Herren Und Heilige
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Herren und Heilige Beobachtungen zu den Darstellungen der Namenspatrone und Familienheiligen der Medici im 15. Jahrhundert Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades doctor philosophiae (Dr. phil) eingereicht an der Philosophischen Fakultät III der Humboldt-Universität zu Berlin von Carlos Obergruber-Boerner geb. 16.01.1964 in Mönchengladbach Präsident der Humboldt-Universität zu Berlin Prof. Dr. Jürgen Mlynek Dekanin der Philosophischen Fakultät III Prof. Dr. Ingeborg Baldauf Gutachter: 1. Prof. Dr. Horst Bredekamp 2. PD Dr. Michael Diers Tag der mündlichen Prüfung: 18. 12. 2003 Mein Dank gilt dem Betreuer der vorliegenden Arbeit, Prof. Dr. Horst Bredekamp, auf dessen Vorbild und Anregungen meine Bemühungen zurückgehen. Ebenso bin ich meinem verehrten Lehrer Dr. Fritz Jacobs verpflichtet, der mir zuerst die Augen für die Kunst der Renaissance geöffnet hat. Der Freundschaft und dem Rat von Dr. Bernhard Heitmann schulde ich viel und bin ihm dafür und für seine Förderung dankbar. Karen Suck, Britta Andresen und Thomas Held danke ich für die Durchsicht des Manuskripts und wertvollen Rat, Vivian Püschel für ihre technische Hilfe. Zwei Menschen im Besonderen haben weit mehr als nur diese Arbeit mit ihrer Liebe und Freundschaft begleitet, meine Mutter, Louise Boerner und mein Freund, Tom Kothe. Ihnen danke ich von ganzem Herzen. Meinen Geschwistern zum Gedenken Roxane Salahi-Arab Cyrus Salahi-Arab Inhaltsverzeichnis I. Einleitung: 1 1. Die Penaten der Väter 1 2. Vorfahren, Heilige und Heroen 5 II. Cosmas und Damian und die Erfindung von der Heilung des Staates 9 1. Entstehung und Verbreitung des Kults 11 2. Die Magie des Namens 14 III. Die Strategie des Kults: Die Namenspatrone in San Lorenzo, San Marco und 21 Santa Croce 1. Die Anfänge in der „Alten Sakristei“ von San Lorenzo 21 2. Der Altar der Familienkapelle: Die Pala d‘ Annalena 26 3. Die Pala für den Hochaltar von San Marco 33 Die Predella der Pala di San Marco 39 4. Das Kreuzigungsfresko im Kapitelsaal 47 5. Cosimo im Dormitorium von San Marco 53 a. Die „Madonna delle ombre“ 53 b. Das Kreuzigungsfresko in Cosimos Zelle 58 c. Das Fresko mit der „Anbetung der Könige“ im Oratorium Cosimos 61 6 Die Pala für die Kapelle der Novizen von Santa Croce 66 IV. Die Namenspatrone im Mugello 73 1. Die Pala für Bosco ai Frati 73 a. Die Armut des Ordens, das Recht des Patrons und die zwei Naturen Gottes 76 b. Verehrung, Predigt, Studium. Die Predella 79 2. Die Pala für die Villa Cafaggiolo 81 3. Subordination und Emanzipation: Die Pala für die Villa il Trebbio 86 V. Die hohe Kunst der Unterwerfung 92 1. Ein Diptychon für Antonio di Ghezzo della Casa 92 2. Die Pala für San Girolamo in Volterra 94 3. Die Pala der Familie Alessandri 99 4. Der Altaraufsatz für Francesco Sassetti 102 5. Die „Medici Madonna“ 103 VI. Herren und Heilige: Die Namenspatrone im Haus der Medici 108 1. Die Lünette mit sieben Heiligen 108 2. Zur Funktion der Namenspatrone der Medici 113 VII. Der Kult der hll. Drei Könige in Florenz 116 1. Die Hausheiligen im Palazzo Medici 118 a. Der Tondo des Domenico Veneziano 118 b. Der Tondo des Fra Filippo Lippi 122 c. Die Kapelle des Palastes 125 VIII. „La Repubblica de’ Magi“. Im Gefolge der Könige. 134 Epiphaniedarstellungen von Freunden und solchen, die es werden wollen. 1. Die Pala für Guaspare del Lama 134 2. Ein Gemälde für Giovanni Rucellai? 139 3. Der Tondo für Giovanni Tornabuoni 141 4. Eine „Anbetung der Könige“ für den jüngeren Familienzweig? 145 5. Zur Funktion von Darstellungen der hll. Drei Könige im Umfeld der Medici 147 IX. Schluss 149 Anhang Stammtafeln I – III Literaturverzeichnis Liste der Abbildungen Abbildungen Bildnachweis 1 I. Einleitung „Nimm du, Vater, das heilige Gut, der Väter Penaten ...“ Vergil, Aeneis, 2, 717 1. Die Penaten der Väter In der Renaissanceforschung findet sich immer wieder die Äußerung, dass die hll. Cosmas und Damian die Familien- oder Schutzheiligen der Medici gewesen seien.1 Zur Begründung dient einerseits der Verweis auf die begriffliche Übereinstimmung dieser beiden heiligen „Ärzte“ mit dem ‚sprechenden‘ Familiennamen, andererseits sind deren in beachtlicher Zahl noch erhaltene Darstellungen Anhaltspunkte für eine solche Verbindung. Eine Untersuchung der Darstellungen von Cosmas und Damian, besonders vor dem Hintergrund der Nachbenennungstraditionen der Familie und im Vergleich mit Abbildungen anderer mediceischer Namenspatrone und Schutzheiligen steht dagegen noch aus.2 Wenn Cosmas und Damian tatsächlich Schutzheilige der ganzen Familie wären, müsste ihr Kult für alle Mitglieder der weit verzweigten Sippe eine vergleichbare Funktion gehabt haben: die eines kollektiven Signums. Wie sich zeigen wird war dies jedoch nicht der Fall. Welche Rolle diese und andere Heiligenkulte, darunter besonders jener der hll. Drei Könige im Umfeld der Medici gespielt haben, ist Gegenstand der vorliegenden Beobachtungen. Religiöses Leben und Alltag waren im 15. Jahrhundert nicht in dem Maße voneinander getrennt, wie es aus heutiger, säkularer Sicht erscheinen mag. Grundsätzlich hatten Heilige, deren Verehrung und Anrufung ihren spirituellen, in Form von Darstellungen aber auch ganz konkret manifestierten, Platz im häuslichen Bereich. Sie gehörten in gewisser Weise zur Familie. Die Renaissance als Zeitalter genialischer Individualität ist ein Mythos. Jacob Burckhardt etwa sprach davon, dass „...sich mit voller Macht das Subjektive...“ erhebe, dass der Mensch „... geistiges Individuum...“ werde und sich als solches erkenne.3 Im Gegensatz zu dieser Hervorhebung des Einzelnen steht jedoch auch in der Frühen Neuzeit die Bedeutung der Gemeinschaft. Das Netzwerk aus Verwandten und Freunden, Geschäftspartnern, Gleichgesinnten und Abhängigen, die familia, bildet die Grundlage für die erfolgreiche Existenz des Individuums. Die Leistungen dieses Netzwerks bestehen aus dem Einholen und 1 Vgl. R. Trexler, „Public Life in Renaissance Florence“, Ithaca/London 1996, S. 505. 2 Crispin Robinson hat in seiner Untersuchung einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Vgl. C. Robinson, „Cosimo de’ Medici’s Patronage of the Observantist Movement“, Courtauld Institute of Art, University of London, 1984. 3 J. Burckhardt, „Die Kultur der Renaissance in Italien“, 2. Auflage Leipzig 1869, II., 1. Kap. 2 Erteilen von Ratschlägen, Empfehlungen und Förderungen, Diensten und Gunsterweisungen. Die schwächeren Mitglieder sind dabei auf den Schutz des stärkeren Mitglieds angewiesen. Umgekehrt braucht das stärkere Mitglied die Unterstützung der nur in ihrer Vielzahl bedeutenden Schwächeren. Volker Reinhardt hat dieses System nicht zu unrecht mit mafiösen Strukturen verglichen. Das Ausüben von Druck, die rigorose Verwendung von Gewalt und der bedenkenlose Einsatz von Geld gehörten selbstverständlich dazu.4 Bei all dem musste es das Bestreben sein, möglichst jeden Einzelnen innerhalb des Netzwerks zufrieden zu stellen und dabei die eigene Zielsetzung nicht aus den Augen zu verlieren.5 Der außerordentliche wirtschaftliche und politische Erfolg der Medici seit der zweiten Hälfte des 14. und im 15. Jahrhundert ist dem Umstand zu verdanken, dass sie es verstanden, einen stets wachsenden Kreis von Gefolgsleuten um sich zu scharren und ihn zu lenken. Auch sie haben dabei ihre familia um überirdische Mitglieder erweitert, Schutzheilige, die zugleich als Vorbilder und Symbole, als Identifikationsfiguren und als Repräsentanten dienten. Diese Namenspatrone und Familienheiligen konnten in Bereiche vordringen, die ihren sterblichen Schützlingen weitgehend verschlossen blieben: Hochburgen anderer Familien, Orte die der Repräsentation der Kommune oder eben dem Sakralen vorbehalten waren. Es wäre dabei falsch anzunehmen, die Medici hätten die Frömmigkeit ihrer Mitmenschen für politische Zwecke ausgenutzt. Vielmehr sollte man diesen Mechanismus als den Einsatz der eigenen Frömmigkeit verstehen. Diese Unterscheidung ist wichtig, um nicht den Fehler zu begehen den religiösen Gegenstand seiner Spiritualität zu berauben und ganz als Zweck weltlicher Interessen anzusehen. Das 15. Jahrhundert war für die Entwicklung des Geschlechts der Medici ein entscheidender Zeitraum. Zu dessen Beginn hatten einzelne Zweige des Familien-Clans nach einem gut zweihundert Jahre währenden Prozess den Aufstieg in das politisch maßgebliche Patriziat von Florenz erreicht. Im Verlauf des Jahrhunderts gelang es ihren wichtigsten Vertretern, eine herausragende Führungsrolle im Staatswesen einzunehmen und zu konsolidieren. Aus der staatlichen und familiären Krise des Jahrhundertendes ging die Familie in den ersten Jahrzehnten des folgenden 16. Jahrhunderts siegreich hervor. 4 V. Reinhardt, „Die Medici. Florenz im Zeitalter der Renaissance“, München 1998, S.9. 5 Ebd. S. 34 ff. 3 Unter ihrer Herrschaft vollzog sich die Umwandlung der von oligarchischen Interessen bestimmten Republik in einen souveränen Prinzipat. Die eigentliche historische Leistung war hierbei möglicherweise nicht der Erwerb der Fürstenwürde, sondern die Wahrung der florentinischen Eigenstaatlichkeit im spanisch dominierten Italien.6 Grundlage dieses Aufstiegs war der Reichtum, den einige Zweige und Persönlichkeiten der Familie in der zweiten Hälfte des 14. und der ersten des 15. Jahrhunderts erwirtschafteten.7 Als entscheidendes Mittel erwies sich das Geschick, mit dem die Familienoberhäupter in dieser Zeit die Regierungsorgane der Republik, besonders deren Wahlverfahren, zu manipulieren und zu unterwandern vermochten.8 Dauerhafter als solche Machtpolitik sowie langlebiger als die Herrschaft und selbst die Existenz des betreffenden Familienzweiges, erwiesen sich