Seitenwaffe“ Und „Saufeder“ Fehlen
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108 Journal für Kunstgeschichte 15, 2011, Heft 2 Nützlich ist das Glossar (S. 193 f.), bei dem allerdings, die Begriffe „Seitenwaffe“ und „Saufeder“ fehlen. Löblich ist auch das sich daran anschließende Literaturver- zeichnis (S. 195 f.). Hier ist die Form der Literaturangabe etwas ungewöhnlich, was wohl an der Orientierung des Autorenteams an älteren Vorlagen liegt, den Ge- brauchswert schmälert es hingegen nicht. Bei einer Neuauflage des sonst ordentlich redigierten Werkes sollte die durchgängige Schreibweise „aufwendig“ und auch „erster“ bzw. „zweiter“ Weltkrieg einfach per „Mausklick“ korrigiert werden. Beim Katalogtext wünscht sich der kunsthistorisch orientierte Leser Formalangaben zum Material und dort auch die häufig erst im Objekttext gemachten Hinweise zu Zahlen oder Inschriften in einheitlicher Form. Neben Freunden der Jagdwaffen trägt die Publikation dazu bei, kunst- und kul- turhistorisch Interessierten einen vielleicht bis dahin relativ unbekannten Bereich der großen Gattung Kunstgewerbe neu zu erschließen. Ferner kann trotz des dynastisch gewachsenen und wohl überwiegend regional produzierten Bestandes der Kranich- steiner Sammlung von Jagdwaffen der Anspruch eines repräsentativen Überblicks über weite Zeitstellungen hinweg eingelöst werden. Wegen seiner meist genau da- tierten Waffen liefert der Bestandskatalog beispielsweise bei der zeitlichen Einord- nung bestimmter Gemälde oder Skulpturen wichtige Anhaltspunkte auch zur präzi- seren Terminologie des Gesehenen. Erik Ernst Venhorst Berlin Sigrid Achenbach (Hg.): Kunst um Humboldt. Reisestudien aus Mittel- und Südamerika von Rugendas, Bellermann und Hildebrandt im Berliner Kup- ferstichkabinett. Katalog zur Ausstellung 11. 11. 2009 bis 11. 4. 2010 im Kup- ferstichkabinett Berlin; München: Kupferstichkabinett Staatliche Museen zu Berlin und Hirmer Verlag 2009; 275 S., zahlreiche Abb., überwiegend farbig; ISBN 978-3-7774-2261-9; € 39,90 Alexander von Humboldt selbst wählte Sigrid Achenbach als „Schirmherrn“ ihrer Auswahl aus den umfangreichen Beständen dieser drei Künstler, die durch Vermitt- lung des „berühmten Naturwissenschaftlers und Amerikareisenden“ am preußi- schen Hof und des Museumsdirektors Ignaz von Olfers in die Kunstsammlungen des Königs Friedrich Wilhelm IV. kamen (heute im Besitz des Berliner Kupferstichkabi- netts, integriert dem neuen „Kulturforum“ nahe Potsdamer Platz). Rugendas reiste 1831–34 in Mexiko, Bellermann 1842–45 in Venezuela, Hildebrandt 1844–45 in der Gegend um Rio de Janeiro (Brasilien). Eines Schirmherrn hätten sie bedurft, seit ihre Anziehungskraft aus vielerlei Gründen nach Humboldts Tod fast erlosch. Wenn heute oft im Zug archäologisch oder exotisch glanzvoller Exponate ein diffuses Rei- seinteresse unter Titeln wie „Bilder aus Mexico“ bedient wird, provoziert eine solche Ausstellung auch die Frage, weshalb authentisch deutsche Kunsthistorik sie als F.3. Bildkünste 109 Ergänzung deutscher „Schulen“ wenig beachtet – im Gegensatz zu ihrem (auch oft nostalgisch-topografisch gemeinten) Ruhm in lateinamerikanischen Ländern. Anstelle eigener Forschung erwartete Humboldt von malerischer „Einbildungs- kraft“ einen tiefer empfundenen, wahrer erkannten Einklang szientifischer und künst- lerischer Naturerfahrung, mochten das Naturerhabene auch erhabene Motive anregen oder botanische „Physiognomien“ gewisser Pflanzenensembles im farbenreich synäs- thetischen Reiz Vorbild sein.1 Ästhetische Erfahrung seit der Goethezeit allerdings hätte der Idee widersprochen, tropische Erlebnisse und stringente Beobachtung allein kreierten schon große neuartige Künstler; die naiven Produkte mancher Reisenden, die partout selbst zeichneten, bezeugen es.2 Humboldts Hoffnung auf eine neue Tro- penkunst nährten wohl auch die vergleichsweise schematisch manierierten Land- schaften, die er für seine „Vues des Cordillères“ (1813) Pariser Künstlern ohne Ameri- kaerfahrung, vorab Bouquets farbigen Kupferstichen, anvertrauen musste.3 Als anderer Kronzeuge hörte Rugendas, 1825 zurück aus Brasilien, aus dem be- rufensten Mund: „Meine Einbildungskraft […] ist noch ganz erfüllt mit den üppigen Formen der Tropenwelt, welche Ihre geistreichen Zeichnungen so herrlich und wahr darstellen“ – „im Reichtum der tropischen Pflanzenwelt […] (wurde er) durchdrun- gen von dem Gefühl, dass in der wilden üppigen Fülle einer so wunderbaren Natur der malerische Effekt immer durch die Wahrheit und die treue Nachahmung der For- men entsteht“.4 Vor der Mexikoreise, die Rugendas 1831–34 von Veracruz nach Orizaba und Mexicostadt, an die Westküste des Stillen Ozeans, bis Manzanillo führte, sprach Hum- boldt im Frühjahr 1830 eindringlich über Landschaftskunst der Tropen und empfahl eine „Summe“ tropischer Effekte: „Palmenwelt, baumartige Farrenkräuter, Cactus, Schneeberge und Vulkane“ – besonders der südamerikanischen Anden -, andererseits Größe.5 „Hüten Sie sich vor den gemäßigten Zonen, vor Buenos Aires und Chili und vor schnee- und vulcanlosen Wäldern, vor Orinoco“, Amazonen- und Magdalenenstrom.6 Rugendas folgte jenem Rat nur gelegentlich und wählte teils realistischere, teils perspektivisch und dimensional wechselnde Ansichten, am prägnantesten vom mexi- 1 Vgl. Humboldt: Kosmos. Entwurf einer physischen Weltbeschreibung, hg. von Ottmar Ette, Oli- ver Lubrich; Frankfurt Main 2004, S. 220 f., 231 f. – Ders: Ansichten der Natur (vollständiger Ori- ginaltext), hg. von H. M. Enzensberger; Frankfurt Main 2004, S. 183, 258 f. 2 Damit sei nichts gegen eine engagierte Liebhaberkunst auf ihrer Ebene gesagt. Nach eigenen Mü- hen nahm Prinz Wied Neuwied beispielsweise auf die nordamerikanische Reise den Maler Karl Bodmer mit; Schriftsteller und Künstler ergänzten sich nun recht glücklich bei ihrem Interesse für Landschaften und einzelne Indianerstämme. Vgl. William H. Goetzmann (HG.): Karl Bodmer’s America; Omaha 1984. – Brandon K. Rund (HG.): Karl Bodmer’s North Americann Prints; Neb- raska UP, Lincoln u. a. 2004. 3 Dies gilt vor allem für die mehrfarbig angelegten Landschaften, einige andere gelangen prägnan- ter. 4 Brief Humboldts an R. von 1825 zitiert bei Gertrud Richert: Johann Moritz Rugendas. Ein deut- scher Maler in Ibero-Amerika; München 1952, (1952), S. 21; und Prospektenwurf Humboldts, ebd. S. 27. 5 Humboldt an Rugendas, 13. 3. 1830, zitiert bei Richert (1952) (wie Anm. 4), S. 42 ff. – Auch Bel- lermann werde zu Bildern der „Nevados von Mexiko“ südamerikanische Schneeberge und Vege- tationen in die königliche Sammlung bringen, vgl. Katalog Berlin 2009, S. 164. 6 Ebd. 110 Journal für Kunstgeschichte 15, 2011, Heft 2 kanischen Hochgebirge. Der einstige Bergassessor Humboldt erforschte Gebirge unter vielschichtigen Spektren szientifischer Wißbegier des Mineralogen, Geologen, Botani- kers, Meteorologen, und halbkünstlerischen Erlebens für spätere genaue Auswer- tung.7 Während des Aufstiegs zum Pic von Teneriffa 1799 beobachtet er wissenschaft- lich Pflanzenzonen der Heiden, Farne, Ginster usw. und Naturwunder wie die Eishöhle mit unterirdischen Gletschern, rätselhafte Lichtraketen im Dunstmeer flocki- ger Wolkenschichten, die sich als optisch-atmosphärisch verspiegelte Sterne heraus- stellen; der erwanderte Fernblick über das unendliche Meer gleitet zurück zu nahen bizarren Kraterformen; physiognomische Pflanzenensembles eigentümlichen Charak- ters binden das erhabene Naturbild in seiner „Neuheit“ an konkretere Wirklichkeiten. Der Rückblick hinab vom Gipfel über die Hänge formiert jene Pflanzenzonen in ge- wisser Einheit von botanisch-geologischer und malerischer Sicht zur Landschaft. Ver- gleiche mit „mannigfaltige(n) malerische(n) Effekte(n)“ anderer Hochgebirge – hier des Vesuv, des Monte Rosa und des Chimborazo – stellen sich ein, entworfene Bruch- stücke möglicher späterer vergleichender Wissenschaft.8 Auch Rugendas‘ Blickwinkel mexikanischer Landschaftsstudien wechselt auf- fällig, wenngleich zurückhaltender in dieser Form. In künstlerischer Intensität und Dynamik, durchkomponierter Urgewalt der Natur gaben einige Ölstudien den „Vulkangipfel von Colima“ im Einklang von Schwüngen des Randgesteins mit mäch- tigen Wolkenzügen (Staatl. Grafische Sammlung München, Diener MX-O-338)9 oder als Flammen und Rauchschwaden speienden Kegel, der an Humboldts „Feuer aus innerster Erde“ erinnert (K. Abb. 8, S. 23, vgl. Humboldt: „Über den Bau und die Wir- kungsart der Vulkane“, Ansichten der Natur). Popocatépetl und Ixtaccíhuatl bei Me- xiko-Stadt inspirierten schon 1831 nächtlich stimmungsvolle oder topografisch einge- gliederte Bilder der Schneegipfel, die im kleinen Format einladen, zu deutschen Romantikern zurückzublicken (hier K. 42 und 43). Aus dem Umfeld des „Nevado“ und des „Vulcan“ von Colima zeigte Achenbach den freieren Umgang des Reisenden mit Sichtweisen und Stilmitteln, die sich daheim enger in „Schulen“ abgrenzten, hier 7 Vgl. dazu die ausführlichere Beschreibung des Aufstiegs zum mexikanischen Vulkan Jorullo im Sept. 1803. Alexander von Humboldt: Reise auf dem Río Magdalena, durch die Anden und Mexico, Teil II, übers. und bearbeitet von Margot Faak, Beiträge zur Alexander-von-Humboldt- Forschung 9, Berlin 22003, S. 273, 277 ff. – In Vulkanerkundungen des einstigen Bergassessors floss das Wissen seiner Schriften wie „Beobachtungen über Basalte“ (1790), später des „Geognostischen Versuchs über die Lagerung der Gebirgsarten“ (1823) ebenso ein wie zahlreiche Einzelheiten an- grenzender Wissenschaften. Dazu Wolf von Engelhardt: Goethe und Humboldt. Bau und Ge- schichte der Erde, Zs. Humboldt im Netz (HiN), II, 3, 2001 (nur Online). – Eva-Maria Siegel ver- tiefte die Betrachtung Humboldtscher