· DAS ~lITTELHŒHDEUTSCHE TAGELIED

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THE MIDDLE HIGH GERMAN "TAGELIED"

,., This thesis concerns the development of the genre "Tagelied" within the period of Middle High German courtly literature, specifically the period covered by the years 1170-1350. The purpose of the paper is ta determine firstly, wh ether the progress of the "Tagelied" through this epoch can be subdivided fUI'ther into developmental stages, and secondly, whether a typical or an ideal form of the courtly "Tagelied" exists. An endeavor to answer the above questions is made arter an analysis of three important aspects of the courtly "Tagelied:" ,1. its structure, also the structure of alternate forms of the "Tagelied" based on the courtly type.

~. the function and character of the watchman • .1. the involvement of the poet, his purpose in writing a "Tagelied." DAS MITTELHOCHDEUTSCHE TAGELIED: EINE UNTERSUCflliNG SEINER ENTWICKLUNG INNERHALB DES ZEITRAUMS DER H5FISCHEN LITERATUR

by Susan Lechler

submitted in partial fulfillment of the requirements for the degree of Master of Arts

Department of German March 27, 1972 HcGill University

------_.... """'...... ,... _.. _- GY Susan Lechler 1972 -I-

INHALTSVERZEICHNIS

VBRZEICHNIS DER ABKtlazm~GEN IV

EINLEITUNG 1-10

I. DER AUFBAU Dlt::S Hfu'ISCHEN TAGJ~LIEDS 11-67 A. Der epische Rahmen 11-23 1. Das Tagelied deI' frUhh8fischen Epoche 11-16 2. Das Tagelied der sp!th8fischen Epoche 16-23 B. Die Formen der Rede 23-37 1. WechselI'ede 23-28 a. Der direkte Wechsel 24-26 b. Der indi1:'ekte 'tolechsel 26-28 2. Monolog 28-37 a. Verfasserlied 28-31 b. Damen- oder Ritterlied 31-32 c. v1!f.chterlied 32-37 C. Der Refrain 37-41 D. Der Wechsel von "liep" zu "leit" 41-49 E. Alternative Formen 49-67

1. Kritik am Tagelied 50-53 2. Das 'lragelied des Einsamen" 53-58 -II-

3. "Naht\1îse" 58-60 4. Geist1iches Tage1ied 60-67

II. DIE ROLLE DES WllCHTERS 68-99 A. Das Wecken 68-73 Weckrufe 69-73

l. Del' pers8n1iche Wecla-uf 70 2. Der unpers8n1iche Weckruf 71-73 B. Bewachen 73-82 C. Der Wl!chter aIs Gegner des Liebespaares 82-99 1. In der Wechse1rede 82-84 2. Del' Charakter des Wllchters 84-92 3. KI'i tik am \-1l!chter 92-95 4. Die Dienerin 95-99

III. DER STANDPUNKT DES DICHTERS 100-110 A. Die pseudo-mora1ische Haske von "liep" und "leit" 100-103 B. Die Tage1iedsituation aus der Sicht des Liebespaares 103-106 C. Ver offene Standpunkt des Dichters der Spl!tzeit 106-110

ERGEBNISSE 111-118

VERZEICHNIS DER TAG1~LIEDER. 119-122 -III-

BIBLlOORAPHIE 123-126 -IV-

VERZEICHNIS DER ABKÜRZUNGEN

Bartsch, ~: BaI-tsch, Karl, HI-sg. Deutsche Liederdichter des zwBlften bis vierzehnten Jahrhunderts. Eine AuswahI. Z'-1eite verm. und verbe AufI. Stuttgart: GBschen, 1879.

Bartsch, §li: Bartsch, Karl, Hrsg. Die Schweizer MinnesHnger. Frauenfeld: HubeI', 1964. De Boor, M!: Boor, Helmut de, Hrsg. Mittelalter - Texte und Zeugnisse. 2 Bde. Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse. Mftnchen: Beck, 1965. Von der Hagen, HS: Hagen, Friedrich Heinrich von der, Hrsg. MinnesHnger. Deutsche Liederdichter des zwBlften. dreizehnten und vierzehnten Jahr­ hunderts. 4 Ede. Neudruck der Ausgabe 1838- 61. Aalen: Zeller, 1963. Ettmüller, Eb: Heinrich von Meissen. Des Frauenlobes Leiche. SpI~che, Streitgedichte und Lieder. ErlHut. und hrsg. von Ludwig Ettmüller. Bibliothek der gesamten deutschen National-Literatur von der Hltesten bis auf die neuere Zeit. Sech­ zehnter Bd. Quedlinburg und Leipzig: Gottfr. Basse, 1843. Neudruck Amsterdam: Rodopi, 1966. Kraus, 12& Kraus, Carl von, HI-sg. Deutsche Liederdichter 13,. Jahrhunderts, 2 Bde. Tübingen: Niemeyer, 1952-8. Deutsche Viertel.1ahrsschrift rur Literatur­ wissenschaft und Gesitesgeschichte Zeitschrift fUr deutsche Philologie ._ .... _..... _ .... __ ._ .. _._._-_._------

EINLEITUNG

Die vorliegende Arbeit gilt dem Tagelied und seiner Entwicklung innerhalb des Zeitraums der h8fischen Literatur. Bevor ich jedoch auf die Besonderheiten des h 8 fis che n 'rage lieds zu sprechen komme, sind noch einige Ausführungen zum Tagelied im allgemeinen und zu seinen literarischen Ursprüngen zu machen. Das Tagelied ist eine lyrische VergegenwHrtigung einer epischen Situation: dem Erwachen und folgenden Abschiednehmen z"leier Liebenden am Morgen nach einer unerlaubten Liebesnacht. Das Erwachen geschieht entweder von selbst, oder aber das Paar kann durch die Natur (Vogel, Sonne,

Hahn, J'.~org~nstern) oder durch einen Vertrauten geweckt werden. Das Er\,Iachen ist Anlass zu einer Diskussion, die die Unwilligkeit der beiden Liebenden, sich zu trennen, sowie die Furcht var der Entdeckung ihres Geheimnisses durch zu langes Z8gern, behandelt. Del' Ursprung der Gattung ist nicht festgelegt, denn AnsHtze findet man in der Literatur der ganzen Welt, da die unerlaubte Liebes­ nacht eine der Ursituationen der Liebeslyrik ist.l Einen direkten Einfluss auf das europHische Tagelied zu finden ist genau so kompliziert wie die Frage nach dem UrsDI'Ung des Minnesangs. Religi8se Anslitze

1. S. A. T. Hatto, "Das Tagelied in der Weltliteratur," DVJ, 36 (1962), S. 489-506. Er findet Belege, die auf das dreizehnte Jahrhundert VOl' Christus, in 1t.gypten, zUI'Ückgehen, sowohl aIs Beispiele in fernen Erdteilen "lie China. und Hittelamerika. -2-

finden sich im zweiten und dritten Kapitel des Hohen Lieds. 2 Klassische Quellen gibt es wenige, aber hier sind zwei Epigramme des Grieehen Meleagros von Gadara (100 VOl' Christus),3 Ovids Elegie, Amores l, 134 und VOl' allem Ovids Leanderbrief, Heroides XVIII5 zu nennen. Die Wiedergabe des Hero und Leander Mythus in diesem Brief nH.hert sieh dem Tagelied am meisten.6

Gegen die alte Theorie des arabisehen Ursprungs des europRi~chen Minnesangs zu eagen ist, dass die mozarabische und spaniseh-arabische

LiteI'atur, in der das Thema der unerlaubten Liebe beliebt ist, die Gattung Tagelied nicht kennt.7

2. FUI' den Einfluss des zweiten Kapitels des Hohen Lieds auf das deutsehe geistliche Tagelied s. Kapitel l, Absehnitt E, 4 diesel' Arbeit. Ffir den Einfluss des dritten Kapitels des Hohen Lieds auf die sogenannte "nahtwîse" ottos von Bottenlouben s. Kapitel l, Abschnitt E, 3. 3. The Greek Anthology, with an English translation by W. H. Paton (London: Heinemann, 1916), l, Book V, Meleagros of Gadara N. 172, 173, S. 211. 4. Ovid, Heroides and Amores, with an English translation by Grant Showerman (London: Heinemann, 1921), S. 369-372. 5. Ibid., S. 244-258.

6. Das Motiv der IsolieI~ng des MHdchens in einem Turm, um sie von ihrem Liebhaber zu verbergeJ:l, und die Gestalt des Aufpassers (hier die Amme), beide vom Tagelied des hBfischen Minnesangs tibernommen, treten hier sehon auf. 7. S. A. T. Hatto, "Das Tagelied in der Heltliteratur," ]2Yl, 36 (1962), s. 502-3. -3-

Auch im Fa11 des Minnesangs weiss man nur sovie1 sicher, dass die Grundform zum ersten Mal in der Dichtung der PI'ovence erscheint. Sie wird a1s "a1ba,,8 bezeichnet und Be1ege filr sie gehen auf das frflhe zwB1fte Jahrhundert zurUck. Sie ist durch einen Refrain charakterisiert, der das Hort "a1ba" enthlUt, und der oft von dem Freund, der das Paar behiltet und erweckt, gerufen wird. Die "a1ba" spie1t zuerst in pastora1er Umgebung. Ba1d verritter1icht sie sich jedoch, besonders a1s der Bewachende in den Hofwllchter ("gaita") umgesta1tet wird. Somit iat ein vo1kstilm1icher Ursprung nicht auszusch1iessen. Das erste deutsche Tage1ied ist dasjenige Dietmars von Aist,9 das in der 1etzten HB.1fte des zwB1ften Jahrhunderts entstanden ist.

Das Lied, wie die frflhe "a1ba, Il spie1t in deI' fI'eien Natur. Der

8. FUI' nliheres über die "a1ba" s. Alfred Jeanroy, Les origines de la poésie lyrique en France au moyen-~ge, 3e ed. (Paris: Champion, 1925), Première partie, Chap. III, S. 75-83; Karl Voretzsch, Introduction to the stud of old French 1iterat re, trans1ated by Francis M. du Mont, 3rd ed. Halle Saale: NiemeyeI', 1931), Chap. X, Part 1, S. 329-30. FUr Beispie1e der "a1ba" s. Raymond Thompson Hill und Thomas Goddard Bergin, Antho10 of the Proven al , Yale Romanic Studies XVII (New Haven: Yale University Press, 1941 , N. 43: Giraut de Borne1h; 71: Fo1quet de Marsei11a; 86: Raimbaut de Vaqueiras; 96: Gauce1m Faidit; 98: Uc de la Baca1aria; 143: Gui11em d'Autpo1; 146: Giraut Riquier. Die a1tfranzBsische Literatur hat auch einige Zeugnisse dieser Gattung.

Sie wird von Jeanroy ('s.o.t' > a1s "aube" bezeichnet, aber nach Ulrich Mill1er, "Ovid 'Amores' - a1ba - tage1iet. Typ und Gegentyp des Tage1ieds in der Liebesdichtung der Antike und des Mitte1a1ters," ~, 45 (1971), S. 451, ist diesel' Terminus in der a1tfranzBsischen Literatur nicht be1egt. 9. Von der Hagen, HS, l, 27, XIII. -4-

Schauplatz der frtlhen de'Utschen TageliederlO ist nicht festgelegt, kann aber eine hSfische Umgebung sein. Holfram von ~schenbach ist der ers te Minnes!lnger, der dem deutschen Tagelied unverkennbar hSfische ll Ztlge verleiht. Es bleibt noch zu sagen, dass die Frtlhzeit (VOl' 1200 und die erste HHlfte des dreizehnten Jahrhunderts) den Refrain der "" Ubernimmt, der aber bald in der deutschen hSfischen Forn wegf1illt.12 Die hSfische Form des deutschen Tagelieds wird also durch Wolfram um die Wende vom zwSlften zum dreizehnten Jahz'hundert fest- gelegt. Das Liebespaar wh'd als Dame und Ritter bezeichnet. Der Handlungsort ist die Burg, speziell das Turmzimmer der Dame und die Burgmauer, tlber die der Ritter fliehen muss und von der aus der WHchter singt. Diese WHchtergestalt wird von Wolfram aus der "alba" tlbernommen und in das deutsche Tagelied eingefUhrt. Sie bleibt aIs w6sentliche Gestalt des deutschen hSfischen Tagelieds dUI'ch alle

Stadien seiner Entwicklung erhalten. Der l~Hchter singt einen lo/eckruf oder ein Ulngel'es "\-lllchterlied" am Anfang des Tagelieds. Mit der Einftlhrung deI' \>lHchteI'figur ergeben sich Probleme. Sie ist

10. Diese sind die Tagelieder Heinrichs VI: Von der Hagen, MS, l, l, II und Heinrichs von Morungen: Von der Hagen, llê" l, 3/., XXX. 11. S. Wolframs Tagelieder: Kraus, DL, 69, l, II, IV, V, VII. 12. Dazu S. Kapitel l, Abschnitt C. -;-

nioht nur die Vertraute des Liebespaares, aondern sie steht auoh im Dienst des Burgherren. Die Frage naoh ihrer Treue, ihrer Besteohung, ihI'e eigene Angst vor der Entdeokung des Liebespaares', sind das Thema veI'sohiedener Tagelieder13 und sie maohen die h8fisohe Form des r;ragelieds sehr kompliziert. HBfisohe Figuren stehen auoh im Hintergrund. Erstens gibt es den eifersüohtigen Vormund der Dame, ob ungeliebter Gemahl oder Vater, der seine Toohter im Turm isoliert, um die Gefahr, dass sie sioh in einen standesmindeI~Rrtigen Ritter verlieben wird, zu veI'meiden. Diesel' Vormund ist zugleioh der Dienstherr des Wllchters. Ferner gibt es die "huote," eine Aufsicht, die deI' BuI'gherr verriohtet, um die Keuschheit, Treue und "ere"A der Dame zu bewaohen. Diese "huote" wird einer Gruppe von Rittern, genannt "merkaere," übertragen und sie wird anderseits vom Liebespaar durch Bestellung einer persBnlichen Aufsicht, nH.mlioh des Wllchtel's, durchbrochen. Dann sollte man im Auge behalten, dass das Tagelied des hBfischen Minnesangs nur schwer zum Min>1esang gerechnet werden kann, da von "minne" nicht die Rede ist. Ihr Gegenstanù ist weder die literarisch-stilisieI'te, einseitige Anbetung des Ritters ("hohe minne") noch die nul' sinnliche Liebe ("nidere minne"). Es handelt sich hier um

13. S. Kapitel II, Abschnitt C, 2. ---,

-6- gegenseitige Liebe, an der Herz und K8rper teilnehmen. Der Begl'iff

"Liebe," da er ais Terminus in der mittelhochdeutschen Literatur noch nicht fest ist, erlebt besondel'e Ausdrucksschwierigkeiten in der Gattung Tagelied. Er 'Wird manchma1 mit "minne," "froide" oder 11iep" umschriaben,

Bfter aber nicht genannt und nur in schwRrmerischen, emotionellen GesprRchen zum Ausdruck gebracht. und Tage1ied unterscheiden sich weiter darin, dass der Minnesang die Frau a1s GBttin ansieht, sie idea1isiert. Die Emanzipation der Frau ist eine der Grund1agen des Minnesangs. Das Tage1ied aber bat a1s Grund1age die Unfl'eiheit der Frau, die Ste11ung der Fl'au a1s Eigentum des J.1annes. Die zwei Dichtungsarten widel'sprechen sich hier a1so sehr deut1ich.

Das Tage1ied und seine Grundsituation sind, wie im Fa11 des Minnesangs, nUl' 1iterarisch bezeugt. Hat das Tage1ied aber einan realistischen Hintergrund? Da die Ge1iebte des Ritters im Tage1ied oft eine sozia1 h8her geste11te Frau ist, ist es nicht mBg1ich, dass hier' nUI' die idealistischen, unel'fll11baren Wllnsche des Minnel'itters dargeste11t wel'den? Die Ungleichheit, ob finanzie11, standesgemAss odel' ehestandes­ gemM.ss, ist aber eine Voraussetzung der Urtage1iedsituation, nicht nul' der hBfischen. In der hSfischen Zeit ist diese Standesung1eichheit der Liebenden m8g1ich, da die Rea1itllt der aus finanzie11en Gt-tlnden arrangierten Ehen dokumentarisch bezeugt ist. Diese Ehen lies sen 'Wenig

Raum far Liebe und sogar die dama1ige~ Minnetheol'ien sahen einen wider- -7- spruch in den BegriffE!n "Ehe" und "Liebe. "14 Die Liebe musste a1so in ausserehelichen VerhAltnissen gesucht werden und die iso1iel'te Lage der Burg Uberliessen der Frau kaum die Ge1egenheit, mit einem Standes­ gleichen einer anderen Burg in engere Freundschaft zu treten. Sie musste sich an die Gefo1gsm!lnner des Burgherz'en wenden. Da Ehebruch aIs eine grosse SUnde galt, kann man sich vorste11en, dass die Entdeckung einer vel'heirateten Dame mit ihl'em Liebhaber emste Konsequenzen mit sich brachte. Also haben das h8fische Tagelied und die Angst der Beteiligten einen konkl'eten, realen Hintergrund. Das h8fische Tagelied entwickelt sich dux'ch das ganze dreizehnte Jahrhundert und in der ersten HMlfte des vierzehnten. Die

vorliegende Arbeit wird auch die wenigen frtihen VOl' dem dreizehnten Jahrhundert entstandenen Tagelieder, die noch nicht die Ha.uptzüge der h8fischen Form enthalten, kurz behandeln, um sie mit der h8fischen

Foz~ zu vergleichen. Das h8fische Tage1ied der FrUhzeit (das dz'eizehnte Jahz'hundert untel' Ausschluss der letzten zwanzig Jahz'e) unterscheidet sich im wesentlichen von dem Tagelied der Splltzeit (Ende des dreizehnten,

14. FUI' diese Auffassung bei Heinz'ich von Veldeke s. Friedrich Maux'el', Leid. Studien ZUI' Bedeutungs- und Prob1emgeschichte besonders . in den l'ossen E en der staufischen Zeit, 2 AufI., Bibliotheca Germanica l Bern: Francke, 1961 , Kap. 6, S. 98-101. FUI' die Auffassung bei Andreas Cnpe11anus S. sein De Amore, l'ecensuit E. Trojel, 2 Aufi. (Mfinchen: Eidos, 1964), Lib. 2, Cap. IV, S. 249, lolO el' schreibt: "Sed superveniens foedel'atio nuptiarum violenter fuga. t amol'em." ~~~_. _____~_._.(Q=W_'~ __ ' ______

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erste H!llfte des vierzebnten Jahrhunderts) durch den Ernst der

Behandlung. Die im Tagelied dargestellte Situation ~ird in der

Frflhzeit aIs leidvoll angesehen. In der SpRtzeit, deren Hauptkenn- zeichen schon in der z'Weiten HRlfte des dreizehnten Jl'lhrhunderts

einsetzen, ~ird die Situation eber aIs komisch angesehen. Die Dekadenz der ritterlichen Gesellschaft mit ihreI' jetzt lockeren Moralauffassung machen das Tagelied zu einem freudigen Liebeslied, in dem die "huote" und die Angst kaum nocb eine Rolle spielen.15 Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts setzt der tlbergang vom h8fischen zum bHrgerlichen Tagelied ein, also solI dieses Datum die Russere zeitliche Grenze der Arbeit bilden.16 Wie der obige Abschnitt zeigt, 'Wird die Arbeit 'Weitgehend das h8fische Tagelied in seiner historischen Ent'Wicklung betrachten, 'Was in frtiheren Arbeiten über das Tagelied fehlte. Diese Arbeiten17 geben nul' einen gesamthistorischen UberblickIl über das deutsche

Tagelied, nach Epochen, bis in die volkstümlichen Typen des aus-

15. Für diese Ent'Wicklung s. Kapitel II, Abschnitt C, 4 und Kapitel III, Abschnitt C. 16. FUI' diese Ent'Wicklung s. Kapitel II, Abschnitt C, 4. 17. Walter de GI'Uyter, Das deutsche Tagelied, Diss. (Leipzig, 1887); A. Mayer-Rosa, Studien zum deutschen Ta~elied, Diss. (Tübingen, 1938); Friedrich Nicklas, Untersuchun über~til und Geschichte des deutschen Tagelieds, Germanische Studien, Heft 72 Berlin: Ebering, 1929); Georg SchlRger, Studien über das Tageliec!, Diss. (Leipzig, 1887). -9-

klingenden Mittelaltel's und sogar ins achtzehnte Jahrhundert hinein. Alle flilheren Arbeiten sehen die·· h8fischen Tagelieder aIs eine einhei tliche Gruppe an. Die AI'beit von Nicklaa, Untersuchung Uber Stil und Geschichte des deutschen Tagelieda, hat eine breitere Untersuchung des hBfischen Tagelieds zum 'l'hema, hier aber wird das hBfiache Tagelied aIs eine historische Einheit ohne innere Entwicklung angesehen. Die vorliegende Arbeit will eine histol'ische Entwicklung innel'halb des hBfischen Tagelieds selbst verfolgen. Die Untersllchung hat die folgenden Haupteinteilungen: Aufbau, Rolle des WHchters und Standpunkt des Dichters. lm ersten Kapitel "Aufbau des h8fischen Tagelieds" werden die rein formalen Aufbauelemente wie Rahmenhandlungen, FOlmen der Rede und Refrain sowohl aIs inhaltliche wie der Wechsel von "liep" zu "leit" behandelt. Auch die VerHnderung des lnhalts durch formale Erweiterung wie z. B. Epiaierung wird unteI'sucht. Der Aufbau der sich parallel entwickelnden alternativen Formen, di-e auf der hBfischen Form basieren, l-1erden im Anschluss behandelt. Diese sind "Kritik am Tagelied," "Tagelied des Einsamen," "nahtwise" und "Geistliches Tagelied."

lm zweiten Kap-i..tel "Rolle des l-lHchters" werden die Fllnktionen des WHchters wie z. B. Wecken und Bewachen formaI sOltlie inhaltlich untersucht. Auch die Darstellung der negativen Seiten seines Charakters wie z. B. Angat, Untreue und Geldgier, die in der SpHtzeit aufta1.lchen,wird hier behandelt.

lm dritten Kapitel "Standpunkt des Dichters" wird die FI'age, -10- warum die Minnes!lngel' Uberhaupt TageliedeI' schrieben, zu beant\o10l'ten versucht. Generell ml:3chte die Arbeit folgende Hauptfragen beantwoI'ten:

1. Ob es i~~eI'halb des hl:3fischen Tagelieds verschiedene En~~icklungs­ stufen gibt. 2. Ob es eine typische oder ideale FOI'm des hl:3fischen Tagelieds gibt.

Am Ende der Arbeit soll eine vollst!lndigere Liste der hBfischen Tagelieder gegeben werden, als bisher gemacht wUl'de. Diese wel'den alphabetisch untel' Verfasser aufgezeichnet. -----, 1

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-Il-

I. DER AUFBAU DES H~FISCHEN TAGF.LIEDS

A. Del' epische Rahmen

1. Das Tagelied der frUhh8fi~chen Epo~~

Vas Tagelied der frühhBfischen Epoche ist formaI zu beschreiben aIs ein lyrisches Gedicht, das sich mit der Zeitspanne zwischen zwei

~'eignissen besch!ftigt: dem Erwachen des Liebespaares oder dem W!chterruf und dem Abschied des Ritters. Der Rahmen Erwachen-Abschied findet sich bei den f:r6.hhBfischen Tageliedern Heinrichs VI,18 Dietmars von Aist,19 Heinrichs von MOI'tmgen,20 Walthers von der Vogelweide21 und noch bei einem \-lolframs von Eschenbach. 22 Der Rahmen Wlichter- ruf-Abschied wird Anfang des dreizehnten Jahrhunderts zuerst von lvolfram von Eschenbach23 verwendet, denn el' ist, wie erwl!hnt, deI' erste

18. Von der Hagen, ~, l, l, II. 19. Ihid. , 27, XIII. 20. Ibid. , 34, xxx. 21. Ibid. , 45, VIII.

22. Kraus, ~, 69, VII. 23. Ibid. , l', II, IV, V. ,_","," " .... ,h .. , ...... , __ ...... ", ..." ... ,~ •••••._,., .... ~ ... ~ •• ,,'.".,.~"', ...... ", ••.. , '_'_' ••••••• ~. ~ •••. ",.'."-.".-' • .. ·.'.FI"# ....' .... ~, ....~Y\·,.· •.""' .... "'"'···...... " .. ·· .....·"' ...... "'.,., ...... , .. '''~"""'------

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deutsche Dichter, der die Wllchterfigur der provenzalischen "alba"

Ubernimmt und in das deutsche Tagelied einfUhI't. Diesel' Rahmen Wllchterruf-Abschied wh'd von den meisten Tagelieddichtern des dreizehnten Jahrhunderts, untel' Ausschluss der letzten zwanzig Jahre, übelnommen, darunter BI'Uno von HOI'nberg,24 Kristan von Hamle, 25 Otto von Bottenlouben,26 Rubin,27 Ulrich von Winterstetten,28 Walther von Prisach,29 von vlissenlo,30 dem Harner,3l Konrad von Würzburg,32 und Heinrich Teschler.33 Betrachten wir jetzt den Rahmen Wllchterruf-Abschied an Hand von drei typischen Beispielen aus dem dreizehnten Jahrhundert. Die

Anfangsstrophe des Tagelieds Walthers von Prisach bildet den \~eckruf des Wllchters:

24. Xraus, DL, 3, III. 25. Ibid., 30, VI. 26. Ibid., 41, III, XIII. Ein Ausnahmefall ist sein Tagelied N. IX (IV), welches den Rahmen aufhebt und erweitert. 27. Ibid., 47, XX. 28. Ibid., 59, VII, XIII; XXVII, XXVIII; XXIX. 29. Ibid., 63, II. 30. Ibid., 68, l, II,

33. Bartsch, ~, VIII, 7. -13-

n'lch singe und solte weinen den tugenthaften l'itters lîp, daz niht mins sanges meinen dich kan gemanen, werdez wip.~ noch hoere w1sen rât: der tac ûf gât und lât diunaht il' vinster varwe als ie.

vil sch~ne w1p, bewar daz wol gevar, der gar an mÎne huote sich verlie.'" 34 Die letzte Strophe beschreibt den Abschied des Ritters: "Von den gelieben beiden wart dâ mit willen unbegeI't ein j'àmerllches scheiden. dem rit teI' und der frou\o/en wert il' wunneclich gemach daz scheiden brach und jach in wandelunge: liebe in leit. il' heI'zen wehsel wart

d~ niht gespart.

diu vart als~ geschach, der tac zuo schreit.·" 35

34. ~Jalther von Prisach: Kraus, DL, 63, II, Str. 1. 35. Ibid., Str. 5. -14-

Bei einem Tagelied des Marners steht der Weekruf ebenso am Anfang: ""Ieh 1dlnde in dem done: deI' tak vil sehone wil ur sin; "1:.36 Der Absehied steht am Sehluss des Gediehtes! Hijer helt slouf dur den hak: alda luhte im der tak.·tt '37 Ganz entspreehend mit dem WachteI'I'Uf am Anfang und dem Absehied als

Schluss ist ein Lied Ulriehs von ~linterstetten aufgebaut:

n "Swer n~ verholner minne pfligt, den wil ieb warnen: es ist ztt

daz el' von liebe scheide. III '38 Der letzte Vers besehreibt den Abschied:

If el' kuste si und sehiet von dan." 39 Der Rahmen maeht das Tagelied zu eiDer Lyrik mehr episehen Charakters, denn das Tagelied bi1det die 1yrische Mitte in eiDer Kettœ

36. Der Marner.: Von der Hagen, !,1ê, II, 118, II, Str:·I, V. 1-3. 37. Ibid., Str. 3, V. 20-21. 38. Ull'ieh von Winterstetten: KI'aus, DL, 59, VII, Str. l, V. 1-3. 39. Ibid., Str. 3, V. Il. Der Rahmen fH.l1t nieht notwendigerweise mit den ~~rangs- und Endzei1en zusammen, wie in den obigen drei zitierten Liedern, sondeI'n das Gedicht kann alleh mit einer kurzen, 1yrisehen Besehreibung des Liebespaares oder WH.ehters einge1eitet und wieder von einer kurzen, 1yz'isehen BesehI'elbung des emotione11en Zustands des PaaI'es abgeschlossen werden. -15-

von Ereignissen VOl' und nach der Rahmenhandlung. 40 Die Geschehnisse, die sich in der hBfischen Welt abspielen, kBnnen z. B. sein:

!!. Die Dame wh'd wegen der Eifersucht ihres Vormunds der mlinnlichen Gesellschaft entzogen und in einem Turm isoliert. :2. •. Der Ritter wirbt heimlich um die Dame •

.2,. Die "huote," nlimlich die Aufsicht, die der Burgbesitzer Hber seine weiblichen Verwandten fHhrt, w.ird durchbrochen, in dem das Liebespaar einen Wlichtel' beauftragt, es wHhrend der Nacht zn bevlachen und am Horgen aufzuwecken.

~. Dame und Ritter kommen endlich zusammen in der ~gerwartetsn Liebes­ nacht.

~. Nach dem Abschied flieht der Ritter Hber die Burgmauern am frUhen Morgen.

Aber da das Tagelied zur lyrischen Gattung gehBrt und nicht ErzHhlung ist, werden diese Ereignisse im Gedichtinneren nicht auf epische Weise gestaltet. Sie werden im Dialog des Liebespaares, im Gesprlich zwischen Liebespaar und Wlichter indirekt offenbart oder im WHchterruf angedeutet. vIeil diese Ereignisse nicht direkt beschrieben weL'den, iat es m8g1ich, die Einheit von Zeit und Ort aufrechtzuerhalten. Zeitpunkt der Geschehnisse des Tagelieds iat der Sonnenaufgang, der Ort das Turmzimmer der Dame, dessen Fenster in den h8fischen Liedern auf

40. Diesel' Rahmen soll deshalb von jetzt an in der Al'beit als epischer Rahmen bezeichnet werden. .••.•••••.•••• _.,_ ••____ ._ .... _ ...... ,., .. ~., ... , ... .m:.... ~ __~_~~~, ______• _____._. ______

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die ~inne des \lHchters schaut. Ebenfa11s ver1eiht die 1yrische Behand1ung der epischen Ereignisse dem Konf1ikt des Liebespaares mit den moralischen Gesetzen der Gese11schaft einen einheitlichen

Charakter. Das Erwachen oder der WHchterI~f bringt diesen Konf1ikt in Bewegung, und der Abschied beendet ihn.

2. Das Tage1ied der spHth8fischen Epoche

Die Tagelieder, die in das spHte dreizehnte und das frUhe vierzehnte Jahrhundert fR11en, mit der Ausnahme einiger Lieder Had1oubs'~ 41 übel'schreiten diesen Rahmen, in dem sie epische Erweiterungen br;i.ngen und die Geschehnisse, die in der Frflhzeit nul' angedeutet wurden, hier ausführlicher darste11en. Lange Ein1eitungen hande1n von der Werbung des Ritters, von der Beste11ung des \tJl!chters, VO~l der Vorfreude des Liebespaares und von der Ankunft des Ritters. Auf diese Weise wel'den die Einheiten von ~eit und Ort aufgehoben und damit ver1iel't auch der Konf1ikt an Einheit. Das seehsstrophige Tage1ied des Burggrafen'Tv,6n Luenz hat z. B. eine zweistrophige episehe Erweiterung: "Es giene ein juncfrou minnec1îch zem wahter an die zinne stan:

41. Bartsch, m~, XVII, 33, 34. -17-

'wahta~l', wis hohes muotes r1ch: sehst ieman tougan zuo dir gân,

sô sprich vil ltse "weI' g3t d~?" und ouch niht freven11che gal'. spI'ech el' dann balde zuo dir "js." , aS wizzest daz el' rehte var.

II> du winke im an daz vensterlin; des lônet dir diu fI'ouwe min.'

,. ,. Diu wile was niht lanc dar nach,

der hôchgelopte deI' loun s~. dam wahter was zer miete g!ch,

SI' sprach vil balde "weI' g~t dâJ?" 'daz bin ich der der minne gert: , wahtaer, du hüete h~h emboI'.' ,, il' mugt" wol sin,.,. der minne wert.

stêt eine w~,le noch d~ VOl'. " ein in verlazen wart im kunt.

el' kuste il' l'bse::ll'Sten mun:li. ft. 42 Dia Einheit deI' Zeit wird im obigen Gedicht aufgehoben, da sich dia Handlung zum grossen Teil am Abend VOl' der Tageliedsituation abspielt. Ebenso wird der Konflikt dUI'ch viele epische EI'eignisse erweitert:

42. Burggl'af von Luenz; Kraus, S 36, l, St!'. 1 und 2. ~~"",.u_tL6____ )IU __ '''':!JI.'''l'!:M'''d.l'> ___ , _____ ,_,_. _. __ • ______...... __~ ...... _ .. _. ______.. _

-18-

Die Dienerin bittet den WllchteI', dem Ritter den Weg zum TurmzimmeI' zu zeigen, dann mietet sie ihn rur "lBn." Der Ritter kommt heimlich, bittet den W8.chter um Einlass. Diesel' fragt zuerst die Dame, oh deI' Ritter mm auch deI' richtige oder ein listiger "merkaere" sei, l.md schliesslich erkennen Dame und Ritter einandeI'. Dieses Vorspiel nimmt ungef8.hr ein llritte1 des Tagelieds ein, denn der eigentliche

\oleckruf erfolgt erst in der dI'itten Strophe.43 Ebenso wird das Gedicht dann nach dem Abschied erweitert, da der Verfasser eine religiBse StI'ophe anh8.ngt, die auf den Kreuzzug weist und die im Wesentlichen nichts mit dem Tagelied zu tun hat.44

Ein Beispiel fUr ein Gedicht, das alle stI~kturelle Einheiten, die im frUhhBfischen Tagelied festgelegt "nu'den, auf18st, ist das lange Gedicht Günthers von dem VOI'ste,45 welches aus 23 Strophen besteht und das hier nul' im Inhalt wiedergegeben weI'den kann: Strophe

ains ist eine Einleitung de~ Vel'fassers, in der el' alle,-,diè nicht

43. Auch ein Tagelied des MaI'ners; Von deI' Hagen, ~, II, 118, III, zeigt in der eI'sten StI'ophe, die also wieder ein Drittel des Gedichts ausmacht, wie die Dame den W!lchter engagiel't. 44. Sie wird im Àbschnitt E, 4 "Geistliches Tagelied" dies es Kapite1s behandelt. Ein weiteI'es Beispiel von der Aufhebung der Ueit in der Tagelied­ situation ist das Lied Ulrichs von Lichtenstein: Kraus, Q1, 58, XXXVI. Das Gedicht hat sieben Strophen, aber eI'st in der fUnften beginnt die Tageliedsituation. Die ersten vier handeln von der Ankunft des Ritters und von der Liebesnacht, lassen also nicht ahnen, dass das Gedicht zum Tagelied werden soll.

45. Kraus, ~, 17, V. -19- glauben, dass el' über Minne schreiben kann, auffordert, es zu sagen, denn dann werde el' sofort schweigen. Niemand scheint entgeffnet zu haben, denn sie zweite Strophe beginnt mit der Werbung des Ritters. Die dritte Strophe behandelt den MisseI'folg des ersten Zusammentreffens. Er war dUI'ch ein GeI'B.usch untel'brochen worden und das Liebespaar musste sich auf ei.nen anderen Zeitpunkt einigen. In den vieI'ten und fUnften Strophen WiI'd die Vereinigung des Liebespaars dargestellt. In den Strophen sechs bis zwanzig entwickelt sich dann ein langer Liebes­ streit zwischen dem Ritter und der Dame. Wichtig fUI' eineBetrachtung der epischen Erweiterung ist, dass diesel' sich noch wRhrend der Nacht entwtckelt, denn erst in der zwanzigsten Strophe beginnt der Tag in das Fenster hineinzuschauen, und hier erst erkennt man, dass das Gedicht zum Tagelied weI'den soll. Ein WRchter kommt in dem Gedicht nicht einmal VOl', eben weil der Konflikt zwischen Gesellschaft und Liebespaar zur Seite geschoben wird, um den Liebesstreit hervortreten zu lassen. Nul' noch drei Strophen bleiben roI' einen weiteI'en Dialog. Vom Abschied wird nicht gesprochen. Das Gedicht endet mit einer

VersBhnung, und die letzte Strophe bietet eine ~sammenfassung des Dichters: dass man nHmlich einer Meinung sein solle, ehe man sich scheide, sonat leide man hinterher tagelang. Also wird ein Abschied angedeutet, obwohl el' sich im Gedicht nicht ereignet. Del' epische Rahmen im Gedicht ist aufgehoben, weder Erwachen -- da das Paar die ganze Nacht dUI'ch streitet -- noch WHchteI'ruf und Abschied werden genannt, und deI' MOI'gen wu'd nur nebenbei am Ende des Lieds erwHhnt. -20-

Der Streit hat nichts mehr mit dem Tageliedkonflikt zu tune Er besteht nul' aus Forderungen des Ritters und der Dame, sich gegenseitig ihre wahre Liebe zu beweisen. Nur der Refrain im Anschluss an jede Strophe: "ez n&het deme tage. swâ sich zwei liebe scheiden,

tt die haben herzeleide klage. . 46 erinnel~ daran, dass das Gedicht ein Tagelied sein soll.

Die epische EI~eiteI~ng in einem Gedicht Johannes Hadloubs ftlhrt zu neuen Ergebnissen: trSich fr8it ûf die edlen nacht ein geslacht minnaere harte, des sin'-" frouwe ruochen wil.

s~ der tac s!n liecht verlât,

secht, s~ g~t st an die warte, als si"- hant geleit il' zil: sS kumt el' gegangen tougenltche

unde rüert daz tOI' s~ 11se ies~;

s~ s1 daz erhoert, diu minnecltche, so spricht si "min herre, bist dG d'â.?" el' spricht 'edeliu frouwe, jâ!'

46. Günther von dem Vorste:; Kraus, Qb, 17, V, Str. 1-23, V. 8-10. -21-

tuo mil' ûr, vil wunnen rtche, daz ich dich al umbevâ. 'n° 47

Auch hier beg~~t das Gedicht mit der Vorfreude des Ritters und, da die ganze erste Strophe von insgesamt drei Strophen eine Beschreibung dessen ist, wie der Ritter zu den Gemachern der Dame kommt, werden die Einheiten von Zeit und Ort zerstBrt. Wir sehen den Ritter den ganzen Tag auf den Sonnenuntergang warten. Das 1iegt aber ausserha1b der Zeitspanne der Tage1iedsituation. Ebenfa1ls bewegt el' sich damit ausserha1b des üb1ichen Hand1ungsortes. Diese Aufhebung von Zeit und ili't hat Auswirkungen auf das Inha1t1iche und auf die Stimmung des Tage1ieds. Obwohl dieses Kapite1 sich hauptsHch1ich mit forma1en Aufbaufragen befasst, ist schon jetzt einsichtig, dass eine Aufhebung des epischen Rahmens zug1eich zu eineI' Verschiebung im Inhaltlichen rtlhrt. Der Konf1ikt, der sich norma1eI'Weise zwischen WHchterI'uf und Abschied entwicke1t, ist 1eidvoll, da er den sich widerstreitenden Emotionen: Ful'cht vor der Entdeckung und Kummel' über den bevorstehenden Abschied g.ilt. Bei der epischen Erweiterung im obigen Gedicht wird disses Leid aufgehoben, da die Vorfreude des Ritters den spHteren Konflikt nicht ahnen lasst. Das Taee1ied WiI'd zu einem fI'eudigen Liebeslied. Nach langen ausschliesslich erotischen Beschreibungen endet das Gedicht mit dem WHchterruf, der normalerweise den Anfang bildet:

47. Johannes Had1oub; Bartsch, §M, XXVII, 51, StI'. 1. -22-

"daz in fr8ide wird verzücket,

sô der wahter tages gicht. ft 48 Dass dagegen die Bewahrung des epischen Rahmens einen grossen Einfluss auf den leidvollen Charakter des Tagelieds ausubt,Il kann weiter ein Lied Ulrichs von Lichtenstein49 zeigen. Hier verabschiedet sich der Ritter nicht am Moz'gen, sondern fragt die Dame: "maht du mich verbergen iender hinne?"50 und die Dame vel'bil'gt ihn den ganzen Tag. Damit wil'd aber die Tageliedsituation aufgehoben, da die Notwendigkeit eines Abschieds, die ml' die heimliche Liebesszene wesentlich ist, fehlt. Nachts bleibt der Ritter wiader bei der Dame, und obwohl dieses Mal das Gadicht mit dam Abschied endet, verliert es seinen leidvollen Charakter, weil sich die Handlung wiederholt. Statt leidvolles Tagelied zu sein,ist das Gedicht ein eher komisch wirkendes "Zweitagelied."

Die epische ErweiteI~g ist im allgemeinen ein Merkmal der Sp!tzeit, aber dennoch finden wil' ein Beisniel auch in einem Lied aus dem frilhen dz'eizehnten Jahrhundert, nHmlich in dem Tagelied Walthel's von der Vogelweide. Hier wird nicht nur die Tageliedsituation dal'gestellt, sondel'n nach dem Abschied des Ritters wirdeine weiteI'e Strophe hinzu-

48. Johannes Hadloub; BaI'tsch, §M, XXVII, 51, V. 38-9.

49~. De Boor, MA, II, IX, l, S. 1685-7. 50. • Ibid., V. 13. -23- gefflgt, in der die Dame über ihre Lage reflektiert.5l

B. Die Formen der Rede

1. Wechselrede

Der Konflikt im h8fischen Tagelied spielt sich"wie bereits erwHhnt, zwischen der traditionellen moralischen Haltung der Hof- gesellschart und der von ihr aIs "unmoralisch" betrachteten Privatwelt

des Liebespaares ab. Diesel' Konflikt spiegelt sich in den Stirnmungen

des Tagelieds: in der Furcht aller beteiligten Personen vor Tod und

Entehrung52 im Fall der Entdeckung," in der Angst um die Treue des Wâchters,53 in der bedrHngenden Eile, in der Unwilligkeit der beiden Liebenden, sich voneinander zu trennen. Die hHüfigste Darstellung dies es Konfliktes und der damit zusammenhHngenden Stimmungen geschieht

in Form einer Wechselrede, sowohl in den Tageliedern der fl~hh8fischen

wie in denen der spHth8fischen Zeit.

51. Doch hier iat der Grund fUr diese Erweiterung ein anderer, der mit der inneren Struktur des Gedichts zusammenhHngt und der im Abschnitt il dies es Kapitels besryrochen werden solI. 52. S. dazu Kapitel II, Abschnitt B. 53. S. dazu Kapitel II, Abschnitt C, 2 und 3. -24-

Es gibt zwei Arten von Wechselrede, die ich im folgenden aIs den direkten und den indirekten Wechsel bezeichnen m8chte.

a. Del' diI'ekte Wechsel

Der direkte Wechsel besteht aus einem Dialog zwischen W!chter und Dame. Del' HHchteI', obwohl ein Vertrauter des Liebespaares, vertritt hier den Standpunkt der Gesellschaft, in detTl el' zur "maze" mahnt und VOl' der Konsequenz der Entdeckung, der nHmlich den Tod bedeuten kann, warnt. Seine Existenz im Gedicht ist überhaupt nul' n8tig wegen deI' strengen moralischen Haltung der Gesellschaft. Die Dame vertritt die echte Liebe in einel' Gesellschaft, die einerseits die Ehe aIs aine

nach materiellen Gesichtsplln~ten abgeschlossene Verbindung kennt, und die andererseits die Minne aIs den Ausdruck einer flberstilisieI'ten literarischen

Haltung ansieht. Die Worte der Dame sind ein Ausdruck der Flucht VOl' der rlealitHt des kommenden Tages. Sie klagt den WHchter aIs Lügner an, versucht ihn zu überzeugen, dass die Sonne der Mond, die Lerche die Nachtigall sei, bittet um J.fin1.lten, versucht den \o11:1.chtel' zu bestechen, dem Hor den Morgen spHter anzuldinden. 54 Der Ritter nimmt an diesern Wechsel nicht teil. Er iat die einzige Person im Gedicht, die die M8glichkeit hat, sich frei zu bewegen. Alles hHngt vorn Erfolg seiner Flucht ab, also loJil'd el' und sein Abschied zum Gesp1'Hchsthema zwischen

54. FUI' das Motiv der Bestechung s· ... Kapitel rI, Abschnitt C, 2. -25-

Wllchter und Dame. Ich zitiere ein Beispie1 eines direkten "lechse1s: ":'roh, bin der der 1ieben 1iebiu maere singet und der 1ieb von 1iebe dicke unsanfte bringet. s\-laz lch sol, daz 1eiste ich in mit triuwen gar: bringe ich 1ieb ze 1iebe, ist beiden 1ieb al dar, singe ab ich ein scheiden, ne ment sies vil kleine war.'

'\Tachtaer, wie mag dich sô kurzer w1.1e~ erlangen, sit ich h~ den 1ieben man zuo mir gevangen, der mir an dem arme und in dem herzen lit unde mir fUI' sende sorge spilnde fr8ide gît? \-Iahtaer, bekennest dû des mfulen schln fUI' tages zit?'

'FI'ou\-le, ich kan ze hu1den iu niht \-101 gesingen: got der 1âze iu beiden iemer wo1 ge1ingen! iedoch k1ag ich den ede1n werden süezen man; mir ist 1eit,. sol ich im he1fen niht von dan.

A \-101 im der bi 1iebe 1eides sich behüeten kan!'

.. sit din r~t mit tl'iuwen vert, wahtaere guote, sô gang von der wer her umbe an dise huote.

1\. , ,. ja gtorste ich dir min leit niht wo1 gek1agen ê: oweA liebes mannes und mins~ herzen wel~ -26-

wahtaer, nim m'ln golt und hilf im hin, swiez mil' eI'g~. tn 55

b, Der indirekte Wechsel

Beim indirekten Wechsel wird der 'Weckruf des W!chters von deI'

Dame ZW8.I' wahrgenommen, aber dem Ritter in verflilschtel' Fom w:l.4JÙel'ge-

"aben. Der W!chtel' bekommt hier keine AntWOI't. Oi't reden Wlichter und Dame abwechselnd aber unabhHngig voneinander, und sie stehen somit

nicht in einem Dialog. Der dramatische Konflikt entwickelt sich hier

also auf indiI'ekte Weise, indem die Da.me den Aussagen des \tllichteI's in

ihrem Gesprlich mit dem Ritter widerspricht, Nach dem WeckI'uf des

\ollichters in einem Gedicht des Marn~I's:

n.llch kt\nde in dem done:

der tak vil schone

wil uf sin;

swel' tougen minne,

der beginne

wachen, des ist zit. ,III:, 56 widerlegt die Dame seine Aussagen, in dem sie zum Ritter sagt:

n1lieber herre min,

Del' wahtel' j iht,

55. Kt'istan von Hamle: Kraus, !J1, 30, VI. 56. Del' MaI'ne!': Von der Hagen, !1ê, II, 11S, II, Str. l, V. 1-6. ~~-~------

-27-

el' sehe den morgen schinen;

des waene ich niht:

dien kleinen vogellinen

. troumet ut' esten;

des steI'nen glesten triuget:

der wahter liuget;

des el' sich schamen mak,

wan ez ist noch niht tak. '" 57

Bei der indirekten :F'oI'm gibt es die H8g1ichkeit, dem WRchteI'

etwas mehr Gesicht zu geben, in dem el' dUI'ch Monologe über seine

eigentliche Funktion des l!eèkens und Beschützens hinaus charakterisieI't

wird. 58 Bei der indiI'ekten Form des Wechsels entwickelt sich oft ein

langer Dialog zwischen Dame und Ritter. Das Problem bei diesem Dialog

ist, dass el' dahin tendiert, den Hauptkonflikt des Tagelieds auf ein

LiebesgesprRch zwischen Dame und Ritter zu verlagern.

Der vlechsel des Dialogs fRllt hRufie mit dem Strophenwechsel

zusamll1en. UngefllhI' 6o:t der Tagelieder weisen drei Strophen auf. Mit

Ausnahme des oben zitierten Gedichtes Kristans von Hamle, das aus

viel' Strophen besteht, haben alle Lieder mit diI'ektem Wechsel drei

57. Del' MaIneI': Von der Hagen, !12., II, 118, II, Str. 2, V. 12-2l.

58. Beispiele dafür sind die Rngstlichen WRchteI' Hadloubs, s. Kapitel II~ Abschnitt C, 2. Die FOI'lll des indirekten Wechsels erlaubt es auch, dass die Dame ihr Misstrauen dam W!lchter gegenüber aI'tikulieI't. t

-28- 1

Strophen, wobei ab'Wechselnd \-lllchteI' und Dame sprechen. Beim drei- stI'ophigen indirekten Wechsel sprechen Wllchter, Dame und Ritter in diesel' Reihenfolge. Alle 11lngere Tagelieder haben die Form des indirekten Wechsels und hier wird die grBssere StI'ophenzahl fÜI' einen ausfUhrlicheren Dialog zwischen Ritter und Dame ve~lendet. t " 1, ï 2. Monolog ï 1 t Ebenfalls gibt es Tagelieder in Monologform, allerdings seltener aIs solche mit einer \-lechselrede. Es kann ein Monolog des RitteI's, der Dame oder des vJllchters sein, oder aber es spl'icht nul' deI' Vel'fassel'. Sie sollen im folgenden im einzelnen bespl'ochen

VIeI'den:

a. VeI'fassel'lied

Von den z'Wei AI'ten VeI'fasseI'liedeI'n solI nul' eine diskutiel't r 59 i VIel'den. Die Tageliedsituation 'Wird hier ausschliesslich vom l Verfasser beschI'iehen, ohne dass die Emotionen des Liebespaares in Dialogform zum AusdI~ck kommen. lcb habe z'Wei Beispiele davon

1 1

1 59. Die andel'e, die sogenannte "Kl'itik am Tagelied," die die eigentliche i Tageliedsituation nicht 'Wiedel'gibt, sondern sich nul' mit bestimmten Elementen des Tagelieds auseinandersetzt, soll im Abschnitt E, l dieses Kapitels ausführlich behandelt VIerden. -29-

gefunden, b~ide knapp, einstrophig und fast nul' Umrisse der Tagelied­ situation bietend. "'Ein l'itter der het sinen'" lip,. gewaget~ dur ch ein schoene W1p~ hl. der el' slief vil tougen. diu na.ht diu dûhte in niht ze lanc. diu reine süeze in zuo zir twanc; el' was il' in den ougen und in dem herzen niht ein dorn. seht, an der zinne blies ein horn

der wahteI'; d~ von st erschrac dâ sl dà lac an liebes arm: si w~de, ez waere tac. ~. 60 Bei einem Verfasserlied wie dem obigen kann man kaum noch von einem lyrischen Gedicht spI'echen, denn es ist eigentlich nUI' ein Bericht. Ausserdem bringt die Strophe eine ErweiteI'ung der Tageliedsituation. Die Einheit der Zeit wi.r:d aufgehoben, da sie mit der Liebesnacht beginnt, und erst am Ende deI' Strophe der Weckruf erscheint. Wegen seiner Kttrze wir'd der Konflikt zwischen Gesellschaft und Liebespaaz' hier nicht entwickelt, und auch der leidvolle, emotionalo Ghaz'akter des Tagelieds entfaltet sich nicht. Da das Gedicht aus einer einzigen

Strophe besteht, k8nnte es sich allerdings um die erste Strophe eines

60. Von Wissenlo; Kraus, DL, 68, IV. -30- verlorenen oder unvollendeten Tagelieds handeln.

Am zweiten Beispiel ist im Wesentlichen sein Reimschema intel'essant: Jede Silbe in Vers a reimt sich mit jeder in d; ebenso sind b und e, c und f, g und i, h und j gepaart. "Swa tak erschinen sol z'Wein liuten, die verborgen inne liebe stunde muezen tragen, Da mak vers'Winen wol ein triuten; nie deI' morgen minne diebe kunde buezen k1agen: Er (lere)t ougen weinen triben; sinne 'Wil el' 'Wunne selten borgen. s'WeI' meret tougen l'einen 'Wiben minne spi1, der kunne schelten morgen." 61 Von Erzllh1ung oder von epischen Gremzen kann hier nicht gesprochen werden. Das Gedicht ist eine Sentenz, aine Verallgemeinerung der Tageliedsituation. Diese Sentenz ,·1ird nicht mit kritischen Bemerkungen weitel' ausgeftlhrt, a1so kann das Lied nicht zu den "Kritiken am Tagelied" gez!lh1t wel'den, die eine ForIn rHr sich bilden. Der Mangel an vor1iegenden Verfasser1iedern so'Wie auch ihl'e Ktlrze deutet an, dass diese FOl'm fUI' die DichteI' vom geringen Interesse

61. Konrad von Würzburg; Von deI' Hagen, ~, II, 127, XXXI. -31- war, da sie ihnen fUr die Darstellung des Konfliktes der Tagelied­ situation nicht genUgend H8g1ichkeiten boten. b. Damen- odeI' Ritterlied

FUI' diese Forro habe ich nul' ein Lied gefunden,62 das einstrophige Tagelied Winlis, in dem die Dame l'edet: "'0\.18 des hel'zelichen leides,

-'\ ~ ,. ~ und ist ez tac als du, min tIllt, nu von mil' scheides,

wem last d~ danne ein senedez w1p?

ez mac dich '''01 von rehte erbal'nen:

oz llm~:)evienc nie VI'Ollwe mit il' blanken armen

~, A GO rehte llebes mannes lip. wie sol es iemer '\-/erden rât? dtn zuht, dtn manheit und dîn milte hat mich mit s,,,el'te und ouch mit sper eI'vohten under helme und under schilte

mit heldes hant in liehteI' wât. In 63

Wegen deI' Kürze "lird in diesem Gedicht der KO!1flikt zl·1ischen Gesellschaft

62. Die sogenannten "Tagelieder des ~ins8.men," die das Vel'langen eines EinsamAn nach der Tageliedsituation darstellen, bilden eine Form far sich und wel'den in Abschnitt E, 2 dieses Kapitels beS'(lI'Ochen. 63. Hinli, Bartsch; mi, XV, 8. -32-

und Liebespaar nicht entwickelt. Auch das allegorische Hotiv des

Minnekriegs, das hier vorkommt, wird nicht weiter ausgefUhI't. Das

Gedicht k8nnte der Anfang einer Wechselrede sein, in diesem Fall Teil

eines verlorenen Tagelieds. Diese M8glichkeit wil'd unterstUtzt durch

die Tatsache, dass die DamenstI'ophe nur in dieset!! einen Gedicht

Verwendung findet. Das Tagelied kann auch ein Relikt der

sogenannten "Frauenstrophe" deI' frflhh8fischen Dichtung sein, das

ebenfalls oft einstrophig war, obwohl dieses in das sp!lte dreizehnte

Jahrhundert fallt.

c. Wâchterlied

Es gibt vier TageliedeI', die aus einem Monolog des Wachtel's

bestehen. Nul' z\o/ei davon sind mehrstrophig. Die anderen beiden,

jeweils einstronhig, k8nnten wieder die ersten Strophen veI'lorener

Tagelieder sein, da beide Lieder nul' den \oleckruf des WlichteI's bieten.

lch m8chte sie jedoch nicht zu den alternativen Formen des Tagelieds rechnen, da sie Teile àer normalen Tageliedsituation beinhalten.

Eher solI te man sie dann aIs unvollendete TageliedeI' betrachten oder aber aIs kurze Tagelieder, die absichtlich nul' von einem Standpunkt aus geschrieben worden sind, weil der VeI'fasser mit der Form des Wlichtel'lieds experimentieren wollte.

tt, lch sihe den mOI'gensterne brehen:

DU, helt, l~ dich niht gerne sehen; -33-

vil liebe, d~st m!n rat. swer tougen11chen minnet,

wie tugentltch daz s~t da friuntschaft huote hât. '" 64 Das zweite WHchterlied gibt dem WHchter etwas mehr Gestalt, wenn sein Monolog in einem mitleidigen Kommentar über das Liebespaar endet. "'Die nu,... bi100 liebe slafenJI. und inder sorgen gein dem tage, die ensûmen sich nû nieht. ja fÜI'hte ich daz man wâfen

~ ~ schl'ie ob in: daz ist min klage. ich sihe wol des tages lieht.' also spl'ach ein wahtaere; "az ist mir iemer swaere,

sol in dâ von geHerI'en ieht. tll 65 Das dreistrophige \>IHchtel'lied Hadloubs66 ist wesentlich mehr aIs ein \-leckI'uf, man k8nnte es einen Dialog des WHchteI's mit sich selbst

64. Namenlos: Bartsch, J21, XCVIII, S. 296. 65. Liutolt von Savene: Kraus, DL, 35, IV. 66. Bartsch, SM, XXVII, 14. -34- nennen. Das SelbstgesprRch ist zwischen zwei Weckrufe gestellt; der erste lautet:

" II ch wil ein waX'!len singen, daz liep von liebe bringen

nû mac, diu mâze kunnen hM. lit 67 und der zweite, der den Schluss bildet und mit einem Hox'!l vel'stlirkt wird: " "noch wendet unser swaere:

den tac man kündet dUr diu horn. 1'" 68 Durch den WRchter erfahren wir die m8g1iche Gefahr, die das Liebespaar erwartet, wenn es nicht "mâze" hRlt. Denn:

"f ez stât umb 11b und ~re: in kan il' leider nicht bewarn. '" 69 Dadul'ch dass der WRchter wiedel'holt sein eigenes Leid beklagt -- d. h. el' hat Angst um sein Leben -- und bereut, dass el' jemals zum BehUter des Liebespaares ex'kol'en wurde, lRsst el' das Bild von z8gernden Liebenden entstehen, die den Abschied hinausz8gern und die auch nach wiederholter Auffol'del'ung nicht voneinander zu tx'en..''len sind. In der zwei ten Strophe sagt der \olRchter offen:

67. Hadloub: Bartsch, §M, XXVII, 14, V. 1-3. 68. Ibid., V. 29-30. 69. Ibid., V. 19-20. -35-

"'In gibe dem herrn die schulde: ich weis il' ungedulde

sS wol, st l-at in kÛme varna "', 70 Dieser psyschologische Einblick, den uns der WKchtez' hier tun lKsst, leistet dasselbe wie normalerweise eine Antwort der Dame in der Wechselrede. Die Ungeduld ·des WKchters steigert sich, bis in der dritten Strophe sein Leid sich in Zorn verwandelt: "'nn. hoernt st doch mÎn warnen: muoz ich il' minne el'amen

noch m~, daz ist mil' leit und zorn.'If 71

~as den Abschluss des Rahmens bildende Kussere epische Ereignis, niimlich der Abschied des Ritters, wird in diesem Lied nicht erwKhnt, aber es zeigt doch, dass der Konflikt zwischen den beiden Parteien, nHmlich der zwischen den Wünschen des Liebespaares und den FOI'derungen der Gesellschaft, wil'kungsvoll in einem Monolog dal'gestellt wel'den kann. Das WKchtel'lied Wolframs von Eschenbach,72 obwohl hundel't Jahre vor demjenigen Hadloubs entstanden, erwKhne ich hier zuletzt, weil es nicht ein reines vIRchterlieds ist. Die letzte Strophe ist weitgehend ein Beitrag des ErzHhlers. Das Gedicht hat den normalen epischen Rahmen der Tagelieder der frühhSfischen Zeit: WKchtel'ruf und

70. Hadloub; Bartsch, §M, XXVII, 14, V. 11-13. 71. Ibid., v. 24-26.

72. Kraus, ~, 69, V. -36-

Abschied. Der Abschied ~ird jedoch vom ErzAhler beschrieben.

Zu Anfang des Gedichts ruft der W!chter scharfe Mahnungen an das Paar und schildert die m8g1iche Gefahr: ""die sich minnen tougenl!che, und ob si pr1se il' minne wern, so gedenken seI'e" an sine~ lere,"

dem lipI!o und ere" eI'geben sin .. '" 73 In deI' zweiten Strophe mildeI't el' seine Warnung und versucht, die beiden dUl'ch Uberredung" voneinandeI' zu trennen: " , niht gedenken

soIt du, frouwe, an scheidens riuwe uf,," künfte wan."'" 74

Man meint, die bittenden Antworten des Paares zu hBren, aIs der WAchter seine vlarnung Andert. Sogar der drohende \oleckruf am Ende der ersten Strophe: '" ritter, wache, htlete d1n. '", 75 wird in der zweiten zu: "'hflet dîn, wache, süezel' gast '" 76

73. ; Kraus, DL, 69, V, Str. l, V. 3-8. 74. Ibid., St!'. 2, v. 3-4. 75. Ibid., Stl'. l, V. 13. 76. Ibid., Str. 2, V. 13. -37- gemildeI't. Schliesslich wird das Leid der klagenden Liebenden fül' den Wâchter zu viel, und el' zieht sich zUIl1ck. Obwohl kein reines HllchteI'lied, ste lIt das Lied Wolframs ebenso wie dasjenige Hadloubs auf klare Weise den Konflikt dar, so dass man meint, obwohl das Gedicht in der Monologfol'm dargeboten iat, einen Dialog zu hBl'en.

Die Verwendung von MonologfoI~en zeigt die MBglichkeit von VariieI'ungen des h8fischen Tagelieds. Allerdings zeigt auch der Mangel an vorliegenden Beispielen, dass die Hinnesllnger allgemein sie im Vergleich ZUI' Dis.logform wohl doch nicht rur so wirkungsvoll hielten. Nul' einem Tagelieddichter eI'sten Ranges, wie Z. B. Wolfram oder Hadloub, iat es gelungen, den Konflikt, die mannigfaltigen Emotionen in Monolog­ redeform zu gestalten, und den Eindl'llCk zu vermeiden, ein unvollendetes Tagelied geliefert zu haben.

C. Der Refrain

Da der Refrain nul' in sechs Tageliedern des h8fischen Minnesangs, die aIle aus dem frühen dreizehnten Jahrhundert stammen, zu finden ist, kann man ihn kaum aIs wesentlichen Bestandteil der h8fischen Form betrachten. Er bildet aber einen wichtigen Teil der provenzalischen

"alba," und die VeI'Wendung des Refrains in frtlhen deutschen Tageliedern geht vielleicht noch auf die "alba" zur6ck. Das frühste deutsche Tagelied mit einem Refrain, dasjenige Heinrichs von Morungen,':" basiert -3S- nicht nul' inhalt1ich, mit seinen Beschreibungen des weissen K8rpers der Dame nllmlich,auf dem frUheren provenza1ischen "Reis glorios, verais lums e claratz, "77 sondern auch deI' .Refrain "do tagte ez"7S erinnert sehr an das "et ades serz l'a1ba,,79 dort. Jeder Refrain der h8fischen Tage1ieder ist anderen Inhalts, was nicht verwundeI't, da keine zwei Tage1ieder dieselbe Form oder absichtlich dasselbe Reimschema haben. In diesem frUhen Lied Heinrichs von Morungen kommt kein Wlichter VOl', aber wenn man die Tagelieder mit Wlichterfigur betrachtet, flliit Refrain manchmal mit Weckruf zusammen, was wiederum bei der "alba" hH.ufig der Fall ist. Wolfram von Eschenbach verwendet den Refrain nicht.SO Bei otto von Bottenlouben lautet der

Refrain aller drei Strophen eines Tagelieds: "stant ûf, ritter."Sl In einem anderen Lied desselben Dichters kommt der Refrain nul' in der

77. Friedrich Ranke und Ernst Scheunemann Hrsg., Texte zur Geschichte des deutschen Tagelieds, Altdeutsche frhungstexte VI (Bern: Francke, 1947), N. 2. 78. : Von der Hagen, MS, l, 34, XXX, Str. 1-4, V. 8. 79. Friedrich Ranke und Ernst Scheunemann Hrsg., Texte ZUI' Geschichte des deutschen Tagelieds, Altdeutsche fThungstexte VI (Bern: Francke, 1947), N. 2, V. 5, 10, 15, 20, 25, 30.

80. ~UI' lm Gedicht Kraus, ID:! , 69, V nllhert sich Wolfram deI' Form des liefrains, aIs der Wlichter am Ende der ersten Strophe "Ritter, wache, hUete d'ln!" und am Ende der z'Weiten "hUet dtn, wache, sUézer gast" ruft. SI. otto von Bottenlouben: Kraus, !lli, 41, XIII, Str. 1-3, V. 11. -39-

z,,,eiten und dritten Strophe VOl'. In der zweiten Strophe bildet el' den Weckruf des WHchters: "gI'Sz angest b1 der liebe 11t,"82 in der dritten sind es in leichteI' Variation die Worte des Ritters: "gr~z angest mich von liebe jaget."83 Bei Konrad von Hohenburg dient der Refrain der Darstellung der Meinungsverschiedenheit zwischen WHchter und Dame. Nicht nul' am Ende der Strophe, Bondern nach jeder Stolle und nach dem Abgesang der ersten und dritten Strophe ruft der WHchter:

"wecke in, frouwe!"8L;. In der zweiten Strophe ruft die Dame drei Mal "slat, geselle!,,85 Zwei andere Tagelieder haben einen Refrain, der nichts mit dem Weckruf zu tun hat. Der Refrain eines Lieds von Wissenlos lautet: "il' was leit daz el' sô lange slief, der helt gemeit. "86 In deI' dritten Strophe wird deI' Refrain leicht abgeHndert und damit der epische Rahmen des Liedes und die Abschiedssituation erl'eicht: "il' waB leit daz el' von dannen schiet, der helt gemeit."S7 Das Tagelied Ull'ichs von Singenberg ist das sp!J.teste, das einen llefrain hat, und wieder gibt es eine VerHnderung des Refrains in der letzten Strophe. Der deI' ersten vier

82. otto von Bottenlouben; Kraus, ~, 41, III, Str. 2, V. 7. 83. Ibid., Str. 3, V. 7.

84. Konrad von Hohenbul'g; Kraus, Qb, 25, V, Str. 1"'3, V. 3, 6, 11. 85. Ibid., Str. 2, V. 3, 6, Il. 86. Von Wissenlo; Kraus, DL, 68, II, Str. 1-2, V. 9. 87. Ibid., Str. 3, V. 9. -40-

Strophen lautet: "swer sich sô wflnneclicher wHnne 'Wol für 'WG.r gevreu'Wen mac, del- hat die naht niht angest wan daz in vel'trlben sol der tac." 88 Die letzte Strophe end et statt mit dem sentenzhaften RefI'ain mit dem

,.. /. "'die leiste ouch il', aIs ez din werder lip vil 'Wol geleisten mac, mit schiere komene, es mac niht langer hie gesin:'" ich sihe den tac. '" 89 Diesel' Refrain behdlt nur noch denselben Endreim \lie der deI' ersten vier Strophen.

Da das Tagelied formaI frei ist, fallt im Laure der Zeit der

Refrain einfach weg. Bei gefUhlsbetonten Tageliedel'n wie ~enjenigen Wolframs wflrde der Refrain den inneI'en Konflikt st8ren und wohl eine Steigerung der Spannung unterbinden. Auch ein Weckruf aIs Refrain wdre nllr in der Frflhzeit m8glich. Der Wdchter der frUhen Tagelieder hat oft keinen eigenen Charakter und singt nul' seinen Weckruf im

HinteI'grund. Abel' aIs der Wachter in der SpHtzeit seinen eigenen und oftmals negativen Charakter ent'Wickelt, 'Wird es unm8glich, ihm einen wiederkehrenden Weckruf zu geben, denn seine Haltung Hndert sich von Strophe zu Strophe, wie auch sein Teilnahme intensiver und

88. Ulrich von Singenberg; Bartsch, SM, II, 9, v. 5-6, 11-12, 17-18, 23-24. 89. Ibid., V. 29-30. -41- pers8nlicher wird.90 Der Refrain beim deutschen Tagelied stellt also nul' das Ende einer von der provenzalischen "alba" sich herleitenden Entwicklung dar; el' wh'd nicht zum wesentlichen Merkmal des deutschen

Tagelieds.

D. Der Wechsel von "liep" zu "leit"

Es gibt in jedem Tagelied eine inhaltliche Ver!lnderung, die sich der formalen Struktur parallel anpasst: der im &otionalen stattfindende Wechsel zwischen "liep" und "leit." Er wird im Dialog entwickelt, und das ganze Tagelied selbst ist ein Wechsel von dem AnfangsgefUhl "1iep" zum EndgefUhl "leit." Dabei ist "liep" ein GefUhl der Freude; im Gegensatz zur mittelhochdeutschen "fr8ide" jedoch, die die Freude aIs das \olohlgefUhl des Individullms in der Gesellschaft bezeichnet, kann "liep" mit dem neuhochdeutschen Begriff "Liebe" verknUpft werden, also die weitere Bedeutung des privaten glUcklichen Beisammenseins zweier Liebenden haben. 91 Also liegt in der Verwendung von "liep" schon eine Andeutung der Auseinandersetzung des Liebespaares

90. S. dazu Kapitel II, Abschnitt C, 2. 91. Georg Friedrich Benecke, Wilhelm MUller, Friedrich Zarnke, Mittelhoch­ deutsches W8rterbuch, 3 Bde. (Hildesheim: Georg Olms, 1963), l, S. 1014. -42-

mit der Gesellschaft. "Leit" als Gegensatz zu "liep" gewinnt ebenso an Intensitlit in der Bedeutung, vel'glichen mit dem poetisch-reflektierenden

"trl~l'en" des zurUckgewiesenen Lie bhabel's im Minnesang. Del' Gedanke "nach liep kumt leit" findet sich in jedem Tagelied ausgedrUckt. Ich zitiel'e einige Belege: n"lieb ane leit mak niht (ge)sin:'" 92 ".Nâch liep gât leitP" 93 "nÂ.ch liebe kumt et dicke leit." 94 J"'mir enwal't nie lieber liep in herzen;

da von ltde ich grozen smel'zen. ,ft 95 "'vil dicke ein man von lie ben sachen vil grôziu leit beginnet tragen. '" '96 "liep wart mit leide widel'wegen." 97 "'der tak uf dl'inget unde bringet leiden sin, der mich an liebe wunt

92. : Von der Hagen, ~, l, 27, XIII, Str. 2, V. 3. 93. Johannes Hadloub: Bartsch, §M, XXVII, 34, V. 1. 94. Burggraf von Luenz: Kraus, Qb, 36, l, Str. 5, V. 9. 95. Namenlos: Ibid, 38a-39ba, Str. 2, V. 7-8. 96. Bruno von HOl'nberg: Ibid., 3, III, Str. l, V. 6-7. 97. Konrad von Würzburg: Von der Hagen, MS, II, 127, XIV, Str. 3, V. 10. -43-

yil machen ur des herzen grunt.'" 93 "da schiet sich liep mit leidej" 99

"si sprach lez ist guot der die fr8ide l~t

diu mit s~ gr~zem leide dicke ein ende hat:

leit mit liebe -el' trage der muot zer yerlte st~t.' "100 "daz scheiden brach und jach in lNandelunge: liep in leit."..-101 Man bringt ihn auch mit anderen Worten zum Ausdruck, oftmals mit:

"das sGre n~ch dem süezen," 102 "'J.1in vr8ude gruende

lNirt gederret, "t '103

"'st ,drt iur fr8ide bitteI',~ fi" 104

li 'vr8ude muoz mir suren, '""105

li Idem ze bitter

98. Konrad von \o1ürzburg: Von der Hagen, HS, II, 127, XV, Str. 2, V. 27-3l. 99. Der Marner; Ibid., 118, II, Str. 3, V. 14. 100. Rubin; !U'aus, DL, 47, XX, Str. 6, V. 7-9. lOI. WaltheI' von Prisach; Ibid., 63, II, Str. 5, V. 6-7. 102. Wolfram von Eschenbach; Ibid., 69, IV, Str. l, V. 3. 103. Konrad von Würzburg: Von der Hagen, MS, II, 127, XV, Str. 3, V. 10-11. 104. Heinrich von Frauenberg; Baz'tsch, SM, XIII, l, V. 20. 105. Konrad von \.J'üI'zburg; Von der Hagen, MS, II, 127, XIV, Str. 2, V. 7. -44-

al sin vr8ude werden mak, lit 106

ft Diu minne ist wunderlich gemuot:

in ftbel keret si daz guot,

daz si ze liebe manigem tuot. ft' ,107

Il.1daz dâ daz wol vil lihte am ende wirt ein 'W~. '." lOg

" t daz si do heizent minne, daz ist niwan sende leit.· ...,;:109

Dabei hat diese Formel ent'oleder die Bedeutung, dass Leid immer

auf Freude folgt oder, dass Liebe grundslitzlich leidvoll ist. Betrachten

wir zuerst die historische Entwicklung diesel' Verknilpfungen, um ihre

Bedeutung im Tagelied besser zu verstehen.

Der mittelalterliche Satz "nach liep kumt leit" IHsst sich auf

die Bibel zurlickfahren. 110 Dort kann es z. B. heissen:

"Risus dolore miscebitur et extrema gaudii luctus occupat.·tt 111

"'Vae vobis qui ridetis nunc: quia lugebitis et flebitis. :.n 112

Diese Mahnung wird durch die chI'istliche Lehre auf jede SphHre

106. Konrad von l.Jarzburg: Von der Ha.gen, MS, II, 127, XV, Str. l, V. 24-25.

107. Ibid., XIV, Str. 2, V. 9-11.

108. Ulrich von SingenbeI'g: BaI'tsch, till, II, 14, V. 9. 109. Walther von der Vogelweide: Von der Hagen, MS, l, 45, VIII, Str. 1, V. 8.

110. S. Georg Bftchmann, Geflügelte Wo:d,e: der Zitatenschatz des deutschen Volkes, zwanzigste Aurl., fortgesetzt von Walter Robert-Torno'W (Berlin: Haude & Spener, 1900), S. 39 far den Hin'Weis auf die Bibel­ stellen.

Ill. Liber proverbiorum, 14, 13.

112. Evangelium secundum Lucam, 6, 25. -45- des Lebens übex'tragen. Jegliche Freude an irdischen Angelegenheiten muss mit Leid in der n~chsten Welt bestraft werden. Nul' der Mensch, der absichtlich den kurzen, tRuschenden Freuden der Erde entsagt, und sich das Leben dUI'ch Busse schwer und leidvoll macht, ist der GlÜckliche. Sein Leid ist das "malum temporalium,"113 denn el' wird mit der Freude des

Himmels belohnt. Selbst in diesel' Welt bringt das menschliche Leben fortwRhrend einen Hecheel zwischen Leid und Freude, jedes Ursache des anderen. Auch die Liebe zu einem anderen Menschen muss, da sie fleisch- gebunden ist und aus der . ErbsfJnd. Adams stammt, Laid aIs Folge von Freude haben.l14 Also findet da.s Diktum "nach liep kumt leit" seinen \oleg in die Minnetheorien. Heinrich von Veldeke sieht Minne überhaupt aIs Leid, aIs qu!llenden Zustand, aIs Krankheit, die man nicht beklimpfen kann. Die Schicksalsmacht "Frou Minne" verschenkt Augenblicke der GIUcklichkeit, um sie dann mit schwerem Leid zu beenden. 115 Eine der Hauptgedanken des Andreas Capellanus in De Amore ist, dass Liebe sich

überhaupt nul' in ausserehelichen VerhRltnissen verwirklichen kBnne. 116 Das Element der Heimlichkeit der ausserehelichen Liebe ist dabei immer

113. Friedrich Maurer, Studien zur Bedeutungs- und Pl'oblemgeschichte besonders in den l'ossen E en der staufischen Zeit, zweite AurI., Bibliotheca Germanica l Bern: Francke, 1961 , Kapitel 5 "Das Malum bei Augustinus," S. 86. 114. Ibid. Diese Ideen werden ausfUhrlich in Kap. 5, S. 85-97, behandelt. 115. Ibid., Kapitel 6 "Das Leid bei Heinrich von Veldeke," S. 98-10I. 116. S. Einleitung, S. 7, Anm. 14. -46-

Ursache der Angst und dann des Leids übeI' das unvermeidliche Scheiden.

Ein Zitat RUS Tristan und Isolde fasat diesen ganzen Komplex von Minne und Leid wie folgt zusammen: " liep unde leit diu waren ie an minnen ungeschieden." 117 Die Tageliedsituation muss "leit" aIs Folge von "liep" haben. Die hier dargestellte Liebe ist eine Silnde im chI'istlichen Sinn, weil sie ausserehelich ist: Da sie sich in einer' Gesellschaft mit chi-iàtlicher

Moralauffasung ereignet, ist sie verurteilt, in Leid auszugehen. 118 t-lenn ein Ausseinandergehen zweier Liebenden beschrieben wird, muss ebenso das "leit" des Alleinseins eine augenscheinliche Folge vom "liep" des Zusammen"" seins sein. Der Hechsel zwischen "liep" und "leit" im Tagelied kann ferner aIs Widerstand gegen und aIs Vers8hnung mit den Forderungen der Gesellschaft verstanden werden, da der individuelle Protest des LiebespatU'es, wie el' sich im "liep" des Beisammenseins ausdrückt, bald doch wieder den Hegeln der Gesellschaft folgt und in "leit" ausgeht. Aber die VeI's8hnung wird nicht ohne Kampf vollzogen. Die Wechselrede ist Ausdruck dieses Kampfs. Bei den meisten Tageliedern, die drei Strophen haben, vertritt die Dame das "liep" des Zusammenseins und der Wl!chter dtls "leit" des drohenden Abschieds. Die WOI'te der Dame sind

117. Gottfried von Strassburg, Tristan und Isolde, hrsg. von Friedrich Ranke (Ber 1 in: vliedmann, 1958), S. 3, V. 206-7.

118. FilI' den m8g1ichen Gr'und der Verwendung der "liep-leit" LehI'e lm h8fischen Tagelied S. Kapitel III, Abschnitt A. -47- dabei, wie schon erwahnt, oft eine Flucht vor der Realitat des Tages, den der Wllchter anldlndet. 119 Sie versucht die Wahrheit der Wachterworte aIs LUge darzustellen, um den Ritter davon zu tlberzeugen, Illnger bei ihr zu bleiben. Die Beispiele der Wechselrede, die in Abschnitt C, l angefUhrt wurden, k8nnen auch aIs Beispiele für diesen "liep-1eit" l.Jechsel stehen. Bei Hlngeren TageliedeI'n, besondeI's in denjenigen, die die \-lllchter­ figl1r nicht enthalten, und in denen sich ein ausfUhrlicher Dialog zwischen Ritter und Dame entwickelt, findet der "liep-leit" Streit zwiBchen den beiden Beteiligten statt. Betrachten wir die Entwicklung des Dialogs zwischen Ritter und Dame im wAchterlosen Tagelied Walthers von deI' Vogelweide,120 um zu sehen, wie geschickt er den "liep-leit" Dialog mit dem allgemeinen Gedanken des Wechsels von "liep" zu "leit" im Tagelied verbindet. In diesem Gedicht hat jede StI'ophe, ausser der ersten und der letzten, in denen die Dame allein redet, zwei Teile, wobei der Ritter jeweils in deI' ersten Ha1fte spricht, die Dame in der zweiten. Wenn man den einzelnen Strophen folgt, eI'gibt sich folgender Inhalt: 1. Die Dame klagt den zu schnell gekommenen Tag an und meint, dass das, was man Liebe nennt, doch nul' sehnendes Leid sei. g. Der Ritter vez'sucht, die Dame zu tr6sten und meint, Scheiden sei besser fUr beide, da sich deI' Morgenstern schon zeige. Die Dame aber bittet den Ritter, nicht mehr davon zu sprechen und ihre Sorge nicht damit zu

119. S. dazu Abschnitt B, 1 dieses Kapitels. 120. Von der Hagen, !:1§., I, 45, VIII. -43-

vermehren. Sie fleht ihn an, zu bleiben. 1. Del' Ritter gibt zu, er k8nne noch et\.las llinger bleiben, damit die Dame zuerst ihz' Leid aussprechen k8nne. Die Dame gesteht ihre grosse Angst und bittet den Ritter, sie nicht zu lange bis zum nHchsten Zusammentreffen \.Iarten zu lassen. I:z.. Del' Ritter \.Iiederholt, dass die Trennung n8tig sei. Ob\.lohl sein K8rpez' den ganzen Tag ab\.lesend sei, bleibe sein Herz doch bei der Dame. Sie ist zufrieden und ist sicher, dass el' sie bald wiedersehen \.Ierde, wenn el' nul' seine Treue zu ihI' halte. Jetzt mUsse sie gegen ihren Willen den Abschied wAhlen • .2. Del' Ritter klagt \.lei tel' , dass ihm die Sch8nheit der Blumen verleidet sei, \.Ieil er foztmUsse. Die Dame \.Iiederholt ihre Bitte, dass el' lHnger bleiben solle, denn sie \.Ieiss nicht,wie lange sie es ohne ihn aushalten k8nne. g. Der Ritter aber bleibt fest, el' mUsse gehen ihrer Ehre wegen. Die Dame erlaubt dem Ritter das letzte WoI't. 1. Die Dame, allein nach dem Abschied des Ri tters, beklagtihz' Schicksal. Wenn man "liep" als den Wunsch versteht zusammenzubleiben, und "leit" als die Not\olendigkeit, sich zu trennen, so ergibt sich folgende Struktur im Aufbau des Gedichtes: 5. Ritter: liep, Dame: liep (Ritter gibt nacb, Vers8bnung) l 1 4. Ritter: leit, Dame: leit (Dame gibt nach, Vers8hnung) 3. Rittez': liep, Dame leit, 6. Ritter: leit, Dame: leit (Streit) J, 2. Ritter: leit, Dame liep"'" (lait Uberwiegt) J, 1. Dame allein: leit 7. Dame allein: leit -49-

Der Aufbau des Gedichts ist in sich abgerundet, es beginnt und endet mit deI' Dame allein, und um diese StruktuI' und eine symmetrische

~oI'dnung des "liep-leit" Streits zu erhalten, erweiteI't Walther den Konflikt auch noch tiber die âussere epische Grenze des Abschieds hinaus. Der Konflikt z'Wischen der Realit!lt des Abschieds und der Un'Willigkeit, sich zu trennen, 'Wird in einem flüchtigen Moment der Freude, in dem bidde Personen einer Meinung sind, vers8hnt. Diese Stimmung ist aber nicht von Dauer und die Auseinandersetzung beginnt von nt"Juem, bis das

Leid schliesslich übeI~iegt und beide Liebenden tiberw!ltigt. Der "liep-leit" Streit des Dialogs vollzieht sich also innerhalb des gr8sseren, dem Tagelied 'Wesentlichen Wechsels von "liep" zu "leit." Diesel' Wechsel 'Wird mit der historischen Entwicklung des hSfischen Tagelieds aufgehoben. In der Frühzeit sind "liep" und "leit" gleichmM.ssig verteilt. In der SpH.tzeit aber, mit der Lockerung der Hofsitten und mit der derbeI'en, komischen Behandlung der Tageliedsituation, tibeI''W iegt "liep."····~

E. Alternative FOI'Illen

Die alternativen Formen des hBfischen Tagelieds ent'Wickeln sich in zeitlichel' Parallele zu den normalen FOI'Illen. Alle basiel'en auf der üblichen Form, obwohl sie die Tageliedsituation nicht wiedergeben. Das geistliche Tagelied entwickelt z. B. die Elemente der h8fischen Form des Tagelieds zu einer religiBsen AllegoI'ie. Das sogenannte "Tagelied des -50-

Einsamen, ,,121 das das Erwachen eines Verliebten, alleine am MOI'gen darstellt, verwendet den Eingang des Tagelieds: den Morgen und das

Erwachen, und entwickelt dann veI'schiedene Motiviel'UIlgen fUr die

Einsamkeit, die in einem SelbstgespI'~ch des Einsamen ausg~dI~ckt werden.

Die "nahtwise" behandelt die VOI'freude auf die im Tagelied beschriebene

Liebessituation. Die sogenannte "Kritik am Tagelted" iat eine

Auseinandel'setzung des Dichters mit iI'gendeinem Element des hSfischen

Tagelieds, es iat also keine Erzâhlung oder Beschreibung sondern ein

Gedicht lehI'haften Chax'akters. Sie seien hieI' nun der Reihe nach besprochen:

1. Kritik am Tagelied

Drei Gedichte kann man diesem Typus zUI'echnen. Zwei davon sind ausschliesslich Kl'itiken an der Unzuverlâssigkeit des \o/âchters und werden besser im zweiten Kapitel, das die Holle des W~chters behandelt, bespI'ochen. 122 Das dritte Lied ist von Wolfram von Eschenbach und es behandelt das mittelalteI'liche Problem der Unterscheidung zwischen Liebe und Ehe:

121. Diese Bezeichnung wird zum ersten Mal von Hermann Schneider in Heldendichtung. Geistlichendichtung. Ritterdichtung, 2 Aufl. (Heidelberg, 1943), S. 457 verwendet.

122. Diese sind des Tagelied SteinmaI's: Bartsch, SM, XIX, 5 und dasjenige Ulrichs von Lichtenstein. De Boor, MA, II, IX, l, S. 1684-5. Sie werden in Kapitel II, Abschnitt C, 4 behandelt. .. 51 ..

ft Del' helden minne il' klage

du sunge ie gen dem tage,

daz s~I'e nach dem süezen.

A swer minne und wiplich grüezen.

alsS enpfienc

daz si sich muosen scheiden:

swaz du dB riete in beiden,

A /If ' d o u g~enc

1- der morgenstel'ne, wahtaeI', swic,

d~ von niht langeI' sienc.

S'\oler pfligt odI' ie gepflac

daz el' bi liebe lac

den meI'keI'n unveI'boI'gen,

der darf niht dUI'ch den morgen

dannen stI'eben,

el' mac des tages el'beiten:

man darf in niht ûz leiten

uf" sin~ leben.

ein offen süeze wh'tes wip"

kan.solhe minne geben." 123

123. \oJolfI'am von Eschenbach: KI'aus, 1ll!, 69, IV. -52-

Die erste Strophe ist eine Darstellung der unerlaubten Liebe, die immer Leid verursacht. Der Dichter befiehlt dem W!lchter von diesel' Art Liebe nicht mehr zu singen, und el' bietet dann in der zweiten Strophe eine Alternative zu diesel:' unerlaubten Liebe an. Jetzt beschreibt el' die eheliche Liebe, die den "merkern" offen und bekannt sein kann. Der anbrechende Tag h!llt filr den ehelichen Liebenden keine Angst bereit, und el' braucht sein Leben auch nicht jeden Abend zu l'iskieren, wie der heimliche Liebhaber es tut. Nicht nul' die heimliche

Lieb~ ist die echte, wahre Liebe, auch die gesetzliche kann sie sein und eine EhefI'au kann solche Liebe geben. Wolfram will mit seiner Kritik nicht moralisieren. Er kl'itisiert nicht das Benehmen des Liebespaares, sondern die UmstHnde, die ZUI' heimlichen Liebe führen. El' behandelt in seinen andel'en Tageliedern124 die Intensitlit des Leides der "tougen minne," hier versucht el' eine Altelnative zu finden. Er versucht die Idee der Liebe mit der der Ehe wieder zu vers8hnen.125 Mit diesel' Auffassung war Wolfram seiner Zeit weit voraus, denn in den df1.maligen Hinnetheorien wUI'de betont, dass

Liebe nul' in allsserehelichen Verh!lltnissen anzutreffen seL126

124. Kraus, QL, 69, l, II, V, VII. 125. Auch in Parzival stellt Wolfram die eheliche Liebe dar. Die treue Liebe Parzivals zu seiner Gattin wird ausführlich behandelt, unge"18hnlich für die mi ttelal terliche Epik, für die die Werbung wichtig ist und die zumeist über die Ehe nach diesel' Wez'bung schweigt. 126. S. dazu die Einleitung, S. 7, Anm. 14. -53-

\ol01fram kritisiert also nicht das Liebespaar, sondern vielmehr die Gesellschaft, die die Ehe als Materielle und nicht als pers8nliche Angelegenheit versteht, und die die Liebenden z\olingt, leidbringende Tageliedsituationen immer wiedeI' zu erleben.

2. Das''ragelied des Einsamen"

In diesem Typus tritt nul' eine Person auf, der Einsame, der am Morgen erwacht. Seine Gedanken, die einem ehemaligen oder nie erI'eichbaren Liebhabel" gelten, bilden die Ursache zu einem klagenden Nonolog. Die Hotivierungen ftlr die Einsamkeit sind verschieden: Manchmal behandelt das"Tagelied des Einsamer1lden vel'schmlihten Liebhaber, der am Horgen el'wacht, um an die glUcklichen HHchte zu denken, die er mit seiner Geliebten zusammen verbracht hat. iller sie beschreiben einen Mann, den keine Dame liebt, der immer allein am Horgen erwachen musse Das Tagelied .R.einmal's soll als Beispiel fUr diese FOl'm angeführt werden, denn hier ist deutlich, wie der tibliche Eingang des Tagelieds das El'wachen am ~10rgen - zu weiteren Gedanken ftlhrt.

II··SO ez iender nahet gegcn dem tage, so getar ich niht gevragen, ist ez tak; Daz kumt mir von so grozer klage, daz es mir niht ze helfe komen mak. Doch gedenke ich wol, daz ich sin and ers pflak hievor, do mir diu sorge niht so ze herzen lak; iemer an dem morgen troeste ich mi ch der vogel' sank: -54-

mil' enkome ir helre an der zit, mil' ist) beide, sumer unt wintel' alze lank. ,• ., 127

Recht geschickt lasst Reinmar in dieser ersten Strophe no ch nicht erkennen, dass aich daa Gedicht zu einem"Tagelied des Einaamen"entwickeln wird. Die Klage des Einsamen ist hier noch identisch mit der Klage des heimlich Liebenden. In der z\-,eiten und dl'itten Strophe wird der Unterschied zwischen dem üblichen Tagelied und dem-Tagelied des Einsarnenndeutlich: "'Ime iat vil wol, der mak gesagen, daz er sin lieb in senenden Borgen lie; Nu muoz aber ich ein anderz klagen: ich gesach ein wip nach mir getruren nie. Swie lange ich was, so tet si doch daz ie. diu not mil' under wilent (rehte) an min herze gie; unt waer' ich ander iemen aIse unmael'e manigen tak, dem het' ich gelazen den strit: diz ist ein dink, des ich mich niht getroesten mak.

Diu liebe hat ir varnde guot geteilet so, daz ich den achaden han; Der nam ich mere in minen muot, danne ich von rehte solte haben getan: Doch waene, ez ist von mir vil unverlan,

127. Reinmar von Hagenal.1: Von der Hagen, tl§, l, 37, V, Str. 1. -55-

swie 1Uzze1 ich der triuwen mich andertha1p verstan;

si was ie mit vr8uden, unt lie mich in sorgen sin.

a1so vergie mich diu zit: tn 128 ez taget mir 1eider selten nach dem wi11en min. -

Del' VeI'schmHhte in diesem Tage1ied, den keine Dame 1iebt, will 1ieber die Sorge des Leides nach der Liebesnacht a1s das einsame TraueI'n du1den. Das tHg1iche Scheiden wHI'e fUr ihn weniger 1eidvo11 a1s die

Einsamkeit.129

In Hawarts "rage lied des Einsameri" erwacht der Sehnende am

Morgen und denkt an die glUck1ichen Liebespaare, die nun auch erwachen.

Er beneidet sie um ihr GlUck und meint, die kurze Freude der Nacht sei besser a1s die Langewei1e des Tages. Er sehnt sich nHm1ich nach einer

III Frau, die el' am Tage gesehen hat. Er ist bereit zu du1den: ..:3waz 1iep

128. Reinmar von Hagenau: Von der Hagen, MS, l, 37, V, Str. 2 und 3. Die 1etzten zwei Strophen, da sie niëhts Neues ZUI' Form des Tage1ieds des Einsamen beitragen, und da sie Ub1iche K1agen des MinneI'itters sind, werde ich nicht zitieren.

129. HeI'IIlann Schneider, in He1dendic Geist1i h ndichtun Ritter- dichtung, 2 Aufl. (Heidelberg, 1943 , S. 457, bietet aine sehr ein1euchtende Zusammenfassung dieses Gedichtes: "El' spie1t mit der (ja auch 1eidvo11en) Anfangs1age des Tage1ieds, die no ch durch die vorangehende Erfti11ung verk1Hrt ist. Der Einsame hat nicht diesen Grund zur Trauer, aber auch nicht zur Freude. Del' Tag krBnkt und beraubt ihn 1eider nicht wie jenen, aber el' kann ihm auch nicht he1fen. Das 1iebende Weib b1eibt in Sorgen und Kummel' zurflck, sein aber ha,t noch niema1s ein Weib gedacht, keines um ihn getrauert, nUI' die ert8tende G1eichgU1tigkeit findet el' bei ihI', den ganzen Tag."

1:0. Kraus, ~, 19, IV. -56-

mit 1iebe 11den sol."'131 Er spricht die Ge1iebte in einem Gebet an, in der Hoffnung, dass der n!lchste Tag mehr Erfo1g bringen wird:

" f nu 10ese mich von m1.ner swaeren n~t

a1s~ daz ich er1ache gen dem morgenr~t.'u 132 Das "er1achen" gegen Morgen zeigt, 'Wie das"Tage1ied des Einsamen"von dem sonstigen Tage1ied abgesetzt wird. lm norma1en Tage1ied wUrde man n!lm1ich nie gegen Horgen lfer1achen,1f sondern 1eiden. Aber hier 'Wieder, 'Wie in Reinmars Gedicht, ist filr den Ritter das GlUck, UbeI'haupt einmal die Liebe erfahren zu haben, gr8sser aIs das Leid des Abschieds nach eineI' gemeinsam verbrachten Nacht.

Das Tage1ied Niunesl33 sodann hat eine Frau zum Mittelpunkt. Hier denkt die Dame an das fr'f1here Leid des Abschieds, aIs sie noch ihren Liebhaber hatte, und sie m8chte es doch wiedererleben: ;-.. l' 'al min sorge was ie gein dem tage umbe ein fI'iundes scheiden: daz mir n'ti vil selten leide: tuot .. 'u 134 Sie deutet an, dass der Ritter nicht mehr kommt, weil seine Angst vielleicht st!lrker aIs seine Liebe ist:

If r.••••••• 'Wan ich 'Waene, el' iemer kome in angest m~r

13l. Ha'Wart: Kraus, ~, 19, IV, Str. 3, V. 4. 132. Ibid. , V. 5-6. 133. Kl'aus, DL, 39, IV. 134. Ibid. , V. 3-4. -57-

durch mi ch armen. in \-Til niht erbarmen gI'SZ m'tn herzeser'''' 135 Das Gedicht endet mit einer Klage an die Nacht, die jetzt Sorge und Leid bringt, wHhl'end sie früher Freude bedeutete:'''mir tuot w~ diu naht die lopte ich S. ,"136 lm Gegensatz zum nOl'lTlalen Tagelied, in der die Nacht vertraut und der Tag feindlich ist, ist hier genau umgekehrt die Nacht feindlich, weil sie die erwünschte Liebe nicht me hl' bietet. Alle "Tage lieder des Einsame:rl' ziehen einen Vel'gleich zwischen der normalen Tageliedlage und der jetzigen Situation, wobei die des normalen Tagelieds durchgehend erwilnschenswerter ist. Sie handeln immer von EnttHuschung in der Liebe, und alle behandeln diese EnttHuschung anders. Daslt'ragelied des Einsamen"hat kaum Gemeinsamkeiten mit den Strukturen des normalen Tagelieds. Es steht nicht im Rahmen einer Handlung, und wird von keinen epischen Ereignissen umrahmt, weder vom vlHchterI'uf noch vom Abschied. Anders als im normalen Tagelied ist also diese Form mehr lyrischen Charakters. Das'''Tagelied des Einsamen"ent\-Tickel t keinen Konflikt, ausser dem des Einsamen mit sich selbst. Von Spannung kann man nicht sprechen, es ist eine stille, reflektierende Untersuchung. Statt durch einen fortwHhrenden Wechsel der Stimmungen "liep" und "leit" ist es durch die eindeutige Stimmung "trGren" gekennzeichnet. Die subjektive Klage des Einsamen, die Anbetung von ferne, rticken diesen Typus in den Bel'eich der Minnelyrik.

135. Niune: Kraus, DL, 39, IV, V. 5-6. 136. Ibid., V. 9. -58-

Die freudigen Erweiterungen der spH.ten Tagelieder, in denen "liep" tlberwiegt, wHren fUI' das ''rage lied des Einsamen',"in dem "tI'~renll herrscht, kaum geeignet. Die SpH.tzeit liefert keine"Tagelieder des Einsamen,"alle sind in der ersten HHlfte des dreizehnten Jahrhunderts entstanden. 137

3. "Nahtwîse"

Es gibt nul' ein reines Beispiel ftlr diesen Typus in der deutschen h8fischen Literatur, die "nahtwise" ottos von Bottenlouben.138 Er tritt in der DI'ovenzalischen Literatur zum ersten Hal am Ende des dreizehnten Jahrhunderts beim Giraut Riquier auf, und wird als "serena" bezeichnet.139 Die "nahtwîse" ist "eine Erweiterung der Situation nach

137. Selbst das Tagelied Heinrichs von Morungen: Von der Hagen, !:1§, 34, XXX, k8nnte man als"Tagelied des Einsamen"auffassen. Zwar liegen Mann und Frau nebeneinander, jedoch hat jeder seine eigene Gedanken Uber den anderen und es entsteht kein Dialog. Der Ritter denkt nul' an den wohlgeformten K8rper der Frau, sie fragt sich hingegen, ob sie wirk­ lich geliebt wird, oder ob die Liebe des IUtters nul' "dilectio" sei.

138. Kraus, ~, 41, XIV. 139. RA.YT'lond Thompson. Hill und Thomas Goddard Bergin, Hrsg., Anthology of the Provencal troubadours, Yale Romanic Studies XVII (New Haven: Yale University 'Press , 1941), N. 146. Da die Bezeichnung "nahtw1se" im deutschen erst nach der Entstehung der provenzalischen "serena" belegt ist, tendiert man zu der Annahme, dass Giraut Riquier der Erfinder dieses Typus sei, obwohl das Lied ottos von Bottenlouben, das in die erste HH.lfte des dreizehnten Jahrhunderts rHllt, schon al le Merkmale der "nahtw1se" aufweist. Jedoch ist dieses Lied ein Ausnahmefall, denn die anderen Tagelieder mit "nahtwîse"-Strophen entstehen in der SpHtzeit. -59-

Rficlmlh,ts bis ZUI' Ankunft des Ritters,,140 und hat das VeI'langen eines der Liebenden nach der verheissenen Liebesnacht zurn Inha1t. Dieses

Ver1angen wird in epischer ErweiteIouog in den Anfangsstrophen einiger spRten Tage1ieder dargeste11t.141 ,. In otto von Bottenloubens "nahtwise" spricht die Dame ihI'

Vel'langen aus. Dann aber, als der Ritter nicht kornmt, klagt sie die ~" "huote" an, ihn entdeckt und gefangen zu haben. Aus Verzweifelung

!1 1 spricht sie zum WH.chteI', obwohl es Nacht ist:'" tlahter, sS du welles ,i ~ singen, sô sine ez s1. tac! .11 142 P18tzlich sieht sie den Ritter komman und lindert ihI'e Bitte mit den Schlussworten:

"t\oIahtaer, nu" la" din,. singen,

ez ist noch niender tac.

10. min leit daz wil eich ringen

daz mir sô nâhe lac:

guotiu maere ich hân veInornen,

daz ein spiegel aller mineI' wunne mir iet komen. III 143

140. FI'iedrich Nick1as, Untel'suchung Abel' Stil und Geschichte des deutschen Tage1ieds, Gel'manische Studien, Heft 72 (Berlin: Ebering, 1929), S. 11.

141. S. Johannes Hadloub: BaI'tsch, §M, XXVII, 51 und Namenlos: Von der Hagen, MS, III, XXXIII. Dieses letzte Gedicht hat den Titel "in der nahtwl.se," obwohl nul' die ersten zwei Strophen die FI'eude des Ritters an der bevorstehenden Liebesnacht beinhalten und der Rest aus der eigentlichen Tageliedsitllation und aus einern Lob der Nacht und der Liebe, das vorn Dichter geboten wird, besteht. Diese spHten Lieder kennzeichnen sich daduI'ch, dass "liep" fibeI'Wiegt.

142. otto von Botten1ouben: Kraus, ~, 41, XIV, StI'. l, V. 12. 143. Ibid., Str. 2, V. 7-12. -60-·

Das Gedieht endet in fr8hlieher Stimmung, anders als beim normalen Tagelied und anders aueh als beim 'Tagelied des Einsamen,"obwohl man

geneigt ist, die "nahtw1se, Il da nul' einer deI' Liebenden auftritt, als

"Tagelied des Einsamen"zu bezeiehnen. Die "nahtwîsell ist kein reines "Tage lied des Einsamen," sondern ein Vorspiel zum normalen Tagelied. Man kann sie als Grenzform zwisehen den beiden Typen betraehten. l44

4. Geistliehes Tagelied

Diesel' Typus ist fUI' diese Arbeit nur insoweit von InteI'esse, als el' auf dem h8fisehen Tagelied basiert. Das geistliehe Tagelied erseheint im deutsehen :rUttelalter zum eI'sten Mal in der Mitte des

144. Ull'ieh MUller, in seinen Artikel "Ovid 1 Amores 1 - alba - tageliet. Typ und Gegentyp des Tagelieds in der Liebesdiehtung der Antike und des Mittelalters," DVJ 45 (1971), s. 479, sehreibt, dass el' in dem Lied ottos von Bottenlouben eine Naehbildung der ersten vier Strophen des dritten Kapitels des Hohen Liedes sieht. Er unterseheidet nieht zwisehen Tagelied des Einsamen und "nahtl-Ilse, Il und sieht die Hohe-Lied-Stelle Uberhaupt als Quelle fUr das Tagelied des Einsamen an. Das Lied ottos von Bottenlouben und die Hohe-Lied-Stelle haben beide eine Frau als Zentralgestalt. Beide fangen mit der 8ehlaflosen Naeht der Einsamen an, enthalten ein GesprReh mit einem WRehter in der Mitte, und end en in fr8hlieher Stimmung mit der Ankunft des Liebhabers. Ieh zitiere die Hohe-Lied-Stelle: '~n leetulo mec per noetes, quaesivi quem diligit anima mea: quaesivi illum, et non inveni. SUl'gam, et eireuibo eivitatem: pel' vieos et plateas quaeram quem diligit anima mea: quaesivi illum, et non inveni. Invenel'unt me vigiles,qui oustodiunt eivitatem: Num quem diligit anima mea)vidistie? Paululum eum pertransissem eOR, inveni quem diligit anima mea: tenui eum: nec dimittam donee introdueam illum in dotl!um matris meae, et in eubieulum genitrieis meae." (Kap. 3, Str. 1-4) -61-

dreizehnten Jahrhunderts in einem Werk der Mystik, im F1iessenden Licht der Gottheit der Mechthild von Magdeburg. 145 Es enthlilt keine l'itter1iche Anspie1ungen und scheint im ganzen auf dem zweiten Kapitel des Hohen Liedes zu basieren.146 .Tedoch k8nnte man vie11eicht annehmen, dass der Entsch1uss, eine tage1iedartige Situation in das '.Jerk einzubauen, sich von der Popu1aI'itlit diesel' Dichtlmgsform hier erklliren 1lisst. Ana1ysieren wir ein anonymes Gedicht aus dem dreizehnten Jahr­ hundert,147 das deut1iche Anspie1ungen auf das we1t1iche Tage1ied enthl!lt:

145. Mechthild von Magdeburg, Offenbarungen deI' Schwester Mechthild von Magdeburg oder Das fliessende Licht der Gottheit, aus der einzigen Handschrift des Stiftes Einsiedeln hrsg. von P. Gall Morel (Darmstadt: Wiss. Buchges., 1963), Teil 6, Kap. XXXV "Wie die selig se1e spricht zuo irme 1ichamen an dem jungesten tage,1I S. 209-10. 146. Besonders die Verse 7 und 17 des zweiten Kapite1s des Hohen Lieds galten im l~ittela1teI' a1s Tageliedsituat.ionen: Il Adiuro vos fi1iae IeI'usa1em pel' capreas, cervosque camporum, ne suscitetis, neque evigi1are faciatis di1ectam, quoadusque ipsa ve1it." "Donec aspiret dies, inc1inentur umbrae. Revel'tere: similis esto, di1ecte mi, capreae, hinnuloque cervorum super montes Bether. ,. Auf das Wecken des mystischen BrH.utigams wird bei Mechthild ferner in Teil 2, Kap. XXIII, S. 44, V. 2-4 angespie1t. Wogegen es sich im ersten Fal1 (Anm. 145) um ein Lied, das die Seele dem Leibe zur Auferstehung singt, hande1t, wird hier die See1e durch die Minne erweckt. Auch Heinrich Seuse verwendet spHter' die Tage1iedsituation ftlr das jtlngste Gericht in seinem ".Lèben: Il Deutsche Schriften, im Auftrag der Htlrttemb. Kommission fHr Landesgeschichte hrsg. von :{arl Bih1meyer (Stuttgart, 1901) (Frankfurt a. M.: Hinerva, unverlinderter Nachdruck, 1958), Kap. V, S. 17, V. 15-24. 147. Kraus, 121, 38, D. -62--

"Vr'bne wahter, na· erwecke der \-lerlte minner tlberal, "e daz si" der tac erschrecke der durch diu vensteI' in den saI

mit gemeinem t~de siht ies11chem under ougen. der Werlte minner, ensumt1\ iuch niht, nemt urloup von il' tougen. " 148 Die Personen des h8fischen Tagelieds sind aIle in allegorischeI' Gestalt prHsent. Der "vrone wahter" ist hier Gott, die Dame wird aIs die Welt bezeichnet und der RitteI' ist der Mensch, der das Irdische zu sehr liebt: "der 't-lerlte minner. II Der Tag ist das jilngste Gericht, das den armen Sünder mit seiner p18tzlichen Ankunft erschreckt. Die erste StI'ophe beginnt mit einer Bitte des ErzHhlers an den Wlichter, den Sünder aufzuwecken, und endet mit der Warnung des Erzlihlers, vor TagesanbI'uch aufzubrechen. Ein weltlicher Vermittler z\o1ischen Gott (dem \-IHchteI') und Mensch ist hier also vorhanden: der Prediger. Das Gedicht entwickelt sich weiter, predigthaft mahnend: "rit iu il' minne sin unmaere, si ist ein eitergebendiu brût,

il' süeze wirdet iu ze swaere, s'i en\o1art nie mannes tI:ùt,

148. Namenlos, KI'aus, Qb, 38, D, Str. 1. -63-

,.. A ~ ai entaetz uf sinen achaden; ai en~t niht guot geae11e:

1\ 1\ A dem 1ibe lonet si mit Maden,

deI" s~le mit der he11e. n, 149 Der Prediger versucht in diesel" 1etzten Strophe, seine Zuh8rer mit abstossenden Vorste11ungen von der VergHng1ichkeit zu erBchrecken und sie damit au! den rechten Weg zu bringen.

In der dritten Strophe breitet die a11egorische Figur der We1t ihre Zerst8rungsmacht ÜbeI"a11hin ans: 'lien 1iuten g1t si 1eides gnuoc vil witen" in den landen. sus ment il' gart ietwedeI"S pfluoc

der sünden und der schanden. fi, 150 In der vierten Strophe tritt Luzifer auf, der seinen Sarnen, das ftbe1, sehr leicht auf den beiden Wegen, die die l-le1t gepf1ügt hat: "Sünde" ulld "Schande" a!l.t. Er fürchtet nichts, wedel' die re1igi8sen noch die we1t1ichen MHchte der Erde: "er enfürht./ die ahte01\ noch den ban, ,. den babest noch den keiser, der deweder~ dem andern guotes gan;

149. Namen1os, Kraus, 121, 38, D, Str. 2. 150. Ibid., Str. 3, V. 5-8. -64-

des vert il' lop vil heiser. n, 151 Das Gedicht endet mit einer Aufforderung an die mHnnlichen Zuh8rer, ihz'e StHz'ke zu zeigen und weibisches Benehmen zu vermeiden, um den

Fesseln der \~elt zu entkommen.

Wurde das Gedicht aIs Pz'edigt ver'Wendet? FUI' welche ~h8rer? WHre die Anspielung auf das h8fische Tagelied nur der Rittergesellschaft bekannt oder kann man annehmen, dass die Gattung Tagelied ganz allgemein bekannt war, obwohl ein nicht-h8fischer, mehr bfh'gerlicher Typus sich erst spHtez' entwickelt? Allerdings zeigt die Behandlung des obigen Tagelieds deutlich, dass in diesem Fall die geistliche Form sich aus der weltlichen entwickelt hat. Ein geistliches Tagelied, das ohne Dame oder Welt auskommt, ist das 1VHchterlied Peters von Arbez'g152 aus dez' Mi tte des vierzehnten Jahrhunderts. Das Lied, das aus drei Strophen besteht, venlendet den Eingane des Tagelieds, das Wecken, aber entwickelt die Idee der sUndigen Liebe ijberhaupt nicht. Nul' der SUnder ist vorhanden, aber oh ne ijble Braut. Hier ist der Tag das J'llngstèGericht. Der Sijnder schHlft und darnit solI seine Blindheit und Unwissenheit ausgedrijckt werden. ,.. ""Nu wache uf, sijnder traege, bedenk dich hinder unde fUr, wie harte ez dir nu laege,

151. Namenlos, Kraus, Q1, 3S, D, Str. 4, V. 5-S.

152. De Boor, MA, II, IX~ 1" S. 169S. -65-

ob el' dich sl~fen funde, Der dÎn s~ dicke lâget ,.. " und in gat durch beslozzen ttlr. fI' 153 Die Figur, die hier auf deI' Lauer liegt, iat der Teufel. Del' \olHchter iat ein Engel, der am jUngsten Tag die Menachen mit der Posaune wecken solI. Abel' hier versucht el' den SUnd el' noch vorhel' zeitig aufzuwecken, damit el' gute Werke tut, die bei Gott roI' ihn sprechen sollen: ""noch volge du mil' und riht dich ie, daz du dâ fUr hin sendest deme, deI' dich nie gelie,

dar du ~ zwîvel hin muost komen. fît· 154

Bei diesel' BeschI'eibung kann man nul' schwer erkennen, dass das Lied auf dem hBfischen Tagelied basiert. Die vorhandenen Anapielungen mUssen deshalb speziell besprochen weI'den.

In diesem Gedicht wird el'stens der WRchter, wie ein menschlicher vUichter, bestochen,155 aber hier nicht mit Geld, sondern mit guten WeI'ken. Zweitens hat deI' menschliche WRchter einen persBnlichen Grund, das Paal' aufztUlecken: el' fürchtet um sein eigenes Leben. FUr den Engel besteht aber keine Gefahr, und die Betonung dessen steht deutlich in Kontrast zum weltlichen Typus:

153. Peter von Arberg: De Boor, MA, II, IX, l, S. 1698, V. 16-20. 154. Ibid., V. 25-28. 155. S. Kapitel II, Abachnitt C, 2 fUI' das Bestechungsmotiv im Tagelied. -66-

If ':gtt warnen und m'Ïn singen

A ve~het waerlich kleine mich; sol dir hie misaelangen, die schulde ist d1n fUr wâr.,n 156 Die Verse, in denen der Stlnder mit dem Hornblasen gewarnt wird, scheinen auf Hadloubs Wllchterlied157 zu basiel'en, man vergleiche Arberg: nhErschelle ich mines homes dSn,

m'in 'Warnen kumt ze sp~te und iat d'in riuwe 'âne l8n;

noch volge mime r~te

und wach tf, ez ist an der zlt. t'tt·. 158 mit Hadloub:

A .. " 'Sin volp;en minem rate. unt tu ont si" daz ze spate

ow~, ich bin mit in verlorn

den tac man k~det diIr diu horn.'" 159

156. Peter von Arberg: De Boor, MA, II, IX, l, S. 1698, V. 35-38. 157. Bartsch, §M, XXVII, 14. 158. Peter von AI'berg: De Boor, MA, II, IX, l, S. 1698, V. 39-43.

159. Johannes Hadloub: Bartsch, sr~, XXVII, 14, V. 21-23, 30. Die Ver~e 21-2.3 m8gen auch die Verse 35-38 des Lieds Peters von Arberg inspiI'iert haben, denn hier kann man deut1ich den KontI'ast zwischen der gefllhrlichen Lage des menschlichen Hllchters und deI' ungefllhI'1ichen des Engels sehen. -67-·

Ee iet ersichtlich, dass das Lied Peters von Arberg ebenfalls nicht ohne den Einrluss des hBrischen Tageliede entstanden iet. Ein Tagelied des BuI'ggI'afen von Luenz160 endet mit einer religiBsen Strophe, die aber keine Anspielung aur das hBfische Tagelied ist und aIs solche nichts mit dem vorhergehenden Gedicht zu tun zu haben scheint. Es kann sein, dass diese Stx'ophe spH.ter vom Vex'rasser oder von jemand anders angehH.ngt wurde, weil sie denselben Strophenbau wie der Rest aufweist. Man kann jedoch versuchen, einen Zusammenhang zu rinden: Die Strophe behandelt auch ein Scheiden, aber diesel' Abschied hat einen Kreuzzug aIs Ursache. Der Ritter ist bereit, Land und Familie zu verlassen, um in das Heilige Land zu ziehen. Vielleicht will von Luenz zeigen, dass man mHnnlichex' und bereit­

williger ist, Abschied zu nehmen, wenn ~s sich mehI' um religiBse aIs um irdische Liebe handelt. Umgekehrt ist auch der x'eligiBse Ursprung des hBfischen l'ypus nicht auszuschliessen, besondeI'S wenn mnn bedenkt, dass deI' Zusammenhang des Minna­ sangs mit religiBsen Quellen eine noch umstrittene Frage ist. Allerdings entstehen die ersten religiBsen 'l'age lieder erst· nach dem HBhepunkt des hBfischen Typus. So kann man vielleicht annehmen, dass das deutsche Mittel­ alter die Hohe-Lied-Stellen erst um diese Zeit nls Tageliedel' verstanden. Ob nun das geistliche Tagelied aur dem hBrischen basieI't, oder nul' durch dessen PopularitHt veranlasst wurde, attfjeden Fall muss man es: als alter­ native Form zur hBfischen auffassen, nicht als eine selbststHndig entstandene.

160. Kraus, Q1, 36, I. -68-

II. DIE ROLLE DES W}lCHTERS

A. Das Wecken

Das Wecken an sich ist Teil eines jeden Tagelieds, ob ein W!lchter vorkommt oder nicht. Der Unterschied zwischen den frUhen Liedern, in denen diese Funktion durch Boten der Natur vollzogen wird und den spllteren Liedern mit W!lchtern liegt in dem Zeitpunkt des Weckens und der dami t verbundenen Entwicklung der Spannung. Das l.Jecken dUI'ch einen Waldvogel bei Dietmar von Aist16l oder durch die aufgehende Sonne bei Heinrich von Morungen162 und in einem frtlhen, noch wHchterlosen Lied Wolfrruns von Eschenbach163 geschieht b e i, das durch einen W!lchter immer v 0 r Tagesanbruch. Beim Wecken durch die Natur ist wenig Zeit rur einen Dialog erlaubt, da die Trennung sofort erfolgen muss. Da die Natur, anders aIs der ~Hchtel', nicht lUgen kann, kommt auch das Streitgespl'Hch, in dem die Zeichen des kommenden Tages aIs Ltlge abgetan werden, nicht VOl'. Die Spannung ist gHnzlich auf das Scheiden gerichtet,

161. Von der Hagen, !:1§., l, 27, XIII. 162. Ibid., 34, XXX. 163. Kraus, 1ll!, 69, VII. -69-

und diese frUhen Lieder klingen im ganzen sehr wie Abschiedslieder. l 64 Wenn aber der Wlichter auftritt, lindert sich die St)annungsrichtung. Da

el' sainsn \o1eckI'Uf no ch VOl' Sonnenaufgang singt, um das Paal' rechtzeitig zu warnen, el'gibt sich die MBglichkeit fUI' die Entwicklung einer dialogischen Auseinandersetzung. Nicht nur der Abschied sondern auch die liisiken deI' gegenwlirtigen Situation, nlimlich die mBgliche Entdeckung

und die Treue des Wlichters, :werden behandelt. Da der \~Rchter ein Mensch ist, kBnnte el' auch unzuverllissig sein, das Paal' nicht rechtzeitig aufwecken oder es veI'raten. Also ist das \';ecken dUl'ch einan bûstellten Hlichter nicht sicheI'eI' als das \olecken dur'ch die Natur. Deim letzten ist die einzige Gefahl' das Verschlafen, beim ers tan aber besteht die grBssere Gefahr der "untriuwe."

Uas \'lecken dtlrch den HHchter bekommt die Form einer; Hec1crllfes,

der am h!l.ufigsten am Anfang des Tagelieds steht.165 ~s gibt zwei Arten

164. Es wird noch bestritten. ob das Lied Heinrichs VI: Von der Hagen, !1§, I, l, II, als Tagelied oder Abschiedslied aufgefasst werden soll. Der Tag wird Uberhaupt nicht erwlihnt, nul' die Beilage: ""Wol hoher danne riche bin ich alle die zit, So alse guetliche diu guete bi mil' lit:'" (Str, l, V. 1-4) 165. FUI' den Weckruf als epischer Ha.hmen S. Kapi tel I, Abschnitt A. -70-

von Weckrufen, die man a1s den pel's8n1ichen und den unpersBn1ichen bezeichnen kann.

1. Del' pers8n1iche Weckl'uf

Diesel' ist. dil'ekt an das Paal' gerichtet und gibt hllufig An1ass zu eincm Dia10g z'Wischen Wllchter und Dame. 166 Beispiele des direkten

\..Jechse1s sind: ,.. "'Ich 'Wache umb eines ritters 1ip

und umb din.,.. "ere, schoene 'Wip:JO,

'Wecke in, froulo1e!\fI' 167

A '" nu 'Wecke in, frou'We, ich sing im rehte scheidens zit.

nu hflet din se1bes, ritteI': gr~z angest hl der 1iebe lit •. 11" l6g

Der pers8n1iche Weckruf ist meistens, aber nicht not,."endiger'Weise, der

Be,."eis, dass der Wlichter nun wirk1ich ein Freund des Paares ist, und dass el' aus Treue sich die Nühe gibt, dem Paal' nach bestem 'Hssen zu dienen, wie gross die Gefahr auch 8e1. 169

166. Ftir den diL'ekten \-Techse1 zwischen Dame und Hllchter S. Kapite1 l, Abschnitt B, l, a.

167. Konrad von Hohenburg: Kraus, Q1, 25, V, Str. l, V. 1-3.

168. otto von Botten1ouben, Ibid., 41, III, Str. 2, V. 6-7.

169. Ein Ausnahmefa11 ist das Lied Heinrichs von Frauenberg: BaI'tsch, SM, XIII, l, in dem der Hllchter direkt und laut zur Dame spricht, um eine 3estechung Z1l bckommen. -"71-

2. Del' unpersBn1iche Weckruf

Dieser l'ichtet sich nicht unmittelbar an das Paar, sondeI'n ist in allgemeineI' Form gehalten. Er filhrt zum indirekten Wechse1. 170

fflSwer minnecliche minne

". mit minneclichem liebe habe,

der sol sich des niht sÛlnen ••••• '" 171

'" ewer tougen minne,

der beginne

wachen, des ist zit.t~ 172

"':3wer nach sines herzen wal

hie minne tougen

sunder lougen

uf dem sal,

der scheide sich enzit • ..., 17.3

Del' unpers8n1iche "leckruf kann dadurch veI'anlasst werden, dass der Wtl<.;hter aich .. nicht verdlichtig ~acb •. n will, denn a1s Verrllter am Hofherrn

\-lilI'de er im Fa11 der Entdeckung sein Leben verlieren. Er k8nnte vorgeben, dass ar nUI' am MOI'gen iI'gendein Tagelied, das ibm einflillt,

170. S. dazu Kapite1 l, Abschnitt B, 1, b. 171. Ulrich von Singenberg: Bartsch, SM, II, 14, v. 1-3. 172. Der Marner: Von der Hagen, MS, II, 118, II, Str. l, V. 4-6.

173. KOnI'ad von Wilrzburg, Ibid., 127, XV, StI'. l, V. 4-8. -72-

singt, welches nichts mit der eigentlichen, aktuellen Tageliedsituation

zu tun hat. In einem Lied des l~arners ist es deutlich, dass der WU.chter ein allgemein poetisches Tagelied singt, welches keinen Verdacht aufkommen lassen kann: "Ein tageliet

in der wise vieng el' an, saelde il' beider Maze wielt: 'Troie wart zerstoeret e, Tristrande wart von minne dur Isalden dikke we: no ch hat minne werden man, der wirbet vrouwen gruoz; dem sol el' werden, ob ich alsus warten muoz: ez ist VOl' tage niht einen buoz. '1t 174 Eine andere M8g1ichkeit ist, dass der Wllchter aus Treue den Verdacht nicht auf das Paar lenken will. Diese M8g1ichkeit wird in einem anonym tiber­ liefel'ten Gedicht ausgedrtickt: "Diu stieze sprach: 'gese11e, nu merke disen rat," wie der waht~r durch triuwe

!!lin wal'nen kan in 11lofe senden;' Il' 175

174. Der MaI~er: Von deI' Hagen, MS, II, 118, III, Str. 2, V. 4-13. 175. Namen1os: Kraus, DL, 38a-39ba. -73-

Wie man an den Beispielen sehen kann, ist das Wecken augenschein­ lich eine weniger wichtige Funktion des H!f.chters als das Bewachen. Dies iat seine Hauptaufgabe, und ihretwegen tritt el' übeI'haupt auf und ersetzt die Natur.

B'. Bewachen

Das Bewachen unterscheidet das h8fische Tagelied von den Tage­ liedern der Frtlhzeit. Die Angst scheint in frühen Liedern mehr wegen des Wiedersehens als wegen der m8glichen gntdeckung zu bestehen. Ver­ gleichen wir das frtlhe Lied Dietmars von Aist mit dem Typus des unver­ kennbar h8fischen Tagelieds, um zu sehen, wie sie sich unterscheiden. IItSlafestu, vriedel ziere?

Man wekket uns leider schiere: Ein vogellin so wol getan

daz ist der linden an daz zwi gegan. 1

.~Ich was vil sanfte entslafen:

Nu I~efestu, kint, wafen! Lieb ane leit mak niht (ge)sin: swaz du gebiutest, daz leiste ich, min vriundin.'

Diu vz'ouwe begunde weinen: "' 'Du ritest hinnen unt last mich einen; -74-

Vienne wiltu wider hel' zuo mir? o we, du vuerest mine Vl'8ude sant dir!'t~'1~6

Alles iat auf daa Scheiden gerichtet. Die einzige Furcht der

Dame ist, dass sie ihren Ritter nicht bald wiedersehen wird. Von deI' Furcht

vor· einer Entdeckung ist nicht die Rede. Man kann nul' schwer erkennen, dass es hier um "tougen minne" geht. Dass deI' Abschied sich notwendig schnell vollziehen muss, ist auch nicht unbedingt ersichtlich. Die

Furcht VOl' deI' Entdeckung ist in den frühen Tageliedel'n noch gering, da sie entweder in einer IHndlichen Umgebun~ spielen, oder an einem Ort, der jedenfalls nicht klar aIs zum Hof geh8I'ig erkennbar ist. Von einem

TUI'Illzimmer oder von den Burgmauern wird nicht gespI'ochen. Weil der Ort deI' heimlichen Liebe nicht direkt der Hof iat, liegt die Gefahr der

Entdeckung nicht so nahe. Das h8fiache Tagelied dagegen hat aIs seinen

Schauplatz die Burg selbst. In diesel' engen Umgebung wHchst auch die

Furcht VOl' der Entdeckung. Das mit der gegenwHrtigen Situation verbundene

Risiko, nicht die Sorge um die 4Ikunft, durchdringt das Lied. Die Angst ist irnmanent:"'gx'ôz angest bi der liebe lit."'l77 "Schtltzen" und nicht

"Scheiden" wird zum Hauptproblem und dcshalb wird ein Behtlter notwendig.

Der Hofwlichter ist der ideale Behtlter, da seine nHchtliche Parade untel' dem Fenster des Turmzimmers deI' Dame und sein \~eckruf ohne Verdacht statt­ finden k8nnen. Sein Schutz ulnfaast die folgenden vier Aufgaben:

176. Dietmax' von Aist: Von der Hagen, !:1§, l, 27, XIII.

177. otto von Bottenlouben: KI'aus, DL, 41, III, Str. 2, V. 7. -75-

1. Er scheint derjenige zu sein, der den Ritter zu den GemllcheI'n deI'

Dame filhI't:

",Ibringe ich liebe ze liebe, ist beiden lieb al dar •. 111 178

"'wahta~r, wis h8hes muotes I,tch:

sehst ieman tougen zuo dir gan,À sS sprich vil lise" "weI' get"" da?" und ouch nicht frevenltche gal'.

sprech el' dann balde zuo diI' "jâ,"

sa wizzest daz el' rehte var. ,. , du winke im an daz vensterlin;' ,n, 179

6,. Er behiltet das Paal' die ganze Nacht durch:

""rDer ich leider dise nacht gehüetet han. '" ·180

" "nu stant ~ balde, volge mir:

niht langer ich dfn pflegen mac. ,n, ·181

"'Ich ziuge ez Ûf der kleinen vogelÎine mOI'gensanc

daz ich din h~n geleistet, ritter, swaz ich leisten sol

d~~m l"i be und miner1'. frouwen, des mich her min~ tri uwe i e twanc, dazt hiute und iemer m~re bewaht bist und behüetet wol. 0'" 182

178. Kristan von Hamle: Kraus, ID:, 30, VI, Str. l, V. 4. 179. Burggraf von Luenz: Ibid, 36, l, Str. l, V. 3-9.

180. Johannes Hadloub: Bartsch, ~, XXVII, 50, v. 1. 181. Von Wissenlo: Kraus, DL, 68, II, Str. l, V. 5-6.

182. otto von Bottenlouben: Ibid., 41, III, Str. 2, V. 1-4. Il Bï liebe lac ein liep verborgen unz an den liehten tac. der wahter pflac

il' d~ mit aor~en.'~ 133

1. Der W!lchter weckt das Paar z~itig am Morgen. Das Wecken selber iat also Teil des Bewachens. /i.. Der WHchter bringt den Ritter f.1ber die Burgmauern hinweg in Sicherheit: "'ich bringe in hinnen, ob ich kan. sin" vil manegiu tugent michz leisten hiez • ...... el' gab sich mÎner tl'iuwe als8, daz ich in braehte ouch wider dan.' II1B4 '" nû stant ûf balde, volge mir:'" ras ""mil' ist leit, sol ich im htüfen niht von dan.' ...... IwahtaeI', nim m~n golt und hilf im hin, awiez mir ergê. u, .186 Diesel' Schutz wird um so uichtiger, als die "huote,1t 187 die der Burgherr

183. Namenlos: Kraus, DL, 38a-39ba, Str. l, V. 1-5. 184. Holfram von Eschenbach: Ibid.. , 69, II, Str. l, V. 7-8, Str. 3, V. 5-6. 185. Von Wissenlo: Ibid., 68, II, Str. l, V. 5. 186. Kriatan von Hamle: Ibid., 30, VI, Str. 3, V. 4, Str. 4, v. 5. 187. S. dazu die Einleitung, S. 5. -77-

über die Damen eI'richtet hat, hintergangen oder ausgespielt werden muss.

Betr?.chten wir jetzt die ml.ufigkeit der Belege fUI' die "huote" im

Tagelied. Sie wird abwechselnd aIs "huote," personifiziert aIs "meI'ker, Il

oder auch aIs die einfache Tat "melde" oder "drô" bezeichnet. Die UbeI'-"

.windung deI' "huote" wh'd immer wiedeI' betont und auch die Art, wie der

Wllchter dabei hilft:·

" ,: Daz wir unser huote triegen aber, aIs .e .' 1\1 lB8

!I sl vüert in mit il' sC> wîzen hende

vür il' bette dür der huote bant

als'ô stille, daz 1 z echt nieman wende. Il. 139

'" Harne, ob ich entslafen bin,

so daz der ritter VOl' der argen huote kume hin.''' 190

" 1 der merker dro

lit in slafe verborgen/li 191

Die "huote" wh'd aIs Ursac~e rHr die Notwendigkeit, Kompliziertheit und das Leid der "tougen minne" angeklagt:

II' s~ ~ dir, al'ge huote, dast unsaelic s1st,

durch daz du staetem muote

188. \-Ialther von der Vogelweide: Von der Hagen, !:1§., l, 45, VIII, Str. 3, V,4.

189. Johannes Hadloub: Bartsch, SH, XXVII, 51, V. 20-22.

190. Der Marner: Von der Hagen, MS, II, 118, III, Str. l, V. 7-8. 191. Ibid., II, Str. l, V. 15-16. -78-

so,.. v il 1 e id es g"i s t,III.' .'192 Auch der WHchter klagt die "huote" an: "'ez waere unwaege, swer minne pflaege daz af im laege meldes last. ,,;,193

Trotz der tTherlistung ist die Furcht VOl' deI' "huote" jedoch weiterhin vorhanden: "' Die vàlschen mel'ker vürht' ich sel' im herzen~ "! ~94 "si forchten melde und ouch den dr~)' 195 Der WHchter muss in seinem 'rleckruf fortwHhrend mit der Gegenwart der "huote" drohen, um das Paar zu trennen: "'wirt si der hubte erkail,\;,

s~ wirt zehant gesant il' wunne in lange wernde we.~ '" 196 "'trut sich von trute scheide sus, daz valsche huote

192. otto von Bottenlouben: Kraus, DL, 41, XIV, Str. l, V. 7-10. 19.3. Vlolfram von Eschenbach: Ibid., 69, V, Str. 2, V. 5-8. 194. Namenlos: Von der Hagen, !:!ê., III, XXXIII, Str. l, V. ·9. 195. BI'uno von HornbeI'g: Kl'aus, DL, .3, III, Str. 2, V. 7. 196. Walther von Prisach: Ibid., 6.3, II, Str • .3, V. 8-10. ------_.__ ._-_ .. __ ._ .... _...... _.. _-_ ... -----_ .. -.. ---.. _... _._._ ...... -

-79-

pfandes iht muote. 'II. 197

" 1 syra 1iep betagt bi trute

da kumet deI' merkaere sage. ',il 198 Da sich jetzt "huote" und "wahter" im Tage1ied gegenUbeI'stehen, kann man sehen, dass sich die Spannung deutlich auf anderes geI'ichtet hat. Das Tagelied wiI'd vom Abschiedslied, mit seineI' Sorge vor der

Zukunft zum IItfueI'listungslied, Il das von der Spannung deI' GegenwaI't

lebt. Die Worte "tougen, Il "veI'holniu" oder "helde" kommen jetzt in jedem Tagelied vor, um deutlicher zu zeigen, dass es um etwas Verbotenes geht.199 WOI'in besteht nun die Drohung, wovoz' hat das Paar Angst und wovor warnt der Wft.chteI'? V1as fUr eine Folge hat die Entdeckung? Ffir die Frau

bI'ingt sie Entehrung, denn die "~re," ihr Ansehen am Hofe als tugendreiche Frau ist das wichtigste Attl'ibut einer Dame bei Hof. Fl1r den Ritter ist

die Gefahr gI'aSser, el' verliert nicht nur "~z'e, Il sondern vielleicht auch sein Leben. Der Wft.chter betont diese Gefahr in seinem Weckruf:

197. DeI' Mazner: Von der Hagen, !1§, II, 118, II, StI'. 3, V. 8-11. 198. Walther von Prisach: Kraus, DL, 63, II, Str. 3, v. 3-4. 199. Auch die Metaphel' des "minnediebs," die im tibI'igen Minnesang einen "HeI'zenrHuber" bezeichnet, wiI'd beim Tage1ied \.Jenze1s von B~hmen: KI'aus, DL, 65, III, StI'. 2, V. 3, ausgefnhrt in deI' Weise, dass deI' RitteI' in vIirk1ichkeit wie ein Dieb in deI' Nacht heI'angesch1ichen kommen muss, um die verbotene FI'au zu besuchen. -80-

"'A.nols liep als iu iur ..."ere si und ouch sinA'" lip,

son lat~ sinA slafen~ nuft niht me.'A '" . 200

"' ••••••••••••••••• ez liehtet s~re

"uf s"i nen 11)l.p un d "üf sme1) rel.nen• wÂib es ere.·It. '" . .201

Il 'nu gib im urloup, süezes '.Jîp•

lâ,z in minnen heI' n'à.ch s~ verholne dich, daz el' behalte "èr und den lip• '" 202

Il el' sanc "swer hie l1t unbehuot, ob der behalten wil den s'lnen IIp,

so" wecke in minneclichen,l'!. reme wip'" •.", . 203

Vielleicht ist auch das Leben der Dame in Gefahr, obwohl das aus den Beispielen nicht ganz klar hervorgeht: "'llp und 'ère ist unbehuot ob man iht langer Îit. '" 204 "'ob el' den Îip niht ringe wigt,

BO" hüete el' sich, s'WeI' tougen lit.~

alsus waz'n ich sie beide. f li 205 ~

200. Von lolissenlo: Kraus, ~, 68, I, Str. 3, V. 1-2. 20l. Ibid., Str. l, V. 5-6. 202. Wolfram von Eschenbach: Kraus, DL, 69, II, Str. 3, V. 2-4. 203. Ulrich von Winterstetten: Ibid. , 59, XIII, Stz'. l, V. 4-6. 204. otto von Bottenlouben: Ibid., 41, XIII, Str. l, V. 8-9. 205. Ulrich von Winterstetten: Ibid., 59, VII, Str. l, V. 4-6. -81-

"'ez st'àt umb lib und ~re,

in kan il' leider niht bewarn.'" 206

Nul' Hadloub Ulsst seinen WHchter beide Liebenden mit Gefahr fUr ihn

Leben bedrohen:

"~"Jz st~t beiden umb il' 11p :'" 207

Aber auch der W!lchter setzt sein Leban aufs Spie1:

"1. In n~t ich stân (Ubric liebe vtlrcht ich)

daz si" sich d'Ur 1iebe wâgen unde mich.

wir mUezen 1~ unser 1eben und ~re,

sien han VOl' tage dan gescheiden sich. '" 208

'" vil sae1ic wip , sol el' den 11p

ver1ieflen, sô s'ln wir mit im ver101'n. "' ~09

'''Sin vo1gen mînem r~te.

und tuont sl daz ze spâte,

ow~ ich bin mit in verlorn.'" 210

Das Motiv des 'Hllchters, der Angst um sein Leben hat, wil'd in

Tage1iedeI'n der SpRtzeit zum Hotiv des "Misstrauens" an der Treue des

, H!lchters weiterentwicke1t. Dieses Misstrauen llussert sich in 't-TaI'nungen

206. Johannes Had1oub: Bartsch, §M, XXVII, 14, V. 19-20.

207. Ibid., 50, V. 13. 208. Ibid., 34, v. 5-8. 209. Konrad von TIohenbuI'g: KI'aus, DL, 25, V, Str. 3, v. 7-8. 210. Johannes Had10ub: Bartsch, SM, XXVII, 14, V. 21-23. -82-

des Dichters, dass der WHchter das Liebespaar aus Angst verraten

k8nnte. Der WHchter, wie gesehen, el'f'illlt die Rolle eines Aufpassers nicht nul' innerhalb der eigentlichen Tageliedsituation und im Weckruf, sondern auch wHhrend der nicht gestalteten Ereignisse VOl' und nach dem epischen Rahmen des Tagelieds, der Ankunft und der Flucht des Ritters. Der WHchter wird also für das h8fische Tagelied eine genau so wichtige Gestalt wie die Dame und der Ritter. Nul' durch ihn kann die tlberlistung der "huote" ausgeffihrt werden. Da so viel von ihm abhHngt, ist es wichtig, einen verlHsslichen Wlichter zu haben. Damit erhebt sich die Frage nach seiner Trene und damit verbunden e13twickeln sich neue

~10tive in der SpHtzeit des Tagelieds.

c. Der WHchtel" ale Gegner des Liebespaares

1. In der Wechselrede

Der WHchter ist Gegner des Liebespaares rein stlukturell gesehen, in der Wechselrede. 211 Hier vertritt el' die gesellschaftliche Ordnung und deren MOI"alhal tung, denn durch seinen Weckruf trennt el' beide

211. S. auch Kapitel l, Abschnitt C, 1. -83-.'

Liebenden und setzt ihrer Oppositionshaltung gegen die restriktive

Gesellschart ein Ende. Di~se Haltung des WKchters ist aber unbewusst, da el' ein Vertrauter des Liebespaares ist und aur seiner Seite steht. Die Gedanken, die der WKchter in der Wechselrede Kussert, sind allerdings nicht moralisierend gemeint. Er kritisiert die heimliche Liebe nie und steht also nicht aur Seiten der Gesellschart, die diese Liebe doch aIs unmoralisch ansieht. FUI' den WKchter blêibt die Dame immer "diu reine,,,212 oder "tugenthaft.1I213 Diese Haltung oder vielmehr die ObjektivitHt des WHchters Mag den ganz praktischen Grund haben, dass

el' roI' seine Bewachung eine gute Belohnun~ bekommt. 214 Ein anderer Grund ist deI', dass der Verfasser nicht Partei gegen das Paar im Tagelied

ergreifen will. Er will das Leid der Liebenden in seiner IntensitD.t darstellen, ohne Stellung zu nehmen, weil el' die Situation billigt.2l5

Moralisch klingt allein die wiederholte Mahnung des WKchteI'S, "m~ze" zu halten, aber hier nul' weil "unntàze" zum verz8gerten Abschiednehmen und unweigerlich zur Entdeckung fUhren k8nnte: "'8wer gepflak der Maze an liebe nie,

212. Ulrich von Winterstetten: Kraus, DL, 59, XIII, Str. l, V. 6; Von \>lissenlo: Ibid., 68, l, Str. 1, V. 6; Namenlos: Ibid., a.40-43 , Str. l, V. 8. 213. Walther von Prisach: Ibid., 63, II, Str. l, V. 2. 214. S. Abschnitt c, 2 dieses Kapitels.

215. FUI' ausrUhrliche Beweise dieses Standpunkts s. Kapitel III. -84- .

dem misse1ank an minne ie. '''. 216 ",. ouch sint gewis, swaz man wi1 übertriben,~

daz d~ daz wo1 vil 11hte am ende wirt ein w~.· .ir 217 ",. mtze sich a1sô der minne, daz unmaze/If niht gesige,

s~ daz el' n~ch ungewinne dur sin 1iep ze lange iht lige. ." 213 "'der MaZe kan, diu wendet 1eit d~ von sS l~re ich iuch die MaZe wo1.; ,,,- -219

2. Der Charakter des WHchters

Die frühen Tage1ieder kennen keinen WHchter mit sehr individue11en

ZUgen. Es hande1t sich hier um eine eher verschwommende Fi~r, die nul' einen a11gemeinen Weckz~f singt, oder aber um einen Freund, an dessen

Treue nicht gezweife1t wird. Diesel' 1etzte verschwei~t seine Treue nicht:

"'~ ich bringe in hinnen, ob ich kan. sin vil manegiu tugent michz 1eisten hiez. ''':.. 220

216. Konrad von WUrzburg: Von der Hagen, MS, II, 127, XV, Str. 1, V. 29-3l. 217. Ulrich von Singenberg: Bartsch, SM, II, 14, V. 8-9;· 218. Heinrich Tesch1er: Ibid., VIII, 7, V. 7-10. 219. Johannes Had10ub: Ibid., XXVII, 33, V. 24-25.

220. Ho1fz'am von Eschenbach: Kraus, ~, 69, II, Str. l, V. 7-8. -85-

" ~ den beiden diente ich geI'ne: il' sô diente ich âne danc. u. 221 " , swaz ich sol, daz leiste ich in mit tI'iuwen gal': '". 222 Die Tagelieder des sp!lten dreizehnten und frühen v:i:erzehnten Jahrhunderts versuchen aber, dem \o1H.chteI' einen komplexeren, meist negativen Charakter zu vel'leihen. Johannes Hadloub ist der einzige Dichter, der den Hngstlichen W!lchtel' in seinen Gedichten darstellt. El' vergisst nicht, dass der 't-1!I.chter im Dienst des Bul'gherren steht, damit el' ihm Gut und "êre"- und also auch die Dame - bewacht. lm Fall der Gefangennahme des RitteI's wÜl'de el' sein Leben vel'liel'en, und fUI' Hadloub ist es nul' natürlich, dass ein Wllchter untel' solchen Umst!lnden Hngstlich ist. "'Ln nût ich stân (übI'ic liebe vUrcht ich) daz sl sich düI' liebe wâgen unde mich. wiI' müezen lân unser leben und &re, sien han Val' tage dan geRcheiden sich. ,n 223 Sein Wllchterlied, das nul' ein Honolog des \.JH.chters ist, besteht aus einer Reihe von Klagen, die an StllI'ke zunehmen: '" Inn. bin ich aller fI'8iden arn: ich vürhte mil' sô sêI'e. ez stat" umb lip,. und ere:,.

221. otto von Bottenlouben: Kraus, DL, 41, III, Str. l, V. 3.

222. Kristan von Hamle: Ibid., 30, VI, StI' • l, V. 3. 223. Johannes Hadloub: Ba.z,tsch, .§M, XXVII, 34, V. 5-8. -86-

in kan il' leider nicht be"larn.

Sin volgen minem,.. rate'" •

unt tuont si./\ daz ze spate,"

ow~ ich bin mit in verlorn • ...... Ow;, daz ich WaI't erkOI'll,

daz ich wart il' wachtaere •.ill 224

Die Angst intensiviert sich so sehr, dass sie sich am Ende des Honologs in Zorn VeI'\11andelt: " " Il l'nu hoernt si doch min,.. warnen:

muoz ich il' minne erarnen noch m~, daz ist mil' leit und zorn. ·,i. ·225 Ein Variante des Hngstlichen Wâchters findet sich im nijchsten Lied. Hier empfindet der VlHchter eine solche Angst, dass el' am Morgen das Paar, das el' im Zimmer behütet hat, verlHsst, um sein Lied von ferne zu singen:

Il "m'in herre sehe selb dar zuo.

10. 1\ ez stet beiden umb il' lip: ich kum \101 hin, wan ich wil s~n ÛZ VOl' dem morgen fruo.' ......

224. Johannes .Hadloub: Bartsch, SN, XXVII, 14, V. 17-2.3, 27-28.

225. Ibid., ~. 24-26. -'d7-

~ ~ ft ~ ~26 lane lougen, der wachter hat uns verlan: 1. t:. AndeI'e Dichter zeigen ihn aIs Gegentyp zum Hngstlichen v1Hchter . Hadloubs. Hier ist el' sich seiner Macht üher das Liebespaar bewusst und weiss, dass der Erfolg der Flucht des Ritters von ihm abhfulgt.

Also kann der W!lchter aJ.1S seiner sozial untergeordneten Position hervortreten, um der Dame zu befehlen, endlich zn schweigen: "el' sprach hât iuwer fragen s'in, den ri~ te...:' balde wecket:

d er morgen kum, t d az sage ~c. h l'ofu d·~e reht en t·r~uwe mAin • . "11 227

Del' ~1Hchter kann manchmn.l streng sein, dem Paal' mit der Gefahr der "huote" drohen, v!enn er seine Geduld vel'liert: " Der 'Wahter aber ltte

mit zorne s~mc dUI'ch friundes klage

" 1\ 1\ 1 swa liep betagt b~ b'ute, da~ kumet der merkaere sage.'·,""228 Nul' einmal anzutreffen iat die sarkastische Haltung des WHchters bei Frauenlob: El' droht dem Paar mit der grausamen Konsequenz des Todes und kontrastiel't sie zynisch mit der Minne. Die Worte des Wllchters 'Werden vorn Verfasser aIs hBhnisches "gelehter"229 dargestellt, wHhrend

226. ,Johannes Hadloub: Bartsch, mi, XXVII, 50, V. 12-14, 17. 227. Jakob von vlarte: Ibid., XXII, 6, V. 18-20.

228. Walther von Prisach: Kraus, DL, 63, II, Str. 3, V. 1-4. 229. Frauenlob: Ettmfiller, FL, Lied XI, Str. 2, V. 6. -88-

;,. . die Dame ihn bittet: n'la" din spotten. ft, 230

Ein weiteI"er Schritt in der Entwiéklung;seines1megativen Charakters ist seine Bestechlichkeit. "Lônu wird zur Voraussetzung fUr seinen

Dienst~ im Gegensatz zum t'rUhen Tagelied, in dam der mlchter das Paar nur aus Treue behUtet. Treue schien den spAteI"en Minnesllngern ein nicht ganz akzeptabler Gzound fUr das Bewachen zu sein, denn man kann sich fragen, wie ein Burgw6.chter in seiner unteren sozialen Stellung und speziell als Angestellter des Burgherren mit Ritter und Dame in Freund- schaft h6.tte treten k8nnen. Selbst wenn man voraussetzt, dass der

W6.chter einen ulôn" in den frUhen Tageliedern erhRlt, 50 wird es dort doch verschwiegen, vielleicht aus idealistischen GrUnden. 'Vlolfram geht in einem Lied sogar weiter. Die Dame versucht hielj den '.J6.chter mit Geld zu bestechen, damit el' der Burg den Morgen noch nicht ankUndigt: u.J maer du bringest, der mich leider niht gezimt, immer morgens gein dem tage. diu solt du mir verswtgen gare daz geb{ute ich den triuwen d'in: des lône ich dir als ich getar.

4 A ·2~l s6 bell.bet hie der selle min. tI. ~

Der treue WRchteI" achtet nicht aut' ihre angstvollen '-Sorte. Er hat dem Ritter versprochen, ihn sicher fortzubringen. Also nimmt er das Angebot

230. Frauenlob: EttmUller, ~, Lied XI, Str. 2, V. 13. 231. Wolfram von Eschenbach: Kraus, DL, 69, II, Str. 2, V. 3-8. -89- nicht an: .'! 'gab sich miner triuwe alsS,

daz ich in braehte ouch wider dan •• 11 232 Der selbstlose Wâchtel' in einem anderen frühen Tagelied, einem Ottos von Bottenlouben, betont, dass el' seine Aufgabe ohne Belohnung erfüllt:

n'den beiden diente ich gel'ne: ir sô diente ich âne danc. '.11 233 Die M6g1ichkeit, die Wâchterfigur durch das Motiv der Belohnung weiterhin auszugestalten, wird schon im fI'Ühen Tagelied Kl'istans von Hamle angedeutet. Dabei wird allerdings nicht klar, ob der \lHchter den als Bestechung gemeinten Lohn annimmt, denn das Gedicht endet mit dem Angebot: n •wahtaer, nim min/!' golt und hilf im hin, s\jiez mir erge.:tn1\ .. 234 In der zweiten HHlfte des dreizehnten JahI'hunderts, ist dann ein hâufig auftretendes Motiv, dass der WHchter schon VOl' der nHchtlichen

Aufgabe rel' "lon" bestellt werden muss. So verspricht z. B. eine Dienerin der Dame im folgenden dem Wâchter Geld, als sie ihn bestellt: n.'du wl-nke. J.m . an daz vensterlin;1\ des lônet dix' diu frouwe min.'"~ 235 Das Motiv wird variierend entfaltet, wenn in einem Lied der

232. Wolfram von Eschenbach: Kraus, ~, 69, II, Str. 3, V. 5-6. 233. Otto von Bottenlouben: Ibid., 41, III, Str. l, V. 3. 234. Kristan von Ramle: Ibid., 30, VI, Str. 4, V. 5. 235. Burggraf von Luenz: Ibid., 36, l, Str. l, V. 9-10. "':b -90-

WHchter absichtlich zu fr/th singt, weil el' seinen "l'On" noch nicht bekommen hat. AIs die Dame merkt, dass es noch Hfngst nicht Morgen ist, besticht sie ihn aus Angst und bittet ihn, dem Rof den Tag spHter anzusagen:

"si sprach 'friunt m~ner wunnen,

der ,,,ahter wil niht gunnen

uns liebes, lJan el' wolte s'in bespunnen

mit miete, daz h~ ich vernomen:

ez ist dem tage unnahen.'

diu frou'ole stuont ~f und begunde g~hen

hin zuo dem wahtel' eine.

si sprach 'niln, wahter, silbsl' golt und edel rich'" gesteine,

Th mich den zarten lieben umbevâhen!.u 236

Han stellt fest, wie weit in negativer Richtung der Charakter des WHchters entwickelt werden kann, 'Henn der WHchter hier statt mit eineI' Weigerung

'oIÎe im Tagelied Wolframs mit einer Annahme der Bestechung antwortet.

11 Er sprach 'ich bin gemietet:

g~t widel' unde nietet

iuch frBiden, wanich wolte daz il' berietet

mich: daz habt il' tf ende braht.

ich warne iuch, SvJenne ez zitet,"

236. 'vienzel von BBhmen: Kl'aus, 1&, 65, III, Str. 2, V. 5-13. -91-

daz el' mit frBiden ritet. ~ " . ·237 lm Lied Heinrichs von Frauenberg wird das Bestechungsmotiv am wei testen ausgeführt. HieI' wird der Wilchter aIs ausgesprochen gierig dargestel1t. Um Geld von der Dame zu bekommen, droht el' zuerst, el' werde sie nicht auf'Wecken:

"'in singe nu niht mere.'''·" -'3,1-u Dann fragt el' ganz offen und keck nach "miete," was sich in keinem anderen Tagelied findet: "er sprach 'froUl.Je,

A swer wol soldet mir den lip, swenne ez taget, ich singe iu nte. '''. 239

Um sichér· zu :g~hen, dass el:' auch bezah1t wirq fügt er eine 1etzte DI'ohung hinzu, die andeutet, el' WUrde ohne ZBgern den Ritter verraten und damit aIs "merker" handeln.

" • lst der l'itter hie inne, frouwe,

A ,.. velmide ich danne miner ougen schouwe, Sb wirt iur fr8ide bitter. "'.240 Die Dame hat keine Wahl nach diesel' dreifachen Drohung aIs den Forderungen

237. Wenzel von B8hmen: KI'aus, lli:!" 65, III, Str. 3, v. 1-6. 238. Heinrich von Frauenberg: Bartsch, SM, XIII, l, v. 10. 239. Ibid. , v. 14-16. 240, Ibid. , v. 17-20. -92-

zuzustimmen und zu sagen: " 'Hôhem solde ,.. t" '241 warte mir, geselle min,

3. l{z'itik am W!f.chteI'

Diese mehr und mehr negative Ausgestaltung der W!f.chterfigur findet eine neueI'liche EI'Weiterung, wenn ihr in den spl!teren TageliedeI'n offenes Misstrauen entgegengebracht und VOl' ihr gewarnt wird. Das folgende Lied Steinmars ll!sst sich auch als "Kz'itik am Tagelied" verstehen, aber da es ausschliesslich eine Kritik des Wachters beinhaltet, soll es hier bebandelt werden.242 Del' W!f.chter betrügt den Burgherrn, in des sen Dienste el' steht und dessen Besitz, darunter die Dame, el' bewachen soll. Hel' einmal betrUgt, kann es ebenso leicht ein zweites Mal tun, und el' kann dann auch das

Liebespaar selbst betrUgen, so ~ argumentiert. Der W!lchter sei gefHhrlicher als die "merker" denn in seinen Hllnden liegt die Sicherheit des Paares. Ein bestellter Wl!chter ist nicht vertrauenswürdig, man mUsse besseI' einen ltJ!f.chter wHhlen, der zur gleichen Zeit ein "staeter... friunt" ist. "Swer tougenliche minne Jtat,

deI' sol sich w~nic an den lM,

241. Heinrich von Frauenberg: Bartsch, SH, XIII, l, V. 21-22. 242. FUI' die alternative Form "Kritik am Tagelied" S. Kapitel l, Abschnitt E, 1. -9.3-

den man s~ gr6ze misset~t an stnem herren siht begân, dem el' bewachen guot und êre sol.

rat el' den gast ~f schaden in, wie solte ich dem getrGwen wol?

Waer ich sS minneclich~ gelegen

h A ~ bi liebe tougen uf den lip,

sS wolte ich w~nic sltres pflegen dur mich und durh daz reine wlp. mil' selbam sa wolt ich getrawen baz dann ieman, der mich wecken soIt:

s~ w~ im, des man d~ vergaz!

Die merker unt dar zuo der slaf,A

die k8nden w~nic mir geschaden. ich huote ouch VOl' der merker straf,"

waer ich zuo liebe als~ geladen,

daz ich d~ hahe frBide solte han: sô mtleste el' stn ein staeter friunt,

den ich daz wizzen solte l~.'·I. 24.3

Mit der Forderung, dass der Bewachende "friunt" sein solI, ist der Kreis

243. Steinmar: Bartsch, ~, XIX, 5. -94- geschlossen worden, und die Sehnsucht nach dem fIilheren Typ des treuen

Hllchters ist eine natUrliche Konsequenz, die sig]') ~u~ der·tffiertredbung seiner Bosheit ergibt. Hier wird aber schon angedeutet, dass der Wllchter, weil el' im Dienst des Burgherren sowie des Liebespaares steht, die Funktion des Bewachens des Paares unm8g1ich erfUllen kann. F..r muss ersetzt werden. Die Kritik des WHchtel's in einem Tagelied Ulrichs von Lichtenstein gibt fUr seine Unzuvel'lHssigkeit einen Grund an: sein niedeI'er Stand. Hier spiegelt sich die Kritik eines Ritters am bHuerlichen Parvenu bei Hofe, welcher l-lahrscheinlich jedes Geheimnis vel'raten \rllrde, um seine Stellung in den Augen des Burgherren zn verbessern. Von Lichtenstein kr'itisieI't ferneI' die Dame des Tagelied, die VertI'auen zu so einem .dauern haben konnte und schlHgt vor, dass sie sich einem adligen BehUter anvertraut: "ein h~ch geborn witz11ch w1.p solde ungern eins gebûren iip dekein il' heimlich wizzen lan;

und taet siz, ez waer misset~n.

Man hât edeler wahter niht: da von sS waer ez gar enwiht, dei' einem wahter iht des sagt, daz im waer liep gal' verdagt. gebflren aI't kan niht verdagen; des sol man in ungern sagen. edeliu art kan svAgen wol; -95-

~ . d~ von si heimlich 'Wizzen sol. If 244 Von Lichtensteins KI'itik besteht aus z'WBlf Strophen und einem langen Teil, der eine Billigung der heimlichen Liebe beinhaltet. Er fügt dann ein Tagelied hinzu, 'Worin das Wâchterproblem so gelBst 'Wird, dass el' von einer treuen Dienerin der Dame ersetzt ist.

4. Die Dienerin

Die Gestalt der Dienerin ist eine Erfindung Ull'ichs von Lichtenstein und kommt in der "alba" nicht vor.245 lm obenerwâhnten Lied ersetzt sie den Wâchter und weckt das Paal' rechtzeitig auf: "Ein schoeniu maget ,.. sprach: ''IiI liebiu frou'We min, Wol ûf! es taget. '" 246 Der WHchter ist im Gedicht noch vorhanden, 'Wird aber zur Hintergrundsfigur. AIs el' die Zinne, die dem Fenster des Turmzimmers gegenübel'steht, verUlsst, um seinen Weckruf in einer anderen Ecke der Burg zu singen, nimmt es die Dienerin 'Wahl' und er'Weckt ihre Dame. Die Dienerin stammt aIs Kammerfrau

244. Ulrich von Lichtenstein, "Frauendienst": De Boor, HA, II, IX, l, S. 1684-5, V. 13-24. 245. Auf der anderen Seite kann sie 'Wohl der viel Rlteren Gestalt der Amme im Hero und Leander Mythus entlehnt sein. S. Einleitung, s. 2, Anm. 6.

246. Ulrich von Lichtenstein, IIFl'auendienst": De Boor, ~, II, IX, l, s. 1685-7, V. 1-3. -96-

der Dame aus dem niederen Aciel, erfüllt also von Lichtensteins Forderungen: "edeliu art kan swigen wo!."

Die Dienerin eI'setzt j etzt hllufiger den Wlichter, wie. ,diè folgenden Beispiele zeigen: "dar sleich ein maget 1'1se:

diu sprach 1 nu wol tf, ez ist tac. III ,247 "Der frouwen dienerinne kluoc erhérte da des wahters singen. ,. da von erschrac diu vil getriuwe, diu maer si hin zer frouwen truoc. si sprach l'wol 'Ûf, und l1t iu lingen:

der tac ist komen.'" ~48 Wie im letzten Gedicht nochmals zu sehen ist, wird der Hllchter noch beibehalten, aber nur sein Weckruf ist wichtig, er erfüllt also

diesselbe Funktion wie der Vogel in der FI~hzeit des Tagelieds. Er ist nicht mehr Behflter des Paares, weisst nichts von der heimlichen Turmszene. Seine beiden Aufgaben: Wecken und Bewachen sind auf zwei verschiedene Figuren verteilt worden. Von Luenz probiert eine andere Konfiguration in einem Gedicht aus, in dem ein Dialog zwischen Wllchter und Dienerin stattfindet. Die

Dienerin gibt dem Wllchter genaue UnteI~eisung, wie der Ritter heimlich

247. Ulrich von Lichtenstein: Kraus, DL, 58, XXXVI, Str. 5, V. 3-4.

248. Ulrich von WinteI'stetten: Kraus, J21, 59, XXIX, Str. 2, V. 1-6. -97- ... in das Turmzimmer hineingefUhrt werden soll. Der WHchtel' steht betont im Dienst des Paares und die Dienez'in sagt, dass el' fUr seine Arbei t bezahlt werden wird: " Ez gienc ein juncfrou minneclich" zem wahter an die zinne stân: 'Wahtaèr, wis Wôhes muotes r!ch: sehst ieman tougen zuo dir gin,

s6 sprich vil lise "weI' gêt d~?" und ouch niht fl'evenltche gare

sprech el' dann bald zuo dir "j~," . sS \oIizzest:daz el' rechte var.

du winke im an daz vensterl'În; des lônet dir diu frouwe m'in. 1:" 249 Mit dem allmHhlichen Versch\olinden der WHchterfigur im Tagelied verschwindpt auch die "huote," um deretwegen der WHchter not\olendig ge\olesen ist. In den Tageliedern der SpHtzeit fehlt jede EI'\oIHhnung der "huote" oder der "merkaere." Der leidvolle Charakter der Tagelieder der FrUhzeit versch\olindet auch allmHhlich. Die Angst VOl' Entdeckung durch "melde" wird nicht mehr erwHhnt. Der Unterschied zwischen FrUh- und SpHtzeit wird in den folgenden Zitaten deutlich. Dez' Refrain eines frUhen Lieds, nHrnlich eines ottos von Bottenlouben, lautet:IIIgrôz angest

249. Burggraf von Luenz: Kraus, DL, 36, l, Str. 1. -98- hi der liebe Îit,t"2'50wogegen der Rerrain eines spu'ten Liedes, nu'mlich eines Ull'ichs von Singenberg, genau den umgekehrten Inhalt hat: "der hât die naht niht angest wan daz in vertrlben sol der tae."25l IIVerholniu minne" wird zu einem Spiel. Statt des Leitgedanken "naeh liep kumt leit" im rrühen Tagelied spricht man jetzt nul' noeh von "liep." Ein Beispiel darür ist das als "Zweitagelied" zu bezeichnende Lied Ulrichs von Lichtenstein. 252 Wenn wie sehon ausgertlhrt das Motiv der "huote" im Tagelied in der sozialen Realitu't der Zeit seinen Ursprung hat, hat man nicht.anzunehmen, dass das Verschwinden aueh mit der konkreten sozialen Situation der h8risehen Gesellschart zusammenhAngt? Um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts ist die Dekadenz der l'itterlichen Gesellsehart allgemein. Die obeI'en Schichten sind dureh

Kriege und Kreuzzüge verarmt und durch das Aurkom~en des Geldhandels wird das Bügertum zur rührenden Macht. Das stilisierte Minnewesen geht ebenfalls mit dem Rittertum untel' und:-das Tagelied ist rrei, die IItougen minne" zu billigen und sie nicht in Leid ausgehen zu lassen, nur um die mOl'alischen FOI'derungen der Horgesellschart zu errüllen. :'Die "huote" wilre in den rreudigen spllten Tageliedern nur eine Hinderung, eine Erinnerung an das leidvolle Tagelied der Frfthzeit und an die moralisehen Gesetze der Bl~tezeit der h8tischen Gesellschart.

250. otto von Bottenlouben: Kraus, ~, 41, III, Str. 2, V. 7. 251. Ulrich von Singenberg: Bartsch, §M, II, 9, V. 6, 12, 18, 24. 252. De Boor, MA, II, IX, l, S. 1685-7. -99-

Auf der Gegenseite zum dekadenten Tagelied der spRth8fischen Gese11schaft steht das neuaufkommende Tagelied des BfIrgertums, das sich bald zum Vo1ks1ied umgesta1tet.253 Die "huote" und der vlHchtel', die nur in einer h8fischen Umgebung erdenkbaI' sind, sind im bllrgerlichen Tagelied nicht anzutreffen. Die Dienerin ist aber eine dem reichen Blirgertum wie dem Adel bekannte Figur, also wird sie aus dem spHth8fischen Tagelied übelnommen, um den Platz des WRchters einzunehmen, bis die Natur sie wiedel'um im Vo1ks1ied ersetzt. Nul' die lange Reihe der pseudo-h8fischen epigonenhaften Tage1iedel' veI'wenden die Uâchtergestalt weiter.254

253. FUI' diese Entwick1ung s. Friedrich Nicklas, UnteI'suchung liber Stil lmd Geschichte des deutschen T e1ieds, Germanische Studien, Heft 72 Ber 1 in: EbeI'ing, 1929), S. 96-7. 254. Ffh' Beispie1e des sechzehnten bis achtzehnten Jahrhunderts s. FI'iedl'ich Ranke und Ernst Scheunemann, Hrsg., Texte zur Geschichte des deutschen Tage1ieds, zweite Auf1., A1tdeutsche t~ungstexte 6 (Bern: Francke, 19611-), N. 38-43, 45-6. -100-

III. DER STANDPUNKT DES DICHTERS

Aus welchem GI~nd wurden h8fische Tagelieder fiberhaupt geschrieben?

Die Gattung steht im Widerspl~ch zur damaligen Minneauffassung, denn von der einseitigen fel'nen Anbetung des Ritters und der Zurfickhaltung der Dame, die mit Hoher Minne bezeichnet verden, ist nicht die Rede. Hier handelt es sich um gegenseitig el'widerte, sinnliche Liebe. Da das Tagelied der Minneauffassung entgegengesetzt ist, k8nnte man annehmen, dass es bewusst in Auseinandersetzung mit dem Begriff "minne" geschrieben 'Worden ist. Ob es nul' die idealistischen, unerfüllbaren Wllnsche des Minneslingers oder aber die Realit!1t der Zeit widerspiegelt, jedenfalls solI das Tagelied die "echte" Liebe beschreiben.

A. Die pseudo-moralische Haske von "liep" und "leit"

"lie schon dargestellt findet sich in jedem Tagelied der Gedanke, dasfI auf Freude, und besonders au!' ?reude an der Liebe Leid folge. 255 Diesel' Gedanke findet sich besonders stark in der' ;;'rllhzeit ausgepr!1gt. Da der Dichter einen Liedtypus wHhlte, der in "leit" ausging, und immer wieder daftir sorgte, dass el' in "leit" ausging, konnte ihm nicht zum VOl'wurf gemacht werden, aine Verherrlichung der sinnlichen Liebe

255. S. dazu Kapitel l, Abschnitt D. -101- schreiben zu wollen, wie intensiv el' auch diese erotische Liebe im Gedicht selbst beschreibt. Henn der Dichter die heimliche aber natürliche Liebe, die die Tageliedsit.uation beschreibt, billigen wollte, konnte el' es nicht offen tun, sondern musste die heirlllich gebilligte Liebessituation dazu verurteilen, in Leid auszugehen. Also ist eine m8g1iche ErklHrung roI' die Verwendung des "nach lieu kumt leit" Gedankens, dass el' als pseudo-moralische l~ske gelten sollte. Diese Maske würde die moralischen Forderungen der Hofgesellschaft erfüllen, in dem sie von der lehrhaften

Absicht des Dichters überz'3ugte. Auf der anderen Seite wÜl'de das Lied selbst denjenigen, die auch heimlich die "tougen minne" billigten, zufrieden stellen. Beim sorgfHltigen Lesen kann man erkennen, dass der Dichter nie moralisiert. Der Formel "nach liep kumt leit" folgt niemals ein weiterer kritischer Kommentar. Die Worte "schuldll und "sünde" spielen ausser im geistlichen Tagelied keine Rolle bei den Beschreiblmgen des DichteI's. 1"enn jemand irgendeiner Schuld angeklagt wird, dann ist es die tlbermacht

"Frou Minne: Il . IHDiu minne ist wunderlich gemuot:

in übel keret si daz guot daz si ze 1iebe manigem tuot. -,,, 256

'~beider sinne wurden d~ versgrst,

256. Konrad von HUl'zburg: Von der Hagen, MS, II, 127, XIV, Str. 2, V. 9-11. -102-

(daz schuof frou l'-1inne) fr8ide gal' verk~ret.u 257 Auch die "huote" wiI'd aIs Ursache für die Notwendigkeit der "tougen minne" angeklagt. Letztere wird von der Dame angesprochen:

"1 s8 wê dir, arge huote, dast unsaelic stst durch daz du staetem muote sa vil leides glst!· '" 258 und einmal wird'ihrvom WHchter die Schuld gegeben: "'ez waere unwaege, swer minne pflaege daz ûf im laege me Ides last. '" 259 Dass der \<1Hchter sich nie gegen die "tougen minne" ausspricht, \o1urde bereits erwHhnt. 260 Auch die sogenannten "Kritiken am Tagelied" sind wie gesehen keine Kritiken am Benehmen des Liebespaares.26l Die Dame \o1ird vom

257. Ulrich von 1..Jinterstetten: Kraus, DL, 59, XXIX, StI'. 3, V. 7-8. 258. otto von Bottenlouben: Ibid., 41, XIV,Str. 1, V. 7-10. 259. Wolfram von Eschenbach: Ibid., 69, V, Str. 2, V. 5-8. 260. S. dazu Kapitel II, Abschnitt C, 1. 261. S. Kapitel l, Abschnitt E, 1 und Kapitel II, Abschnitt C, 3. -103-

Dichter immer wieder betont "diu reine"262 oder "tugenderiche"263 genannt und die Liebe zwischen Dame und Ritter geschieht "tugentlich."264 Die Formel "nach lieD kumt leit" ist also nicht kritisierend gemeint) sondern als allgemeine Weisheit hat sie die Funktion, dem i Tagelied einen pseudo-moralischen Charakter zu verleihen.

B. Die Tageliedsituation aus der Sicht des Liebespaares

Das Tagelied w!rd nur von einem Standpunkt ElUS betrachtet, nHmlich vom Gesellschaft gegenUberstehenden Standpunkt des Liebespaares, das die Situation gegenwHrtig erlebt. Dieser Standpunkt wird in der direkten Rede, die den Hauptteil des Gedichtes ausmacht, ausgedrückt. Auch der Teil, der aus der Beschreibung des Dichters besteht, bietet diesem Standpunkt wegen des vollkommenen Mangelsan kritischer Auseinander­ setzung. keine Opposition. Die direkte Rade stellt die Verzweiflung und Emotion der Liebenden so intensiv dar, dass der Leser nul' Mitleid mit dem Paar haben kann und damit auf seiner Seite steht. Auch die Natur wird nul' aus der Sicht des Liebespaares gesehen.

262. Konrad von Würzburg: Von der Hagen, MS, II, 127, XXXI, V. 9; Steinmar: Bartsch, SH, XIX, 5; V. Il; Von Wissenlo: KI'aus, Q&, 68, l, Str. 3, V. 3; Ibid., II, Str. 2, V. 1; Ibid., IV, V. 5.

263. Ulrich von Vlinterstetten: Kraus, DL, 59, XXIX, Str. 2, V. 7J.

264. Namenlos: Bartsch, DL, XCVIII, S. 296, V. 5. -104-

Nicht nul' in der direkten Rede wird deI' Tag aIs Feind angesehen, 265 sondern auch die WRchterwol'te und die Beschreibungen des Dichters sehen den Tag aIs unfreundlich, trHbe, genau so wie das Liebespaar ihn sieht und sie stehen damit auf der Seite des Liebespaares. Die Beschreibungen des Dichters von der grauen MorgendRmmerung bereiten die leidvolle Stimmung des Tagelieds vor: "Si sach vil ungerne den morgensterne, grawen tac, diu wolken grise; " 266 " si kos den alten jungen grawen grisen: " 267 Manche Dichter gehen noch weiter und lassen das Liebespaar den Tag aIs ein schreckliches peI'sonifiziertes Ungeheuer erleben. Wolfram von Eschenbach ist der erste der das tut:

" J, Sine" klawenIl durh die wolken sint geslagen,

el' st1get'lIf mit gr~zer kraft, ich sihe in grawen" tRgelichA aIs el' wil tagen,

265. Beispiele davon sind in den Gedichten von \-lissenlos: Kraus, DL, 68, l, Str. 3, v. 4-7; Ibid., II, Str. 2, V. 2-7; '\ololframs von E~henbach: Kraus, Q1, 69, l, Str. 1, V. 6-11; und Heinrich Teschlers: Bartsch, SM, VIII, 7, V. 13-18 zu finden. Hier wird deI' Tag personifiziert, direkt aIs Feind angesprochen. In den Gedichten Wolframs von Eschen­ bach: Kraus, !21, 69, VII, Str. l, V. 3-4 und ott os von Bottenlouben: Ibid., 41, XIII, StI'. 2, V. 10, wird die FaI'be der MorgendRmmerung besonders aIs grau, tI~be betont. 266. Del' MaI'ner: Von der Hagen, !:1ê., II, 118, II, Str. 2, V. 7-10. 267. Namenlos: Ibid., III, XXXII, Str. 2, V. 4. -105-

'>" den tac, '" 20 .... "Von den blicken, die der tac tet durh diu glas, und dè der wahtaer warnen sanc, si muose erschricken" 269 "Del' tac mit kraft al durch diu venster dranc.

vil sl~ze si besluzzen:

daz half niht: Il 270 Einmal allegorisiert el' den Tag als JHger: n'Nu enmac niht langer hie hi mir bestên mÎn friunt: den jaget von mir dÎn schin.'" 271 Del' WHchter FI'auenlobs malt ein Schreckbild des Tages: "'Durch dinster vinster nebel dicken blicken siht man grâwen tac;

in den lllften ob den kltlften vogele schr1ent

unde kr1ent, t" 272 Diese Beschreibungen des Tages aIs schrecklich lassen erkennen,

268. \ololfram von Eschenbach: Kraus, DL, 69, II, Str. 1, V. 1-4. 269. Ibid. , Str. 5, V. 1-3. 270. Ibid. , l, Str. 2, V. 1-3. 271. Ibid. , Str. 1, V. 10-11. 272. Frauen1ob: Ettmt\ller, E.!:!, Lied XI, Str. 1, V. 1-6. -106- dass der Dichter, ebenso wie das Liebespaar, den personif"izierten Tag aIs Verbündeten der Gesellschaft ansieht.273 Indem el' mitleidig dem Leser die unausweichliche J.facht des Tages so beschreibt, wie das Liebespaar sie sehen würde, wird die KontinuitMt der Stimmung nicht unterbrochen.

c. Der offene Standpunkt des Dichters der SpHtzeit

Das Tagelied wird von de Boor aIs "objektiv lyrische Gattung" bezeichnet,274 im Gegensatz zum Hinnesang, der aIs "Ich-Dichtung" eine

273. Es ist festzustellen, dass im Tagelied der Tag, die VBgel, die Natur überhaupt auf den Kopf gestellt sind. Im üb:['igen Hinnesang sind diese Naturzeichen Freunde, hier a.ber Feinde. Dies zeigt weiterhin die Auseinandersetzung des Tagelieds mit den Ideen des Minnesangs. Beispiele dafür sind bei otto von Bottenlouben: Kraus, Q1, 41, XIII, Str. 2, V. 7 und bei Von Wissenlo: Ibid., 6~, I, Str. l, V. 3 zu finden. Das erste lautet:"' naht git senf"te, we tuot tac,"'und das zweite:"'der tac der schînet im wolleide Gf allen wegen. tfl Dem Ritter des Tagelieds \tlalthers von der Vogelweide: Von der Hagen, MS, I, 45, VIII, Str. 6, V. 1-4, kann der Blick a.uf" die Natur nicht die Erinnerung an seine Geliebte hervorrufen, anders aIs es im Falle des Minnesangs ist. NUI' die Liebe selbst kann ihn trBsten. Vielleicht sehen wir hier eine absichtliche Auseinandersetzung mit der mq~r unrealen, stilisierten Minne: uO"Waz helfent bluomen rot? sit ich nu hinnen sol, vil liebiu vriundinne, die sint unmaere mir, reht aIs dien vogellinen die w1nterkalten tage. '" 274. Helmut de Boor, Hrsg., l.fittelalter - Texte und Zeugnisse, 2 Bde. Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse (HUnchen: Beek, 1965), II, S. 1671. -107- subjektive Gattung ist und alles aus dem Blick des Minneritters sieht. Weil die Handlung des Tagelieds sich in der direkten Rede verschiedener

Personen ent'Wickelt, 'Wird die Gattung aIs "objektiv" bezeichnet. Ob man nun das Tagelied aIs die Darstellung der idealistischen, unerfUllbaren Wünsche des MinnesHngers oder aIs Protest des Dichters gegen die sozialen Verhâltnisse deI' Zeit auffasst, kann man es doch kaum objektiv nennen. Wenn diese SubjektivitHt in der FI'Ühzeit wegen der Verhüllung der Ansichten dur'ch die "liep-leit" Maske nicht überzeugt, so ist sie im Lichte der Entwicklung des Tagelieds in der spHthBfischen Zeit doch beweisbar. Wie schon im zweiten Kapitel besprochen, reflektieI't das spllte Tagelied die Ent'\olicklung deI' sozialen Verhllltnisse deI' Zeit. Die Dekadenz des ritterlichen Lebensstils zeigt sich in der Abschwllchung der strengen moralischen Hal tung gegenf!ber der I~tougen minne." Das idealisierte Hinneuesen versch'Windet mit dem Untergang seiner h8fischen Umwelt, und die Liebe, die dRs Tagelied darstellt, wird akzeptabel. Der Dichter der SpHtzeit braucht seine Billigung diesel' Liebe nicht mehr hinter einer pseudo-moralischen Maske zu verstecken. "Leit" tritt all­ mlihlich aus dem Gesichtsfeld. Ebenso braucht der Dichter sein Publikum nicht mehr durch allegorische SChilderungen des schrecklichen Tages über• zeugend zurn Mitleid mit dem Liebespaar zu bringen. Der Tag erschreckt nicht mehr, wird nicht mehr aIs Feind beschrieben. Der Dichter des Tage­ lieds billigt die Situation jetzt ganz offen. Ulrich von \VinteI'stetten, der relativ fI'Üh und noch in der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts schrieb, ist der erste, der diese offene Billigung wagt: "ach si lâgen -108-

aIs si solten."275 Dann findet man diese Billigung ebenso beim spiiteren Dichter Johannes Hadloub, der nach seinem Preis der heimlichen

Liebe: "Wer m8cht bezzer fr8ide han, des enkan ich nicht volspehen, ais sl hant die nacht s6 gar." 276 den "nach liep kumt leit" Gedanken so weit fallen llisst, dass eI' ihn nur aIs FormalitHt am Ende des Gedichtes kurz erwlihnt:

Il doch hânt si die zt1oversicht, daz in fr8ide wirt verzücket, s6 der "1achter tages gicht.·It 277 Ein namenlosel' Dichter, deI' seinem Tr..gelied eine "nahtw1se"- Strophe voranstellt, lobt die "staete lieb'" der sich heimlich Liebenden, die trotz der vielen UmsUlnde doch den Mut haben, sich so oft zu sehen.

If nieman die lieb' verdringen mak, si aht niht vogel' in dem hak, si aht niht valscher raete. Unt soIt' der ritter han getan,

eL' het' die naht niht varen lan; gein tak siht man diu wolk' uf gan,

275. Ulrich von Winterstetten: Kraus, 121, 59, XIII, Str. 3, V. 3. 276. Johannes Hadloub: Bartsch, §t1, XXVII, 51, V. 27-29. 277. Ibid., V. 37-39. -109-

weI' l'eh ter lieb' ist staete • ...... ein staete lieb' diu hat den pris, ein staete lieb' macht alt und gris;

wan man die siht gaI' selten. fi 278

Ull'ich von Lichtenstein lobt in seinem "Frauendienst" die "tougen minne" strophenlang mit Horten, die wie die folgenden jetzt tlberhaupt keinen versteckten Sinn mehr enthalten: "st t ich die wârheit sprechen sol, sone tet nie se, rehte wol,

alsè d~ liep hi liebe lit. ez ist ein vr8uden hôchgez1t und aller '''unne ein himelI:'ich, den vr8uden wart nie niht gelich," die liep biA herzenliebe hat,~ d~ liep mit liebe sch~ne umb gât." 279 Ulrich von Singenberg ist del'selben Heinung:

"Hie h~hes muotes ist ein man, der sich zuo herzec11chen liebes schoenem libe hât geleit!

278. Namenlos: Von der Hagen, H8, III, XXXIII, Str. 5, V. 2-8, 11-13. 279. Ulrich von Lichtenstein, "F'rauendienst": De Boor, MA, II, IX, l, S. 1684-5, V. 65-72. Im Tagelied, das als Beispiel im Anschluss an "Frauendienst" angeftlhrt wird, ist es auch bezeic!mend, dass eine "Vers8hnung" mit der Feindin Natur '-lieder vollzogen "lird. Der Tag jagt den Ritter nicht aus dem Gemach der Dame, letzterer bleibt tags­ fiber. -110-

zer vrBude ich niht geltchen kan: mirst elliu vreude gal' enniht gein dirre, s'Waz mir ieman seit. s'WeI' sich sô ,,,Hnnecltcher 'WHnne 'Wol roI' 'W~I' gevreuv/en mac,

der h~t die naht niht angest'Wan'daz in vertr1ben sol der tak.,,230 Dass der Dichter der Tageliedsituation gegenflber eine positive Haltung einnimmt,: kann nicht nul' eine plBtzliche F..ntwickltmg, die mit den sozialen Ereignissen der spHthBfischen Zeit verbunden ist, sein. vlegen der IntensitHt der Darstellung der FrUhzeit und der verschiedenen Technik: kann der Leser auch das fI'Ube Tagelied kaurn aIs objektiv verstehen. Daher ist es unmBglich zu glauhen, dass das hBfische Tagelied aIs objektive Gattung geschrieben 'Worden ist.

280. Ulrich von ;::ingenberg: Bartsch, SM, II, 9, Str. 1. -111-

ERGEBNISSE

Diesel' tlberb1ick über das deutsche h8fische Tagelied soll deut1ich gemacht haben, dass das Tage1ied eine bestimmte historische Entwicklung innerha1b diesel' L:;eitspanne dUl'ch111uft. Diese Entwicklung vo11zieht sich im wesent1ichen in den drei Gebietell welche diese These untersucht hat: im Aufbau, in der Rolle des ,·m.chters, im Standpunkt des Dichters, und solI nun in drei Hauptstufen eingeteilt werden k8nnen. Die erste Stufe umfasst die wenigen Tagelieder, die in die 1etzte Hllifte des zw81ften und in die 'VIende vom zw81ften zum dreizehnten Jahr­ hundert fallen. Das Hauptkennzeichen diesel' Tage1ieder ist, dass sie ohne t-1ft.chterfigur dastehen. Sie spielen auch nicht deutlich in einer h8fischen Umgebung. Diese Gruppe ist sehr schwer zu benennen, da sie sowohl ein 1ft.nd1iches, vorh8fisches Gedicht \olie dasjenige Dietmars von Aist281 wie auch Lieder, die doch einige h8fische Züge aufweisen, enthli1t. Aber da ihre Dichter aIle Ministeriale , oder Adelige waren, die am Hofe 1ebten, und da das Gedicht Dietmars mehl' Nachbildung der friihen provenza1ischen "a1ba" a1s selbstlindig entstandene deutsche Volksdichtung ist, solI diese Gruppe aIs "frühhSfisch" bezeichnet werden. Die zweite Stufe ist zeitlich ausgedehnter. Sie umsch1iesst , " das dreizehnte Jahrhundert untel' Ausschluss der letzten zwanzig Jahre. In einigen FHllen sind sogar Lieder aus dem dritten Vierte1 des Jahrhundelts

281. Von der Hagen, MS, l, 27, XIII. -112-

hineinzunehmen, denn um diese Zeit gibt es GrenzfHlle für diese Gedichte sowie filr die der nHchsten und letzten Stufe. Diese Gruppe umfasst die meisten Tagelieder und charakterisiert sich durch unverkennbar h8fische Züge. Die WHchtergestalt ist hier tmmer vorhanden. Ferner charakterisiert diese Gruppe die Verwendung eines epischen Rahmens: Wecken und Abschied. Von den drei Stufen ist diese die einheitlichste, denn hier sind die Tageliedel' strukturell fast irnmer gleich, obwohl sie neue Motive bringen. Diese Gruppe soll als "hochh8fisch" bezeichnet werden, da sie zeitlich mit dem H8hepunkt der hochh8fischen Dichtung ilberhaupt ilbereinstimmt und da fUI' sie h8fische Elemente charakteristisch sind. Die dI'itte Stufe ist zeitlich gesehen die IHngste. Sie setzt in der Mitte des dreizehnten JahrhundeI'ts ein282 und wllhrt bis zur Mitte des' vierzehnten. Sie charakterisiert sich dadux'ch, daBs fast jedes Lied ein neues Motiv hinzufilgt, das sich von den festgelegten Motiven der hochh8fischen Stufe absondert. Der HauptunterBchied in der Strukttir iat die epische El'weiterung,-und neue Motive sind zumeist in der Entwicklung der Wllchtergestalt zu finden. In diesel' Stufe apiegelt sich die Lockerung der Hofsitten,und sie enthlllt gegen Ende ihl'el' Entwicklung kaum noch h8fische Züge. Diese Gruppe soll als "spHth8fisch" bezeichnet werden.

Die drei Gx~ppen, wie die sich parallel entwickelnde alternative Formen, sollen nun nach ihren Hal.lptmel'kmalen in einer Tabelle zusammen-

282. Wie auch einige Lieder, die zeitlich gesehen zux' dl'itten Stufe gerechnet weI'den sollen, doch die Charaktel'istik deI' zweiten aufweisen, so auch andersrum, zeigen einige Gedichte um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts schon Züge der SpHtzeit. -113-

gestellt werden. Auch die Dich~er oder Gedichte, die fUr die Stufen zeitlich bezeugt sind, werden ihrer entsprechenden Gruppe zugeteilt. Zeit ist nicht immer ein Indiz rtir die charakteristischen Kenn­ zeichen der Tagelieder, wie die Grenzf!!lle der Tabelle zeigen. Die Einteilung ist aber nach der Charakteristik der meisten Tagelieder jeder Stufe vorgenommen. wOl'den. Bei einer zusammenfassenden Tabelle '-1ie der folgenden wird man feststellen, dass die GI~ppen A und B, d. h. frUh- und hochhBfische Tagelieder, fast immer übereinstimmen, ausser wenn es um den W!!chter und die StI~ktllI'en geht, die durch seine Gegenwart beeinflusst werden. Die meisten Besonderheiten finden sich in Gruppe C, der spHthBfischen, die in vie le weitere UnteI'gI~ppen aufgeteilt werden k8nnte. -114-

A. FRtlHHe,FISCH (1170-1200) B. HOCHHe,FISCH (1200-1280)

1. AUFBAU 1. epischer Rahmen: Erwachen 1. epischer Rahmen: Weckruf u. Abschied oder "lecken u. Abschied durch die Natur 2. Einheit des Orts, der Zeit, 2. Einheit des Orts, der des Konflikts Zeit; in lHngeren T.L. sekundHre Konflikte

3. Wechselrede: Dame u. 3. Wechselrede: a~ direkt: Ritter WHchter u. Dame, b. in­ direkt: (WHchter), Dame u. Ritter; Monologe 4. Refrain 4. Refrain 5. Wechsel von "liep" zu "leit"5. Wechsel von "liep" zu "leit" Alternative 6. keine "Kritik am T.L." 6. "Kritik am T. L." Formen 7. liT .L. des Einsamen" 7. uT. L. des Einsamen Il 8. keine "naht'W'ise" 8. nul' eine "nahtwîse" 9. kein geistliches T.L. 9. geistliches T.L. in der Mystik

II. ROLLE DES 1. kein WHchter 1. U!lchter \olXCHTEBS 2. kein "lHchter 2. Aufgaben: vlecken, Behüten

3. Abschiedslied, Sorge um 3. "huote," Furcht vor Ent­ die Zukunft deckung, Angst vor der Gegenwart 4. kein v!Hchter 4. allgemeiner Weckruf oder "1Hchter als Freund des Paars; Beginn des Bestechungsmotivs 5. kein WHchter 5. positive Behandlung der WHchtergestalt

III. STANDPUNKT 1. Maske von "liep" u. "leit" 1. Maske von "liep" u. "leit" DES DICHTERS 2. T.L.situation aus der Sicht 2. T.L.situation aus der Sicht des Paares; Tag als Feind des Paares; Tag als Feind 3. kein Kommentar 3. kein Kommentar -115-

C. SPITHBFISCH (1260-1350) DICHTER UND GEDICHTE 1. epische ErweiteI'W'lg STUFE A Dietmar v. Aist; Heinrich VI; Heinrich v. MOI~ngen 2. Aufhebung der Einheit des Orts, der Zeit; in Hingeren Grenzfall: Wolfram: Kraus, T.L. sekundHre Konflikte DL, 69, VII (B)

l 3. Wechselrede: a, direkt: flT.L. des Einsarnen \ Reinmar Wlichter u. Dame, b. indirekt: (Wlichter), Dame u. Ritter STUFE B Bruno v. Hornberg; Heinrich 4. kein Refrain Teschler; Konrad v. Hohen­ burg; Kristan v. Hamle; Otto 5. "liep" ilberwiegt v. Bottenlouben; Liutolt v. Savene; Hubin; vlinli; Jakob 6. "Kritik am T.L." v. '''arte; V. \-lissenlo; Wolf­ ram; Namenlos: Bartsch, DL, 7. kein "T .L. des Einsamen" XCVIII, s. 296; Kraus, DL, 38a-39ba, 8.40-43; V. d. Hagen, 8. "nahtwîse"-Strophen MS, III, XXXI~ V. Würzburg 9. geistliches T.L. Grenzfall: Walther v. d. Vogel­ Weide (A); Ulrich v. \

Stellt nun eine diesel' Stufen das typische, ideale h8fische Tagelied dar? Man ist geneigt, Gruppe B, die hochhBfische, aIs diejenige anzusehen, die die ide ale FOI'tIl darstellt, denn sie ist die einheitlichste. Gruppe A ist eine Ent'Wicklungsphase von der volkstilmlichen zur h8fischen FOI'tIl und die Tagelieder von Gruppe C bestehen nul' aus Auseinandersetzungen mit denen von

B und sp~ter, aus unh8fischen Dekadenzzeichen. Gruppe B ist die einheit­ lichste, aber das bedeutet keineswegs, dass die dahin geh8rigen Tagelieder keine neuen Motive entwickeln. Nul' die Hauptkomponenten des h8fischen Typus sind ihr gemeinsam: Dame, Ritter, Wllchter, "huote" und Burg. lm Zusammen­ wiI'ken diesel' Komponenten zeigt die Gruppe vollkommene Freiheit. Keine z'Wei

Gedichte sind gleich gebaut oder haben absichtlich denselben ~trophenbau. Der Terminus "hochhBfisch," den ich fHr diese Gruppe B verwende, sollte nicht dazu verfilhren, sie aIs die klassische Form zu betrachten. Kann man einen bestimmten Dichter aIs vorbildlichen Tagelieddichter ansehen? Holfram von Eschenbach 'Wird oft aIs derjenige bezeichnet, der das ideale, vollkommende Tagelied schrieb. In der zeitlichen Einteilung der Tabelle steht Wolfram aber erst am Anfang der Entwicklung des h8fischen Tagelieds. Muss man die nHchsten hundertfHnfzig Jahre dann aIs Untergang des Tagelieds betrachten? Dies scheint kaum sinnvoll zu sein. Femer, was ist \-lolframs ideale Form? Seine rUnr Tagelieder zeigen die gr8ssten Verschiedenheiten. Eins davon ist ohne Wllchtergestalt,283 eins ist ein

283. Wolfram von Eschenbach: Kraus, DL, 69, VII. -ll?-

WHchterlied.284 Eins ist eine "Kritik am Tagelied,"?8S' gehSrt also zur

Gruppe der Tagelieder mit alternattve~ Form. Eins hat das Motiv des unbestechlichen WHchters;' und zwei haben das Motiv des personifizierten Tages.287 Jedes seiner Lieder weist also, entweder durch seine Form oder durch die Entwicklung neuer Motive, eine spezielle Eigentfimlichkeit auf, so dass man keines aIs vorbildlichen Typus ansehën"kann. ' Gerade das Interessante am Tagelied ist, dass keine zwei Gedichte gleich gebaut sind. Jedes entwickelt sich entweder vom Vorhergehenden,aus, wie deutlich in der spHth8fischen Zeit bei der Behandlung des negativen Charakters der W1!chterfigur zu sehen iat, oder versucht sich mit dem Vorhergehenden ÙUI'ch neue Motive und Konfigurationen auseinanderzusetzen. Wegen der Freiheit der Behandlung hat das hSfische Tagelied fast zwei­ hundert Jahre Bestand und die Gattung Tagelied Jahrhunderte IHnger in der volkstfimlichen Form. Die Antwort auf die Frage, obee eine typische, ideale Form des hSfischen Tagelieds gibt, muss man aufteilen. gine typische Form gibt es zwar in Gruppe B und auch weitgehend in C, insofern aIs die Elemente, die das h8fische Tagelied fiberhaupt, charakterisieren, vorhanden sind. Eine ideale Forro gibt es aber nicht.

284. Wolfram von Eschenbach: Kraus, DL, 69, v. 285 • Ibid., IV. 286. Ibid., II. 287. Ibid., l, II. -Il$-

Die Antwort auf die Frage nach einer historischen Einteilung des h8fischen Tagelieds iat zur gleichen Zeit die Antwort auf die Frage nach einer typischen oder idealen Form des h8fischen Tagelieds. Gerade weil das h8fische Tagelied in einer fortwKhrenden Entwicklung steht, gibt • es keine einheitliche typische Form, und 'o1eil diese Entwicklung so viele verschiedene Richtungen nimmt, kann es auch keine ideale Form geben, Dlit anderen Worten: Musterbeispiele fehlen \.Jegen der VielfKltigkeit der Muster. -119-

VERZEICHNIS DER TAGELIEDER

Namenlose Lieder, Bi" liebe lac: KI'aus, DL, 38a-39ba Der ritter sprach "ieh lob' die nahtfJ: Von der Hagen, III, XXXIII Ieh sihe den morgensterne breehen: Bartseh, DL, XCVIII, S. 296 Ieh singe, ich sa.ge: Von der Hagen, MS, III, XXXII Swer nû verholne lige: Kraus, DL, 840-43

Vr~ne wahter, nû erwecke: ICraus, 121, D Bruno von Hornberg, Swel' tougenlicher'" minne pflege: Kraus, DL, 3, III Dietmar von Aist, Slafestu, vriedel ziere: Von der Hagen, l, 27, XIII Günther von dem Vorste, Nu her, ob ieman kan verneme: Kraus, DL, 17, V Johannes Hadloub, Der ieh leider dise naht gehüetet hân: Bartsch, SM, XXVII, 50 Ieh wil ein warnen singen: Bartsch, SM, XXVII, 14 Nach lieb gât leitl ich muoz ein wib" ersehrecken: Bartseh, SM, AX.VII, 34 Nu~ merkt mieh, swer noeh tougen l1ge:, 9artsch, S!1, XXVII, 33 Sich frBit ûf die edelen naeht: Bartsch, SH, XXVII, 51 Hawart, Nu kiuse 1eh. an der vogel swigen:'" Kraus, DL, 19, IV Heinrich von Frauenberg, Gegen dem morgen: BaI'tsch, SH, XIII, l -120-

Heinrich VI von Hohenstaufen, Wo1 hoher danne riche: Von der Hagen, ~, l, l, II Heinrich von Meissen (Frauen10b), Durch dinster vinster neb61 dicken: Ettmü11er, ~, Lied XI Heinrich von Horungen, Owe sol aber mir iemer me: Von deI' Hagen, MS, 1, 34, XXX

1\ Jakob von Harte, Guot riter, merke, 'olaz ich sage: Bartsch, SM, XXII, 6 ,.. Konrad von Hohenburg, Ich wache umb eines ritters 1ip: Kraus, DL, 25, V Konrad von \.Jürz burg, Do daz liehte morgenrot: Von der Hagen, MS, II, 127, XIV

Ich sihe den morgen: Von der Hagen, ~, II, 127, x:v Swa tak erschinen sol: Von der Hagen, MS, II, 127, XXXI Kristan von Ham1e, Ich, bin der der lieben liebiu maere singet: Kraus, DL, 30, VI

,... ~ Liuto1t von Savene, Die nu bi liebe slâren: Kraus, ~, 35, IV Burggraf von Luenz, Es gienc ein juncfrou minnec11ch: Kraus, DL, 36, I Man sol sich gen dem tage gesten: Kraus, DL, 36, II :..

Der Marner, Guot wahter wis: Von der Hagen, MS, II, 118, III Ich künde in dem done: Von der Hagen, MS, II, lIS, II Niune, Owe/\ herzekumberlichiu~ k1age: Kraus, DL, 39, IV otto von Bottenlouben, Kumt el' der mir dâ komen sol: Kraus, DL, 41, XIV -121-

Singet, vogel, singet mîner frouwen, der ich sanc: Kraus, DL, 41, III

Wahter, ich bin komen "ur gnade1\ her ze dir: Kraus, D~, 41, IX (IV) Hie sol ich den ritter nÜ gescheiden: Kraus, DL, 41, XIII Reinmar von Hagenau, So ez iender nahet deme tage: Von der Hagen, ~, l, 37, V Rubin, \>1ie kunde leider mir geschehen: Kraus, DL, 47, :xx Steinmar, Ein lmeht der lac verborgen: Bartsch, ill:1, XIX, 8 ,... Swer tougenliche minne hât: BaI,tsch, SM, XIX, 5

Heinrich Teschler, Ein wahter sanc "diu naht wil hin Il : Bartsch, SM, VIII, 7 Ulrich von Lichtenstein, Ein schoeniu maget: De Boor, MA, II, IX, l, S. 1685-7

Gesungen wUI'den dis iu liet: De Boor, MA, II, IX, l, S. 1684-5 Got willekomen, herI'e: Kraus, DL, 58, XXXVI

/1 Ulrich von Singenberg, Swer minnecliche minne: BaI'tsch, SM, II, 14

Wie h~hes muotes ist ein man: Bartsch, SM, II, 9 Ulrich von vlintel'stetten, Bi liebe lac ein ritter tougen11che: Kraus, DL, 59, XXVIII Der tac uns né.het: Kraus, DL, 59, XXVII Swer nû verholneI' minne prligt: Kraus, DL, 59, VII Tougenllchen lac verborgen: Kraus, DL, 59, XIII -122-

Verholniu minne sanfte tuot: Kraus, Q1, 59, XXIX Walther von der Vogelweide, Vriuntliche lak: Von der Hagen, MS, l, 45, VIII Walther von Prisach, Ich singe und solte weinen: Kraus, DL, 63, II

Wenzel von B8hmen, Ez taget unm~zen schône: Kraus, DL, 65, III rlini, Owê des herzellchen leides: Bartsch, mi, XV, 8 Von Wissenlo, Del' wahter sanc von minnen wol: Kraus, ~, 68, II

A A Ein ritter der het sinen lip: Kraus, ~, 68, IV Man sol nu singen gen dem tage: Kraus, DL, 68, III Swer hlnte der verholner minne hât gepflegen: Kraus, DL, 68, l Wolf l'am von Eschenbach, Den morgenblic biA wahtel's sange erkôs: Kraus, DL, 69, l

Der helden minne il' klage: Kraua, ~, 69, IV Ez iat nu tac, daz ich wol mac mit wâl'heit jehen: Kl'aus, DL, 69, VII Sine klâwen durh die wolken sint geslagen: Kraus, DL, 69, II Von der zinnen: Kraus, DL, 69, V -123-

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