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Die Schunter und ihre Nebenflüsse: Teilweise gelungene Renaturierung

In den letzten Jahren wurden Teile von Schunter und Sandbach erfolgreich renaturiert. Das bedeutet: weniger Hochwas- sergefahr, mehr Artenvielfalt bei Flora und Fauna und einen erhöhten „Freizeitwert“ für Spaziergänger wie Angler.

eit mehr als zwölf Jahren habe ich die SMöglichkeit, die Entwicklung der Schunter und ihrer Nebenflüsse zu verfolgen, als bo- tanisch-ökologisch Interessierter und als Angler. Gerade in diesem Zeitraum ist viel unternommen worden, der Schunter, die wie viele andere Flüsschen unter Zerstückelung (Wehre) und Begradigung leidet, wieder ei- niges von dem zurückzugeben, das ihr die Menschen im Laufe der Jahrhunderte ge- nommen hatten. Auch einem der Zuflüsse, dem Sandbach, wurde ermöglicht, sich wie- der durch die Wiesen zu schlängeln und nicht länger als Abwasserkanal (Dränagegra- ben) missbraucht zu werden.

Warum Flüsse nicht kanalisiert Nur ein Abwasserkanal ist derzeit die bei . werden sollten gleich aus, die Ufer sind oft künstlich befes- ter Bach oder Fluss ihnen einfach nichts Da nicht vorausgesetzt werden kann, dass tigt, was weder der Ansiedlung von Pflanzen mehr zu bieten hat. Auch Menschen reagie- allen klar ist, warum ein nicht kanalisierter noch von Tieren Vorschub leistet. Dieser ren im Allgemeinen positiver auf eine reich und nicht begradigter Wasserlauf vorzuzie- Grund führt konsequenterweise zu einer Ver- strukturierte Flussauenlandschaft als auf hen ist, sollten die Vorzüge kurz umrissen armung des Artenreichtums, so dass der einen Kanal. werden. Es gibt, grob gesehen, zwei Gründe, Wasserlauf seinen natürlichen, ökologischen einen Fluss nicht zu kanalisieren: Der erste Aufgaben nicht mehr nachkommen kann: Positiv renaturiert: die Schunter Grund ist die Verkürzung der Flussstrecke, Dazu zählen die Reduzierung von Nähr- und was automatisch dazu führt, dass die bei Schadstoffen, aber auch die Bereitstellung Umso positiver ist es zu beurteilen, dass ge- starkem Regen anfallenden Wassermassen eines nicht zu ersetzenden, einmaligen Le- rade die Schunter in manchen Teilen konse- sich nicht verlaufen können und die Hoch- bensraumes. Fischotter, Biber, Elritze, Was- quent renaturiert wurde. Dies hat dazu ge- wassergefahr zwangsläufig steigt. Dann bie- seramsel, Eisvogel, Gänsesäger et cetera sind führt, dass sich zuerst die Struktur, dann die tet ein begradigter Fluss aufgrund seiner uni- nicht nur deswegen selten geworden, weil Flora und anschließend oder parallel die formen Struktur nur wenig Varianz, was die die Wasserqualität so schlecht geworden Fauna mit wachsendem Variantenreichtum möglichen Lebensräume betrifft. Alles sieht war, sondern weil ein gradliniger, kanalisier- bedanken. Geht man heute an der Schunter

6 umweltzeitung November / Dezember 2009 Titel 

spazieren, kann man zwischen Wendhausen lang und sieht sich die Mittelriede von der und sehen, wie man ihr ein neues, kleinen Brücke aus an, ist das kein schöner reich strukturiertes Bett zur Verfügung ge- Anblick. Die liegt gleich dahinter, ist stellt hat, auf dem einerseits die Fische ein etwas kleiner und noch langweiliger. hohes Wehr umgehen können und anderer- Diese Sünden des zwanzigsten Jahrhun- seits das Flusswasser mit Sauerstoff ange- derts dürfen nicht verziehen werden, aber es reichert werden kann. Die Nährstoffeinträge ist durchaus möglich, Fehlentscheidungen aus der Landwirtschaft werden auf diese der Vergangenheit zu korrigieren. Allerdings Weise viel schneller als früher abgebaut. Den fehlt derzeit oft das Geld und hier in Nieder- Anglern fiel schon vor Jahren auf, dass die bei ihnen so beliebten Barsche stark zurück- gingen und sie Fische fingen (Gründlinge, Hasel), die sie lange nicht mehr oder noch nie gesehen hatten. Barsche kommen näm- lich gut mit organisch verschmutztem Was- ser klar: Verbessert sich die Wasserqualität, sind die Barsche plötzlich nicht mehr allein, und viele andere Fische werden zu direkten Nahrungskonkurrenten.

Wachsende Artenvielfalt

Als ich vor längerer Zeit einem renaturier- ten Teil der Schunter einen kurzen Angel- besuch abstattete, fing ich innerhalb einer Stunde neun (!) Fischarten (darunter auch einen Barsch). Dies wäre vor fünfzehn Jah- ren fast unmöglich gewesen. Was die Pflan- zen betrifft, so lässt der Artenreichtum noch zu wünschen übrig: Wichtige Wasser- hahnenfußarten fehlen überall, auch die Laichkräuter sind noch nicht richtig zu- rückgekehrt, aber andere Arten wie das Pfeilkraut und die Schwanenblume sind wieder vielerorts zu sehen. Diese Pflanzen besiedeln die Gewässerränder, stehen im Die Schunter nahe Braunschweig. Wasser und sind auch deswegen auf dem Fotos (2): François Pütz Vormarsch, weil sich zum Beispiel wieder dauerhaft Sandbänke und andere Ablage- sachsen zusätzlich der politische Wille, Ab- rungen bilden können. Früher wurde beim hilfe zu schaffen. Die Hürden sind nicht un- geringsten Hochwasser alles sofort wegge- überwindbar, das zeigt die Entwicklung der spült. Schunter. Saubere Bäche und Flüsse sind in Die positive Entwicklung von Schunter unserer Region keinesfalls unerreichbare und Sandbach ist also gut zu belegen, und Utopien, aber sie müssen wirklich gewollt der Dank dafür gebührt insbesondere den sein. Aus der Sicht eines Ökologen und im Naturschutzverbänden, aber auch den Be- Hinblick auf die Folgen des Klimawandels, hörden und einigen Politikern. Das Bild, das der zeitweise mehr Regen und häufiger sehr sich einem bei einem Spaziergang an der trockene Sommer bescheren kann, müssen Schunter bietet, wenn an den Ufern die Ein- wir unsere Gewässer so gut behandeln, wie tagsfliegen und die Prachtlibellen schlüpfen wir können, damit sie in den zu erwartenden (Juli/August), war in dieser Gegend lange Extremsituationen ihre Aufgabe auch wirklich nicht mehr zu bewundern. erfüllen können. Es hilft der Natur, und damit auch uns ganz direkt, wenn wir in die Rena- Noch viel zu tun turierung investieren. Die Rendite wird viel höher sein, als wir es uns heute vorstellen Ein Blick auf Wabe oder Mittelriede genügt, können. um zu sehen, wie viel Arbeit noch vor uns liegt. Geht man die Ottenroder Straße ent- François Pütz umweltzeitung November / Dezember 2009 7