Weltkunst (World Art), No. 30, May 2016 WELTKUNST SAMMLERSEMINAR SAMMLER SEMINAR Nº 30

Japanische Fotografie

Die japanischeD Fotografie sorgte 2008 in für eine Menge Aufsehen. Bis auf die Rue de Rivoli standen die Menschen an, um im Car- rousel du Louvre Bilder anzuschauen, die sie noch nie gesehen hatten. Paris Photo, die weltweit wichtigste Messe für Fotografie, hatte Japan als Ehrengast eingeladen. Das Spektrum reichte von den klassischen Groß- meistern bis zu jungen zeitgenössischen Künstlern. Einen derartigen Überblick über die japanische Fotografie hatte es bis dahin im Westen noch nicht gegeben. Und mehr noch: Erstmals fand ein persönlicher Aus- tausch statt, traten japanische Fotografen, Kuratoren und Händler mit der westlichen Szene in direkten Dialog. Das Publikum in

Bild: Kikuji Kawada/Courtesy of PGI Paris reagierte enthusiastisch, und die ganze Messe bebte vor Aufregung.

Bild: Mika Ninagawa, courtesy |PRISKA PASQUER, Köln Bis zum Ende der Neunzigerjahre war die japanische Fotografie im Westen nahezu unbekannt. Dabei hatte es bereits gelegentli- che Ausstellungen gegeben, wie 1974 die le- gendäre Schau »New Japanese Photography« im New Yorker Museum of Modern Art zeig- te oder 1977 »Neue Fotografie aus Japan« im auf dem Kunstmarkt extrem rar und waren Kulturhaus Graz. Seit Ende der Neunziger bislang auch nur selten im Westen zu sehen. organisierten verschiedene amerikanische Dass japanische Fotografie im Westen Häuser wegweisende Ausstellungen, die zum lange kaum beachtet wurde, lag nicht nur an Teil auch durch Europa tourten. Doch erst der fehlenden Kenntnis – es mangelte auch mit der Paris Photo 2008 geriet diese Foto- an einem grundlegenden Verständnis für die kunst aus dem Fernen Osten mit einem spezielle Ästhetik und Bildsprache, die sich Schlag in einen breiteren Fokus – auch als fundamental von dem bis dahin in Europa Sammelgebiet. und den USA gültigen Kanon unterscheidet. Dabei konzentriert sich das Interesse Während es in der westlichen Lichtbildnerei vor allem auf die Zeit von den Sechzigerjah- darum ging, die Welt zu erklären, versuchten Mika Ninagawa ist ein Star der japanischen ren bis in die Gegenwart. Und das mit gutem die japanischen Fotografen, die Flüchtigkeit Erst vor einem Jahrzehnt haben westliche Sammler die japanische »Girly Photography«. Sie reflektiert in pop­ Grund: Die einzigartige und außergewöhn- von Erfahrungen abzubilden, ohne dabei in Nachkriegsfotografie für sich entdeckt. Deren Ästhetik, mal rau und grobkörnig, pigen Hochglanzbildern das Lebensgefühl liche Bildsprache der japanischen Fotografie der jungen Großstädterinnen: »Princess irgendeiner Form werten zu wollen. Ge- mal girlie und kitschbunt, ist oft noch immer faszinierend fremd entwickelte sich erst seit den späten Fünfzi- Chiaki Kuriyama« von 2004 kostet bei Priska wöhnt an die Bildsprache der Neuen Sach- gern. Zwar entstanden unter dem Einfluss Pasquer 6800 Euro. Li. Seite: Kikuji Kawada lichkeit, an den genauen, dokumentarischen des Piktoralismus und der »Neuen Fotogra- zeigte Japans verknitterte Flagge als ein Stil der Becher-Schule und der amerikani- VON FERDINAND BRÜGGEMANN fie« aus Deutschland bereits in der ersten Sinnbild für die Befindlichkeit der Nation, schen New Topographics, konnten selbst Hälfte des 20. Jahrhunderts in Japan bemer- aus der Serie »The Map«, 1962, angeboten Fachleute mit dieser völlig andersartigen Äs- kenswerte Werke, jedoch sind diese Arbeiten von PGI in Tokio thetik zunächst nichts anfangen. »Die japa-

58 59 SAMMLERSEMINAR SAMMLERSEMINAR nische Fotografie ist zu unpräzise«, urteilte Zentrale Themen waren damals die Folgen noch im Jahr 2004 ein angesehener Foto­ der Atombombenabwürfe von 1945, die Ent- kurator. Allein der Aktfotograf Nobuyoshi wicklung der großstädtischen Gesellschaft Araki und Hiroshi Sugimoto mit seinen See- mit einer neuen Klasse von Angestellten so- stücken wurden als Einzelpositionen wahr- wie der Zusammenprall der Kultur der ame- genommen. rikanischen Besatzer mit der japanischen Inzwischen beginnt sich die japanische Tradition. Auch die neu entstandene Jugend- Fotografie jedoch nachhaltig im internatio- kultur, die Suche nach neuen Formen der Se- nalen Kunstbetrieb zu etablieren. Es gibt im- xualität und nicht zuletzt die gewaltsamen mer mehr Ausstellungen in Museen und Ga- Studentenruhen wurden von den Fotografen lerien auf beiden Seiten des Atlantiks. Und thematisiert. zunehmend begeistern sich die Sammler. Die Schlüsselpersönlichkeit der Nach- Denn die japanische Fotografie eröffnet ei- kriegsfotografie Japans ist zweifelsohne Sho- nen spannenden, bislang weitgehend unbe- mei Tomatsu (1930–2012). Wie kein anderer kannten visuellen Kosmos. Mit ein wenig Fotograf prägte er thematisch wie stilistisch Spürsinn und Entdeckerfreude kann der die nachfolgende Generation. Bekannt wur- Sammler Bildwelten entdecken, die bei uns de er durch seine Serien über Hiroshima und vor wenigen Jahren noch weitestgehend un- Nagasaki. Überzeugt davon, dass »Fotografie zugänglich waren und bislang nur ansatzwei- nicht dokumentieren kann«, sondern dass es se im Kanon der Fotografie präsent sind. dem Fotografen allenfalls gelingen kann, Ken Kitano hat 30 Geishas übereinander Entsprechungen zu bestimmten Themen zu Neue Erzählformen belichtet und daraus eine surreale Tiefe finden, fotografierte Tomatsu die Städte Die Sechzigerjahre waren eine der produk- gewonnen. Das ausverkaufte Foto von zehn Jahre nach den Atombombenabwürfen. tivsten Epochen der japanischen Fotografie. 2003 kostete in der Rosegallery zwischen So versuchte er, die erlebten Schrecken in Vor dem Hintergrund einer sich rasant ver- 2500 und 5000 Dollar. Hiroshi Sugimoto ist den Spuren an Menschen, Bauwerken oder ändernden Gesellschaft entwickelten sich der teuerste Fotokünstler Japans. Die Gegenständen zu erfassen. Meeresansicht, 2003 an der britischen Ka­ neue Erzählformen und radikale Bildstile. In den Sixties standen viele Fotografen nalküste aufgenommen (u.), erzielte 1994 Etliche Hauptwerke entstanden in dieser in intensivem Austausch mit der japanischen bei Christie’s London mit Aufgeld 524 000 Zeit. Während Japans Fotografen in den Pfund. Re.: »Recruit« von Tomoko Sawada, Avantgarde: mit Tänzern, Schriftstellern, Fünfzigern bestrebt waren, den Wiederauf- 2006, besteht aus 100 Miniporträts, Theaterleuten und Designern. Insbesondere bau des Landes mit möglichst objektiven Bil- 18 000 bis 20 000 Dollar bei Rosegallery Eikoh Hosoe arbeitete für seine Bildserien dern zu dokumentieren, nahmen sie in den mit Butohtänzern, dem Schriftsteller Yukio Sechzigern eine persönliche, kommentieren- Mishima oder dem Designer Yokoo Tadanori de Haltung ein. Sie beschrieben nicht nur zusammen. Auch Issei Suda begann seine das auf den Straßen offensichtlich Sichtbare, Karriere als Bühnen- und Dokumentarfoto- sondern thematisierten auch die Träume, graf einer avantgardistischen Theatergruppe. Ängste und psychologischen Brüche, welche Seine Aufnahmen sind geprägt von der Span- die rasant voranschreitende Industrialisie- nung zwischen Gewöhnlichem und Außer- rung und Modernisierung auslösten. gewöhnlichem, zwischen Tradition und Mo- derne. So präzise sie in ihrer Beobachtung alltäglicher Realität auch sind, transportie- ren sie immer etwas Mysteriöses.

Rau, grobkörnig, provokant Noch bis 8. Mai läuft in der Wiener Alberti-

na die weltweit erste Schau über das legendä- Bilder links: Courtesy of the artist and ROSEGALLERY; Christie’s Images Ltd. 2016; Bild rechts: Courtesy of the artist and ROSEGALLERY re Magazin »Provoke«, ein Höhepunkt der japanischen Nachkriegsfotografie. Mit ihm etablierten Künstler wie Daido Moriyama und Yutaka Takanashi einen Stil, der vorsätz- lich mit allen Regeln der traditionellen Do- kumentarfotografie brach. In Japan wird er als »are, bure, boke« bezeichnet: grobkörnig, verwaschen und unscharf. »Provoke« er- schien nur 1968/69 in drei Ausgaben, prägte jedoch den Stil einer ganzen Generation. Da es ihnen nicht mehr nur um die di- rekte Beschreibung der Wirklichkeit ging, suchten die japanischen Fotografen der »Pro- voke«-Bewegung nach einer Bildsprache, mit der sie eigene Erfahrungen, aber auch gesell- schaftliche Ängste, Wünsche und Prozesse

60 61 SAMMLERSEMINAR SAMMLERSEMINAR

Eikoh Hosoes experimentelles Bild von 1968 gen in asiatischen Museen, sondern drehte »Bei allen jungen Fotografen weiß man ja ei- wurde (als späterer Abzug) bei Westlicht auch die beiden Spielfilme »Sakuran« und gentlich immer, wo sie herkommen, wer ihre für 1900 Euro zugeschlagen. Das träumeri­ »Helter Skelter«. Die vielseitige Künstlerin Vorbilder sind und bei wem sie gelernt haben. sche Erinnerungsbild von Lieko Shiga, veröffentlichte bislang über 40 Fotobücher, Nicht so bei Rinko. Ihre Fotografien sind ab- 2012 (li. u.) kostet 8000 Euro bei Priska entwickelte Musikvideos und kooperierte solut frisch und ungewöhnlich.« Pasquer. Shomei Tomatsu ist eine Schlüs­ mit internationalen Modemarken. Die Band- sel­figur der japanischen Fotografie. In breite ihrer Motive reicht von Starporträts Fukushima und die Folgen Hiroshima und, wie hier 1961, in Nagasaki verfolgte er die Folgen der Atombomben. bis hin zu traditionellen Sujets wie Fischen Auch Asako Narahashi betrachtet in ihrer Das eindringliche Frauenporträt re. u. ist bei oder Blüten. seit 2001 entstandenen Serie »half awake and Priska Pasquer für 28 000 zu haben Nach 2000 eroberten zahlreiche junge half asleep in the water« Japan aus einer neu- Fotografinnen die japanische Szene. Sie ver- en, ganz ungewöhnlichen Perspektive. Sie treten originäre Positionen, entwickeln indi- begibt sich ins Meer und fotografiert die Küs- viduelle Bildsprachen und blicken aus neuen te vom Wasser aus. Das Ufer und seine Archi- visualisieren konnten. Vornehmliches Ziel Perspektiven auf die Welt. Rinko Kawauchi tekturen sind aus der Zentralperspektive ge- war die Wiedergabe von Atmosphäre und ro- betrat die Bühne 2001 mit gleich drei neuen rutscht und vermitteln nicht den gewohnten her Energie. Die Bilder sind häufig aus der Fotobüchern. Dies war auch für Japan mit Eindruck von Sicherheit und Stabilität, ja es Bewegung geschossen und zeigen ein düste- seiner hochentwickelten Fotobuchkultur ein scheint, als könne das Festland jederzeit im res Japan abseits der bekannten Einkaufsstra- sensationelles Debüt. Meer versinken. Narahashi zeigt nicht mehr ßen und glänzenden neuen Gebäude. Stra- Kawauchi überwindet die für die »Girly eine der wichtigsten Wirtschaftsmächte der ßen, Menschen und Landschaften erscheinen Photography« typische Beschränkung auf Welt, sondern einen Inselstaat, der nach jahr- auf diesen Bildern rau, verkantet und mit die eigene Lebenswelt. Sie reflektiert nicht zehntelangem, scheinbar unaufhaltsamen harten Kontrasten. sich selbst, sondern das Leben an sich. Dabei Aufstieg instabil geworden und vom Unter- Die wohl berühmteste Aufnahme die- konzentriert sie sich auf die kleinen un- gang bedroht ist. ser Zeit, »Stray Dog« von Moriyama, zeigt ei- scheinbaren Dinge, die uns im Alltag umge- Radikal verändert hat sich der fotogra- nen streunenden Hund, der sich aggressiv ben: Blüten, Tiere, Menschen, Wasser, Licht. fische Blick auf Japan nach dem Tsunami zum Betrachter umschaut. Er wurde als Alter Sie fotografiert mit einer klassischen, ma- und der Nuklearkatastrophe in Fukushima Ego des Künstlers interpretiert, der durch die nuell betriebenen Mittelformatkamera und im Jahr 2011. Das Desaster war ein funda- Straßen zieht und seinen Blick auf die dunk- wählt dabei Ausschnitte, die den fotografier- mentaler Einschnitt, ein bis heute andauern- le Seite der japanischen Gesellschaft wirft. ten Objekten eine eigene Schönheit verlei- der Schock, der das Vertrauen in die Regie- Letztendlich charakterisiert dieses Symbol hen. Der britische Fotograf und Fotobuch- rung und die Industrie des Landes bis in die des Außenseitertums die gesamte »Provoke«- guru ist von Kawauchi begeistert: Grundfesten erschüttert hat. Vor dem Hin- Bewegung. Auch Miyako Ishiuchi arbeitet anfangs in diesem rauen Stil. Das Werk der 1947 geborenen Künstlerin zeichnet sich durch einen sehr persönlichen Ansatz sowie eine ebenso präzise wie sensible formale Um- setzung des jeweiligen Themas aus. Eine zen-

Bild: Shomei Tomatsu Estate, courtesy |PRISKA PASQUER, Köln trale Arbeit ihres Œuvres ist »1.9.4.7.« – eine Art Lebensspurensuche in den Randzonen des weiblichen Körpers. Bilder: WestLicht Photographica Auction; Lieko Shiga, courtesy |PRISKA PASQUER, Köln Mädchenfotografie In den Neunzigern wurde die »Girly Photo- graphy« zum spezifisch japanischen Phäno- men. Die »Mädchenfotografie« mit ihrer ta- gebuchorientierten Schnappschuss-Ästhetik dokumentiert das Lebensgefühl der jungen Frauen in den Großstädten. Angesichts der wirtschaftlichen Krise und mangelnder Auf- stiegsmöglichkeiten im Beruf waren die foto- grafischen Inszenierungen der Girly Photo- grapher ein wichtiger Ausdruck weiblicher Selbstidentifikation in einer immer noch streng hierarchischen und patriarchalischen Gesellschaft. Die beiden bekanntesten Vertreterin- nen sind Hiromix, die sich der kommerziel- len Porträtfotografie von Stars und Stern- chen zugewandt hat, und Mika Ninagawa, Die Sechziger waren eine der produktivsten Epochen der die inzwischen zu den erfolgreichsten japa- nischen Künstlern überhaupt zählt. Ninaga- japanischen Fotografie. Es entwickelten sich radikale Bildstile. wa hatte nicht nur große Einzelausstellun-

62 63 SAMMLERSEMINAR SAMMLERSEMINAR

tergrund dieser grundlegenden Erschütte- Rinko Kawauchi hat einen ungewöhnlichen niken. Bereits seit 1999 porträtiert er für sein rung entwickelt sich in Japan gerade eine Blick auf die Dinge: ohne Titel, 2012 bei »Face Project« Mitglieder verschiedener so- neue künstlerische Avantgarde. Eine der ra- Priska Pasquer je nach Größe 7000 bis zialer Gruppen, Vereinigungen oder Berufs- dikalsten Arbeiten in Zusammenhang mit 16 5000 Euro. Re.: Nobuyoshi Arakis Fes­ stände. Dabei geht es ihm jedoch nicht um der Tsunami-Katastrophe ist das Projekt selszene wechselte 2014 bei Phillips das individuelle Bildnis, sondern er ver- mit Aufgeld für 3750 Pfund den Besitzer »Don’t Follow the Wind«. Das von der Künst- schmilzt die Aufnahmen anschließend zu ei- lergruppe Chim Pom initiierte und mit zehn nem einzigen »Gruppenporträt«. Dieses

internationalen Künstlern in Eigenheimen kann aus bis zu mehreren Dutzend überei- Bild links: Rinko Kawauchi, courtesy |PRISKA PASQUER, Köln; Bild rechts: Image courtesy of Phillips/Phillips.com beim Atomkraftwerke Fukushima realisierte nandermontierten Einzelaufnahmen beste- Projekt ist faktisch nicht sichtbar. Das ver- nem weiteren Sinne mit dem letztlich hen. Dabei verschwimmen die Konturen der strahlte Gelände ist für die Öffentlichkeit ge- Unfassbaren und auch Unsichtbaren ausei- Personen, ihre Gesichtszüge lösen sich auf sperrt und wird erst nach seiner Dekontami- nandersetzen. Die junge Lieko Shiga, die und verschmelzen zu dem, was Kitano »Our nierung wieder betreten werden können. Es eine Zeit lang in einem Küstendorf im Nor- Face« nennt. Inzwischen hat er das Projekt ist vollkommen ungewiss, wann und ob dies den Japans lebte, verlor durch den Tsunami auf verschiedene asiatische Länder ausge- jemals der Fall sein wird. Entsprechend »un- ihre gesamte Habe und viele ihrer Werke. dehnt: »Das Ziel dieses Projekts ist es, die Be- sichtbar« ist auch die Website: Man sieht ei- Die geheimnisvollen Nachtstücke in dem Fo- deutung von ›Globalisierung‹ als Ansamm- nen leeren weißen Screen und hört die von tobuch »Canary« (2007) sind der Traumwelt lung von Individuen und Orten neu zu verschiedenen Stimmen gesprochene Be- näher als der Wirklichkeit. Ihr Bildessay entwerfen«. schreibung des Projekts. »Rasen Kaigan« (2009–12) sieht aus »wie eine Einer der derzeit am meisten diskutier- Vergleichbar mit der Avantgarde der Mischung aus Albtraum und verblassender ten japanischen Fotografen ist Daisuke Yokota. Sechziger, wenden sich die Künstler von heu- Erinnerung«, so der Kunst- und Filmkritiker Der 1983 geborene Künstler gehört zu einer te wieder den Bruchstellen der Gesellschaft Daniel Kothenschulte. Einen anderen Weg jungen Generation, die im Umgang mit der zu und thematisieren mit sehr unterschiedli- in der Verarbeitung des Dramas geht Takashi Fotografie subversive neue Wege beschreitet. chen Ansätzen die Folgen der Katastrophe. Arai. Er versucht mit fotografischen Techni- Er bearbeitet Motive durch wiederholtes Ab- Nach ersten Versuchen, sie in Bildern zu do- ken wie der Daguerreotypie, das Unsichtbare fotografieren von Abzügen, verbrennt oder kumentieren, entstanden in den letzten Jah- der Strahlung sichtbar zu machen. Auch Ken verätzt seine Bilder in öffentlichen Perfor- ren zahlreiche Fotoarbeiten, die sich in ei- Kitano arbeitet mit ungewöhnlichen Tech- mances, produziert Unikate und Fotobücher

64 65 SAMMLERSEMINAR mit ungewöhnlichen Materialien wie Eisen- nografie in seinem Werk nicht Hauptmo- Varianz der Abzüge? Bis in die Neunziger staub oder Zement. Gerade wurde er in Ams- tiv, sondern Teil seines autobiografischen waren limitierte Auflagen in Japan nicht terdam mit dem Foam Paul Huf Award für Ansatzes. So werden seine Bilder auch re- üblich. Aus diesem Grund werden neue Fotokünstler bis 35 Jahre ausgezeichnet. zipiert: nicht als Abbildungen von Dingen, Abzüge von Nachkriegsmotiven häufig als Jury­mitglied Simon Baker von der Tate Lon- sondern im Sinne von Beziehungen. Mit offene Editionen angeboten. Dies führt ge- don schwärmte: »Daisuke Yokota ist einer seinen Motiven wie Straßenbildern, All- legentlich zu überraschenden Ergebnissen der weltweit innovativsten und experimen- tagsobjekten, Porträts und Aktaufnahmen auf dem Auktionsmarkt. So sind neue Ab- tellsten jungen Fotografen. Ein junger Künst- hat Araki bis heute einen großen Einfluss züge von Moriyamas Motiven »Stray Dog« ler, der die Fähigkeit besitzt, die Fotografie auf die japanische Fotografie. Die narrati- und »How to create a beautiful picture 6« in immer originellere Richtungen weiterzu- ven und logischen Brüche, die Betonung mehrfach auf Auktionen für über 20 000 bringen; von Abzügen bis hin zu Künstler­ der Ausschnitthaftigkeit und der persönli- Dollar gehandelt worden, während sie in büchern, Installationen und kollaborativen che, subjektive Ansatz gehören heute zum Galerien schon für rund 12 000 Euro er- Performances.« Basisrepertoire der japanischen Gegen- hältlich sind. Anders sieht es in der zeitge- wartsfotografie. nössischen Fotografie aus. Die Stars der Szene Der seit Jahrzehnten in New York Die jüngeren Künstler, die zum Teil Bereits früh über die Kunstszene in den Wes- Hochzeitsreise in einfachen, unprätentiösen und Tokio lebende Hiroshi Sugimoto ge- im Westen gelebt und studiert haben, le- ten gekommen sind die beiden bekanntesten Schwarzweißbildern. Neben üblichen Sze- hört zu den im Westen erfolgreichsten ja- gen ihre Arbeiten grundsätzlich in Editio- Vertreter der japanischen Fotografie, No- nen wie der Bahnfahrt, Spaziergängen oder panischen Künstlern. Nach einem Studi- nen an und folgen dem westlichen Kunst- buyoshi Araki und Hiroshi Sugimoto. Araki einer Bootsfahrt gibt es auch Aktaufnahmen um der Politik und Soziologie in Tokio marktmodell. Obwohl sie bereits von ist in Japan populär wie ein Popstar, aber auch sowie Fotografien, die das Paar beim Ge- wandte er sich erst 1972 der Kunst zu, und wichtigen Institutionen wie dem MoMA, international in der Kunstwelt anerkannt. schlechtsakt zeigen. Das Fotografieren aus zwar in Los Angeles, wo er sich am College dem Getty Museum oder dem Fotomu- Fotobände mit seinen kunstvollen Arrange- Naoya Hatakeyama experimentiert viel mit dieser radikal privaten Perspektive hat Araki für Kunst und Design einschrieb. Es war seum Winterthur gesammelt werden, lie- den Erscheinungen der Materie, u. a. foto­ ments von Mädchen, Blumen und Früchten als »I-Photography« bezeichnet – aus heuti- die hohe Zeit der Minimal- und Konzept- gen viele Werke der jungen japanischen grafiert er seit 1995 Explosionen. Dieses füllen nicht nur in Japan ganze Regalwände ger Sicht ein Vorläufer des Selfie-Genres. kunst – zwei Richtungen, die seine ästhe- Fotografen derzeit noch im unteren vier- Foto ist ausverkauft, ähnliche Aufnahmen in Buchläden. Dabei übersieht diese ober- kosten in der Frankfurter L. A. Galerie zwi­ Ganz bewusst begab sich Araki in Tabu- tische Vision entscheidend geprägt haben. stelligen Bereich. flächliche Rezeption die eigentliche Komple- schen 8000 und 10 000 Euro. O.: In der Vor­ zonen, und seine Popularität verhinderte Bereits Mitte der Siebzigerjahre entwickel- Sammler müssen nicht nach Japan xität und Tiefgründigkeit dieses exzessiven kriegszeit stand die japanische Fotografie nicht, dass seine Arbeiten des Öfteren von te Sugimoto die Ideen zu seinem konzep- reisen, um japanische Fotografie zu kau- fotografischen Œuvres. Im Zentrum von viel stärker als später unter westlichem den japanischen Behörden beschlagnahmt tuellen fotografischen Werk, umgesetzt fen. Schon die Messe Paris Photo bietet all- Arakis Arbeit steht zunächst seine 1990 ver- Einfluss: »Four Girls Posing von Shoji« von wurden. Sicherlich verstoßen einige seiner hat er sie jedoch erst zehn Jahre später. jährlich im November einen ersten Über- storbene Frau Yoko. In dem 1971 publizierten Shoji Ueda, 1938, erzielte bei Bonhams San Aufnahmen provokativ gegen den offiziellen »Time Exposed« – »Belichtete Zeit« – über- blick. Werke japanischer Künstler finden Buch »Sentimental Journey« schildert er ihre Francisco 2012 mit Aufgeld 1875 Dollar japanischen Sittenkodex. Jedoch ist die Por- titelt er seit einigen Jahren sein gesamtes sich dort etwa bei Priska Pasquer aus Köln Œuvre, in dem er Vorstellungen von Natur, oder Michael Hoppen aus London, aber Kultur, Kunst, Wissenschaft und Religion auch bei Taka Ishii oder MEM aus Tokio. in verschiedenen Werkserien auslotet. Zudem sind die großen Auktionshäuser Sotheby’s, Christie’s und Phillips auf die- Kriterien und Preise sem Gebiet aktiv, allerdings konzentriert

Lothar Albrecht, Frankfurt Lothar Beim Sammeln von Fotografie geht es sich das Angebot oft auf die Stars wie Su- grundsätzlich zunächst darum, aus der gimoto (mit Rekordergebnissen im Millio- Flut von Bildern, die täglich über die sozia- nenbereich) oder Nobuyoshi Araki (dessen len Medien wie Instagram oder Facebook Spitzenpreise bald an die 200 000-Dollar auf uns einströmt, Fotografen und Künst- heranreichen). Ansonsten sind japanische ler herauszufiltern, die eine ganz eigene Fotografen bislang nur rudimentär auf Sprache sprechen. Wer ist unverkennbar? dem Auktionsmarkt vertreten. Wessen Werk zeigt eine unverwechselbare Die weniger bekannten Fotokünstler Handschrift? Welches Bild könnte es nicht findet man bei den spezialisierten Gale-

Bilder: Bonhams; Courtesy L.A. Courtesy Bilder: Bonhams; - Galerie von einem anderen Fotografen geben? Nur rien. Die Preise sind noch moderat. Spit- solche einzigartigen Bilder sollte man sam- zenwerke des »Provoke«-Fotografen Taka- meln. Wer sich für japanische Fotografie nashi, von dem die Londoner Tate Modern interessiert, sollte sich dem Thema also gerade einen kompletten Raum mit 80 Ar- nicht über Erfolgszahlen annähern, son- beiten zeigt, sind für 14 000 bis 16 000 Euro dern visuell: Es geht darum, zunächst ein- erhältlich. Werke anderer Künstler sind mal Künstler herauszusuchen, die unver- für 5000 bis 10 000 Euro zu haben. Auch kennbar sind, und dann, in einem zweiten junge Sammler und solche mit kleinerem Schritt, unverwechselbare Bilder. Budget haben in den letzten Jahren die ja- Ein gutes Beispiel ist der bereits er- panische Gegenwartsfotografie für sich wähnte »Stray Dog« von Daido Moriyama. entdeckt. Arbeiten von Künstlern wie Rin- Dieses Motiv gibt es in verschiedenen Va- ko Kawauchi und Daisuke Yokota sind für rianten: rechts herum gedruckt, links he- Preise im unteren dreistelligen Bereich er- rum gedruckt, in mehreren Größen, als hältlich. Aber es ist eben nicht nur der Schwarz-Weiß-Print ebenso wie als roten Preis, der hier ausschlaggebend ist. Es ist Print. Und es gibt dieses Motiv in allen die faszinierende und frische Ästhetik, die Preisklassen. Wie erklärt sich eine solche westliche Sammler anspricht. ×

66 SAMMLERSEMINAR SAMMLERSEMINAR

LIEKO SHIGA des Künstlers ist die Veränderung Schauen die drei Häuser immer wieder Schon jung beindruckte die der Stadt Tokio vor dem Hinter- Themenauktionen mit japanischen 35-jährige Künstlerin mit einer Serie grund einer sich rapide wandelnden Zu den europäischen Museen, die Fotografien. In den Fotoauktionen über die Wünsche, Träume und Gesellschaft. In seinem Hauptwerk sich besonders für die japanische deutscher Auktionshäuser wie Ängste von Menschen (»Canary«, »Toshi-e« (1974) zeichnet Takanashi Fotografie engagieren, gehören die Lempertz, Grisebach, Bassenge Gut zu wissen 2007). Sie lebt in Nordjapan direkt die düstere Zukunftsvision einer Albertina in Wien, das Museum oder Van Ham sind japanische am Meer unweit von . 2011 Industrienation, deren Umwelt Folkwang in Essen, das Fotomuseum Fotografien seltener, meist eher Hiroshi Sugimoto ist international bekannt. Aber wer hat die japanische Fotoszene sonst zerstörte der Tsnunami ihr Dorf mit immer lebensfeindlicher erscheint. Winterthur, die Fondation Cartier zufällig präsent. Aber es lohnt sich ihrem Haus und Studio. Lieko und Le Bal in Paris oder die Tate trotzdem, auch deren Katalog geprägt? Wer sind die jungen Stars? Und welche Künstlerinnen behaupten sich? Shigas jüngste, seit 2008 entstande- SHOMEI TOMATSU Modern. Die wohl größte deutsche regelmäßig zu durchforsten. In ne Arbeit »Rasen Kaigan« (Spiral- Die zentrale Figur der japanischen Sammlung zu diesem Gebiet besitzt Wien kommen bei Westlicht ab und küste, 2013) ist ab 2011 entschei- Nachkriegsfotografie. Der Mitbe- das Museum für Kunst und Gewerbe zu interessante Arbeiten aus Japan dend von den Folgen des Tsunami gründer der Fotoagentur Vivo hatte in Hamburg, derzeit unter dem unter den Hammer. Die Häuser im und der anschließenden Verstrah- zu seiner Lebenszeit (1930–2012) Titel »Japanische Tagträume« zu deutschsprachigen Raum lohnen lung ihres Lebensortes geprägt. entscheidenden Einfluss auf die sehen (bis 10. Juli). Auch in schon allein wegen der kürzeren Künstler MIYAKO ISHUCHI ASAKO NARAHASHI Fotokünstler der Folgegeneration Amerika sind immer mehr Häuser Anfahrtswege, denn es empfiehlt Eine der wenigen Fotokünstlerinnen, Mit ihrer Serie »Half Awake and ISSEI SUDA wie Moriyama, Takanashi und Araki. auf diesem Gebiet aktiv. sich generell, Fotografien vorab NOBUYOSHI ARAKI die sich in der japanischen Foto- Half Asleep in the Water« ist die Die Porträts und Straßenszenen der In einer unverwechselbaren persönlich auf Zustand und Der bekannteste japanische grafie durchsetzen konnten. In den 57-Jährige im Westen bekannt 70er- und 80er-Jahre nehmen eine Bildsprache thematisiert er die Qualität zu überprüfen. Insgesamt Fotograf, Jahrgang 1940, verbindet 70er-Jahren sorgte sie mit »Yokosuka geworden. Darin hat sie eine neue originäre Position in der japani- Veränderungen der japanischen Kaufen ist anzumerken, dass das Angebot in seiner immensen Produktion Story« für Aufsehen. In dieser Verbindung von Seestücken und schen Fotografie ein. Im Gegensatz Gesellschaft. Seine Fotografien der Auktionshäuser auf wenige Aktfotografien mit Stadt- und Serie zeichnet Ishuchi, Jahrgang Landschaftsfotografie entwickelt. zu den »Provoke«-Künstlern arbeitet zeigen die Folgeerscheinungen des Für einen ersten Überblick bietet bekannte japanische Namen Objektaufnahmen. Kennzeichen 1947, ein dunkles Bild der Stadt ihrer Aus dem Wasser heraus fotografiert, Issei Suda, Jahrgang 1940, in einem Atombombenabwurfs auf Nagasaki, sich vor allem die Kunstmesse Paris beschränkt ist und leider noch seiner Arbeit sind die exzessive Kindheit. Seitdem verwebt sie schaffen ihre Bilder eine unerwar­ präzisen, klassischen fotografischen den Einfluss des amerikanischen Photo an, die alljährlich im nicht die ganze faszinierende Darstellung von Sexualität und der immer wieder die eigene Identität tete Verbindung zwischen der See Stil. Auf Volksfesten entstandene Militärs und der westlichen November im Grand Palais in Paris Vielfalt der japanischen Fotografie Bruch von Konventionen. Dabei mit der Realität der komplexen und dem Festland, die beim Porträts wie die Serie »Fushi Kaden« Populärkultur sowie die Auswir- stattfindet. Neben Galerien aus widerspiegelt. fotografiert Araki aus einer radikal japanischen Nachkriegsgeschichte. Betrachter ein ambivalentes Gefühl sind zurückhaltend und haben oft kungen des japanischen Wirtschafts- Europa und den USA mit japani- persönlichen Perspektive, für die er Immer etwas mysteriös: Issei Suda, erzeugt und einen neuen Blick auf eine mysteriöse Anmutung. booms der 60er-Jahre. schen Fotografien im Programm den Begriff I-Photography prägte. RINKO KAWAUCHI »Ota« von 1975, je nach Größe 4000 Japan ermöglicht. sind dort auch japanische Galerien Lesen 1972 geboren, gilt sie als eine der bis 8000 Euro bei Priska Pasquer wie Taka Ishii Gallery und MEM aus EIKOH HOSOE wichtigsten japanischen Gegen- MIKA NINAGAWA Tokio präsent. In Europa bieten Die bislang umfassendste Einfüh- Ende der 1950er-Jahre war er wartskünstlerinnen. In ihren Serien Jahrgang 1972, ist sie eine der spezialisierte Galerien wie Michael rung in die Geschichte der Mitbegründer der Fotoagentur wie »Utatane« (2001) und »Illumi- Mitglieder von sozialen Gruppen. bekanntesten und produktivsten Hoppen in London oder Priska japanischen Fotografie ist der Vivo und entwickelte eine neue, nance« (2011) konzentriert sie sich Anders als sein großer Vorgänger Künstlerinnen ihrer Generation. Pasquer in Köln ein umfassendes Ausstellungskatalog »The History of radikale und subjektive Sicht auf auf alltägliche Dinge und Situatio- August Sander zeigt Kitano die Mittlerweile hat sie über 40 Angebot zur japanischen Fotografie. Japanese Photography« (2003). Die die Wirklichkeit. In der Serie nen, die sie in poetische Bilder mit jeweiligen Gruppen nicht in Serien, Fotobücher publiziert, zwei Bei Letzterer findet man u. a. auch aktuellen Kataloge »Provoke« »Kamaitachi« verbindet der 1933 einer leichten, subtilen Farbigkeit sondern kopiert bis zu mehrere abendfüllende Spielfilme produ- Werke der »Provoke«-Fotografen (2016) und »In the Wake: Japanese geborene Künstler Performance, überführt. In ihrer neuen Serie Dutzend Einzelpersonen in einem ziert und Pop- und Werbevideos Daido Moriyama und Yutaka Photographers Respond to 3/11« Landschafts- und Street-Fotografie »Ametsuchi« (Himmel und Erde) Bild übereinander. gefilmt. Ihre Karriere begann sie Takanashi. Nobuyoshi Araki wird in (2015) bereiten einzelne Phasen der zu einer komplexen, subjektiven verbindet sie die sichtbare Realität Mitte der 90er-Jahre als »Girly Deutschland von der Jablonka japanischen Fotografie vorzüglich

Dokumentation über die Ängste mit einer spirituellen Welt. DAIDO MORIYAMA Photographer«. Ihre Themen sind Bild: Yutaka Takanashi, courtesy |PRISKA PASQUER, Köln Galerie in Köln vertreten, während auf. Zu den bedeutendsten der Nachkriegszeit und die Einer der einflussreichsten japani-­ Blumen, Goldfische und Reisen die L.A. Galerie in Frankfurt am Fotokünstlern gibt es meist aufziehende atomare Bedrohung. KEN KITANO schen Fotografen. Als Mitbegründer sowie Porträts von Stars der Main Naoya Hatakeyama im englischsprachige Monografien. Sie Weitere Themen des Fotografen Vor allem durch sein Projekt »Our der »Provoke«-Gruppe hat er die japanischen Unterhaltungskultur. Bilder: Issei Suda, courtesy |PRISKA PASQUER, Köln; Christie’s Images Ltd. 2016 Programm hat. Überhaupt sind die stellen nicht nur die Künstler vor, sind sexuelle Identität und der Face« bekannt, an dem er seit 1999 japanische Fotografie revolutioniert. Charakteristisch für ihre Foto­grafie wichtigen jüngeren Fotokünstler in sondern vermitteln auch ein tieferes Yutaka Takanashis Aufnahme wirkt wie eine düstere Vorahnung von menschliche Körper. arbeitet, fotografiert der 48-Jährige Seit dem Ende der 60er-Jahre zeich- ist die Verwendung intensiver ganz unterschiedlichen Galerien Verständnis der japanischen Fukushima: ohne Titel, 1971, späterer Abzug 3500 Euro bei Priska Pasquer net er mit seiner kontrastreichen, Farben sowie Elementen verstreut, aber man findet sie über Fotografie. Empfehlenswert sind grobkörnigen und oft unscharfen der japa­nischen und westlichen das Internet schnell. Etwa Chris­ »Nobuyoshi Araki. Self Life Death« Bildsprache ein sehr persönliches Popkultur. HIROSHI SUGIMOTO DAISUKE YOKOTA tophe Guye in Zürich, Rosegallery (2011), »Daido Moriyama. Stray und emotionales Bild einer japani- Der 1948 geborene konzeptuelle Als ein führender Vertreter der in Santa Monica, in Tokio selbst die Dog« (1999), »Shomei Tomatsu. schen Gesellschaft im Umbruch. TOMOKO SAWADA Künstler beschäftigt sich mit neuen Generation japanischer G/P Gallery oder GPI. Skin of the Nation« (2004) oder Zu einem Alter Ego des Künstlers, Geboren 1977, erforscht sie die Geschichte, Zeit und der mensch- Fotokünstler geht der 33-Jährige »Issei Suda. The Work of a Lifetime« Jahrgang 1938, ist das Bild eines Konzepte von individueller und lichen Existenz. Internationalen mit dem Medium Fotografie (2011). Für viele japanische streunenden Hundes geworden: Gruppenidentität vor einem Durchbruch erzielte er mit den ausgesprochen experimentell um. Bieten Fotografen ist das Fotobuch das zen- ungebunden, kompromisslos und feministischen Hintergrund. Im 1980 begonnenen »Seascapes«, mit Seine verschleierten, unscharfen trale Kommunikationsmedium. In mit einem instinktiven, konzentrier- Zentrum ihrer konzeptuellen denen er zum teuersten japanischen und dunklen Aufnahmen sind das Wer japanische Fotografie auf der Folge sind in den letzten sechs ten Sinn für die rohe Atmosphäre. Arbeit steht ihre eigene Person. Fotokünstler aufgestiegen ist. Die Ergebnis eines intensiven Labor­ Auktionen erwerben möchte, wird Jahrzehnten Tausende von Tomoko Sawada porträtiert sich in extrem streng komponierten und prozesses, bei dem ein Motiv bis zu manchmal bei den drei großen Fotobüchern auf dem japanischen IKKO NARAHARA den üblichen Stationen einer technisch brillanten Seestücke zehnmal abfotografiert und internationalen Auktionshäusern Markt herausgebracht worden. Die Einer der Mitbegründer der Biografie wie Schulzeit, erste verweisen auf die Endlichkeit der abgezogen wird und dabei mit Sotheby’s, Christie’s und Phillips Führung hat dabei unbestritten Fotoagentur Vivo. Sein Stil ist eine Arbeitsstelle oder Hochzeit. Als menschlichen Existenz im Hitze und Licht oder auch mit fündig. Die bekanntesten Künstler Nobuyoshi Araki mit über 450 Gratwanderung zwischen Beschrei- Künstlerin ohne Kamera (alle Angesicht der Natur. Zu seinen Säure und offenen Flammen wie Hiroshi Sugimoto (mit Büchern übernommen. Einen bung und Abstraktion, Objektivität Aufnahmen werden von anderen Motiven zählen auch Dioramen, bearbeitet wird. Das Resultat sind Rekordergebnissen von über einer Einblick in die japanische und persönlicher Erzählung. Fotografen gemacht) untersucht Wachsfigurenporträts und Kinos. Arbeiten, die direkt aus der Welt des Million Dollar) und Nobuyoshi Fotobuchproduktion bieten Geboren 1931, schuf er Serien zur sie auf subtile Weise die weiblichen Traumes gekommen zu sein Araki (mit Spitzenpreisen von weit »Japanese Photobooks of the 1960s japanischen Lebenswelt und Rollen in einer immer noch YUTAKA TAKANASHI scheinen und die auf eine andere über 100 000 Dollar) sind regel- and ’70s« (2009) und die drei Bände Berühmtes Bild der »Provoke«-Bewegung: »Misawa (Stray Dog)« von Daido Identität, aber auch zu westlichen streng patriarchalischen und Mitbegründer der »Provoke«-Grup- Wirklichkeit jenseits der physischen mäßig in den dortigen Fotoauktio- »The Photobook: A History« Moriyama, 1971, der spätere Abzug erzielte bei Christie’s 23 900 Pfund Kulturen und Lebensräumen. hierarchischen Gesellschaft. pe, Jahrgang 1935. Zentrales Thema Realität verweisen. nen zu finden. Zudem veranstalten (2004–14).

68