ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN neuen Machthabern nach 1933 andienten und direkt oder indirekt deren blutiges Geschäft unterstützten. Wer in diesem alle Lebensbereiche beherr- schenden System Widerstand leistete, war sich der damit verbundenen Lebensgefahr bewußt. Das hinderte Frauen keineswegs, auf den unterschiedlichsten Feldern aktiv im Widerstand zu arbeiten, sei es aus politischen, weltanschaulichen oder rein menschlichen Motiven. Widerstand war nie allein Sache der Frauen im Nationalsozialismus Männer, auch wenn die Forschung auf diesem Gebiet uns dies lange glauben ließ. Helga Grebing und Christl Wickert weisen darauf Die Täterschaft deutscher Frauen im NS- hin, daß ohne Frauen und ihre spezifischen System - Traditionen, Dimensionen, Wirkungskreise und -möglichkeiten viele Wandlungen Widerstandsaktionen nicht durchführbar gewesen wären. Annette Kuhn Es wird weiterer Forschungen bedürfen, um sowohl das volle Ausmaß weiblicher Verant- Wiederstandsarbeit von Frauen gegen den wortung für die NS-Verbrechen zu erkennen Nationalsozialismus als auch den hohen Anteil weiblicher Widerstandsarbeit im Kampf gegen den Helga Grebing / Christel Wickert Terror der Nationalsozialisten angemessen zu würdigen. VORWORT Renate Knigge-Tesche

Die untergeordnete Rolle, die Frauen in der (Die vorliegenden Beiträge basieren auf Vorträgen, die die Geschichtsforschung spielen, gilt auch für die Autorinnen im November 1993 im Rahmen einer Tagung der Hessischen Landeszentrale hielten.) Zeit des Nationalsozialismus. Weder die äterschaft deutscher Frauen an den Ver- brechen des NS-Systems noch ihre Arbeit im Widerstand ist im Politikbewußtsein über diese Zeit allgemein präsent. Die Auseinandersetzung der Nachkriegs- generation drehte sich daher auch weitgehend um die Schuld der Väter. Die Rolle der Mütter wurde weniger mit Schuld als vielmehr mit Opfer und Leid verknüpft. Es bedurfte energischer Anstrengungen der historischen Frauenforschung, diese einseitig verklärte Sicht mit der Realität deutscher Geschichte zu konfrontieren. Täterschaft und Schuld beschränken sich nicht auf eine Minderheit von Frauen, die führende Positionen in NS-Organisationen innehatten oder sich aktiv am Morden des Regimes beteiligten. Der Beitrag von Annette Kuhn macht deutlich, daß Täterschaft weit hineingeht in die Reihen derer, die sich in der Tradition der "alten" Frauenbewegung den

1 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN DEUTSCHE GESCHICHTE der Tradition der "alten Frauenbewegung". Annette Kuhn 4.Die organisierte Täterschaft der NS-Frauen 5. Die aktive Beteiligung von SS-Frauen am NS-Völkermord. Am Ende dieser Ausführungen wird nicht ein Die Täterschaft deutscher Frauen im zusammenfassender Schluß stehen. Dafür NS-System - unfertige Gedanken zu dem noch offenen Traditionen, Dimensionen, Thema der weiblichen Täterschaft im NS- Wandlungen System.

"Die Vergangenheit bewältigen. Dies kann 1. Der Historikerinnenstreit um die man wahrscheinlich mit überhaupt keiner Täterschaft der deutschen Frauen - ein Vergangenheit, sicher aber nicht mit dieser. noch ungelöstes Problem der Forschung Das höchste, was man erreichen kann, ist zu wissen und auszuhalten, daß es so und nicht Die Frage der Täterschaft deutscher Frauen anders gewesen ist." (Hannah Arendt zu bestimmte von Anbeginn die Frauenge- Auschwitz) schichtsforschung zur NS-Zeit(1). Allerdings Deutsche Frauen trugen auf ihre Weise im stand nicht, wie in den letzten Jahren, die gleichen Maße wie die deutschen Männer die Opfer-Täter Diskussion im Vordergrund. Für politische Verantwortung für die NS- Historikerinnen wie Rita Thalman, selbst als Machtübernahme 933 und für die Verbrechen Jüdin aus Deutschland vertrieben, war das des NS-Regimes. Dennoch wird erst seit "Frau-Sein" der nicht-verfolgten, deutschen wenigen Jahren nach der Täterschaft von Frauen in NS-Deutschland selbstredend mit deutschen Frauen im Nationalsozialismus ihrer direkten und indirekten Täterschaft und ausdrücklich gefragt. In der herrschenden ihrem vielfältigen Verstricktsein in die NS- Geschichtswissenschaft ist bis heute immer Verbrechen auf das engste verknüpft. Die noch nicht von der politischen Verantwortung Unterscheidung zwischen den vom System deutscher, nicht-verfolgter Frauen für den verfolgten und den nicht verfolgten Menschen NS-Völkermord die Rede. Charakteristisch - Frauen ebenso wie Männer - wurde in dieser für dieses mangelnde Bewußtsein ist der ersten Forschungsphase vorausgesetzt. In sogenannte Historikerstreit, in dem die diesem Sinne hat z.B. Johanna Beyer Täterschaft deutscher Frauen völlig festgehalten: "Auch Frauen haben im verschwiegen wird. Demgegenüber hat sich patriarchalen NS-Deutschland am Zustande- die historische Frauenforschung der letzten kommen von Auschwitz mitgewirkt"(2). fünfzehn Jahre dieser Frage aus Gemeint waren hier deutsche, "arische", unterschiedlichen Perspektiven angenommen. nicht-verfolgte Frauen. Auch aus der frauengeschichtlichen Sicht gibt Während in der männlichen NS-Forschung es einen "Historikerinnenstreit" um die die ungeprüfte Ansicht vorherrschte - und weibliche Täterschaft in NS-Deutschland. noch zum Teil vorherrscht - Frauen hätten Heute will ich den Versuch machen, aus Hitler auf ihre "unpolitische", weibliche Art diesen Forschungsansätzen erste zur Macht verholfen, setzte in den siebziger Konsequenzen zu ziehen. Dabei werde ich Jahren mit den Arbeiten von Rita Thalman fünf Punkte und anderen Historikerinnen im In- und anreißen. Ausland die historische Forschung zur 1. Der Historikerinnenstreit um die Mittäterschaft deutscher, nicht verfolgter Täterschaft der deutschen Frauen - ein noch Frauen ein. Dieser Forschungsweg ist jedoch ungelöstes Problem der Forschung. verschlungen und widersprüchlich(3). 2. Eine definitorische Hinführung zur weiblichen Täterschaft. Bis heute ist die Frage des theoretischen Zugangs zur Täterschaft deutscher Frauen im 3. Die ideologische Täterschaft von Frauen in NS-System umstritten. Daher bezweifeln

2 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN auch einige Historikerinnen, ob es sinnvoll gesamtgesell- schaftlichen Ziele eingesetzt sei, die frauenspezifischen Aspekte der hat, wie der deutsche nationalsozialistische weiblichen Täterschaft besonders zu betonen. Staat.(10) Die NS-Frauen- und Es wird argumentiert, daß nicht Geschlechterpolitik wurde zum frauenspezifische, sondern "allgemeine" Transmissionsriemen der NS- Ver- Gesichtspunkte für die Einstellungen von nichtungspolitik. "Ohne Mitberücksichtigung Frauen zum NS-Staat bestimmend gewesen des Geschlechterverhältnisses ist der seien.(4) In dieser Sicht werden Frauen als National- sozialismus nicht beschreibbar; Mitseherinnen, Mithörerinnen, auch wenn er unter diesem Aspekt allein nicht Mitwisserinnen, nicht aber als aktive hinreichend analysiert werden kann."(11) Mittäterinnen eingestuft. Die Mittat wird Die Kritik einer jüngeren Historiker- mehr im Unterlassen als im aktiven Handeln innengeneration an dieser ersten Phase der vermutet.(5) Nicht das Geschlecht, sondern NS-Täterinnenforschung, vor allem an ihrer die "Rasse" sollte im Zentrum der unausgesprochenen, vielfach unreflektierten frauengeschichtlichen NS-Täterinnenfor- Verknüpfung von patriarchaler Herrschaft schung stehen.(6) Die NS-Täterinnenfor- und NS-Vernichtungslogik, ist allerdings für schung, die sich zu eng mit der uns heute von großer Wichtigkeit. Zu Recht Patriarchatsforschung verbindet, würde - so hat Theresa Wobbe festgehalten, daß die wird befürchtet - in den deutschen Frauen nur herkömmlichen geschichtswissenschaftlichen die "Opfer des Patriarchats" erblicken.(7) Wie Paradigmata, die den Nationalsozialismus in ist aber, so fragt u.a. Gudrun Brockhaus, eine die Kontinuität von Ökonomie und zu verantwortende weibliche Täterschaft zu Frauenunterdrückung umstandslos einbinden, begründen.?(8) nicht ausreichen.(12) Der Diese Kontroversen machen sichtbar, in Nationalsozialismus hat die traditionellen welchem Maße unsere Frage nach der Normen des politischen Handelns außer Kraft weiblichen Täterschaft in NS-Deutschland gesetzt. Daher fehlen uns die angemessenen immer noch von dem beschädigten Kriterien zur Beur- teilung und zur historischen Bewußtsein von Frauen (und Verurteilung der Handlungsweisen deutscher Männern) im Nachkriegsdeutschland Frauen in NS-Deutschland. bestimmt ist. Allerdings können wir hier nicht Die jüngste NS-Täterinnenforschung hat sich einfach den bequemen Schluß ziehen, das auf die Verstrickungen deutscher Frauen Geschlecht sei als Kategorie der historischen innerhalb einzelner Berufe im NS-Unrechts- NS-Täterinnenforschung ungeeignet. Der system konzentriert. Die Berufskarrieren von historische Ansatz der späten siebziger Jahre, Frauen im NS-Wohlfahrtswesen(13), im wonach der Nationalsozialismus auch als eine Apparat der SS,(14) weibliche "Eskalation und Pervertierung eines latenten Angestellte(15) oder KZ-Wärterinnen sind Geschlechter- und Gesellschaftskonfliktes"(9) inzwischen ansatzweise untersucht worden. dargestellt wird, bleibt, allen ungeklärten Zentrale Täterinnengruppen aber, wie z.B. die Problemen zum historischen Zusammenhang Hauswartsfrauen, die weiblichen Angestellten von patriarchalen Traditionen und National- in den Behörden und Betrieben, die sozialismus in der deutschen Geschichte zum freiwilligen Informantinnen und Denunziant- Trotz, in meiner Sicht ein unumgänglicher innen,(16) die vielen Profitlerinnen an der Zugang zur Erschließung des Themas der Vertreibung und der Vernichtung nicht weiblichen Täterschaft im National- "arischer" und unliebsamer Menschen(17), sozialismus. Allerdings müssen wir sind allerdings noch weitgehend unerforscht. historischer und kritischer mit dem Begriff Zu Recht stellte, in Bezug auf die "Patriarchat" umgehen. Der Ausgangspunkt Denunziantinnen, Inge Marßolek fest, daß wir meiner Überlegungen ist die Erkenntnis, daß in Ermangelung einer empirischen Basis kaum je zuvor ein politisches System die unversehens zu Fehlurteilen zum weiblichen Frauen- und Geschlechterpolitik in einem Denunziantentum gelangen. Der Mythos von solchen Maße zur Durchsetzung seiner der Unschuld der deutschen Frau, die nur als

3 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Opfer der männlich dominierten NS-Politik Täterschaft in NS-Deutschland keineswegs erscheine, dürfe nicht durch einen anderen einfach. Barbara Rohr hat eine Definition Mythos, das Bild der deutschen 'Judasfrau' vorgeschlagen, die als Ausgangspunkt dienen ersetzt werden.(18) Und schließlich ist bis kann. Unter weiblicher Täterschaft versteht heute die professionalisierte Täterinnen- sie "die Funktionalisierung und gruppe, die am unmittelbarsten an den NS- Selbstfunktionali- sierung der Frau für die Verbrechen beteiligt war, die Akteurinnen im Durchsetzung und den Erhalt zerstörerischer NS- Vernichtungskrieg, die Frauen im gesellschaftlicher Ver- hältnisse. Apparat der SS, in der Frauenforschung - wie Mittäterschaft meint, daß Frauen als Teil auch in der "allgemeinen" Literatur über die dieser Verhältnisse nicht das bessere SS - fast völlig unerwähnt geblieben. Die Geschlecht sind, sondern zerstörerische deutschen Frauen im Apparat der SS, die SS- Verhältnisse mitverantworten. Mittäterschaft Nachrichten - und Stabshelferinnen, die SS- meint ein gesellschaftliches Verhältnis, in Ärztinnen und SS-Krankenschwestern, die welchem die Frau mit dem Täter mitagiert: SS-Aufseherinnen, die weiblichen Ange- als Mitläuferin und Mitwisserin, als stellten des SS-Verwaltungsapparats - auch Komplizin und Kollaborateurin, als Bejaherin die SS-Ehefrauen sind zu diesem und Nicht-Verhindernde, als seine Kraftquelle Täterinnenkreis zu rechnen - sind kaum und sein emotionaler Halt. Weibliche erforscht. Sie sind noch nicht einmal Mittäterschaft vollzieht sich, indem die Frau zahlenmäßig erfaßt. "Wir wissen nicht, wie lernt, bei Unrecht wegzusehen, zuzusehen diese Frauen rekrutiert wurden und was ihre oder dies zu dulden, indem sie den Täter Aufgaben waren", heißt es in der bisher direkt oder indirekt unterstützt, stärkt, seine einzigen Studie zu den SS-Frauen von Taten billigt, indem sie sich darauf einläßt zu Gudrun Schwarz.(19) schweigen, aus Angst vor Liebesverlust, vor Trotz dieser empirisch und theoretisch Konflikt und Widerspruch, aus Scham oder unbefriedigenden Forschungslage will ich den Feigheit, aus einer nicht herausgebildeten Versuch einer vorläufigen definitorischen Fähigkeit, sich über Unrecht zu empören, aus Klärung unternehmen. Was heißt weibliche einem nicht entwickelten Mut zu öffentlicher Täterschaft in NS-Deutschland? Wut, aus der Gewohnheit zu funktionieren, zu gehorchen und 'zu spuren', aus einer nicht 2. Eine definitorische Hinführung zur erarbeiteten Kompetenz, zerstörerische weiblichen Täterschaft Zusammenhänge überhaupt zu erkennen, zu durchschauen und zu benennen".(20) Der Kreis der faktischen und der potentiellen Frau-Sein im NS-System ist aber nicht mit Täterinnen in NS-Deutschland läßt sich genau weiblicher Unterwerfung unter patriarchaler umschreiben. Er ist durch das Geschlecht, die Herrschaft als einer umfassenden "reinrassige" Herkunft und die politische gesellschaft- lichen Struktur gleichzusetzen. Einstellung zum NS-System bestimmbar. Es Die NS weibliche Täterschaft steht im handelt sich um die nicht-verfolgten, historischen Kontext des NS-Systems. Die deutschen, "arischen" Frauen, die sich in Zerstörung des Menschlichen, die "Über- keinen erkennbaren Gegensatz zu den flüssigmachung des Menschen" (Hannah Zumutungen des NS-Systems brachten, die, Arendt) gehörte zu seiner politischen im Gegenteil, durch ihr Handeln und ihre Zielsetzung. Somit bildete die NS- Gesinnung das unmenschliche und Vernichtungslogik die objektive Seite der verbrecherische Regime zwölf Jahre lang auf weiblichen Täterschaft in NS-Deutschland. unterschiedliche Weise direkt oder indirekt Die individuelle Zulassung dieser Zerstörung unterstützten. der "Anderen", "der Art- und Volksfremden", Trotz dieser Definition, die deutsche der nicht "reinrassigen" Deutschen, die auch Täterinnen und die Opfer des NS-Regimes die Zerstörung der eigenen Person zur Folge definitorisch eindeutig voneinander trennt, hatte, bestimmte dagegen die subjektive Seite bleibt die nähere Bestimmung der weiblichen der Täterschaft deutscher Frauen. Diese

4 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN beiden Seiten der weiblichen Täterschaft Frauen innerhalb dieser zwölf Jahre und mit müssen wir stets in ihren der weiteren Frage ihres Widerstands und der Wechselbeziehungen während der langen Notwendigkeit eines erweiterten, andere zwölf Jahre NS-Herrschaft betrachten. Handlungsnormen einbeziehenden weiblichen Innerhalb dieses Koordinatensystems Widerstandsbegriffs verknüpft. Auch sie muß verordneter Vernich- tungsgewalt einerseits zunächst zurücktreten. und der subjektiven Zustimmung deutscher Frauen zur NS-Politik der "Ausmerze und 3. Die ideologische Täterschaft von Auslese" andererseits, will ich versuchen, die Frauen in der Tradition der "alten" weibliche Täterschaft in der NS-Zeit in Frauenbewegung Deutschland zu entschlüsseln. Diesen Gedanken will ich kurz vertiefen. Im Jahre 1933 leisteten deutsche Frauen Indem ich hier ein Koordinatensystem Widerstand gegen den Nationalsozialismus. vorstelle, das den "Gesetzen" der Schon im Frühjahr 1933 wurde das erste Vernichtungslogik folgt, habe ich für diese Frauenkonzentrationslager eröffnet. Und Analyse der weiblichen Täterschaft im NS- dennoch: Bestimmend für das Jahr der NS- System einen Ausgangspunkt gewählt, der Machtübernahme war die breite Akzeptanz traditionelle politische und moralische des Nationalsozialismus durch die Mehrheit Normen sprengt. Das Handeln im Sinne der der weiblichen Bevölkerung. Bei ihrer NS-Vernichtungslogik läßt sich nicht mit Stimmabgabe im März 1933 favorisierten die traditionellen Begriffen von Politik und Moral deutschen Wählerinnen in ihrer Mehrzahl fassen. Alle Tätigkeiten, die deutsche Frauen zwar die rechtskonservativen Parteien, nicht im NS-System freiwillig übernahmen oder zu aber die NSDAP.(22) Dieses Wahlverhalten denen sie eingesetzt wurden, beziehen sich kann aber nicht über die Tatsache nicht auf ein politisches Tun im traditionellen hinwegtäuschen, daß es 1933 von Seiten der Wortsinn, sondern direkt oder indirekt auf die Mehrzahl der weiblichen Bevölkerung keinen abartige, amoralische und unmenschliche Widerstand gegenüber der NS-Macht- NS-Politik der "Ausmerze und Auslese", übernahme gegeben hat. Der Feminismus die die Unterscheidung zwischen einem hatte 1933 als geistiges, moralisches und moralisch zulässigen und einem gesellschaftspolitisches Bollwerk gegen den unmoralischen Handeln zu verwischen und Nationalsozialismus vollkommen versagt. zugleich die Trennung zwischen einem Mehr noch. Er bildete die entscheidende privaten und einem öffentlichen ideologische Basis für die Widerstands- Handlungsraum aufzuhellen suchte. Nur losigkeit der weiblichen Bevölkerungs- durch die Herstellung außerpolitischer, mehrheit 1933 und für die weibliche eigener Räume, die weder im NS-System Täterschaft vor und nach 1933.(23) noch in unserem traditionellen politischen Das neue Regime konnte sich der Huldigung Denken vorgesehen waren, konnten sich die von Seiten der alten Frauenverbände kaum deutschen Frauen innerhalb des NS-Systems erwehren. In ihrer öffentlichen Erklärung der verbrecherischen Mittäterschaft vom 20. April 1933 erklärte die Vorsitzende entziehen. Sie schufen sich innerhalb des NS- des Bonner Lehrerinnenvereins und des Gewaltsystems kleine, private (oder Deutschen Philologinnenverbandes, reprivatisierte) Entscheidungs- und Studienrätin Cornelie Loerbroks - um nur ein Handlungsräume. Auf diese wichtigen Beispiel herauszugreifen - es sei "eine heilige Übergänge von weiblicher Täterschaft zu Pflicht" der Lehrerinnenschaft, an der weiblichen Widerstandshandlungen und Erhaltung und Stärkung der deutschen Einstellungen wird allerdings in diesen Volksgemeinschaft und am Aufbau des Ausführungen nicht eingegangen.(21) Volksstaates mitzuwirken. Ihre Aufgabe Diese Definition der weiblichen Täterschaft sähen die Lehrerinnen darin, "die Mädchen zu in NS-Deutschland ist mit der Frage der selbständiger Erfassung der mannigfachen Veränderungen im Verhalten der deutschen und eigenartigen Aufgaben der Frau im

5 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Neuaufbau Deutschlands zu bilden."(24) Der Verschwommenheit sehr gelegen. Die frauen- Ausschluß der vom NS-Staat nicht und geschlechterideologischen Versatzstücke erwünschten Mitglieder wurde mit keinem übten die genuine Funktion einer staats- Wort erwähnt; das qualitativ Neue, die tragenden Ideologie aus, die die politischen rassistische und unmenschliche Basis der NS- Realitäten sowohl verdeckte als auch Politik wurde stillschweigend übergangen. In legitimierte. In diesem Sinne übten die Bonn wie anderswo in Deutschland wurden Führerinnen der "alten" deutschen die Sitzungen einzelner traditioneller Frauenbewegung 1933 mit ihren Frauenvereine mit den Worten eröffnet: "Nun Grußadressen, Reden und Schriften nicht nur bitten wir die jüdischen Mitglieder das Lokal eine symbolische, sondern auch eine reale zu verlassen."(25) gesellschaftspolitische Macht "im Sinne der Das NS-System hatte es mit der Mehrzahl der Hervorbringung einer neuen deutschen deutschen Frauen der "alten" Volksgemeinschaft" aus. Frauenbewegung nicht schwer: "Statt sich mit Die politische Tragweite dieser ideologischen einer widerspenstigen Frauenbewegung Täterschaft konnte den Führerinnen der alten herum- schlagen zu müssen, stand [1933] die Frauenorganisationen nicht verborgen Parteileitung vor dem Problem, wie sie den bleiben. Sie haben vielmehr wissentlich den Enthusiasmus bürgerlicher Frauenführerinnen Normen- und Kontinuitätenbruch von 1933 in organisierte Formen lenken sollte."(26) durch ihre Schriften und Reden und durch ihr Vor allem im Bereich der beruflichen Verhalten zugedeckt. Mit der NS- Sozialarbeit wurde die Machtübernahme 1933 hatten sich die Kooperationsbereitschaft mit dem NS-Staat Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle von den Führerinnen der bürger- lichen deutschen Frauen grundlegend verändert. Frauenbewegung hervorgehoben. Die 1933 wurden die liberalen Vorsitzenden der Einzelverbände betonten die Sexualberatungsstellen aufgelöst, bzw. in Kontinuität der "nationalen Erhebung" mit staatliche Instrumente der rassistischen und den Zielen der Berufsverbände der biologistischen Steuerung der Bevölkerung Wohlfahrts- pflegerinnen Deutschlands: umfunktioniert; der Zugang zu "Wir begründen den Willen der Regierung Verhütungsmitteln wurde erschwert; zum Ausgleich der Klassengegensätze, zur Abtreibungen mit Zuchthaus, im Ertüchtigung der Jugend, zur Gesundung der Wiederholungsfall mit der Todesstrafe Familie. Alle unsere Arbeit war schon in der geahndet. Mit dem Gesetz vom Juli 1933 "zur Vergangenheit Dienst am Volke, Pflege der Verhütung erbkranken Nachwuchses" wurde Jugend und Familienhilfe."(27) die Zwangssterilisation erstmalig in der Dieser nahtlose Übergang von den Geschichte legalisiert und somit der erste bürgerlichen Frauenorganisationen zu der Schritt zur Politik der Vernichtung ideologischen Eingliederung im NS-Staat war "unwerten" Lebens eingeleitet. Die nur mit Hilfe der traditionellen Frauen- und Ehestandsdarlehen von 1933 brachten die Geschlechterideologie, der beliebig arbeitsmarktpolitischen und dehnbaren Annahme der weiblichen klassenpolitischen ebenso wie die Wesenheit und der Illusion einer der "rassen"politischen und eugenischen Merk- Männerwelt separaten weiblichen Sphäre male der NS-Frauen- und Geschlechterpolitik möglich. Die ideologische Umsetzung in das unverhohlen zum Vorschein. Und schließlich neue Paradigma der Vernichtungslogik wurde erfolgten 1933 die ersten Entlassungen von von nicht national- sozialistischen Frauen Frauen "nicht arischer Abstammung". Die ebenso wie von Nationalsozialistinnen Ehe war das Einfallstor für die NS-Rassen- vorbereitet und zum Teil vollzogen.(28) politik.(29) Das Neuartige der NS-Frauen- Die von den Führerinnen der "alten" und Geschlechterpolitik, die Verknüpfung Frauenbewegung verbreiteten, traditionellen von NS-Frauen- und Geschlechterpolitik Frauen- und Geschlechterideologien kamen einerseits und NS-Rassen- und dem NS-Staat gerade in ihrer metaphysischen Gesellschaftspolitik andererseits konnte den

6 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Führerinnen der "alten" Frauenbewegung ideologien nach 1933, die sich bis zum Jahre nicht verborgen bleiben. 1945, unterstützt durch Frauen aus der "alten" Somit ist die Zustimmung der Mehrzahl der Frauenbewegung, kontinuierlich steigerte. Führerinnen der "alten" Frauenbewegung zum Die verstärkte Integration der deutschen NS-System 1933 mehr als ein passives Frauen in die NS-Gesellschaft und in den Mitläufertum. Ihr Ja zur NS-Machtübernahme Arbeitsprozeß nach 1933, spätestens aber ab erforderte ein bewußtes Wegschauen, eine 1937, hatte nicht einen Emanzipationsschub geheime oder offene Zustimmung zu der im Sinne einer politischen Emanzipation der Tatsache der grundlegenden politischen Frauen zur Folge.(34) Vielmehr fielen die Veränderung 1933 und/oder eine Sympathie privaten Bedürfnisse und die politischen mit einzelnen Maßnahmen der neuen Macht- Sinn- und Zielsetzungen für die Mehrzahl der haber. Frauen immer mehr auseinander. Die Es wäre allerdings verfehlt, die Akzeptanz Diskrepanz zwischen dem eigenen Denken des neuen Regimes 1933 durch die Mehrheit und der Wahrnehmung der "großen Politik" der weiblichen Bevölkerung nahm nach 1933 steigend zu. Während deutsch"arischer" Abstammung auf die Arbeiterinnen die Vorteile des Haltung der Führerinnen der alten wirtschaftlichen Aufschwungs für sich zu Frauenbewegung oder gar auf eine klar nutzen suchten, versuchten sie zugleich, "den benennbare Ideologie der "organisierten anderen Seiten [des Systems] zu entkommen Mütterlichkeit" zurückführen zu wollen.(30) oder sie zu negieren."(35) Nach 1933 entstand Auch die weibliche Bevölkerung hoffte, von ein Vakuum, das durch die von deutschen dem Modernisierungsschub nach 1933 zu Frauen mitverbreitete Ideologie des "wesens- profitieren. Als Fürsorgerinnen, als gemäßen" Einsatzes der deutschen Frau Sekretärinnen, als Krankenschwestern zumindest in den ersten sogenannten standen ihnen neue Karrieren im NS-Staat "erfolgreichen" Jahren des Regimes offen. Allein die Zahl der weiblichen geschlossen werden konnte. Die alte Frauen- Angestellten im öffentlichen Dienst und in und Geschlechterideologie wies im Verlauf privaten Dienstleistungen nahm zwischen der NS-Herrschaft in immer höherem 1925 und 1939 um 68,3 % zu und stieg im Ausmaß ambivalente Züge auf. Sie hatte nicht Verlauf des Krieges dramatisch an.(31) Auch nur den Weg zur Akzeptanz der NS die Arbeiterinnen verbanden mit dem Jahr rassistischen Ideologie 1933 geebnet. In 1933 realistische Hoffnungen auf ein Ende ihrem Namen agierten Frauen im Sinne der ihrer Arbeitslosigkeit und auf soziale NS-Politik der "Ausmerze und Auslese", sie Aufstiegs- möglichkeiten. Hier spielte die schufen sich aber auch Freiräume, um sich nahtlose Weiterführung der traditionellen der NS-Mutterschaftsideologie in ihrer Frauen- und Geschlechterideologie nach 1933 Totalität zu entziehen. Dies gehört zum zwar keine ausschlaggebende, allerdings doch Widerspruch der Frauen- und eine wichtige Rolle bei der Akzeptanz des Geschlechterideologie im NS-Deutschland. NS-Systems in der weiblichen Bevölkerung. Von dieser Ambivalenz der traditionellen Die NS-Modernisierungspolitik nach 1933 Frauen- und Geschlechterideologie können war auf den ideologischen Rekurs auf wir 1933 noch nicht ausgehen. Als Agnes atavistische, "traditionelle" sogenannte anti- Zahn-Harnack als Präsidentin des Bundes moderne Vorstellungen angewiesen.(32) Deutscher Frauenvereine dem Führer eine Hierzu eignete sich in besonderer Weise die Grußadresse übermittelte und dem Regime vor-nationalsozialistische Frauen-, Familien- die Bereitschaft zur Mitarbeit nahelegte, und Geschlechterideologie, um die Ambival- relativierte sie den Bruch von 1933 in der enz der NS-Modernisierung und ihrer Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Verquickung mit der Politik der Gertrud Bäumer hatte sogar die offizielle Vernichtungslogik zu verdecken.(33) Erst auf Kooperation des BDF mit dem neuen Regime diesem Hintergrund erklärt sich die vorgeschlagen. Der Bund entschloß sich inflationäre Aufwertung der Weiblichkeits- jedoch 1933 zur Selbstauflösung. Obgleich

7 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Gertrud Bäumer im April 1933 aus ihrem öffentlich auch nicht anstrebte - gehörte Amt als Staatssekretärin im Innenministerium Gertrud Scholtz-Klink nach 1934 zu den entlassen wurde, hat sie immer wieder mächtigsten Frauen in NS-Deutschland. Sie unaufgefordert öffentlich und privat auf die verkörperte das NS-Frauenideal des neuen Chancen für die Frauenbewegung bedingungslosen, aufopferungswilligen durch die NS-Machtübernahme hingewiesen. Gehor- sams und stellte sich öffentlich als die Ihre Hoffnung galt einer "neuen, seelisch ergebene Dienerin der männlichen NS-Macht anders gefärbten Phase der dar: stets todes- und tötungsbereit, ein Glied Frauenbewegung..." In dem von ihr bis 1942 im großen Strom der Geschichte, das sich den herausgegebenen Organ "Die Frau" verfaßte Zwecken des "reinen Volkskörpers" ganz und sie mit nicht nachlassender Begeisterung gar unter- und einordnete. Geboren 1902 war Artikel, in denen sie die deutschen Frauen zur Gertrud Scholtz-Klink früh in die NSDAP Mitarbeit am neuen Staat aufforderte. Ihr eingetreten. Nach dem Tod ihres ersten Beitrag kurz vor Kriegsbeginn Mannes, mit dem sie sechs Kinder zur Welt "Frauenschaften 1938 und in Zukunft" endete brachte, wurde sie vor der NS-Macht- mit dem euphorischen Zuruf an die deutschen übernahme beim politischen Aufbau der NS- Frauen: "Von hier aus kann das Jahr 1939 für Frauenschaft aktiv. Am 24.2.1934 über- nahm eine weibliche Jugend, die bereit ist, ein sie die Leitung der NS-Frauenschaft, des Aufbruchsjahr erster Ordnung sein."(36) Deutschen Frauenwerkes und den Vorsitz des Deutschen Roten Kreuzes. An der Seite des 4. Die organisierte Täterschaft der NS- Führers stellte sie in Nürnberg das Frauen organisatorische Programm der Gleich- schaltung der deutschen Frau dar. Zunächst Als Hitler auf dem Parteitag von Nürnberg erinnerte sie die deutsche Frau an ihre 1934 die Mittäterschaft der deutschen Frau an historische Mission: "Wir wissen ganz klar, dem großen Werk der "völkischen Erneuer- daß wir als Gestalter neuer Lebensformen ung" feierlich inszenierte, knüpfte er an die niemals 'Gestern' und 'Heute' sehen, sondern, Tradition der deutschen Frauenbewegung und daß das 'Morgen' unseres Volkes uns Ziel sein an die Geschlechterideologie der geschlechts- muß." In Umschreibung der Luther-Worte vor spezifisch getrennten Welt des Mannes und dem Reichstag in Augsburg schloß sie ihre der Frau an. "Was der Mann bringt im Ringen Rede mit den Worten: "Dieses Bewußtsein seines Volkes, bringt die Frau an Opfern im unseres Verflochtenseins in das große Ganze Ringen um die Erhaltung dieses Volkes."(37) ist uns tiefste Verpflichtung. Mögen wir Mit diesen Worten appellierte Hitler an die deutschen Frauen ihr immer so gehorchen totale Opferbereitschaft "seiner" Frauenbe- können, daß wir vor der Geschichte bestehen wegung. Er hatte die Notwendigkeit der können in dem Bewußtsein: 'Hier stehen wir, totalen auch der deutschen wir können und wollen nicht anders, Gott Frauen erkannt. helfe uns allen.'"(38) Die ideologische Inwieweit ist es aber dem NS-System Tradition der alten Frauenbewegung wurde gelungen, eine kollektive Mittäterschaft der geschickt mit der neuen, rassistischen, deutschen Frauen in ihrer großen Mehrheit zu völkischen NS-Ideologie verschmolzen.(39) organisieren und durchzusetzen? Daß diese Im Zentrum ihrer Rede stand die organi- Organisation nur durch eine Frau als satorische Konzeption der totalen Einglieder- "Führerin" zu leisten war, hatte Hitler nach ung der "gesunden", "reinrassigen" deutschen der ersten männlichen Fehlbesetzung Frau in den "gesunden Volkskörper". Als einsehen müssen. erstes nannte Gertrud Scholtz-Klink die In der Person von Gertrud Scholtz-Klink Mutterschulung und den Mutterdienst: hier glaubte Hitler, die geeignete "Führerin" der sollten die Liebes-, Partner- und Ehebe- deutschen Frauen gefunden zu haben. ziehungen der deutschen Frau ebenso wie die Obgleich sie über keine eigene politische Schwangerschaften der deutschen Frauen im Entscheidungsmacht verfügte - und diese Geiste des NS-Volksganzen geregelt werden.

8 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Als zweiten Arbeitsbereich hob sie die 1933 "aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen... Tätigkeiten im Volksgesundheitsdienst und - gleichzeitig [wurde sie] in ihrer im Deutschen Roten Kreuz als Arbeit für die ausgeschlossenen Position als Hüterin des "wehrhafte Volksgemeinschaft" hervor. Die Herdes etc. 'öffentlich'".(42) Auslandsarbeit der NS-Frauenwohlfahrt Hitler hatte erklärt: "Die Lebensbeziehungen nannte sie als drittes Aufgabenfeld zur der Geschlechter regeln wir. Das Kind bilden Verbreitung des "wahren Deutschtums". wir." Diese Verstaatlichung der deutschen Weiterhin zählte Gertrud Scholtz-Klink die Frau war mit ihrem privaten Status Aufgaben der Frauenabteilung der DAF unvereinbar. Mit dieser paradoxen Situation (Deutsche Arbeitsfront) auf, die nach der mußte Gertrud Scholtz-Klink fertig werden. Zerschlagung der Gewerkschaften die Ihr einziger Ausweg war das Verschweigen deutschen Arbeiterinnen erfaßte. Hinzu der vollen Tragweite der weiblichen kamen die erzieherischen Frauentätigkeiten Mittäterschaft im NS-System. im Deut- schen Arbeitsdienst und die Damit wird ein zentraler Widerspruch in der "Kulturarbeit" der deutschen Frau, die den NS-Vorstellung der Organisation der weib- nationalsozialistischen Menschen und die lichen Täterschaft sichtbar. Die deutsche Frau "deutsche Frau zur bewußten Frau der soll "total" für die "freiwillige" Mitarbeit an Gegenwart" heranbilden sollten.(40) der neuen Volksgemeinschaft gewonnen Mit diesem Organisationsplan sollte die werden. Zugleich mußten die inhumanen Mittäterschaft der deutschen Frauen im NS- Konsequenzen der NS-Politik der "Ausmerze Staat erreicht werden. Allerdings wurde und Auslese" für die NS weibliche schon in dieser Rede eine Grundproblematik Täterschaft durch den harmlos erscheinenden, der NS-Täterschaft der deutschen Frau organisa- torischen Rahmen verdeckt werden. sichtbar. Gertrud Scholtz-Klink mußte "ihre" Frauen Obgleich Gertrud Scholtz-Klink bemüht war, als begeisterte "Rädchen" im Getriebe der die Arbeit der "neuen" NS-Frauenbewegung NS-Vernichtungspolitik organisieren, an die Ideen der "alten" Frauenbewegung zugleich aber die Zielsetzung dieser Politik anzuschließen, war das grundlegend Neue in nur andeuten. Damit erhielt die traditionelle der Mitarbeit der deutschen Frau am neuen Weiblichkeitsideologie eine neue, ideolo- Staat unüberhörbar. Das Privateste, Intimste gische, den NS-Rassismus verschleiernde der Frau, Liebe, Schwangerschaft, Mutter- Dimension.(43) schaft, Partnerschaft waren Staatssache. Gertrud Scholtz-Klink hat diese Kunst der Damit unterschied sich die NS-Täterschaft Verschleierung in einem hohen Maße von Frauen grundlegend von der "organisier- beherrscht. Sie forderte die deutschen Frauen ten Mütterlichkeit" im "Staatsfeminismus" auf, die unmenschlichen Systemzumutungen (Irene Stoehr) des deutschen Kaiserreichs. "freudig" und "freiwillig" zu vollziehen: sie Die NS-Volksmütter verfügten über keinen sollten die unerwünschten Menschen, die privaten Raum, über kein "Ich", weder real Kranken, die sogenannten "Asozialen", die noch symbolisch. Ihr Körper gehörte dem "Blutsfremden", die "Volksschädlinge" NS-Volkskörper. NS-Rassenpolitiker, wie ausgrenzen. Auch sollten sie sich an ihrer Walter Groß, hatten diese neue Dimension weiteren Vernichtung beteiligen. Da, wo der des "Frauenopfers", das ebenso kleine NS-Mann noch zögerte, sollten die antinatalistisch wie geburtenfreundlich deutschen Frauen "voranstürmen". Nach orientiert war, öffen- tlich propagiert: "Du Gertrud Scholtz-Klink waren die deutschen bist ein Glied in der Kette des Lebens, ein Frauen in ihrer Opfer- und Tötungs- Tröpfchen im großen Blutstrom deines bereitschaft dem deutschen Mann überlegen. Volkes."(41) Die Reichsfrauenführerin sollte Die deutschen Sozialarbeiterinnen sollten sich zwar die NS-Kon- zeption der als "kleine Sendboten" des Führers begreifen, Vernichtungslogik vertreten und eine zu wenn sie "einer Frau dieses Leben wieder jedem Opfer bereite Mütterlichkeit wegnehmen müssen durch die Maßnahme, organisieren. Die deutsche Frau wurde aber die nun eben einmal notwendig ist." In ihrer

9 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Rede vom 14.7.1936 in Düsseldorf vor den Verbrechen des NS-Systems aus? Jill Metallarbeitern brachte Gertrud Scholtz- Stephenson kommt zu dem Schluß, daß in der Klink diese "Überlegenheit" der NS-Frauen zweiten Hälfte des Krieges die im Töten offen zum Ausdruck: "Nachher, Reichsfrauenführung wenig mehr als sich meine Männer, kommt der Schritt, die Mutter selbst verwaltete.(47) Gertrud Scholtz-Klink an die Hand zu nehmen, mit ihr und ihrem zog sich nach ihrer Wiederverheiratung 1940 Kinde dann ins Krankenhaus zu gehen und immer mehr ins Privatleben zurück.(48) Die dieses Kind dort letzten Endes durch Historikerin Andrea Böltken spricht davon, Sterilisation aus dem Leben auszulöschen. Gertrud Scholtz-Klink habe resigniert. Im Das bringt kein Mann einer deutschen Frau Gegensatz zu den Frauen der Westalliierten - bei...Sie können nur daneben stehen und insbesondere zu den Engländerinnen - dankbar sein. Genauso ist es - das ist ein sehr mangelte es in NS-Deutschland, insbesondere ernstes Kapitel - wenn sie einer Frau dieses seit Kriegsbeginn, an der Einsatzbereitschaft Leben wieder wegnehmen müssen, wenn sie der deutschen Frauen. "Die bürgerlichen es ihr auslöschen müssen durch die Frauen waren bereit, sich im Wohlwollen des Maßnahme, die nun eben einmal notwendig Regimes zu sonnen und die Vergünstigungen ist."(44) [...] als ihr Recht in Anspruch zu nehmen; es Diese Botschaft mußte auch in NS- gab keinen Begriff davon, geschweige denn Deutschland verschleiert werden. Es wurden ein Eingeständnis, daß Gegenleistungen zu Nähkurse, Kochkurse, Singabende, usw. erbringen seien."(49) In allen Bereichen, in organisiert, in der ein neues denen der NS-Staat die Mitwirkung der Gemeinschaftsleben kultiviert wurde: deutschen Frau anstrebte, war im Blick auf scheinbar fern ab von der destruktiven, die totale Erfassung der deutschen Frau das menschenverachtenden NS-Politik.(45) Gegenteil erfolgt. Mit Kriegsbeginn gingen Auch im Rückblick erschwert der organi- die Geburtenzahlen dramatisch zurück. satorische Aufbau einer Scheinnormalität Ebenfalls sank mit Kriegsbeginn die durch die NS-Frauenorganisationen unser Bereitschaft der deutschen Frauen zu Urteil über die Mittäterschaft von deutschen dringend benötigten Arbeiten für den Krieg. Mädchen und Frauen in NS-Deutschland. Die Sogar die NS-Frauenführerinnen mußten ihre Anzahl der in NS-Organisationen tätigen Ohnmacht eingestehen: "Da wird der deutschen Frauen ist auf den ersten Blick Küchenschrank mit dem zweiten Kind eindrucksvoll. Die Hauptabteilungsleiterin verkoppelt und der Toilettenspiegel oder der Organisation der Reichsfrauenführung Radioapparat mit dem dritten Kind. Diese verkün- dete stolz im Jahre 1941, die Menschen sind schwer für eine selbstlose und Reichsfrauen- führerin verfüge über 32 für die Gemeinschaft nützliche Idee zu Gaufrauenschafts- leiterinnen, 725 gewinnen."(50) Die erhofften Kreisfrauenschaftsleiterinnen, über 22.593 "Vertrauensbeweise für den Führer" blieben Ortsfrauenschaftsleiterinnen, 59.802 in dem gewünschten Ausmaß in allen Zellenfrauenschaftsleiterinnen und 223.024 Bereichen der Frauenarbeit aus.(51) Blockfrauenschaftsleiterinnen. Die Anzahl Auf diesem Hintergrund ist der aktive und der Mitarbeiterinnen betrüge über 1 fanatische Einsatz der NS-Führerinnen zur Million NS-Frauen. Die kombinierte Gewinnung der deutschen Frauen als Mitgliedschaft von NS-Frauenschaft und "Hüterinnen des deutschen Blutes" zu Deutschem Frauenwerk betrug 1940 rund 6 bewerten. Gertrud Scholtz-Klink wurde bis 8 Millionen Frauen, während die DAF angesichts der ungeheuren Verlusten an weitere 8 Millionen erfaßte. Im RADwJ deutschem Menschenleben, vor allem nach (Reichsarbeitsdienst der weiblichen Jugend) Stalingrad, nicht müde, die deutschen Mütter wurde bis 1941 die Zahl auf 150.000 junge zu drängen, Kinder zu gebären: "Gerade ihr Frauen erweitert.(46) Was sagen aber diese Mütter vermögt aus dem tiefsten Grund der Zahlen über die tatsächliche Bereitschaft von Mütterlichkeit am ehesten über alle Ver- deutschen Frauen zur Mitarbeit an den knüpfungen und Bedingungen des Politischen

10 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN hinweg, den elementaren Sinn dieses Krieges Mutterideologie und dem Verhalten der zu begreifen... Mütterlichkeit bedeutet deutschen Frauen im Verlauf des Krieges Liebe... denn aus Liebe entsteht das Leben... unterschieden werden. Gertrud Scholtz-Klink Mutterliebe bedeutet auch Verzicht bis zur konnte sich in ihren Reden nicht nur auf die Entsagung und zum großen Opfer... Dieser NS-Propaganda, sondern auch auf die Krieg aber ist ein Krieg für die Kinder, für Opferideologie, die in der alten die, die heute aufwachsen und geboren Frauenbewegung seit dem ersten Weltkrieg werden, und für alle noch Ungeborenen! Das wachgehalten wurde, beziehen. Die NS- begreift Ihr Mütter..."(52) Vernichtungspolitik war aber nicht nur die Die NS-Frauenführerinnen waren das Fortsetzung des deutschen Nationalismus und weibliche Echo der NS-Propaganda, die das der nationalen Opferbereitschaft der allseitige Opfer von der deutschen Frau deutschen Frauen von 1914. Die Mehrzahl verlangte. Wörtliche Anklänge an die Reden der deutschen Frauen rückten im von Goebbels sind in den Reden von Gertrud Kriegsverlauf von den Kriegszielen des NS- Scholtz-Klink unüberhörbar. Mit der Systems ab.(56) Verleihung der Mutterkreuze vom NS-Staat NS-Täterinnen, wie Gertrud Scholtz-Klink, wurde die Opferbereitschaft der deutschen waren nicht eine "spektakuläre Minder- Frau, die "freudige" Einwilligung der heit".(57) Zahlreiche NS-Frauenführerinnen deutschen Frauen in das Sterben der Männer, unterstützten das NS-System in dem politisch inszeniert. Gertrud Scholtz-Klink Bemühen, die deutschen Frauen total in den stellte in ihren Reden diese scheinbar Dienst der NS-Vernichtungspolitik zu stellen. "freudige" Einwilligung der deutschen Mütter Die totale Erfassung der deutschen Frauen ist als ein Frauenopfer für die Erfüllung des nicht gelungen.(58) "In dem Moment, wo der großen, überpersönlichen, säkularen rassis- Subjektbegriff fällt, fällt auch der Begriff des tischen Heilsgeschehens dar. In ihrer Opfers..."(59) Die große Mehrzahl der Ansprache zum Muttertag von 1943 hieß es: deutschen Frauen entzog sich der NS-Zu- "Manche Mutter ist still geworden - ihr Sohn mutung einer total entsubjektivierten kehrt nicht mehr heim. Schweigend tut sie weiblichen Opferrolle. Dennoch kommt der weiter in der Heimat ihre Pflicht. Sie weiß, Tätigkeit von NS-Frauen, an ihrer Spitze daß es um Höheres geht als um ihr eigenes Gertrud Scholtz-Klink, eine nicht zu unter- Schicksal."(53) Hier wird die Mythisierung schätzende Bedeutung bei der Stabilisierung der deutschen Frau sichtbar, die "Metaphysik des NS-Systems und bei der Durchsetzung der großen Mutter", die Gerburg Treusch- der NS-Politik der "Ausmerze und Auslese" Dieter als die entscheidende Strategie des NS- zu. Staates zur Eroberung der deutschen Frau In der Person der Reichsfrauenführerin fand ausmacht. Sie legt sogar die Annahme nahe, bis Kriegsende die vom NS-System die deutschen Frauen hätten sich dieser angestrebte kollektive Täterschaft der ideologischen Zumutung durch ihr Verhalten deutschen Frauen ihren symbolischen unterworfen: "Drei Millionen Mutterkreuz- Ausdruck: "Mit ihrer Frauenorganisation hielt trägerinnen, einen Monat vor Kriegsbeginn sie die Fiktion einer spezifischen weiblichen im August 1939 geehrt, zeigen, daß die Interessenorganisation aufrecht, sicherte die Frauen bereit waren, sich, ohne etwas zu Kooperation eines Großteils der deutschen verschütten, zu verströmen."(54) Oder - an Frauen und erzielte neben einer - zumindest anderer Stelle: Die deutsche Frau "hat die oberflächlichen - Befriedung der weiblichen Beseelung oder auch die Durchblutung der Bevölkerung eine beträchtliche national- sozialistischen Kampfordnung zu Außenwirkung."(60) Die NS-Vernichtungs- leisten - was sie, sich selbst entsagend, sich politik wurde durch die NS-Frauen aktiv selbst auflösend, sich selbst verströmend, unterstützt, zugleich aber ideologisch tat."(55) verdeckt. Die NS-Frauen, wie Gertrud Hier muß allerdings zwischen der von Scholtz-Klink, führten wie Claudia Koonz es Gertrud Scholtz-Klink verbreiteten NS- ausdrückte, "wie Ablenkungstruppen am Vor-

11 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN abend einer Invasion, ein gigantisches moralische Rechtfertigung ihres "weiblichen" Verschleierungs- unternehmen durch, um Tuns. Sie fühlten sich in ihrer Mehrzahl Ausländer und Deutsche davon zu unschuldig.(63) überzeugen, daß im Reich alles in Ordnung sei."(61) Den NS-Frauenführerinnen war es - 5. Die aktive Beteiligung von SS-Frauen zumindest ansatzweise - gelungen, den am NS-Völkermord totalen Dienst der deutschen Frauen am NS- Volkskörper ideologisch zu vertreten und Raul Hilberg hat darauf hingewiesen, daß der öffentlich darzustellen. Die NS-Mordpolitik deutsche Täter "kein besonderer Deutscher" erforderte aber die Geheimhaltung. sein müsse: "Wo immer man den Gertrud Scholtz-Klink wurde durch die Trennungsstrich der aktiven Teilnahme zu Spruchkammer in Tübingen am 17.11.49 zu ziehen gedenkt, stets stellt die Vernichtungs- 18 Monaten Arbeitslager verurteilt. Nach den maschinerie einen bemerkens- werten Quer- Kriterien des Gerichts konnte ihr keine schnitt der deutschen Bevölkerung dar. Jeder verbrecherische Handlung nachgewiesen Berufsstand, jeder Ausbildungsgrad und werden. Als strafmildernd wurde sozialer Status waren vertreten."(64) Dies gilt festgehalten, daß sie sich in ihrer politischen auch für die deutschen Täterinnen. Um den Arbeit "vorwiegend mit den NS-Vernichtungsapparat in Gang zu halten, hauswirtschaftlichen, sozialen und karitativen waren "normale" deutsche Frauen aus allen Aufgaben der Frauen" befaßt habe.(62) Daß Bevölkerungsgruppen unverzichtbar. Aller- diese Aufgaben dem eugenischen und dings stellen die deutschen Frauen, die rassistischen Zielsetzungen der NS-Politik unmittelbar am Ort des Grauens, in den KZs zugeordnet waren, wurde somit auch durch und den Tötungsanstalten in engster die Gegner des Nationalsozialismus verdeckt. körperlicher Berührung mit den Opfern Auch der Tatbestand ihrer Weiblichkeit handelten, eine neue Qualität der minderte in den Augen der Richter ihre Mittäterschaft dar, die unsere Vorstellungs- Schuldfähigkeit. Dem Gericht fehlten die kraft und unsere moralisch-politischen Kategorien, um die Täterschaft der NS- Beurteilungskriterien übersteigt. Diese Frauen zu ermessen. Täterschaft vollzog sich im Verborgenen. Die Zu der Schwierigkeit, objektive Maßstäbe für Täterinnen bedienten sich erst der NS-Opfer- die Be- und Verurteilung der Täterschaft von und Weiblichkeitsideologie, als sie nach 1945 NS-Frauen im Sinne der Unterstützung des vor Gericht standen. NS-Systems zu finden, tritt die weitere Es ist hier die Rede von den SS-Frauen, die Problematik der Beurteilung der subjektiven bei der Ermordung von Tausenden von Dimension der Täterschaft der NS-Führer- Menschen präsent und in einer beruflichen innen. Die vor Gericht angeklagten NS- Funktion als Mörderinnen tätig waren: von Frauen haben in der Regel den Richtern - den SS-Krankenschwestern, den SS-Ärztin- bewußt oder unbewußt - den Eindruck nen, den SS-Aufseherinnen, dem sogenannten vermittelt, sie seien nicht in der Lage, die "weiblichen SS-Gefolge". Es handelt sich hier eigene Verantwortung für ihr Tun zu um Frauen, die aus freien Stücken sich aktiv übernehmen. Führende NS-Frauen, wie an den einzelnen Vorgängen der Vernichtung Gertrud Scholtz-Klink, bezogen sich dabei von menschlichem Leben beteiligten. Sie auf ihre "dienende" Stellung im NS-System verstanden ihre brutalsten Handlungen als und auf ihr "freiwilliges Opfer" für die gute Garanten des NS-Siegs im Namen der Sache. Nicht selten widerriefen sie ihre deutschen Herrenrasse. früheren Aussagen zur überlegenen "Vom ersten Kriegstage an leisteten Frauen politischen Rolle der Frau im NS-System. nicht nur mittelbare Kriegsdienste, sondern Somit diente die NS-Frauen- ideologie gerade auch unmittelbare, d.h. solche, die im mit ihren traditionellen Implikationen und Verband der Streitkräfte erfolgten."(65) In ihre verschleierte Einbindung in die NS- ihrer Studie zu Frauen im Apparat der SS in Vernichtungspolitik den NS-Frauen als den Jahren 1933-1945 stellte Gudrun Schwarz

12 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN fest: "An dem Ablauf der Verfolgung und Die Berichte der SS-Täterinnen, sofern sie Vernichtung - über die Segmente Definition, überhaupt zu einer Aussage heute bereit sind Enteignung, Konzentration, Vernichtung - oder sich nicht durch Selbstmord der Aussage waren die SS-Frauen in direkter Weise entzogen haben, vermitteln auf den ersten beteiligt."(66) Für Gudrun Schwarz gehören Blick den Eindruck eines völlig die SS-Frauen nur "zur Spitze des Eisbergs". entpersonalisierten ürokratisch-professionel- Sie wurden in einem quantitativ noch viel len Tuns. Ruth Closius, SS-Aufseherin in größeren Ausmaß von anderen deutschen Ravensbrück, gab im Ravensbrücker Prozeß Frauen bei diesem beispiellosem Vorgang der zu Protokoll: "Während meiner Tätigkeit in effizienten und brutalen Durchführung des Uckermarck sind ungefähr 3000 Frauen für NS-Völkermords unterstützt. die Vergasungen ausgesucht worden. ... Ich, Bei dem Versuch, Antworten auf die Frage die Aufseherin Moncke, die SS-Sanitäter und nach der Verantwortung dieser Frauen für auch manchmal die Schulz verluden die ihre Täterschaft zu finden, stehen wir mitten Frauen auf den Lastwagen. Zuerst stand ich im Apparat der NS-Vernichtungslogik, deren unten, um die Häftlinge zu zählen, damit Ziel nicht nur in der Vernichtung der keine zu wenig oder zu viel war. Es kam unerwünschten Bewohner dieser Erde lag, nämlich vor, daß eine Tochter mit ihrer sondern auch auf die Zerstörung der eigenen Mutter oder umgekehrt mitfahren wollte. Person gerichtet war. Erst durch die selbst Sobald die Frauen auf dem Wagen waren, zugelassene Zerstörung der Eigenperson und stiegen ich und manchmal auch Moncke und die Leugnung der Eigenverantwortung, Schulz ebenfalls hinauf. Ich möchte noch gelang es der Mehrzahl dieser sogenannten hinzufügen, daß Rapp und sein Freund [SS- "normalen" Frauen, sich an dem brutalen Sanitäter] die Frauen oft mit der Hand Massenmorden des NS-Staates zu beteiligen. schlugen und ich schlug die Frauen hin und Die SS-Frauen waren in ihrer Mehrheit nicht wieder mit meiner Hand oder mit einem einfache Kriminelle mit einer perversen Stock nachmittags bei der Selektion und Veranlagung. Es ist anzunehmen, daß sie abends beim Aufladen auf den sich, insofern sie sich überhaupt über ihr Tun Lastwagen."(67) Ruth Closius berichtete, wie Rechenschaft ablegten, des ideologischen sie gewissenhaft ihren Dienst versah. Das Angebotes des NS-Staates bedienten und sich Schlagen der Opfer mit der Hand oder mit somit als gefügige Vollstreckerinnen eines einem Stock gehörte zum ordnungsgemäßen höheren Willens verstanden oder, wie es in Ablauf. der Sprache des bürokratisch Der Bericht der Aufseherin Ruth Closius durchorganisierten NS-Mordens hieß, als vermittelt einen Einblick in den Grad der "Rädchen" in den Fabriken des Tötens. Fremd- und der Selbstfunktionalisierung der Es ist schwer, zwischen den NS-Intentionen SS-Frauen im Dienste der NS-Vernichtungs- und der Selbstfunktionalisierung der SS- politik. Die SS- Frauen vollzogen nach Frauen einerseits und andererseits den diesem Bericht die Vernichtung menschlichen Möglichkeiten des Menschen, zum totalen Lebens zwar mit ihren eigenen Händen und entpersönlichten "Rädchen" zu werden, zu auf professionelle Weise, allerdings scheinbar unterscheiden. Diese Unterscheidung wurde ohne ein schuldhaftes Gewissen. Diese jedoch gerade von den Opfern der NS- Selbstdarstellungen der SS-Aufseherinnen Gewalt, die von SS-Frauen ausgeübt wurde, verschleiern jedoch einen Teil des nachweis- getroffen. Die Selbstdarstellungen der SS- lichen Tatbestandes der Gewaltausübung und Frauen weichen erheblich von den lassen die Frage der Selbsteinschätzung offen. Wahrnehmungen durch ihre Opfer ab. Wir Die Opfer dieser Gewalttaten haben die SS- müssen beide Sichtweisen beachten. In der Aufseherinnen, die SS-Ärztinnen und Diskrepanz dieser beiden Darstellungen der Krankenschwestern nicht als professionali- Täterschaft von SS-Frauen liegt ein Schlüssel sierte, entpersönlichte Rädchen im zu der Erfassung der Täterschaft von Frauen organisierten Tötungsablauf, sondern als in NS-Deutschland. individuelle, weibliche Personen, die sie aus

13 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN freien Stücken schlugen, quälten und Frosches und ihre Beeinflussung durch die entwürdigten erlebt. Jede Geste der Un- Narkose" promoviert. Seit 1935 im Bund menschlichkeit - wie auch der Menschlichkeit Deutscher Mädel organisiert, zuletzt als - wurde von den Opfern genau registriert. Ringärztin, wurde sie Mitglied der NSDAP Die Überlebende aus dem FrauenKZ und des NS-Ärztinnenbundes. Als Fachärztin Ravensbrück, Nanda Herbermann, stellte sich für Haut- und Geschlechtskrankheiten die Frage: "Warum wurde von diesen Uni- meldete sie sich freiwillig als Lagerärztin für formträgerinnen das nicht mehr als das KZ Ravensbrück und wirkte hier unter Verbrechen empfunden, was doch jedes der Leitung von Prof. Gebhardt an den natürliche Gefühl als solches erkennen Sulfonamidexperimenten mit. Im Nürnberger mußte?"(68) Ärzteprozeß vor Gericht gestellt, erklärte sie: "Ich habe bei meiner therapeutischen Überlebende von Ravensbrück erinnerten sich Betreuung nach den schulmedizinischen beispielsweise sehr genau an die besondere Regeln als Frau in meiner schwierigen Lage Grausamkeit der SS-Ärztin Herta Oberhäuser. alles getan, was ich tun konnte."(70) Die Ihre Aufgabe war es, die organisch Versuchsoperationen an den gesunden geeigneten Versuchsopfer auszuwählen, bei jüdischen Polinnen nannte sie "Versuche am den Eingriffen zu assistieren und die lebenden Objekt". Im Kreuzverhör verteidigte "Nachversorgung" zu überwachen. Die sie sich: "Ich habe es als meine Pflicht planvolle Nichtversorgung der an den Beinen aufgefaßt und gehofft, hier als Frau auch operierten Frauen gehörte zum "Gelingen" helfen zu können..." Sie plädierte für ihre des Experiments. Ein überlebendes Opfer, die Unschuld; sie habe nur ihre Pflicht getan. Die Polin Zafia B., berichtete unter Eid von der NS-Ideologie von der Opferrolle der Frau mitleidlosen Haltung der Herta Oberhäuser benutzte sie mit Erfolg, um sich der bei der "Nachbehandlung". "Ich habe Eigenverantwortung zu entziehen. Der gesehen, wie die Oberhäuser Frauen schlug Urteilsspruch des Nürnberger Gerichts vom und sie hinauswarf, wenn sie kamen, um ihre 19.8.1947 lautete: "Gehorsam arbeitete sie Beine, welche während der Arbeit gefährliche nach Beendigung jeder Operation..., daß sie Schnitte erlitten hatten, pflegen zu lassen. Sie die Patienten absichtlich vernachlässigte, pflegte sie nicht."(69) damit die den Versuchspersonen zugefügten Das besondere "Verdienst" der Herta Wunden den Höchstgrad an Infektion Oberhäuser lag darin, daß sie die Experimente erreichen sollten." Sie tat ihre Pflicht. an den Häftlingen noch dann weiterführte, als Allerdings gerät gerade in dieser die übrigen männlichen Lagerärzte das Entmenschlichung ihrer Person noch eine Ansehen dieser Qualen nicht mehr aushielten Ahnung ihrer Eigenperson in den Blick. und die tödliche Spritze setzten. Sie war ihren Zu Recht hat Hannah Arendt gefordert, daß männlichen SS-Ärztekollegen an Mitleid- wir "alle Räder und Rädchen im Getriebe" der losigkeit überlegen. Hier haben wir es nicht NS-Mordmaschinerie wieder in Täter und nur mit der "normalen" Karriere einer SS- Täterinnen, d.h. in reale Menschen Ärztin zu tun oder mit der individuellen zurückverwandeln müssen, damit sie sich Perversität einer Frau, die Macht über Leben nicht mit dem Argument der eigenen und Tod von Menschen auszuüben vermag. Machtlosigkeit aus der Verantwortung Die Täterschaft der Herta Oberhäuser ist herausstehlen können.(71) Nicht die Frage, Ausdruck der Akzeptanz ihrer Position in der wem die SS-Frau Herta Oberhäuser NS-Vernichtungslogik. gehorchte, sondern warum sie sich aktiv und Herta Oberhäuser, eine gebürtige Kölnerin, aus freien Stücken an der Vernichtung von arbeitete freiwillig an diesen mörderischen Menschen beteiligte,(72) warum sie ihre Frauenversuchen mit. Sie hatte von 1931 bis männlichen Kollegen bei der mitleidlosen 1933 in Bonn Medizin studiert und in Bonn Ausführung der Menschenexperimente noch über das Thema: "Zuckungs- und an Perfektion übertraf, ist entscheidend. Wulstschwelle des rectus abdominis des Barbara Rohr hat in ihrer Analyse der

14 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN "tötenden Krankenschwestern" in den KZs Somit kann ich hier nicht ein abschließendes und Tötungsanstalten die entscheidende Schlußwort finden. Wir haben uns mit dem Bedingung für deren Mittäterschaft in der "schrecklichsten aller schrecklichen Dinge" engen berufsmäßigen Verknüpfung mit den befaßt und sind dabei an die Grenzen des Taten der Täter gesehen: "Mittäterschaft Aussagbaren gestoßen. "Diese Überlegungen zeigte sich darin, daß die Schwestern müßten zum Schweigen führen," hat Georges ausführten, was Ärzte anordneten, ohne die Bataille einmal geschrieben, um fortzufahren: gesetzliche und moralische Rechtmäßigkeit "Und ich schreibe. Das ist keineswegs ihrer Anordnungen selber zu überprüfen... paradox."(76) Um das Schweigen auszu- Das Abtreten des eigenen Gewissens an jene, drücken, reicht, so müssen wir fortfahren, das die in einer hierarchisch aufgebauten Schweigen nicht aus. Einrichtung ein Herrschaftsamt ausüben, wird In diesem Sinne will ich mit einigen zur 'zweiten Natur'"(73) Ich würde hier eine Bemerkungen zu den drei Dimensionen der weitere Deutung vorschlagen. Herta weiblichen Täterschaft in NS-Deutschland Oberhäuser entsprach in ihren Handlungen einen vorläufigen Schluß suchen: der NS-Vernichtungslogik. Sie tat dies im 1.Die NS-Täterschaft der deutschen Frauen Gegensatz zu den Männern und Frauen, die stand in einer ideologischen Tradition, die zu diesen Handlungsweisen gezwungen von nicht nationalistischen und wurden, aus freien Stücken. Zu diesen nationalsozialis- tischen Frauen in Handlungs- weisen im Dienst der NS- Deutschland gleichermaßen vertreten wurde. Vernichtungspolitik bemerkte die Jüdin Sara Mit der Hilfe der traditionellen Frauen- und Nomberg-Przytyk, die in Auschwitz zur Geschlechteri- deologie wurde 1933 das Durchführung der Selektion an den jüdischen qualitativ Neue der NS-Politik der Häftlingen gezwungen wurde: "Ich zittere vor menschlichen "Ausmerze und Auslese" zum dieser Logik."(74) Herta Oberhäuser zitterte einen verschleiert; zugleich wur- den Frauen nicht vor einer Politik, die der NS-Logik der massenhaft für diese amoralische Politik der "Auslese und Ausmerze" folgte. Vernichtung gewonnen. Frauen, die die alte Im NS-System hatte die literarische Figur der Geschlechterideologie in den Dienst des NS- "femme fatale" aufgehört zu existieren.(75) Systems stellten, waren Täterinnen. Ich habe Anstattdessen betraten in aller Heimlichkeit hier von der ideolo- gischen Täterschaft der die realen, zum Töten bereiten deutschen deutschen Frauen gesprochen. Frauen in der Gefolgschaft der SS die 2.In NS-Deutschland wurden die politische Bühne - fern ab von der weiblichen traditionellen Räume eines gemeinsamen, Öffentlichkeit, die der NS-Staat im Sinne politischen Handelns nach den Normen der seiner Opferideologie zu beeinflussen suchte. Menschen- rechte - sei es im privaten, sei es An der Leugnung der eigenen Verantwortung im öffentlichen Raum - abgeschafft. Indem in der Person der Herta Oberhäuser zeigt sich, der NS-Staat den herkömmlichen Begriff wie die Rechnung der NS-Frauen- und von Politik aufhob und die deutsche Frau Geschlechterpolitik aufging. Die geschlechts- unter den der personalen Verantwortung spezifische Arbeitsteilung, in den Ver- enthobe- nen, irrationalen und mythischen nichtungsorten des NS-Systems auf die Begriff der "Hüterin der arischen Rasse" äußerste Spitze getrieben, erwies sich hier als subsumierte, hat er sowohl ideologisch als ein zuverlässiges Instrument der NS- auch real die Grenzen zwischen ihrem Herrschaftssicherung. öffentlichen und ihren privaten Tätigkeiten unkenntlich ge- macht. Damit schuf der NS- 6. Anstelle eines Schlußwortes Staat eine neue Basis für die Täterschaft der deutschen Fr- auen. In diesem vom NS- Ich habe meine Ausführungen mit dem System weitgehend beherrschten Raum haben Hinweis auf die schwierige Forschungslage deutsche Frauen weiterhin in eigener und die noch offenen historischen und Verantwortung gehandelt. Hier waren sie politisch-moralischen Fragen begonnen. auch die aktiven Täterinnen. Sie propagierten

15 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN und organisierten die NS-Vernichtungspolitik Faschismus, Bd. 1 und 2. Düsseldorf 1982, Rita und haben sie auch freiwillig durchgeführt. Thalman, Frausein im Dritten Reich, München 1984. 2 Johanna Beyer, Stichwort Nationalsozialismus, in: Um sich ihrer Verantwortung zu entziehen, Frauenlexikon 1983, hg. von Johanna Beyer, Birgit haben sich die NS-und SS-Täterinnen auf ihre Meyer, Franziska Lamott, München 1983, S. 203. Rolle als Frau im Sinne der traditionellen 3 Annette Kuhn, Vom schwierigen Umgang der Frauen- und Geschlechterideologie bezogen. Frauengeschichtsforschung mit dem Nazismus, in: Damit hat die traditionelle Argument 5, 1989, S. 733-740. 4 Als erste hat Dorothea Schmidt, Die peinlichen Geschlechterideologie ihre ver- brecherische Verwandtschaften - Frauen- forschung zum Täterschaft im Sinne der in- humanen, Nationalsozialismus, in: Gerstenberger, Heide, rassistischen NS-Politik wiederum verdeckt. Schmidt, Dorothea (Hg.), Normalität oder Diese geschlechterideologische Ver- Normalisierung, Münster 1987, S. 50-65, diese Ansicht schleierungen dürfen aber die Tatsache vertreten. 5 Adelheid von Saldern, Opfer oder (Mit-)Täterinnen? nicht verdecken, daß die weibliche Kontroversen über die Rolle der Frauen im NS-Staat, Mittäterschaft objektiv zu den konstitutiven in: Sozialwissenschaftliche Informationen, Heft 20, Bedingungen für die Stabilisierung des NS- 1991, S. 97-104. Systems und für die Durchführung der NS- 6 Diese Tendenz ist in dem Band: Lerke Gravenhorst, Vernichtungspolitik gehörte. Subjektiv ist Carmen Tatschmurat (Hg.), Töchter-Fragen, NS- Frauengeschichte, diese kriminelle Arbeit von deutschen Freiburg i. Br. 1990, bestimmend. Frauen aus freien Stücken und in eigener 7 Windaus-Walser, Gnade der weiblichen Geburt? Verantwortung durchgeführt worden. Zum Umgang der Frauenforschung mit 3.Angesichts der ungeklärten Forschungslage Nationalsozialismus und Antisemitismus, in: wird in der jüngsten NS-Täterinnenforschung Feministische Studien 6, 1988, S. 102-113. Eine Fortsetzung der Diskussion um diese These findet sich ein archimedischer Punkt "jenseits der Opfer- in: metis, Zeitschrift für historische Frauenforschung Täter und Täterinnen Problematik" und feministische Praxis, 1, 1992, S. 68-85. gesucht.(77) Das Festhalten am Opfer-Täter- 8 Gudrun Brockhaus, Opfer, Täterin, Mitbeteiligte. Zur Schema und die Diskussion um die Rolle der Frau im Aufrechterhaltung patriarchaler Feindbilder Nationalsozialismus, in: Lerke Gravenhorst, Carmen Tatschmurat (Hg.), Töchter-Fragen, NS- biete Frauen Schutz vor der Angst vor Frauengeschichte, Freiburg i.Br. 1990, S. 107-125. Autonomie, Subjektwerdung und der 9 Johanna Beyer, s. Anm. 2, S. 208. Übernahme von Verantwortung. Aus meinen 10 Dagmar Reese, Carola Sachse (Hg.), Überlegungen geht jedoch hervor, daß es zu Frauenforschung zum Nationalsozialismus. Eine früh ist, einen Standort jenseits der Opfer- Bilanz, in: Töchter-Fragen, a.a.O., S. 79-106 11 Sarah Kofman, Einleitung in: Die Philosophin, Täterinnen-Problematik zu beziehen. Ohne Forum für feministische Theorie und Philosophie, 2. die Wahrnehmung der Frauen als Täterinnen Jg. Heft 3, 1991, S. 5. gibt es weder eine Anerkennung der Opfer 12 Theresa Wobbe, Das Dilemma der Überlieferung. noch eine Verständigung mit ihnen. Auch die Zu politischen und theoretischen Kontexten von Täterinnen brauchen einen historischen Gedächtnis- konstruktionen über den Nationalsozialismus, in: Nach Osten. Verdeckte Erinnerungsraum. Spuren nationalsozialistischer Verbrechen, hg. v. Wir möchten alle lieber über die NS- Theresa Wobbe, a. M. 1992, S. 15 u. 35. Täterinnen und ihre Verbrechen schweigen. 13 Als erste hat Angelika Ebbinghaus (Hg.), Opfer und Angesichts der NS rassistischen Täterinnen. Frauenbiographien im Vernichtungspolitik, die sie unterstützten, ist Nationalsozialismus, Nördlingen 1987, die Täterinnenrolle der Fürsorgerinnen problematisiert. aber nicht nur Entsetzen, sondern auch Trauer 14 Hier ist vor allem die Arbeit von Gudrun Schwarz, angesagt. Die nationalsozialistischen Lager, Berlin 1990, über "Trauerarbeit kann nur geleistet werden, Frauen im SS-Apparat zu nennen. Dazu: Gudrun wenn wir wissen, wovon wir uns lösen Schwarz, Verdrängte Täterinnen. Frauen im Apparat müssen."(78) der SS (1939-1945), in: Nach Osten. Verdeckte Spuren nationalsozialistischer Verbrechen, hg. v. Theresa Wobbe, Frankfurt a.M. 1992, S. 197-228. 1 Zu den ersten in Deutschland erschienenen Arbeiten 15 Nienhaus, Ursula, Von der (Ohn-)Macht der sind zu zählen: Frauengruppe Faschismusforschung: Frauen. Postbeamtinnen 1933-1945, in Gravenhorst, s. Mutterkreuz und Arbeitsbuch, Frankfurt 1981; Annette Anm. 6, S. 193-210. Kuhn, Valentine Rothe (Hg.), Frauen im deutschen 16 Durch die Arbeit von Helga Schubart, Judasfrauen.

16 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN

Zehn Fallgeschichten weiblicher Denunziation im Staat im Hinblick auf die Produktion weiblicher "Dritten Reich", Frankfurt a.M. 1990, wurde das Ideologien erstaunlich "liberal" vorging. Während Wissen über das weibliche Denunziantentum in der eigenständig denkende Frauen aus ihren Ämtern NS-Zeit erstmalig popularisiert. Inzwischen wurde vertrieben wurden, konnten sie zum großen Teil weiter dieses Thema verschiedentlich aufgegriffen. S. Nicole publizieren. Zur NS-Geschlechterideologie s. Leila Gabriel, Die steinernen Münder und das Ohr des Rupp, Mobilizing Women for War. German and Tyrannen. Über Frauen und Denunziation, in: metis. American Propaganda, 1933-1945, Princeton, 1978. Zeitschrift für historische Frauenforschung und 29 Gabriele Czarnowski, Die Ehe als "Angriffspunkt feministische Praxis, 2. 93, S. 27-34. der Eugenik." Zur geschlechterpolitischen Bedeutung 17 Einen Ansatz zur Erforschung von Frauen, die in national- sozialistischer Ehepolitik, in: Rationale der Bürokratie der Verfolgung tätig waren, bildet der Beziehungen? Geschlechterverhältnisse im Aufsatz von Brigitte Scheiger, "Ich bitte um baldige Rationalisierungsprozeß, hg. v. Dagmar Reese u.a., Arisierung der Wohnung...". Zur Funktion von Frauen Frankfurt 1993, S. 251-269. im bürokratischen System der Verfolgung, in: Nach 30 Irene Stoehr, Organisierte Mütterlichkeit. Zur Osten, Hg. v. Theresa Wobbe, Frankfurt a.M. 1992, S. Politik der deutschen Frauenbewegung um 1900, in: 175-196. Karin Hausen (Hg.), Frauen suchen ihre Geschichte, 18 Inge Marßolek, Die Denunziantin. Die Geschichte München 1987. der Helene Schwärzel 1944-1947, Bremen [1993], S. 31 Ursula Nienhaus, Von der (Ohn-)Macht der Frauen, 131. Postbeamtinnen 1933-1945, in Gravenhorst, s. Anm. 6, 19 Gudrun Schwarz, s. Anm. 14, Verdrängte S. 194-195. Täterinnen, S. 202. 32 Annemarie Tröger, Die Frau im wesensgemäßen 20 Barbara Rohr, Die allmähliche Schärfung des Einsatz, in: Frauengruppe Faschismusforschung, s. weiblichen Blicks, Argument Verlag, Hamburg/Berlin Anm. 1, S. 256 ff. Die Verbindung von diesen beiden 1992, S. 271-272. Momenten der Modernisierung und der 21 Auf diese Problematik sind u.a. Leonore Siegele- geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung hat Annemarie Wenschkewitz und ich in unterschiedlicher Weise Tröger weiter entfaltet: S. 272: "Die atavistischen und eingegangen. S. Leonore Siegele-Wenschkewitz, irrationalen Züge des NS-Regimes stehen durchaus Frauenpraxis aus Liebe? Zur Diskussion mit Annette nicht im Gegensatz zu dem modernen Kuhn, in: metis, Zeitschrift für historische Wirtschaftssystem, sondern sie sind, wie ich an der Frauenforschung und feministische Praxis 2, 1993, S. Durchsetzung des Fließbandproletariats zu zeigen 62-66. versuchte, Grundlage der jüngsten und modernsten 22 Annemarie Tröger hat als erste darauf hingewiesen, Form der Arbeitsteilung." Weiterführend: Carola daß Historiker von links und rechts, Ernst Bloch Sachse, Das nationalsozialistische Mutterschutzgesetz. ebenso wie Joachim Fest, unterstellen, Frauen hätten Eine Strategie zur Rationalisierung des weiblichen 1933 durch ihr Wahlverhalten Hitler an die Macht Arbeitsvermögens im II. Weltkrieg, in: Rationale gebracht. Sie hat zur Korrektur dieser irrigen Beziehungen? Geschlechter- verhältnisse im Vorstellung beigetragen. Annemarie Tröger, Die Rationalisierungsprozeß, hg. von Dagmar Reese u.a., Dolchstoßlegende der Linken. Frauen haben Hitler an Frankfurt 1993, S. 270-294. die Macht gebracht, in: Frau und Wissenschaft. 33 Zygmunt Baumann, Moderne und Ambivalenz, Das Beiträge zur Berliner Sommeruniversität für Frauen, Ende der Eindeutigkeit, Hamburg 1992. Juli 1976, Berlin 1977, S. 324-355. 34 Hiltrud Schmidt-Waldherr, Emanzipation der 23 Über die Kontinuitäten zwischen der bürgerlichen Professionalisierung? Politische Strategien und und der NS-Frauen- und Geschlechterideologie ist viel Konflikte innerhalb der bürgerlichen Frauenbewegung geschrieben worden. Eine gute Einführung bietet: während der Weimarer Republik und die Reaktion des Christine Wittrock, Weiblichkeitsmythen. Das bürgerlichen Antifeminismus und des Frauenbild im Faschismus und seine Vorläufer in der Nationalsozialismus, Materials-Verlag 1987. Frauenbewegung der 20er Jahre, Frankfurt a.M. 1983 35 Nori Möding, "Das Denken der Privaten" und der und Dagmar Reese-Nübel, Kontinuitäten und Brüche "großen Politik". Zur Verarbeitung politischer in den Weiblichkeitskonstruktionen im Übergang von Erfahrungen in Lebensgeschichten älterer Frauen aus der Weimarer Republik zum Nationalsozialismus, in: dem Arbeitermilieu im Ruhrgebiet, in: Dialog. Hans-Uwe Otto u.a., Soziale Arbeit und Faschismus, Beiträge zur Friedensforschung, Band 13, Heft4/1988, Bielefeld 1986, S. 223-241. S. 77-104, hier S. 98. 24 Katalog der Ausstellung: Frauen im NS-Alltag in 36 "Ich ging meinen Weg - Erinnerungen bürgerlicher Bonn, Frauen Museum, Bonn 1992, S. 14. Frauenrechtlerinnen an das Jahr 1933", abgedruckt in: 25 Claudia Koonz, Mütter im Vaterland. Frauen im Schnittstellen und Schmerzgrenzen. Die "alte" und Dritten Reich, Freiburg i.Br. 1991, S. 163. "neue" Frauenbewegung im Nationalsozialismus, 26 Claudia Koonz, ebenda., S. 164. Ariadne Almanach des Archives der deutschen 27 Christoph Sachße, Florian Tennstedt, Der Frauenbewegung, Heft 18, Nov. 1990, S. 15 u. 20. Wohlfahrtsstaat im Nationalsozialismus. Geschichte 37 , An die deutsche Frau. Rede auf dem der Armenfürsorge in Deutschland Bd. 3, Stuttgart Parteitag zu Nürnberg, 1934. 1992, S. 188. 38 s. Anm. 37, darin: Rede von Gertrud Scholtz-Klink. 28 Hier wäre näher darauf einzugehen, daß der NS- 39 Daß die NS-Frauenideologie sich nicht auf die

17 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN biologische Funktion der Frau als Mutter reduziert, hat Rebellion zur Gen- und Reproduk- tionstechnologie, als erste Leila Rupp, Mobilizing Women for War. Tübingen 1990, S. 118. German and American Propaganda 1939-1945, 55 Dies. S. 119. Princeton 1978, herausgearbeitet. 56 In welchem Maße die Propaganda in den letzten 40 Godele von der Decken, Emanzipation auf Kriegsjahren ihr Ziel verfehlte wird bei: Ian Kershaw, Abwegen: Frauenkultur und Frauenliteratur im Hitlers Popularität. Mythos und Realität im Dritten Umkreis des Nationalsozialismus, Frankfurt 1988, hat Reich, in: Herrschaftsalltag im Dritten Reich, hg. v. diese Rede eingehend interpretiert. Hans Mommsen, Düsseldorf 1988, S. 24-53, und Ian Kershaw, Popular Opinion and Popular Dissent in the 41 Rede Walter Groß 1934, cit. nach Gisela Bock, Third Reich. Bavaria 1933-1945, Oxford 1983, S. 92, Zwangssterilisation im National- sozialismus, Opladen deutlich. 1986. 42 Gerburg Treusch-Dieter, Von der sexuellen 57 Die Sorge, daß eine Fixierung auf die Täter und Revolution zur Gen- und Reproduktionstechnologie, Täterinnen bzw. auf die Opfer den Blick für die Tübingen 1990, S. 114. Realität des NS-Systems trübt, halte ich für 43 Erst durch die Arbeiten von Gisela Bock ist deutlich unbegründet. In der Veröffentlichung von Nadine geworden, daß die antinatalistischen Maßnahmen des Hauer, Die Mitläufer. Oder die Unfähigkeit zu fragen. NS-Staates die pronatalistischen Maßnahmen Auswirkungen des Nationalsozialismus für die übertrafen. S. vor allem: Gisela Bock: Demokratie von heute, Opladen 1994, wird der Zwangssterilisation im Nationalsozialismus. Studien Eindruck vermittelt, daß Täter und Täterinnen sowie zur Rassenpolitik und Frauenpolitik, Opladen 1986, Opfer "spektakuläre Minderheiten" im Vergleich zu und dies.: Frauen und Ge- schlechterbeziehungen in den Mitläufern seien. (S. 162) In der NS-Zeit sind aus der national- sozialistischen Rassenpolitik, in: Nach Täterinnen Mitläuferinnen geworden. Auf diesen Osten. Verdeckte Spuren nationalsozialistischer wichtigen Zusammenhang konnte hier nicht Verbrechen. Hg. von Theresa Wobbe, Frankfurt a.M. eingegangen werden. 1992, S. 99-130. 58 Nori Möding, "Ich mußte irgendwo engagiert sein - 44 Cit. nach Claudia Koonz, Reaktionen katholischer fragen Sie mich bloß nicht warum". Überlegungen zu und protestantischer Frauen in Deutschland auf die Sozia- lisationserfahrungen von Mädchen in NS- nationalsozialistische Sterilisationspolitik 1933-1937, Organisationen, in: Lutz Niethammer, Alexander von in: Frauen und Faschismus in Europa, hg. von Leonore Plato (Hg.), "Wir kriegen jetzt andere Zeiten". Siegele-Wenschkewitz, Gerda Stuchlik, Pfaffenweiler Berlin/Bonn 1985, S. 256-304. 1990, S. 121 59 Claudia Koonz, 1988, S. 109. 45 Auf die vom System unbeabsichtigten 60 Andrea Böltken, s. Anm. 46, S. 109. Sozialisationserfahrungen von Mädchen im BDM und 61 Claudia Koonz, Das zweite Geschlecht im Dritten von organisierten NS-Frauen gehe ich hier nicht ein. S. Reich, in: Feministische Studien Jg. 4, 1986/2, S. 14- dazu Dagmar Reese, Straff, aber nicht stramm - herb, 33, S. 18f. aber nicht derb. Zur Vergesellschaftung von Mädchen 62 Cit. nach Gertrud Scholtz-Klink, Die Frau im durch den Bund Deutscher Mädel im sozialkulturellen Dritten Reich, Tübingen 1978, S. 482. Vergleich zweier Milieus. Weinheim/Basel 1989. 63 Einzelbiographien von NS-Führerinnen zeigen, daß 46 Ich stütze mich hier auf die Magisterarbeit von dieses Urteil differenziert werden muß. Auf diese Andrea Böltken, Führerinnen im NS-"Führerstaat", Differenzierungen muß ich hier verzichten. Gertrud Scholtz-Klink, Trude Mohr, Jutta Rüdiger und 64 Raul Hilberg, Die Vernichtung der europäischen Inge Viermetz, FU Berlin 1992, S. 48. Juden, Frankfurt a.M. 1990, S. 1080. 47 Jill Stephenson, The Nazi Organisation of Women, 65 Ursula Gersdorf, Frauen im Kriegsdienst 1914- London 1981, S. 202. 1945, Hg. Militärgeschichtliche Forschungsanstalt, 48 Michael Kater, Frauen in der NS-Bewegung, in: Stuttgart 1969, S. 49. Vierteljahresheft für Zeitgeschichte 31, Jg. 1983, (S. 66 Gudrun Schwarz, Verdrängte Täterinnen. Frauen im 202-241), S. 224. Apparat der SS (1939-1945), in: Nach Osten, s. Anm. 49 Jill Stephenson, Nationalsozialistischer 12, S. 222. Dienstgedanke, bürgerliche Frauen und 67 Cit. nach Gudrun Schwarz, ebenda, S. 218-219. Frauenorganisationen im Dritten Reich, in: GG, Jg. 7, 68 Schwarz, ebenda, S. 201. 1981, (S. 555-571), S. 558. 69 Ebbinghaus, s. Anm. 13, S. 259. 50 Rolf-Dieter Müller, Zur Situation der Frauen, in: 70 Ebbinghaus, S. 272. ders. u. Gerd Überschär, Deutschland am Abgrund, 71 Hannah Arendt, "Was heißt persönliche Zusammenbruch und Untergang des Dritten Reiches, Verantwortung unter einer Diktatur?, in: Nach Konstanz 1986, S. 65-78, S. 66. Auschwitz, Essays und Kommentare 1, hg. von Eike 51 Irmgard Weyrather, Muttertag und Mutterkreuz, Geisel und Klaus Bittermann, Berlin 1989, S. 82. Auf Der Kult um die 'deutsche Mutter' im diesen Zusammenhang macht Gudrun Schwarz a.a.O., Nationalsozialismus, Frankfurt S. 202-203, aufmerksam. a.M. 1933, S. 151. 72 Ich folge hier weitgehend den Überlegungen von 52 Cit. nach Irmgard Weyrather, a.a.O., S. 190. Gudrun Schwarz. 53 Cit. nach Irmgard Weyrather, a.a.O., S. 190. 73 Barbara Rohr, s. Anm. 20, S. 297. 54 Gerburg Treusch-Dieter, Von der sexuellen 74 Sara Nomberg-Przytyk, Auschwitz. True Tales

18 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN from a Grotesque Land, Chapel Hill/London 1985, S. vielmehr eigenständig reflektierte, oft ar- 79. beitsteilige Aufgaben wahrgenommen, die 75 Alexander und Margarete Mitscherlich, Die Unfähigkeit zu trauern. Grundlage des kollektiven eine entpolitisierte Einordnung nicht Verhaltens, München 1977, S. 82. erlauben. Wir wollen nicht bestreiten, daß der 76 Georges Bataille, Die Tränen des Eros, München, Widerstand der kommunistischen Frauen, wo 1993, S. 8. und wie auch immer er stattfand, sehr tapfer 77 Ina Paul-Horn, Faszination Nationalsozialismus? Zu war. Ob er auch immer sinnvoll und nicht einer politischen Theorie des Geschlechterverhältnisses, Pfaf- fenweiler 1993, S. unter Umständen eine Gefährdung für andere 144, s. auch S. 45ff. Widerstandskämpfer und -kämpferinnen war, 78 Gabriele Huster, Die Verdrängung der femme fatale muß jedoch gefragt werden. und ihrer Schwestern. Nachdenken über das Frauenbild Demgegenüber ist behauptet worden, der des Nationalsozialismus, aus: Inszenierung der Macht. iderstand von Sozialdemokratinnen habe Ästhetische Faszination im Faschismus, Kreuzberg 1987, S. 143-151. nicht oder nur bis 1935/36 stattgefunden und sich beschränkt auf Dienstleistungen für die Erhaltung der 'sozialdemokratischen Solidargemeinschaft'. Diese Kennzeichnung stimmt nur bedingt, wie die Todesliste DEUTSCHE GESCHICHTE sozialdemokratischer Widerstandskämpfer- Helga Grebing / Christl Wickert innen zeigt. Zudem steht die relative Abwertung der Widerstandshandlungen von Widerstandsarbeit von Frauen gegen Sozialdemokratinnen im Widerspruch zu der Aufwertung des alltäglichen Dissens von den Nationalsozialismus Frauen aller Schattierungen; denn beide Widerstandsarten sind weithin formengleich. Es ist in den letzten Jahren immer wieder Unterbewertet werden auch die zurecht beklagt worden, daß die Wider- Widerstandsleistungen politisch aktiver standsforschung in der Geschichtsschreibung Frauen aus dem linkssozialistischen Lager, zwar einen breiten Raum eingenommen hat, abgesehen vom Internationalen gemessen an der Ausgangssituation in den Sozialistischen Kampfbund. Das hat nicht nur 50er Jahren aber immer noch wenig bekannt politische Gründe, sondern zielt auch auf die ist über den Widerstand der Frauen. Frage der Bewertung von Frauenpolitik im Zumindest wird man zugeben müssen, daß Kontext der Politik der der Arbeiterbewegung eine Erforschung dieses Gegenstandes bisher nahestehenden oder aus ihr hervorgegangenen sehr einseitig und zu wenig systematisch Parteien: 'Linke', politisch organisierte und erfolgte, und der Forschungsertrag nirgendwo motivierte Frauen sind weit mehr als in angemessen zusammengefaßt wurde. anderen Zusammenhängen in ihren Im Vordergrund standen 1. der politische Widerstandshandlungen kaum zu Widerstand der Kommunistinnen, dessen unterscheiden von denen der Männer, da Erforschung in der DDR Priorität hatte, und ihnen - oftmals trotz aller Widerstände 2.der bürgerliche Widerstand des 20. Juli vonseiten ihrer männlichen Kollegen - eine 1944, der in den 50er Jahren Ausgangspunkt theoretische Idee von Gleichberechtigung der Widerstandsforschung in der Bundes- gemein war, die sie schon vor 1933 republik war. weitgehend zu praktizieren versucht hatten. Der Kreisauer Kreis, dessen Aktivitäten im Fast gar nichts wissen wir vom politisch- Attentat auf Hitler gipfelten, war ein motivierten Widerstand nicht organisierter, "Männerbund", aber die Ehefrauen waren gruppenungebundener, meist junger Frauen, Mitwisserinnen, die ihren Männern den die oft zeitgleich und im nachhinein als Rücken frei hielten. Es ist eine Legende, daß menschlich selbstverständliches Handeln und Frauen aus dem Männerumfeld des 20. Juli nicht als Widerstand begriffen, was sie getan 1944, meist adelig und kinderreich, nur die haben. Ist es z.B. nicht politisch, wenn Frauen Rolle der bekannten 'Frau an seiner Seite' (oder Männer) jüdische Nachbarn oder eingenommen hätten. Diese Frauen haben

19 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Bekannte versteckten, wohl wissend, daß dies gerichtet war oder doch eine entsprechende das Ziel der Nationalsozialisten, alle Juden zu Motivation dazu hatte, als Widerstand vernichten, torpedierte und sie bei bezeichnen und würde damit freilich implizit Entdeckung ihrer Hilfe selbst Gefahr liefen, - wiederum spiegelbildlich - den keineswegs zu Verfolgten zu werden? Wie ordnen wir die real ausweisbaren, absolut monolithischen Haltung einer Frau ein, die nicht bereit war, Charakter des Regimes behaupten. Vor allem sich - trotz Nürnberger Gesetzen - von ihrem würde man unter Widerstand dann auch jene Lebensgefährten zu trennen, nur weil er Jude aus dem Alltag resultierenden Verhaltens- war? Sie handelte zunächst rein menschlich, weisen fassen, die z.B. aus der widersetzte sich aber damit dem Bestreben Disziplinierung der Arbeitsverhältnisse, der Nationalsozialisten, alle Lebensbereiche generationsspezi- fischen oder in ihrem Sinne zu politisieren. alltagsbedingten Konflikten, Diese Überlegungen führen in die Diskussion Mangelsituationen und - im Krieg - durch die des Widerstandsbegriffs, die seit 30 Jahren Bedrohung des Lebens resultierten und mit wechselnder Intensität und regimeunabhängig wirkten. Außerdem gibt es genaubetrachtet ohne Konsens bis auf den nun einmal allgemein menschliche mentale heutigen Tag geführt wird. Inzwischen gibt es Verhaltensweisen oder/und eine lange Liste von Sekundärtugenden (auch: Un-tugenden), die differenzierendenKennzeichnungen, die eher sich unter unterschiedlichen politisch- alle Ausdruck der Verlegenheit sind, den gesellschaftlichen Verhältnissen Gegenstand 'Widerstand' nicht auf den durchzusetzen bestrebt sind. Die Frage stellt Begriff bringen zu können. Die Vielzahl der sich also: Ist und wie ist Widerstand Beschreibungsvarianten, die immer differen- gegenüber individueller Opposition, sozialem zierter ausfallen, suggeriert inzwischen, daß Protest, abweichendem individuellen und es massenhaft Widerstand oder widerstands- kollektiven Verhalten, Nörgelei, ähnliche Verhaltensweisen im deutschen systemimmanenter Disfunktionalität Volk zwischen 1933 und 1945 gegeben haben abzugrenzen, und lassen sich dabei muß:: nach dem Urteil der 50er Jahre über geschlechtsspezifische Unterschiede deutlich einen 'Widerstand ohne Volk' nun etwa machen? 'Widerstand des Volkes', so könnte man Wenn es gelänge, diese Unterschiede fragen. herauszufiltern, bliebe ungeklärt, ob die Die Begriffsnot findet ihre Widerspiegelung jeweiligen Begriffsmerkmale etwa nur im in der Einschätzung der NS-Diktatur, die Kontext der nationalsozialistischen Diktatur durch unterschiedliche Phasen innerhalb des Deutschen Reiches gelten oder gekennzeichnet war: bis 1936 Konsolidierung kompatibel sind mit Erscheinungen in den unter der vermeintlichen Bedrohung durch nicht-deutschen besetzten Ländern (hier sind Widerstandskräfte aus allen Lagern und deren Unterscheidungen zu treffen zwischen Auslöschung; 1936-1938 und mit etwas osteuropäischen, westeuropäischen und absinkender Tendenz bis 1941 ein erhöhter nordeuropäischen Ländern), ja, legt man Grad der Akzeptanz durch breite Kreise der einen auf die Herrschaftsformen Bevölkerung und Marginalisierung des eingegrenzten Totalitarismus-Begriff Widerstandshandelns; ab 1942 zunehmender zugrunde, auch für kommunistische Verlust der Massenloyalität, Verschärfung der Diktaturen. Terrorpraxis (bis zum Genozid), aber auch Nach der Kenntnis der bisherigen Diskussion Konsensbildung im bisher stark neigen wir der Auffassung zu, den segmentierten Feld des Widerstandes. Widerstandsbegriff hier in einem spezifischen Selbst diese Rahmenbedingungen machen engeren Sinne zu gebrauchen. Eine solche nicht automatisch klar, was unter Widerstand möglicherweise restriktiv wirkende zu fassen ist. Man könnte unter einem Entscheidung hängt mit der Geschichte der globalen Begriffsverständnis alles, was gegen Einordnung von Handlungen zusammen, die die jeweiligen Intentionen des Regimes gegen die Begrenzung individueller Freiheit

20 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN und menschlicher Würde durch Tyrannen Wertformen und Verhaltensweisen, die oder Diktaturen gerichtet waren und dabei 'innere Emigration', der Versuch der bewußt oder unbewußt von dem neuzeitlichen Identitätserhaltung im privaten Bereich. Den Toleranz- und Widerstandsdenken geleitet überwiegenden Teil des 'Kirchenkampfes', wurden. Mit dem folgenden Versuch der der nur sehr vereinzelt zum politischen Unterscheidung von Handlungen und Widerstand vorstieß, wird man hier verorten Haltungen von Frauen und Männern, die können; aber auch die Anstrengungen der einmal mehr und einmal weniger gegen das Sozialdemokraten, nach 1935/36 an die Stelle NS-Regime gerichtet waren, soll keine von regimegegnerischer Agitation auf die Hierarchisierung vorgenommen werden. Die Erhaltung des sozialdemokratischen Milieus Perspektive der NS-Verfolger wollen wir uns zu setzen. Unter Opposition aus nicht zu eigen machen, die nach und nach gesellschaftlicher Verweigerung kann man immer neue Handlungen zu Widerstand einordnen: sozialen Protest und Gegenwehr erklärten, die verfolgt werden mußten gegen einzelne Maßnahmen des Regimes, die (angefangen vom Heimtückegesetz über die vielen kleinen Formen riskanten zivilen Volksschädlingsverordnung bis zum Kriegs- Mutes, die der Wahrung individueller oder wirtschaftsverbrechen!). institutioneller Integrität galten, nonkonforme Verhaltensweisen, die aus der unter- Was ist Widerstand? schiedlichen Behandlung von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen (Frauen, Widerstand zielte - im von uns behandelten Jugendliche) resultierten und oft einen historischen Kontext - auf Herr- regimefeindlichen Hintergrund erhielten, die schaftsbegrenzung, war intentional bewußtes aber meist erst durch die Verfolgung zu Handeln oder Vorbereitung (auch ideell) Widerstand wurden. Bei der Gewichtung eines solchen Handelns. Denken und Handeln dieser Oppositionsformen ist zu bedenken, waren global und grundsätzlich gegen die daß angesichts der Gratifikationen, die das NS-Diktatur gerichtet und stellten dessen Regime zur Verfügung hielt, Identitäts- Wertsystem, Ideologie und Herrschaftspraxis irritationen über die Länge der Zeit der total in Frage. Denken und Handeln gingen nationalsozialistischen Diktatur nicht aus- über die Verteidigung von Gruppeninteressen bleiben konnten. hinaus und waren auf die Erhaltung oder Eine weitere Variante regime-desintegrativen Wiederherstellung von elementaren Verhaltens war die 'loyale Wider- Grundvoraussetzungen menschenwürdigen willigkeit'(eine Bezeichnung, die Lebens gerichtet. Widerstand in diesem Sinne Mallmann/Paul anstelle des konnte von organisierten Kollektiven, mißverständlichen Resistenzbegriffs von informellen Gruppen, aber auch nicht- Broszat benutzen), d.h. unangepaßtes organisierten Einzelnen getragen sein, konnte Verhalten auf der Basis erfolgreicher (Teil- Kommunisten, Sozialdemokraten, )Integration bei wachsender negativer Gewerkschafter, Militärs, höhere Beamte und Grundstimmung im Verlaufe des Krieges. Diplomaten unter ihnen allen gemeinsamen Hierzu gehörten die Leistungsverweigerung ethisch-humanitären Grundkonstanten ver- im Arbeitsleben oder gegenüber anderen einen. Zumutungen des Regimes ohne Von so verstandenem Widerstand ist politisierenden Effekt, die Selbstbehauptung Opposition (auch: Teilopposition)zu religiöser sozialmoralischer Milieus, die unterscheiden. Sie gibt es in zwei Varianten: partielle Verweigerung der vom Regime den 1. aus weltanschaulichem Dissenz und 2. aus 'Volksgenossen' aufgezwungenen gesellschaftlicher Verweigerung. Opposition Pflichtleistungen. im ersteren Sinne konnte bedeuten die Je nach Zeitfaktor und Rahmenbedingungen Erhaltung von Positionen des religiösen hat es Übergänge, sogar gleitende, vom Fundamentalismus, das Festhalten an Widerstand in die Opposition, aus der überkommenen religiös-weltanschaulichen Opposition in den Widerstand, aus der

21 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN 'loyalen Widerwilligkeit' in die Opposition, Person jeweils als Sozialist, Kommunist, ja, wohl auch aus der Opposition in die 'loyale Jude, Marxist etc. Widerstand geleistet hat Widerwilligkeit' gegeben. Besonders bei oder in der von uns verstandenen Opposition Frauen spielten soziales Umfeld im Alltag einzuordnen ist. Sicher lassen sich angesichts und Lebensumstände eine große Rolle, da sie der stark männerweltlich ausgerichteten meist mehr auf diese bezogen lebten als Strukturen in den Orga- nisationen und auch Männer. Waren sie nicht von vornherein angesichts `weiblicher Unterwerfung' in durch familiäre Umstände kritisch gegenüber Fortsetzung der langfristigen Unterbewertung dem neuen Regime eingestellt und lebten als der politischen Frauenarbeit unter Hausfrauen und Mütter, konnten sie erst die Sozialdemokraten, Kommunisten, aber vor Gefahren des Nationalsozialismus erkennen, allem in den Gewerkschaften durchhaltende wenn sie selbst oder ihre Angehörigen durch Defizite feststellen, die sogar noch von der eine der zahllosen Maßnahmen zur Historiographie weitertrans- portiert werden: Eingliederung in die "Volksgemeinschaft" Frauen waren, von ganz wenigen Ausnahmen negativ betroffen waren. abgesehen, bei den Leitungsfunktionen im Die Zuordnung von Juden in das hier Widerstand unterreprä- sentiert (nur in den vorgestellte Schema widerständiger und linkssozialis- tischen Gruppierungen besaßen oppositioneller Haltungen und Handlungen sie in der Emigration eine größere bereitet Schwierigkeiten. Aus dem Bedeutung), in den Gewerk- schaften kamen Antisemitismus resultierend waren sie die sie im aktiven Widerstand fast gar nicht vor; Hauptfeinde des Nationalsozialismus, Jude die Wahrnehmung der Rolle der Frauen im gleich Gegner der Volksgemeinschaft. Es galt Exil blieb lange Zeit auf die prominenten für Jüdinnen ebenso wie für Juden: Fielen sie Positionen fixiert, so daß einige auf - sei es wegen Heimtücke oder in Emigrantinnen-Gruppen nahezu unerforscht Arbeitskonflikten oder im Zusammenhang geblieben sind, wie z.B. die Frauen, die mit mit politisch widerständigen Aktionen -, ihren Männern oder Vätern nach 1933 in die mußten sie mit einer ungleich schärferen Sowjetunion flüchteten und dort in das Behandlung und Bestrafung rechnen als Räderwerk der Säuberungen gerieten nichtjüdische Beteiligte. Nur wenige Juden (Hermann Weber hat 1100 Personen als versuchten sich schon 1933 nach einer neuen Opfer deutscher Herkunft namhaft gemacht, Existenz im Ausland umzusehen. Die darunter 126 Frauen, wobei noch von einer Mehrheit zog sich ins Privatleben zurück, ihre erheblichen Dunkelziffer auszugehen ist). ganze Sorge galt der Zukunft ihrer Kinder; es Bei dem Versuch, den Frauenwiderstand im waren die Mütter und Ehefrauen, die trotz der hier verstandenen Sinne zu beschreiben, Behinderungen, die die über 400 Gesetze und lassen sich folgende Zuordnungen treffen: Verordnungen nach und nach mit sich 1.Illegale Parteiarbeit und Widerstands- brachten, möglichst viele aktionen von Kommunistinnen : Berta Karg, Unannehmlichkeiten vom Familienleben fern Helene Overlach, Berta Fuchs, Cilli zu halten versuchten. Hansmann etc; 2.Illegale Arbeit zur Aufrechterhaltung der Frauen im politischen Widerstand informellen Kontakte und zur Stärkung des Identitätsbewußtseins durch Sozialdemok- Frauen finden wir in allen ratinnen : Lore Agnes, Louise Schröder, Anna regimegegnerischen und -kritischen Nemitz, Johanna Tesch etc.; Bereichen, wobei man der politischen 3.Widerstandsarbeit von Linkssozialistinnen Qualität widerstehenden Alltagshandelns von in der Emigration und in Deutschland : Frauen gemäß ihren spezifischen Sozialistische Arbeiterpartei, Neu Verhaltensmöglichkeiten eine größere Beginnen, Internationaler Sozialistischer Beachtung einräumen muß, ohne dabei die Kampfbund; Kategorisierungen zu verwischen. Auch ist 4.Im äußerst begrenzten Umfange illegale eine genaue Zuordnung oft schwierig, ob eine Arbeit aus dem Exil von

22 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Gewerkschafterinnen (wie Martha Schliestedt hochgebildete, beruflich gut ausgebildete oder und Martha Saar), aber auch in durch die Arbeit in den politischen Verbindung mit anderen Widerstandskreisen Organisationen qualifizierte Frauen. Selten in Deutschland selbst (Elfriede Nebgen); findet man sie beschränkt auf die Frau- und 5.Unterstützung und Beteiligung durch Mutterrolle (das Dasein einer Pfarrersfrau Mitwissen am bürgerlich-militärischen muß in diesem Zusammenhang als ein Widerstand (20. Juli 1944): vor allem Marion durchaus professionelles betrachtet werden, Gräfin Yorck von Wartenberg, Freya Gräfin besonders dann, wenn sie ihren Mann vertrat, Moltke, Clarita von Trott zu Solz, Christine der als Soldat bei der Wehrmacht zu dienen von Dohnanyi, Marie-Agnes Gräfin Dohna hatte). und Marion Gräfin Dönhoff; Wenn wir akzeptieren, daß die Grenzen 6.Frauen in der Widerstandsarbeit durch zwischen Widerstand und Opposition aus Weitergabe militärischer Geheimnisse, z.B. religiösen Gründen und gesellschaftlicher im Rahmen der Roten Kapelle : Eva-Maria Verweigerung heraus fließend sind, können Buch, Hilde Coppi, Mildred Harnack, Greta wir auch die Formen von Widerstand und Kuckhoff, Libertas Schulze-Boysen, Joy Opposition teilweise zusammen betrachten. Weisenborn etc.; Sie werden deshalb ohne Gewichtung 7.Bürgerlicher studentischer Widerstand aufgelistet: Frauen arbeiteten als Kurierinnen, gegen die Kriegsverbrechen: die Weiße Rose Agentinnen, Zuträgerinnen und (Sophie Scholl); Verteilerinnen von Informationen und 8.Aktivitäten von Frauen aus religiösen Materialien, als Sekretärinnen, Leiterinnen Motiven: z.B. aus der Bekennenden Kirche, von Volksküchen, Wirtinnen von kleinen die die Grenzbereiche zwischen Cafés und Restaurants als Treffpunkten, Widerstand und Opposition berühren. Helferinnen in Kinderheimen, Besonders in den letzten Kriegsjahren Beschafferinnen von Quartieren, wendete sich der partielle Protest manchmal Krankenschwestern (im Spanischen grundsätzlich gegen den Staat. Dies gilt auch Bürgerkrieg), Journalistinnen, Reporterinnen, für Teile der katholischen Kirche, während Fallschirmagentinnen, Soldatinnen (der Roten sich die "vergessenen Opfer" des Armee), Nachrichten-, Geld- und Nationalsozialismus, die Zeugen Jehovas, nie Waffenbeschafferinnen, vor allem aber waren gegen den NS aktivierten, dafür um so sie tätig in den weiten Feldern der praktischen verbissener um den Erhalt ihrer Hilfe für die Verfolgten, insbesondere die Glaubensgemeinschaft "kämpften"; Juden. 9.Widerstand in den KZs: Hier ist noch sehr Letzteres läßt sich am deutlichsten am viel zu entschlüsseln, falls dies noch möglich Beispiel der Proteste in der Rosenstraße Ende ist, da die Überlieferungsarbeit z.B. für das Februar 1943 zeigen, einer einmaligen Aktion KZ Ravensbrück von der DDR- lautstarken Widerstandes von Frauen gegen Historiographie ziemlich systematisch die Verschleppung von Familienmitgliedern. vernachläßigt wurde; Vor dem Gestapo-Gefängnis Rosenstraße 2-4 10.Widerstand der rassisch Verfolgten: im in Berlin-Mitte demonstrierten nicht-jüdische Rahmen der Jüdischen Gemeinden bzw. für Ehefrauen teils mit ihren Kindern mehrere sie, (Beispiel: Dr. Else Behrend-Rosenfeld), Tage und Nächte für die Freilassung ihrer im aber auch als Einzelne( Beispiel: Inge Gebäude inhaftierten Männer und Väter, die Deutschkron); als jüdische Zwangsarbeiter in der 11.Widerstandsarbeit als partielle oder Rüstungsindustrie in Vernichtungslager systematische Rettung von Juden und transportiert werden sollten. Es waren Frauen Verfolgten. aller Schichten und unterschiedlicher Ermittelt man das soziale Profil der Frauen, politischer Einstellungen, manche gar eher die Widerstand geleistet haben, so wird man unpolitisch, die ihren Angehörigen das Leben als Kriterium feststellen können: Es handelte retteten. Sie machten einen entsprechend sich überwiegend um bürgerliche großen Eindruck auf die Nationalsozialisten,

23 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN die die Gefangenen frei ließen. Uns verzeichneten, war Ausdruck des Festhaltens beschäftigt noch heute die Frage, ob und wie der überwiegend weiblichen Teilnehmer an noch mehr Menschenleben durch derartige einem Rest Normalität. Die Pfarrer der Aktionen der Solidarität hätten gerettet Bekennenden Kirche waren bei ihrer Arbeit werden können. Die "stillen Helfer" im vor Ort auf die Unterstützung von Frauen Freundes- und Nachbarkreis, die Juden angewiesen, obwohl die Organisation der versteckten oder ihnen zur Flucht verhalfen, "Bruderräte" sie nicht für verantwortliche Menschen, die einem Fremdarbeiter halfen Positionen eingeplant hatte. Ohne die oder einem Flüchtling aus einem KZ eine Vikarinnen, die im Krieg sogar eigene Unterkunft gaben, sie störten mit ihrer Pfarrstellen übernahmen, die Pfarrfrauen, die Haltung und Handlungsweise die die Gemeinden ihrer als Soldaten eingesetzten Vernichtungsmaschine der Männer betreuten, Gemeindehelferinnen, Nationalsozialisten um der Menschlichkeit Sekretärinnen oder nur engagierte weibliche willen. Ziviler Mut gegenüber einer Gemeindemitglieder wäre die Bekennenden totalitären Diktatur hat eine 'politische' Kirche undenkbar gewesen. Qualität auch dann, so zeigt das Beispiel, Zeuginnen Jehovas waren den wenn er keineswegs um eines bestimmten Nationalsozialisten - fielen sie erst einmal bei politischen Zieles willen gezeigt wird. der Gestapo auf - ebenso gefährlich wie Kommunisten und Juden. Die bewußte Weltanschauliche Opposition - Ablehnung jeder weltlichen Ordnung machte Katholikinnen, Protestantinnen, sie zu Feinden der "Volksgemeinschaft", zu Zeuginnen Jehovas "Volksschädlingen". Erst nach den großen Verhaftungswellen ab 1936/37 hatten Frauen Zunächst hatte die Machtübernahme Hitlers führende Funktionen innerhalb der illegalen keinen Einschnitt im Alltag und im relgiösen Organisation übernommen, die sie auch Leben von Frauen bedeutet. Eine Brisanz konsequent wahrnahmen. Sie warben im erhält das Thema "Frauen und Kirche im Alltag unter den Nachbarn, organisierten Bet- Nationalsozialismus" jedoch in Bezug auf den und Bibelstunden in ihren Wohnungen und Katholizismus und den Protestantismus besorgten die Weitergabe von verbotenen dadurch, daß Kirchenführer die Materialien. Hieraus erklärt sich ein Frauenorganisationen als "Faustpfand" zu Frauenanteil von über 30 Prozent unter den nutzen suchten: Sie boten bei ihren wegen des Vorwurfs der Betätigung für die Verhandlungen den Regierungsvertretern eine Internationale Bibelforschervereinigung bei staatliche Einflußnahme auf die Frauen im der Gestapo registrierten Düsseldorfern und Tausch gegen die Erhaltung der Autonomie Essenern, in Hamburg waren sogar 50 der Kirche in anderen Bereichen an. Beide Prozent der verfolgten Zeugen Jehovas Kirchen, von einer obrigkeitsstaatlichen Frauen. Besonders wenn sie schulpflichtige Grundhaltung geprägt, hatten zunächst die im Kinder zu versorgen hatten, ließ die Gestapo Deutschen Reich verbreitete Begeisterung für Frauen nach dem ersten Verhör gleich wieder die neu gebildete Regierung mitgetragen. frei. Seit 1936 versuchte man Eltern, die Allen an die entsprechenden Gemeinden Zeugen Jehovas waren, das Sorgerecht für gebundenen Frauen ist der Rückhalt ihre Kinder zu entziehen, um der gemeinsam, der besonders im Krieg wichtig "Entfremdung" der Kinder von "einer wahren war - als Bombenangriffe und Sorgen um die Volksgemeinschaft" vorzubeugen, die Angehörigen mehr und mehr den Alltag "schwere Gewissens- konflikte" mit sich bestimmten -, obwohl öffentliches kirchliches brächte. Damit wurde der Weg frei, daß bei Leben fast ganz unmöglich geworden war. nächster Auffälligkeit der Mütter keine Der Zulauf, den katholische Veranstaltungen Rücksicht mehr bei der Verfolgung wie Wallfahrten nach Kevelaer oder notwendig war. Selbst den stärksten Fronleichnamsfeiern trotz Behinderungen und Repressalien der Gestapo wichen erstaunlich Verboten gerade im Krieg noch viele Frauen nicht aus, wenn ihnen die

24 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Freiheit angeboten wurde gegen ihren Austritt seine Gruppierungen für sie relevant sein aus der Sekte. sollten. Das Festhalten an den Grundsätzen ihrer Das Abhören ausländischer Sender wurde im religiösen Gemeinschaften hat den Krieg sogar mit der Androhung der Nationalsozialismus nicht in Frage gestellt. Todesstrafe verfolgt, denn es unterlief die Es erschien jedoch im Einzelfall den Informationspropaganda des Nationalsozial- Behörden so bedrohlich, daß Frauen (ebenso ismus und kann seine Ursache in wie Männer) ins KZ eingewiesen wurden. Die widerständig motiviertem Handeln, sogar Zunahme und augenscheinlich im Einzelfall politisch motiviertem, haben, wenngleich dies schärfere Verfolgung von Frauen zu auch nicht zwingend, sondern reiner Neugier Kriegszeiten, die offizielle Kirchengeschichte geschuldet gewesen sein kann. Der spricht im Gegensatz dazu von einer Frauenanteil war hierbei höher als bei "Schonzeit" für die beiden großen Kirchen, konkreten politischen Vorwürfen, aber auch könnte besonders in kirchlich geprägten niedriger als im Bereich von Regionen wie im katholischen Rheinland oder weltanschaulichem Dissenz. Vergehen gegen in Hochburgen der Bekennenden Kirche im die Rundfunkverordnung ebenso wie gegen Ruhrgebiet oder in Berlin durch eine das Heimtückegesetz vom 20. Dezember Nervosität einzelner Gestapovertreter 1934 wurden von den Nationalsozialisten als aufgrund der Stimmung in der Bevölkerung Widerstand angesehen, verfolgt und bedingt sein. entsprechend geahndet. Nach normalen Maßstäben waren sie noch nicht einmal Akte Gesellschaftliche Verweigerung zivilen Ungehorsams, in den meisten Fällen nur Alltagsbanalitäten, "harmlose individuelle Über ihre Familienaufgaben hatten Frauen regimekritische Äußerungen" , die sich einen Einfluß auf die Kinder und vielfach spontan ergaben. Frauen machten Jugendlichen, den die Nationalsozialisten ihrem Ärger über wirtschaftliche und soziale durch ihre Jugendorganisationen (HJ, Probleme, über die Unsinnigkeit der NS- Jungmädelbund und BDM) einzudämmen Propaganda, den Bombenkrieg und die suchten. Es gelang immer wieder jungen Absurditäten der Kriegsberichterstattung Menschen, sich dieser dritten Luft. Denn sie waren es, die die Last des Erziehungsinstanz neben Elternhaus und Alltags zu tragen hatten; sie mußten ihre Schule zu entziehen. Entstanden aus dem teilweise lange arbeitslosen Männer mit Bestreben nach Autonomie und 'Freizeit' , 'durchbringen', mit viel zu wenig Geld ihre gründeten sich in Großstädten wie Hamburg Kinder ernähren, infolge der Bombenangriffe Swing-Gruppen, im Rheinland die unter beengten Verhältnissen wohnen, hatten Edelweißpiraten, junge Katholiken trafen sich Angst um ihre Männer, Söhne, Brüder an der weiterhin in Pfarrgemeindegruppen, ehemals Front . Wer nicht meckerte, konnte solche in der Naturfreundejugend Organisierte trafen Situationen kaum aushalten. Heimtücke war sich weiterhin zu Ausflügen. Davon müssen ein Delikt "kleiner Leute", was nicht so sehr die Mütter meist gewußt haben, auch wenn auf den vielleicht größeren Unmut von sie dies in Gestapoverhören verneinten. Unterschichtfrauen und -männern schließen Auffallend ist: Auch wenn die Teilnahme von läßt, als vielmehr ein Licht auf die Mädchen im hohem Maße deutlich und der Denunzianten wirft, die aus eben dieser Gestapo bekannt wurde, finden wir heute zum Schicht kamen. Zu 50 Prozent waren es Beispiel im Bereich der Gestapo(leit)stelle Frauen, die Frauen anzeigten. Die Mehrheit Düsseldorf wenig Zeugnisse der Verfolgung der Denunzianten stammten zudem aus der von Mädchen. Oft gelang es ihnen, ihre Nachbarschaft, aus dem Freundes- und Teilnahme als zufällig, von einem Jungen Kollegenkreis, so daß die Vermutung nahe überredet darzustellen. Sie spielten die liegt, daß mit Hilfe einer Anzeige Harmlosen und Unschuldigen, obwohl sie aus zwischenmenschliche Konflikte und der Schule wissen mußten, daß der BDM und Racheakte ausgetragen wurden.

25 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Unter "Opposition" sammelte die Gestapo Unterschichten stammenden Frauen waren alle möglichen Vorfälle und Meldungen, die jedoch den Methoden der Gestapo unterlegen. mit den unzähligen Verordnungen, welche Als ein Beispiel für das, was Mallmann/Paul keine Privatperson alle kennen konnte, unter loyaler Widerwilligkeit verstehen, irgendwie kollidierten. Meist handelte es sich möchten wir Arbeitskonflikte von Frauen um einen Verdacht, der nicht bestätigt wurde. anführen. Es hatte seit 1933 trotz der Heim- Häuften sich Verdachtsmomente einer und Herd-Ideologie der Nationalsozialisten bestimmten Richtung, schlug sich dies in den keine gravierende Veränderung des monatlichen Stimmungsberichten an das Frauenanteils im Erwerbsbereich gegeben. Geheime Staatspolizeiamt in Berlin nieder. Mit der Verkündung des ersten Während des Krieges richtete sich das "Vierjahresplans" 1936 war ein höherer besondere Augenmerk auf die Stimmung der Arbeitskräftebedarf entstanden, der zu dem Frauen, die als Mütter und Arbeiterinnen in Versuch führte, Frauen verstärkt ins kriegsrelevanten Produktionen einer Erwerbsleben zu integrieren. Ab Ende 1939 doppelten Belastung ausgesetzt waren. Die wurden alle Frauen aufgerufen, in der angezeigte bzw. denunzierte Person war, auch Kriegswirtschaft "ihren Mann" zu stehen, wenn sie vielleicht erst gar nicht verhört jedoch waren in der Realität von den wurde, schon einmal aktenkundig. Die Zumutungen der schweren Arbeit per meisten Vorwürfe mündeten in Vergehen Dienstpflicht nur diejenigen betroffen, die wegen Heimtücke oder - wenn auch weit schon vor dem Krieg aufgrund des niedrigen weniger - wegen Abhörens ausländischer Familieneinkommens erwerbstätig und somit Sender, "Feindsender" genannt. von den Arbeitsämtern mittels Vorwürfe der Rassenschande oder Arbeitsbüchern erfaßt worden waren. Unmut Arbeitskonflikte nahmen im Krieg an von Frauen gegen die Anforderungen am Bedeutung zu. In Betrieben wie z.B. Krupp in Arbeitsplatz verwundert nicht, denn ihr Essen, wo die Rüstungsproduktion von Arbeitstag war per Verordnung auf 10 Dienstverpflichteten, Fremdarbeitern und Stunden ausgedehnt worden bei einem Drittel Kriegsgefangenen aufrecht erhalten wurde, bis zur Hälfte vergleichbarer Männerlöhne. achtete die Betriebsleitung streng auf die Mit Kriegsbeginn war bis Dezember 1939 Trennung dieser drei Arbeitergruppen. Doch sogar das Nachtarbeitsverbot aufgehoben mußte der Werkschutz immer wieder dem worden. Frauen zogen ihre Familienpflichten Reichstreuhänder der Arbeit von Kontakten den Anforderungen des Arbeitseinsatzes vor. Bericht erstatten; meist handelte es sich um Sie klagten über die schwere und monotone Hilfeleistungen (Weitergabe von Butterbroten Arbeit und unterstrichen dies in mindestens an Fremdarbeiter und Kriegsgefangene), aber 45 Prozent der Fälle mit dem Hinweis auf auch um Liebesbeziehungen oder rein Unterleibs- und Monatsbeschwerden. Die sexuelle Kontakte zwischen Deutschen und Gestapo beließ es in der Regel bei Fremdarbeitern oder Kriegsgefangenen, die Verwarnungen, im Wiederholungsfall wurden unter das Rassenschandegesetz fielen. Der die Frauen für ein oder zwei Monate in ein Frauenanteil war überdurchschnittlich hoch, Arbeitserziehungslager eingewiesen. Fremd- jedoch kann von einem typischen arbeiterinnen, die meist Ostarbeiterinnen Frauendelikt nicht gesprochen werden. waren, kamen nicht derart glimpflich davon, Bestätigte sich der Verdacht einer außerdem konnten sie keine Rassenschande bei einer deutschen Frau, Familienpflichten als Erklärung für ihr gingen die Gestapobeamten in ihren Verhören 'Fehlverhalten' angeben. Jüdinnen kamen in alle Details sexueller Praktiken, vermutlich sofort in ein Konzen- trationslager. um eine Bestätigung anormaler Sexualität Unter welchen Prämissen ist nun der "rassisch Minderwertiger" zu erhalten. Genau Widerstand in den Lagern zu sehen? Nur in dies konnte den Widerstand der den Lagern - in den Konzentrationslagern, Beschuldigten herausfordern, weil in ihrem Arbeitserziehungslagern, Ostarbeiterlagern Intimleben gewühlt wurde; die meist aus und Vernichtungslagern - erreichten die

26 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN Nationalsozialisten ihr Ziel der absoluten Nische, die ihnen wichtiger war als die Gewalt über Menschen. Hier, so Hannah Unterstützung der Kriegsproduktion für den Arendt, wurde wie im "Laboratorium ... Endsieg. experimentiert ..., ob der fundamentale Anspruch der totalitären Systeme, daß Fazit Menschen total beherrschbar sind, zutreffend ist. Hier handelt es sich darum, festzustellen, Die Stärke des politischen Widerstandes was überhaupt möglich ist, und den Beweis nahm mit der Konsolidierung des Systems ab, dafür zu erbringen, daß schlechthin alles er war zunehmend mehr auf Frauen möglich ist". Die SS probierte alle ihr zur angewiesen, nachdem führend tätige Männer Verfügung stehenden Methoden der sich schon in Haft und Schutzhaft befanden Destabilisierung der Persönlichkeit aus, die oder ins Exil gegangen waren. Im Krieg hätte die Gestapo nur in begrenztem Maße bei der politische Widerstand ohne Frauen noch ihren Verhören ebenfalls verwenden konnte. weniger ausrichten können als dies ohnehin Handlungen, die den Alltag der Häftlinge schon der Fall war: Die Rote Kappelle, die erleichterten und ihnen womöglich das Gruppe Baum oder die Knöchel-Organisation Überleben in der Hölle ermöglichten, sind Beispiele für einen Frauenanteil von durchkreuzten die lebensvernichtenden Ziele mehr als einem Drittel der Beteiligten und der Nationalsozialisten, sie konnten jedoch Verfolgten. Insgesamt bewegt sich der nicht den Sturz oder die Überwindung des Frauenanteil unter den politisch Verfolgten nationalsozialistischen Herrschaftssystems nur zwischen fünf und zehn Prozent. zum Ziel haben. Hier in der entrechteten Der weltanschauliche Dissens blieb nach dem Situation der Unmenschlichkeit waren Erwachen Einzelner von ihren Illussionen Selbstbehauptung, Sicherung der über das neue Regime relativ konstant, der Überlebenschancen und die gegenseitige Anteil von Frauen unter den Verfolgten Hilfe der Häftlinge bei der Verarbeitung des bewegte sich hier zwischen 20 und 25 Schocks des Lagerlebens von zentraler Prozent. Bedeutung. Vielfalt und Umfang von Alltagsdissens Gesellschaftliche Verweigerung wurde von nahmen mit zunehmenden Druck auf alle den Nationalsozialisten als Bedrohung Schichten und Institutionen der Gesellschaft verstanden und als Widerstand verfolgt. Das zu und erreichten im Krieg gar einen System in Frage gestellt hat sie nicht, aber Höchststand. Insgesamt lag der Frauenanteil gerade das Verhalten von Frauen machte zwischen 15 und 22 Prozent. 1938, im deutlich, wo die Grenzen der Vorfeld des Krieges, stieg er sprunghaft an Durchsetzbarkeit der Volksgemeinschafts- und machte im Krieg mit fast 50 Prozent den Ideologie lagen, nach der alle Bereiche größten Teil von Anklagen gegen Frauen aus. menschlichen Lebens politisiert werden Während Vergehen etwa gegen das sollten. Da Frauen die Verantwortung für ihre Heimtückgesetz bei Männern üblicherweise Familien trugen, waren sie von den am Arbeitsplatz oder in der Eckkneipe zunehmenden Schwierigkeiten, die sich aus registriert und angezeigt wurden, wurden den sich widersprechenden Anforderungen Frauen auf Grund von Äußerungen in der des Nationalsozialismus und aus den kriegs- Wohnung, auf dem Hausflur, während der bedingten Veränderungen im Alltag ergaben, Fahrt zum Arbeitsplatz im vertraulichen in besonderer Weise betroffen. Zur Zweiergespräch angezeigt und verfolgt. Abwendung vom Regime hat es nicht geführt. Ein nur auf den politischen Widerstand Aber auch in der NS-Volksgemeinschaft gab konzentrierter Blick übersieht die es Nischen, in die sich die Menschen spezifischen, nur Frauen möglichen, das NS- zurückzogen. Trotz Arbeitsbuch und Regime erheblich destruierenden Arbeitspflicht gelang es Frauen, sich zu Verweigerungs- formen; denn Frauen verweigern, wenn Familienpflichten es handeln, so die Argumentation, eher aus den erforderten. Die Familie war eine solche Bedingungen des Alltags heraus. Wenn dies

27 ANALYSEN w MEINUNGEN w DEBATTEN so ist, dann dürfen wir zum Beispiel das Lexikon des deutschen Widerstandes, Verhalten von sozialdemokratischen Frauen, Fischer-Verlag, Frankfurt am Main 1994. die gleich sozialdemokratischen Männern die aktive Widerstandsarbeit aufgaben, nicht als Die Autorinnen 'Rückzug in die Familie' zu deuten. Vielmehr war dies in der nach 1935/36 gegebenen Helga Grebing, Prof. Dr. phil., Professorin für Situation kein Rückzug im Sinne einer vergleichende Geschichte der internationalen Reduktion der gegensätzlichen Einstellung Arbeiterbewegung. Leiterin des Instituts zur zum Nationalsozialismus, sondern Arbeit an Erforschung der europäischen der Erhaltung identitärer Strukturen der Arbeiterbewegung der Ruhr-Universität 'sozialdemokratischen Solidargemeinschaft' Bochum. im halben Untergrund. Annette Kuhn, Prof. Dr. phil., Professorin für Die Annahme von Frauenspezifik im Geschichte und ihre Didaktik und politische Widerstand und in der Opposition birgt die Bildung, Lehrgebiet Frauengeschichte an der Gefahr in sich, Frauen auf Sonderrollen zu Rheinischen Friedrich-Wilhelms- Universität fixierenund ihre zumindest dem Anspruch Bonn. nach gleichberechtigte Beteiligung an Christl Wickert, Dr. disc. pol., Aktivitäten gegen das NS-Regime zu Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut mißachten. Für die am Widerstand beteiligten für Geschichtswissenschaft der Technischen Frauen stellte sich die Frage nicht, ob ihre Universität Berlin. Tätigkeiten subaltern, d.h. von Männern in Schiebel, M. (1992): Biographische führenden Positionen bestimmt waren. Wenn Selbstdarstellungen rechtsextremer und Aktionen gegen den NS erklärt werden, ehemals rechtsextremer Jugendlicher. geschieht dies meist in der Tradition der Psycho- sozial 15. Jg. (Nr.51), S. 66-77. europäischen Freiheitsbewegungen in ihrem Simenauer, E. (1978): Doppelhelix. Einige Kampf gegen illegitime Herrschaft. Ihre Determinanten der Fortdauer des Nazismus. Vorstellungen von Freiheit, Würde und In: Ders.: Wanderungen zwischen den Gleichheit der Menschen waren verbunden Kontinenten. Gesammelte Schriften zur mit dem Anspruch, als Frauen und Männer Psychoanalyse. Band 2, S. 463-476. Stuttgart gleichwertig zu sein und in diesem Sinn (frommann-holzboog) 1993. gleichermaßen Nützliches zu tun. Willems H.(1993): Fremdenfeindliche Gewalt. Einstellungen, Täter, Lektüre zum Weiterlesen: Konflikteskalationen. Opladen (Leske u. Budrich), S. 208f. - Helga Grebing/Christl Wickert (Hrsg.): Das 'andere Deutschland' im Widerstand gegen * * * * * * den Nationalsozialismus. Beiträge zur politischen Überwindung der nationalsozialistischen Diktatur im Exil und im Deutschen Reich, Klartext-Verlag, Essen 1994. - Christl Wickert (Hrsg.): Frauen gegen die braune Diktatur - Verfolgung und Widerstand Eine Schriftenreihe der im nationalsozialistischen Deutschland, Hessischen Landeszentrale Edition Hentrich, Berlin (hierin Beiträge für politische Bildung über: Katholikinnen, Jüdinnen, Zeuginnen Jehovas, Kommunistinnen, Frauen im ISK, Frauen in der Roten Kapelle, Exilantinnen, Zwangs- und Fremdarbeiterinnen, Jüdinnen in Osteuropa), 1994. - Wolfgang Benz/Walter H. Pehle (Hg.),

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