im Be- Wachstum. Wachstum schafft und sichert Arbeitsplätze. reich der Geldpolitik haben wir nur begrenzte Möglich- Wachstum führt zu mehr Steuern, und Wachstum führt zu keiten, unsere Wünsche zu äußern. Das ist gut und rich- mehr Wettbewerbsfähigkeit. Wachstum erreichen wir tig; denn die Zentralbank ist unabhängig. aber nicht mit mehr Bürokratie, mit mehr Kontrollen, Den Bereich Haushalt und Finanzen haben wir aber mit mehr Misstrauen oder mit mehr Steuern. Ich nenne fest in unseren Händen. Der Haushaltsausschuss hat in hier die Forderung nach einer Vermögensteuer oder einer diesem Jahr mit allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Vermögensabgabe. Das ist genau die falsche Richtung. eine unglaubliche Arbeit geleistet und hat den Regie- rungsentwurf noch mal um 85,2 Milliarden Euro aufge- (Beifall bei der CDU/CSU) stockt. Die Gesamtausgaben des Bundes belaufen sich Was wir brauchen, ist ein Belastungsmoratorium für somit auf knapp 500 Milliarden Euro. die Wirtschaft. Vor allem brauchen wir Vertrauen für Um diesen fiskalischen Kraftakt zu stemmen, müssen die Wirtschaft und für die in der Wirtschaft Tätigen. wir knapp 180 Milliarden Euro neue Schulden aufneh- Was wir aber auch brauchen, ist eine dringende Reform men. Die Schuldenquote nach den Maastrichter Kriterien der Unternehmensbesteuerung in Deutschland, und hier steigt von 60 Prozent auf 71 Prozent. Im Vergleich dazu haben wir als CDU/CSU-Fraktion ein Papier vorgelegt, lag sie nach der Krise im Jahr 2008 bei 80 Prozent. Man das genau die Maßnahmen benennt: Maximalbelastung kann mit Fug und Recht sagen: Die Maßnahmen, die wir für Gewinne, die im Unternehmen verbleiben, in Höhe in den letzten Jahren mit der schwarzen Null getroffen von 25 Prozent, damit Investitionen angestoßen werden haben, waren wichtig für eine solide Haushaltsführung, können, damit investiert werden kann in die Zukunft. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25177

Sebastian Brehm (A) Wir schaffen damit auch mehr Liquidität für die Lassen Sie uns die Krise als Chance nutzen – als Chance (C) Bekämpfung des Klimawandels, für Digitalisierung und für mehr Beschäftigung, für mehr Wachstum. Und des- andere Fragen. Wir brauchen eine Verbesserung des Ver- wegen lassen Sie uns den Haushalt heute so beschließen. lustrücktrages, sodass Unternehmen aus eigener Kraft Herzlichen Dank. heraus die Krise meistern können. Lieber Herr Kollege Scholz, ich weiß nicht, warum Sie das nicht mit einge- (Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Alice Weidel bracht haben. Im Februar haben Sie anlässlich einer Ver- [AfD]: Was für ein Höhepunkt der Haushalts- anstaltung „10 Jahre Hamburger Forum für Unterneh- debatte!) mensteuerrecht“ gesagt – ich zitiere –: Wir beobachten die wirtschaftliche Entwicklung Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: sehr genau, um darüber hinaus auch mit steuerlichen Ich gebe das Wort an den Abgeordneten Dehm für eine Maßnahmen reagieren zu können, wenn es notwen- Kurzintervention. dig ist. Notwendig wird das jedoch erst im Falle eines deutlichen und gravierenden Einbruchs der konjunkturellen Entwicklung. Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): Herr Kollege, Sie hätten natürlich die Frage zulassen Wann, wenn nicht jetzt, lieber Herr Bundesfinanzminis- können; dann hätte ich es auch in Frageform formuliert. ter? Ich weiß nicht, warum Sie sich in dieser Sache ver- So wird es jetzt zum Statement. weigern. Nachdem immer wieder wie gedroschenes Stroh hier die Legende von der schwarzen Null und der Schulden- Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: bremse verbreitet wird – die schon vorher als Ideologie Herr Abgeordneter, haben Sie Lust auf eine Zwischen- immer im neoliberalen Teil des Parlaments herumgegeis- frage vom Kollegen Dehm? tert ist –, (Otto Fricke [FDP]: Welche? Was?) Sebastian Brehm (CDU/CSU): Nein, danke. wonach eine Rücklage gebildet worden sei, auf die man ( [DIE LINKE]: Sie sind ein jetzt zurückgreifen könnte, möchte ich Ihnen einfach nur lustloser Mensch!) als Statement – sonst hätte ich es als Frage formuliert – sagen: Durch die Einsparungen, durch die Kürzungen bei Und wenn man diesen Vergleich mit der Vermögen- den Gesundheitsämtern wurde der Lockdown verschärft. steuer zieht, dann muss man, so glaube ich, auch noch Durch die Einsparung von Schwersttherapie-Pflege- (B) mal den Vergleich mit dem heute viel zitierten Herden- personal – nicht Betten, aber Pflegepersonal – wurde (D) schutzesel und mit den Wölfen machen. Wenn Sie Ver- der Lockdown verschärft. Diese gesamten Maßnahmen, mögensteuer und mehr Steuern fordern, dann ist das wie durch die überall dort eingespart wurde, wo wir jetzt an der Wolf, der die Herde bzw. die Substanz der Unterneh- der Belastungsgrenze sind – Sie haben wahrscheinlich men angreift. Wenn der Vermögensteuerwolf um die Her- auch wie ich das Interview mit dem Chef der Charité de kreist und immer wieder jemanden rausreißt aus der gehört –, sind angelegt worden durch die schwarze Null Herde, dann geht die Herde kaputt. Deshalb brauchen wir und durch die Schuldenbremse. mehr steuerliche Herdenschutzesel, die laut aufschreien, wenn der Vermögensteuerwolf und der Steuererhöhungs- Die schwarze Null und die Schuldenbremse haben kei- wolf durch die Lande ziehen. ne Rücklage erzeugt; sie sind kein Teil der Lösung, son- dern sie sind ein Teil der Problemanhäufung. Sie müssen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- auf Dauer beendet bleiben. ordneten der FDP) (Beifall bei der LINKEN – Patrick Schnieder Um im Tierreich zu bleiben – wir haben es auch in [CDU/CSU]: Selten so einen Quatsch gehört!) dieser Diskussion wieder gesehen –: Es gibt leider auch dümmere Esel als den Herdenschutzesel, obwohl man dem Tier wahrscheinlich Unrecht tut. Aber das Bild passt. Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: (Zuruf des Abg. Alexander Ulrich [DIE LIN- Herr Abgeordneter Brehm, möchten Sie reagieren? – KE]) Nein, das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zum nächsten Redner: Dennis Rohde aus der SPD-Fraktion. Diese dümmeren Esel treiben sich an den dunklen und rechten Rändern der Herde rum. Sie schreien laut, verun- (Beifall bei der SPD) sichern die Herde, aber sie bewirken nichts. Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Herde merkt das. Die Dennis Rohde (SPD): Herde braucht einen konzentrierten Herdenschutzesel, Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen der die Herde schützt und der ihr auch Sicherheit gibt. und Kollegen! Wir hatten uns vorgenommen – auch mit (Heiterkeit der Abg. [Augsburg] Blick auf die Pandemie –, die Bereinigungssitzung, die ja [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) immer bis in die frühen Morgenstunden geht, vielleicht etwas zu straffen, um nicht wieder auf so viele Stunden zu Wir wollen das tun, indem wir mit aller Konzentration kommen. Es ist uns nicht gelungen; mit siebzehneinhalb auch in der Zukunft daran weiterarbeiten. Stunden war es die längste Bereinigungssitzung, an die (Zuruf von der AfD: Mäh!) sich, glaube ich, alle hier im Saal erinnern können. 25178 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Dennis Rohde (A) Das zeigt aber, dass dieser Haushalt mit seinem Rie- (Otto Fricke [FDP]: Du kannst hier nicht Vor- (C) senvolumen von 500 Milliarden Euro – mit 180 Milliar- würfe machen und dann so etwas tun! – Gegen- den Euro Nettokreditaufnahme – intensiv diskutiert wur- ruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: de. Ich finde, das ist so einem Haushalt auch angemessen, Er sagt die Wahrheit!) und es zeigt, dass dieses Parlament in der Krise hand- lungsfähig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. Für eine Pressemitteilung „Unsere Nettokreditaufnah- me wäre 100 Milliarden Euro niedriger als die der ande- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten ren“ sind Sie bereit, die 50-Milliarden-Euro-Rücklage der CDU/CSU) einzusetzen und damit dem nächsten Deutschen Bundes- Wir haben jetzt eine intensive Debatte – über die letz- tag die Chance zu nehmen, die Schuldenbremseregel der ten Tage – zu diesem Haushalt hinter uns. Ich dachte Verfassung wieder einzuhalten. eigentlich nach den letzten drei Jahren, man hätte hier (Otto Fricke [FDP]: Ach, ihr wollt nächstes alles erlebt. Aber wie offenkundig in jeder Rede einer Jahr 50 Milliarden Euro aus der Rücklage nut- bestimmten Fraktion Tote, Schwererkrankte billigend in zen!) Kauf genommen wurden, wie offenkundig hier Beihilfe zur Masseninfektion betrieben wurde, liebe Kolleginnen Auch das spricht für sich; das ist Politik, die nicht nach- und Kollegen, das fand ich unerträglich. haltig ist, liebe Kolleginnen und Kollegen. (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der LIN- (Beifall bei der SPD – Otto Fricke [FDP]: Also KEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollt ihr nächstes Jahr 50 Milliarden Euro aus sowie bei Abgeordneten der FDP) der Rücklage nehmen!) Und es ist nicht nur gemeingefährlich nach draußen – wir haben ja gehört: die Zahl der Infizierten in der AfD- Wir haben gesagt – und das ist richtig so –: Die Rück- Fraktion ist nach dem Bundesparteitag signifikant gestie- lage, die wir in guter Zeit erarbeitet haben, die nutzen wir gen –, Sie sind auch eine Gefahr für die Kolleginnen und in den Jahren 2022, 2023 und 2024, um wieder unter die Kollegen, die sich hier selbst schützen wollen. Schuldenbremseregel der Verfassung zu kommen. Das wird eine Anstrengung mit sich bringen; aber wenn (Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel [AfD]) man die Rücklage jetzt auf den Kopf haut, dann hat Wir haben intensiv über den Bundeshaushalt disku- man eben gar keine Chance mehr. Und das ist der Unter- tiert. Es ist auch deutlich geworden, dass es unterschied- schied hier im Haus, liebe Kolleginnen und Kollegen. lichste Vorstellungen zur Ausgestaltung des Haushalts (Beifall bei Abgeordneten der SPD) gibt. Ich habe mir sehr intensiv zum Beispiel angeguckt, (B) (D) was die FDP-Fraktion so beantragt hat. Sie schmücken Ich will mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken. sich ja damit, die Nettokreditaufnahme würde bei Ihnen Ich möchte mich zunächst bei den Mitarbeiterinnen und 100 Milliarden Euro niedriger ausfallen. Sie wollen den Mitarbeitern des Haushaltsreferats bedanken, die mit uns Familien in diesem Land das Baukindergeld streichen. diese langen, langen Sitzungen vollzogen haben. Ich (Otto Fricke [FDP]: Das haben wir schon möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern immer vertreten!) im Bundesfinanzministerium bedanken. Lieber Olaf Scholz, vielen Dank für die viele Zuarbeit! Insbesondere Sie wollen im nächsten Jahr die Grundrente nicht in Kraft möchte ich mich auch bei den Mitarbeiterinnen und Mit- setzen arbeitern in den Abgeordnetenbüros bedanken, die in die- (Otto Fricke [FDP]: Sondern eine Basisrente!) ser Aufzählung schnell zu kurz kommen, und bei denen, die in der Fraktion arbeiten. Wir stehen mit unseren klei- und damit bei denen ansetzen, die ihr Leben lang gear- nen Teams immer sehr großen Teams in den Ministerien beitet haben; Sie gönnen denen nicht, dass sie mehr be- gegenüber, sodass da umso mehr geleistet werden muss. kommen als das, was Sozialhilfe wäre. Sie sind bereit, bei Deshalb auch vielen Dank an all diejenigen, die uns so der Mütterrente anzusetzen, intensiv in unserer Arbeit unterstützt haben! (Otto Fricke [FDP]: Wie immer! Und nur bei (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ der Mütterrente II, wenn Sie ehrlich sind, Herr DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der Kollege!) CDU/CSU und der LINKEN) und wollen die Gleichstellung von Müttern, die Kinder früh geboren haben, verhindern. Ich möchte zum Ende meiner Rede – es ist mein erster Haushalt, den ich als Sprecher verhandeln durfte – dir, Gleichzeitig wollen Sie die reichsten 5 Prozent dieser lieber Ecki Rehberg – es war der letzte Haushalt, den du Gesellschaft entlasten. Sie wollen eine Politik der Um- als Sprecher für die Unionsfraktion verhandeln durftest –, verteilung von unten nach oben betreiben. Dabei erfahren ganz ausdrücklich für die gute Zusammenarbeit danken. Sie aber den entschiedensten Widerstand unserer Frak- Die Kulturwissenschaftlerin Jutta Person hat einmal ge- tion, liebe Kolleginnen und Kollegen. sagt: Im Grunde kann man vom Esel das Neinsagen ler- (Beifall bei der SPD – Abg. Otto Fricke [FDP] nen. – Jetzt würde ich, anders als die Kollegin Doris meldet sich zu einer Zwischenfrage) Barnett, dich nie als „Herdenschutzesel“ bezeichnen. – Otto, ich lasse deine Zwischenfrage nicht zu. Du hast (Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der deine Redezeit gehabt. Ich will noch weitergehen. CDU/CSU) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25179

Dennis Rohde (A) Aber Nein sagen gegenüber den vielen Wünschen aus der (Beifall bei der FDP – Carsten Schneider (C) Fraktion und auch aus den Ministerien, ganz egal welcher [Erfurt] [SPD]: Der Freibetrag ist Verfassungs- politischen Couleur, konntest du, und ganz egal, wer dir rechtsprechung, der Spitzensteuersatz nicht! nachfolgt, das muss man lernen. Das hast du par excel- Das müssten Sie wissen, Herr Kollege!) lence gekonnt. Auch dafür vielen Dank, lieber Ecki Das Zweite ist: Man verspricht, den Solidaritätszu- Rehberg! schlag abzuschaffen. Wenn auf der anderen Seite nicht (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem mehr die Mittel kommen, dann kann man gerne als Koali- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- tion darüber diskutieren – wenn Sie das wollen –, die ordneten der FDP und der LINKEN) Lohn- und Einkommensteuer zu erhöhen; das kann man dann machen. Aber Versprechen, die man gegenüber Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Bundeshaus- allen Bürgern gemacht hat, halt ist Ausdruck für die Handlungsfähigkeit dieses Staa- tes. Ich finde, man sollte denjenigen, die sich jetzt hin- (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Hast du stellen und sagen: „Wir können uns das alles gerade nicht vielleicht gemacht – wir nicht!) leisten“, und: „Man muss mit dem Rotstift durch diesen die muss man halten. Die andere Frage hätten Sie klären Haushalt gehen“, ganz entschieden entgegentreten. Wenn können; aber selbst das haben Sie in vier Jahren Große wir heute nichts machen würden, dann würde es morgen Koalition ja nicht geschafft. um ein Vielfaches teurer werden. Das, was wir machen, ist teuer, ja; aber es ist nachhaltig, und es hilft, dieses (Beifall bei Abgeordneten der FDP) Land durch die Krise zu bringen. Es ist die Einlösung Zum Schluss, um es noch einmal klarzustellen: Die des Versprechens an unsere Bürgerinnen und Bürger: FDP hat bei der Frage der Grundrente ausdrücklich ge- Wenn dieser Staat in die Krise kommt, dann stehen wir sagt: Wir müssen hier etwas tun, es muss eine Basisrente handlungsfähig und solidarisch an eurer Seite. sein. – Aber wir haben auch klar gesagt – und dabei (Zuruf von der AfD: Amen!) bleiben wir –: In einer Notsituation darfst du nicht den Rotstift ansetzen, aber du darfst auch nicht zusätzliche Vielen Dank. Leistungen einführen; das wäre eine Versündigung am (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Generationenvertrag. der CDU/CSU) (Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: (B) Ich gebe das Wort für eine Kurzintervention dem Ab- Herr Abgeordneter, möchten Sie antworten? – Ja. (D) geordneten Fricke. (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Er hat doch Dennis Rohde (SPD): schon geredet!) Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich fasse noch einmal zusammen: In der Notsituation ist die FDP bereit, die Otto Fricke (FDP): Grundrente für Menschen mit kleinsten Einkommen zu Ja, ich habe schon geredet. Aber ich glaube, man muss verschieben und den Soli für die reichsten 5 Prozent das schon klarstellen, was der Kollege Rohde hier anzu- abzuschaffen. Das ist genau das, was ich gerade gesagt sprechen versucht hat, und das will ich ganz kurz machen. habe. Ich danke Herrn Fricke für die Bestätigung dessen. Herr Kollege Rohde, Sie behaupten, wir würden an der (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten Stelle nur die Reichen entlasten. des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Beim Soli Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: ja!) Vielen Dank. – Das Beste kommt zum Schluss Jetzt sage ich Ihnen: Das machen Sie doch im Steuerrecht auch, das machen Sie im Steuerrecht doch genauso. Sie (Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU) haben den Grundfreibetrag und den Kinderfreibetrag – auch wenn noch nicht endgültig Schluss ist –: Ich gebe erhöht. Wollen Sie mir etwa erzählen, dass der größte dem Abgeordneten Eckhardt Rehberg das Wort. Bitte. Teil der steuerlichen Entlastungswirkung nicht bei den Spitzenverdienern ankommt? Ist das nicht Teil Ihres Pro- (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord- jektes? neten der SPD und der Abg. Bettina Stark- Watzinger [FDP]) (Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Das ist Verfassungsrecht!) Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): – Eben, es ist Verfassungsrecht. Und das ist der Unter- Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die letzten Wochen schied: Sie behaupten einfach mit Ihren Vorurteilen, wir waren schon eine Herausforderung: Zunächst Ende Sep- würden die oberen Einkommen entlasten, obwohl Sie es tember die erste Lesung – das Bundesfinanzministerium, selber genauso machen. Da sollte man doch – Haushalts- lieber Olaf Scholz, hat über den Sommer hart arbeiten wahrheit und Haushaltsklarheit – eine gerade Linie ver- müssen –, dann zwei Nachträge, ein kompletter Haushalt; folgen. das ist schon eine Herausforderung. 25180 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Eckhardt Rehberg (A) Die Bereinigungsvorlage war letztendlich auch nicht Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann über (C) ganz dünn. Weil wir in der gebotenen Zeit intensive Bera- diesen Haushalt trefflich diskutieren. Aber er ist eine tungen durchführen konnten, geht ein Dank zunächst ein- Brücke, um durch die Krise zu kommen, eine Brücke mal an das Sekretariat des Haushaltsausschusses. im Bereich Gesundheitsschutz, Hilfe für Unternehmen, Die Sitzungen fanden in ungewohnter Umgebung statt, für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Aber er macht nicht wie gewohnt gleich nebenan im Saal des Haushalt- noch mehr: Er stößt Investitionen an. sausschusses, sondern im Großen Protokollsaal, im Frak- Lieber Kollege Tobias Lindner, tionssaal der Union oder der SPD, je nachdem. Die Zah- len sind schon genannt worden: 17 Stunden 37 Minuten (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE Bereinigungssitzung. Insgesamt knapp 60 Stunden Ein- GRÜNEN]: Ja, Ecki!) zelplanberatung. Dank an beide Vorsitzende, gerade an wenn wir Stück für Stück die Einzelpläne durchgehen Martin Gester: Freitag früh um 3 Uhr noch 75 Minuten würden im Hinblick auf die Themen „Klimaschutz“, über gut 500 Deckblätter zum Einzelplan 60 abstimmen – „Digitalisierung“, „Mobilität“, wird deutlich: Noch nie Spaß und Vergnügen sieht an der Stelle ein bisschen ist in einem Bundeshaushalt – jetzt und über Verpflich- anders aus. Also Dank an alle Beteiligten, die diesen tungsermächtigungen – so viel Geld in diese Bereiche Bundeshaushalt mit zuwege gebracht haben. geflossen wie in diesem und im nächsten Jahr. (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abge- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD) ordneten der FDP und der LINKEN) Noch niemals! Wir dürfen nicht nur die Einzelpläne an- Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß eigentlich schauen, sondern müssen den Energie- und Klimafonds nicht, was man an dieser Stelle zu den – das Wort „Kolle- und den Einzelplan 60 noch mit dazu nehmen. Deswegen ge“ kommt mir schon schwer über die Lippen – Kollegen ist dieser Haushalt beides: Brücke und Basis für die Zu- Spaniel und Weyel noch sagen soll. Haben Sie denn wirk- kunft, lich nicht mal Respekt vor der Zahl von knapp 600 Toten (Dr. Harald Weyel [AfD]: In den Abgrund und gestern und 30 000 Infizierten? nicht über den Abgrund!) (Dr. Harald Weyel [AfD]: Mit Corona, nicht durch!) um aus dieser Krise gut herauszukommen. Stattdessen reden Sie von Massenpsychose. Wissen Sie: (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU) Sie sind – ich werde selten so scharf an dieser Stelle – Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe diese mitverantwortlich mit Ihrem Gebaren, mit Ihrem Reden (B) Woche so manchen Fake gehört. Aber die größten Böcke (D) auch hier im Deutschen Bundestag für die 30 000 Infi- hat Frau Baerbock geschossen. zierten und für die 600 Toten. Dafür mache ich Sie heute mitverantwortlich! (Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, GRÜNEN]: Nein!) der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Erste Bemerkung zur Behauptung von der Kollegin GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Harald Weyel Baerbock, hier würden 500 Millionen Euro für Regional- [AfD]) flughäfen ausgegeben: Die Wahrheit ist eine andere. Ers- Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frau Kollegin tens. 300 Millionen Euro für die Deutsche Flugsicherung Lötzsch, sind notwendig; denn wir sind Eigentümer. Zweitens. 170 Millionen Euro für drei Flughäfen sind notwendig, (Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Die war gut!) weil wir beteiligt sind: Berlin, München, Köln/Bonn. Deutschland ist sozial, Deutschland ist klimafreundlich, Richtig ist: 20 Millionen Euro haben wir eingestellt, um und Deutschland ist auch friedlich. möglichst, wenn Brüssel Ja sagt, den kleinen Regional- flughäfen beim Thema Flugsicherung zu helfen; das ist (Zuruf von der AfD: Und pleite!) die Wahrheit. So viel zu diesen 500 Millionen Euro. Deutschland hat im Gegensatz zu Russland nicht die Krim annektiert. Ich habe den real existierenden Sozia- (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie lismus erlebt. Sie reden vom Gesundheitswesen, von bei Abgeordneten der FDP – Dr. Marie-Agnes Pflegeheimen. Ich habe noch gut im Kopf, wie das in Strack-Zimmermann [FDP], an BÜNDNIS 90/ der ehemaligen DDR aussah: 40 Siechende auf einem DIE GRÜNEN gewandt: Passt nicht ins Bild! – Flur, ein Waschbecken, eine Toilette. Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall bei der CDU/CSU) – Wisst ihr: Entweder schreibt ihr ihr das besser auf, oder sie guckt mal in den Bundeshaushalt rein. Gehen Sie heute mal in die Pflegeheime, in die Kranken- häuser hinein. Ich möchte nicht wieder zurück zum real (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und existierenden Sozialismus. Das, was Sie heute propagiert der SPD) haben, ist davon ganz in der Nähe. Ich lebe gerne in einer sozialen Marktwirtschaft. Diese Rede von der Kollegin Baerbock hat von großer Unkenntnis gezeugt. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD) (Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25181

Eckhardt Rehberg (A) Und Gnade uns Gott, wenn entweder Frau Baerbock oder Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: (C) Herr Habeck Bundeskanzler werden; der eine weiß nicht, Ich gebe das Wort zu einer Kurzintervention an Anja was eine Entfernungspauschale ist, und die andere hat Hajduk von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. noch nicht einmal in den Bundeshaushalt reingeguckt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der Lieber Herr Kollege Rehberg, es ist bekannt, dass ich SPD und der FDP – Zuruf vom BÜNDNIS 90/ Sie als Kollegen im Haushaltsausschuss sehr schätze. DIE GRÜNEN) Aber ich finde es starken Tobak – Sie hätten der Kollegin am Mittwoch selber widersprechen können; Sie waren Zweite Bemerkung. Kollegin Baerbock behauptet, nämlich im Plenum, als sie hier gesprochen hat –, dass aktuell wachse das Straßennetz um mehrere Tausend Sie so etwas jetzt am Ende dieser Debatte ins Zentrum der Kilometer, während bei der Schiene sage und schreibe Kritik rücken. drei neue Kilometer dazugekommen seien. Es gibt da eine ganz andere Wahrheit, liebe Kolleginnen und Kol- Wir gucken gerne noch mal, was alles gemeint ist: War legen: Unter Rot-Grün im Jahr 2004 wurden 3 Milliarden die Flugsicherung gemeint, oder sind andere Ausgaben Euro für Neubau und 1 Milliarde Euro für Erhaltung aus- für den Luftverkehr gemeint gewesen? Geschenkt, wenn gegeben. Heute werden 3,3 Milliarden Euro für Neubau da mal eine Unschärfe war. und 4,5 Milliarden Euro für Erhaltung ausgegeben. (Zurufe von der CDU/CSU: Oh!) ( [CDU/CSU]: Genauso ist Aber was Sie behauptet haben, finde ich unredlich: Die es!) Zahlen von 2004 – ich war da schon im Haushaltsaus- schuss des Deutschen Bundestages; ich weiß nicht, ob Sie Wenn Sie mal alle Mittel für die Schiene zusammenrech- da auch schon dabei waren, nen, dann sehen Sie, dass für die Schiene fast dreimal so viel ausgegeben wird wie im Bereich der Straße. Des- (Otto Fricke [FDP]: Ich auch!) wegen auch hier, Frau Baerbock: Einen Blick in den sind absolute Zahlen im niedrigen einstelligen Milliar- Bundeshaushalt zu werfen, schützt vor Unkenntnis und denbereich gewesen; das haben Sie gerade gesagt. Das vor falschen Aussagen hier im Deutschen Bundestag. setzten Sie in einen so harten Vergleich zu den absoluten (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie Zahlen von heute. Es geht einmal um 1 Milliarde Euro bei Abgeordneten der SPD) und 3 Milliarden Euro und einmal um 4 Milliarden Euro und 6 Milliarden Euro, bei einem Bundeshaushalt, der in Herr Kollege Spaniel, scheinbar verstehen Sie über- diesem Zeitraum um über 100 Milliarden Euro bzw. um (B) haupt keinen Spaß. Es ist hier in der Schlussrunde so 200 Milliarden Euro jetzt in der Krise gewachsen ist. Das (D) üblich, weil die Haushälter eine besondere Truppe sind, ist unredlich. dass mal das Reeperbahn Festival Thema ist, mal der Glühwein. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Unsere Parteivorsitzende so anzugreifen, obwohl man (Otto Fricke [FDP]: Die Frettchen!) eigentlich Zahlen lesen kann, Es gab ja schon eine ganze Menge Aussagen zum Thema (Zurufe von der AfD: Oh!) Herdenschutzesel. Ich finde es gut – Ingo Gädechens war mit dabei –, das in den Einzelplan 16 einzustellen; ich Zahlen ins richtige Verhältnis setzen kann, hätte ich mir glaube, die Idee kam vom Kollegen Freese, wenn ich das von Eckhardt Rehberg weniger prominent gewünscht. richtig erinnere. Aber ich habe mich gefragt: Welchen Wir – Grüne und CDU – sind im Wettbewerb; aber blei- Herdenschutzesel brauchen wir denn ab dem 26. Septem- ben wir doch in einem fairen Wettbewerb hinsichtlich ber des kommenden Jahres, nach der Bundestagswahl? Zahlen und Heftigkeit der Kritik. Dann wird es vielleicht auch wieder etwas weihnachtlicher zwischen uns beiden. (Zuruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) Schönen Dank. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Ja, aber Frau Kollegin Roth, das ist ein spannendes Thema. – Denn ich glaube, die Schafe – im übertragenen Sinne – sind die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die Eckhardt Rehberg (CDU/CSU): Bürger dieses Landes. Die Frage ist: Wer muss an der Frau Kollegin Hajduk, Sie müssen es erstens schon mir Stelle vor wem geschützt werden? Wenn ich die Pläne überlassen, wann ich was hier im Deutschen Bundestag höre, die die einzelnen Parteien haben – Abschaffung aufgreife. Das ist meine Entscheidung; schlichtweg mei- der Schuldenbremse, Vermögensabgabe usw. usf. –, ne eigene Entscheidung. dann kann ich nur dringend raten: Wir brauchen einen (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abge- kräftigen, robusten Herdenschutzesel, damit man den ordneten der SPD und der FDP) Bundeshaushalt vor mancher Wölfin und vor manchem Wolf schützt. Zweitens. Ich habe in 15 Jahren Landtag und in jetzt gut 15 Jahren Bundestag nie eine Zwischenfrage gestellt Herzlichen Dank. und keine Kurzintervention gemacht. Das mache ich (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie nicht, aus ganz wohlerwogenen, eigenen Gründen. bei Abgeordneten der SPD) Drittens. Jetzt zitiere ich Ihre Kollegin Baerbock: 25182 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

Eckhardt Rehberg (A) Sie wollen 2021 fast eine halbe Milliarde Euro für Wir kommen zum Entschließungsantrag der AfD auf (C) Regionalflughäfen, etwa so zeitgemäß wie Telefon- Drucksache 19/24977. Wer stimmt dafür? – Das ist die zellen und Taxisäulen, weiter ausgeben. Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? – Die anderen Fraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Eine. Der Entschlie- Weiter geht’s: ßungsantrag ist damit abgelehnt. Aktuell wächst das Straßennetz um mehrere Tausend Kilometer, das Schienennetz 2020 um Entschließungsantrag der AfD auf Drucksache sage und schreibe drei neue Kilometer. 19/25018. Wer stimmt dafür? – Das ist die Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? – Alle anderen Fraktionen. Frau Kollegin, mir ging es ums Verhältnis: Sven Gibt es Enthaltungen? Eine. Der Entschließungsantrag ist Kindler hat immer wieder behauptet, dass wir mehr für abgelehnt. Neubau als für Erhalt ausgeben. Nein! Die Wahrheit ist: 2004 war das Verhältnis 3 : 1, und heute fließen mehr als Entschließungsantrag der AfD auf Drucksache 60 Prozent in den Erhalt und 40 Prozent in den Neubau. 19/25020. Wer stimmt dafür? – Das ist die Fraktion der Sie müssen endlich zur Kenntnis nehmen, dass es hier um AfD. Wer stimmt dagegen? – Die anderen Fraktionen. Zahlen und um Fakten geht. Sie machen mit verdrehten Gibt es Enthaltungen? – Eine. Der Entschließungsantrag Zahlen, mit verdrehten Fakten Politik. Ich habe mir genau ist abgelehnt. diesen Raum genommen, hier und heute in der Schluss- Entschließungsantrag der AfD auf Drucksache runde, um solchen Behauptungen, die ich sehr massiv 19/25021. Wer stimmt dafür? – Die Fraktion der AfD. finde, entgegentreten zu können. Wer stimmt dagegen? – Die anderen Fraktionen. Gibt es (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der Enthaltungen? – Eine. Der Entschließungsantrag ist FDP sowie bei Abgeordneten der AfD) abgelehnt. Entschließungsantrag der AfD-Fraktion auf Drucksa- Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: che 19/25024. Wer stimmt dafür? – Das ist die Fraktion Herzlichen Dank. der AfD. Wer stimmt dagegen? – Das sind die anderen Fraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Eine. Der Entschlie- Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung über den ßungsantrag ist abgelehnt. Haushalt 2021, Drucksachen 19/22600, 19/22602, 19/23302, 19/23305, 19/23306, 19/23309 bis 19/23316, Entschließungsantrag der AfD-Fraktion auf Drucksa- 19/23320, 19/23322 bis 19/23326. Es ist namentliche che 19/25025. Wer stimmt dafür? – Die AfD-Fraktion. Abstimmung verlangt. Wer stimmt dagegen? – Alle anderen Fraktionen. Ent- (B) haltungen? – Eine. Der Entschließungsantrag ist abge- (D) Ich bitte um ein wenig Aufmerksamkeit für folgende lehnt. Informationen: Unmittelbar nach Eröffnung der nament- lichen Abstimmung stimmen wir zunächst über Ent- Entschließungsantrag der AfD auf Drucksache schließungsanträge ab. Bleiben Sie also noch bitte hier 19/25026. Wer stimmt dafür? – Die AfD-Fraktion. Wer im Saal. stimmt dagegen? – Alle anderen Fraktionen. – Enthaltun- Für die Stimmabgabe in der Westlobby haben Sie nach gen? – Eine. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. Eröffnung der Abstimmung 30 Minuten Zeit. Ich weise Jetzt kommen wir zu vier Entschließungsanträgen der auch hier ausdrücklich darauf hin, dass auch in diesem Fraktion der FDP. Teil des Plenarbereichs die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung besteht und ich Verstöße gegen Entschließungsantrag der FDP auf Drucksache diese Pflicht mit den Mitteln des Ordnungsrechts ahnden 19/25019. Wer stimmt dafür? – Die Fraktion der FDP. werde. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, Wer stimmt dagegen? – Das sind die Fraktionen der Lin- hierauf zu achten. ken, der SPD, des Bündnisses 90/Die Grünen, der CDU/ Es stehen Ihnen acht Urnen zur Verfügung. Die Plätze CSU und der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Keine. Der an den Urnen sind meiner Kenntnis nach besetzt. Entschließungsantrag ist abgelehnt. Ich eröffne deshalb die Schlussabstimmung über das Entschließungsantrag der FDP auf Drucksache Haushaltsgesetz 2021, bitte aber die Kolleginnen und 19/25022. Wer stimmt für diesen Antrag? – Das sind Kollegen hier im Saal zunächst noch an den Abstimmun- die Fraktionen der FDP und der AfD. Wer stimmt dage- gen über die Entschließungsanträge teilzunehmen.1) gen? – Das sind die Fraktionen Die Linke, SPD, Bünd- nis 90/Die Grünen und die CDU/CSU-Fraktion. Gibt es Wir beginnen mit acht Entschließungsanträgen der Enthaltungen? – Eine. Der Entschließungsantrag ist Fraktion der AfD. abgelehnt. Entschließungsantrag der AfD auf Drucksache Entschließungsantrag der FDP auf Drucksache 19/24976. Wer stimmt für diesen Antrag? – Das ist die 19/25023. Wer stimmt für diesen Antrag? – Das sind Fraktion der AfD. Wer stimmt dagegen? – Alle anderen Bündnis 90/Die Grünen und die FDP. Wer stimmt dage- Fraktionen des Hauses. Enthaltungen? – Eine. Damit ist gen? – Die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und der der Entschließungsantrag abgelehnt. AfD. Die Fraktion Die Linke enthält sich. Gibt es weitere Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der 1) Ergebnis Seite 25183 C Antrag abgelehnt. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25183

Vizepräsidentin Dagmar Ziegler (A) Entschließungsantrag der FDP auf Drucksache Damit haben wir über sämtliche Entschließungsanträ- (C) 19/25027. Wer stimmt hierfür? – Die Fraktion der FDP. ge abgestimmt. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen Die Linke, SPD, Bitte gehen Sie jetzt nicht alle gleichzeitig zur Abstim- Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU und AfD. Enthaltun- mung. Beachten Sie noch einmal die Pflicht zum Tragen gen? – Keine. Der Entschließungsantrag ist abgelehnt. der Mund-Nase-Bedeckung sowie die Abstandsregeln. Wir kommen nun zu drei Entschließungsanträgen der Das bevorstehende Ende der namentlichen Abstim- Fraktion Die Linke. Entschließungsantrag auf Drucksa- mung wird Ihnen rechtzeitig bekannt gegeben. – Vielen che 19/25003. Wer stimmt für diesen Antrag? – Die Frak- Dank. tion Die Linke. Wer stimmt dagegen? – Alle anderen Fraktionen. Gibt es Enthaltungen? – Keine. Dann ist der Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Zeit für die na- Entschließungsantrag abgelehnt. mentliche Schlussabstimmung ist vorbei. Gibt es noch ein Mitglied des Hauses, das seine Stimme nicht abge- Entschließungsantrag auf Drucksache 19/25004. Wer geben hat? – Das ist nicht der Fall. Ich schließe die stimmt für diesen Antrag? – Die Fraktion Die Linke. Wer Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und stimmt dagegen? – Alle anderen Fraktionen. Gibt es Ent- Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das haltungen? – Keine. Dann ist der Entschließungsantrag Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt abgelehnt. gegeben. Entschließungsantrag auf Drucksache 19/25005. Wer Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen stimmt für diesen Antrag? – Die Fraktion Die Linke. Wer Abstimmung unterbreche ich die Sitzung für circa zehn stimmt dagegen? – Der Rest des Hauses. Gibt es Ent- Minuten. haltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch dieser (Unterbrechung von 13.12 bis 13.20 Uhr) Entschließungsantrag abgelehnt.

Schließlich kommen wir zur Abstimmung über zwei Vizepräsidentin Dagmar Ziegler: Entschließungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grü- nen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Entschließungsantrag auf Drucksache 19/25033. Wer Ich gebe Ihnen das von den Schriftführerinnen und stimmt für diesen? – Die Fraktion Bündnis 90/Die Grü- Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen nen. Wer stimmt dagegen? – Die Fraktionen der SPD, der Abstimmung über den von der Bundesregierung einge- CDU/CSU, der FDP und der AfD. Enthaltung von der brachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung Fraktion Die Linke. Gibt es weitere Enthaltungen? – des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2021 Das ist nicht der Fall. Damit ist der Entschließungsantrag (B) auf den Drucksachen 19/22600, 19/22602, 19/23302, (D) abgelehnt. 19/23305, 19/23306, 19/23309, 19/23310, 19/23311, Entschließungsantrag auf Drucksache 19/25034. Wer 19/23312, 19/23313, 19/23314, 19/23315, 19/23316, stimmt dafür? – Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt 19/23320, 19/23322, 19/23323, 19/23324, 19/23325 und dagegen? – Die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, 19/23326 bekannt: abgegebene Stimmkarten 619. Mit Ja der FDP und der AfD. Gibt es Enthaltungen? – Die Frak- haben gestimmt 361, mit Nein haben gestimmt 258, Ent- tion Die Linke. Der Entschließungsantrag ist damit abge- haltungen gab es keine. Der Gesetzentwurf ist damit lehnt. angenommen.

Endgültiges Ergebnis Michael Grosse-Brömer Abgegebene Stimmen: 619; Marie-Luise Dött Astrid Grotelüschen davon Dr. André Berghegger Hansjörg Durz Markus Grübel ja: 361 nein: 258 Hermann Färber Peter Beyer Monika Grütters Ja Fritz Güntzler CDU/CSU Dr. Christian Haase Dr. Dr. Hans-Peter Friedrich Michael Brand (Fulda) (Hof) Jürgen Hardt Norbert Maria Altenkamp Dr. Dr. Hans-Joachim Fuchtel Ingo Gädechens Dr. Sebastian Brehm Dr. Dorothee Bär Ralph Brinkhaus (Chemnitz) Thomas Bareiß Dr. Mark Helfrich Ursula Groden-Kranich Hermann Gröhe (Börde) Alexander Dobrindt Klaus-Dieter Gröhler 25184 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

(A) Carsten Müller Dr. Hermann-Josef (C) (Braunschweig) Tebroke Dr. Stefan Müller (Erlangen) Hans-Jürgen Thies Angelika Glöckner Dr. Dr. Dr. Hans-Jürgen Irmer Michael Groß Dr. Georg Nüßlein Bettina Hagedorn Dr. Volker Ullrich Rita Hagl-Kehl Florian Oßner Torbjörn Kartes (Kleinsaara) Hubertus Heil (Peine) Michael Kießling Dr. Dr. Johann David Gabriele Hiller-Ohm Dr. Wadephul Dr. Christoph Ploß Thomas Jurk (Hamburg) Dr. Carsten Körber Alois Rainer Peter Weiß Alexander Krauß (Emmendingen) Dr. Sabine Weiss (Wesel I) Eckhardt Rehberg Dr. Günter Krings Rüdiger Kruse Dr. Bärbel Kofler Johannes Röring Dr. Roy Kühne Annette Widmann-Mauz Dr. Norbert Röttgen Dr. Dr. h. c. Karl A. Lamers Bettina Margarethe -Emre Andreas G. Lämmel Wiesmann Erwin Rüddel Klaus-Peter Willsch Ulrich Lange Elisabeth Winkelmeier- Christian Lange (Backnang) Dr. Silke Launert Becker Dr. (B) Dr. Wolfgang Schäuble (D) Dr. Dr. Matthias Zimmer Dr. Christian Schmidt (Fürth) Kirsten Lühmann Antje Lezius Dr. Patrick Schnieder SPD Dr. Nadine Schön Ingrid Arndt-Brauer Katja Mast Nikolas Löbel Dr. Klaus-Peter Schulze Dr. Jan-Marco Luczak Dr. Dr. Doris Barnett Dr. Dr. Sören Bartol Dr. Thomas de Maizière Bernd Siebert Bärbel Bas Siemtje Möller Bettina Müller Dr. Björn Simon (Heidelberg) Detlef Müller (Chemnitz) Dr. Michelle Müntefering Hans-Georg von der Dr. Karl-Heinz Brunner Dr. Rolf Mützenich Marwitz Andreas Mattfeldt Dr. Dr. Ulli Nissen (Altötting) Dr. Dr. Mahmut Özdemir (Rostock) (Duisburg) Dr. Aydan Özoğuz Karsten Möring Christian Frhr. von Stetten Dr. (Minden) Axel Müller Dr. Dr. Gerd Müller Stephan Stracke Dr. Dr. Sepp Müller Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25185

(A) Mechthild Rawert Sandra Bubendorfer-Licht Dr. (C) Sönke Rix Dr. Dr. Dennis Rohde Johannes Vogel (Olpe) Dr. Dr. Götz Frömming Carl-Julius Cronenberg René Röspel Britta Katharina Dassler Dr. Bijan Djir-Sarai DIE LINKE Michael Roth (Heringen) Christian Dürr Susann Rüthrich Dr. Bernd Rützel Dr. Gökay Akbulut Daniel Föst Otto Fricke Dr. Dietmar Bartsch Axel Schäfer (Bochum) Lorenz Gösta Beutin Dr. Nicole Höchst Matthias W. Birkwald Martin Hohmann Katrin Helling-Plahr -Förster Dr. Dr. Leif-Erik Holm Dr. Birke Bull-Bischoff (Aachen) Dr. Jörg Cezanne (Wetzlar) Dr. Manuel Höferlin Sevim Dağdelen Carsten Schneider (Erfurt) Dr. Christoph Hoffmann Dr. Diether Dehm Norbert Kleinwächter Anke Domscheit-Berg Jörn König Ulla Ihnen Dr. (Spandau) Dr. Dr. Dr. Birgit Malsack- Dr. Dr. André Hahn Winkemann Heike Hänsel Andreas Schwarz Matthias Höhn Rita Schwarzelühr-Sutter Volker Münz Dr. Lukas Köhler Sebastian Münzenmaier Carina Konrad Martina Stamm-Fibich Jan Ralf Nolte Dr. (B) Sonja Amalie Steffen Katja Kipping (D) Alexander Graf Tobias Matthias Peterka Lambsdorff Paul Viktor Podolay Jürgen Pohl Markus Töns (Heilbronn) Carsten Träger Roman Johannes Reusch Marja-Liisa Völlers Ulrike Schielke-Ziesing Dirk Vöpel Dr. Dr. Gesine Lötzsch Dr. Jürgen Martens Dagmar Ziegler Jörg Schneider Alexander Müller Dr. Jens Zimmermann Martin Sichert Dr. (Lausitz) Cornelia Möhring Dr. Dirk Spaniel Nein René Springer Matthias Nölke Dr. h. c. Thomas Norbert Müller (Potsdam) AfD Zaklin Nastic Dr. Alice Weidel Sattelberger Dr. Dr. Alexander S. Neu Dr. Harald Weyel Christian Sauter Frank Schäffler Sören Pellmann Dr. Dr. Peter Boehringer Victor Perli Dr. Christian Wirth Matthias Seestern-Pauly Stephan Brandner Tobias Pflüger Jürgen Braun Marcus Bühl FDP Dr. Eva-Maria Schreiber Matthias Büttner Bettina Stark-Watzinger Dr. Marie-Agnes Strack- Dr. Christine Aschenberg- Zimmermann Helin Dr. Dugnus Dr. Kirsten Tackmann Berengar Elsner von Dr. Gronow (Rhein-Neckar) Alexander Ulrich Dr. (Südpfalz) Dr. Andreas Wagner 25186 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

(A) Stefan Schmidt (C) Sabine Zimmermann Sven Lehmann Kordula Schulz-Asche (Zwickau) Dr. Wolfgang Strengmann- Anja Hajduk Dr. Tobias Lindner Kuhn BÜNDNIS 90/ Britta Haßelmann Dr. DIE GRÜNEN Dr. Bettina Hoffmann Claudia Müller Dr. Beate Müller-Gemmeke Jürgen Trittin Dr. Dr. Dr. Dr. Kirsten Kappert- Dr. Gonther Beate Walter-Rosenheimer Cem Özdemir Dr. Franziska Brantner Sven-Christian Kindler Maria Klein-Schmeink Dr. Sylvia Kotting-Uhl Tabea Rößner Fraktionslos Claudia Roth (Augsburg) Marco Bülow Christian Kühn (Tübingen) Dr. Ekin Deligöz Katharina Dröge Renate Künast Corinna Rüffer Markus Kurth Abgeordnete, die sich wegen gesetzlichen Mutterschutzes für ihre Abwesenheit entschuldigt haben, sind in der Liste der entschuldigten Abgeordneten (Anlage 1) aufgeführt.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord- (Zurufe von der FDP: Einen schönen dritten nung. Advent!) Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes- tages ein auf Mittwoch, den 16. Dezember 2020, 13 Uhr, Die Sitzung ist geschlossen. ein. Ein schönes Wochenende. (Schluss: 13.22 Uhr) (B) (D) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25187

(A) Anlagen zum Stenografischen Bericht (C)

Anlage 1 Entschuldigte Abgeordnete Abgeordnete(r) Abgeordnete(r)

Chrupalla, Tino AfD Mackensen, Isabel SPD De Masi, Fabio DIE LINKE Merkel, Dr. Angela CDU/CSU De Ridder, Dr. Daniela SPD Miazga, Corinna AfD Ebner, Harald BÜNDNIS 90/ Michelbach, Dr. h. c. Hans CDU/CSU DIE GRÜNEN Müller, Hansjörg AfD Esdar, Dr. Wiebke SPD Müller-Böhm, Roman FDP Freihold, Brigitte DIE LINKE Müller-Rosentritt, Frank FDP Gabelmann, Sylvia DIE LINKE Noll, Michaela CDU/CSU Gauland, Dr. Alexander AfD Pasemann, Frank AfD Gminder, Franziska AfD Petry, Christian SPD Göring-Eckardt, Katrin BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Petry, Dr. Frauke fraktionslos Grötsch, Uli SPD Pilger, Detlev SPD Hacker, Thomas FDP Post, Florian SPD Reichardt, Martin AfD (B) Hampel, Armin-Paulus AfD (D) Harder-Kühnel, Mariana AfD Reinhold, Hagen FDP Iris Remmers, Ingrid DIE LINKE Hartmann, Verena fraktionslos Rimkus, Andreas SPD Hebner, Martin AfD Schäfer (Saalstadt), Anita CDU/CSU Hemmelgarn, Udo Theodor AfD Schimke, Jana CDU/CSU Hendricks, Dr. Barbara SPD Schmidt, Dr. Frithjof BÜNDNIS 90/ Herzog, Gustav SPD DIE GRÜNEN Heßenkemper, Dr. Heiko AfD Schneidewind-Hartnagel, BÜNDNIS 90/ Charlotte DIE GRÜNEN Irlstorfer, Erich CDU/CSU Seitz, Thomas AfD Juratovic, Josip SPD Steinke, Kersten DIE LINKE Kaufmann, Dr. Stefan CDU/CSU Theurer, Michael FDP Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Vogt, Ute SPD Kemmer, Ronja* CDU/CSU Wagenknecht, Dr. Sahra DIE LINKE Keuter, Stefan AfD Wagner, Daniela BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Komning, Enrico AfD Weber, Gabi SPD Kraft, Dr. Rainer AfD Weeser, Sandra FDP Lucassen, Rüdiger AfD 25188 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

(A) b) Der Bundesrat hält fest, dass die Gewährung einer (C) Abgeordnete(r) flächenbezogenen Waldprämie in Höhe von 500 Millionen Euro als temporäre Maßnahme Weiler, Albert H. CDU/CSU über die nächsten zwei Jahre beschlossen wurde. Für den Erhalt der Waldprämie soll der Nachweis Weinberg, Harald DIE LINKE des Waldeigentums und eine Zertifizierung nach PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Weingarten, Dr. Joe SPD Certification Schemes) oder FSC (Forest Steward- Westig, Nicole FDP ship Council) ausreichend sein. c) Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass finanz- Westphal, Bernd SPD ielle Unterstützungen für den Wald grundsätzlich Witt, Uwe AfD eine klare Lenkungswirkung haben müssen. Eine pauschale Flächenförderung sollte nicht dauerhaft Yüksel, Gülistan SPD stattfinden und wird daher abgelehnt. Die Länder haben ein großes Interesse, gemeinsam mit dem Zeulner, Emmi CDU/CSU Bund einen langfristigen Ansatz zu entwickeln, der auf die Klimaschutz- und Biodiversitätsleis- Ziemiak, Paul CDU/CSU tungen nachhaltig bewirtschafteter klimastabiler Wälder fokussiert ist und der die Waldbesitzerin- Zimmermann, Pia DIE LINKE nen und Waldbesitzer dadurch dauerhaft in die Lage versetzt, ihre Wälder klimastabil und bio- * aufgrund gesetzlichen Mutterschutzes diversitätsfördernd weiterzuentwickeln und umzu- bauen. d) Der Bundesrat bittet die Bundesregierung sicher- Anlage 2 zustellen, dass Waldbesitzerinnen und Waldbesit- zer aufgrund einer eventuellen Doppelförderung Amtliche Mitteilungen ohne Verlesung nicht von der GAK-Förderung ausgeschlossen Der Bundesrat hat in seiner 997. Sitzung am werden. Die Fördergegenstände der geplanten Flä- 27. November 2020 beschlossen, den nachstehenden chenprämie und der GAK müssen klar voneinan- Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Arti- der getrennt und abgegrenzt werden. (B) kel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen: – Gesetz zur Verbesserung der Datenübermittlung (D) für Zwecke der Ernährungsvorsorge – Gesetz zur Ermittlung der Regelbedarfe und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch – Gesetz zur Modernisierung des Versicherungs- sowie weiterer Gesetze teuerrechts und zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst: gefasst: Der Bundesrat bedauert, dass viele seiner fachlichen Der Bundesrat bedauert, dass die von ihm vorgeschla- Hinweise zum Gesetzentwurf zur Ermittlung der gene Änderung zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 6 Absatz 2 Regelbedarfe, vergleiche BR-Drucksache 486/20 Nummer 5 VersStG) keine Berücksichtigung im (Beschluss) vom 9. Oktober 2020, im Gesetz unbe- Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages ge- rücksichtigt geblieben sind. Die Bundesregierung funden hat. Mit einer Vereinheitlichung des Ver- wird weiterhin gebeten zu prüfen, wie die Ermittlung sicherungsteuersatzes für alle Arten der Seeschiffs- der Regelbedarfe im Hinblick auf die Rechtsprechung versicherung auf 3 Prozent wäre ein wichtiges des Bundesverfassungsgerichts (zuletzt Beschluss Hemmnis für die Sicherung und den Ausbau von vom 23. Juli 2014, 1 BVL 10/12, 1 BVL 12/12 und Schifffahrtsdienstleistungen und der damit verbunde- 1 BvR 1691/13) verbessert und fortentwickelt werden nen hochqualifizierten Arbeitsplätze am Standort kann. Deutschland beseitigt – Erstes Gesetz zur Änderung des Landwirtschafts- und die dringend notwendige Rechtssicherheit herge- erzeugnisse-Schulprogrammgesetzes stellt worden. Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Wett- gefasst: bewerbsfähigkeit der maßgeblichen rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen für die Seeschiff- a) Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung fahrt in Deutschland im europäischen Vergleich zu im Rahmen des Konjunkturpaketes Mittel in Höhe prüfen und geeignete Vorschläge für adäquate Anpas- von 700 Millionen Euro zur Beseitigung der sungen der derzeitigen Regelungen spätestens zur Schäden, die durch die klimawandelbedingte Tro- nächsten Nationalen Maritimen Konferenz im Jahr ckenheit und den damit zusammenhängenden ver- 2021 vorzulegen. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit stärkten Schädlingsbefall entstanden sind, zur Ver- des Schifffahrtsstandorts Deutschland zu sichern und fügung gestellt hat. so weit als möglich auszubauen. Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25189

(A) Begründung: – Gesetz zur Umsetzung der Richtlinien (EU) (C) 2019/878 und (EU) 2019/879 zur Reduzierung von Das vorliegende Gesetz sieht keine wesentlichen Risiken und zur Stärkung der Proportionalität im Änderungen hinsichtlich der Besteuerung von Prä- Bankensektor (Risikoreduzierungsgesetz – RiG) mienzahlungen für Seeschiffsversicherungen in – Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken Deutschland vor. Insbesondere wird der Stellung- nahme des Bundesrates in seiner 992. Sitzung am – Gesetz zur Stärkung der Sicherheit im Pass-, Aus- 3. Juli 2020 unter Ziffer 2 (BR-Drucksache 262/20 weis- und ausländerrechtlichen Dokumentenwesen (Beschluss)) nicht Rechnung getragen, wonach – Gesetz zur Digitalisierung von Verwaltungsverfah- der Steuersatz von 3 Prozent (der bislang nur für ren bei der Gewährung von Familienleistungen die Seeschiffskaskoversicherung zum Tragen kommt) zur Sicherstellung der Wettbewerbsfähig- Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung keit der Branche und zum Erhalt der Reedereiwirt- gefasst: schaft in den Küstenländern zukünftig auf alle Bereiche der Seeschiffsversicherung angewendet Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Änderung werden sollte, sofern eine Steuerpflicht in des Onlinezugangsgesetzes (Artikel 1) auf die Arti- Deutschland besteht. kel 91c und 84 des Grundgesetzes zu stützen ist. Begründung: Angesichts der Tatsache, dass sich alle anderen relevanten EU-Schifffahrtsstandorte durch eine Der Bundesrat anerkennt die Anstrengungen des deutlich geringere Belastung der Seeschifffahrt Bundes, unter Berücksichtigung der Stellungnah- aufgrund der Erhebung von Versicherungsteuer me des Bundesrates vom 18. September 2020 auf Prämien auszeichnen beziehungsweise See- (BR-Drucksache 463/20 (Beschluss)) weitere schiffsversicherungen oft überhaupt keiner Versi- Regelungen zur Verbesserung der rechtlichen cherungsteuer unterliegen, ergibt sich durch die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung von derzeitigen Regelungen ein Wettbewerbsnachteil Verwaltungsleistungen in das OZG aufzunehmen. für den Schifffahrtsstandort Deutschland. Dies Er hält angesichts des Auseinanderfallens der gilt insbesondere angesichts der zunehmenden Regelungen zur Bekanntgabe von Verwaltungs- Konzentration deutscher Schifffahrtsunternehmen akten im VwVfG und im OZG und mit Blick auf auf den Bereich des Schiffsmanagements (ver- die Ausführungen zur Gesetzgebungskompetenz mehrt auch für ausländische Eigentümer) als Folge in der Gesetzesbegründung zu Artikel 1 jedoch des Strukturwandels der Branche. den Hinweis für geboten, dass sich die Gesetzge- (B) bungsbefugnis des Bundes hinsichtlich verwal- (D) tungsverfahrensrechtlicher Regelungen wie § 9 Zudem haben andere Schifffahrtsstandorte in der OZG-neu ausschließlich aus Artikel 84 Absatz 1 EU ihre Bemühungen zur Steigerung der Attrakti- des Grundgesetzes ergibt; dabei erinnert er an die vität des eigenen Standortes in den letzten Jahren zutreffenden Angaben in der Allgemeinen Be- noch erheblich verstärkt und innerhalb des vom gründung zur Gesetzgebungskompetenz für Arti- Europäischen Beihilferecht eröffneten zulässigen kel 9 des Gesetzes zur Neuregelung des bundes- Rahmens verschiedene sonstige Maßnahmen zur staatlichen Finanzausgleichssystems ab dem Jahr Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ihrer mariti- 2020 und zur Änderung haushaltsrechtlicher Vor- men Industrie und speziell der Seeschifffahrt schriften (OZG, BR-Drucksache 814/16). umgesetzt, indem sie beispielsweise ihre Tonnage- steuerregelungen angepasst und modernisiert so- – Gesetz zur Verschiebung des Zensus in das Jahr wie Gebühren abgeschafft oder zumindest deutlich 2022 und zur Änderung des Aufenthaltsgesetzes reduziert haben. Vor diesem Hintergrund kommt der Sicherung des maritimen Knowhows und einer Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung am Standort verwurzelten, breit aufgestellten gefasst: maritimen Wirtschaft eine besondere Bedeutung 1. Der Bundesrat nimmt mit Bedauern zur Kenntnis, zu. dass das Anliegen aus Ziffer 2 der BR-Drucksache 504/20 (Beschluss), § 58 Absatz 8 AufenthG um – Gesetz über die Umwandlung des Informations- eine Regelung zur gerichtlichen Zuständigkeit und technikzentrums Bund in eine nichtrechtsfähige zum gerichtlichen Verfahren für die Anordnung Anstalt des öffentlichen Rechts und zur Änderung von Wohnungsdurchsuchungen zu ergänzen, im weiterer Vorschriften aktuellen Gesetz nicht aufgegriffen wurde. 2. Er weist nochmals auf die Dringlichkeit einer ent- – Gesetz zur Erhöhung der Behinderten-Pauschbe- sprechenden Ergänzung für eine rechtssichere träge und zur Anpassung weiterer steuerlicher Anwendung der vorgenannten Eingriffsbefugnis Regelungen hin und fordert die Bundesregierung daher auf, zeitnah in der vom Bundesrat vorgeschlagenen – Zweites Gesetz zur steuerlichen Entlastung von Weise tätig zu werden. Familien sowie zur Anpassung weiterer steuerli- cher Regelungen (Zweites Familienentlastungsge- – Gesetz zur Entfristung von Vorschriften zur Ter- setz – 2. FamEntlastG) rorismusbekämpfung 25190 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020

(A) – Gesetz zur Modernisierung des Berufsqualifika- – Gesetz über die Feststellung des Wirtschaftsplans (C) tionsfeststellungsgesetzes und des Fernunterrichts- des ERP-Sondervermögens für das Jahr 2021 schutzgesetzes (ERP-Wirtschaftsplangesetz 2021) – Erstes Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aus- – Gesetz zu dem Protokoll vom 9. Dezember 2019 führung des Protokolls über Schadstofffreiset- zur Änderung des Abkommens vom 28. Juni zungs- und -verbringungsregister vom 21. Mai 2004 zwischen der Bundesrepublik Deutschland 2003 sowie zur Durchführung der Verordnung und der Republik Singapur zur Vermeidung der (EG) Nr. 166/2006 Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – Gesetz zur Anpassung der Kostenvorschriften im Bereich der Entsorgung radioaktiver Abfälle sowie – Gesetz zur Beschäftigungssicherung infolge der zur Änderung weiterer Vorschriften COVID-19-Pandemie (Beschäftigungssicherungs- gesetz – BeschSiG) – Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen – Gesetz zur Errichtung des Sondervermögens Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung „Ausbau ganztägiger Bildungs- und Betreuung- gefasst: sangebote für Kinder im Grundschulalter“ (Ganz- tagsfinanzierungsgesetz – GaFG) 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Vor- schriften zur vorzeitigen Besitzeinweisung in den Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung jeweiligen Fachgesetzen erneut zu prüfen und gefasst: zeitnah in einem weiteren Gesetzgebungsverfah- Die Länder begrüßen die Einrichtung des Sonderver- ren einer einheitlichen Regelung zuzuführen. Die mögens. Die Einführung eines Rechtsanspruchs auf Regelungen sollen dem Gedanken der Investi- einen Ganztagsplatz in der Primarstufe ist jedoch der- tionsbeschleunigung Rechnung tragen und zu- zeit Gegenstand andauernder Verhandlungen zwi- gleich für Enteignungsbehörden und Sachverstän- schen Bund und Ländern. Vor diesem Hintergrund dige praktisch umsetzbar sein. betont der Bundesrat, dass sämtliche in diesem Gesetz 2. Der Bundesrat hält es dabei insbesondere für erfor- enthaltenen Regelungen in diesem Bereich kein Prä- derlich, dass den Enteignungsbehörden bei Maß- judiz mit Blick auf diese Verhandlungen darstellen. nahmen ohne vorliegende enteignungsrechtliche Die Einführung eines solchen Rechtsanspruchs muss Vorwirkung einheitliche und zugleich praktikable davon abhängig sein, dass die finanziellen Rahmen- Bearbeitungsfristen eingeräumt werden. bedingungen hinsichtlich Investitions- und Betriebs- (B) ausgaben geklärt sind, und eine auskömmliche Betei- (D) Begründung: ligung des Bundes gesichert ist. Die vom Deutschen Bundestag beschlossenen Die Errichtung des Sondervermögens ist ein wichtiger Änderungen führen zu einem Auseinanderfal- erster Schritt des Bundes, die Länder im Bereich des len der Rechtslage zur vorzeitigen Besitzein- Ausbaus ganztägiger Bildungs- und Betreuungsange- weisung in den Fachgesetzen (§ 18f des Bun- bote finanziell zu unterstützen. Die Basismittel in desfernstraßengesetzes, § 21des Allgemeinen Höhe von 2 Milliarden Euro sind für eine zeitnahe Eisenbahngesetzes und § 29a des Personenbe- Verbesserung der Betreuungsmöglichkeiten dringend förderungsgesetzes). So sind beispielsweise im nötig, führen aber nicht dazu, dass die Kosten für die Allgemeinen Eisenbahngesetz für Unterhal- Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Ganztags- tungsmaßnahmen keine Fristen für mündliche platz auch nur annähernd gedeckt werden. Daher sieht Verhandlung und Zustellung der Entscheidung es der Bundesrat als geboten an, die zusätzlichen Mit- mehr vorgesehen. Im Personenbeförderungs- tel nicht als Bonusmittel bereitzustellen, sondern die gesetz werden hingegen die kurzen Fristen Basismittel entsprechend aufzustocken. § 4 GaFG be- für Besitzeinweisungsverfahren auf Unterhal- darf insofern einer Überarbeitung. tungsmaßnahmen übertragen. Dasselbe gilt für Der Bundesrat hält es für notwendig, dass zunächst den kürzlich geänderten § 18f des Bundes- neben dem Umfang der Regelungen und dem Zeitplan fernstraßengesetzes. die finanziellen Fragen im Einvernehmen mit den Eine sachliche Begründung für das Auseinan- Ländern geklärt werden und entsprechende Regelun- derfallen der Regelungen zur vorzeitigen Be- gen für die Investitions- und Betriebskosten getroffen sitzeinweisung für Unterhaltungsmaßnahmen werden. ist nicht ersichtlich; die unterschiedlichen Vor- gaben steigern die Rechtsunsicherheit. – Gesetz zur Anpassung der Ergänzungszuweisun- Bei der Überprüfung ist darauf zu achten, dass gen des Bundes nach § 11 Absatz 4 des Finanz- die Fristen für die Enteignungsbehörden und ausgleichsgesetzes und zur Beteiligung des Bundes Sachverständigen, insbesondere bei Maßnah- an den flüchtlingsbezogenen Kosten der Länder men ohne enteignungsrechtliche Vorwirkung, praktikabel bleiben. – Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) 2019/1148 des Europäischen Parlaments und des – Gesetz zur Änderung des Windenergie-auf-See- Rates vom 20. Juni 2019 über die Vermarktung Gesetzes und anderer Vorschriften und Verwendung von Ausgangsstoffen für Explo- Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 200. Sitzung. Berlin, Freitag, den 11. Dezember 2020 25191

(A) sivstoffe, zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolge- (C) 1907/2006 und zur Aufhebung der Verordnung nabschätzung (EU) Nr. 98/2013 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bundesbericht Forschung und Innovation 2020 Die folgenden Ausschüsse haben mitgeteilt, dass sie Drucksache 19/19310 gemäß § 80 Absatz 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen – Unterrichtung durch die Bundesregierung absehen: Gutachten zu Forschung, Innovation und techno- Finanzausschuss logischer Leistungsfähigkeit Deutschlands 2020 Drucksache 19/23070 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht über die Höhe des steuerfrei zu stellenden Die Vorsitzenden der folgenden Ausschüsse haben Existenzminimums von Erwachsenen und Kin- mitgeteilt, dass der Ausschuss die nachstehenden Uni- dern für das Jahr 2020 (13. Existenzminimumbe- onsdokumente zur Kenntnis genommen oder von einer richt) Beratung abgesehen hat.

Drucksachen 19/22800, 19/24535 Nr. 2 Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit Drucksache 19/24153 Nr. A.7 Ratsdokument 11853/20 – Unterrichtung durch die Bundesregierung Drucksache 19/24153 Nr. A.8 Ratsdokument 11854/20 Bericht der Wirkung der kalten Progression im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Verlauf des Einkommensteuertarifs für die Jahre Drucksache 19/22367 Nr. A.72 2020 und 2021 Ratsdokument 9413/20 Drucksache 19/22367 Nr. A.73 (Vierter Steuerprogressionsbericht) Ratsdokument 9451/20 Drucksache 19/22694 Nr. A.4 Drucksachen 19/22900, 19/24535 Nr. 3 Ratsdokument 10288/20 Drucksache 19/23079 Nr. A.46 Ratsdokument 10484/20 – Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Bericht nach § 99 der Bundeshaushaltsordnung Drucksache 19/16956 Nr. A.17 Ratsdokument 15321/19 über Maßnahmen zur Verbesserung der Umsatz- Drucksache 19/20243 Nr. A.24 steuerbetrugsbekämpfung – Chancen der Digitali- Ratsdokument 7065/20 Drucksache 19/22367 Nr. A.76 (B) sierung nutzen EU-Dok 291/2020 (D) Drucksache 19/22367 Nr. A.77 Drucksachen 19/24000, 19/24535 Nr. 7 EU-Dok 305/2020 Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co. KG, Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 Berlin, www.heenemann-druck.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de ISSN 0722-8333