Ö-Recht MUSTER-KLAUSUR (aus VWA Skript WS 2005, Dr. Egon Christ)

1. Erläutern Sie die nachfolgenden Begriffe und ordnen Sie diese einzelnen Verfassungsprinzipien - unter Hinweis auf die einschlägigen GG-Artikel - zu: a) Bundeszwang

Bundesstaatsprinzip: Unter Bundeszwang versteht man die Erzwingung von Pflichten der Länder gegenüber dem Bund. Geregelt wird dies im Art. 37 GG. Die Länder müssen demnach ihren Bundespflichten nachkommen und den Bundesgesetzen entsprechen. Andernfalls können die Länder von der Bundesregierung (mit Zustimmung des Bundesrates) durch „entsprechende Maßnahmen“ gezwungen werden. (stefan schmidt) alternativ:

Der Bundeszwang ist eine Möglichkeit der deutschen Bundesregierung, ein Bundesland zur Erfüllung seiner Pflichten aus einem Bundesgesetz anzuhalten. Der Bundeszwang ist im Artikel 37 des Grundgesetzes geregelt. Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Sie oder ihr Beauftragter (Bundeskom- missar) haben dabei Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden (wikipedia)

b) Volksentscheid

Demokratieprinzip: Der Volksentscheid entspricht der direkten Demokratie. Dabei wird der Wille des Volkes direkt durch Volksbefragung bestimmt und umgesetzt. Der Volksentscheid ist in Deutschland auf Bundesebene nicht vorgesehen. Hier gilt die indirekte Demokratie, bzw. repräsentative Demokratie bei der nur Vertreter des Volkes agieren (Art. 20 GG: „...durch besondere Organe ... ausgeübt.). Ausnahme: Die Neugliederung des Bundesgebietes, Art. 29 GG, sowie Art.118 GG. Hier sind Volksentscheide durch Volksbefragung auch im Grundgesetzt vorgesehen. Auf Länderebene sind Volksentscheide grundsätzlich möglich, werden jedoch aufgrund des großen Aufwandes nur selten angewandt. (stefan schmidt) alternativ:

Prinzip der Demokratie: Volksabstimmung, ist laut GG nur im Art 29 II vorgesehen, bei der Neugliederung des Bundesgebietes. Hier kommt es zur direkten Volksbefragung und Abstim- mung, dies ist eine direkte Demokratie. Laut Art 20 ist aber in Deutschland eine mittelbare Demokratie vorgesehen. Das Volk wählt seine Vertreter. Die Volksbefragung ist somit nur in Art 29 vorgesehen und kommt sonst nicht zur Anwendung. (klausurlösung christ) alternativ:

Bei einem Volksentscheid entscheiden die stimmberechtigten Bürger in einer Abstimmung über eine Verfassungs- oder Gesetzesänderung. Es entscheidet hierbei die einfache Mehrheit über Annahme oder Ablehnung des Gesetzentwurfs. Manchmal wird auch der Begriff "Plebiszit" synonym verwendet, womit jedoch zumeist nur Volksentscheide gemeint sind, die von "oben", also von Präsident, Ministerpräsident usw. eingeleitet werden. In Deutschland ist

Stefan Schmidt - 1 - Ö-Recht Lernhilfe der Volksentscheid auf Bundesebene, außer bei einer Neugliederung des Bundesgebietes, z. Zt. nicht vorgesehen. Auf Landesebene gibt es ihn jedoch in allen Bundesländern. Im kommunalen Bereich sind direkte Bürgerentscheide in allen Bundesländern, dank einer Volksabstimmung auf Landesebene, auch in , möglich. Besonders weitgehende direktdemokratische Elemente finden sich im Bundesland Bayern. Dort ist unter anderem die Abwahl der Regierung durch einen Volksentscheid möglich. In Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes heißt es, die Staatsgewalt werde vom Volke "in Wahlen und Abstimmungen" ausgeübt. Volksabstimmungen auf Landes- und Bundesebene werden damit grundsätzlich auf die gleiche Stufe wie Wahlen gestellt. Für die tatsächliche Durchführung von Volksentschei- den auf Bundesebene müsste das Grundgesetz jedoch erneut geändert werden, da als Gesetz- geber bisher nur der (zusammen mit dem Bundesrat) aufgeführt ist. (wikipedia)

c) Bundestreue

Bundesstaatsprinzip: Die Bundestreue ist ungeschriebenes Verfassungsrecht und leitet sich aus dem Art. 20 I GG ab. Die Mitgliedsländer des Bundes sollen sich bundesfreundlich verhalten. Dabei sind sich Bund und Länder zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Zusammenarbeit verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann das BVG angerufen werden. (stefan schmidt) alternativ:

Mit Bundestreue bezeichnet man in einem Bundesstaat die Verpflichtung des Gesamtstaates und der Gliedstaaten zu einem bundesfreundlichen Verhalten. Dieses gebietet vor allem eine gegenseitige Rücksichtnahme und Zusammenarbeit. In Deutschland gehört die Bundestreue als Verfassungsgrundsatz zu den dem Grundgesetz immanenten Normen, die das Verhältnis von Bund und Ländern regeln. Sowohl der Bund als auch die Länder sind verpflichtet, „dem Wesen des sie verbindenden verfassungsrechtlichen ‚Bündnisses‘ entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung der wohlverstandenen Belange des Bundes und der Glieder beizutragen“ (Lit.: BVerfGE 6, 309, 361). So muss ein Land bei der Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenzen Rücksicht auf andere Länder und den Bund nehmen, sofern diese von den Auswirkungen des Gesetzes betroffen wären. Auch können die Länder wegen der Bundestreue verpflichtet sein, völkerrechtliche Verträge des Bundes zu beachten. Als Beispiel für einen Verstoß des Bundes gegen die Bundestreue ist die Gründung der Deutschland- Fernsehen-GmbH zu nennen (Lit.: BVerfGE 12, 205). (wikipedia)

d) gesetzlicher Richter

Rechtsstaatsprinzip: In Art. 101 wird geregelt, dass niemand seinem gesetzlich bestimmten Richter entzogen werden darf. Hierbei geht es insbesondere um die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit von Gerichtsverfahren. Für bestimmte Belange sind bestimmte Gerichte und Richter zuständig. Diese Zuständigkeiten sind von vornherein klar definiert. Damit soll verhindert werden, dass bestimmte Richter oder Spruchkörper willkürlich eingesetzt werden können. (stefan schmidt) alternativ:

Das Recht auf den gesetzlichen (genauer: gesetzlich bestimmten) Richter ist in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) geregelt. Jedermann hat Anspruch darauf, dass im Voraus nach

Stefan Schmidt - 2 - Ö-Recht Lernhilfe allgemeinen Merkmalen bestimmt wird, bei welchem Gericht und welchem Richter bzw. Spruchkörper innerhalb des Gerichts sein Gerichtsverfahren behandelt werden wird. Die (örtliche und sachliche) Zuständigkeit der Gerichte ist deshalb in Gesetzen geregelt. Die Zuständigkeit innerhalb der Gerichte bestimmt sich nach dem Geschäftsverteilungsplan, der von dem jeweiligen Gerichtspräsidium im Voraus, meistens für das Kalenderjahr, aufgestellt wird. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren. So können die eingehenden Sachen nach Eingangszeit, nach Sachgebieten, nach dem Anfangsbuchstaben des Namens einer der Parteien oder nach ihrem Wohnort ("Bezirksgericht" in Deutschland) einem bestimmten Richter zugewiesen werden. In den zuletzt genannten beiden Fällen kommt man also, wenn man seinen Namen nicht ändert und nicht umzieht, immer zum selben Richter. Wenn eine Entscheidung vom falschen Gericht oder vom falschen Spruchkörper innerhalb eines Gerichts gefällt wurde, verletzt sie das Recht auf den gesetzlichen Richter und ist in der Regel mit der Revision (Urteile) oder mit der (sofortigen) Beschwerde (Beschlüsse) anfechtbar. (wikipedia)

e) Monarchie

Kein Verfassungsprinzip: In der Monarchie übt ein einziger Herrscher die Staatsmacht aus. Die Monarchie ist der Gegenbegriff zur Republik. Der Monarch wird durch Wahl (Wahl- monarchie) oder Vererbung (Erbmonarchie) und damit meist durch „Gottes Gnaden“ legiti- miert. Es gibt verschiedene Formen der Monarchie, in denen der Monarch unterschiedliche Macht besitzt (u. A.: Absolute-, Konstitutionelle-, Parlamentarische Monarchie). In der absoluten Monarchie untersteht der Monarch nicht mal seinen eigenen Gesetzen (Bsp.: Louis XIV, „Der Staat bin ich“). In der konstitutionellen Monarchie wird die Macht des Monarchen von einer Verfassung eingeschränkt, der er sich unterwerfen muss (Bsp.: Liechtenstein). In der parlamentarischen Monarchie hat der Monarch meist nur noch repräsentative Aufgaben und übt lediglich „Einfluss“ auf die vom Parlament geführten Staatsgeschäfte aus (Bsp.: Niederlande, Schweden, etc.). (stefan schmidt) alternativ:

Die Monarchie (über französisch monarchie aus griechisch µοναρχία, monarchía - Alleinherrschaft) ist eine Staats- und Regierungsform, bei der einer Einzelperson (dem Monarchen bzw. der Monarchin) eine oft von Gott/einer Gottheit abgeleitete Autorität zugesprochen wird, die ihre Herrschaft über den persönlichen Machtbesitz hinaus legitimiert. Die Monarchie ist dabei Gegenbegriff zur Republik. Eine demokratische Monarchie ist hingegen möglich, sofern der Monarch keine reale Machtstellung inne hat. (wikipedia) Siehe dazu auch Wikipedia Artikel!

f) Sozialversicherung

Sozialstaatsprinzip: Das Sozialstaatsprinzip leitet sich aus Art. 20 I GG ab (Die BRD ist ein ... sozialer Bundesstaat). Daraus kann man auch die Sozialversicherung ableiten, bei der die Gemeinschaft im Versicherungsfalle für den Einzelnen eintritt und ihn absichert. Dabei besteht für bestimmte Personenkreise sogar Versicherungspflicht. Die Sozialversicherung ist konkurrierendes Recht (Art. 74 12 GG). (stefan schmidt)

Stefan Schmidt - 3 - Ö-Recht Lernhilfe alternativ:

Im engeren Sinn beschreibt der Begriff Sozialversicherung ein öffentliches oder halböffentliches System der Pflichtversicherung. Man spricht von gesetzlicher Sozialversicherung. Im weiteren Sinne würde dann die private Sozialversicherung dazu zählen. Im Gegensatz zu Leistungen der Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Gemeinden) werden Leistungen der Sozialversicherung in erster Linie nicht durch Steuern, sondern durch Beiträge zum jeweiligen Versicherungsträger, der jedoch staatlich kontrolliert wird, finanziert. Träger der Sozialversicherung im engeren Sinne sind nicht staatliche Behörden selbst, sondern öffentliche oder halböffentliche Sozialversicherer. Die Sozialversicherung ist meist in Sparten gegliedert, z. B. in Deutschland:

• Gesetzliche Rentenversicherung RV • Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) • Arbeitslosenversicherung bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) • Gesetzliche Unfallversicherung (UV) • Gesetzliche Pflegeversicherung (PV)

Ein Zweck der Sozialversicherung ist es, auch den Personenkreisen eine Versicherung zu ermöglichen, die bei privaten Versicherungen nicht oder nur zu sehr hohen Tarifen aufgenommen werden würden. Um eine Auslese nach Personen mit hohen und niedrigen Risiken (z.B. Gesunde und Kranke) zu vermeiden, besteht in der Regel Versicherungspflicht. Die Beiträge werden meist nach den Bruttolöhnen und -gehältern (meist bis zu einer spartenspezifischen Beitragsbemessungsgrenze) berechnet. Die Versicherungen werden durch Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Beiträge je nach Sparte zu unterschiedlichen Teilen finanziert und es gibt auch teilweise staatliche Steuerzuschüsse (begründet u.a. als Ausgleich für sogenannte versicherungsfremde Leistungen). Die Auszahlung orientiert sich nach erworbenen Ansprüchen (z.B. bei Renten oder Krankengeld) oder es gibt für alle gleiche Sachleistungen bei Eintritt des Versicherungsfalles. (wikipedia) --- Als Sozialstaatspostulat wird der Auftrag in Artikel 20 GG bezeichnet, nachdem die Bundesrepublik Deutschland (...) ein (...) sozialer Bundesstaat ist. Aus dem Sozialstaatspostulat leitet sich das Sozialstaatsprinzip als eine Grundlage des Grundgesetzes und des Strukturprinzips ab. Das Sozialstaatsprinzip und andere Verfassungs- oder Gesetzesvorschriften definieren die soziale Marktwirtschaft. (wikipedia)

Stefan Schmidt - 4 - Ö-Recht Lernhilfe 2. Was versteht man unter der Drittwirkung der Grundrechte? Kennen Sie Beispiele?

Das Grundgesetzt beschreibt die Grundrechte zwischen Bürger und Staat. Die Drittwirkung der Grundrechte beschreibt den Einfluss der Grundrechte auf horizontaler Ebene, also zwischen Bürger und Bürger. Man unterscheidet mittelbare und unmittelbare Drittwirkung. Zur Drittwirkung gibt es keine eindeutige Norm und in der Literatur ist die Drittwirkung der Grundrechte heftig umstritten. Auch die Rechsprechung (z.B. BVG und BAG) halten sich häufig nur an oberflächliche Formulierungen. Seit dem Lüth-Urteil von 1958 gibt es mehrere BVG Urteile, die dem GG zumindest eine mittelbare Drittwirkung zugestehen. Vom BAG wurde 1962 dem Art. 12 GG eine unmittelbare Drittwirkung zugesprochen. Als allgemein anerkanntes Beispiel der unmittelbaren Drittwirkung wird in der Literatur häufig Art. 9 III GG zitiert, der direkt auf den privaten Bereich der Bürger einwirkt. (stefan schmidt) alternativ:

Der Bürger hat Grundrechte im Rechtsverhältnis zum Staat inne. Streitig ist, ob und wie weit eine "Drittwirkung" von Grundrechten besteht, also im "horizontalen" Verhältnis zwischen Bürger und Bürger. Insbesondere das Bundesarbeitsgericht, aber auch ein Teil der älteren Lehre vertrat die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung (Anm.: direkte Drittwirkung) der Grundrechte, wonach Grundrechte zwischen Privaten unmittelbar (Anm.: direkt) gelten würden. "Eingriffe" in grundrechtlich geschützte Positionen wären hiernach unter Zugrundelegung der Lehre vom Gesetzesvorbehalt zu beurteilen. Insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip wäre demnach unmittelbar (Anm.: direkt) auch zwischen Privaten anwendbar. Demgegenüber vertritt das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Lehre jedenfalls seit dem Lüth-Urteil die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung (Anm.: indirekte Drittwirkung) der Grundrechte, denen eine Ausstrahlungswirkung auf das bürgerliche Recht zugesprochen wird. Die Grundrechte sind demnach bei der Auslegung des einfachen Rechts heranzuziehen. Generalklauseln sind demnach ein "Einfalltor" der Grundrechte in das Privatrecht. (wikipedia mit zus. anmerkungen)

3. In welcher Weise ist der Bundesrat am Gesetzgebungsverfahren beteiligt nachdem der Bundestag ein Gesetz beschlossen hat?

4. Beantworten Sie unter Hinweis auf die einschlägigen GG Artikel (in Sätzen, nicht mittels Schaubilder) folgende Fragen: a) Welche Arten von Bundesgesetzgebungskompetenzen lassen sich unterscheiden? b) Ist der Bundespräsident am Gesetzgebungsverfahren beteiligt?

Stefan Schmidt - 5 - Ö-Recht Lernhilfe 5. Die Europäische Gemeinschaft handelt (u.a.) durch die Kommission und den Rat. Welche wesentlichen Funktionen und Zuständigkeiten haben diese Organe?

Die wichtigsten Organe der Europäischen Gemeinschaft sind: Europäische Kommission, Rat der Europäischen Union, das Europäische Parlament, sowie der Europäische Gerichtshof. Sie folgen der Gewaltenteilung nach dem demokratischen Prinzip.

Allen Organen übergeordnet ist der Europäische Rat, der sich aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten zusammensetzt. Er hat jedoch nur Richtlinienkompetenz und legt die politischen Leitlinien und Ziele fest. Er ist kein Organ der Union.

Die Europäische Kommission ist das ausführende Organ, welches Gesetze vorschlägt (Initiativrecht) und den Haushaltsplan ausführt. Der Präsident und die Kommissare werden von den Mitgliedsländern nominiert. Jedes Land entsendet einen Kommissar. Die Kommission ist von den Mitgliedstaaten unabhängig und die einzelnen Kommissare dienen nur der Union als Ganzes. Die Europäische Kommission entspricht der Exekutive.

Der Rat der Europäischen Union (auch Ministerrat genannt) besteht aus jeweils einem Minister der zugehörigen Mitgliedstaaten, die ihr jeweiliges Land repräsentieren. Der Rat entscheidet über Gesetzesvorlagen und stellt den Haushalt auf.

Das Europäische Parlament setzt sich aus den Abgeordneten der Mitgliedsländer zusammen. Diese werden alle fünf Jahre direkt von den Bürgern der Länder gewählt, wobei die Zahl der Abgeordneten sich nach der Bevölkerungszahl des Mitgliedslandes richtet (derzeit insgesamt 732 Abgeordnete). Das Parlament muss Gesetzen und dem Haushalt zustimmen, bzw. bei Ablehnung ein Vermittlungsverfahren einleiten.

Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament bilden die Legislative.

Der Europäische Gerichtshof als kontrollierendes Organ der EU bildet die Judikative.

Stefan Schmidt - 6 - Ö-Recht Lernhilfe Liste der zu definierenden Begriffe aus Klausuren (1996, 2000, 2001, Musterklausur 05)

Herrschaftslegitimationskette (DEMOKRATIEPRINZIP, evtl. Art 20 GG???) Volksentscheid (DEMOKRATIEPRINZIP, nicht auf Bundesebene! Ausnahme: Art 29 GG) Volksabstimmung (DEMOKRATIEPRINZIP, nicht auf Bundesebene! Ausnahme: Art 29GG) Gewaltenteilung (RECHTSSTAATPRINZIP, Art 20 II GG) Verhältnismäßigkeit (RECHTSSTAATPRINZIP) Gesetzlicher Richter (RECHTSSTAATPRINZIP, Art 101 GG) Justizgewährleistungsanspruch (RECHTSSTAATPRINZIP, Art 103 I GG ???) Rückwirkungsverbot (RECHTSSTAATPRINZIP, Art 103 II GG) Vorbehalt des Gesetzes (RECHTSSTAATPRINZIP???, Art 20 II GG) Bundestreue (BUNDESSTAATPRINZIP, Art 20 GG) Bundeszwang (BUNDESSTAATPRINZIP, Art 37 GG) Sozialversicherung (SOZIALSTAATPRINZIP, Art 20 GG) Sozialhilfe (SOZIALSTAATPRINZIP, Art 20 GG) Existenzminimum (SOZIALSTAATPRINZIP, Art 20 GG) Homogenitätsprinzip (Art 28 I GG) Parteienprivileg (Art 21 GG) Mehrheit (Art 121, 54, ... GG) Freies Mandat (Art 38 GG) Ewigkeitsgesetz (Art 79 III GG) Monarchie

Lösungsansätze:

Nachfolgende Lösungsansätze sind nur grobe Richtlinien. Insbesondere die Wikipedia Definitionen sind teilweise etwas Umfangreich und für die Klausur nicht besonders „zielorientiert“. Meine Anmerkungen und Quellen habe ich (in Klammern kursiv) gesetzt.

Herrschaftslegitimationskette DEMOKRATIEPRINZIP: Die Legitimationskettentheorie ist eine Theorie, die die demokratische Legitimation hoheitlichen Handelns in einer ununterbrochenen Kette auf die Willensäußerung des Volkes bei der Wahl zurückführt. In politikwissenschaftlichen Kategorien gesehen handelt es sich also um eine Betrachtung der in der Rechtswissenschaft vorherrschenden Input-Legitimation. Die zu den Demokratietheorien zählende Legitimations- kettentheorie wurde von dem Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde entwickelt und fand in seiner Zeit als Richter am Bundesverfassungsgericht Eingang in dessen Rechtsprechung. (Anm. hier sollte für die Klausur noch Art 20 GG genannt werden) (wikipedia)

Volksentscheid, Volksabstimmung Demokratieprinzip: Der Volksentscheid entspricht der direkten Demokratie. Dabei wird der Wille des Volkes direkt durch Volksbefragung (Volksabstimmung) bestimmt und umgesetzt. Der Volksentscheid ist in Deutschland auf Bundesebene nicht vorgesehen. Hier gilt die indirekte Demokratie, bzw. repräsentative Demokratie bei der nur Vertreter des Volkes agieren (Art. 20 GG: „...durch besondere Organe ... ausgeübt.). Ausnahme: Die Neuglie- derung des Bundesgebietes, Art. 29 GG, sowie Art.118 GG. Hier sind Volksentscheide durch Volksbefragung auch im Grundgesetz vorgesehen. Auf Länderebene sind Volksentscheide grundsätzlich möglich, werden jedoch aufgrund des großen Aufwandes nur selten angewandt. (stefan schmidt)

Stefan Schmidt - 7 - Ö-Recht Lernhilfe Gewaltenteilung RECHTSSTAATPRINZIP: Gewaltenteilungsprinzip gemäß Art 20 II, muss die Staatsgewalt vom Volke durch Wahlen und Abstimmung und durch die besonderen Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtssprechung ausgeübt werden. Dies bedeutet das die Staatsmacht nicht von einer Person ausgeht (Monarchie) sondern das die Staatsgewalt in Legislative, Exekutive und Judikative getrennt wird. Wie es der Art 20 II vorsieht. Damit ist eine gegenseitige Kontrolle möglich. Die Gewaltentrennung bezieht sich auch auf die personelle Trennung der Gewalten. Dies entspricht dem Rechtsstaatsprinzip. Diese Gewaltenteilung gilt auch für die Länder (Art 28 I) (Musterlösung 2001)

Verhältnismäßigkeit RECHTSSTAATPRINZIP: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich aus dem Grundgesetz. Ein Gesetz muss so sein, dass es nach dem Minimumprinzip wirkt, die geringste Belastung auf dem Bürger um das Ziel zu erreichen. Dies gilt bei der Gesetzgebung, wie auch bei der Gesetzesauslegung. Ein Gesetz muss geeignet sein, dass zu erreichen was es will, die Mittel müssen dem entsprechen und die Auswirkungen auf den einzelnen müssen zumutbar sein. (Musterlösung 2001)

Gesetzlicher Richter Rechtsstaatsprinzip: In Art. 101 wird geregelt, dass niemand seinem gesetzlich bestimmten Richter entzogen werden darf. Hierbei geht es insbesondere um die Vorhersehbarkeit der Zuständigkeit von Gerichtsverfahren. Für bestimmte Belange sind bestimmte Gerichte und für definierte Zuständigkeiten entsprechende Richter zugeordnet. Diese Zuständigkeiten sind von vornherein klar definiert. Man kann also bei einem bestimmten Fall vorhersagen, welches Gericht und welcher Richter dies bearbeiten wird. Damit soll verhindert werden, dass bestimmte Richter oder Spruchkörper willkürlich eingesetzt werden können. (stefan schmidt)

Justizgewährleistungsanspruch RECHTSSTAATPRINZIP: Leitet sich vermutlich aus Art 103 I GG ab. Keine nähere Definition vorhanden.

Rückwirkungsverbot RECHTSSTAATPRINZIP: Rückwirkungsverbot, die Bürger müssen auf die Gesetze vertrauen können. Somit dürfen neue Gesetze nicht rückwirkend gelten. Das heißt im Normalfall dürfen sie keine echte Rückwirkung haben, d. h. das sich die Gesetze nicht auf einem schon abgeschlossenen Zeitraum beziehen dürfen. Ein Bürger darf nicht wegen eines Vergehens bestraft werden, dass zum Zeitpunkt der Tat [noch strafbar war] (Anm. hier ist wohl ein Schreibfehler drin, es sollte wohl lauten: „nicht strafbar war“ -oder?). Hier gilt der Vertrauensschutz (Art. 103 II). Eine unechte Rückwirkung ist in der Regel erlaubt. Das bedeutet der Zeitraum auf den sich das Gesetz bezieht ist noch nicht abgeschlossen. Z.B. Steuererhöhung per 02.02.01 ist möglich. Da der Bürger zwar auf die Gesetze vertrauen kann, aber auch mit Änderungen rechnen muss. (Musterlösung 2001)

Stefan Schmidt - 8 - Ö-Recht Lernhilfe Vorbehalt des Gesetzes RECHTSSTAATPRINZIP: Gesetz muss Verfassungsmäßig sein, erst kommt die Verfassung dann Gesetz, alle die an das Gesetz gebunden sind müssen sich daran halten. Nicht jeder darf Gesetze so auslegen wie er will. Er muss sich an die Anweisungen halten. Anweisungsgebot. Somit stellt es den Bürger sicher, dass er egal mit welchen Träger der Staatsgewalt er zusammen trifft, immer wieder derselbe Grundsatz des Gesetzes wirkt. Gemäß Art. 20 II ist das Gesetz an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden. (Anmerkung Christ: Exekutive belastende Akte bedürfen der gesetzlichen Rechtfertigung, Abgrenzung : Totalvorbehalt) (Anm.: hier fehlt m. E. der Hinweis, dass alle Aktionen (z.B. der Polizei) einer gesetzl. Grundlage entsprechen müssen) (Musterlösung 2001)

Bundestreue Bundesstaatsprinzip: Die Bundestreue ist ungeschriebenes Verfassungsrecht und leitet sich aus dem Art. 20 I GG ab. Die Mitgliedsländer des Bundes sollen sich bundesfreundlich verhalten. Dabei sind sich Bund und Länder zu gegenseitiger Rücksichtnahme und Zusammenarbeit verpflichtet. Bei Verletzung dieser Pflicht kann das BVG angerufen werden. (stefan schmidt)

Bundeszwang Bundesstaatsprinzip: Unter Bundeszwang versteht man die Erzwingung von Pflichten der Länder gegenüber dem Bund. Geregelt wird dies im Art. 37 GG. Die Länder müssen demnach ihren Bundespflichten nachkommen und den Bundesgesetzen entsprechen. Andernfalls können die Länder von der Bundesregierung (mit Zustimmung des Bundesrates) durch „entsprechende Maßnahmen“ gezwungen werden. (stefan schmidt)

Sozialversicherung Sozialstaatsprinzip: Das Sozialstaatsprinzip leitet sich aus Art. 20 I GG ab (Die BRD ist ein ... sozialer Bundesstaat). Daraus kann man auch die Sozialversicherung ableiten, bei der die Gemeinschaft im Versicherungsfalle für den Einzelnen eintritt und ihn absichert. Dabei besteht für bestimmte Personenkreise sogar Versicherungspflicht. Die Sozialversicherung ist konkurrierendes Recht (Art. 74 12 GG). (stefan schmidt)

Existenzminimum, Sozialhilfe SOZIALSTAATPRINZIP: Existenzminimum, nur über das Sozialprinzip geregelt, Art. 20 I. Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Das GG sagt nur aus, das Deutschland ein Sozialstaat ist, dass wie und die Ausführungen überlässt es dem Gesetzgeber. Diese müssen solche Gesetze beschließen, die im Sinne des Sozialstaates stehen. Somit z.B. Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe, Rente... festlegen. Es wäre auch möglich 3x Suppe pro Tag für die Bedürftigen als Existenzminimum festzulegen. Das GG schreibt hier nichts vor. Der Bürger kann soziale Leistungen nicht auf Grund Art 20 direkt einklagen oder fordern. (Musterlösung 2001)

Stefan Schmidt - 9 - Ö-Recht Lernhilfe Homogenitätsprinzip Das Homogenitätsprinzip bedeutet wörtlich Gleichartigkeitsprinzip. Als juristischer Fachausdruck bezeichnet es die Gleichartigkeit der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesländer zu der der Bundesrepublik Deutschland. Verankert ist das Homogenitätsprinzip in Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes, wo es heißt: "Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen." Funktionell gewährleistet das Homogenitätsprinzip, dass die grundsätzliche Eigenstaatlichkeit - das heißt das Recht, sich eine eigene Verfassung zu geben - der einzelnen Bundesländer nicht zu einer Auflösung der bundesstaatlichen Ordnung führt. Dies wäre nämlich dann der Fall, wenn die politischen Systeme und Lebensbedingungen in den einzelnen Bundesländern so stark differieren, dass eine Gemeinsamkeit nicht mehr besteht. (wikipedia)

Parteienprivileg Parteinprivileg, im Art 21 wird auf die Parteien eingegangen, da sie eine besondere Stellung haben, durch Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes. Sie können sich frei gründen, müssen der demokratischen Ordnung entsprechen und Rechenschaft über ihr Vermögen abgeben. Das GG grenzt Parteien deutlich ab, von anderen Vereinigungen. Es hebt die Willensbildner des Volkes hervor. GG sieht auch vor, Parteien für verfassungswidrig zu erklären Art 21 II 2, wenn sie gegen die demokratischen Grundsätze verstoßen. (Anmerkung Christ: Was ist das Besondere bei Art. 21 II 2 ? ) (Musterlösung 2001)

Mehrheit Mehrheit, Begriff ist z.B. im Art. 121 geregelt. Mehrheit der Mitglieder des Bundestages und der Bundesversammlung im Sinne dieses Grundgesetzes, ist die Mehrheit ihrer gesetzl. Mitgliederzahl. Unterschiedliche Mehrheiten: Art. 54 IV Bundespräsident wird nach der Mehrheit der Stimmen der Mitglieder der Bundesversammlung gewählt, mit einfacher Mehrheit. Qualifizierte Mehrheit bedeutet z.B. Zweidrittelmehrheit der Stimmen (Anm. Qualifizierte Mehrheit ist eine mengenmäßig festgelegte Mehrheit – im vgl. zur absoluten Mehrheit, bei der einfach nur die meisten (>50%) zustimmen müssen). Art 42 I, Art 61 I, Art 77 IV, Einspruch des Bundesrates bei Einspruchgesetzen hat dieser, diesen mit Mehrheit des Bundesrates beschlossen, so reicht eine Mehrheit des Bundestages zur Überstimmung, bei Zweidrittelmehrheit muss auch der Bundestag mit Zweidrittelmehrheit überstimmen. ‚Bei verfassungsändernden Gesetzen wird vom Bundestag und Bundesrat die Zweidrittelmehrheit verlangt. Art 79, Verfassungsprinzip. (Musterlösung 2001)

Freies Mandat Definition: Der gewählte Abgeordnete übt sein Mandat frei aus und ist dafür niemandem verantwortlich. Der Abgeordnete als Träger des freien Mandats ist insbesondere an keine Aufträge der Wähler, seiner Partei, oder seiner Fraktion gebunden. Das freie Mandat ist in Deutschland rechtlich durch den Artikel 38 im Grundgesetz verankert. Dieser spricht den Abgeordneten des Bundestages von einer Bindung an den Parteiwillen oder eine andere Gruppe, zum Beispiel seinen Wahlkreis, bei seiner Entscheidungsfindung frei - im Gegensatz zu einem imperativen Mandat. Der Abgeordnete ist bei der Entscheidungsfindung demnach nur seinem Gewissen unterworfen. Allerdings wird das freie Mandat in der Realität durch Fraktionsdisziplin eingeschränkt. Die im Artikel 21 GG festgeschriebene innerparteiliche Demokratie ermöglicht es der Partei, durch möglichen Ausschluss oder beispielsweise die Verweigerung der Wiederaufstellung des Kandidaten Einfluss auf seine Entscheidungsfin- dung zu nehmen. Dieses Druckmittel wird damit gerechtfertigt, dass dem Abgeordneten die Wahl meist nur durch eine Parteiliste ermöglicht wurde. Im Bundesrat gibt es dagegen kein freies Mandat. (wikipedia)

Stefan Schmidt - 10 - Ö-Recht Lernhilfe

Ewigkeitsgesetz Die so genannte Ewigkeitsklausel ist das in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes festgeschriebene Verbot der Abänderung der fundamentalen Verfassungsprinzipien, die in den Artikeln 1 (Menschenwürde) und 20 (Strukturprinzipien) festgelegt sind. Die Verfassungsprinzipien wurden von den Vätern des Grundgesetzes vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Zeit des Dritten Reiches als vorgegebenes, der menschlichen Disposition entzogenes Naturrecht angesehen. Von einer Änderung ausgeschlossen sind: • Der Schutz und die Unverletzlichkeit der Menschenwürde • Demokratie • Republik • Bundesstaat und Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung • Sozialstaat • Rechtsstaat • Gewaltenteilung

Das in Artikel 20 Abs. 4 garantierte Widerstandsrecht fällt nicht unter diesen Schutz, da es erst später in den Artikel 20 eingefügt wurde. Diese Ansicht ist unter Verfassungsrechtlern heute nicht mehr umstritten. Argumentiert wird vor allem, dass die Ewigkeitsklausel auch umgekehrt gelte und es nicht zulässig sei, nachträglich eine Bestimmung für immer und unabänderlich in das Grundgesetz zu integrieren. Denn wenn die Ewigkeitsklausel durch Hinzunahme von Komponenten veränderbar wäre, würde auch die Herausnahme von Komponenten, wie das Prinzip der Bundesstaatlichkeit, erleichtert. Dies würde die postulierte Schutzwirkung unterhöhlen. Dass Artikel 79 Abs. 3 ebenfalls den Schutz der Unabänderlichkeit genießt, wird allgemein angenommen, obwohl es nicht direkt aus dem Wortlaut zu entnehmen ist. Andernfalls würde aber die Schutzwirkung sinnlos werden, was nicht dem Zweck der Norm und der Zielsetzung des Verfassungsgebers entspräche. Wortlaut der Ewigkeitsklausel: „Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.“ Die Ewigkeitsklausel verhindert jedoch nicht, dass eine verfassungsgebende Versammlung eine gänzlich neue Verfassung schaffen könnte, auch wenn diese Veränderungen mit sich bringt, die eigentlich durch die Ewigkeitsklausel verhindert werden sollen. Diese Möglichkeit, eine neue Verfassung zu schaffen, sieht Art. 146 des Grundgesetzes in der alten wie in der neuen Fassung ausdrücklich vor. Einige Verfassungsrechtler nehmen allerdings an, Artikel 146 sei in der alten Fassung mit der Wiedervereinigung außer Kraft getreten, und die neue Fassung sei unwirksam. (wikipedia)

Monarchie Kein Verfassungsprinzip: In der Monarchie übt ein einziger Herrscher die Staatsmacht aus. Die Monarchie ist der Gegenbegriff zur Republik. Der Monarch wird durch Wahl (Wahl- monarchie) oder Vererbung (Erbmonarchie) und damit meist durch „Gottes Gnaden“ legiti- miert. Es gibt verschiedene Formen der Monarchie, in denen der Monarch unterschiedliche Macht besitzt (u. A.: Absolute-, Konstitutionelle-, Parlamentarische Monarchie). In der absoluten Monarchie untersteht der Monarch nicht mal seinen eigenen Gesetzen (Bsp.: Louis XIV, „Der Staat bin ich“). In der konstitutionellen Monarchie wird die Macht des Monarchen von einer Verfassung eingeschränkt, der er sich unterwerfen muss (Bsp.: Liechtenstein). In der parlamentarischen Monarchie hat der Monarch meist nur noch repräsentative Aufgaben und übt lediglich „Einfluss“ auf die vom Parlament geführten Staatsgeschäfte aus (Bsp.: Niederlande, Schweden, etc.). (stefan schmidt)

Stefan Schmidt - 11 - Ö-Recht Lernhilfe

Bundesregierung aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

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Eine Bundesregierung ist Teil der Exekutive (ausführende Gewalt) eines Bundesstaates. Der Begriff wird zur Abgrenzung dieser Regierung von den Regierungen der einzelnen Bundesländer oder Teilstaaten verwendet.

Bundesregierungen haben zum Beispiel Deutschland, Österreich, die Schweiz, die USA, Australien und Indien.

[Bearbeiten] Artikel über bestimmte Bundesregierungen

• Deutsche Bundesregierung • Österreichische Bundesregierung • Schweizerische Bundesregierung • Bundesregierung (USA)

Bundesregierung (Deutschland) aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland besteht aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Sie wird auch als Kabinett bezeichnet. Näheres zur Bundesregierung regeln die Artikel 62 bis 69 des Grundgesetzes (GG). Artikel 64 Abs. 2 GG schreibt vor, dass der Bundeskanzler und die Bundesminister bei der Amtsübernahme den Amtseid (Art. 56) leisten. Der Bundeskanzler hat innerhalb der Bundesregierung die Richtlinienkompetenz, er bestimmt also die Richtung der Politik und ist dafür auch verantwortlich. Die Bundesminister dürfen ihre jeweiligen Aufgabenbereiche im Rahmen der Richtlinien des Kanzlers eigenständig leiten (Ressortprinzip). Den Umfang ihrer Aufgabenbereiche bestimmt der Bundeskanzler. Sind zwei Minister in einem Punkte uneinig, so entscheidet die Bundesregierung mit Mehrheitsbeschluss (Kollegialprinzip). Die administrativen Geschäfte der Bundesregierung leitet der Bundeskanzler. Näheres regelt die Geschäftsordnung der Bundesregierung, unter anderem auch, dass die Bundesregierung nur beschlussfähig ist, wenn mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder zusammen gekommen sind.

Laut Bundesministergesetz hat ein ausgeschiedenes Mitglied der Bundesregierung Anspruch auf ein Ruhegehalt, „wenn es der Bundesregierung mindestens zwei Jahre angehört hat; eine Zeit im Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs bei einem Mitglied der Bundesregierung wird berücksichtigt” auch eine „vorausgegangene Mitgliedschaft in einer Landesregierung”.

Stefan Schmidt - 12 - Ö-Recht Lernhilfe Aktueller Aufbau der Bundesregierung

Der Bundesregierung gehören zur Zeit (Stand November 2005) Partei-Mitglieder von CDU, CSU und SPD an, nicht alle Minister sind Mitglieder des Bundestages (MdB).

Ressort Amtsinhaber Partei MdB Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel CDU ja Arbeit und Soziales und Franz Müntefering SPD ja Stellvertreter der Bundeskanzlerin Auswärtiges Dr. Frank-Walter Steinmeier SPD nein Inneres Dr. Wolfgang Schäuble CDU ja Justiz Brigitte Zypries SPD ja Finanzen Peer Steinbrück SPD nein Wirtschaft und Technologie Michael Glos CSU ja Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Horst Seehofer CSU ja Verteidigung Dr. Franz Josef Jung CDU ja Familie, Senioren, Frauen und Jugend Dr. Ursula von der Leyen CDU nein Gesundheit Ursula Schmidt SPD ja Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Wolfgang Tiefensee SPD nein Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Sigmar Gabriel SPD ja Bildung und Forschung Dr. Annette Schavan CDU ja Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul SPD ja Bundesminister für besondere Aufgaben und Dr. Thomas de Maizière CDU nein Chef des Bundeskanzleramtes

Parlamentarische Staatssekretäre und Staatsminister sind keine Regierungsmitglieder, aber Mitglieder des Deutschen Bundestages, Informationen zu ihnen und nähere Informationen zu den Bundesministern finden sich im Artikel Kabinett Merkel. Weblinks

ƒ Homepage der Bundesregierung ƒ Geschäftsordnung der Bundesregierung Siehe auch

ƒ Politisches System der Bundesrepublik Deutschland ƒ Bundeskanzler ƒ Exekutive ƒ Gewaltenteilung ƒ Bundespolitik ƒ Liste der deutschen Bundesminister a.D. ƒ Liste der deutschen Bundesregierungen ƒ Vertretungsreihenfolge der deutschen Bundesregierung

Stefan Schmidt - 13 - Ö-Recht Lernhilfe Bundespräsident (Deutschland) aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Horst Köhler - 9. Bundespräsident (seit 2004 im Amt)

Standarte des Bundespräsidenten

Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Seine politischen Befugnisse sind jedoch beschränkt. Seine Amtssitze sind das Schloss Bellevue in Berlin und die Villa Hammerschmidt in . In der Ausübung seiner Aufgaben unterstützt ihn das Bundespräsidialamt. Der Bundespräsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren von der Bundesversammlung gewählt. Derzeitiger Amtsinhaber ist Horst Köhler.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Amtssitz

Stefan Schmidt - 14 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ 2 Aufgaben und Befugnisse ƒ 2.1 Auflösung des Bundestages und Gesetzgebungsnotstand ƒ 2.2 Ernennung und Entlassung der Mitglieder der Bundesregierung ƒ 2.3 Völkerrechtliche Vertretung ƒ 2.4 Unterzeichnung von Gesetzen ƒ 2.5 Staatssymbole ƒ 2.6 Privilegien im Straf- und Zivilrecht ƒ 3 Stellung im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik ƒ 3.1 Geschichtlicher Überblick ƒ 3.2 Politische Reden ƒ 3.3 Diskrete Einflussnahme ƒ 3.4 Parteipolitische Neutralität und politische Aussagen ƒ 3.5 Vertretung ƒ 4 Außerpolitisches Engagement ƒ 4.1 Symbolische Ämter ƒ 4.2 Ehegattinnen der Bundespräsidenten ƒ 5 Wahl des Bundespräsidenten und Vereidigung ƒ 5.1 Unvereinbarkeiten ƒ 5.2 Wahl ƒ 5.3 Vereidigung ƒ 5.4 Kandidatenauswahl ƒ 6 Präsidentenanklage und Amtsenthebung ƒ 7 Ende der Amtszeit ƒ 8 Die bisherigen Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland ƒ 8.1 Überblick ƒ 8.2 Zusammenfassung der Amtszeiten ƒ 8.2.1 Theodor Heuss (1949–1959) ƒ 8.2.2 Heinrich Lübke (1959–1969) ƒ 8.2.3 (1969–1974) ƒ 8.2.4 (1974–1979) ƒ 8.2.5 Karl Carstens (1979–1984) ƒ 8.2.6 Richard von Weizsäcker (1984–1994) ƒ 8.2.7 Roman Herzog (1994–1999) ƒ 8.2.8 Johannes Rau (1999–2004) ƒ 8.2.9 Horst Köhler (seit 2004) ƒ 9 Siehe auch ƒ 10 Literatur ƒ 11 Weblinks

Amtssitz

Stefan Schmidt - 15 - Ö-Recht Lernhilfe

Erster - Berliner - Amtssitz ist das Schloss Bellevue, zweiter - Bonner - Amtssitz die Villa Hammerschmidt. Das neue, 1998 eingeweihte Bundespräsidialamt - von den Berlinern etwas respektlos Präsidentenei genannt - befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Schloss Bellevue.

Vorübergehend wird der Bundespräsident aufgrund von Bauarbeiten am Schloss Bellevue im Gebäude des Bundespräsidialamts tätig sein.

Für repräsentative Anlässe sind zwei verschiedene Orte vorgesehen. Größere Anlässe wie Staatsbankette sollen im Schloss Charlottenburg abgehalten werden, für kleinere Empfänge mit bis zu 18 Personen wird das bisherige Gästehaus des Auswärtigen Amtes in Berlin-Dahlem genutzt. Für die rund zwölf Millionen Euro teure Sanierung von Bellevue sind 15 Monate veranschlagt. Im September 2005 soll das Schloss wieder bezugsfertig sein. Bis dahin wird der Sitz des Bundespräsidenten mit einer komplett neuen Haustechnik ausgestattet und die repräsentativen Räume werden restauriert. Die bislang ungenutzte Amtswohnung im Schloss fällt weg. Dort entsteht ein größerer Speisesaal für 40 Personen.

Der Bundespräsident nutzt ein eigenes Stander. Es zeigt den Bundesadler auf quadratischem, goldenem Grund, welcher von einem roten Band umzogen ist. Wenn der Bundespräsident in Berlin verweilt oder abwesend ist, ohne am Aufenthaltsort eine offizielle Residenz (etwa bei einem Staatsbesuch) einzurichten, ist das Stander am Schloss Bellevue gesetzt, andernfalls nicht. Aufgaben und Befugnisse

Stefan Schmidt - 16 - Ö-Recht Lernhilfe

Der Bundespräsident hat in seiner Funktion als Staatsoberhaupt vor allem repräsentative Aufgaben. Er vertritt die Bundesrepublik völkerrechtlich, beglaubigt diplomatische Vertreter und hat auf Bundesebene das Begnadigungsrecht, welches er allerdings teilweise an andere Bundeseinrichtungen delegiert hat. Er kann aber keine Amnestie aussprechen. Hierzu ist ein Bundesgesetz notwendig.

Im Politischen sind seine Aufgaben und Befugnisse hauptsächlich auf der formalen Ebene angesiedelt:

ƒ Unterzeichnung und Verkündung der Bundesgesetze (durch Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt), ƒ Vorschlagen des Bundeskanzlers zur Wahl (durch den Bundestag) sowie dessen Ernennung beziehungsweise Entlassung, ƒ Ernennung und Entlassung von Bundesministern auf Vorschlag des Bundeskanzlers, ƒ Ernennung und Entlassung von Bundesrichtern, Bundesbeamten, Offizieren und Unteroffizieren, sofern nichts anderes durch Anordnungen und Verfügungen bestimmt ist,

Stefan Schmidt - 17 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ Verkündung der Feststellung des Verteidigungsfalls und Abgabe völkerrechtlicher Erklärungen nach Beginn eines Angriffes sowie ƒ Einberufung der Parteienfinanzierungskommission nach dem Parteiengesetz

In all diesen Fällen ist der Bundespräsident vor allem Ausführender. Fast jeder dieser Akte bedarf nach Artikel 58 des Grundgesetzes der Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung. Dies führt dazu, dass der Bundespräsident manchmal auch als Bundesnotar verspottet wird.

Auflösung des Bundestages und Gesetzgebungsnotstand

Wirkliche politische Befugnisse wachsen dem Amtsinhaber nur in eng umrissenen Ausnahmesituationen zu. So kann er in zwei Fällen den Bundestag auflösen: Sollte bei der Wahl des Bundeskanzlers der vorgeschlagene Kandidat für dieses Amt auch im dritten Wahlgang nur eine relative Mehrheit erhalten, hat der Bundespräsident die Möglichkeit, ihn zu ernennen (Minderheitsregierung) oder aber den Bundestag aufzulösen (Artikel 63 des Grundgesetzes). In diesem Fall benötigt die Auflösungsanordnung keine Gegenzeichnung durch die Bundesregierung, zumal eine solche nicht im Amt ist.

Ebenso kann der Bundespräsident den Bundestag nach einer gescheiterten Vertrauensfrage (Artikel 68 des Grundgesetzes) auflösen. Dies geschah in der bundesdeutschen Geschichte bisher dreimal: 1972 löste Gustav Heinemann den Bundestag auf, 1983 Karl Carstens und 2005 Horst Köhler. Allerdings wurde diese Situation in allen drei Fällen von den jeweiligen Regierungsfraktionen bewusst herbeigeführt, um gewünschte Neuwahlen zu ermöglichen. Gegen Carstens' Auflösungsentscheidung strengten Mitglieder des Bundestages eine Organklage an. Das Bundesverfassungsgericht kam in seinem Urteil zwar zu der Ansicht, dass der Bundespräsident zu prüfen hat, ob der Bundeskanzler tatsächlich nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages besitzt oder ob dieser die Auflösung des Bundestages missbräuchlich betreiben will, bestätigte aber letztlich die Auflösung des Bundestages.

Im Falle der verlorenen Abstimmung über die Vertrauensfrage ist der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung und mit Zustimmung des Bundesrates befugt, aber nicht verpflichtet, den Gesetzgebungsnotstand nach Artikel 81 des Grundgesetzes zu erklären. Dieser Fall ist in der Geschichte der Bundesrepublik bisher nicht eingetreten.

Ernennung und Entlassung der Mitglieder der Bundesregierung

Der Bundespräsident schlägt nach Artikel 63 dem Bundestag einen Kandidaten zur Wahl zum Bundeskanzler vor. Dem Vorschlag gehen regelmäßig Gespräche mit den betroffenen Politikern voraus. Formalrechtlich ist der Bundespräsident in seiner Vorschlagsentscheidung frei. Jedoch hat bisher jeder Bundespräsident den Kandidaten der bei der Bundestagswahl siegreichen Koalition zum Bundeskanzler vorgeschlagen; jeder dieser Kandidaten ist dann auch gewählt worden. Sollte der vom Bundespräsidenten vorgeschlagene Kandidat nicht gewählt werden, so beginnt eine zweiwöchige Frist, in der der Bundestag unabhängig vom Vorschlag des Bundespräsidenten einen Bundeskanzler wählen kann. In jedem Fall muss der Bundespräsident einen mit absoluter Mehrheit gewählten Kandidaten ernennen. Kommt eine Wahl mit absoluter Mehrheit aber weder in den zwei Wochen noch in der sich unmittelbar anschließenden dritten Wahlphase zustande, so ist die Ernennung einer Minderheitsregierung ebenso möglich wie die Auflösung des Bundestages. In diesem Fall ist eine Gegenzeichnung durch die Bundesregierung nicht erforderlich. Zur Ernennung eines Bundeskanzlers ist in keinem Fall eine Gegenzeichnung erforderlich.

Stefan Schmidt - 18 - Ö-Recht Lernhilfe Der Bundespräsident muss die vom Bundeskanzler Vorgeschlagenen zu Bundesministern ernennen. Er hat hier allenfalls ein formales Prüfungsrecht, etwa ob der Vorgeschlagene Deutscher ist; er besitzt jedoch kein personelles Prüfungsrecht. Ein diesbezügliches Ansinnen von Theodor Heuss, der sich vor der Ernennung der Minister des ersten Kabinetts Adenauer eine Ministerliste vorlegen lassen wollte, wurde von Adenauer zurückgewiesen. Dies stellte einen seither nie in Frage gestellten Präzedenzfall dar.

Auch bei der Entlassung eines Ministers hat der Bundespräsident kein Mitspracherecht. Er muss die vom Bundeskanzler getroffene Entscheidung formal nachvollziehen.

Der Bundespräsident kann einen Rücktritt des Bundeskanzlers nicht ablehnen; er muss den Bundeskanzler in diesem Fall entlassen. Er muss auch im Falle des erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum den bisherigen Amtsinhaber entlassen und den neu Gewählten ernennen.

Der Bundespräsident kann nach Artikel 69 des Grundgesetzes einen entlassenen Bundeskanzler oder Bundesminister ersuchen, die Amtsgeschäfte bis zur Wahl des Nachfolgers weiterzuführen. Er hat dies in der Regel so gehandhabt. Einzige bedeutende Ausnahme war die Entlassung von nach dessen Rücktritt 1974. Hier hatte Brandt darum gebeten, nicht mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte betraut zu werden. Heinemann entsprach diesem Wunsch; somit amtierte der soeben entlassene Vizekanzler Walter Scheel für einige Tage als Bundeskanzler. Für dieses Ersuchen ist ebenfalls keine Gegenzeichnung notwendig.

Der Bundespräsident hat kein Mitspracherecht bei der Ernennung des Stellvertreters des Bundeskanzlers. Dies ist eine Entscheidung, die ausschließlich durch den Bundeskanzler getroffen und vollzogen wird.

Völkerrechtliche Vertretung

Roman Herzog (* 1934) 7. Bundespräsident (1994-1999) mit dem franz. Staatspräsidenten Jacques Chirac (* 1932) (mitte)

Der Bundespräsident schließt im Namen der Bundesrepublik Deutschland Verträge. Er ermächtigt hierzu in aller Regel andere Bundesbeamte. Solche Verträge müssen vom Gesetzgeber ratifiziert werden. Ebenso wird die völkerrechtliche Anerkennung eines Staates oder die Anerkennung von Diplomaten eines Staates (Agrément) formal vom Bundespräsidenten ausgesprochen. Die politische Entscheidung hierzu trifft allerdings die Bundesregierung.

Der Bundespräsident unternimmt auch Staatsbesuche. Hier tritt die Problematik der politischen Aussagen in Reden, die unten behandelt wird, ebenfalls auf.

Stefan Schmidt - 19 - Ö-Recht Lernhilfe Regelmäßig machte der Bundespräsident seinen ersten Staatsbesuch im Amt in Frankreich. Bundespräsident Köhler ist von dieser Regel abgewichen, indem er seinen ersten Staatsbesuch seinem Geburtsland Polen, Deutschlands östlichem Nachbarn, abstattete.

Die Feststellung des Verteidigungsfalls, die auf Antrag der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat erfolgt, wird vom Bundespräsidenten im Bundesgesetzblatt verkündet. Sobald der Verteidigungsfall verkündet ist, kann der Bundespräsident mit Zustimmung des Bundestages völkerrechtliche Erklärungen über das Bestehen des Verteidigungsfalls abgeben.

Unterzeichnung von Gesetzen

Der Bundespräsident hat bei der Unterzeichnung von Gesetzen ein formales Prüfungsrecht, ob diese verfassungsgemäß zustande gekommen sind. Teile der Rechtswissenschaft sehen dies sogar als Prüfungspflicht. Die Existenz eines materiellen Prüfungsrechtes ist allerdings weithin umstritten.

In der Vergangenheit haben die Bundespräsidenten selten (bisher sechs Mal), dann aber unter großer öffentlicher Beachtung, Gesetze „angehalten“, das heißt nicht unterzeichnet. Sie begründeten dies meist damit, dass Gesetze zwar ordnungsgemäß verabschiedet worden seien, inhaltlich aber dem Grundgesetz widersprächen.

So hielt Bundespräsident von Weizsäcker 1991 ein Gesetz zur Privatisierung der Luftverkehrsverwaltung für verfassungswidrig und unterzeichnete das Gesetz nicht. Dies führte zur Einfügung des Artikels 87 d in das Grundgesetz, der es dem Gesetzgeber freistellte, ob die Luftverkehrsverwaltung in öffentlich-rechtlicher oder in privatrechtlicher Weise gestaltet werde. Daraufhin wurde das Gesetz erneut beschlossen und schließlich von Weizsäcker unterzeichnet.

2002 unterzeichnete Bundespräsident Rau nach mehrmonatiger Prüfung das Zuwanderungsgesetz, obwohl dieses im Bundesrat in einer umstrittenen Abstimmung beschlossen worden war. Da er zuvor von Ministerpräsidenten der CDU/CSU dazu aufgefordert worden war, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, verband er seine Unterzeichnung mit einer öffentlichen Erklärung, in der er zur Klärung der Sachlage durch das Bundesverfassungsgericht aufrief und die Beteiligten an der umstrittenen Abstimmung ausdrücklich rügte. Das daraufhin von einigen Bundesländern angerufene Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz mit 6:2 Stimmen für verfassungswidrig zu Stande gekommen und damit nichtig.

Eine ähnliche Haltung nahmen Karl Carstens 1981 beim Staatshaftungsgesetz, Roman Herzog 1994 beim Atomgesetz und Horst Köhler 2005 beim Luftsicherheitsgesetz ein. Sie machten ihre Bedenken den Präsidenten von Bundestag und Bundesrat gegenüber deutlich.

Insgesamt herrscht in der Staatsrechtslehre überwiegend die Ansicht, dass ein Bundespräsident ein Gesetz lediglich bei offensichtlicher Kollision mit der Verfassung – inhaltlich oder beim Zustandekommen – anhalten darf (da ihm nicht zugemutet werden kann, ein offensichtlich grundrechtswidriges Gesetz zu unterschreiben). Ansonsten ist die Feststellung der Verfassungswidrigkeit Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts.

Staatssymbole

Der Bundespräsident ist berechtigt, Nationalhymne, Flagge, Wappen, Uniformen, Dienstkleidung, Amtstracht der Richter, deren Verwendung, sowie Staatsakte und Staatsbegräbnisse anzuordnen, sofern jeweils nicht der (Grund-)Gesetzgeber - wie etwa bei der Vorschrift über die Bundesflagge in

Stefan Schmidt - 20 - Ö-Recht Lernhilfe Artikel 22 des Grundgesetzes - tätig geworden ist. Diese Anordnungen müssen jeweils von einem Mitglied der Bundesregierung gegengezeichnet werden.

Ebenso verleiht der Bundespräsident Orden und Ehrenzeichen, unter ihnen das Bundesverdienstkreuz in mehreren Stufen und das Silberne Lorbeerblatt.

Die Nationalhymne wurde 1952 und 1991 in Briefwechseln zwischen Bundespräsident Heuss und Bundeskanzler Adenauer bzw. zwischen Bundespräsident von Weizsäcker und Bundeskanzler Kohl festgelegt. Die jeweilige Antwort der Bundeskanzler wird im Allgemeinen als Gegenzeichnung zur Verfügung des Bundespräsidenten interpretiert. Diese Deutung wird durch die Tatsache unterstützt, dass die beiden Briefwechsel im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden und damit einen quasi- offiziellen Charakter erhielten.

Diese Befugnisse haben keine formalrechtliche Grundlage im Grundgesetz oder einem Bundesgesetz. Die Mehrheit der Staatsrechtslehrer begründet sie daher mit der traditionellen Definitionshoheit von Staatsoberhäuptern über Staatssymbole.

Privilegien im Straf- und Zivilrecht

Wenn der Bundespräsident als Zeuge in einem Verfahren aussagen soll, muss er in seiner Wohnung vernommen werden. Dies ergibt sich für den Zivilprozess aus § 375 Abs. 2 ZPO und für den Strafprozess aus § 49 StPO.

Wer sich der Verunglimpfung des Bundespräsidenten (§ 90 StGB) strafbar macht, kann strafrechtlich nur verfolgt werden, wenn der Bundespräsident die Strafverfolgungsbehörden dazu ermächtigt. Eine Nötigung des Bundespräsidenten (§ 106 StGB) kann jedoch auch ohne dessen Einverständnis verfolgt werden. Stellung im Verfassungsgefüge der Bundesrepublik

Geschichtlicher Überblick

Die schwache Position des Bundespräsidenten, die vor allem an der Gegenzeichnungspflicht und seinen geringen realpolitischen Befugnissen abzulesen ist, ist auch eine Reaktion auf die Erfahrungen der Weimarer Republik. Während der Beratungen des Parlamentarischen Rates herrschte weitgehender Konsens aller Beteiligten, dass dem Präsidenten nicht wieder eine solch überragende Stellung im politischen System zukommen sollte wie seinerzeit dem Reichspräsidenten (zum Beispiel Paul von Hindenburg). Insbesondere das Notverordnungsrecht (Artikel 48 der Weimarer Verfassung), das Recht des Reichspräsidenten, im Notfall mit präsidentiellen Erlassen am gewählten Reichstag vorbei zu regieren, und das Recht des Reichspräsidenten, den Reichskanzler selbst zu ernennen (und zwar in eigener politischer Entscheidung und nicht wie in der Bundesrepublik nur in formaler Nachvollziehung der Wahl des Bundestages), werden für die politische Krise der Weimarer Republik ab 1930 mit den Kanzlern Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher und schließlich das Abgleiten in die Diktatur unter Adolf Hitler mitverantwortlich gemacht. Allerdings war das Notverordnungsrecht zu Beginn der Weimarer Republik durch Friedrich Ebert noch in einer überwiegend als positiv bezeichneten Weise ausgeübt worden.

Die Wegnahme dieser beiden wichtigen Rechte war eine deutliche Entmachtung des Präsidentenamts. Ein Notverordnungsrecht der Exekutive gibt es in der Bundesrepublik nicht mehr, selbst im

Stefan Schmidt - 21 - Ö-Recht Lernhilfe Gesetzgebungsnotstand herrscht noch parlamentarische Kontrolle durch den Bundesrat; die Ernennung und Entlassung des Bundeskanzlers und der Bundesminister liegt im Wesentlichen in der Hand des Bundestages beziehungsweise des Bundeskanzlers.

Parallel zu dieser Schmälerung der Amtsbefugnisse wurde auch der Wahlmodus für den Präsidenten verändert: War der Reichspräsident noch vom Volk direkt gewählt worden (1925 und 1932), so wird der Bundespräsident von der nur für diesen Zweck zusammentretenden Bundesversammlung gewählt. Damit wurde die demokratische Legitimation des Bundespräsidenten indirekter: Er ist nicht mehr unmittelbar vom Souverän gewähltes Staatsoberhaupt, sondern wird von einem Wahlmännergremium (das seinerseits aber demokratisch legitimiert ist) bestimmt. Die Ablehnung der (Wieder-)Einführung einer Direktwahl des Bundespräsidenten wird auch damit begründet, dass ansonsten ein Missverhältnis zwischen starker demokratischer Legitimation (er wäre dann neben dem Bundestag das einzige direkt gewählte Verfassungsorgan) und geringer politischer Macht einträte.

Allerdings erklärt sich die schwache Position des Bundespräsidenten zusätzlich auch durch die „Kanzlerdemokratie“, die sich in ihrer starken Ausprägung erst in Adenauers Regierungszeit manifestierte. So ist der Grund für Adenauers Rückzieher von der eigenen Kandidatur zum Bundespräsidenten 1959 - neben seiner Abneigung seinem potentiellen Nachfolger gegenüber - auch in der Erkenntnis zu sehen, dass er als Bundespräsident weniger Einfluss gehabt hätte als der Bundeskanzler.

Politische Reden

Aus dieser Konstellation ergibt sich, dass der Bundespräsident politische Wirkung hauptsächlich durch Reden erzielt, die gesellschaftliche Debatten aufgreifen oder anstoßen. Als Beispiele hierfür gelten die Weizsäcker-Rede anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges (1985) und die so genannte 'Ruck-Rede' Roman Herzogs von 1997 (siehe Weblinks). Wie kein anderer Spitzenpolitiker ist der Präsident von der Tagespolitik unabhängig und kann daher wesentlich freier als andere Politiker Themen und Zeitpunkt seiner Äußerungen bestimmen, die der Überparteilichkeit verpflichtet sind (bis auf Gustav Heinemann ließen alle bisherigen Präsidenten ihre Parteimitgliedschaft für die Dauer der Amtszeit ruhen).

Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Reden ohne „Gegenzeichnung“ ist umstritten, da eine Rede in ihrer faktischen Wirkung möglicherweise einen stärkeren politischen Einfluss ausüben kann als ein formaler Akt, für den in nahezu jedem Fall eine Gegenzeichnung durch ein Mitglied der Bundesregierung notwendig ist. Die Mehrheit der Staatsrechtler geht allerdings bei Reden von einer gewissen Autonomie des Bundespräsidenten aus, zumal keine formalen Entscheidungen gefällt werden und das Amt des Bundespräsidenten immerhin zu den Verfassungsorganen zählt.

Diskrete Einflussnahme

Der Bundespräsident nimmt jedoch „hinter den Kulissen“ durchaus Einfluss auf die Tagespolitik. Hierzu führt er Gespräche mit Mitgliedern der Bundesregierung und des Bundestages. Der Chef des Bundespräsidialamtes nimmt an Kabinettssitzungen teil und berichtet dem Bundespräsidenten.

Parteipolitische Neutralität und politische Aussagen

Der Amtsinhaber befindet sich während seiner Amtsführung stets in einem Dilemma, da er einerseits politisch handelt (zumindest aber politische Aussagen trifft), andererseits aber zur parteipolitischen Neutralität verpflichtet ist. Die Bundespräsidenten haben hierbei meist in einer eher abstrakten Weise Stefan Schmidt - 22 - Ö-Recht Lernhilfe Themen angesprochen (Herzogs Ruck-Rede, Raus Globalisierungskritik), die sich in keine parteipolitische Richtung interpretieren ließ, oder aber die Parteien insgesamt angegriffen (Weizsäckers Zitat von der Machtversessen- und -vergessenheit der Parteien).

Auch die Tatsache, dass die Bundespräsidenten in der Regel verdiente Politiker sind, die sich in der Partei, von der sie in der Bundesversammlung gewählt werden, haben hocharbeiten müssen, gibt Kritikern Grund zum Zweifel an der parteipolitischen Unabhängigkeit und Neutralität des Bundespräsidenten.

Der amtierende Bundespräsident, Horst Köhler, ist der erste Amtsinhaber, der seine wichtigsten Ämter nicht in Deutschland innegehabt hat und damit wirklich von außerhalb in die deutsche Politik gekommen ist. Befürworter halten ihm entsprechend zugute, dass seine Reden nicht wie bei anderen Politikern „rund geschliffen“ seien, um Kritikern keine Angriffsfläche zu bieten; vielmehr seien sie offen und würden das Problem benennen. Er hat sich außerdem in seiner Amtszeit bereits zu mehreren aktuellen Themen zu Wort gemeldet. Kritiker halten ihm vor, dass er damit die Überparteilichkeit des Amtes ebenso verletze wie das Gebot der Nichteinmischung in die Tagespolitik. Horst Köhler scheint damit von der Amtsführung seiner Vorgänger deutlich abzuweichen.

Eine bislang ungebrochene, ungeschriebene Regel ist, dass ein ehemaliger Bundespräsident keine weiteren politischen Ämter mehr anstrebt, sondern allenfalls als elder statesman am öffentlichen Leben teilnimmt.

Vertretung

Die Vertretung des Bundespräsidenten wird durch den Bundesratspräsidenten wahrgenommen, unabhängig davon, ob der Bundespräsident nur zeitweilig abwesend oder aber amtsunfähig ist. Häufig findet das Vertretungsrecht faktisch nur auf Teile der Amtsbefugnisse des Bundespräsidenten Anwendung, etwa wenn der Bundespräsident auf Staatsbesuch ist und durchaus seinen (außenpolitischen) Verpflichtungen nachkommt, andererseits aber ein Gesetz unterschrieben werden muss. In einem solchen Fall wird das Gesetz regelmäßig vom Stellvertreter des Bundespräsidenten unterzeichnet. Außerpolitisches Engagement

Symbolische Ämter

Der Bundespräsident übernimmt eine Reihe von Schirmherrschaften über von ihm für sinnvoll erachtete Projekte. Auch wenn der Bundespräsident nicht an die Übernahme von Schirmherrschaften seiner Vorgänger gebunden ist, führt er etliche hiervon weiter, so die Schirmherrschaft über die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Ebenso verleiht der Bundespräsident Preise, darunter den Deutschen Zukunftspreis, und gratuliert zu Jubiläen.

Ehegattinnen der Bundespräsidenten

Seit Elly Heuss-Knapp haben sich die Ehefrauen der bisher stets männlichen Bundespräsidenten auch in dieser - ungewählten - Position karitativ engagiert. Traditionell übernehmen sie die Schirmherrschaft über das von Frau Heuss-Knapp begründete Müttergenesungswerk. Von den bisherigen Präsidentengattinnen haben sich besonders Mildred Scheel (Deutsche Krebshilfe) und Christiane Herzog (Mukoviszidose-Stiftung) für kranke Menschen eingesetzt. Seit Frau Herzog hat

Stefan Schmidt - 23 - Ö-Recht Lernhilfe sich das auch öffentlich dargestellte karitative Engagement der Bundespräsidentenfrauen endgültig eingebürgert. Wahl des Bundespräsidenten und Vereidigung

Unvereinbarkeiten

Der Bundespräsident darf nach Artikel 55 des Grundgesetzes weder der Regierung noch einer gesetzgebenden Körperschaft auf Bundes- oder Landesebene angehören. Er darf ferner kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben und darf weder der Leitung noch dem Aufsichtsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören.

Nach § 22 des Europawahlgesetzes endet mit der Annahme der Wahl zum Bundespräsidenten die Mitgliedschaft im Europäischen Parlament.

Wahl

Der Präsident wird von der Bundesversammlung ohne Aussprache und geheim gewählt. Bei der Wahl muss ein Kandidat die (absolute) Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung auf sich vereinen; erst wenn dies in zwei Wahlgängen keinem Kandidaten gelingt, reicht in einem dritten Wahlgang die relative Mehrheit aus. Die Wahl erfolgt auf fünf Jahre; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Staatsrechtler sind überwiegend der Meinung, dass die Formulierung »Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig« im Artikel 54 des Grundgesetzes mehr als zwei Amtszeiten einer Person gestattet, sofern die zusammenhängenden Zeiten zehn Jahre jeweils nicht übersteigen. Wählbar ist jeder Deutsche, der das 40. Lebensjahr vollendet hat und das passive Wahlrecht besitzt.

Die Zusammensetzung der Bundesversammlung spiegelt das föderative System der Bundesrepublik Deutschland wider: Sie besteht aus den Mitgliedern des Bundestags und ebensovielen von den 16 Landesparlamenten gewählten Wahlmännern. Üblicherweise handelt es sich hierbei um Landtagsabgeordnete und einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, zum Beispiel aus Wirtschaftsverbänden oder Prominente, wobei alle Mitglieder der Bundesversammlung (also auch die Vertreter aus Wirtschaft und Prominenz) mit der Annahme ihrer Wahl bis zum Zusammentreten der Bundesversammlung Immunität genießen. Der Bundestagspräsident hat den Vorsitz der Bundesversammlung.

Vereidigung

In einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat wird der neue Bundespräsident am Tag des Amtsantritts (üblicherweise der 1. Juli) vom Bundestagspräsidenten vereidigt. Der Eid lautet nach Artikel 56 GG: »Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.« Die religiöse Beteuerung kann auch weggelassen werden. Der Eid muss auch als solcher geleistet werden; eine Bekräftigung - wie sie im Strafgesetzbuch für Personen vorgesehen ist, die aus religiösen Gründen keinen Eid leisten möchten - ist nicht zulässig. Diese Verpflichtung ist verfassungsmäßig, da die Übernahme des Amtes des Bundespräsidenten freiwillig erfolgt.

Ab dem Zeitpunkt seiner Vereidigung erhält der Bundespräsident eine Besoldung von etwa € 213.000 jährlich, die nach dem Ausscheiden aus dem Amt als Ehrensold bis zum Lebensende ausgezahlt wird.

Stefan Schmidt - 24 - Ö-Recht Lernhilfe Kandidatenauswahl

Die Kandidatenauswahl im Vorfeld der eigentlichen Bundespräsidentenwahl ist stark von der absehbaren parteipolitischen Stimmverteilung in der Bundesversammlung und entsprechenden parteitaktischen Überlegungen geprägt. Je nach Ausgangslage versuchen die beiden großen Parteien, in einem (wie auch immer gearteten) innerparteilichen Prozess einen Kandidaten zu finden, für den sich in der Bundesversammlung eine Mehrheit organisieren lässt. Im Allgemeinen erfolgt auch dies bereits im Vorfeld mittels Absprachen zwischen einzelnen Parteien.

Die Dominanz von parteitaktischen Überlegungen bei der Kandidatenauswahl (statt der Persönlichkeit der möglichen Kandidaten) und häufige Absprachen im Vorfeld, die die Wahl durch das eigentlich zuständige Gremium zur reinen Formalität herabwürdigen, führten zu Diskussionen, eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk zu ermöglichen. Befürworter argumentieren, eine Direktwahl durch das Volk würde das gesamte Wahlverfahren transparenter machen und Entscheidungen wieder aus politischen Hinterzimmern in das Licht der Öffentlichkeit bringen. Gegner einer Direktwahl meinen, dass eine Direktwahl den Prinzipien einer repräsentativen Demokratie zuwider laufen würde und außerdem das Amt des Präsidenten zu wenig Machtbefugnisse habe, um für eine Direktwahl in Frage zu kommen. Darüberhinaus würde das Amt sowie die Person des Bundespräsidenten im notwendig werdenden Wahlkampf beschädigt werden.

Zur Einführung einer Direktwahl wäre eine Verfassungsänderung notwendig. Präsidentenanklage und Amtsenthebung

Während seiner Amtszeit genießt der Bundespräsident Immunität. Der Bundespräsident kann nicht abgewählt werden. Die einzige Möglichkeit, ihn seines Amtes zu entheben, ist die Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht nach Artikel 61 GG.

Die Präsidentenanklage kann auf Antrag eines Viertel der Mitglieder des Bundestages oder des Bundesrates durch Beschluss mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag oder Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Nach Erhebung der Anklage kann das Bundesverfassungsgericht per einstweiliger Anordnung erklären, dass der Präsident an der Ausübung seines Amtes verhindert ist. Kommt es im Verfahren dann zu dem Schluss, der Bundespräsident habe vorsätzlich gegen das Grundgesetz oder gegen ein Bundesgesetz verstoßen, kann es ihn des Amtes entheben.

Das Instrument der Präsidentenanklage ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch nie angewendet worden. Ende der Amtszeit

Seit dem Jahr 1969 endete die Amtszeit des Bundespräsidenten stets mit Ablauf des 30. Juni, und sein Nachfolger trat sein Amt mit Beginn des 1. Juli an. Diese Regel kann allerdings jederzeit durch die vorzeitige Erledigung des Amtes des Bundespräsidenten unterbrochen werden. Das Amt wird außerhalb der Regelmäßigkeit nach fünf Jahren Amtszeit erledigt, indem der Bundespräsident

ƒ stirbt, ƒ zurücktritt (wie Heinrich Lübke dies 1969 tat; er erklärte seinen Rücktritt mit Wirkung vom Ablauf des 30. Juni 1969),

Stefan Schmidt - 25 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ seine Wählbarkeit verliert (die deutsche Staatsangehörigkeit aufgibt oder das Wahlrecht verliert, weil für ihn zur Besorgung aller seiner Angelegenheiten ein Betreuer nicht nur durch einstweilige Verfügung bestellt ist oder er sich aufgrund einer Anordnung in einer psychiatrischen Klinik befindet; Artikel 54 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in Verbindung mit § 15 Bundeswahlgesetz) oder ƒ nach Artikel 61 des Grundgesetzes seines Amtes enthoben wird (siehe oben).

In diesem Fall tritt die Bundesversammlung nach Artikel 54 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes spätestens dreißig Tage nach der Erledigung des Amtes zusammen und wählt einen Bundespräsidenten, dessen Amtszeit unmittelbar nach der Annahme der Wahl beginnt. Bis zur Neuwahl übt der Präsident des Bundesrates die Befugnisse des Bundespräsidenten aus.

Im Verteidigungsfall kann sich die Amtszeit des Bundespräsidenten nach Artikel 115h des Grundgesetzes verlängern. Die Amtszeit des Bundespräsidenten oder die Wahrnehmung der Befugnisse durch den Präsidenten des Bundesrates im Vertretungsfall enden in diesem Falle neun Monate nach Beendigung des Verteidigungsfalles.

Jeder Bundespräsident wird traditionell mit einem Großen Zapfenstreich aus seinem Amt verabschiedet. Bisher lehnte dies nur Gustav Heinemann ab. Die bisherigen Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland

Überblick

Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland Beginn der Name Partei Ende der Amtszeit Wahl(en) Amtszeit Theodor Heuss (1884– 1 FDP 13. September 1949 12. September 1959 1949/1954 1963) Heinrich Lübke (1894– 2 CDU 13. September 1959 30. Juni 1969 1959/1964 1972) Gustav Heinemann (1899– 3 SPD 1. Juli 1969 30. Juni 1974 1969 1976) 4 Walter Scheel (* 1919) FDP 1. Juli 1974 30. Juni 1979 1974 5 Karl Carstens (1914–1992) CDU 1. Juli 1979 30. Juni 1984 1979 Richard von Weizsäcker (* 6 CDU 1. Juli 1984 30. Juni 1994 1984/1989 1920) 7 Roman Herzog (* 1934) CDU 1. Juli 1994 30. Juni 1999 1994 8 Johannes Rau (* 1931) SPD 1. Juli 1999 30. Juni 2004 1999 9 Horst Köhler (* 1943) CDU 1. Juli 2004 2004

Vom 7. bis 12. September 1949 war Bundesratspräsident Karl Arnold (1901–1958) amtierendes Staatsoberhaupt, weil es noch keinen Bundespräsidenten gab.

Zusammenfassung der Amtszeiten

Stefan Schmidt - 26 - Ö-Recht Lernhilfe Theodor Heuss (1949–1959)

Theodor Heuss prägte als erster Bundespräsident dieses Amt in ähnlicher Weise wie das Amt des Bundeskanzlers. Der Liberale, der schon in der Weimarer Republik Mitglied des Reichstages gewesen war, übte sein Amt weitestgehend überparteilich aus und konnte durch seinen demokratischen und kulturellen Hintergrund auch im Ausland Vertrauen in das neue demokratische (West-)Deutschland zurückgewinnen. Auch seine intellektuellen Reden zu aktuellen Streitfragen ließen ihn zum Vorbild für seine Nachfolger werden. Eine dritte Amtszeit, zu der eine Grundgesetzänderung nötig gewesen wäre, lehnte er ab, da er die Schaffung einer "lex Heuss" vermeiden wollte.

Heinrich Lübke (1959–1969)

Schon die Art der Nominierung Heinrich Lübkes zum Bundespräsidenten als Ersatz für den sich von seiner ursprünglich geplanten Bundespräsidentenkandidatur zurückziehenden Adenauer prädestinierte ihn zu einer schwachen Präsidentschaft. Dennoch versuchte er, auch als Bundespräsident in die Politik einzugreifen. Zum Teil scheiterte er dabei (auch er wollte sich - wie Heuss - eine Ministerliste vorlegen lassen), zum Teil gelang es ihm, etwa indem er für die Bundespräsidenten das Recht in Anspruch nahm, Gesetze "anzuhalten", wenn sie gegen das Grundgesetz verstoßen. Dennoch bleiben von seiner Präsidentschaft häufig nur rhetorische Fehlgriffe in Erinnerung, die auch auf Auslandsreisen zu peinlichen Situationen führten.

Gustav Heinemann (1969–1974)

Obwohl Gustav Heinemann nicht - wie alle Vorgänger und Nachfolger - mit einer absoluten Mehrheit ins Amt gewählt worden war, wurde er als vollwertiger Bundespräsident anerkannt. Seine Wahl war insofern hochpolitisch, als sie die später im Jahr 1969 folgende sozialliberale Koalition vorweg nahm. Seine tiefen moralischen Überzeugungen, die ihn 1950 aus Protest gegen die Wiederbewaffnung zum Rücktritt als Bundesinnenminister und zum Austritt aus der CDU geführt hatten, machten ihn zu einem anerkannten Bundespräsidenten, der sich selbst als "Bürgerpräsident" betrachtete und die demokratischen und liberalen Traditionen Deutschlands betonte. Obwohl ihm die Mehrheitsverhältnisse in der Bundesversammlung 1974 eine Wiederwahl ermöglicht hätten, verzichtete er auf die Kandidatur für eine zweite Amtszeit.

Walter Scheel (1974–1979)

Der erste ehemalige stellvertretende Bundeskanzler im Amt des Bundespräsidenten versuchte auch in seinem neuen Amt politisch mitzuwirken. Dieses Ansinnen scheiterte jedoch auch am entschiedenen Widerstand von Bundeskanzler Schmidt, sodass Walter Scheel vor allem als singender Bundespräsident in Erinnerung geblieben ist ("Hoch auf dem gelben Wagen").

Karl Carstens (1979–1984)

Der fünfte Bundespräsident der Bundesrepublik wurde auch als „wandernder Bundespräsident“ bekannt. Seine staatsrechtlich bedeutsamste Entscheidung war die Auflösung des Bundestages nach der absichtlich verlorenen Vertrauensfrage Helmut Kohls 1982/83. Gegen diese Anordnung des Bundespräsidenten hatten einige Abgeordnete geklagt, das Bundesverfassungsgericht bestätigte in einem umstrittenen Urteil allerdings Carstens' Entscheidung.

Richard von Weizsäcker (1984–1994) Stefan Schmidt - 27 - Ö-Recht Lernhilfe Richard von Weizsäcker ging als einer der bedeutendsten Bundespräsidenten in die Geschichte ein. Schon seine Rede zum 40. Jahrestags des Kriegsendes am 8. Mai 1985 brachte ihm großen internationalen Respekt, aber auch Kritik aus konservativen Kreisen ein, da er die Interpretation des 8. Mai vom "Tag der Niederlage" hin zum "Tag der Befreiung" verschob. Seine teils scharfe Kritik am Parteienstaat kann auch mit einer persönlichen Distanz zu Bundeskanzler Kohl erklärt werden. Weizsäcker war 1989 der erste Bundespräsident seit Heinrich Lübke 1964, der wiedergewählt wurde.

Roman Herzog (1994–1999)

Der bis zu seiner Wahl als Präsident des Bundesverfassungsgerichtes amtierende Roman Herzog wird besonders als Präsident der Ruck-Rede im Berliner Hotel Adlon 1997 wahrgenommen. Diese Rede war ein Beispiel seiner Kritik an der politischen Situation in Deutschland. Er begründete damit die Idee der Berliner Rede, die von Bundespräsident Rau fortgeführt wurde. Herzogs Amtszeit war geprägt durch die Anprangerung vermeintlicher Versäumnisse der Politik in Anbetracht der wirtschaftlichen Situation. Auch ein anderes wichtiges Werk von Herzog begann 1997, als er den deutschen Zukunftspreis ins Leben rief.

Johannes Rau (1999–2004)

Johannes Rau führte die Berliner Rede fort und hielt sie jedes Jahr selbst. Er sprach in ihr Themen wie die Integration von Ausländern und die Auswirkungen von Gentechnologie und Globalisierung an. Er vermied jedoch im Wesentlichen Angriffe auf die handelnden Politiker, weshalb er auch als "Bruder Johannes" verspottet wurde. Andere fanden sein Lebensmotto "Versöhnen statt Spalten", an das er sich auch während seiner Amtszeit zu halten versuchte, für den Inhaber des Bundespräsidentenamtes ideal. Johannes Rau hielt als erster Bundespräsident eine Rede auf Deutsch vor dem israelischen Parlament, der Knesset.

Horst Köhler (seit 2004)

Mit Horst Köhler ist erstmals ein Politiker Bundespräsident, der vorher kein anderes innenpolitisches Mandat innehatte. Ihm wurde deswegen größere Unabhängigkeit und Distanz zur Bundespolitik bescheinigt. Dieser Erwartung kam er durch seine Äußerungen zur Tagespolitik nach, etwa indem er die Agenda 2010 von Bundeskanzler Schröder als „noch zu wenig weit reichend“ bezeichnete oder die versuchte Verlegung des Tages der Deutschen Einheit öffentlich kritisierte. Horst Köhler handelt damit anders als seine Vorgänger. Dieses Vorgehen brachte ihm Lob („erfrischend“) ein, auch aber die Kritik, er verletze damit ungeschriebene Gesetze, die bisher für Bundespräsidenten gegolten hätten.

Viel Lob, aber auch gleichzeitig viel Kritik handelte sich Köhler durch seine Äußerung ein, dass unterschiedliche Lebensverhältnisse in den neuen und alten Bundesländern zur Normalität gehörten.

Selbst wenn Horst Köhler diese Amtsführung beibehält, so muss doch abgewartet werden, ob er damit die Stellung des Bundespräsidenten im politischen System der Bundesrepublik grundlegend ändert oder ob spätere Bundespräsidenten ihre Art der Amtsausübung wieder an Horst Köhlers Vorgängern orientieren werden. Siehe auch

ƒ Politisches System Deutschlands, Portal:Politik ƒ Reichspräsident ƒ Bundespräsident (Begriffsklärung), Bundespräsident (Österreich), Bundespräsident (Schweiz)

Stefan Schmidt - 28 - Ö-Recht Lernhilfe Literatur

ƒ Klaus Stern: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Band 2: Staatsorgane, Staatsfunktionen, Finanz- und Haushaltsverfassung, Notstandsverfassung. Beck, München 1980, ISBN 3-406-07018-3 ƒ Eberhard Jäckel, Horst Möller, Hermann Rudolph (Hrsg.): Von Heuss bis Herzog - die Bundespräsidenten im politischen System der Bundesrepublik. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1999, ISBN 3-421-05221-2 ƒ Günther Scholz: Die Bundespräsidenten: Biographien eines Amtes. Bouvier, Bonn 1997, ISBN 3-416-02573-3 Weblinks

WikiCommons: Bundespräsident (Deutschland) – Bilder, Videos oder Audiodateien

ƒ Offizieller Internetauftritt des Bundespräsidenten ƒ Artikel 54-61 GG über das Amt des Bundespräsidenten ƒ Weizsäcker-Rede von 1985 ƒ Berliner Rede von Roman Herzog, vom 26.04.1997 - "Ruck-Rede" ƒ weitere Reden und Zitate

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Stefan Schmidt - 29 - Ö-Recht Lernhilfe

Preußisches Herrenhaus, Sitz des Bundesrates, in der Leipziger Straße

Der Bundesrat ist ein Verfassungsorgan des Bundes, durch das nach Artikel 50 des Grundgesetzes die Bundesländer – genauer gesagt die Landesregierungen – bei der Gesetzgebung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirken. Seine Existenz ist ein wichtiger Teil des föderalen Charakters des deutschen Staatsaufbaus. Er ist ein kontinuierliches Organ ohne Legislaturperioden, dessen parteipolitische Zusammensetzung sich bei jeder Landtagswahl verändern kann, wohingegen der Bundestag ein diskontinuierliches Organ ist, das alle vier Jahre neu gewählt wird.

Der Bundesrat hat eine besondere Stellung, da er den in manchen anderen Staaten üblichen Grundsatz der strikten Gewaltenteilung durchbricht – er besteht aus Exekutiven (den Landesregierungen), ist selbst jedoch ein legislatives Organ. Das daraus entstehende System bezeichnet man als Exekutivföderalismus. Andererseits erweitert sich durch den Föderalismus die Gewaltenteilung auf Bundesebene (horizontale Gewaltenteilung) um eine Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern (vertikale Gewaltenteilung).

Durch die wachsende Rolle der Parteipolitik in der Arbeit des Bundesrates wird dieser inzwischen als parteipolitisches Instrument und nicht - wie ursprünglich vom Parlamentarischen Rat beabsichtigt - als Korrektiv zur parteipolitischen Bundestagsarbeit angesehen. Unterscheiden sich die Mehrheitsverhältnisse zwischen Bundestag und Bundesrat, besteht die Gefahr einer gegenseitigen Blockade aus parteitaktischen Erwägungen. Die 2004 gescheiterte Föderalismuskommission hatte den Auftrag, dieser Gefahr durch Abbau der Anzahl zustimmungspflichtiger Gesetze im Bundesrat entgegenzuwirken. Der Vertrag der 2005 ins Amt gekommenen Großen Koalition enthält einen Vorschlag zur Erreichung dieses Ziels, der zügig ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden soll.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Sitz ƒ 2 Bezeichnung ƒ 3 Plenarsaal ƒ 4 Aufgaben und Befugnisse

Stefan Schmidt - 30 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ 4.1 Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gesetzgebung ƒ 4.2 Mitwirkung innerhalb der Europäischen Union ƒ 4.3 Mitwirkung bei Rechtsverordnungen und Allgemeinen Verwaltungsvorschriften ƒ 4.4 Ländergesetzgebung ƒ 4.5 Fragerecht ƒ 4.6 Wahl anderer Verfassungsorgane ƒ 4.7 Verteidigungsfall ƒ 4.8 Gesetzgebungsnotstand ƒ 5 Organisation des Bundesrates ƒ 5.1 Zusammensetzung ƒ 5.2 Stimmabgabe ƒ 5.3 Präsidium ƒ 5.4 Bevollmächtigte der Länder beim Bund ƒ 5.5 Ausschüsse ƒ 6 Arbeit des Bundesrates ƒ 6.1 Geschäftsordnung ƒ 6.2 Rederecht und Anwesenheit ƒ 6.3 Vergütung ƒ 7 Machtstellung ƒ 8 Aktuelle Stimmverteilung im Bundesrat ƒ 9 Geschichte ƒ 9.1 Deutsches Reich und Weimarer Republik ƒ 9.2 Entstehung des Grundgesetzes und Änderungen ƒ 9.3 Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates ƒ 9.3.1 Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates ƒ 9.3.2 Staatssekretäre im Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates ƒ 9.4 Veränderungen in der Struktur der Bundesländer ƒ 9.5 Die unionsgeführten Bundesregierungen von 1949 bis 1966 ƒ 9.5.1 Mehrheitsverhältnisse in der ersten schwarz-gelben Koalition unter Adenauer (1949 bis 1956) ƒ 9.5.2 Mehrheitsverhältnisse während der CDU-Alleinregierung unter Adenauer (1956 bis 1961) ƒ 9.5.3 Mehrheitsverhältnisse während der CDU-FDP-Koalition unter Adenauer und Erhard (1961 bis 1966) ƒ 9.6 Die Große Koalition im Bund (1966-1969) ƒ 9.7 Die sozialliberale Koalition (1969-1982) ƒ 9.8 Die Regierung Kohl vor der Wiedervereinigung (1982-1990) ƒ 9.9 Die Regierung Kohl nach der Wiedervereinigung (1990-1998) ƒ 9.10 Die Regierung Schröder 1998 bis 2005 ƒ 9.11 Der Eklat um das Zuwanderungsgesetz 2002 ƒ 9.12 Föderalismuskommission 2003/04 ƒ 9.13 Die zweite Große Koalition (seit 2005) ƒ 10 Siehe auch ƒ 11 Literatur ƒ 12 Weblinks

Sitz

Stefan Schmidt - 31 - Ö-Recht Lernhilfe

Bundesratsgebäude in Bonn

Der Bundesrat, auch als Länderkammer bezeichnet, hat seit dem Umzug im Jahr 2000 seinen Sitz im ehemaligen Preußischen Herrenhaus in Berlin. Vorher tagte er seit 1949 im Bundeshaus in Bonn und zwar in der ehemaligen, zuvor bereits durch den Parlamentarischen Rat genutzten Aula. Dort befindet sich noch heute eine Außenstelle, in der vor allem die Zentrale Stelle der Länder in Europaangelegenheiten untergebracht ist.

Das Preußische Herrenhaus existiert seit 1904. Bereits zuvor tagte die gleichnamige preußische Institution in einem Vorgängerbau; dieses Barock-Palais wurde aber zwischen 1899 und 1904 abgerissen. Nach dem Ende des Kaiserreichs diente das heutige Gebäude 1918/1919 dem Zentralrat der Arbeiter- und Bauernräte als Tagungsort, bis 1920 schließlich der Preußische Staatsrat einzog. 1933 bis 1945 diente es nach der Auflösung des Staatsrates dem nationalsozialistischen preußischen Ministerpräsidenten Hermann Göring als Dienstsitz und wurde im Zweiten Weltkrieg beschädigt. Nach dem Krieg wurde das Gebäude, das im Ostteil liegt, von DDR-Institutionen wie der Akademie der Wissenschaften genutzt. 1996 schließlich entschied sich der Bundesrat zusammen mit dem Bundestag nach Berlin umzuziehen. Aus diesem Grund wurde das Anwesen zwischen 1997 und 2000 renoviert, so dass der Bundesrat im Jahr 2000 dort seinen Sitz nehmen konnte. Bezeichnung

Zu Beginn seiner Geschichte war die Eigenbezeichnung des Verfassungsorgans „Deutscher Bundesrat“, heute lautet sie schlicht „Bundesrat“. Der langjährige Bundesratsbeamte Konrad Reuter schrieb dazu 1991 in seinem "Praxishandbuch Bundesrat" (S. 87):

Zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland wurde auch der BR offiziell als „Deutscher Bundesrat“ bezeichnet: Die Grunddrucksachen des Bundesrates trugen bis April 1951 (Drs. 1/49 bis 301/51) die Kopfzeile „Deutscher Bundesrat“, seither aber die Bezeichnung „Bundesrat“. ... Die Vereinheitlichung der Praxis hin zur Bezeichnung „Bundesrat“ beruht auf einer Anordnung des Bundesratspräsidenten vom 12. September 1952, mit der zur „Beseitigung von Zweifeln über die Bezeichnung des Bundesrates auf Schriftstücken des Sekretariats“ die Führung der Bezeichnung „Bundesrat“ verfügt wurde. Im internationalen Verkehr wird vom BR diplomatischen Gepflogenheiten entsprechend die Bezeichnung „Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland“ verwendet. Plenarsaal

Stefan Schmidt - 32 - Ö-Recht Lernhilfe

Der Plenarsaal des Bundesrates

An der Stirnseite des Plenarsaales befindet sich in der Mitte der Platz des Präsidiums. Vor ihm befindet sich das Rednerpult, davor wiederum sitzen die Stenografen. Vom Rednerpult aus rechts neben ihm befinden sich die Plätze der Mitglieder der Bundesregierung und ihrer Beauftragten. Reicht der Platz nicht aus, so sitzen auch links vom Präsidium Mitglieder der Bundesregierung, außerdem finden dort wichtige Beamte des Bundesrates ihren Platz. Im Plenum sitzen die Vertreter der einzelnen Länderregierungen im Halbrund. Die Plätze ergeben sich aus der alphabetischen Reihenfolge der Ländernamen: Vom Präsidium aus rechts außen sitzen die Vertreter Baden-Württembergs, links außen schließlich die Bundesratsmitglieder aus Thüringen.

Hinter dem Platz des Präsidiums befinden sich anders als im Bundestag weder der Bundesadler noch die deutsche oder europäische Flagge, sondern stattdessen die Wappen der sechzehn Bundesländer.

Schließlich befinden sich über den Mitgliedern des Bundesrates die Zuschauerränge. Auch im Bundesrat dürfen die Zuschauer keine Beifalls- oder Missfallensbekundungen von sich geben oder Anstand und Ordnung verletzen, sonst werden sie aus dem Plenarsaal entfernt. Aufgaben und Befugnisse

Durch den Bundesrat wirken nach den Vorschriften des Grundgesetzes (Artikel 51) „die Länder bei der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes und in Angelegenheiten der Europäischen Union“ mit. Diese grundsätzliche Mitwirkung ist durch Artikel 79 des Grundgesetzes, die Ewigkeitsklausel, der Abschaffung selbst durch verfassungsänderndes Gesetz entzogen. Der Bundesrat ist allerdings keine mit dem Bundestag gleichberechtigte „Zweite Kammer“. Entsprechend bedürfen auch nicht alle Gesetze zu ihrem Inkrafttreten der Zustimmung des Bundesrates. Vielmehr ist die Zustimmungspflicht des Bundesrates vom Parlamentarischen Rat als Ausnahme angesehen worden. In der Verfassungsrealität hat sich der Anteil der zustimmungspflichtigen Gesetze - auch aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes - auf deutlich über fünfzig Prozent erhöht. Ursprünglich war die Mitwirkung des Bundesrates, die zum Beispiel zur Zustimmungspflicht wird, sobald Gesetze von den Ländern ausgeführt werden müssen, dazu gedacht, die verwaltungstechnische Erfahrung der Länderregierungen in die Gesetzgebung einfließen zu lassen. Inzwischen ist der Bundesrat jedoch zu einem Organ geworden, das durchaus auch aus inhaltlichen Gründen Gesetzen widerspricht und von parteipolitischen Leitlinien mitgeprägt ist. Der Zuwachs der Rolle der Bundespolitik in Landtagswahlkämpfen resultierte auch aus dieser Tatsache. Das Hauptziel der 2004 gescheiterten Föderalismuskommission war deshalb die Entflechtung von Zuständigkeiten von Bund und Ländern und damit die Senkung des Anteils der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat.

Von 1949 bis 1996 erhielten nur ungefähr 150 vom Bundestag verabschiedeten Gesetze keine Mehrheit im Bundesrat. Die Unterschiedlichkeit der Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat hat spätestens seit Mitte der 1990er-Jahre dazu geführt, dass die beiden Organe häufiger unterschiedlicher

Stefan Schmidt - 33 - Ö-Recht Lernhilfe Meinungen über bestimmte Gesetzentwürfe sind als das früher der Fall war. Manche Beobachter sehen im Verhalten des Bundesrats parteitaktisch motivierten Blockaden. Gesetzesentwürfe werden meistens gar nicht erst in den Bundesrat eingebracht, wenn ihre Ablehnung schon von Anfang an feststehen würde; große Reformen sind stärker gefährdet als kleine Änderungen.

Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Gesetzgebung

Hauptartikel: Gesetzgebungsverfahren (Deutschland)

Es gibt zwei verschiedene Gesetzesarten: im Bundesrat zustimmungspflichtige und im Bundesrat nicht zustimmungspflichtige Gesetze. Hierbei ist mit "zustimmungspflichtig" nicht gemeint, dass der Bundesrat in der Pflicht steht, einem Gesetz zuzustimmen; vielmehr benötigt ein solches Gesetz zu seinem Inkrafttreten die Zustimmung dieses Verfassungsorgans.

Die in der Praxis wichtigsten Fälle einer Zustimmungspflicht entstehen in den folgenden Situationen:

ƒ Das Bundesgesetz wird – wie in der Regel – von den Verwaltungen und Behörden der Länder ausgeführt und enthält hierfür besondere Vorschriften über Zuständigkeit und Verfahren der Landesbehörden (Artikel 84 und 85 des Grundgesetzes). ƒ Das Bundesgesetz gewährt den Bürgern eine Geldleistung, für die zumindest zu einem Viertel die Landeskasse aufkommen muss (Artikel 104a des Grundgesetzes). ƒ Das Bundesgesetz enthält Regelungen über die Erhebung und Verteilung von Steuern (in zahlreichen Fällen, etwa gemäß Artikel 105 oder 106 des Grundgesetzes). ƒ Es handelt sich um ein Gesetz, mit dem das Grundgesetz geändert oder Hoheitsrechte an die Europäische Union übertragen werden sollen (Artikel 79 und 23 des Grundgesetzes). Dann ist sogar eine Zweidrittelmehrheit im Bundesrat erforderlich.

Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bedarf jedes Gesetz, das auch nur eine Vorschrift enthält, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, als Ganzes der Zustimmung des Bundesrates. Da die Trennung eines Bundesgesetzes in einen zustimmungspflichtigen und einen nicht zustimmungspflichtigen Teil sehr häufig nicht möglich ist, ergibt sich hieraus eine deutliche Machtsteigerung für den Bundesrat, zumal sehr viele Gesetze Vorschriften enthalten, die etwa von den Ländern ausgeführt werden sollen.

Der Bundesrat gehört (in Friedenszeiten) zu den drei Verfassungsorganen, die ein Initiativrecht bei der Gesetzgebung besitzen; neben ihm sind dies Bundestag und Bundesregierung. Am häufigsten werden Gesetzentwürfe von der Bundesregierung eingebracht.

Gesetzentwürfe des Bundesrates selbst gehen zunächst an die Bundesregierung, die den Entwurf zusammen mit einer Stellungnahme an den Bundestag weiterleitet. Gesetzentwürfe der Bundesregierung gehen zunächst an den Bundesrat, welcher hierzu Stellung nehmen kann und dies in aller Regel auch tut. Der Gesetzentwurf geht danach zurück zur Bundesregierung, die den Entwurf sodann gegebenenfalls mit einer Entgegnung zur Stellungnahme des Bundesrates an den Bundestag weiterleitet. Gesetzentwürfe des Bundestages werden zunächst von diesem selbst beraten.

Jeder Gesetzesentwurf, der vom Bundestag kommt, wird im Bundesrat beraten. Dabei gibt es in der Regel eine erste Lesung, an die sich eine Beratung in den Ausschüssen des Bundesrates anschließt. Die Ausschüsse geben sodann eine Beschlussempfehlung ab; der Bundesrat entscheidet über die Beschlussempfehlung. In jedem Fall kann der Bundesrat den Vermittlungsausschuss (Ausschuss nach Artikel 77 des Grundgesetzes) anrufen, wenn er mit dem Gesetzentwurf nicht einverstanden ist - dies gilt auch für nicht zustimmungspflichtige Gesetze. Lehnt der Bundesrat ein zustimmungspflichtiges

Stefan Schmidt - 34 - Ö-Recht Lernhilfe Gesetz ab, so können auch Bundesregierung oder Bundestag den Vermittlungsausschuss anrufen. Wird der Vermittlungsausschuss angerufen, so entscheidet der Bundesrat (bei geändertem Gesetzentwurf auch der Bundestag erneut) nach der Beratung des Vermittlungsausschusses endgültig über den Gesetzentwurf.

Ist der Gesetzentwurf zustimmungspflichtig, so bedarf er der Mehrheit der Stimmen des Bundesrates. Erhält er diese Stimmenzahl nicht, so ist der Gesetzentwurf gescheitert.

Ist der Gesetzentwurf nicht zustimmungspflichtig, so kann der Bundesrat mit mindestens der Mehrheit seiner Stimmen Einspruch gegen den Gesetzentwurf einlegen. Legt der Bundesrat den Einspruch mit absoluter, aber nicht mit Zweidrittelmehrheit ein, so kann der Bundestag den Einspruch mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder abweisen; das Gesetz tritt dann trotzdem in Kraft. Legt der Bundesrat den Einspruch mit Zweidrittelmehrheit ein, so bedarf die gültige Zurückweisung des Einspruches auch einer Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestages. Weist der Bundestag den Einspruch nicht zurück, ist der Gesetzentwurf gescheitert.

Die Frist, die der Bundesrat hierbei beachten muss, ist relativ knapp: In der Regel beträgt sie sechs Wochen zur Behandlung im ersten Durchgang (bei Gesetzentwürfen der Bundesregierung), sie kann sich bei dringlichen Gesetzen auf drei Wochen verkürzen, bei umfangreichen Gesetzen, Grundgesetzänderungen oder der Übertragung von Hoheitsrechten auch auf neun Wochen verlängern. Im zweiten Durchgang, an dessen Ende der eigentliche Beschluss über den Gesetzentwurf steht, beträgt die Frist nur drei Wochen. Da die Ausschüsse ihre Beratungen zwei Wochen vor der Bundesratssitzung beendet haben müssen, damit die Unterlagen rechtzeitig verschickt werden können, müssen sie also die Gesetze häufig binnen Wochenfrist behandeln und abarbeiten.

Mitwirkung innerhalb der Europäischen Union

Artikel 23 des Grundgesetzes eröffnet den Ländern zusammen mit Artikel 50 ein Mitwirkungs- und Informationsrecht in Angelegenheiten der Europäischen Union. Soll in der EU ein Rechtsgebiet geregelt werden, bei dem die Länder Mitspracherecht hätten, wenn die Regelung innerhalb der Vorschriften des Grundgesetzes beschlossen würde, so hat der Bundesrat in Korrespondenz mit dem Grad seines innerstaatlichen Mitspracherechts auch ein Mitspracherecht auf europäischer Ebene. Dies kann soweit gehen, dass der Bundesrat den deutschen Vertreter im Rat der Europäischen Union bestimmt; hierbei ist nur die Beteiligung und die Abstimmung mit der Bundesregierung vorgesehen und die Wahrung gesamtstaatlicher Interessen zu sichern.

Artikel 52 des Grundgesetzes ermöglicht es dem Bundesrat seit 1992, eine Europakammer einzurichten, deren Beschlüsse in EU-Angelegenheiten als Beschlüsse des Bundesrates gelten. Jedes Land entsendet ein Mitglied in die Europakammer, dieses Mitglied hat dann aber so viele Stimmen wie das Land Stimmen im Plenum hat. Da die Europakammer vom Bundesrat ausdrücklich in Beratungen eingeschaltet werden muss, hat sie bisher selten getagt. Da der Bundesrat ohnehin relativ häufig zusammentritt, gab es kaum Fälle, in denen die Entscheidung des Bundesrates so dringlich war, dass die Europakammer ins Spiel kam.

Mitwirkung bei Rechtsverordnungen und Allgemeinen Verwaltungsvorschriften

Wegen der Erfahrung der Länderregierungen mit der verwaltungstechnischen Umsetzung von Gesetzen sind auch Rechtsverordnungen, die die Bundesregierung oder einzelne Bundesminister erlassen, zustimmungspflichtig, wenn sie auf zustimmungspflichtigen Gesetzen beruhen oder Stefan Schmidt - 35 - Ö-Recht Lernhilfe telekommunikations- oder eisenbahnrechtliche Konsequenzen haben. Der Bundesrat kann der Bundesregierung oder den zuständigen Ministern Entwürfe für derartige Rechtsverordnungen zukommen lassen. Die Anrufung etwa des Vermittlungsausschusses ist nicht möglich. Ähnliches gilt für den Erlass Allgemeiner Verwaltungsvorschriften. In beiden Fällen ist der Bundesrat regelmäßig das einzige beschließende Organ; der Bundestag hat mit dem Erlass von Rechtsverordnungen nur in Ausnahmefällen zu tun.

Ländergesetzgebung

Der Bundesrat hat - als Bundesorgan - keinerlei Einfluss auf die Gesetzgebung der Länder. Haben die Länder in einem Rechtsgebiet die Gesetzgebungshoheit, so handeln sie dort vollständig autonom. Allerdings können sich die Länder - unterhalb der Ebene des Bundesrates - in Sachfragen abstimmen. Bekanntestes Beispiel hierfür ist die Kultusministerkonferenz (KMK), die etwa Ferientermine und gegenseitige Abituranerkennungen beschließt. Diese Konferenz ist kein Organ des Bundesrates, sondern eine Einrichtung der Länderminister untereinander.

Fragerecht

Die Vertreter jedes Landes können Fragen an die Bundesregierung stellen. Diese werden im Bundesrat auf die Tagesordnung gesetzt und dort diskutiert, wenn nicht das Land mit der schriftlichen Beantwortung der Frage durch die Bundesregierung einverstanden ist.

Wahl anderer Verfassungsorgane

Der Bundesrat als solcher wirkt bei der Wahl des Bundespräsidenten nicht mit. Allerdings sind die Mitglieder des Bundesrates bei der Vereidigung des neu gewählten Bundespräsidenten anwesend.

Der Bundesrat wählt mit Zweidrittelmehrheit die Hälfte der Richter des Bundesverfassungsgerichtes; die andere Hälfte wählt ein Wahlmännergremium des Bundestages. Wegen der Zweidrittelmehrheit wird häufig ein mit CDU/CSU- und SPD-Sympathisanten ausgewogen besetztes „Paket“ gewählt. Der Bundesrat als solcher hat keine Mitwirkungsrechte bei der Wahl der übrigen Bundesrichter, hierbei kommt ein Richterwahlausschuss zum Tragen, dem die für das jeweilige Gerichtsfachgebiet zuständigen Fachminister der Länder und Mitglieder des Bundestages angehören.

Verteidigungsfall

Hauptartikel: Verteidigungsfall

Die Feststellung des Verteidigungsfalls bedarf neben dem Beschluss des Bundestages mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen und mindestens absoluter Mehrheit seiner Mitglieder auch der Zustimmung des Bundesrates. Ist der Bundestag nicht handlungsfähig, so tritt an seine Stelle der Gemeinsame Ausschuss, dem für jedes Land ein Mitglied des Bundesrates sowie eine dem Doppelten der Zahl der Länder entsprechende Anzahl von Mitgliedern des Bundestages angehört. Der Gemeinsame Ausschuss nimmt in diesem Fall die Aufgaben und Befugnisse des Bundestages und des Bundesrates einheitlich wahr. Gesetze des Gemeinsamen Ausschuss werden durch Beschluss des Bundestages mit Zustimmung des Bundesrates aufgehoben; der Bundesrat kann verlangen, dass der Bundestag hierüber beschließt.

Der Bund erhält im Verteidigungsfall das Recht der konkurrierenden Gesetzgebung für alle Rechtsmaterien; entsprechende Gesetze sind zustimmungspflichtig. Das Gesetzgebungsverfahren kann Stefan Schmidt - 36 - Ö-Recht Lernhilfe abgekürzt werden; dabei kann eine gemeinsame (gleichzeitige) Beratung eines Gesetzentwurfes durch Bundestag und Bundesrat erfolgen.

Wahlperioden der Länderparlamente (und damit die Amtszeiten der Landesregierung) enden frühestens sechs Monate nach dem Ende des Verteidigungsfalls.

Die Aufhebung des Verteidigungsfalls bedarf auch der Zustimmung des Bundesrates. Dieser kann verlangen, dass der Bundestag hierüber beschließt.

Gesetzgebungsnotstand

Fällt die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers negativ aus, so kann der Bundespräsident auf Antrag des Bundeskanzlers und mit Zustimmung des Bundesrates den Gesetzgebungsnotstand ausrufen, wenn die Vertrauensfrage mit einem Gesetzentwurf verbunden war oder der Bundestag nach der Vertrauensfrage einen von der Bundesregierung als dringlich bezeichneten Gesetzentwurf ablehnt oder zu lange nicht behandelt.

Ist der Gesetzgebungsnotstand ausgerufen, so kommt ein Gesetz auch ohne Zustimmung des Bundestages zustande, sofern der Bundesrat jeweils zustimmt. Damit kann der Bundesrat in die Rolle des Ersatzgesetzgebers schlüpfen, wenn eine Regierung nicht mehr das Vertrauen der Mehrheit des Bundestages hat, dieser aber den Bundeskanzler nicht per konstruktivem Misstrauensvotum zu stürzen in der Lage ist.

Der Gesetzgebungsnotstand ist auf sechs Monate und die Amtszeit des zum Zeitpunkt der Ausrufung amtierenden Bundeskanzlers beschränkt. Durch ein nach den Regeln des Gesetzgebungsnotstandes zustande gekommenes Gesetz darf auch das Grundgesetz nicht angetastet werden. In der Geschichte der Bundesrepublik ist der Gesetzgebungsnotstand noch nie ausgerufen worden. Organisation des Bundesrates

Zusammensetzung

Jedes der 16 Bundesländer hat seit der Wiedervereinigung zwischen drei und sechs Stimmen im Bundesrat; zuvor waren es drei bis fünf. Die Stimmenanzahl orientiert sich an der Einwohnerzahl, ohne sie jedoch mathematisch genau widerzuspiegeln. Die kleineren Länder erhalten damit ein relativ größeres Stimmgewicht. Dies ist politisch als ein Ausdruck des föderalen Prinzips gewollt. Dabei erhält jedes Land, das mehr als zwei Millionen Einwohner hat, vier, jedes Land, das mehr als sechs Millionen Einwohner hat, fünf, und jedes Land, das mehr als sieben Millionen Einwohner hat, sechs Stimmen. Bei der Wiedervereinigung wurde den größten vier Ländern eine weitere Stimme zugestanden, damit die Balance zwischen den Stimmgewichten der kleinen und großen Bundesländer erhalten bleibt. Insbesondere sollten die vier großen Länder ihre Sperrminorität gegen Verfassungsänderungen behalten: Sie haben nun 24 von 69 Stimmen und können damit jede Grundgesetzänderung blockieren.

Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben zur Zeit je sechs Stimmen, Hessen hat fünf, Berlin, Brandenburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen haben je vier, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und das Saarland schließlich je drei Stimmen (siehe dazu auch Liste der deutschen Bundesländer, geordnet nach Einwohnerzahl). Insgesamt gibt es im Bundesrat damit 69 Stimmen.

Stefan Schmidt - 37 - Ö-Recht Lernhilfe Die Bundesratsmitglieder müssen nach Artikel 51 des Grundgesetzes Mitglieder der jeweiligen Landesregierung sein, in der Regel also Ministerpräsident oder Landesminister. Aber auch Staatssekretäre können Mitglieder des Bundesrates sein, sofern sie Kabinettsrang haben. Jedes Bundesland hat so viele Bundesratsmitglieder wie es Stimmen im Bundesrat hat. Die übrigen Mitglieder der Landesregierungen sind üblicherweise "stellvertretende Mitglieder des Bundesrates". Die Mitglieder werden von der jeweiligen Landesregierung bestellt und abberufen. Sie dürfen nicht Mitglieder des Bundestages sein.

Stimmabgabe

Die Stimmabgabe im Bundesrat muss einheitlich erfolgen, da nicht die persönlichen Mitglieder des Bundesrates, sondern die Länder abstimmen. Eine uneinheitliche Stimmabgabe macht die Stimmen ungültig. Die Stimmen werden in der Regel von einem Mitglied oder stellvertretenden Mitglied ("Stimmführer") abgegeben. Es genügt, wenn für ein Land der Stimmführer anwesend ist; es ist nicht notwendig, dass so viele Mitglieder anwesend sind wie das Land Stimmen hat. Die Mitglieder des Bundesrates sind somit keine "Abgeordnete", zumal sie nicht - wie die Abgeordneten des Bundestages - nur ihrem Gewissen verpflichtet sind, vielmehr müssen sie die Linie der Landesregierung vertreten, sie haben somit ein imperatives Mandat. Kann sich eine Landesregierung, die häufig von zwei Parteien gestellt wird, nicht auf ihr Stimmverhalten einigen, so enthält sie sich häufig. Das Verhalten wird meist im Koalitionsvertrag geregelt. Eine gegen den Kabinettsbeschluss abgegebene Stimme bleibt jedoch gültig, wenn kein anderes Mitglied der Landesregierung sofort widerspricht. Zum Zustandekommen eines Beschlusses müssen die Ja-Stimmen eine absolute Mehrheit der möglichen Stimmen ergeben, nicht nur eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen: Eine Enthaltung oder ungültige Stimme ist damit faktisch eine Nein-Stimme.

Meist wird per Handzeichen abgestimmt. Dabei beachtet das Präsidium die Stimmenanzahl, die der "Stimmführer" vertritt und kommt somit praktisch immer auf 69 abgegebene Stimmen.

Bei besonderen Abstimmungen, etwa Grundgesetzänderungen oder der Wahl des Präsidenten, wird per Länderaufruf abgestimmt. Dabei werden die Länder einzeln aufgerufen; ihre Stimmabgabe wird im Sitzungsprotokoll vermerkt. Eine geheime Stimmabgabe gibt es im Bundesrat nicht; sie wäre auch praktisch nicht ohne Probleme umsetzbar, da entweder die einheitliche Stimmabgabe oder die geheime Abstimmung nicht gesichert wäre, da es zum Beispiel nur ein Land mit fünf Stimmen – Hessen – gibt.

Präsidium

Das Präsidium besteht aus dem Bundesratspräsidenten und den drei Vizepräsidenten. Präsident und Vizepräsident werden gemäß der Königsteiner Vereinbarung von 1950 gewählt: Dabei erhält jedes Land in absteigender Reihenfolge seiner Einwohnerzahl für ein Jahr das Präsidentenamt, das stets vom Ministerpräsidenten ausgeübt wird. Nach einem entsprechenden Schlüssel werden auch die Vizepräsidentenposten vergeben. Präsident und Vizepräsidenten werden deshalb einstimmig gewählt und treten ihr Amt jeweils am 1. November eines Jahres an. Scheidet ein Ministerpräsident aus dem Amt, so gibt er auch sein Präsidiumsamt auf. Sein Nachfolger als Ministerpräsident folgt ihm auch ins Präsidium des Bundesrates nach.

Der Präsident vertritt den Bundesrat in allen Angelegenheiten, er ist oberster Dienstherr für die etwa 180 Bundesratsbediensteten und übt auch das Hausrecht aus. Das Präsidium ist für die Aufstellung des Haushaltes des Bundesrates verantwortlich.

Stefan Schmidt - 38 - Ö-Recht Lernhilfe Der Bundesratspräsident ist Stellvertreter des Bundespräsidenten. Während er als Bundespräsident amtiert, ist er an der Ausübung seines Amtes als Bundesratspräsident gehindert. Da die Vizepräsidenten formal nicht gleichrangig sind - es gibt einen 1., einen 2. und einen 3. Vizepräsidenten - kann der jeweils höchstrangige, nicht verhinderte Vizepräsident im Falle der Hinderung des eigentlichen Bundesratspräsidenten dessen Aufgaben wahrnehmen.

Bevollmächtigte der Länder beim Bund

Vergleichbar dem Ältestenrat im Bundestag gibt es im Bundesrat einen Ständigen Beirat. Dieser besteht aus je einem Bevollmächtigten pro Bundesland; diese Bevollmächtigten müssen nicht Mitglieder des Bundesrates sein. Der Ständige Beirat unterstützt das Präsidium in der Vorbereitung der Sitzungen und in seiner Verwaltungstätigkeit.

Die Bevollmächtigten ihrer Länder beim Bund sind in aller Regel auch die Leiter der Vertretungen der Länder in der Bundeshauptstadt. Diese Einrichtungen sollen den Informationsfluss zwischen den Bundesorganen und den einzelnen Landesregierungen beschleunigen.

Ausschüsse

Der Bundesrat bildet Ausschüsse, welche die Beschlüsse des Plenums vorbereiten und die Hauptarbeit leisten. Den Ausschüssen, die in der Regel zu bestimmten Fachbereichen gebildet werden, dürfen auch Beamte als Vertreter der Mitglieder der Landesregierungen angehören. Im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und im Verteidigungsausschuss sitzen jedoch meist die Ministerpräsidenten der Länder.

Obwohl die Ausschüsse unter starkem Zeitdruck arbeiten, werden in ihnen alle Gesetzentwürfe detailgenau besprochen. Hierzu dient auch die Entsendung kompetenter Fachbeamter. Der Bundesrat folgt in aller Regel den Beschlussempfehlungen der Ausschüsse, sodass sich feststellen lässt, dass in den Ausschüssen bereits wichtige politische Vorentscheidungen getroffen werden. Arbeit des Bundesrates

Die Arbeitsweise weicht stark von der Arbeitsweise des Bundestages ab. Während im Bundestag Beifall, Zwischenrufe, lauter Protest, Lachen oder scharfe Angriffe auf den politischen Gegner an der Tagesordnung sind, versteht sich der Bundesrat als "Oberhaus" und führt seine Plenardiskussionen in "feinerer" Atmosphäre durch.

Der Bundesrat tagt in der Regel alle drei Wochen und beachtet dabei die parlamentarische Sommerpause. Die Einberufung des Bundesrates erfolgt durch seinen Präsidenten. Dieser muss nach dem Grundgesetz den Bundesrat einberufen, wenn mindestens zwei Länder dies verlangen. Nach der Geschäftsordnung kann auch ein einzelnes Land oder die Bundesregierung die Einberufung des Bundesrates erzwingen.

Geschäftsordnung

Die Geschäftsordnung des Bundesrates (GOBR) bedarf wegen der Kontinuität des Bundesrates keiner Bestätigung in bestimmten zeitlichen Abständen. Es steht dem Bundesrat frei, sich eine neue Geschäftsordnung zu geben, bis zu diesem Zeitpunkt gilt jedoch die alte Geschäftsordnung weiter. Die letzte Änderung fand am 31. Mai 2002 statt.

Stefan Schmidt - 39 - Ö-Recht Lernhilfe Während die Geschäftsordnung des Bundestages relativ lang ist und viele Dinge genau regelt, ist die Geschäftsordnung des Bundesrats im Vergleich dazu außerordentlich kurz. Der Bundesrat hat darauf verzichtet, die Rededauer seiner Mitglieder, Vorschriften für Rügen oder Verhaltensmaßregeln festzulegen. Vielmehr wird darauf vertraut, dass eventuelle Unstimmigkeiten schnell und einvernehmlich ad hoc geregelt werden können.

Der Bundesrat und die Europakammer verhandeln grundsätzlich öffentlich, die Öffentlichkeit kann jedoch ausgeschlossen werden. Die Ausschüsse tagen dagegen in der Regel von vorneherein nicht- öffentlich.

Rederecht und Anwesenheit

Neben den Mitgliedern des Bundesrates haben nur die Mitglieder der Bundesregierung Anwesenheits- und jederzeitiges Rederecht im Bundesrat und seinen Ausschüssen. Andererseits können sie vom Bundesrat auch herbei zitiert werden. Die Bundesregierung muss den Bundesrat über ihre Aktivitäten ständig unterrichten. Staatssekretäre der Bundesregierung haben Anwesenheitsrecht.

Während die Mitglieder des Bundesrates im Bundestag Anwesenheits- und Rederecht haben, dürfen Mitglieder des Bundestages im Bundesrat dies grundsätzlich nicht. Berichterstatter des Vermittlungsausschusses dürfen an den Beratungen des Bundesrates teilnehmen.

Vergütung

Da die Mitglieder des Bundesrates ohnehin Mitglieder ihrer Landesregierung sind, erhalten sie für ihre Tätigkeit im Bundesrat keine Vergütung. Sie erhalten jedoch die Ausgaben für ihre Reisetätigkeit anlässlich der Bundesratssitzungen zurückerstattet und bekommen eine Bahncard 100 für Bahnfahrten in Ausübung ihrer Bundesratstätigkeit. Machtstellung

Hintergrund der starken Machtstellung des Bundesrates sind die Erfahrungen des Dritten Reiches, in dem mit Adolf Hitler ein Mann die gesamte Macht im Staat auf sich vereinen konnte. Der Bundesrat sollte bewusst einen starken Gegenpol zum Bundestag bilden.

Während sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag durch eine Bundestagswahl umgehend radikal verändern können, kann eine Veränderung der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nur wesentlich zäher vonstatten gehen. Dadurch wird ausgeschlossen, dass eine politische Mehrheitsbildung im Bundesrat durch eine kurzzeitige Stimmung in der Bevölkerung erreicht werden kann. Eine neue Partei müsste etwa zunächst einmal zahlreiche Landtagswahlen gewinnen, um über die Landesregierungen Einfluss im Bundesrat zu gewinnen. Dies wäre regelmäßig nicht innerhalb von vier Jahren möglich, und dann stünden erneut die Wahlen zum Bundestag an.

In neuerer Zeit tritt dieses Argument des Machtmissbrauchs durch den Bundestag immer mehr in den Hintergrund. Die Diskussion wird zunehmend dadurch bestimmt, dass der Bundesrat mitunter als politisches Blockadeinstrument missbraucht wird. Regierungskoalitionen haben es sehr schwer, echte Reformprojekte durchzusetzen, wenn die jeweilige Bundestagsopposition über eine Mehrheit im Bundesrat verfügt. Genau diese Konstellation kommt aber sehr häufig vor. Deshalb wird immer wieder Kritik an der mächtigen Stellung dieses Verfassungsorganes geäußert.

Stefan Schmidt - 40 - Ö-Recht Lernhilfe Aktuelle Stimmverteilung im Bundesrat

Die folgende Tabelle gibt die Stimmenverhältnisse im Bundesrat wieder.

Stimmen Koalition Baden- 6 CDU/FDP Württemberg Bayern 6 CSU Berlin 4 SPD/Linke Brandenburg 4 SPD/CDU Bremen 3 SPD/CDU Hamburg 3 CDU Hessen 5 CDU Mecklenburg- 3 SPD/Linke Vorpommern Niedersachsen 6 CDU/FDP Nordrhein- 6 CDU/FDP Westfalen Rheinland- 4 SPD/FDP Pfalz Saarland 3 CDU Sachsen 4 CDU/SPD Sachsen- 4 CDU/FDP Anhalt Aktuelle parteipolitische Zusammensetzung des Bundesrates (seit 22 Schleswig- 4 CDU/SPD Holstein Thüringen 4 CDU

Die Parteien, die die derzeitige Bundesregierung tragen (CDU/CSU und SPD), haben im Bundesrat 36 Stimmen, nämlich die Stimmen aus Unionsalleinregierungen (21) sowie die Stimmen von Großen Koalitionen in den Ländern (15). Damit hat die Große Koalition im Bundestag auch eine Mehrheit im Bundesrat.

Die anderen 33 Stimmen entfallen auf Koalitionen entweder der CDU oder der SPD mit der FDP oder mit der Linkspartei. Bündnis 90/Die Grünen sind zur Zeit gar nicht vertreten. Stimmen die kleinen Koalitionspartner einem Gesetzentwurf der Großen Koalition im Bund nicht zu, so ist eine Enthaltung der Landesregierungen wahrscheinlich.

Es gibt keine Landesregierung, in der keine der Parteien der Großen Koalition vertreten ist.

Der Bundesrat ist nicht als parteipolitisches Organ gedacht, vielmehr soll er den Interessen der Länder dienen, die im Einzelfall auch den entsprechenden Einschätzungen der jeweiligen Bundesparteien entgegenstehen können. Die Landesregierungen stimmen daher in einigen Fällen aufgrund ihrer landesspezifischen Vorbehalte nicht entlang der Parteilinien ab, sondern gegen die Bundespolitik ihrer Bundesparteien. Insbesondere bei Fragen großen politischen Gewichts kommt es jedoch häufig vor,

Stefan Schmidt - 41 - Ö-Recht Lernhilfe dass der Bundesrat als Blockadeinstrument der jeweiligen Bundestagsopposition - so sie denn über eine Mehrheit im Bundesrat verfügt - benutzt wird. Geschichte

Deutsches Reich und Weimarer Republik

Deutschland als traditionell föderaler Staat hatte seit der Reichsgründung 1871 eine Vertretung der Länder.

Im Deutschen Kaiserreich beziehungsweise seinen Vorläufern, dem Deutschen Bund und dem Norddeutschen Bund, gab es ebenfalls einen Bundesrat, der als Vertretung der Länder wirkte. Die Vertreter dieses Bundesrates wurden von den Fürsten bestimmt und bildeten damit ein Gegenwicht zum einigermaßen demokratisch gewählten Reichstag. Dieser Bundesrat hatte zumindest verfassungsrechtlich eine sehr starke Stellung: Alle Gesetze bedurften seiner Zustimmung, aber auch die Auflösung des Reichstages oder eine Kriegserklärung. Die Stimmverteilung hing mit der Fläche der einzelnen Länder zusammen.

In der Weimarer Republik hieß die Ländervertretung „Reichsrat“, er verfügte über weniger Einfluss als der heutige Bundesrat. Seine Zusammensetzung orientierte sich direkt an den Bevölkerungszahlen. Eine Besonderheit war dabei jedoch, dass Preußen – bei weitem das größte Land der Weimarer Republik – nur 40 Prozent der Mitglieder des Reichsrates stellen durfte, obwohl ihm von der Bevölkerungszahl her eigentlich sogar 60 Prozent zugestanden hätten. 1934 wurde der bedeutungslos gewordene Reichsrat von den Nationalsozialisten abgeschafft.

Entstehung des Grundgesetzes und Änderungen

Während der Entstehung des Grundgesetzes war die Frage, wie die neben dem Volkstag (Bundestag) entstehende zweite Kammer aussehen sollte, im Parlamentarischen Rat sehr umstritten. Schon beim Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee wurden zwei Alternativen benannt: Es gab das sich an den Reichsrat anlehnende Bundesratsmodell und das sich an die Paulskirchenverfassung von 1849 und den US-amerikanischen Senat in seiner Ausgestaltung vor 1913 (Wahl durch die Länderparlamente, danach jedoch freies Mandat ohne Blockzwang) anlehnende Modell. Die genaue Ausgestaltung der beiden Alternativen selbst war jedoch ebenso umstritten.

Das dem späteren Bundesrat bereits nahe stehende Modell, das die Union und die FDP zunächst favorisierten, sah eine Nichtbindung der Bundesratsmitglieder an die Weisungen ihrer Landesregierungen vor, wenngleich die Landesregierungen ihre Bundesratsmitglieder abberufen konnten und damit die Unabhängigkeit ohnehin höchst fragwürdig war. Die Sitzverteilung wiederum war zwischen SPD (Gleichheit der Länder) und Union/FDP (proportional zur Bevölkerung) umstritten. Die SPD stand jedoch dem Senatsmodell ohnehin deutlich näher und hatte dieses auch in einem Verfassungsentwurf vom Sommer 1948 präzisiert. Die FDP schlug daraufhin den Kompromiss vor, die Vertreter zur einen Hälfte von den Landtagen wählen, zur anderen Hälfte von den Landesregierungen berufen zu lassen. Ende Oktober 1948 wurde diese Frage, von der die gesamte Ausgestaltung der Gesetzgebung und der Finanzverfassung abhing, von einem Unterausschuss vertagt.

Am 27. Oktober 1948 kam es in einer interfraktionellen Besprechung zur Kehrtwende der SPD; sie stimmte nunmehr einem Bundesratsmodell zu. Diese Einigung war am Abend zuvor in einem Geheimgespräch zwischen Vertretern der Union und der SPD erzielt worden. Dennoch blieb etwa der

Stefan Schmidt - 42 - Ö-Recht Lernhilfe Präsident des Parlamentarischen Rates, der CDU-Politiker Konrad Adenauer, einem Senatsmodell zugeneigt. Noch Anfang November 1948 schlug er ein Dreikammernsystem aus Bundestag, einem Senat und einer Art Bundesrat vor. Schließlich beschloss die CDU/CSU-Fraktion Ende November 1948 mit knapper Mehrheit, nunmehr einen Bundesrat mit unterschiedlich vielen Stimmen pro Land anzustreben.

Anfang Januar 1949 wollte die CDU/CSU die vollständige Gleichberechtigung des Bundesrates mit dem Bundestag durchsetzen; diese scheiterte jedoch am Widerstand der SPD, wurde aber durch erweiterte Zustimmungspflichtigkeiten des Bundesrates bei der Gesetzgebung kompensiert.

Im April 1949 schließlich wurden die Kompetenzen des Bundesrates auf Druck von SPD und FDP noch einmal verringert. Die CSU erklärte daraufhin, dass sie unter anderem deswegen den Grundgesetzentwurf im Parlamentarischen Rat ablehnen würde. Dennoch wurde das Grundgesetz mit den noch heute in ihm enthaltenen Vorschriften über den Bundesrat am 8. Mai 1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossen und am 23. Mai 1949 verkündet, sodass es mit dem 24. Mai 1949 in Kraft trat.

Die Art der schlussendlichen Ausgestaltung des Bundesrates hat dazu geführt, dass der Bundesrat als "einzigartiges Organ in der Welt" (Theodor Eschenburg) bezeichnet wurde.

Die Vorschriften des Grundgesetzes über den Bundesrat sind seither nur zweimal geändert worden: Durch den Einigungsvertrag 1990 wurde die Sitzverteilung modifiziert, durch den Maastrichter Vertrag 1992 und die durch ihn bedingte Grundgesetzänderung wurde die Mitwirkung des Bundesrates in der Europäischen Union festgeschrieben. Die Einfügung der Notstandsverfassung 1969 sorgte dafür, dass der Bundesrat im Verteidigungsfall gemeinsam mit dem Bundestag möglicherweise vom Gemeinsamen Ausschuss entmachtet werden könnte. Da diese Entmachtung jedoch auf - notfalls vom Bundesverfassungsgericht nachprüfbaren - Tatsachen basieren müsste und außerdem Mitglieder des Bundesrates in diesem Ausschuss vertreten sind, scheint die tatsächliche Beeinträchtigung der Machtstellung des Gremiums unwahrscheinlich.

Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates

1949 wurde für den Bundesrat ein eigenständiges „Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates“ errichtet, das ab 1957 „Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates und der Länder“ hieß. 1969 wurde es von der neuen Regierung Brandt im Zuge einer Neustrukturierung der Ministerien zusammen mit dem Vertriebenen- und dem Schatzministerium aufgelöst.

Das Ministerium sollte für einen guten Informationsfluss zwischen den im Bundesrat vertretenen Ländern und der Bundesregierung sorgen. Es bestand aus drei Abteilungen:

ƒ der Zentralabteilung, die für das Personal, den Haushalt des Ministeriums, für die Pressearbeit und ähnliche organisatorische Aufgaben zuständig war, ƒ der Politischen Abteilung, die die Verbindung zum Bundestag, zum Bundesrat und zu den Ländervertretungen hielt, eine Neugliederung des Bundesgebietes vorbereitete und die Organisation von Hilfe in Notstandsgebieten übernahm, sowie ƒ der Rechtsabteilung, die insbesondere für die Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern und zwischen zustimmungspflichtigen und nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen verantwortlich war.

Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates

Stefan Schmidt - 43 - Ö-Recht Lernhilfe Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrates Nr. Name (Lebensdaten) Amtsantritt Ende der Amtszeit Partei Heinrich Hellwege 1 20. September 1949 7. Juni 1955 DP (1908-1991)

Hans-Joachim von Merkatz DP ab 1960 2 8. Juni 1955 14. Dezember 1962 CDU (1905-1982)

Alois Niederalt 3 14. Dezember 1962 1. Dezember 1966 CSU (1911-2004)

Carlo Schmid 4 1. Dezember 1966 21. Oktober 1969 SPD (1896-1979)

Staatssekretäre im Bundesministerium für Angelegenheiten des Bundesrates

Das Bundesratsministerium verfügte nur zeitweise über einen Staatssekretär. Staatssekretäre waren:

ƒ 1954-1958: Georg Ripken ƒ 1967-1969: Friedrich Schäfer

Veränderungen in der Struktur der Bundesländer

1949 waren im Bundesrat die elf Länder Baden, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg- Hohenzollern stimmberechtigt. Hinzu kamen die West-Berliner Vertreter, die - wie im Bundestag - wegen des politischen Status der Stadt nicht stimmberechtigt waren. Dennoch waren die Berliner Regierenden Bürgermeister Willy Brandt (1957/58), Klaus Schütz (1967/68), Dietrich Stobbe (1978/79) und Walter Momper (1989/90) jeweils Präsidenten des Bundesrates.

Durch die Zusammenfassung der Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zum Land Baden-Württemberg im Jahr 1952 verringerte sich die Gesamtzahl der stimmberechtigten Länder auf neun, bis schließlich am 1. Januar 1957 das Saarland als zehntes stimmberechtigtes Bundesland beitrat.

Nach der Wiedervereinigung 1990 stellten die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erstmals Mitglieder des Bundesrates, die Berliner Mitglieder durften nun mitstimmen. Insgesamt gibt es damit 16 stimmberechtigte Länder mit zusammen 69 Stimmen.

Durch eine Vereinigung von Berlin und Brandenburg, wie sie Artikel 118a des Grundgesetzes vereinfacht ermöglicht, würde die Zahl der Bundesländer auf 15 und die Zahl der Stimmen auf 65 bis 66 verringert, da das neue Land mit insgesamt zur Zeit knapp 5,95 Millionen Einwohnern je nach Bevölkerungsentwicklung entweder vier oder fünf Stimmen erhielte.

Stefan Schmidt - 44 - Ö-Recht Lernhilfe Die unionsgeführten Bundesregierungen von 1949 bis 1966

Zu Beginn der Existenz des Bundesrates erschien die parteipolitische Festlegung der Landesregierungen noch nicht so Ausschlag gebend für das Abstimmungsverhalten im Bundesrat, zumal noch einige Splitterparteien wie die Deutsche Partei, der Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten und die Gesamtdeutsche Partei in Regierungen saßen; außerdem gab es viele Große Koalitionen. Den Regierungen Adenauer und Erhard stand praktisch nie ein feindlich gesinnter Bundesrat entgegen.

Wichtige Abstimmungen dieser Zeit waren der 1953 knapp mit 23:15 Stimmen gebilligte Deutschlandvertrag und der im gleichen Jahr angenommene Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), welcher schließlich jedoch in der französischen Nationalversammlung scheiterte.

Mehrheitsverhältnisse in der ersten schwarz-gelben Koalition unter Adenauer (1949 bis 1956)

Während der Zeit der schwarz-gelben Koalition mit weiteren Parteien wie der Deutschen Partei und ab 1953 dem GB/BHE war Hamburg (3) von 1949 bis 1953, Hessen (4) von 1950 bis 1954 und Schleswig-Holstein (4) von 1949 bis 1950 SPD-alleinregiert. Bremen (3) wurde von 1949 bis 1951, Württemberg-Baden (5) von 1950 bis 1952 von einer Koalition aus SPD und FDP (in Bremen BDV/FDP) regiert. Hessen (4) wurde bis 1950 von einer rot-schwarzen Großen Koalition, Rheinland- Pfalz (4) bis 1951 von einer schwarz-roten Großen Koalition, ab 1951 von einer schwarz-gelben Koalition regiert. Bayern (5) wurde bis 1950 von der CSU allein, Baden (3) bis 1952 von der CDU allein regiert. In Nordrhein-Westfalen (5) gab es von 1950-1954 eine Koalition aus CDU und Zentrum. In Berlin gab es bis 1953 eine um die FDP verstärkte rot-schwarze Koalition, danach folgte bis 1954 eine schwarz-gelbe Regierung, die wiederum von einer rot-schwarzen Großen Koalition abgelöst wurde. Die übrigen Landesregierungen ergeben sich aus der folgenden Tabelle.

Übersicht für die Zeit von 1949 bis 1956 linke Bundesregierung Oppositi neutral (CDU/CSU, FDP, DP, ab on 1953 GB/BHE) rot- schwa Zeitra rot- schwa rot rot schwa rz- schwa um gelb rot- rz-rot schwa ro und - rz schwa gelb schwa rz und und schwa und rz- t Sonsti gel und rz-rot und rz Zentr Sonsti rz Sonsti gelb ge b Sonsti Sonsti um ge ge ge ge 1949- 7 0 3 0 5c 4 4 13a, b, d 0 0 8 0 1950 1950- 7 0 8 0 5c 0 4 8b, e 0 4f 3 5 1951 1951- 7 5h 5 0 3g 0 0 8b, e 4 4f 3 5 1952 1952- 7 5h 0 5i 3g 0 0 5e 4 4f 0 5 1953 1953- 4 5h 0 0 3g 0 0 10e, j 4 7f, k 0 5

Stefan Schmidt - 45 - Ö-Recht Lernhilfe 1954 1954- 0 9h, m 0 5l 3g 0 0 5j 4 12k, n, o 0 0 1955 1955- 17k, n, o, 0 4m 0 5l 3g 0 0 5j 4 0 0 1956 p aCDU, SPD, FDP/DVP, KPD in Württemberg-Baden (bis 1950) bCDU, SPD, FDP in Württemberg- Hohenzollern (bis 1952) cSPD, CDU, Z in Niedersachsen (bis 1951) dCDU, SPD, Z, KPD in Nordrhein-Westfalen (bis 1950) eCSU, SPD, BHE, DG in Bayern (1950-1954) fCDU, GB/BHE, FDP, DP in Schleswig-Holstein (1950-1954) gSPD, CDU, FDP in Bremen (ab 1951) hSPD, BHE, Z in Niedersachsen (1951-1955) iFDP, SPD, BHE in Baden-Württemberg (1952-1953) jCDU, SPD, FDP, BHE in Baden-Württemberg (ab 1953) k"Hamburg-Block" (Wahlbündnis aus CDU, FDP, DP) in Hamburg (ab 1953) lSPD, BP, BHE, FDP in Bayern (ab 1954) mSPD, BHE in Hessen (ab 1954) nCDU, FDP, Z in Nordrhein-Westfalen (ab 1954) oCDU, FDP, GB/BHE in Schleswig-Holstein (ab 1954) pDP, CDU, FDP, GB/BHE in Niedersachsen (ab 1955)

Mehrheitsverhältnisse während der CDU-Alleinregierung unter Adenauer (1956 bis 1961)

In der Zeit der schwarzen Alleinregierung (mit Unterstützung der DP, dem GB/BHE und von 1956- 1957 der FDP-Abspaltung FVP) wurden Bremen (3) von 1959 an (vorher CDU, SPD und FDP) und Hamburg (3) von 1957 an von einer rot-gelben Koalition regiert, während das Saarland (3) von 1959 bis 1960 unter einer schwarz-roten Großen Koalition stand. Rheinland-Pfalz (4), Schleswig-Holstein (4) ab 1958 und das Saarland (3) ab 1960 wurden schwarz-gelb regiert, während eine CDU- Alleinregierung von 1958 an in Nordrhein-Westfalen (5) an der Macht war. In Hessen regierte eine SPD-GB/BHE-Koalition. Im nicht stimmberechtigten Berlin war eine rot-schwarze Große Koalition in der Regierungsverantwortung. Die übrigen Landesregierungen ergeben sich aus der folgenden Tabelle.

Übersicht für die Zeit von 1956 bis 1961 Bundesregieru ng linke Opposition neutral (CDU/CSU, GB/BHE, Zeitrau FVP, DP) m rot- schwar schwar rot rot und gelb rot- z-rot z-gelb - schwar schwar GB/BH und schwar und und schwarz gel z-rot z-gelb E Sonsti z-gelb Sonstig Sonstig b ge e e 1956- 4 0 102, 5 3 0 51 4 123, 4, 6 0 1957 1957- 4 3 55 3 0 81, 9 4 14 6, 7, 8 0 1958 1958- 4 3 0 3 0 81, 9 8 10 7, 8 5 1959 1959- 4 6 510 0 3 51 8 57 5 1960 1960- 4 6 510 0 0 0 11 107, 11 5

Stefan Schmidt - 46 - Ö-Recht Lernhilfe 1961

1CDU, SPD, FDP, BHE in Baden-Württemberg (1953-1960) 2SPD, BP, BHE, FDP in Bayern (1954- 1957) 3"Hamburg-Block" (Wahlbündnis aus CDU, FDP, DP) in Hamburg (1953-1957) 4DP, CDU, FDP, GB/BHE in Niedersachsen (1955-1957) 5SPD, FDP, Z in Nordrhein-Westfalen (1956-1958) 6CDU, FDP, GB/BHE in Schleswig-Holstein (1954-1958) 7CSU, BHE/GB, FDP in Bayern (ab 1957) 8DP, CDU, FDP in Niedersachsen (1957-1959) 9CDU, FDP, SPD im Saarland (1957-1959) 10SPD, FDP, GB/BHE in Niedersachsen (ab 1959) 11CDU, FDP, BHE in Baden-Württemberg (ab 1960)

Mehrheitsverhältnisse während der CDU-FDP-Koalition unter Adenauer und Erhard (1961 bis 1966)

Während der Zeit der schwarz-gelben Koalition unter Konrad Adenauer und Ludwig Erhard wurde Baden-Württemberg (5) bis 1964 schwarz-gelb mit GB/BHE-Unterstützung, danach ohne diese Partei regiert. Die in Bayern (5) regierende schwarz-gelb-BHE/GP-Koalition wurde 1962 von einer Koalition aus CSU und Bayernpartei abgelöst. In Bremen (3) und Hamburg (3) regierten fast durchgängig rot- gelbe Koalitionen, in Hamburg wurde diese wenige Monate vor dem Beginn der Großen Koalition im Bund durch eine SPD-Alleinregierung ersetzt. In Hessen (4) regierte durchgängig eine Koalition aus SPD und BHE. In Niedersachsen (5) wurde die rot-gelbe Koalition mit GB/BHE-Unterstützung 1963 durch eine rein rot-gelbe und 1965 durch eine rot-schwarze Große Koalition ersetzt. In Nordrhein- Westfalen (5) regierte bis 1962 die CDU allein, danach folgte eine schwarz-gelbe Koalition, die 1966 durch eine rot-gelbe Regierung ersetzt wurde. In Rheinland-Pfalz (4) und im Saarland (3) regierte durchgängig schwarz-gelb, während die schwarz-gelbe Regierung in Schleswig-Holstein (4) 1962- 1963 kurz durch eine CDU-Alleinregierung unterbrochen wurde. In Berlin folgte auf die rot-schwarze Koalition 1963 eine rot-gelbe Regierung.

Übersicht für die Zeit von 1961 bis 1966 linke neutral Bundesregierung (CDU/CSU, FDP) Opposition rot- Zeitrau schwarz-gelb rot und rot- gelb rot- schwarz und m ro schwarz und schwar GB/BH gel und schwar Bayernparte t -gelb (GB/)BHE/G z E b BH z i P E 11/61- 0 4 6 5 0 11 10 5 0 8/62 8/62- 0 4 6 5 0 16 10 0 0 12/62 12/62- 0 4 6 5 0 12 5 4 5 1/63 1/63-6/63 0 4 6 5 0 16 5 0 5 6/63-5/64 0 4 11 0 0 16 5 0 5 5/64-5/65 0 4 11 0 0 21 0 0 5 5/65-4/66 0 4 7 0 4 21 0 0 5 4/66-8/66 3 4 4 0 4 21 0 0 5 8/66- 3 4 9 0 4 16 0 0 5 12/66

Stefan Schmidt - 47 - Ö-Recht Lernhilfe Die Große Koalition im Bund (1966-1969)

In der Zeit der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD im Bundestag war auch vom Bundesrat wenig Widerstand gegen Gesetzgebungsvorhaben zu erwarten, da auch hier viele Alleinregierungen eines Koalitionspartners oder aber Große Koalitionen in den Ländern ihre Stimme im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Politik der Bundesregierung abgaben. Auch diese Kongruenz zwischen Bundestag und Bundesrat dürfte neben der Schwäche der einzig verbliebenen Oppositionspartei FDP zum Entstehen der Außerparlamentarischen Opposition (APO) beigetragen haben.

Dementsprechend trug der Bundesrat die großen Grundgesetzänderungen, namentlich die Notstandsgesetze und die Reform der Finanzverfassung, mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit mit.

Während Baden-Württemberg (5) in der gleichen Koalition wie der Bund regiert wurde, gab es in Niedersachsen (5) die umgedrehte Situation, eine rot-schwarze Große Koalition. Hamburg (3) und Hessen (4) wurden von der SPD, Bayern (5) von der CSU allein regiert. Hinzu kamen rot-gelbe Koalitionen in Bremen (3) und Nordrhein-Westfalen (5) und schwarz-gelbe Regierungen in Rheinland-Pfalz (4), im Saarland (3) und in Schleswig-Holstein (4).

Übersicht für die Zeit von 1966 bis 1969 Bundesregierung schwarz- Zeitraum rot-gelb rot- rot schwarz-rot schwarz gelb schwarz 12/66-10/69 8 7 5 5 5 11

Die sozialliberale Koalition (1969-1982)

Durch die gesamte Zeit der sozialliberalen Koalition waren Bremen (3), Hamburg (3), Hessen (4) und Nordrhein-Westfalen (5) mit rot(-gelben) Regierungen und insgesamt 15 Stimmen auf der Seite der Bundesregierung. Rheinland-Pfalz (4) und Schleswig-Holstein (4) wurden bis 1971 von einer schwarz-gelben Koalition regiert, danach gab es dort jeweils eine CDU-Alleinregierung. Niedersachsen (5) wurde bis 1976 von einer Großen (1969/70) bzw. rot-gelben Koalition (1970-1976) regiert, danach von einer CDU-Minderheitsregierung. Ähnlich ging es in Baden-Württemberg, welches bis 1972 von einer Großen Koalition, danach von einer CDU-Alleinregierung geführt wurde. Das Saarland (3) schließlich war bis 1970 und von 1975-1982 schwarz-gelb regiert, dazwischen gab es eine CDU-Alleinregierung. Einzig Bayern war die gesamte Zeit hindurch CSU-alleinregiert. Berlin als nicht stimmberechtigtes Land war bis 1981 rot oder rot-gelb regiert, bis schließlich der CDU-Politiker Richard von Weizsäcker Regierender Bürgermeister wurde.

Die Stimmenkonstellation zwischen 1969 und 1982 ergibt sich daraus bei insgesamt 41 Stimmen und einer absoluten Mehrheit von 21 wie folgt:

Übersicht für die Zeit von 1969 bis 1982 Bundesregierung neutral Zeitraum rot- schwarz- schwarz- CDU/CSU rot rot-gelb schwarz rot gelb 10/69-4/70 7 8 5 5 11 5 4/70-7/70 4 11 5 5 11 5 7/70-12/70 9 11 0 5 8 8

Stefan Schmidt - 48 - Ö-Recht Lernhilfe 12/70-4/71 5 15 0 5 8 8 4/71-5/71 5 15 0 5 4 12 5/71-11/71 5 15 0 5 0 16 11/71-5/72 8 12 0 5 0 16 5/72-7/74 8 12 0 0 0 21 7/74-2/76 3 17 0 0 0 21 2/76-1977 3 12 0 0 0 26 1977-7/78 3 12 0 0 8 18 7/78-6/80 6 9 0 0 3 23 6/80-10/82 11 4 0 0 3 23

Die Ostverträge der Regierung Brandt wurden 1972 nach langer Diskussion und einem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Brandt im Bundestag beschlossen, nachdem die CDU/CSU-Fraktion eine Erklärung durchgesetzt hatte, in der festgehalten wurde, dass eine endgültige Regelung über die Oder- Neiße-Grenze erst durch einen Friedensvertrag getroffen werden dürfe. Entsprechend passierten die Verträge schließlich auch den Bundesrat, allerdings gegen den erbitterten Widerstand etwa Bayerns, dessen Regierung das Bundesverfassungsgericht anrief. Dieses entschied aber 1973, dass die Ostverträge dem Wiedervereinigungsgebot der Präambel des Grundgesetzes (in der damaligen Fassung) nicht widersprächen, die Ostverträge also verfassungsgemäß seien.

Eine weitere wichtige Rolle spielte der Bundesrat während des so genannten Deutschen Herbstes im Jahr 1977. In einem Eilverfahren wurde ein Gesetz durch Bundestag und Bundesrat geschleust, das den Anwälten von einsitzenden RAF-Terroristen den Kontakt mit ihren Mandanten verbot. Gegen den Einspruch des Bundesrates, dem diese Gesetzgebung nicht weit genug ging, beschloss der Bundestag 1978 ein Anti-Terror-Gesetz.

Die Regierung Kohl vor der Wiedervereinigung (1982-1990)

Während des ersten Teils der Regierung Kohl waren Baden-Württemberg (5), Bayern (5), Niedersachsen (5) und Rheinland-Pfalz (4) stets auf der Seite der Bundesregierung, während Bremen (3) und Nordrhein-Westfalen (5) stets dagegen standen. Hamburg (3) bekam 1986 nach einer SPD- Alleinregierung eine rot-gelbe Regierung. In Hessen (4) löste 1987 eine schwarz-gelbe Regierung die alte rot(-grüne) Regierung ab. Das Saarland (3) wechselte 1985 seine schwarz-gelbe Regierung gegen eine SPD-Regierung aus, Schleswig-Holstein (4) seine CDU- gegen eine SPD-Alleinregierung. In Berlin wechselte 1989 die Regierung von schwarz-gelb zu rot-grün.

Bei wiederum insgesamt 41 Stimmen im Bundesrat sah die Stimmverteilung wie folgt aus:

Übersicht für die Zeit von 1982 bis 1990 linke Opposition neutral Bundesregierung Zeitraum schwarz- rot rot-grün rot-gelb schwarz gelb 10/82-4/85 15 0 0 3 23 4/85-12/85 18 0 0 0 23 12/85-7/86 14 4 0 0 23 7/86-4/87 14 4 0 5 18

Stefan Schmidt - 49 - Ö-Recht Lernhilfe 4/87-6/87 14 0 0 9 18 6/87-5/88 11 0 3 13 14 5/88-6/90 15 0 3 13 10 6/90-10/90 15 5 3 8 10

Die schwarz-gelbe Regierung hatte damit fast durchgängig eine Mehrheit im Bundesrat, dementsprechend war die Umsetzung der Regierungspolitik auch im Bundesrat im Wesentlichen gesichert. Wichtiger Punkt der Gesetzgebung war die schnelle Herbeiführung der Deutschen Einheit, der der Bundesrat zustimmen musste.

Die Regierung Kohl nach der Wiedervereinigung (1990-1998)

Nach der Einheit bestand der Bundesrat aus 68 (ab 1996: 69) Stimmen. Bayern (6) und Sachsen (4) blieben durchgehend schwarz, Niedersachsen (6), Nordrhein-Westfalen (6), das Saarland (3) und Schleswig-Holstein (4) durchgehend rot(-grün). Baden-Württemberg (6) war bis auf die Zeit der Großen Koalition 1992-1996 schwarz(-gelb). Die rot-grüne Regierung in Berlin (4) wurde 1991 durch eine Große Koalition abgelöst, ebenso die schwarz-gelbe Koalition 1994 in Mecklenburg- Vorpommern (3). In Brandenburg (4) gab es bis 1994 eine Ampelkoalition, danach regierte die SPD allein. Bremen (3) wurde bis 1991 von der SPD regiert, danach folgte eine Ampel (1991-1995) und die Große Koalition (seither). In Hamburg (3) regierte bis 1991 rot-gelb, danach die SPD mit wechselnden Koalitionspartnern. Hessen (4, ab 1996: 5) wurde ab 1991 wieder von rot-grün regiert. Die schwarz- gelbe Regierung in Rheinland-Pfalz (4) wurde 1991 durch rot-gelb abgelöst, die in Sachsen-Anhalt (4) 1994 durch rot-grün mit Tolerierung durch die PDS. In Thüringen schließlich regierte bis 1994 schwarz-gelb, danach eine Große Koalition.

Die Stimmverteilung bei 68 bzw. 69 Mitgliedern und einer absoluten Mehrheit von 35 Stimmen sah wie folgt aus:

Übersicht für die Zeit von 1990 bis 1998 linke neutral Bundesregierung Opposition Zeitraum rot- rot-schwarz rot- rot- schwarz- schwarz- rot gelb- (+ schwarz grün gelb rot gelb grün SPD/STATT) 11/90-1/91 16 10 4 3 0 0 19 16 1/91-4/91 16 6 4 3 0 4 19 16 4/91-5/91 16 10 4 3 0 4 15 16 5/91-6/91 16 10 4 7 0 4 11 16 6/91-5/92 16 10 7 4 0 4 11 16 5/92-10/93 16 10 7 4 0 10 11 10 10/93-4/94 13 10 7 4 3 10 11 10 4/94-7/94 19 4 7 4 3 10 11 10 7/94-10/94 19 8 7 4 3 10 7 10 10/94-6/95 23 8 3 4 3 17 0 10 6/95-12/95 17 14 0 4 6 17 0 10 1/96-4/96 17 15 0 4 6 17 0 10

Stefan Schmidt - 50 - Ö-Recht Lernhilfe 4/96-7/96 13 19 0 4 6 11 6 10 7/96-10/97 13 19 0 4 6 11 6 10 10/97-5/98 13 22 0 4 3 11 6 10 5/98-10/98 17 18 0 4 3 11 6 10

Die schwarz-gelbe absolute Mehrheit galt nur vom 28. Oktober 1990 bis zum 5. April 1991.

Nach der knappen Entscheidung des Bundestages im Juni 1991, nach Berlin umzuziehen, entschied sich der Bundesrat am 5. Juli 1991 mit 38:30 Stimmen zunächst dafür, in Bonn zu verbleiben. Dieser Beschluss sollte jedoch einer Überprüfung unterliegen. Fünf Jahre später, am 27. September 1996, schließlich entschied sich der Bundesrat dann doch, mit nach Berlin umzuziehen, um seinen Sitz auch in räumlicher Nähe zur Bundesregierung und zum Bundestag zu nehmen.

In der Zeit der rot-grünen Dominanz organisierte Oskar Lafontaine mit der Mehrheit der rot beziehungsweise rot-grün regierten Länder eine Blockade gegen die Bundesregierung, die 1997 zum Beispiel eine Steuerreform der Regierung Kohl scheitern ließ.

Die Regierung Schröder 1998 bis 2005

Während der Zeit des Bestehens der Regierung Schröder waren Baden-Württemberg (6) und Bayern (6) stets im schwarz-gelben Lager geblieben, während Mecklenburg-Vorpommern (3, ebenfalls seit 1998) stets das rot-(rot-)grüne Lager vertreten hat. In Bremen (3) ist stets eine Große Koalition, in Rheinland-Pfalz (4) stets eine rot-gelbe Regierung an der Macht gewesen. Die Große Koalition in Berlin (4) wurde 2001 durch eine rot-grüne und später rot-rote Koalition abgelöst, die in Thüringen (4) durch eine CDU-Alleinregierung. Die rot(-grünen) Regierungen in Hamburg (3, 2001), Hessen (5, 1999), Niedersachsen (6, 2003), Nordrhein-Westfalen (6, 2005), im Saarland (3, 1999) und in Sachsen-Anhalt (4, 2002) wurden durch schwarze oder schwarz-gelbe Regierungen abgelöst, die rot- grüne Regierung in Schleswig-Holstein (4, 2005) durch eine schwarz-rote Große Koalition und die CDU-Alleinregierung in Sachsen (4) 2004 durch eine Große Koalition, ebenso wie die SPD- Alleinregierung in Brandenburg (4) 1999.

Es ergab sich damit folgende Stimmverteilung bei 69 Mitgliedern und einer absoluten Mehrheit, die bei 35 Stimmen liegt:

Übersicht für die Zeit von 1998 bis 2005 Bundesregierung neutral rechte Opposition rot- schwarz- Zeitraum rot- rot- schwarz- rot rot rot-grün gelb (+ schwarz gelb schwarz rot Schill) 10/98-11/98 0 17 18 4 3 11 6 10 11/98-4/99 3 17 18 4 3 8 6 10 4/99-9/99 3 17 13 4 3 8 11 10 9/99-6/01 3 10 13 4 7 4 11 17 6/01-10/01 3 10 17 4 7 0 11 17 10/01-5/02 7 10 10 4 7 0 14 17 5/02-3/03 7 6 10 4 7 0 18 17 3/03-3/04 7 0 10 4 7 0 19 22

Stefan Schmidt - 51 - Ö-Recht Lernhilfe 3/04-10/04 7 0 10 4 7 0 16 25 10/04-04/05 7 0 10 4 7 4 16 21 04/05-06/05 7 0 6 4 7 8 16 21 06/05-11/05 7 0 0 4 7 8 22 21

Die rot-grüne Mehrheit hatte nur bis zum 7. April 1999 Bestand, die schwarz-gelbe Mehrheit gibt es seit dem 16. Mai 2002.

Der seit 1999 unionsdominierte Bundesrat wandte sich ebenfalls mehrfach gegen die seit 1998 regierende rot-grüne Koalition unter Bundeskanzler Schröder. Dies führte etwa zur Aufteilung des Gesetzes über Lebenspartnerschaften Homosexueller in einen nicht zustimmungspflichtigen und einen im Bundesrat scheiternden zustimmungspflichtigen Teil. Die Bundesregierung Schröder versuchte mehrfach erfolgreich, durch Kompromisse oder durch das mehr oder weniger verschleierte "Herauskaufen" einzelner, bevorzugt in Großer Koalition regierter Landesregierungen aus der Unions- Blockademehrheit zumindest einen Teil ihrer politischen Agenda durchzusetzen. Seit der Übernahme der absoluten Mehrheit der CDU/CSU/FDP-regierten Länder 2002 war jedoch die Kompromisssuche die einzig mögliche Lösung für die Bundesregierung; zu den Ergebnissen dieser Suche gehörte auch die schlussendliche Einigung über das Zuwanderungsgesetz, nachdem dieses zunächst gescheitert war:

Der Eklat um das Zuwanderungsgesetz 2002

Bei der Bundesratsabstimmung über das Zuwanderungsgesetz am 22. März 2002 kam es im Bundesrat zum Eklat, als der Bundesratspräsident das Abstimmungsverhalten er Vertreter des Bundeslandes Brandenburg - anders als später das Bundesverfassungsgericht - als einheitlich wertete und daher die Stimmen Brandenburgs als Ja-Stimmen zählte. Mit Urteil vom 18. Dezember 2002 erklärte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz für nichtig.

Ausgangspunkt war das von der rot-grünen Bundesregierung ohne Einigung mit der Opposition in den Bundestag eingebrachte Zuwanderungsgesetz. Die Union lehnte das Gesetz ab und kündigte an, im Bundesrat gegen das Gesetz zu stimmen. Da es keine Mehrheit ohne die Union im Bundesrat gab, musste mindestens ein Bundesland mit Regierungsbeteiligung der CDU dem Gesetz zustimmen. Offen war das Abstimmungsverhalten Brandenburgs, das von einer großen Koalition regiert wurde.

Zur Abstimmung wurden die Bundesländer aufgerufen. Beim Aufruf von Brandenburg antworteten Alwin Ziel (SPD) mit Ja und Jörg Schönbohm (CDU) mit Nein. Daraufhin stellte der Bundesratspräsident Klaus Wowereit eine uneinheitliche Stimmabgabe fest und fragte den Ministerpräsident Brandenburgs Manfred Stolpe als, wie sein Bundesland abstimme. Dieser erklärte als Ministerpräsident Brandenburg stimme mit Ja, woraufhin Schönbohm erklärte: Herr Präsident, sie kennen meine Auffassung.. Daraufhin stellte der Bundesratspräsident fest, dass das Land Brandenburg mit Ja abgestimmt habe.

Die Abstimmung wurde von im Bundesrat höchst unüblichen lautstarken Protesten und Zurufen seitens der CDU-Politiker Peter Müller und Roland Koch begleitet, die dem Bundesratspräsidenten Verfassungsbruch vorwarfen. Dies führte dazu, dass dem Ministerpräsidenten Brandenburgs erneut das Wort erteilt wurde und dieser wiederum als Ministerpräsident des Landes Brandenburg seine Zustimmung zu dem Gesetz erklärte. Bei dieser zweiten Nachfrage äußerte sich Schönbohm nicht mehr.

Stefan Schmidt - 52 - Ö-Recht Lernhilfe Es gilt als wahrscheinlich, dass diese Abläufe größtenteils geplant waren, da der Bundesratspräsident schon vor der Sitzung durch die Verwaltung ein Gutachten zum Thema „uneinheitliche Stimmabgabe“ hatte erstellen lassen. Auch die Proteste und Zurufe waren abgesprochen. Es handelte sich um eine inszenierte Reaktion („Theater“) der CDU-Vertreter im Bundesrat, wie der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) später öffentlich zugab.

1949 hatte es in einer der ersten Sitzungen des Bundesrates einen Fall gegeben, auf den sich der Bundesratspräsident bei seiner Entscheidung stützte. Hierbei hatten zwei Minister aus Nordrhein- Westfalen offenbar irrtümlich verschiedene Voten abgegeben. Daraufhin erklärte der damalige Bundesratspräsident und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, unter allgemeinem Gelächter, dass er als Ministerpräsident nun die endgültige Stimme seines Landes abgebe. Die Gleichsetzung dieses Falls mit der Entscheidung am 22. März 2002 wurde vom Bundesverfassungsgericht mit 6:2 Stimmen abgelehnt. siehe weitere Details in Hauptartikel Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Zuwanderungsgesetz 2002

Föderalismuskommission 2003/04

Die 2003 von Bundestag und Bundesrat eingesetzte Föderalismuskommission sollte den Föderalismus in Deutschland reformieren und eine Neuorganisation der Zuständigkeiten von Bund und Ländern, insbesondere eine Senkung des Anteils zustimmungspflichtiger Gesetze herbeiführen. Ebenso sollte eine Neuordnung der Finanzverfassung besprochen werden. Die nach der konstituierenden Sitzung am 7. November 2003 regelmäßig stattfindenden Sitzungen schienen zunächst Erfolg versprechend. Als jedoch der Termin der Vorstellung der Ergebnisse, der 17. Dezember 2004 nahte, waren deutlich mehr pessimistische Stimmen zu hören. Da zur Änderung des Grundgesetzes eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, musste ein breiter Konsens nicht nur zwischen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung, sondern auch zwischen Regierung und Opposition entstehen. Zu Beginn des Jahres 2005 wurde die Kommission als vorläufig gescheitert angesehen. Der Grund dafür war, dass bezüglich der Bildungspolitik, insbesondere der Hochschulpolitik, keine Einigung erzielt werden konnte. Auf Drängen des Bundespräsidenten, Horst Köhler, erklärten sich die politischen Parteien jedoch zu einer Weiterarbeit im Jahr 2005 bereit.

Die zweite Große Koalition (seit 2005)

Zum Zeitpunkt des Amtsantritts der zweiten Großen Koalition im Bund waren in Bayern (CSU, 6), Hamburg (CDU, 3), Hessen (CDU, 5), im Saarland (CDU, 3) und in Thüringen (CDU, 4) schwarze Alleinregierungen an der Macht. Hinzu kamen CDU-FDP-Koalitionsregierungen in Baden- Württemberg (6), Niedersachsen (6), Nordrhein-Westfalen (6) und Sachsen-Anhalt (4) sowie CDU- geführte Große Koalitionen in Sachsen (4) und Schleswig-Holstein (4).

Die SPD stellte den Regierungschef in den SPD-geführten Großen Koalitionen in Brandenburg (4) und Bremen (3), in der SPD-FDP-Koalition in Rheinland-Pfalz (4) und in den SPD-Linkspartei- Koalitionen in Berlin (4) und Mecklenburg-Vorpommern (3).

Damit ergibt sich folgende Stimmverteilung:

Übersicht im Falle einer Großen Koalition Zeitraum rot-rot rot-gelb Bundesregierung schwarz-gelb

Stefan Schmidt - 53 - Ö-Recht Lernhilfe rot- schwarz- schwarz schwarz rot seit 11/05 7 4 7 8 21 22

Die Große Koalition will den mit den Länderministerpräsidenten vereinbarten Kompromiss zur Föderalismusreform zügig nach ihrem Amtsantritt in das Gesetzgebungsverfahren einbringen. Siehe auch

ƒ Sitzverteilung in den deutschen Landesparlamenten ƒ Liste der Präsidenten des deutschen Bundesrates ƒ Liste der Mitglieder des deutschen Bundesrats ƒ Bundesrat (Österreich) ƒ Bundesrat (Schweiz) Literatur

ƒ Konrad Reuter: Praxishandbuch Bundesrat. Verfassungsrechtliche Grundlagen, Kommentar zur Geschäftsordnung, Praxis des Bundesrates. Müller, Juristischer Verlag, Heidelberg 1991, ISBN 3-8114-6590-2 ƒ Der Bundesrat (Hrsg.): Der Bundesrat als Verfassungsorgan und politische Kraft. Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Bad Honnef/Darmstadt 1974, ISBN 3-87576-027-1 ƒ Gebhard Ziller, Georg-Berndt Oschatz: Der Bundesrat. 10. Auflage. Droste, Düsseldorf 1998, ISBN 3-7700-7068-2 Weblinks

ƒ Bundesrat ƒ Seite der Friedrich-Naumann-Stiftung über die parteipolitische Zusammensetzung der Landesregierungen seit 1949

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Deutscher Bundestag aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Deutsche Bundestag ist das Parlament der Bundesrepublik Deutschland mit Sitz in Berlin. Er wird direkt durch das Volk gewählt und ist das einzige Verfassungsorgan im politischen System Deutschlands mit unmittelbarer demokratischer Legitimation.

Die gesetzliche Anzahl seiner Mitglieder beträgt 598. Eine Legislaturperiode des Bundestags dauert grundsätzlich vier Jahre, sie kann sich aber in bestimmten Situationen verkürzen oder verlängern. Die Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdB) können sich zu Fraktionen oder Gruppen zusammenschließen und genießen damit einen besonderen Verfahrens- und Organisationsstatus.

Dem Bundestag steht der Bundestagspräsident vor. Im 16. Deutschen Bundestag ist der CDU-Politiker Norbert Lammert Bundestagspräsident; Vizepräsidenten und Stellvertreter des Präsidenten sind Gerda Hasselfeldt (CSU), Wolfgang Thierse, Susanne Kastner (beide SPD), Hermann Otto Solms (FDP) und Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen). Der Kandidat der Linkspartei.PDS, Lothar Bisky, erzielte in keinem von vier Wahlgängen die jeweils nötige Mehrheit.

Der Bundestag hat eine Vielzahl von Funktionen: Er hat die Gesetzgebungsfunktion, das heißt, er schafft das Bundesrecht und ändert die Verfassung. Hierbei bedarf es häufig der Mitwirkung des Bundesrates, der jedoch keine zweite Parlamentskammer ist. Auch genehmigt der Bundestag die internationalen Verträge mit anderen Staaten und Organisationen und beschließt den Bundeshaushalt. Im Rahmen seiner Kreationsfunktion wählt er unter anderem den Bundeskanzler und wirkt bei der Wahl des Bundespräsidenten, der Bundesrichter und anderer wichtiger Bundesorgane mit. Der Bundestag übt die parlamentarische Kontrolle gegenüber der Regierung und der Exekutive des Bundes aus, er kontrolliert auch den Einsatz der Bundeswehr.

Politisch bedeutsam ist die Öffentlichkeitsfunktion, wonach der Bundestag die Aufgabe hat, die Wünsche der Bevölkerung auszudrücken und umgekehrt die Bevölkerung zu informieren.

Stefan Schmidt - 55 - Ö-Recht Lernhilfe

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Plenarsaal ƒ 2 Die Mandatsvergabe ƒ 3 Gesetzgebung ƒ 3.1 Gesetzgebungsverfahren im Überblick ƒ 3.2 Behandlung von Gesetzen im Bundestag ƒ 3.3 Besonderheiten der Gesetzgebung bei Abgaben und Steuern ƒ 3.4 Besonderheiten der Gesetzgebung in völkerrechtlichen Fragen ƒ 4 Budget (Haushalt) ƒ 5 Genehmigung von Bundeswehreinsätzen ƒ 6 Repräsentationsprinzip und Selbstauflösung ƒ 7 Kreationsfunktion ƒ 7.1 Wahl des Bundeskanzlers ƒ 7.2 Misstrauensvotum und Vertrauensfrage ƒ 7.3 Wahl des Bundespräsidenten ƒ 7.4 Wahl der Bundesrichter ƒ 8 Kontrolle der Exekutive ƒ 8.1 Rederecht, Anwesenheitsrecht und -pflicht ƒ 8.2 Anfragen ƒ 8.3 Untersuchungsausschüsse ƒ 8.4 Wehrbeauftragter ƒ 8.5 Kontrolle der Geheimdienste ƒ 8.6 Anklage von Staatsorganen ƒ 9 Verteidigungsfall ƒ 10 Organisation der Abgeordneten ƒ 10.1 Fraktionen

Stefan Schmidt - 56 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ 10.2 Präsidium ƒ 10.3 Ältestenrat ƒ 10.4 Ausschüsse ƒ 10.5 Enquete-Kommissionen ƒ 10.6 Ordnungsmaßnahmen des Präsidiums ƒ 11 Die Arbeit der Mitglieder des Bundestages ƒ 11.1 Arbeit während der Sitzungswoche ƒ 11.2 Arbeit außerhalb der Sitzungswochen ƒ 11.3 Immunität, Indemnität und Zeugnisverweigerungsrecht ƒ 11.4 Versorgung der Abgeordneten ƒ 12 Die Arbeit des Bundestages ƒ 12.1 Geschäftsordnung ƒ 12.2 Debatten ƒ 12.3 Abstimmungen ƒ 13 Die Verwaltung des Deutschen Bundestages ƒ 13.1 Zentrale und Parlamentarische Dienste ƒ 13.2 Wissenschaftliche Dienste und Pressezentrum ƒ 14 Der 16. Deutsche Bundestag (seit 2005) ƒ 15 Geschichte ƒ 15.1 Geschichtliche Entwicklung ƒ 15.2 Erster Bundestag (1949–1953) ƒ 15.3 Zweiter Bundestag (1953–1957) ƒ 15.4 Dritter Bundestag (1957–1961) ƒ 15.5 Vierter Bundestag (1961–1965) ƒ 15.6 Fünfter Bundestag (1965–1969) ƒ 15.7 Sechster Bundestag (1969–1972) ƒ 15.8 Siebter Bundestag (1972–1976) ƒ 15.9 Achter Bundestag (1976–1980) ƒ 15.10 Neunter Bundestag (1980–1983) ƒ 15.11 Zehnter Bundestag (1983–1987) ƒ 15.12 Elfter Bundestag (1987–1990) ƒ 15.13 Zwölfter Bundestag (1990–1994) ƒ 15.14 Dreizehnter Bundestag (1994–1998) ƒ 15.15 Vierzehnter Bundestag (1998–2002) ƒ 15.16 Fünfzehnter Bundestag (2002–2005) ƒ 15.17 Sechzehnter Bundestag (ab 2005) ƒ 15.18 Wahlperioden des Deutschen Bundestages ƒ 15.19 Fraktionen im Deutschen Bundestag ƒ 15.20 Sitzverteilungen in den Bundestagen ƒ 15.21 Stärkste Fraktionen und Parteien ƒ 16 Literatur ƒ 17 Weblinks

Plenarsaal

Der Plenarsaal ist der wichtigste und größte Versammlungssaal im Reichstagsgebäude. In ihm tagt der Deutsche Bundestag. Den Mittelpunkt des Plenarsaals bildet das Rednerpult. Vor dem Redner sitzen die Stenografen, hinter ihm sitzt der Bundestagspräsident oder ein Vertreter, neben ihm seine beiden Schriftführer. Der Präsident sieht vor sich das Plenum des Bundestages. Von ihm aus rechts im Halbkreis sitzen die Abgeordneten der FDP, links davon die der CDU/CSU. In der Mitte sitzt die Stefan Schmidt - 57 - Ö-Recht Lernhilfe Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen, und in der linken Hälfte des Plenums hat die SPD-Fraktion ihren Platz. Obwohl die Grünen in ihrer Anfangszeit als „linker“ als die SPD betrachtet wurden, bestand die SPD 1983 darauf, dass links von ihr keine Partei sitzen darf. Bei dieser Aufteilung blieb es dann bis zur Wiedervereinigung. Seither sitzen ganz links außen die Abgeordneten der PDS, bei deren Einzug 1990 die SPD nicht mehr auf ihrem äußeren Platz bestand. Über den Abgeordneten sitzen auf eigenen Tribünen Besucher des Bundestages. Sie dürfen keine Zustimmungs- oder Missfallensbekundungen von sich geben, ansonsten können sie des Saales verwiesen werden.

Unmittelbar rechts und links neben dem Pult des Präsidiums finden die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates Platz. Der jeweils dem Präsidium nächstgelegene Platz ist dem Bundeskanzler und dem Bundesratspräsidenten vorbehalten.

Hinter dem Pult des Präsidiums stehen die Bundes- und die Europaflagge unter dem großen Bundesadler.

Hinter den Bänken von Bundesregierung und Bundesrat befinden sich Tafeln, die mit Leuchtbuchstaben den gerade aktuellen Tagesordnungspunkt anzeigen. Ebenso wird mit einem grünen „F“ signalisiert, wenn das Fernsehen überträgt. Die Mandatsvergabe

Hauptartikel: Bundestagswahlrecht

Verhältniswahl bei der Wahl zum Bundestag

Nach den Wahlrechtsgrundsätzen der personalisierten Verhältniswahl werden die Abgeordneten in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl in 299 Wahlkreisen gewählt. Der Wähler gibt zwei Stimmen ab: Mit seiner Stimme für die Landesliste bestimmt er, mit welcher Stärke die von ihm gewählte Partei im Bundestag vertreten ist (rechte Spalte des amtlichen Wahlzettels, so genannte Zweitstimme). Mit der Stimme für den Kandidaten bestimmt er direkt den Abgeordneten seines Wahlkreises (linke Spalte des amtlichen Wahlzettels, so genannte Erststimme).

Stefan Schmidt - 58 - Ö-Recht Lernhilfe Die gesetzliche Anzahl der Mitglieder des Bundestags beläuft sich seit dem Beginn der 15. Legislaturperiode auf 598. Die Hälfte dieser Sitze wird den erfolgreichen Kandidaten aus der Direktwahl im Wahlkreis zugeteilt, man spricht daher oft von Direktmandaten. Die andere Hälfte wird –entsprechend dem Stärkeanteil einer Partei an der Gesamtzahl der Sitze– unter Anrechung der Direktmandate aus den Landeslisten besetzt, welche weitere, vorab festgelegte Kandidaten enthalten. Hierbei wird eine Partei mit ihren Landeslisten nur berücksichtigt, wenn sie mindestens fünf Prozent der abgegebenen Zweitstimmen erhalten hat.

Es entstehen also drei typische Verteilungsfälle:

ƒ Eine Partei hat einen größeren Stärkeanteil errungen als die Direktmandate-Anzahl. Es werden ihr dann weitere Mandate nach Landesliste zugeteilt. ƒ Eine Partei hat in einem Bundesland einen kleineren Stärkeanteil errungen als die Direktmandate-Anzahl. Sämtliche dieser überzählig errungenen Direktmandate sind gültig, die solcherart gewählten Abgeordneten ziehen unabhängig von der stärkemäßigen Sitzverteilung in das Parlament ein. Die Gesamtzahl der Abgeordneten erhöht sich also um diese Mandate, umgangssprachlich Überhangmandate, und vergrößert damit die gesetzliche Anzahl gemäß § 1 des Bundeswahlgesetzes. ƒ Eine Partei hat einen Stärkeanteil errungen, der der Direktmandate-Anzahl entspricht. Es werden keine weiteren Mandate zugeteilt.

Dieses System der personalisierten Verhältniswahl ermöglicht dem Wähler nicht nur, für bestimmte politische Parteien zu stimmen, sondern auch eine davon unabhängige Auswahl des Abgeordneten seines Wahlkreises vorzunehmen. Es ist Ausprägung des Prinzips der repräsentativen Demokratie, wonach die Struktur des politischen Willens des Volkes präzise in der Volksvertretung abzubilden ist.

Die Wahlprüfung übernimmt nach Artikel 41 des Grundgesetzes der Bundestag selbst, er entscheidet auch, ob ein Abgeordneter sein Mandat verloren hat. Gegen die Entscheidung des Bundestages kann beim Bundesverfassungsgericht Wahlprüfungsbeschwerde erhoben werden

30 Tage nach der Wahl tritt der Bundestag in seiner konstituierenden Sitzung das erste Mal zusammen. Gesetzgebung

Hauptartikel: Gesetzgebungsverfahren (Deutschland)

Gesetzgebungsverfahren im Überblick

Der Bundestag hat neben der Bundesregierung und dem Bundesrat das Recht Gesetzentwürfe vorzuschlagen (Initiativrecht).

Ein Gesetzentwurf, der aus der Mitte des Bundestages eingebracht wird, muss von einer Fraktion oder 5 Prozent der Parlamentarier unterstützt werden und wird gemäß Artikel 77 des Grundgesetzes zunächst im Bundestag behandelt. Wird er dort beschlossen, so geht er zur Beratung an den Bundesrat. Ein Gesetzentwurf der Bundesregierung geht zunächst an den Bundesrat. Zusammen mit dessen Stellungnahme leitet die Bundesregierung den Gesetzentwurf dann an den Bundestag. Umgekehrt geht ein Gesetzentwurf des Bundesrates zusammen mit der Stellungnahme der Bundesregierung an den Bundestag.

Stefan Schmidt - 59 - Ö-Recht Lernhilfe Wird ein Gesetz vom Bundestag beschlossen, bedarf es neben dem Parlament der weiteren Mitwirkung des Bundesrates, damit es zu Stande kommt. Damit ist jedoch nicht gesagt, dass es der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Sind Interessen der Bundesländer betroffen (dies ist fast immer der Fall, weil sie die Bundesgesetze ausführen), so bedarf der Gesetzentwurf nicht schon deshalb der Zustimmung des Bundesrates. Dies ist nur dann der Fall, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorsieht oder wenn das Gesetz für den eigenen Gesetzesvollzug detaillierte Vorgaben macht, wie die Landesbehörden für den Vollzug dieses Gesetzes zu strukturieren sind.

Zu einem Gesetz, mit dem das Grundgesetz geändert oder Hoheitsrechte an die Europäische Union übertragen werden, bedarf es immer Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat (qualifizierte Mehrheit).

Ist ein Gesetz nicht zustimmungsbedürftig, kann der Bundesrat Einspruch erheben. Dieser hat die Wirkung von einem aufschiebenden Veto. In einem solchen Fall wird das Gesetz erneut dem Parlament zugeleitet und der Einspruch kann – wenn keine Änderungen beschlossen werden – überstimmt werden. Dies bedeutet auch, dass eine Zweidrittelmehrheit beim Beschließen des Einspruchs im Bundesrat nur durch eine Zweidrittelmehrheit im Parlament überstimmt werden kann.

Will der Bundesrat bei einem zustimmungsbedürftigen Gesetz umfangreiche Änderungen erreichen, hat er manchmal auch Einspruch erhoben; dies ist in Artikel 77 des Grundgesetzes jedoch nicht vorgesehen. Ein solcher Einspruch ist deshalb nicht etwa unbeachtlich, damit verweist der Bundesrat die Sache vielmehr ans Parlament zurück und bedient sich eines anderen Instruments als des Vermittlungsausschusses, um gegebenenfalls eine andere politische Willensbildung zu erreichen.

Werden mehrere, inhaltlich nicht zusammengehörige Gesetzentwürfe zu einem „Paket“ verbunden, spricht man von einem Junktim, das zwischen ihnen hergestellt wird.

Behandlung von Gesetzen im Bundestag

Ein Gesetzentwurf wird zunächst in einer „ersten Lesung“ behandelt. Dabei findet je nach Wichtigkeit und politischer Interessenlage ein erster Meinungsaustausch oder eine Debatte im Plenum statt. Anschließend, sehr oft auch ohne Aussprache, wird der Gesetzentwurf an verschiedene Ausschüsse verwiesen. Meist sind neben dem „federführenden“ Fachausschuss auch der Rechts- und der Haushaltsausschuss mit einem Gesetzentwurf befasst, da die Gesetze juristische und fiskalische Auswirkungen haben. Bei den Ausschussberatungen wird die Haupt- und Detailarbeit an den Gesetzentwürfen geleistet. Der Entwurf von den Parlamentariern wird geprüft und nicht selten massiv verändert, sie ziehen regelmäßig Experten der Regierung, aus der Fachverwaltung und weitere Sachverständige aus Praxis und Wissenschaft heran.

In der Ausschussfassung geht der Gesetzentwurf erneut ins Plenum, wo er in einer „zweiten Lesung“ beraten wird. Die „zweite Lesung“ dient der Beratung von Details und Änderungsanträgen, die in großem Umfang aus den Ausschüssen kommen, aber auch von Fraktionen, Gruppen oder einzelnen Parlamentariern, die alternative Lösungen aufzeigen wollen. Häufig sind jedoch die Ausschussfassungen bereits untereinander abgestimmt und so gefasst, dass in einer Abstimmung die „zweite Lesung“ über den gesamten Gesetzentwurf beendet wird.

Zu einer „dritten Lesung“ kann es nochmals kommen, wenn sich politischer Widerstand erkennbar formiert, so dass bestimmte Gruppen nur dann dem Gesetz zustimmen, wenn Bestandteile in ihrem Sinne verändert werden. Dies kann aus den Reihen der Opposition kommen, aus der Mitte der

Stefan Schmidt - 60 - Ö-Recht Lernhilfe Ministerpräsidenten, die einen Einspruch des Bundesrates signalisieren oder auch von der Regierung bzw. den sie unterstützenden Fraktionen. Nach der dritten Lesung findet die Schlussabstimmung statt.

Unabhängig von der Zustimmungsbedürftigkeit des beschlossenen Gesetzes muss es dem Bundesrat zugeleitet werden, damit es zu Stande kommt. Dort wird das Gesetzgebungsverfahren weiter fortgesetzt.

Der Bundestag ist kein ewiges Organ, es gibt nur ein jeweils aktuelles Parlament. Mit Ende der Legislaturperiode beendet er seine Arbeit und alle Vorlagen und Projekte gelten als erledigt, unabhängig davon in welchem Stadium sie sich befinden. Dies wird als Prinzip der Diskontinuität bezeichnet. Politische Initiativen müssen im neuen Parlament neu eingebracht werden, wenn sie denn weiter betrieben werden wollen. Dies ist nicht immer selbstverständlich, da im neuen Bundestag andere politische Kräfte zusammen wirken. Eine Ausnahme sind Petitionsvorlagen, weil sie vom Bürger stammen und das Anliegen des Bürgers unabhängig von Wahlperioden ist.

Besonderheiten der Gesetzgebung bei Abgaben und Steuern

Bei Abgaben ist durch die Finanzverfassung die Gesetzgebung auf den Bund konzentriert. Danach hat er auf fast allen Gebieten die Gesetzgebungshoheit. Daher gibt es in Deutschland fast keine Landessteuern. Davon zu unterschieden ist die so genannte Ertragshoheit, also die staatsorganisatorische Berechtigung, welche Gebietskörperschaft zu welchem Grad das Aufkommen bestimmter Abgaben effektiv erhält.

Bei Änderungen von Steuergesetzen, die Erträge betreffen, die Länder oder Kommunen zustehen, haben die Bundesländer nach Artikel 105 Absatz 3 des Grundgesetzes Mitwirkungsmöglichkeiten über Bundesorgane wie den Bundesrat.

Besonderheiten der Gesetzgebung in völkerrechtlichen Fragen

Völkerrechtliche Verträge enthalten Regeln, die sehr oft Bestandteil der nationalen, innerstaatlichen Ordnung werden sollen. Hierfür gibt es zwei Mechanismen – die Inkorporation und die Transformation. Im ersten Fall erfolgt die Überführung des völkerrechtlichen Regelwerks in das nationale Rechtssystem bereits mit ordnungsgemäßem Vertragschluss oder schlichter Ratifikation, so zum Beispiel in Großbritannien.

Im zweiten Fall ist eine eigene Umsetzung als innerstaatlicher Erfüllungsakt notwendig, wobei ein Fehler- und Konfliktpotenzial darin angelegt ist, wie gut diese Erfüllung dem Staat gelingt. Der zwischenstaatliche Vertragsschluss lässt sich als Verpflichtungsgeschäft, die innerstaatliche Umsetzung als Erfüllungsgeschäft veranschaulichen. Die Begriffe sind allerdings in diesem Zusammenhang nicht immer üblich.

In Deutschland wird das Transformationsmodell praktiziert und zwar mit der Besonderheit, dass es als Zustimmungsakt eines Vertragsgesetzes bedarf, sofern der völkerrechtliche Vertrag Gesetzgebungsmaterie berührt. Ohne ein solches Gesetz darf der Bundespräsident den Vertrag nicht ratifizieren. Ist für die Umsetzung darüber hinaus der Erlasses neuer Normen notwendig, erfolgt parallel die materielle Umsetzung auf Gesetzes- und Verordnungsebene. Da solche Elemente oft gesetzgebungstechnisch zusammengefasst werden, werden die Gesetze umgangssprachlich „Zustimmungsgesetze“ genannt, dies sagt jedoch nichts über die Frage aus, ob der Bundesrat einer Umsetzung zustimmen muss.

Stefan Schmidt - 61 - Ö-Recht Lernhilfe Werden durch den Bund völkerrechtliche Verträge über Fragen geschlossen, die die besonderen Verhältnisse eines Landes betreffen, hat die Bundesregierung schon vor Vertragschluss dieses Land anzuhören und bei der politischen Willensbildung zu beteiligen. Auf den Bundesrat kommt es nicht an, da er Bundesorgan ist (Artikel 32 Absatz 2 des Grundgesetzes). Budget (Haushalt)

Das Budgetrecht ist traditionell eines der wichtigsten Rechte des Parlamentes. Mittels des Budgetrechts definiert das Parlament, in welchen Gebieten der Bund Prioritäten setzen möchte und bindet damit die Regierung in erheblichem Maße. Budgetierung ist jedoch keine Gesetzgebung im engeren Sinne. Das Parlament kann sein Budgetrecht genau so gut durch schlichten Parlamentsbeschluss ausüben. Der Bundeshaushalt wird jedoch traditionell in Form eines Bundesgesetzes – ohne Zustimmung des Bundesrates – beschlossen.

Die deutsche Staatstradition hat das demokratische Prinzip der Parlamentsbudgetierung nur sehr zögerlich übernommen, obwohl es in der Entwicklung der Demokratie zum Kern der Parlamentsrechte gehörte und exemplarisch etwa im englischen House of Commons verwirklicht war. Im Gegensatz dazu hatte zur Zeit Bismarcks die Regierung in wichtigen Bereichen das Budgetrecht inne, und diese Erfahrung zeigte, dass ein Parlament ohne vollständige Budgetkontrolle ein schwaches Parlament ist.

In der Debatte über den Haushalt des Bundeskanzleramtes findet sowohl in der ersten wie in der zweiten Lesung traditionell eine Generaldebatte über die Politik der Bundesregierung statt. Die Opposition nutzt die Gelegenheit, die Schwächen, die sie bei der Bundesregierung ausgemacht hat, der Öffentlichkeit aufzuzeigen; die Regierung wehrt sich ihrerseits mit Angriffen auf die Opposition. Genehmigung von Bundeswehreinsätzen

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf gemäß Artikel 24 des Grundgesetzes die Bundeswehr außerhalb des NATO-Territoriums eingesetzt werden. Das Verfassungsgericht sieht aber einen generellen Parlamentsvorbehalt beim Einsatz der Bundeswehr, weshalb die Einsätze vom Bundestag genehmigt werden müssen; dies wird als Prinzip der Parlamentsarmee bezeichnet. Allenfalls bei Gefahr im Verzug kann die Bundesregierung eine vorläufige Entscheidung treffen, die nachträglich vom Parlament genehmigt werden muss. Seitdem wird jeder Einsatz der Bundeswehr, der von der Regierung beschlossen wird, in einem aus zwei Lesungen bestehenden Verfahren behandelt, analog zum Gesetzgebungsverfahren. Bei dieser Entscheidung ist keine Zustimmung des Bundesrats erforderlich. Es handelt sich hierbei um einen schlichten Parlamentsbeschluss.

Im Jahr 2001 verband Bundeskanzler Gerhard Schröder eine solche Genehmigung mit der Vertrauensfrage. Repräsentationsprinzip und Selbstauflösung

Die deutsche Verfassung legt das Prinzip der repräsentativen Demokratie zugrunde, so dass dem Parlament eine zentrale Rolle in der Staatsorganisation zukommt. Das Volk als Souverän konzentriert damit die personellen und gestaltenden Aufgaben der Staatsgewalt auf die gewählte Volksvertretung und verzichtet im Weiteren auf direkte Entscheidung solcher Fragen. Andere Staatsorgane des Bundes werden nicht vom Volk gewählt, plebiszitäre Abstimmungen in Sachfragen sind so gut wie nicht

Stefan Schmidt - 62 - Ö-Recht Lernhilfe vorgesehen. Das Parlament ist damit das einzig unmittelbar gewählte Staatsorgan und genießt daher eine besondere demokratische Legitimation, die ihm im Verhältnis zu anderen Institutionen eine besondere Machtfülle verleiht.

Der Bundestag kann sich nicht selbst auflösen. Durch die schlechte Erfahrung häufiger Parlamentsauflösungen und Regierungswechsel in der Weimarer Republik ist bei der Entstehung des Grundgesetzes ein solches Recht verworfen worden. Im deutschen Verfassungsverständnis wird Demokratie vor allem als zeitlich begrenzte Machtausübung angesehen; die Artikel 20 und 39 des Grundgesetzes haben in diesem Zusammenhang eine normative Dimension, die die Auslegung anderer Verfassungsregeln, die politische Krisen betreffen, beeinflusst, etwa zur Vertrauensfrage, zum Gesetzgebungsnotstand oder zur Notstandsverfassung. Aus demselben Grund dürfen andere Verfassungsorgane nicht die Parlamentsperiode festlegen, sei es auch mit dem Ziel politischer Stabilität.

Um dennoch ein Selbstauflösungsrecht in das politische System des heutigen Deutschland einzuführen, wäre eine Grundgesetzänderung notwendig. Ein solches würde allerdings aus verfassungsrechtlicher Sicht dem Repräsentationsprinzip zuwiderlaufen und dadurch zu Inkonsistenzen im politischen System führen. Insbesondere wird kritisch angemerkt, dass die parlamentarische Macht durch demokratische Legitimation in diesem Fall einer bedenklichen Inflation ausgesetzt sein würde und mittelbar gewählte Staatsorgane im Verhältnis zum direkt gewählten Parlament in ihrer politischen Macht aufgewertet würden. Das Souveränitätsprinzip wäre damit durchbrochen. Kreationsfunktion

Das Parlament kreiert die Spitze der anderen Staatsorgane. Auf untergeordneter Ebene vermitteln die obersten Staatsorgane nachgeordneten Organen nach diesem Prinzip ebenfalls demokratische Legitimation: So ernennt beispielsweise der Bundespräsident die Bundesbeamten und der Kanzler bestimmt die Minister.

Wahl des Bundeskanzlers

Hauptartikel: Bundeskanzler (Deutschland)

Der Bundeskanzler wird vom Bundestag in geheimer Wahl ohne Aussprache gewählt. Zunächst erfolgt ein Vorschlag des Bundespräsidenten, der hinsichtlich der Person, die er vorschlägt, rechtlich frei, politisch jedoch sehr stark gebunden ist: Meist steht schon am Abend der Bundestagswahl fest, wer vom Bundespräsidenten vorgeschlagen wird. Dies ist in der Regel der Kanzlerkandidat der stärksten siegreichen Partei. Wählt der Bundestag den Vorgeschlagenen mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder, so wird der Gewählte vom Bundespräsidenten ernannt. Bisher ist jeder Kandidat vom Bundestag gewählt worden. Wählt der Bundestag den Vorgeschlagenen nicht, so hat der Bundestag vierzehn Tage Zeit, nach Vorschlägen aus seiner Mitte einen Bundeskanzler mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder (absolute Mehrheit) zu wählen. Gelingt es dem Bundestag nicht, in dieser Zeit eine Person zu wählen, so findet nach Ablauf der Frist unverzüglich ein neuer Wahlgang statt, in dem gewählt ist, wer die meisten Stimmen erhält. Ist diese Mehrheit zugleich eine absolute Mehrheit, so muss der Bundespräsident den Gewählten binnen sieben Tagen ernennen. Konnte der Gewählte nur eine relative Mehrheit auf sich vereinen, so kann der Bundespräsident binnen sieben Tagen entscheiden, ob er den Gewählten zum Bundeskanzler ernennt oder den Bundestag auflöst.

Stefan Schmidt - 63 - Ö-Recht Lernhilfe Misstrauensvotum und Vertrauensfrage

Hauptartikel: Misstrauensvotum, Vertrauensfrage

Hat der Bundeskanzler nicht mehr die Mehrheit des Bundestages hinter sich, so kann dieser ihn nur seines Amtes entheben, indem er gleichzeitig mit den Stimmen der Mehrheit seiner Mitglieder einen Nachfolger wählt. Der Bundespräsident muss dann den bisherigen Bundeskanzler entlassen und den neu gewählten ernennen.

Der Bundeskanzler kann auch die Vertrauensfrage an den Bundestag richten. Wird sie nicht positiv beantwortet, das heißt stimmt weniger als die absolute Mehrheit der Mitglieder des Bundestages dem Vertrauensantrag zu, so kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers den Bundestag auflösen oder mit Zustimmung des Bundesrates den Gesetzgebungsnotstand ausrufen.

Wahl des Bundespräsidenten

Hauptartikel: Bundespräsident (Deutschland), Bundesversammlung

Aufgabe der Bundesversammlung ist die Wahl des Bundespräsidenten. Die Mitglieder des Bundestages stellen eine Hälfte der Bundesversammlung. Die andere Hälfte besteht aus Personen, die von den Landtagen der Bundesländer nach dem Prinzip der Verhältniswahl gewählt werden. Der Bundestagspräsident ist Präsident der Bundesversammlung.

Wahl der Bundesrichter

Der Bundestag bestimmt durch einen speziellen Wahlausschuss die Hälfte der Richter des Bundesverfassungsgerichtes. Zur Wahl bedarf ein Kandidat der Stimmen von acht der zwölf Mitglieder. Damit ist gesichert, dass Verfassungsrichter nicht politisch einseitig gewählt werden. In der Regel einigen sich die zwei großen Parteien auf ein „Paket“, mit dem jeweils eine gleiche Zahl von Unions- und SPD-nahen Kandidaten gewählt werden. Gelegentlich wird auch je ein Kandidat von den Grünen und der FDP nominiert und gewählt. In ihrer Rechtsprechung haben die Verfassungsrichter jedoch selten entlang der politischen Linie der Parteien entschieden, die sie nominierten.

Die andere Hälfte der Verfassungsrichter wird vom Bundesrat mit Zweidrittelmehrheit gewählt.

Andere Bundesrichter, also für den Bundesgerichtshof, das Bundesverwaltungsgericht, den Bundesfinanzhof, das Bundesarbeitsgericht und das Bundessozialgericht werden vom Fachminister des Bundes zusammen mit einem Richterwahlausschuss gewählt, der aus den jeweils zuständigen Fachministern der Länder und einer gleichen Zahl von Bundestagsmitgliedern gebildet wird. Kontrolle der Exekutive

Eine weitere wichtige Aufgabe des Bundestages ist es, die Exekutive zu kontrollieren.

Rederecht, Anwesenheitsrecht und -pflicht

Neben den Mitgliedern des Bundestages haben auch die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrates Rederecht im Bundestag. Sie müssen sogar jederzeit gehört werden. Unter Berufung hierauf versuchte der ehemalige Hamburger Innensenator Ronald Schill vor der Bundestagswahl 2002,

Stefan Schmidt - 64 - Ö-Recht Lernhilfe abweichend vom Thema und seine vorher vereinbarte Redezeit überziehend eine Wahlkampfrede im Bundestag zu halten. Ihm wurde daraufhin das Wort entzogen.

Mitglieder der Bundesregierung, zumindest aber deren Vertreter, nehmen an den meisten Sitzungen des Bundestages teil. Mitglieder des Bundesrates sind dagegen seltener im Plenum; sie nehmen oft nur an Sitzungen teil, bei denen es in besonderer Weise um Länderinteressen geht.

Umgekehrt hat der Bundestag das Zitierungsrecht: Er kann jederzeit jedes Mitglied der Bundesregierung herbeirufen oder dessen Verbleib während der Verhandlung im Plenum oder in einem Ausschuss verlangen. Diese Möglichkeit dient der Kontrolle der Regierung und dem Zur-Rede- Stellen in tagesaktuellen Fragen ihrer Politik.

Anfragen

Ein wichtiges Instrument der Kontrolle sind die An- und Nachfragemöglichkeiten, die den Abgeordneten offenstehen. Besonders die Abgeordneten der Opposition nutzen sie sehr häufig.

ƒ „Kleine Anfragen“ sind schriftliche Anfragen von fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages oder einer Fraktion an die Bundesregierung über alle möglichen Bereiche des Regierungshandelns. Sie dienen eher der Information der Abgeordneten über lokale oder spezielle Themengebiete, da sie in der Regel nur in Drucksachen beantwortet und selten veröffentlicht werden. Im 13. Deutschen Bundestag von 1994 bis 1998 gab es insgesamt 2.070 Kleine Anfragen.

ƒ „Große Anfragen“ dienen stärker als die „Kleinen Anfragen“ der Herbeiführung einer Debatte und der Bloßstellung der Regierung durch die Opposition. Auch sie werden zu einem bestimmten Thema schriftlich gestellt, über die Antwort kann jedoch eine Diskussion im Bundestag stattfinden. Auch Große Anfragen müssen von fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages oder einer Fraktion gestellt werden. Im 13. Bundestag gab es insgesamt 156 Große Anfragen.

ƒ In der „Fragestunde“ können von den einzelnen Mitgliedern des Bundestages grundsätzlich mündliche Anfragen an die Bundesregierung gestellt werden. Die Abgeordneten können durch direkte Nachfragen auf die Antwort des Vertreters der Bundesregierung eingehen. Genügt die Zeit nicht zur Beantwortung aller Fragen, so werden die restlichen Fragen schriftlich beantwortet. Im 13. Bundestag gab es insgesamt 18.477 mündliche Anfragen, 14.579 (79 %) davon allein durch die damalige Opposition aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS.

ƒ „Aktuelle Stunden“ sind kurze Debatten mit fünfminütigen Beiträgen, die im Anschluss an die Fragestunde oder auch von ihr losgelöst beantragt werden können. Sie sind ein relativ junges Element des Bundestagsgeschehens, als solche gibt es sie seit 1980, und sollen mit ihrer besonderen Struktur der Auflockerung der Debattenkultur im Bundestag dienen. Auch soll durch sie eine Diskussion über sehr aktuelle Themen schneller möglich sein. Sie werden entweder im Ältestenrat vereinbart oder von fünf Prozent der Mitglieder des Bundestages oder einer Fraktion beantragt. Im 13. Deutschen Bundestag wurden 103 Aktuelle Stunden beantragt.

ƒ Anfragen aus dem Plenum heraus finden auch im Anschluss an Kabinettssitzungen statt, sie sind als „Regierungsbefragungen“ bekannt. Dabei informiert jeweils ein Vertreter der Bundesregierung über ein Thema, das in der zuvor stattfindenden Kabinettssitzung Gegenstand der Diskussion war; an diesen Vertreter können Fragen gestellt werden. Im 13. Bundestag gab es 41 Regierungsbefragungen.

Stefan Schmidt - 65 - Ö-Recht Lernhilfe Untersuchungsausschüsse

Auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder – also auch einer opponierenden Minderheit – setzt das Parlament einen Untersuchungsausschuss ein, der ein im Antrag definiertes Untersuchungsthema öffentlich aufklären soll. Der Verteidigungsausschuss kann sich auch selbst zum Untersuchungsausschuss erklären. Die Arbeit der Untersuchungsausschüsse wird durch das Untersuchungsausschussgesetz (PUAG) bestimmt.

Häufig wird ein Untersuchungsausschuss von der Opposition eingesetzt, um tatsächliche oder vermeintliche Missstände in der Arbeit der Regierung aufzudecken. An der Arbeit der Untersuchungsausschüsse wird häufig die Kritik geübt, sie diene eher der Schädigung des politischen Gegners als der wahrheitsgemäßen Aufklärung des Untersuchungsgegenstandes. Weil ein Minderheits-Quorum von einem Viertel der Ausschussmitglieder dieselben Antrags- und Initiativrechte wie beim Einsetzungsbeschluss hat, kann die meist regierungsnahe Ausschussmehrheit die Untersuchung nicht blockieren, so dass eine gewisse Waffengleichheit gewährleistet ist. Da die Ausschussmehrheit dennoch sowohl die Detailarbeit in gewissen Grenzen lenken kann als auch den Abschlussbericht mit den Untersuchungsbewertungen vorlegt, stellt der Untersuchungsausschuss Missstände in der Bundesregierung meist nur in offensichtlichen Fällen fest.

Seit 1949 gab es etwa 50 Untersuchungsausschüsse.

Wehrbeauftragter

Der Wehrbeauftragte des Bundestages ist ein Hilfsorgan des Bundestages, ohne dessen Mitglied sein zu dürfen. Seine Aufgabe ist es, Beschwerden von Mitgliedern der Bundeswehr entgegenzunehmen, die diese außerhalb des normalen Dienstweges stellen können. Er soll dafür sorgen, dass die Grundrechte der Soldaten, die zwar durch das Grundgesetz eingeschränkt, jedoch nicht abgesprochen werden können, gewahrt werden. Dabei prüft er insbesondere, ob die Grundsätze der „Inneren Führung“ eingehalten werden. Er vertritt in diesem Sinne auch das Bild der Bundeswehr als Parlamentsarmee, also einer Armee, deren Einsatz durch das Parlament bestimmt und kontrolliert wird.

Kontrolle der Geheimdienste

Das Parlamentarische Kontrollgremium, das aus neun Mitgliedern des Bundestages besteht, kontrolliert die Arbeit der deutschen Geheimdienste, die dem Bund unterstehen, also den Bundesnachrichtendienst, den Militärischen Abschirmdienst und das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Mitglieder des Gremiums sind auch gegenüber ihren Bundestagskollegen zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Anklage von Staatsorganen

Der Bundestag hat neben dem Bundesrat die Möglichkeit, den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung der Verfassung oder eines Bundesgesetzes vor dem Bundesverfassungsgericht anzuklagen, mit dem Ziel, ihn seines Amtes zu entheben. Dazu bedarf es einer Zweidrittelmehrheit in dem jeweiligen Gremium.

Stefan Schmidt - 66 - Ö-Recht Lernhilfe Dieses Verfahren besteht aus dem Grund, dass der Bundespräsident als Staatsoberhaupt nicht allein vom Parlament bestimmt wird und das Organ, das ihn wählt, namentlich die Bundesversammlung, nicht wieder und in derselben Zusammensetzung tätig werden kann.

Das Parlament kann hingegen kein Mitglied der Bundesregierung anklagen, da die Regierung teils direkt, teils indirekt, jedenfalls aber vollständig vom Parlament abhängig ist und durch ein Misstrauensvotum abgesetzt werden kann.

Die Mitglieder der Bundesregierung genießen als solche keine Immunität. Sind sie gleichzeitig Abgeordnete, muss der Bundestag allerdings gegebenenfalls ihre Abgeordneten-Immunität aufheben, bevor die normalen Vorschriften der Strafprozessordnung Anwendung finden können. Verteidigungsfall

Hauptartikel: Verteidigungsfall

Die Feststellung des Verteidigungsfalls wird, sofern er rechtzeitig zusammentreten kann, vom Bundestag, ansonsten vom Gemeinsamen Ausschuss, der zu einem Drittel aus Mitgliedern des Bundesrates, zu zwei Dritteln aus Mitgliedern des Bundestages besteht, getroffen. Der Beschluss bedarf jeweils einer Zweidrittelmehrheit. Ist der Verteidigungsfall beschlossen und kann der Bundestag nicht zusammentreten, so übernimmt der Gemeinsame Ausschuss dessen Rechte und ersetzt Bundestag und Bundesrat. Ist der Bundestag jedoch beschlussfähig, so beraten bei dringlichen Gesetzen Bundestag und Bundesrat Gesetzentwürfe gemeinsam. Die Wahlperiode des Bundestages wird bis sechs Monate nach dem Ende des Verteidigungsfalls verlängert. Der Bundestag kann jederzeit den Verteidigungsfall für beendet erklären, er muss es tun, wenn die Voraussetzungen für dessen Feststellung nicht mehr gegeben sind. Organisation der Abgeordneten

Fraktionen

Die meisten Abgeordneten des Bundestages sind Mitglied einer Fraktion. Eine Fraktion wird in der Regel von Abgeordneten der gleichen Partei gebildet. Ein Sonderfall ist die CDU/CSU-Fraktion: Da die CDU in allen Bundesländern außer in Bayern und die CSU nur dort antritt, stehen die beiden Parteien in keinem Wettbewerb zueinander und haben auch gemeinsame Ziele – aus diesem Grund dürfen die Abgeordneten dieser beiden Parteien eine gemeinsame Fraktion bilden. Eine Gruppe ist ein Zusammenschluss von Parlamentariern der gleichen Partei, die aber zu klein ist, um eine Fraktion zu bilden: Zur Gründung einer Fraktion bedarf es einer Anzahl von Mitgliedern, die mindestens fünf Prozent der Gesamtzahl der Mitglieder des Bundestages enthält; eine Gruppe benötigt nur fünf Abgeordnete. Dementsprechend haben Gruppen im Bundestag weniger Rechte als eine Fraktion; sie haben beispielsweise keinen Anspruch darauf, aus ihrer Mitte einen Bundestagsvizepräsidenten zu stellen. Abgeordnete, deren Partei weniger als fünf Mitglieder in den Bundestag entsendet, oder die aus ihrer Fraktion ausgetreten sind oder von ihr ausgeschlossen wurden, sind fraktionslose Abgeordnete. Sie haben alle Rechte und Pflichten eines Abgeordneten in einer Fraktion oder Gruppe, nicht hingegen die Rechte der Fraktion beziehungsweise Gruppe selbst. Im 16. Deutschen Bundestag sind fünf Fraktionen (CDU/CSU, SPD, FDP, Linkspartei, Bündnis 90/Die Grünen) vertreten.

Jede Fraktion bestimmt ihren Fraktionsvorstand selbst; dieser hat wichtige Aufgaben in der Koordination der Arbeit der Fraktion und damit des Bundestages insgesamt. Die Mitglieder des

Stefan Schmidt - 67 - Ö-Recht Lernhilfe Fraktionsvorstandes haben häufig genau definierte Verantwortungsbereiche: Sie sprechen sich eng mit den Ausschussmitgliedern in „ihren“ Themengebieten ab und versuchen, dort zu Gunsten der Linie der Fraktionsführung einzugreifen. Der einzelne Abgeordnete profitiert von der Fraktion, beispielsweise durch Arbeitsteilung und Unterstützung bei eigenen Zielen, muss sich aber der Fraktionsdisziplin beugen. Diese Tatsache rief in der Vergangenheit Kritik hervor, da die Abgeordneten nach Artikel 38 des Grundgesetzes nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge und Weisungen nicht gebunden sind. Andererseits erscheint der Verweis auf die Wiederwahlchancen bei Nichtunterwerfung unter die Fraktionsdisziplin nicht als unmittelbare Nötigung. Ferner wird argumentiert, dass ein einzelner Abgeordneter nur aufgrund seiner Parteimitgliedschaft, nicht jedoch unbedingt als Einzelpersönlichkeit gewählt wurde und daher eine starke Rücksichtnahme auf die Parteilinie zulässig sei.

Eine besondere Aufgabe in der täglichen Arbeit kommt den Parlamentarischen Geschäftsführern zu: Diese oft auch als „Zuchtmeister“ bezeichneten Organisatoren sind unter anderem für die Absprache der Dauer der einzelnen Debatten, für die Einflussnahme zugunsten ihrer Fraktionen beim Bundestagspräsidium und für die Anwesenheit aller Abgeordneten ihrer Fraktion bei wichtigen oder engen Abstimmungen verantwortlich. Sie müssen auch detaillierte Kenntnisse der Geschäftsordnung haben.

Die Fraktionen als solche erhalten für ihre Arbeit Geldmittel vom Bundestag. Diese werden etwa für Angestellte der Fraktion, nicht jedoch für Angestellte einzelner Fraktionsmitglieder verwendet.

Präsidium

Glocke des Bundestagspräsidenten, Plenum im Hintergrund

Das Bundestagspräsidium besteht aus dem Bundestagspräsidenten und seinen Stellvertretern. Der Präsident kommt einer ungeschriebenen Regel zu Folge aus der größten Fraktion des Bundestages, unabhängig davon, ob diese Mitglied der Regierungskoalition oder in der Opposition ist. Seit 1994 hat jede Fraktion Anspruch darauf, einen der Vizepräsidenten zu stellen. Die Mitglieder des Präsidiums wechseln sich in der Leitung der Bundestagssitzungen ab; nur bei sehr wichtigen Sitzungen führt der Bundestagspräsident tatsächlich für die gesamte Dauer der Sitzung den Vorsitz.

Der Bundestagspräsident hat das Hausrecht und die Polizeigewalt im Bundestag. Auch trifft er die wichtigsten Personalentscheidungen in der Bundestagsverwaltung. Formal werden alle Anschreiben von anderen Verfassungsorganen und auch Gesetzentwürfe aus dem Bundestag an ihn gerichtet. Er vertritt ferner den Bundestag nach außen und steht wegen der Direktwahl des Bundestages protokollarisch hinter dem Bundespräsidenten an zweiter Stelle.

Stefan Schmidt - 68 - Ö-Recht Lernhilfe Ältestenrat

Obwohl dem Ältestenrat keineswegs die an Lebens- oder Dienstjahren ältesten Mitglieder des Hauses angehören müssen, so sind die Mitglieder des Ältestenrates stets erfahrene Parlamentarier. Dies liegt daran, dass dieses dem Präsidium zur Seite stehende Gremium eine außerordentlich wichtige Rolle für den Ablauf der Plenarsitzung spielt. Zu seinen Aufgaben gehört die Festlegung, welches Thema wann und wie lange in der Tagesordnung vorgesehen ist. Auch den grundlegenden Plan der Sitzungswochen verabschiedet der Ältestenrat. Häufig gehören neben dem Bundestagspräsidium die Parlamentarischen Geschäftsführer dem Ältestenrat an, dessen parteipolitische Zusammensetzung ebenfalls der des Bundestages entspricht. Die Bundesregierung ist mit einem beratenden Mitglied im Ältestenrat vertreten.

Ausschüsse

Hauptartikel: Bundestagsausschuss

Zu jedem wichtigen Fachgebiet existiert ein Ausschuss des Bundestages. Die Ausschüsse bestehen aus 15 bis 42 Mitgliedern und sind spiegelbildlich zur Zusammensetzung der Fraktionen im Plenum verteilt. Die Ausschussmitglieder werden von den Fraktionen bestimmt. Fraktionslose Abgeordnete dürfen in je einem Ausschuss mitarbeiten, haben dort aber kein Stimmrecht. Die Ausschüsse bereiten in ihren nichtöffentlichen Sitzungen Gesetzentwürfe vor beziehungsweise besprechen sie im Detail. Sie können aber auch öffentliche „Hearings“ veranstalten und sich auf diese Weise die Meinung von außerparlamentarischen Experten über grundlegende Fragen anhören.

Neben der Aufgabe, den Gesetzgebungsbedarf in angemessener Zeit zu bewältigen, was bei Beratung aller Einzelheiten im Bundestagsplenum unmöglich wäre, haben die Ausschüsse auch den Auftrag, mit den aus den einzelnen Fraktionen bestellten Experten für die einzelnen Fachgebiete Kompetenzzentren aufzubauen, aus denen der größere Teil der jeweiligen Fraktion, der im betroffenen Fachgebiet keine überragenden Kenntnisse besitzt, Sachauskünfte einholen kann.

Parallel zu den Ausschüssen haben viele Fraktionen Arbeitsgruppen gebildet, die die fraktionsinterne Linie für die Ausschusssitzungen vorbereiten.

Wichtige Sonderrechte haben der Haushalts- und Rechtsausschuss: Sie arbeiten an nahezu jedem Gesetzentwurf mit, da fast immer haushaltsrechtliche und allgemeinjuristische Aspekte zu beachten sind. Auch der Verteidigungsausschuss kann sich – anders als jeder andere Ausschuss – selbständig zum Untersuchungsausschuss erklären. Eine bedeutende Sonderstellung hat auch der Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union: Dieser Ausschuss kann nach Artikel 45 des Grundgesetzes Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung wahrnehmen. Der Auswärtige Ausschuss, der EU-, der Verteidigungs- und der Petitionsausschuss sind vom Grundgesetz vorgeschrieben. Die Anzahl und Stärke der übrigen Ausschüsse werden zu Beginn der Legislaturperiode festgelegt.

Die Vorsitze über die Ausschüsse werden ebenfalls spiegelbildlich zum Verhältnis der Fraktionen zueinander verteilt. Traditionell hat die Opposition den Vorsitz im Haushaltsausschuss.

Enquete-Kommissionen

Zur Diskussion wichtiger und fachübergreifender gesellschaftlicher Entwicklungen kann der Bundestag Enquete-Kommissionen einrichten, die den Umgang des Gesetzgebers mit diesen neuen Strömungen vorbereiten sollen. Dazu dient etwa die Enquete-Kommission „Ethik und Recht der

Stefan Schmidt - 69 - Ö-Recht Lernhilfe modernen Medizin“, die sich mit der gesetzgeberischen Begleitung von DNA-Tests, Präimplantationsdiagnostik, Gentechnik, Klonen und anderen biologischen und biotechnischen Neuerungen beschäftigt.

Ordnungsmaßnahmen des Präsidiums

Das Präsidium kann, wenn es dies für notwendig hält, einen Abgeordneten zur Sache verweisen oder zur Ordnung rufen; dies regelt § 36 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Bei der dritten Verweisung zur Sache oder beim dritten Ordnungsruf muss das Präsidium dem Redner das Wort entziehen. Verletzt ein Mitglied des Bundestages „gröblich“ die Ordnung des Hauses, so kann er ausgeschlossen werden. Er darf dann an den Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse nicht mehr teilnehmen; entsprechende Fehlzeiten werden ihm nicht erstattet. Gegen den Ausschluss kann Widerspruch eingelegt werden. 1949 wurde Kurt Schumacher zunächst für zwanzig Sitzungstage ausgeschlossen, weil er Bundeskanzler Konrad Adenauer als „Kanzler der Alliierten“ bezeichnet hatte. Diese Disziplinarmaßnahme wurde nach einer Schlichtung zwischen Schumacher und Adenauer kurz darauf aufgehoben. Die Arbeit der Mitglieder des Bundestages

Die Arbeit der Mitglieder des Bundestages muss in zwei Profile unterteilt werden: Die Arbeit während der Sitzungswochen unterscheidet sich erheblich von der Arbeit außerhalb dieser Zeit. In der Regel wechseln sich je zwei Sitzungs- und je zwei sitzungsfreie Wochen ab; es entstehen jedoch immer wieder, schon allein durch gesetzliche Feiertage, Unterbrechungen in diesem Rhythmus.

Arbeit während der Sitzungswoche

Die Arbeit in der Sitzungswoche beginnt für einige Abgeordnete bereits am Montag. Dann, am späten Nachmittag, treffen sich die Fraktionsvorstände und auch einige wichtige Untergremien der Fraktionen und bereiten die Ausschuss- und Plenumssitzungen der laufenden Woche vor.

Alle anderen Abgeordneten müssen am Dienstagmorgen ankommen, dann treten in der Regel die einzelnen Arbeitsgruppen der Fraktionen zusammen. Am Nachmittag sind die Fraktionssitzungen, anschließend tagen oftmals die Landesgruppen der Fraktionen.

Am Mittwoch finden Ausschusssitzungen sowie die Fragestunde beziehungsweise die Aktuelle Stunde im Plenum statt.

Donnerstags und freitags stehen schließlich die Plenumsdiskussionen auf dem Programm. Die Konzentration auf die zwei letzten Werktage in der Woche eröffnet den Ausschüssen die Möglichkeit, vor den Plenumssitzungen zusammenzukommen, außerdem kann so eine Überschneidung zwischen Ausschuss- und Plenumssitzungen besser vermieden werden.

Die Sitzungswoche endet in der Regel am frühen Freitagnachmittag, damit die Abgeordneten an ihre Heimatorte zurückreisen können. Allerdings ist auch das Wochenende meist nicht freie Zeit, vielmehr müssen die Abgeordneten noch an der „Basis“, also in ihrem Wahlkreis vor Ort präsent sein und etwa Vereinsveranstaltungen am Wochenende besuchen.

Dieses Schema der Arbeitswoche wird nicht immer strikt durchgehalten. So lässt sich in der Realität die Überschneidung von Ausschuss- und Plenumssitzungen nur schwer vermeiden.

Stefan Schmidt - 70 - Ö-Recht Lernhilfe Der Arbeitstag eines Bundestagsabgeordneten umfasst in der Regel zwölf bis fünfzehn Stunden. Die Abgeordneten müssen dabei unter anderem die Sichtung von Post und Zeitungen, die oft mehrstündigen Fraktions-, Arbeitsgruppen-, Ausschuss- und Plenumssitzungen, welche sich womöglich noch überschneiden, Interview-Anfragen, Besuchergruppen aus ihrem Wahlkreis, die Vorbereitungen von Reden und die Ausarbeitung von Gesetzentwürfen unter einen Hut bringen.

Viele Abgeordneten haben also während der Plenarsitzungen andere wichtige Verpflichtungen. Aus diesem Grunde verwundert es nicht, wenn bei der alltäglichen Arbeit im Bundestag nur einige Dutzend Mitglieder im Plenum sitzen – sie sind in aller Regel die Experten für das gerade besprochene Thema.

Arbeit außerhalb der Sitzungswochen

Außerhalb der Sitzungswochen stehen neben der Vorbereitung auf die Sitzungswochen auch wichtige Termine im Wahlkreis an: Viele Bundestagsabgeordnete bieten Bürgersprechstunden an oder müssen an Parteiveranstaltungen teilnehmen. Auch müssen sie schon im Hinblick auf eine eventuell angestrebte Wiederwahl Kontakte, insbesondere mit den örtlichen Honoratioren, pflegen; hinzukommen möglicherweise europäische oder internationale Termine. Zudem üben viele Abgeordnete auch noch zeitweise einen eigenen Beruf aus, den sie allenfalls in den sitzungsfreien Wochen betreiben können.

Immunität, Indemnität und Zeugnisverweigerungsrecht

Nach Artikel 46 des Grundgesetzes kann kein Abgeordneter für irgendeine Äußerung oder Abstimmung, die er im Bundestag oder in einem seiner Ausschüsse getätigt hat, während oder nach seiner Zeit im Bundestag zur strafrechtlichen oder dienstrechtlichen Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht für verleumderische Beleidigungen. Der Bundestagspräsident kann jedoch Rügen und Verweise erteilen und sogar Mitglieder des Bundestages von der Sitzung ausschließen.

Andererseits darf kein Abgeordneter des Bundestages ohne dessen Zustimmung wegen einer Straftat verhaftet oder zur Verantwortung gezogen werden. Dies gilt nicht, wenn er bei Begehung der Tat, also „in flagranti“, oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird. Ebenso bedarf es zur Einleitung eines Verfahrens zum Entzug von Grundrechten nach Artikel 18 des Grundgesetzes der Zustimmung des Bundestages. Ferner muss jedes Ermittlungsverfahren und auch ein Verfahren zum Entzug von Grundrechten auf Anordnung des Bundestages ausgesetzt werden.

Diese Vorschriften dienen zum Schutz der Unabhängigkeit des Parlamentes, nicht zum Schutz des einzelnen Abgeordneten. Sie sind historisch bedingt: Zu Beginn des Parlamentarismus versuchte die Exekutive häufig, unliebsame Abgeordnete unter einem Vorwand von ihrem Mandat abzuziehen, dazu war die Verwicklung in vermeintlich oder tatsächlich begangene Straftaten ein beliebtes Mittel. Entsprechend wurde die in-flagranti-Regelung geschaffen, da innerhalb eines Tages ein Verbrechen, das so gar nicht stattgefunden hatte, sehr schwer zu konstruieren ist. Heute wird die Regelung überwiegend als anachronistisch angesehen. Der Bundestag hebt zu Beginn der Legislaturperiode regelmäßig die Immunität etwa für Verkehrsdelikte auf.

Nach dem Zeugnisverweigerungsrecht müssen die Abgeordneten nicht über Gespräche mit Personen aussagen, wenn sie diese Gespräche in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete geführt haben. Durch das Zeugnisverweigerungsrecht wird auch die Beschlagnahme von Dokumenten verboten, wenn diese Informationen über die Gespräche enthalten. Dieser Schutz für die Informanten soll den Abgeordneten die Wahrnehmung ihrer Kontrollfunktion ermöglichen.

Stefan Schmidt - 71 - Ö-Recht Lernhilfe Versorgung der Abgeordneten

Hauptartikel: Abgeordnetenentschädigung

Um eine ihrem Amt angemessene Lebensführung zu gestatten, erhalten die Abgeordneten eine steuerpflichtige Diät, eine steuerfreie Kostenpauschale und einige andere Vergünstigungen wie eine Netzkarte der Bahn, Kostenerstattung für Flüge, die Übernahme von Mitarbeitergehältern, ein Übergangsgeld nach dem Ausscheiden und eine Altersversorgung. Ein spezielles Referat der Bundestagsverwaltung kümmert sich um diese Belange. Die Arbeit des Bundestages

Geschäftsordnung

Die wesentlichen Vorschriften für die Arbeit des Bundestages sind in der Geschäftsordnung verankert. Sie muss zu Beginn jeder Legislaturperiode neu beschlossen werden. In der Regel wird die Geschäftsordnung der vorherigen Legislaturperiode mit leichten Anpassungen übernommen. Die Geschäftsordnung enthält als Anhänge wichtige Vorschriften, etwa die „Verhaltensregeln für die Mitglieder des Deutschen Bundestages“ oder die „Geheimschutzordnung“, die für die Mitglieder des Bundestages ebenso verbindlich sind wie die Geschäftsordnung. Die Geschäftsordnung ist mit einfacher Mehrheit änderbar, von ihr kann abgewichen werden, wenn zwei Drittel der anwesenden Mitglieder zustimmen.

Debatten

Zwischenfrage während einer Debatte im Bundestag

Debatten im Deutschen Bundestag laufen manchmal recht emotional ab: Zwischenrufe sind an der Tagesordnung und sollen den Redner aus dem Konzept bringen, gegen die eigene Fraktion gerichtete Bemerkungen werden häufig mit empörtem verbalen Protest oder aber mit hämischem Lachen beantwortet. Wenn der Redner es zulässt, können auch Zwischenfragen an diesen gestellt werden. Dem politischen Gegner wird nur in Ausnahmefällen applaudiert, während der Applaus bei Rednern der eigenen Fraktion obligatorisch ist. Vom hämischen „Lachen“ ist – auch im stenografischen Protokoll – die „Heiterkeit“ zu unterscheiden, die eher positiv belegt ist: Es kann vorkommen, dass die

Stefan Schmidt - 72 - Ö-Recht Lernhilfe Bemerkung eines Mitgliedes der Regierungskoalition bei seinen Fraktionen „Heiterkeit“, bei der Opposition dagegen „Lachen“ hervorruft.

Abstimmungen

Die meisten Abstimmungen des Deutschen Bundestages finden durch Handzeichen statt. Bei der Schlussabstimmung wird jedoch mit Aufstehen und Sitzenbleiben abgestimmt.

Ist sich der Sitzungsvorstand über eine Mehrheit uneins, so wird der „Hammelsprung“ angeordnet. Dabei verlassen alle Abgeordneten den Saal und treten durch drei mit „Ja“, „Nein“ oder „Enthaltung“ zu identifizierende Türen wieder in den Plenarsaal zurück, während die Stimmen gezählt werden. Das Präsidium stimmt öffentlich ab.

Ist eine geheime Wahl gesetzlich vorgeschrieben, so findet nur für diesen Fall die Wahl mit verdeckten Stimmzetteln statt. Dabei erhält jeder Bundestagsabgeordnete gegen Vorlage seines Stimmausweises einen Stimmzettel, den er in einer Stimmkabine ausfüllen muss. Anschließend wirft er den verdeckten Stimmzettel in die Wahlurne.

Auf Antrag einer Fraktion oder einer entsprechenden Anzahl von Abgeordneten wird über eine Frage namentlich abgestimmt. Dabei wird bei jedem Bundestagsabgeordneten festgestellt, wie er gestimmt hat; die Stimmabgabe wird im stenografischen Protokoll vermerkt. Diese Abstimmungsart soll – gerade bei umstrittenen Sachfragen – jeden Abgeordneten zwingen, seine Entscheidung öffentlich darzulegen. Sie dient auch dazu, den politischen Gegner bloßzustellen, weil in Sachfragen von der Fraktionsmeinung abweichende Abgeordnete entweder gegen ihre persönliche Überzeugung fraktionskonform mitstimmen müssen und damit unglaubwürdig erscheinen oder stattdessen ihren eigenen Standpunkt vertreten und damit die inhaltliche Uneinigkeit ihrer Partei demonstrieren. Die Verwaltung des Deutschen Bundestages

Zentrale und Parlamentarische Dienste

Stenografin im Bundestag

Während der Plenarsitzungen schreiben die Parlamentsstenografen den Wortlaut der kompletten Debatte einschließlich der Zwischenrufe und Abstimmungsergebnisse mit.

Unterstützend und im Plenum sichtbar, sind die durch ihren dunkelblauen Frack leicht zu erkennenden Saaldiener.

Die Bundestagsabgeordneten können aus Mitteln des Bundestages eigene Assistenten einstellen. Ein spezielles Referat kümmert sich ausschließlich um diese Belange.

Wissenschaftliche Dienste und Pressezentrum

Stefan Schmidt - 73 - Ö-Recht Lernhilfe Den Abgeordneten steht der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages zur Verfügung. Dieser versorgt sie mit Gutachten, neuesten oder frisch aufbereiteten Informationen und Quellen. Während einer Legislaturperiode werden mehrere tausend Anfragen an den Wissenschaftlichen Dienst gestellt.

Die Bundestagsbibliothek als Teil des Wissenschaftlichen Dienstes bietet den Abgeordneten eine gute Basis zur Informationsbeschaffung. Mit 1,2 Millionen Bänden und 11.000 Zeitschriften gehört sie zu den wichtigen wissenschaftlichen Hilfsorganisationen des Bundestags. Zur Bundestagsbibliothek gehört auch das Parlamentsarchiv, das alle Plenarprotokolle und Drucksachen bereithält.

Das Pressezentrum des Bundestages wertet täglich viele in- und ausländische Zeitschriften auf der Suche nach für die Abgeordneten relevanten Informationen aus und bereitet für Journalisten die Arbeit des Bundestages auf. Der 16. Deutsche Bundestag (seit 2005)

Der bei der Bundestagswahl 2005 am 18. September gewählte 16. Deutsche Bundestag ist am 18. Oktober 2005 zusammengetreten.

Nach dem Endergebnis des Bundeswahlleiters ergibt sich nebenstehende Mandatsverteilung.

Die Abgeordneten haben bereits die künftigen Fraktionsvorsitzenden gewählt:

ƒ CDU und CSU bilden wiederum eine Fraktionsgemeinschaft, zu deren Vorsitzender zunächst Angela Merkel bestimmt wurde. Am 21. November 2005 wurde Volker Kauder anstelle der designierten Bundeskanzlerin Merkel zum Fraktionschef gewählt. ƒ Bei der SPD wurde Franz Müntefering abermals zum Fraktionsvorsitzenden gewählt. Am 21. November 2005 übernahm Peter Struck den Fraktionsvorsitz für den designierten Vizekanzler Müntefering. ƒ Den Vorsitz der FDP-Fraktion übernimmt bis Mai 2006 Wolfgang Gerhardt. Danach ist ein Wechsel zu Guido Westerwelle geplant. ƒ Die Doppelspitze bei der Fraktion der Linkspartei bilden Gregor Gysi und Oskar Lafontaine. ƒ Vorsitzende der Fraktion von Bündnis '90/DIE GRÜNEN sind Renate Künast und Fritz Kuhn. Geschichte

Geschichtliche Entwicklung

Deutschland hat auf nationaler Ebene keine große parlamentarische oder gar demokratische Tradition wie andere europäische Staaten oder die Vereinigten Staaten von Amerika. Vielmehr gab es mit Ausnahme des Hambacher Festes 1832 und ersten parlamentarischen Verfassungen in Süddeutschland

Stefan Schmidt - 74 - Ö-Recht Lernhilfe bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts keine systematischen Bestrebungen nach Parlamentarismus und Demokratie.

Ein erstes einigermaßen demokratisches Parlament war die Frankfurter Nationalversammlung, die 1848/1849 in der Frankfurter Paulskirche tagte und in seiner Paulskirchenverfassung eine demokratische konstitutionelle Monarchie für Deutschland vorsah. Der Grundrechtskatalog wurde maßgeblich für die zweite und dritte demokratische Verfassung Deutschlands, nämlich die Weimarer Verfassung und das Grundgesetz. Die Paulskirchenverfassung und mit ihr die Nationalversammlung scheiterten jedoch am Widerstand der Fürsten.

Reichstagsgebäude ca. 1900

Reichstagsgebäude 2005

Bis zur Reichsgründung 1871 gab es daher wiederum kein deutsches Parlament. Der im selben Jahr geschaffene Reichstag wurde zwar in allgemeiner, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt, hatte aber keinen Einfluss auf die Regierungsbildung; nur Männer besaßen zudem das aktive und passive Wahlrecht.

Erst die Weimarer Nationalversammlung von 1919 entwickelte die erste auch in der Realität angewandte demokratische Verfassung für das Deutsche Reich. Nach dem Inkrafttreten der Weimarer Verfassung fungierte die Nationalversammlung auch eine Zeit lang als Parlament bis sie schließlich durch den gewählten Reichstag abgelöst wurde.

Mit dem Beschluss des Ermächtigungsgesetzes 1933 endete auch die demokratische Phase des Reichstags. Als Institution blieb er zwar bestehen, verlor aber seine Aufgabe als gesetzgebendes und die Regierung kontrollierendes Organ.

Nach der bedingungslosen Kapitulation am Ende des Zweiten Weltkrieges entstand eine parlamentslose Zeit, da die Deutschen keine Hoheitsrechte mehr innehatten. Mit dem Fortschreiten des Ost-West-Konfliktes sahen die drei westlichen Alliierten, die USA, das Vereinigte Königreich und Frankreich, allerdings die Notwendigkeit, einen westdeutschen Staat zu errichten. Am 1. September 1948 nahm der Parlamentarische Rat in Bonn seine Arbeit auf: Seine Aufgabe war die Schaffung eines (vorläufigen) Grundgesetzes für Westdeutschland. Die Hoffnung auf eine baldige Wiedervereinigung

Stefan Schmidt - 75 - Ö-Recht Lernhilfe der drei westlichen und der von der Sowjetunion besetzten „Ostzone“ zerfiel jedoch. Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet, es trat am folgenden Tag in Kraft. Am 7. Oktober wurde die bisherige Ostzone zur Deutschen Demokratischen Republik.

Die Einrichtung eines „Volkstages“, diese Bezeichnung wurde erst relativ spät in „Bundestag“ geändert, mit weit reichenden Befugnissen war im Parlamentarischen Rat im Vergleich zur Struktur des späteren Bundesrates wenig umstritten. Auch die diskutierten Rechte und Pflichten stimmen im Wesentlichen mit denen überein, die der Bundestag heute tatsächlich innehat.

Nach der Wiedervereinigung wechselte der Bundestag 1999 im Zuge des Hauptstadtbeschlusses aus dem Jahre 1991 von Bonn in das Reichstagsgebäude in Berlin.

Erster Bundestag (1949–1953)

Bundestagswahlergebnisse

Der 1. Deutsche Bundestag, der am 14. August 1949 gewählt worden war, trat am 7. September 1949 in Bonn zu seiner ersten Sitzung zusammen. Noch vor ihm war der Bundesrat erstmals zusammengekommen. Die beiden legislativen Staatsorgane waren damit konstituiert. Die erste Sitzung wurde von Alterspräsident Paul Löbe geleitet, bis schließlich Erich Köhler zum ersten Bundestagspräsidenten gewählt wurde. Am 12. September wurde Theodor Heuss von der Bundesversammlung zum ersten Bundespräsidenten, am 15. September Konrad Adenauer vom Bundestag zum ersten Bundeskanzler gewählt. Nachdem Präsident Köhler auch die Unterstützung seiner eigenen Fraktion verloren hatte, wurde 1950 Hermann Ehlers zum zweiten Bundestagspräsidenten gewählt.

Der 1. Bundestag hatte die schwierige Aufgabe, die Folgen von Krieg und Vertreibung durch gesetzliche Maßnahmen im erträglichen Rahmen zu halten. Ebenso musste er die gesetzlichen Rahmenbedingungen für ein Wirtschaftswachstum und den Wiederaufbau der Infrastruktur setzen. Wichtige Gesetze waren die zum Lastenausgleich, aber auch die Ratifikation des außenpolitisch wichtigen Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion). Hinzu kamen Beschlussfassungen über das Betriebsverfassungsgesetz, das Wohnungsbaugesetz und das Kartellgesetz, das zum Aufkommen des Wirtschaftswunders beitrug. Auch die Wiedergutmachungsabkommen, die die Bundesregierung mit dem Staat Israel schloss, bedurften der Genehmigung durch den Bundestag. Bereits im November 1949 kam es zu einem Eklat, als der SPD- Fraktionsvorsitzende Kurt Schumacher Bundeskanzler Adenauer als „Bundeskanzler der Alliierten“ bezeichnete und dafür vorübergehend aus dem Bundestag ausgeschlossen wurde.

Zweiter Bundestag (1953–1957)

Stefan Schmidt - 76 - Ö-Recht Lernhilfe Der 2. Bundestag wurde 1953 gewählt. Auf seiner ersten Sitzung, die zunächst von Alterspräsidentin Marie Elisabeth Lüders geleitet wurde, wurde Hermann Ehlers wieder zum Bundestagspräsidenten gewählt. Auch die Wahl des Bundeskanzlers fiel zum zweiten Mal auf Konrad Adenauer. 1954 war Theodor Heuss' Wiederwahl zum Bundespräsidenten unumstritten. Nach dem plötzlichen Tod von Hermann Ehlers 1954 wurde dessen Nachfolger (bis 1969) als Bundestagspräsident. Bei seiner Wahl am 16. November gab es dabei den im Bundestag einmaligen Fall, dass zwei Fraktionskollegen gegeneinander um das Amt des Bundestagspräsidenten kandidierten: Gegen den „offiziellen“ CDU/CSU-Kandidaten Gerstenmaier, der vielen Abgeordneten auch der Regierungskoalition zu kirchennah war, trat der von dem FDP-Abgeordneten Hans Reif vorgeschlagene an und verlor erst im dritten Wahlgang mit lediglich 14 Stimmen Unterschied.

Auch der 2. Bundestag musste noch wesentlich für die Konsolidierung des deutschen Staatswesens kämpfen. Auch wenn durch das Wirtschaftswunder viele deutliche Verbesserungen möglich waren, bedurften die wesentlichen Weichenstellungen der Zustimmung des Bundestages. In seine Legislatur fielen die Rentenreform hin zur dynamischen Rente, die Zustimmung zu den Römischen Verträgen und zur letztlich scheiternden Europäischen Verteidigungsgemeinschaft. Auch die Tatsache, dass die Bundesrepublik 1955 wieder zum größten Teil souverän wurde und damit außenpolitisch handlungsfähiger wurde, erweiterte die Aufgaben des Bundestages. Schließlich war die Wiederbewaffnung und der Aufbau der Bundeswehr mit dem NATO-Beitritt eine wichtige Entwicklung, die gesetzgeberisch von ihm begleitet werden musste. Hierzu gehört auch der erste größere Umbau des Grundgesetzes mit der Einfügung einer Wehrverfassung. Diese Veränderungen erfolgten gegen den starken Widerstand der SPD-Opposition.

Dritter Bundestag (1957–1961)

Der 3. Bundestag wurde 1957 gewählt. Auf seiner ersten Sitzung, die zunächst wiederum von Alterspräsidentin Marie Elisabeth Lüders geleitet wurde, wurde Eugen Gerstenmaier wieder zum Bundestagspräsidenten und Konrad Adenauer wieder zum Bundeskanzler gewählt. Bei der Bundespräsidentenwahl 1959 fiel die Wahl nach dem Rückzug Adenauers auf den CDU-Politiker Heinrich Lübke, der damit zweiter Bundespräsident wurde.

Die Legislaturperiode verlief zunächst ohne große Besonderheiten. 1959 verkündete die SPD jedoch das Godesberger Programm, mit dem sie die Abkehr von einer Klassenkampfpartei hin zu einer sozialdemokratischen Volkspartei vornahm. 1960 erklärte der SPD-Abgeordnete , dass die SPD fortan die Westbindung und die Integration in die westeuropäischen Vertragssysteme mittragen würde. Der Bau der Berliner Mauer 1961 fiel mitten in den Wahlkampf.

Vierter Bundestag (1961–1965)

Auf der konstituierenden Sitzung des 4. Bundestages, die von Robert Pferdmenges als Alterspräsident geleitet wurde, wurde Eugen Gerstenmaier erneut zum Bundestagspräsident und Konrad Adenauer zum vierten Mal zum Bundeskanzler gewählt. Nach Adenauers Rücktritt 1963 wurde Ludwig Erhard gegen den entschiedenen Widerstand seines Vorgängers neuer Bundeskanzler. Die Bundespräsidentenwahl 1964 verlief dagegen unproblematischer: Heinrich Lübke wurde erneut in das Präsidentenamt berufen.

Gesetzgeberisch fielen wichtige Entscheidungen in die vierte Legislaturperiode: Der Vertrag über die Deutsch-französische Freundschaft wurde Anfang 1963 noch von Adenauer unterzeichnet und im Bundestag ratifiziert. Der Bundestag bewies jedoch seine Eigenwilligkeit durch die Voransetzung Stefan Schmidt - 77 - Ö-Recht Lernhilfe einer Präambel, die auf die verbleibenden Bündnisverpflichtungen zu den anderen westlichen Partnern hinwies. Die Spiegel-Affäre 1962 stellte den Anfang vom Ende der Regierung Adenauer dar: Adenauer und sein Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß führten einen Rachefeldzug gegen das kritische Nachrichtenmagazin: Strauß musste zurücktreten, Adenauer war angeschlagen. Im Zuge der Affäre traten auch alle FDP-Minister zurück. Den Wiedereinstieg der FDP in die Regierung musste Adenauer mit dem Versprechen erringen, 1963 zurückzutreten. Erhards Stil, der von dem der Kanzlerdemokratie Adenauers deutlich abwich und an viele Interessengruppen Geschenke verteilte, wurde mit dem Eintritt einer leichten konjunkturellen Krise fragwürdig. Eine wichtige Diskussion, die heute zu den „Sternstunden“ des Parlaments gezählt wird, war die Debatte über die Verjährungsfristen, die 1965 zwanzig Jahre nach dem Ende des nationalsozialistischen Regimes begann; letztendlich obsiegte die Seite derer, die eine Aufhebung oder zumindest Verlängerung der Verjährungsfristen verlangten. Auch die beginnende Entspannungspolitik zum Osten hin war Thema im Bundestag.

Fünfter Bundestag (1965–1969)

Die Amtszeit des fünften Bundestags, die nach der Wahl 1965 begann, war vom Ende der Kanzlerschaft Ludwig Erhards und von der Großen Koalition unter geprägt. Auf der konstituierenden Sitzung, die von Alterspräsident Konrad Adenauer geleitet wurde, wurde Eugen Gerstenmaier erneut zum Bundestagspräsidenten gewählt. Nach Erhards Rücktritt 1966 wurde schließlich Kiesinger zum dritten Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt. Erstmals kam die SPD mit Vizekanzler Willy Brandt in die Regierungsverantwortung. Die Wahl von Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten 1969 gab schon einen Hinweis auf die sozialliberale Koalition ab 1969.

Die für damalige Verhältnisse starke Rezession führte zu einer Regierungskrise, in deren Verlauf im Oktober 1966 die FDP-Minister zurücktraten und Ludwig Erhard nach der Vereinbarung von CDU/CSU und SPD über eine Großen Koalition zu Gunsten von Kurt Georg Kiesinger zurücktrat. Auf diese Weise wurde das „natürliche“ Gleichgewicht einer etwa gleichen Stärke von Regierungskoalition und Opposition ausgehebelt: Mehr als 400 Abgeordneten von Union und SPD standen nur noch gut 50 Abgeordnete der FDP entgegen. Zwar nahmen auch die Regierungsfraktionen zunehmend eine kritischere Haltung zur Bundesregierung ein, dennoch entstand eine außerparlamentarische Opposition (APO), die sich aus dem Protest gegen die ihrer Meinung nach undemokratische Große Koalition speiste. Wichtigstes Thema der Großen Koalition war die Verabschiedung der Notstandsgesetze und mit ihr die zweite große Veränderung des Grundgesetzes. Die APO protestierte hier besonders gegen die vermeintliche Möglichkeit eines Staatsstreiches durch Gemeinsamen Ausschuss und Bundesregierung, trat aber auch gegen die Verdeckung der Verwicklungen der Elterngeneration in den Nationalsozialismus ein und fand im ehemaligen NSDAP- Mitglied und nunmehrigen Bundeskanzler Kiesinger ein lohnenswertes Ziel. Die politisch zumeist links von der SPD angesiedelte APO protestierte jedoch auch gegen Vietnam-Krieg und Kapitalismus. Die Diskussion über die Einführung des Mehrheitswahlrechts, die zunächst sehr wahrscheinlich erschien, erstickte am Widerstand innerhalb der SPD. Wichtige weitere Themen waren die rechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder und das Stabilitätsgesetz, das die wirtschaftspolitischen Maßstäbe der Politik der Bundesregierung setzte. Auch die Finanzverfassung wurde reformiert. Die Entspannung gegenüber dem Ostblock begann, wurde aber immer wieder von Rückschlägen unterbrochen.

Sechster Bundestag (1969–1972)

Der sechste Bundestag war ein Bundestag der verfassungsrechtlichen Erstanwendungen: Erstmals wurde ein konstruktives Misstrauensvotum und die Vertrauensfrage des Bundeskanzlers gestellt,

Stefan Schmidt - 78 - Ö-Recht Lernhilfe erstmals wurde der Bundestag aufgelöst. Schon der Anfang der Legislaturperiode war von Umbrüchen geprägt: Erstmals koalierten SPD und FDP miteinander, erstmals wurde die Union in die Opposition gedrängt. Alterspräsident William Borm saß zwar noch der Wahl des CDU-Politikers Kai-Uwe von Hassel zum Bundestagspräsidenten vor, doch schon anschließend wurde mit Willy Brandt erstmals ein Sozialdemokrat ins Kanzleramt gewählt.

Der Beginn der Regierung Brandt war innenpolitisch davon gekennzeichnet, den von den Regierenden als „Mief“ bezeichneten Rest der Ära Adenauer zu beseitigen. Die neue sozialliberale Regierung wollte nach den Worten der Regierungserklärung Brandts in Staat und Gesellschaft „mehr Demokratie wagen“, das Strafrecht liberalisieren, unter anderem durch Entkriminalisierung von Homosexualität und Gotteslästerung, finanziell schwächer Gestellten mehr Chancen in der Bildungspolitik einräumen, den Sozialstaat ausbauen und den Umweltschutz anpacken. Die wichtigste Neuerung war jedoch ein völlig neues Konzept in der Außenpolitik: die so genannte Ostpolitik. Willy Brandt gelang es gegen heftigen Widerstand der konservativen Opposition, die Aussöhnung mit der Sowjetunion, mit Polen und mit der Tschechoslowakei voranzutreiben und auch die Beziehungen zur DDR auf eine neue Grundlage zu stellen. Einige Angehörige der Regierungsfraktionen verließen aus Protest gegen diese Politik die Koalition und schlossen sich der Opposition aus CDU und CSU an. Diese versuchte schließlich am 27. April 1972, Bundeskanzler Willy Brandt per konstruktivem Misstrauensvotum durch ihren Fraktionsvorsitzenden, , zu ersetzen. Durch eine später bewiesenen Gerüchten zu Folge gekaufte Abstimmung verlor Barzel jedoch knapp das Misstrauensvotum. Schließlich einigten sich Bundesregierung und Opposition auf einen Kompromiss; der Bundestag beschloss die Ostverträge. Dennoch bestand weiterhin ein Patt zwischen Koalition und Opposition, sodass Brandt am 22. September 1972 die Vertrauensfrage stellte und absichtlich verlor. Bereits einen Tag später löste Bundespräsident Gustav Heinemann den Bundestag auf und schrieb Neuwahlen aus.

Siebter Bundestag (1972–1976)

Die konstituierende Sitzung des 7. Bundestages nach der Bundestagswahl 1972 wurde von Alterspräsident Ludwig Erhard geleitet. Mit wurde erstmals eine Frau und erstmals eine Sozialdemokratin in das Amt des Bundestagspräsidenten gewählt. Willy Brandt wurde als Bundeskanzler wiedergewählt. Sein Rücktritt wegen der Spionage-Affäre um Günter Guillaume 1974 führte zur Wahl Helmut Schmidts zum Bundeskanzler. Wenige Wochen später wurde Walter Scheel von der Bundesversammlung zum vierten Bundespräsidenten gewählt.

Außenpolitisch spielten der Grundlagenvertrag mit der DDR, der die Einrichtung Ständiger Vertretungen beinhaltete, ebenso eine wichtige Rolle wie der Beitritt beider deutscher Staaten zur UNO. Beide Verträge mussten vom Bundestag ratifiziert werden. Insgesamt deutete sich jedoch an, dass auch die Union der Ostpolitik der sozialliberalen Regierung zunehmend weniger feindselig entgegenstand. Innenpolitisch gab es aber bei der Diskussion um den Abtreibungsparagrafen 218 im Strafgesetzbuch und die Reform des Scheidungsrechts großen Streit zwischen den beiden Lagern. Ohne grundsätzliche Diskussionen wurde jedoch das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAFöG) beschlossen. Der Terrorismus, der bei den Olympischen Spielen in München 1972 bereits sein Antlitz gezeigt hatte, spielte eine wichtigere Rolle, insbesondere durch das Aufkommen der Baader-Meinhof- Gruppe und später der RAF. Doch auch die Ölkrise 1973 hatte große Auswirkungen auf die Politik; die Umweltpolitik trat zunehmend in den Vordergrund.

Achter Bundestag (1976–1980)

Stefan Schmidt - 79 - Ö-Recht Lernhilfe Der achte Bundestag, der 1976 gewählt wurde, wurde von Alterspräsident Ludwig Erhard eröffnet, anschließend wurde Karl Carstens zum sechsten Bundestagspräsidenten gewählt. Er wurde nach der Bundespräsidentenwahl 1979 fünfter Bundespräsident, Richard Stücklen trat seine Nachfolge als Bundestagspräsident an.

Die Legislaturperiode des achten Bundestages fiel in außen- wie innenpolitisch schwierige Zeiten. Während 1977 der Terror der RAF mit der Ermordung von Hanns-Martin Schleyer und der Entführung der Lufthansa-Maschine „Landshut“ nach Mogadischu tobte, ging die Bundesregierung und mit ihr der Bundestag gesetzgebungstechnisch „bis an den Rand des verfassungsrechtlich Möglichen“. So wurde beispielsweise durch ein Eilgesetz eine Kontaktsperre über die in Stuttgart- Stammheim einsitzenden RAF-Terroristen verhängt, die somit nicht mit ihren Rechtsanwälten kommunizieren durften. Außenpolitisch sorgten der Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan und der NATO-Doppelbeschluss für ein Wiederaufleben der Friedensbewegung.

Neunter Bundestag (1980–1983)

Der neunte Bundestag, gewählt 1980, erlebte zwei Vertrauensfragen sowie ein konstruktives Misstrauensvotum und wurde schließlich Anfang 1983 aufgelöst. In der von Alterspräsident Herbert Wehner geleiteten konstituierenden Sitzung wurde Richard Stücklen wieder zum Bundestagspräsidenten gewählt. Bundeskanzler stellte Anfang 1982 eine positiv beantwortete Vertrauensfrage. Nichtsdestotrotz war seine Regierung im Oktober 1982 zu Ende, als er durch ein konstruktives Misstrauensvotum von CDU/CSU und seinem ehemaligen Koalitionspartner, der FDP, durch Helmut Kohl ersetzt wurde. Dieser stellte im Dezember 1982 die Vertrauensfrage und verlor absichtlich. Trotz schwerer verfassungsrechtlicher Bedenken löste Bundespräsident Carstens schließlich den Bundestag auf.

Die Nachwirkungen des NATO-Doppelbeschlusses sorgten innerhalb der SPD, Spannungen über den Bundeshaushalt und den Sozialstaat innerhalb der Koalition für Zermürbung: Schließlich scheiterte die Regierung im Sommer 1982, die FDP wechselte unter schweren innerparteilichen Auseinandersetzungen die Koalition und wurde Partner in einer christlich-liberalen Regierung. Nachdem einige wenige als „dringlich“ bezeichnete Programme durch den Bundestag geschleust worden waren, endete der Bundestag auch schon nach der verfassungsrechtlich nicht unumstrittenen Auflösungsentscheidung des Bundespräsidenten.

Zehnter Bundestag (1983–1987)

Der 1983 gewählte zehnte Bundestag, in den mit den Grünen erstmals seit Jahrzehnten wieder eine neue politische Kraft einzog, wurde von Alterspräsident Willy Brandt eröffnet. Anschließend wurde Rainer Barzel zum siebten Bundestagspräsidenten und Helmut Kohl erneut zum Bundeskanzler gewählt. Bei der Bundespräsidentenwahl 1984 wurde Richard von Weizsäcker zum sechsten Bundespräsidenten gewählt. Im selben Jahr trat Barzel wegen seiner Verwicklung in die Flick-Affäre als Bundestagspräsident zurück, sein Nachfolger wurde Philipp Jenninger. 1986 zog der Bundestag in das alte Wasserwerk auf dem Gelände des Bundestages um, da der bisherige Sitzungssaal baufällig geworden war.

Die Politik der Bundesregierung Kohl und der sie tragenden Mehrheit im Bundestag war in der ersten Hälfte ihrer Amtszeit geprägt vom Versuch, die schon damals relativ hohe Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Dazu wurden verschiedene Gesetze vom Bundestag verabschiedet, die die wirtschaftliche Situation des Landes verbessern sollten. Die Flick-Affäre sorgte für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Der 40. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai 1985 heizte die Stefan Schmidt - 80 - Ö-Recht Lernhilfe Diskussion um den Umgang mit dem Zweiten Weltkrieg an, die Katastrophe von Tschernobyl 1986 verstärkte die Debatte über eine bessere Umweltgesetzgebung. Die für 1987 geplante Volkszählung scheiterte an einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes. Außenpolitisch blieben die Bundesregierung und der Bundestag bei einem harten Kurs: Der NATO-Doppelbeschluss wurde umgesetzt. Dennoch wurde die Entspannungspolitik mit der DDR vorangetrieben. In diese Legislaturperiode fällt auch der berühmt gewordene, an Bundestagsvizepräsident Stücklen gerichtete Satz des Grünen-Politikers Joschka Fischer: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.“, der fiel, nachdem Stücklen Jürgen Reents des Bundestags verwiesen hatte.

Elfter Bundestag (1987–1990)

Plenarsaal im alten Bonner Wasserwerk (1986–1992)

Die Arbeit des elften Bundestag begann nach der Wahl 1987 durch die konstituierende Sitzung, die von Alterspräsident Willy Brandt geleitet wurde. Philipp Jenninger wurde wieder zum Bundestagspräsidenten, Helmut Kohl wieder zum Bundeskanzler gewählt. Nach einer Rede zum 50. Jahrestag der Reichspogromnacht musste Jenninger 1988 zurücktreten, da ihm sprachliche Ungenauigkeit bei der Benennung der Beweggründe der Täter vorgeworfen wurde. Seine Nachfolgerin wurde Rita Süssmuth. Bei der Bundespräsidentenwahl 1989 wurde Richard von Weizsäcker wiedergewählt.

Die weltpolitischen Ereignisse, in deren Mittelpunkt 1989 und 1990 die Bundesrepublik Deutschland stand, prägten auch die Arbeit des Bundestages. Einer größeren Gesundheitsreform 1989 folgte der Tag der Maueröffnung am 9. November des gleichen Jahres, bei deren Bekanntwerden im Bundestag die Nationalhymne angestimmt wurde. Wenige Wochen später stellte Helmut Kohl dem Bundestag und der Weltöffentlichkeit seinen Zehnpunkteplan zur deutschen Einheit vor. Nach der Genehmigung der Wiedervereinigung durch die Sowjetunion behandelte der Bundestag die durch den rasanten Einigungsprozess notwendigen Gesetzesänderungen. Insbesondere der Einigungsvertrag musste ratifiziert werden.

Zwölfter Bundestag (1990–1994)

Stefan Schmidt - 81 - Ö-Recht Lernhilfe

Plenarsaal des Bundestags 1992–1999

Am 20. Dezember 1990 nahm zum ersten Mal seit 1932 ein frei gewähltes gesamtdeutsches Parlament seine Arbeit auf. Mit der PDS zog eine weitere politische Kraft in den Bundestag ein, allerdings nicht in Fraktionsstärke. In der von Alterspräsident Willy Brandt geleiteten ersten Sitzung wurde Rita Süssmuth erneut zur Bundestagspräsidentin und einige Wochen später Helmut Kohl erneut zum Bundeskanzler gewählt. Bei der Bundespräsidentenwahl 1994 wurde Roman Herzog zum siebten Bundespräsidenten gewählt. 1992 fand erstmals eine Sitzung im neu erbauten Bundestagsgebäude in Bonn statt.

Hauptaufgabe des neuen Bundestages war die Bewältigung der schweren Aufgaben, die durch die so schnelle Wiedervereinigung auf Deutschland zukamen. Die Wirtschaft in der ehemaligen DDR war zusammengebrochen, ein Aufbau Ost nötig. Die Abwicklung der vielen Staatsbetriebe wurde durch die Treuhandanstalt übernommen. Dennoch musste ein milliardenschwerer Solidarpakt eingeführt werden, mit dem Westdeutschland die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage Ostdeutschlands finanzierte. Eine in Betracht gezogene Großrevision des Grundgesetzes fand nicht statt, dafür wurden mehrere kleinere Änderungen in die nunmehr gesamtdeutsche Verfassung übernommen. Erneut kam – wegen der unterschiedlichen Behandlung des Falles in Ost und West – die Frage des Schwangerschaftsabbruchs auf Tapet. Schließlich fiel – in einer weiteren „Sternstunde“ des Parlaments 1991 – die knappe Entscheidung, dass die Bundesorgane bis 1999 von Bonn nach Berlin umziehen sollten. Ein weiteres bedeutendes innenpolitisches Thema war die Eindämmung des Asylmissbrauchs. Da hierzu das Grundgesetz geändert werden musste, kam es zum Asylkompromiss zwischen Bundesregierung und Opposition. Rechtspolitisch wichtige Entscheidungen waren die Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung; daneben wurde eine Pflegeversicherung eingeführt. Auch außenpolitisch änderte sich für das größere Deutschland Einiges: Nach der Ratifikation des Zwei-plus-vier-Vertrages 1991 stand die Ratifikation des Vertrags von Maastricht zur Gründung der Europäischen Union auf dem Programm. Außerdem wies das Bundesverfassungsgericht dem Bundestag weitere Verantwortung zu, indem es zu jedem Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes seine Zustimmung verlangte. Eine etwas abseitige Debatte gab es am 25. Februar 1994, als im Bundestag kontrovers über die Verhüllung des Reichstagsgebäudes durch die Künstler Christo und Jeanne-Claude diskutiert wurde. Die Verhüllung fand schließlich im Juni 1995 statt.

Dreizehnter Bundestag (1994–1998)

Der dreizehnte Bundestag, der aus der Bundestagswahl 1994 hervorgegangen war, wählte in seiner konstituierenden Sitzung unter Leitung von Alterspräsident Stefan Heym Rita Süssmuth erneut zu seiner Präsidentin. Auch Helmut Kohl wurde zum fünften Mal zum Bundeskanzler gewählt.

Auch der zweite nach der Wiedervereinigung gewählte Bundestag musste sich mit den Problemen des Aufbaus Ost beschäftigen. Hinzu kam verschärfend die immer deutlicher werdende Globalisierung.

Stefan Schmidt - 82 - Ö-Recht Lernhilfe Der Bundestag versuchte in Abstimmung mit der Bundesregierung, den Wirtschaftsstandort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten und zu stärken, gleichzeitig aber den Sozialstaat so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Eine wichtige Änderung war die Rentenreform von 1997, die gegen den Widerstand der Opposition zustande kam. Außenpolitisch wichtig war die Zustimmung des Bundestages zum Vertrag von Amsterdam und zur Einführung des Euro.

Vierzehnter Bundestag (1998–2002)

Plenarsaal des Bundestages im Reichstagsgebäude

Aus der Bundestagswahl 1998 ging ein völlig veränderter Bundestag hervor. Alterspräsident Fred Gebhardt konnte mit Wolfgang Thierse erstmals seit 26 Jahren einem SPD-Politiker zur Übernahme des Amtes des Bundestagspräsidenten gratulieren. Bedeutender war jedoch, dass Gerhard Schröder zum siebten Bundeskanzler der Bundesrepublik gewählt wurde. 1999 zog der Bundestag nach Berlin ins Reichstagsgebäude um. 2001 stellte der Bundeskanzler die Vertrauensfrage.

Kernpunkte der neuen rot-grünen Bundesregierung waren die ökologische Steuerreform, der Atomausstieg, die Rücknahme der sozialpolitischen Einschnitte der Vorgängerregierung und ein neues Zuwanderungsgesetz. Hinzu kam die Diskussion über eine Zwangsarbeiterentschädigung. Während die ersten drei Punkte umgesetzt wurden, musste die Koalition beim Zuwanderungsgesetz eine Niederlage durch den nunmehr unionsgeführten Bundesrat einstecken. Außenpolitisch prägend waren Kriegseinsätze, 1999 im Kosovo und 2001 in Afghanistan, nachdem Bundeskanzler Schröder diesen Einsatz der Bundeswehr mit der Vertrauensfrage verbunden hatte. Erst beim Irak-Krieg 2002 stellte sich die Bundesregierung gegen den Kriegskurs der USA. Diese Entscheidung kurz vor der Bundestagswahl wird zusammen mit dem als gut erachteten Krisenmanagement während der Jahrhundertflut als wichtige Grundlage für die knappe Wiederwahl gesehen.

Fünfzehnter Bundestag (2002–2005)

Die Bundestagswahl 2002 konnte von der rot-grünen Regierung knapp gewonnen werden. Daher konnte Alterspräsident Otto Schily auch Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Bundeskanzler Gerhard Schröder zur Wiederwahl gratulieren. 2004 wurde Horst Köhler zum Bundespräsidenten gewählt. Nach der Niederlage bei einer Landtagswahl stellte der Bundeskanzler 2005 die Vertrauensfrage, die er absichtlich verlor. Anschließend löste Bundespräsident Köhler den Bundestag auf; diese Entscheidung wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.

Nach der knappen Wiederwahl entschied sich Bundeskanzler Schröder, ein Reformprogramm anzugehen. Dazu stellte er im März 2003 seine Agenda 2010 vor, die massive Einschnitte ins Sozialsystem enthielt und dabei auch vor der Rücknahme der Rücknahme der sozialpolitischen Einschnitte der Regierung Kohl nicht zurückschreckte. Gegen massiven Protest der Gewerkschaften

Stefan Schmidt - 83 - Ö-Recht Lernhilfe beschloss der Bundestag Gesetze wie Hartz IV, mit denen das Staatswesen saniert werden sollte. Das Zuwanderungsgesetz wurde nach einem Kompromiss mit dem Bundesrat verabschiedet. Die Fortführung des innenpolitischen Reformkurses und der Kampf gegen den Rechtsextremismus – ein Verbotsantrag des Bundestages gegen die NPD scheiterte 2003 – standen ebenso auf dem weiteren Programm wie außenpolitisch die Ratifikation der Europäischen Verfassung.

Sechzehnter Bundestag (ab 2005)

Die Bundestagswahl 2005 führte zu einem Ergebnis, in dessen Folge auch unkonventionelle Koalitionsmodelle (Jamaika-Koalition) diskutiert wurden. Alterspräsident Otto Schily konnte dem CDU-Politiker Norbert Lammert zur Wahl ins Amt des Bundestagspräsidenten gratulieren. Einen Monat nach der Konstituierung wählte der Bundestag die CDU-Politikerin Angela Merkel zur Bundeskanzlerin.

Eines der ersten Projekte der Großen Koalition ist die Beschlussfassung über die Föderalismusreform.

Wahlperioden des Deutschen Bundestages

Von 1949 bis 1976 musste die Bundestagswahl im letzten Vierteljahr der Wahlperiode stattfinden; die Wahlperiode dauerte exakt vier Jahre. Im Fall der Auflösung des Bundestages gab es eine parlamentslose Zeit, ebenso zwischen dem Ende der Vierjahresperiode und dem Zusammentritt eines neuen Bundestages.

Von 1980 bis 1998 fand die Bundestagswahl frühestens 45, spätestens 47 Monate nach Beginn der Wahlperiode statt; die Wahlperiode endete aber in jedem Fall mit dem Zusammentritt des neuen Bundestages.

Seit 2002 findet die Bundestagswahl frühestens 46, spätestens 48 Monate nach Beginn der Wahlperiode statt.

Der 6. Deutsche Bundestag (1972), der 9. Deutsche Bundestag (1983) und der 15. Deutsche Bundestag (2005) wurden aufgelöst. In diesen Fällen musste die Neuwahl spätestens sechzig Tage nach der Auflösungsverfügung des Bundespräsidenten stattfinden; diese Regelung gilt auch für zukünftige Auflösungen des Bundestages.

ƒ 1. Wahlperiode: 7. September 1949–7. September 1953, ƒ 2. Wahlperiode: 6. Oktober 1953–6. Oktober 1957, ƒ 3. Wahlperiode: 15. Oktober 1957–15. Oktober 1961, ƒ 4. Wahlperiode: 17. Oktober 1961–17. Oktober 1965, ƒ 5. Wahlperiode: 19. Oktober 1965–19. Oktober 1969, ƒ 6. Wahlperiode: 20. Oktober 1969–23. September 1972, ƒ 7. Wahlperiode: 13. Dezember 1972–14. Dezember 1976, ƒ 8. Wahlperiode: 14. Dezember 1976–4. November 1980, ƒ 9. Wahlperiode: 4. November 1980–29. März 1983, ƒ 10. Wahlperiode: 29. März 1983–18. Februar 1987, ƒ 11. Wahlperiode: 18. Februar 1987–20. Dezember 1990, ƒ 12. Wahlperiode: 20. Dezember 1990–10. November 1994, ƒ 13. Wahlperiode: 10. November 1994–26. Oktober 1998, ƒ 14. Wahlperiode: 26. Oktober 1998–17. Oktober 2002, ƒ 15. Wahlperiode: 17. Oktober 2002–18. Oktober 2005 ƒ 16. Wahlperiode: seit 18. Oktober 2005

Stefan Schmidt - 84 - Ö-Recht Lernhilfe Fraktionen im Deutschen Bundestag

Die CDU, die CSU (seit 1949 in Fraktionsgemeinschaft), die SPD und die FDP sind seit dem 1. Bundestag in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten.

Die Deutsche Partei war in den Bundestagen von 1949 bis 1961 vertreten, seit 1953 jedoch nur dank des Gewinns von Direktmandaten. 1957 gab es eine Absprache mit der CDU, die in einigen Wahlkreisen nicht antrat, damit die dortigen DP-Kandidaten deutlich größere Chancen hatten.

Von 1949 bis 1953 waren die Bayernpartei (BP), das Zentrum, die Wiederaufbauvereinigung (WAV), die Deutsche Reichspartei (DRP), der Südschleswigsche Wählerverband – allesamt nicht in Fraktionsstärke – und drei unabhängige Direktkandidaten im Bundestag vertreten. Die Vielzahl der verschiedenen Gruppen ist daraus erklärlich, dass eine Partei nur in einem Bundesland die Fünfprozenthürde überspringen musste, um im Bundestag vertreten zu sein. Diese Regel wurde schon zur Bundestagswahl 1953 abgeschafft.

Von 1953 bis 1957 waren neben den drei großen Fraktionen und der Deutschen Partei nur der Gesamtdeutsche Block/Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten. Hinzu kamen nur drei Direktkandidaten des Zentrums.

Von 1961 bis 1983 waren nur die drei Fraktionen von CDU/CSU, SPD und FDP im Bundestag vertreten.

1983 kamen die Grünen (ab 1993 Bündnis 90/Die Grünen) hinzu, die bis auf die Zeit von 1990 bis 1994, als nur im ostdeutschen Wahlgebiet das Bündnis 90 in den Bundestag einzog, stets Fraktionsstärke hatten.

1990 schließlich zog die PDS, die umbenannte SED, in den Bundestag ein, sie war von 1990 bis 1998 in Gruppenstärke und von 1998 bis 2002 in Fraktionsstärke im Bundestag vertreten. Von 2002 bis 2005 waren nur zwei fraktionslose Mitglieder der PDS (ab Spätsommer 2005 Linkspartei) Abgeordnete des Bundestages. Im 16. Bundestag (seit 2005) ist die Linkspartei wieder in Fraktionsstärke vertreten.

Siehe auch: Politisches Spektrum

Sitzverteilungen in den Bundestagen

Sitzverteilungen in den Bundestagen (zu Beginn der Legislaturperioden) Bündnis Die Bundestag Legislatur Mandate CDU/CSU SPD FDP 90/Die DP Sonstige Linke.2 Grünen1 1949– 1. Bundestag 402 139 131 52 - - 17 633 1953 1953– 2. Bundestag 487 243 151 48 - - 15 304 1957 1957– 3. Bundestag 497 270 169 41 - - 17 - 1961 1961– 4. Bundestag 499 242 190 67 - - - - 1965

Stefan Schmidt - 85 - Ö-Recht Lernhilfe 1965– 5. Bundestag 496 245 202 49 - - - - 1969 1969– 6. Bundestag 496 242 224 30 - - - - 1972 1972– 7. Bundestag 496 225 230 41 - - - - 1976 1976– 8. Bundestag 496 243 214 39 - - - - 1980 1980– 9. Bundestag 497 226 218 53 - - - - 1983 1983– 10. Bundestag 498 244 193 34 27 - - - 1987 1987– 11. Bundestag 497 223 186 46 42 - - - 1990 1990– 12. Bundestag 662 319 239 79 8 17 - - 1994 1994– 13. Bundestag 672 294 252 47 49 30 - - 1998 1998– 14. Bundestag 669 245 298 43 47 36 - - 2002 2002– 15. Bundestag 603 248 251 47 55 2 - - 2005 16. Bundestag seit 2005 614 226 222 61 51 54 - -

1 1983 bis 1990 Die Grünen, 1990 bis 1994 Bündnis 90, seit 1994 Bündnis 90/Die Grünen 2 1990 bis 2005 PDS, seit 2005 Die Linkspartei. 3 BP 17, KPD 15, WAV 12, Zentrum 10, DKP-DRP 5, SSW 1, Unabhängige 3 4 GB-BHE 27, Zentrum 3

Stärkste Fraktionen und Parteien

Stärkste Fraktion war in der Zeit von 1949 bis 1972, von 1976 bis 1998 und seit 2005 die Fraktion der CDU/CSU, während zwischen 1972 und 1976 sowie zwischen 1998 und 2005 die SPD-Fraktion die stärkste war.

Da CDU und CSU wahlrechtlich verschiedene Parteien sind, war die SPD bis auf die Bundestagswahlen 1953, 1957 und 1990 stets stärkste Partei. In den drei genannten Jahren war die CDU stärkste Partei. Literatur

ƒ Wolfgang Ismayr: Der Deutsche Bundestag: Funktionen, Willensbildung, Reformansätze. Leske + Budrich, Opladen 1992, ISBN 3-8100-0828-1 ƒ Carl-Christian Kaiser, Wolfgang Kessel: Deutscher Bundestag 1949–1999. Olzog, 1999, ISBN 3789280151 ƒ Wolfgang Ismayr: Der Deutsche Bundestag im politischen System der Bundesrepublik Deutschland. Leske + Budrich, Opladen 2000, ISBN 3-8100-2308-6

Stefan Schmidt - 86 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ Heinrich Oberreuter (Hrsg.): Der Deutsche Bundestag im Wandel: Ergebnisse neuerer Parlamentarismusforschung. 2. Auflage. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2002, ISBN 3- 531-33684-3 ƒ Rupert Schick, Hermann J. Schreiner: So arbeitet der Deutsche Bundestag. Organisation und Arbeitsweise; die Gesetzgebung des Bundes (15. Wahlperiode). 17. Auflage. Neue Darmstädter Verlagsanstalt, Rheinbreitbach 2003, ISBN 3-87576-501-X ƒ Kürschners Volkshandbuch Deutscher Bundestag. Neue Darmstädter Verlagsanstalt, 2004, ISBN 3875765257 Weblinks

ƒ Website des Deutschen Bundestages ƒ Homepage des Bundeswahlleiters ƒ Das Bundestagswahlrecht und seine Paradoxa ƒ Wissenschaftliche Dienste des Bundestages. Rechte und Pflichten von Abgeordneten (PDF) ƒ Wissenschaftliche Dienste des Bundestages. Wahl des Bundeskanzlers (PDF)

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Freies Mandat aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Definition: Der gewählte Abgeordnete übt sein Mandat frei aus und ist dafür niemandem verantwortlich. Der Abgeordnete als Träger des freien Mandats ist insbesondere an keine Aufträge der Wähler, seiner Partei, oder seiner Fraktion gebunden.

Das freie Mandat ist in Deutschland rechtlich durch den Artikel 38 im Grundgesetz verankert. Dieser spricht den Abgeordneten des Bundestages von einer Bindung an den Parteiwillen oder eine andere Gruppe, zum Beispiel seinen Wahlkreis, bei seiner Entscheidungsfindung frei - im Gegensatz zu einem imperativen Mandat.

Stefan Schmidt - 87 - Ö-Recht Lernhilfe Der Abgeordnete ist bei der Entscheidungsfindung demnach nur seinem Gewissen unterworfen. Allerdings wird das freie Mandat in der Realität durch Fraktionsdisziplin eingeschränkt. Die im Artikel 21 GG festgeschriebene innerparteiliche Demokratie ermöglicht es der Partei, durch möglichen Ausschluss oder beispielsweise die Verweigerung der Wiederaufstellung des Kandidaten Einfluss auf seine Entscheidungsfindung zu nehmen. Dieses Druckmittel wird damit gerechtfertigt, dass dem Abgeordneten die Wahl meist nur durch eine Parteiliste ermöglicht wurde. Im Bundesrat gibt es dagegen kein freies Mandat.

In Österreich finden sich ähnliche Regelungen in Art 56 Abs 1 der Bundesverfassung.

Einordnung: Staat, Verfassung, Politik

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Kategorie: Staats- und Verfassungsrecht

Bundesverfassungsgericht aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ist das Verfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland. Als Hüter der deutschen Verfassung hat das Gericht eine Doppelrolle einerseits als unabhängiges Verfassungsorgan und andererseits als Teil der Judikativen Staatsgewalt auf dem speziellen Gebiet des Verfassungs- und Völkerrechts. Obwohl es Entscheidungen anderer Gerichte kontrolliert, gehört es nicht zum Instanzenzug, sondern überprüft sie wie bei anderen Staatsorganen als Akte der Staatsgewalt.

Das Bundesverfassungsgericht hat seinen Sitz in Karlsruhe und ist von einem Befriedeten Bezirk umgeben.

Stefan Schmidt - 88 - Ö-Recht Lernhilfe

Kollegium des Ersten Senats, 2004

Kollegium des Zweiten Senats, 2005

Gebäude des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe Inhaltsverzeichnis

Stefan Schmidt - 89 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ 1 Geschichte ƒ 2 Bindungswirkung und Gesetzeskraft ƒ 3 Organisation und Spruchkörper ƒ 4 Richter ƒ 4.1 Erster Senat ƒ 4.2 Zweiter Senat ƒ 4.3 Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts ƒ 5 Zuständigkeiten und Verfahrensarten (Überblick) ƒ 5.1 Verfassungsbeschwerde ƒ 5.2 Konkrete Normenkontrolle ƒ 5.3 Abstrakte Normenkontrolle ƒ 5.4 Organstreit ƒ 5.5 Bund-Länder-Streit ƒ 5.6 Parteiverbot ƒ 5.7 Verwirkung von Grundrechten ƒ 5.8 Wahlprüfung ƒ 5.9 Anklagen gegen den Bundespräsidenten oder Richteranklagen ƒ 5.10 Vorläufiger Rechtsschutz ƒ 6 Kritik am Bundesverfassungsgericht ƒ 6.1 Inhaltlich ƒ 6.2 Besetzung ƒ 7 Bedeutende Entscheidungen (thematisch geordnet) ƒ 7.1 Grundrechtsschutz allgemein und Prozessuales ƒ 7.2 Gewissensfreiheit ƒ 7.3 Kunstfreiheit ƒ 7.4 Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz) ƒ 7.5 Ehe und Familie ƒ 7.6 Unverletzlichkeit der Wohnung und Telekommunikationsfreiheit ƒ 7.7 Gleichheit vor dem Gesetz ƒ 7.8 Meinungs- und Pressefreiheit ƒ 7.9 Demonstrations- und Versammlungsfreiheit ƒ 7.10 Religionsfreiheit ƒ 7.11 Abtreibung ƒ 7.12 Rundfunk-Urteile ƒ 7.13 Universitäten und Berufsfreiheit ƒ 7.14 Eigentum ƒ 7.15 Staatsbürgerschaft ƒ 7.16 Parlamentsrechte und Gesetzgebung ƒ 7.17 Parteiverbote ƒ 7.18 EU-Recht ƒ 8 Bibliothek ƒ 9 Siehe auch ƒ 10 Literatur ƒ 11 Weblinks

Geschichte

Verfassungsgerichtsbarkeit ist in Deutschland keine Erfindung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Bereits Institutionen wie das Reichskammergericht ab 1495 und der Reichshofrat ab 1518

Stefan Schmidt - 90 - Ö-Recht Lernhilfe sprachen Recht zwischen Staatsorganen. Nach der Paulskirchenverfassung 1849 hätte das Reichsgericht mit verfassungsrechtlichen Kompetenzen ausgestattet sein sollen. 1850 entstand mit dem Bayerischen Staatsgerichtshof in Deutschland das erste spezielle Gericht für verfassungsrechtliche Fragen. Ein eingeschränktes Verfassungsgericht sah die Weimarer Verfassung mit dem Staatsgerichtshof vor.

Mit dem Bundesverfassungsgericht sah ab 1949 das Grundgesetz (GG) eine juristische Infrastruktur sui generis vor.

Errichtung, Aufgaben und Besetzung des Verfassungsgerichts werden in den Artikeln 92 bis 94 GG geregelt. Weitere Regeln über Organisation, Befugnisse und Verfahrensrecht finden sich im Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG). Das Gericht bedurfte anders als die übrigen Verfassungsorgane der Konstituierung durch dieses Gesetz und nahm am 7.September 1951 seine Arbeit auf, 2 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. Bindungswirkung und Gesetzeskraft

Die besondere Bedeutung des Bundesverfassungsgerichts kommt in § 31 Abs. 1 BVerfGG zum Ausdruck:

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden.

Die formelle Bindungswirkung einer Entscheidung besteht nur im konkreten Fall (inter partes). De facto besteht eine inhaltliche Bindung für andere Gerichte an die ausgeurteilte Rechtsmeinung des Gerichts. Sie ist eine Richtschnur für die untergeordneten Gerichte, die meist auch befolgt wird. Jedes Gericht kann aber in einem anderen ähnlich gelagerten Fall einer anderen juristischen Meinung folgen, wenn es dies für richtig hält.

In den in § 31 Abs. 2 BVerfGG genannten Fällen haben die Entscheidungen des BVerfG sogar Gesetzeskraft. Es handelt sich dabei im Wesentlichen um Verfahren, in den das BVerfG feststellt, ob ein Gesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht. Nur das Bundesverfassungsgericht kann ein Gesetz für verfassungswidrig erklären, das nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes verabschiedet wurde (Normenverwerfungskompetenz). Hat ein anderes Gericht Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, hat es dies dem BVerfG gemäß Art. 100 GG vorzulegen, soweit es entscheidungserheblich ist (konkrete Normenkontrolle). Organisation und Spruchkörper

Das Bundesverfassungsgericht ist aufgeteilt in zwei Senate und sechs Kammern mit unterschiedlichen sachlichen Zuständigkeiten. Vereinfachend ließ sich früher der erste Senat als „Grundrechtssenat“ und der zweite Senat als „Staatsrechtssenat“ klassifizieren: Der erste Senat war vor allem für Fragen der Auslegung der Art. 1 bis 17, 19, 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG zuständig, während Organstreitigkeiten zwischen Verfassungsorganen oder Parteiverbotsverfahren vor den zweiten Senat gelangten.

Diese Abgrenzung trifft heute nicht mehr zu, da beide Senate Verfahren nach gesetzesfachlicher Einteilung bearbeiten, um durch seine Kontrolldichte auch die Regelungsdichte des deutschen Rechtssystems abzubilden. Die oben genannten Artikel spielen daher nur eine technische Rolle und das auch nur teilweise. Darüber hinaus hat das Bundesverfassungsgericht die Kompetenz, die Stefan Schmidt - 91 - Ö-Recht Lernhilfe Zuständigkeiten der Senate und Kammern durch die Geschäftsordnung zu ändern, die es sich selbst gibt. Zunehmend wird dabei der juristische Hintergrund und Schwerpunkt der Mitglieder berücksichtigt.

Jeder Senat war ursprünglich mit zwölf Richtern besetzt; 1963 wurde die Zahl der Richter auf acht gesenkt. Dies schließt den Präsidenten und den Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, die jeweils einem der Senate vorstehen, mit ein. Ein Senat ist beschlussfähig, wenn mindestens sechs Richter anwesend sind. Wegen der geraden Anzahl der Richter in einem Senat sind Pattsituationen möglich (so genannte 4-zu-4-Entscheidung). Ein Antragsteller oder Beschwerdeführer gewinnt, wenn mindestens 5 Richter seine Rechtsauffassung teilen.

Die Senate berufen innerhalb ihrer Geschäftsbereiche selbständig mehrere Kammern, die mit jeweils drei Richtern besetzt sind. Diese Kammern entscheiden bei Verfassungsbeschwerden, konkreten Normenkontrollen und Verfahren nach dem PUAG anstelle des Senats und entlasten ihn. Zurzeit bestehen bei jedem Senat jeweils drei Kammern. Danach sind manche Richter in mehreren Kammern Mitglied.

Bei einem Mehrheitsbeschluss unterlegene Richter haben die Möglichkeit, einzeln oder gemeinsam der Entscheidung des Gerichtes ein Sondervotum beizufügen. Dieses wird dann gemeinsam mit der Entscheidung des Gerichts veröffentlicht, unter der Überschrift „Abweichende Meinung des Richters …“.

Zur Vereinheitlichung seiner Rechtsprechung tritt das Gericht als Plenum zusammen, wenn ein Senat von der Rechtsprechung des anderen Senates abweichen will. Hierzu bedarf es eines Vorlagebeschlusses des abweichenden Senats. Das Plenum besteht aus allen Richtern, den Vorsitz führt der Präsident. Bis dato wurde das Plenum nur 2 Mal angerufen.

Da viele Entscheidungen von den wissenschaftlichen Mitarbeitern vorbereitet werden, spricht man in Juristenkreisen gelegentlich auch von einem „dritten Senat“, wenn man sich auf die Gesamtheit der Mitarbeiter bezieht. Richter

Richter bei diesem Gericht zu sein, ist eine hohe berufliche Ehre; bekannte Persönlichkeiten sind und waren Richter am Bundesverfassungsgericht. Gewählt werden die Richter zur Hälfte von einem speziellen Richterwahlausschuss des Bundestags und zur anderen Hälfte vom Bundesrat. Sie haben eine einmalige Amtszeit von 12 Jahren, was ihre persönliche Unabhängigkeit gewährleistet .

Während im Bundesrat eine direkte Wahl mit 2/3-Mehrheit stattfindet, wählt im Bundestag ein Wahlausschuss aus 12 Abgeordneten, die unter Zugrundelegung des d'Hondt'schen Höchstzahlverfahrens ermittelt/gewählt werden. Ein Kandidat ist gewählt, wenn er mindestens acht Stimmen dieses Aussschusses auf sich vereinigt.

Dabei werden drei Richter jedes Senats aus der Zahl der Richter an den obersten Gerichtshöfen des Bundes gewählt. Wählbar ist jeder, der über 40 Jahre alt ist und nach dem Deutschen Richtergesetz die Befähigung zum Richteramt besitzt (2. Juristisches Staatsexamen) oder Professor der Rechte an einer deutschen Universität ist. Die Richter müssen zum Bundestag wählbar sein und dürfen weder dem Bundestage, dem Bundesrat, der Bundesregierung noch entsprechenden Organen eines Landes angehören.

Stefan Schmidt - 92 - Ö-Recht Lernhilfe Gem. § 4 Abs. 3 BVerfGG besteht eine Altersgrenze von 68 Jahren für die Richter. Mit Ablauf des Monats, in dem der Richter 68 Jahre alt wird, endet seine Amtszeit, wobei er allerdings das Amt noch weiterführt, bis ein Nachfolger ernannt ist.

Präsident und Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts werden nach § 9 BVerfGG abwechselnd von Bundestag und Bundesrat bestimmt. Üblich sind dies die Senatsvorsitzenden, auch ist üblich nach Ausscheiden eines Präsidenten aus dem Amt den Vizepräsidenten zu seinem Nachfolger zu bestimmen.

Das Gericht unterliegt als Verfassungsorgan keiner Dienstaufsicht.

Erster Senat

Richter des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichtes Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Hans-Jürgen Papier (*1943) Februar 1998 Februar 2010 (Amtszeit) Evelyn Haas (*1949) September 1994 September 2006 (Amtszeit) 31. März 2006 Dieter Hömig (*1938) Oktober 1995 (Altersgrenze) 30. September 2007 Udo Steiner (*1939) Oktober 1995 (Altersgrenze) Christine Hohmann-Dennhardt Januar 1999 Januar 2011 (Amtszeit) (*1950) Wolfgang Hoffmann-Riem 31. März 2008 Dezember 1999 (*1940) (Altersgrenze) 31. Januar 2011 Brun-Otto Bryde (*1943) 23. Januar 2001 (Altersgrenze) Reinhard Gaier (*1954) November 2004 November 2016 (Amtszeit)

Zweiter Senat

Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit 29. Februar 2008 Winfried Hassemer (*1940) Mai 1996 (Altersgrenze) Siegfried Broß (*1946) September 1998 September 2010 (Amtszeit) Lerke Osterloh (*1944) Oktober 1998 Oktober 2010 (Amtszeit) Udo Di Fabio (*1954) Dezember 1999 Dezember 2011 (Amtszeit) Rudolf Mellinghoff (*1954) 23. Januar 2001 23. Januar 2013 (Amtszeit) Gertrude Lübbe-Wolff (*1953) April 2002 April 2014 (Amtszeit) Michael Gerhardt (*1948) Juli 2003 Juli 2015 (Amtszeit) 30. April 2016 Herbert Landau (*1948) Oktober 2005 (Altersgrenze)

Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts

Stefan Schmidt - 93 - Ö-Recht Lernhilfe Das Bundesverfassungsgericht hat einen Präsidenten. Er ist Dienstvorgesetzter der Beamten des Gerichts und ist im Protokoll hinter dem Bundespräsidenten, dem Präsidenten des Bundestags, dem Bundeskanzler sowie dem Präsidenten des Bundesrats an fünfter Stelle. Dieses Amt hatten bislang folgende Personen inne:

Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Nr. Name Beginn der Amtszeit Ende der Amtszeit Hermann Höpker-Aschoff (1883– 1 7. September 1951 15. Januar 1954 1954) 2 Josef Wintrich (1891–1958) 23. März 1954 19. Oktober 1958 3 Gebhard Müller (1900–1990) 8. Januar 1959 8. Dezember 1971 4 (*1925) 8. Dezember 1971 20. Dezember 1983 5 Wolfgang Zeidler (1924–1987) 20. Dezember 1983 16. November 1987 6 Roman Herzog (*1934) 16. November 1987 30. Juni 1994 7 Jutta Limbach (*1934) 30. Juni 1994 10. April 2002 voraussichtlich 2010 8 Hans-Jürgen Papier (*1943) 10. April 2002 (Amtszeit)

Zuständigkeiten und Verfahrensarten (Überblick)

Das Bundesverfassungsgericht ist zur Streitentscheidung nur zuständig, wenn sich dies aus dem Grundgesetz oder § 13 BVerfGG ergibt (sog. Enumerativprinzip). Wie jedes andere Gericht kann es nicht von sich aus aktiv werden, sondern muss angerufen werden. Neben seinen Aufgaben auf Bundesebene kann es eine Zuständigkeit bei Verfassungsstreitigkeiten um die Auslegung von Landesverfassungen geben, wenn dies die Verfassung eines Bundeslandes vorsieht (etwa Schleswig- Holstein).

Nicht zuständig ist das Bundesverfassungsgericht jedoch bei Streitigkeiten, die die Europäische Union oder ihre Verträge berühren. In diesem Fall ist der Europäische Gerichtshof (EuGH) zuständig.

Verfassungsbeschwerde

→ Hauptartikel Verfassungsbeschwerde

Jeder, der sich in seinen Grundrechten durch staatliches Handeln verletzt sieht, kann eine Verfassungsbeschwerde einreichen (Individualbeschwerde). Unter staatlichem Handeln ist jeder Akt der öffentlichen Gewalt zu verstehen, der in Rechtspositionen des Grundrechtsträgers eingreift. Darunter fallen alle Akte der vollziehenden Gewalt, Rechtsprechung und Gesetzgebung. Nicht nur Handeln, sondern auch Unterlassen können Akte der öffentlichen Gewalt umfassen. Der sog. „klassische Eingriffsbegriff“, der bis 1992 maßgeblich war, definierte darunter einen Eingriff, der

ƒ final und nicht nur unbeabsichtigte Folge staatlichen Handelns ist ƒ unmittelbar ist ƒ durch einen Rechtsakt mit imperativer Außenwirkung begründet ist.

Das moderne Eingriffsverständnis verzichtet auf die Merkmale des Rechtsaktes, der Unmittelbarkeit und der imperativen Außenwirkung und macht im Ergebnis fast jede Einwirkung des Staates überprüfbar. Stefan Schmidt - 94 - Ö-Recht Lernhilfe Das Gericht ist jedoch keine Superrevisionsinstanz: Eine falsche Anwendung einfacher Gesetze durch die Fachgerichte genügt nicht für eine zulässige Beschwerde, wenn diese Rechtspositionen nicht grundrechtlich geschützt sind.

Es gibt verschiedene Verfassungsbeschwerden:

ƒ gegen Gesetze und/oder andere Normen des Bundes ƒ gegen Gesetze und/oder andere Normen eines Bundeslandes, sofern kein Landesverfassungsgericht zuständig ist ƒ gegen eine Behördenentscheidung ƒ gegen eine Gerichtsentscheidung ƒ gegen jedes andere staatliche oder dem Staat zuordenbare Handeln

Damit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, darf dem Beschwerdeführer kein anderes Rechtsmittel mehr offen stehen (Subsidiaritätsprinzip). Ausnahme sind allenfalls dann zulässig wenn dem Beschwerdeführer die Ausschöpfung des Rechtsweges nicht zumutbar ist und die wirksame Durchsetzung seiner Grundrechte sonst vereitelt werden würde.

Auch juristische Personen können Verfassungsbeschwerde erheben. Dies aber nur, sofern die Grundrechte ihrem Wesen nach auf juristische Personen Anwendung finden können (Art. 19 Abs. 3 GG), etwa Berufsfreiheit (Art. 12 GG) oder Eigentum (Art. 14 GG), nicht aber Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich nicht beschwerdebefugt.

Gemeinden und Gemeindeverbände können eine Verfassungsbeschwerde mit der Begründung einreichen, sie seien in ihrem kommunalen Selbstverwaltungsrecht verletzt. In diesem Fall spricht man von Kommunalverfassungsbeschwerden.

Die Verfassungsbeschwerde ist die bei weitem häufigste Verfahrensart, ein Großteil der Beschwerden scheitert aber. Der größte Teil dieser Verfahren wird nicht durch die Senate, sondern durch eine Kammer entschieden, wenn sie bereits geklärte Rechtsfragen aufwerfen oder offensichtlich unbegründet sind oder offensichtlich begründet. Zum Teil kann das Gericht in solchen Fällen a limine entscheiden.

Konkrete Normenkontrolle

Ein Fachgericht, das ein bestimmtes Gesetz für verfassungswidrig hält, kann durch Beschluss das Verfahren der konkreten Normenkontrolle einleiten (Art. 100 GG). Dadurch unterbricht es die eigene Prozedur und gibt den Fall zur inzidenten Prüfung an das Verfassungsgericht ab. Nur das Verfassungsgericht kann Gesetze für verfassungswidrig erklären und verfügt exklusiv über die Normverwerfungskompetenz im deutschen Rechtssystem.

Nicht zulässig ist eine konkrete Normenkontrolle jedoch für vorkonstitutionelles Recht, also für Gesetze, die vor Inkrafttreten des Grundgesetzes verkündet worden sind. Ihre Anwendung können Fachgerichte und Behörden selbst verwerfen. Hierunter fallen jedoch nicht folgende Fälle:

ƒ wesentliche Bestandteile des vorkonstitutionellen Gesetzes wurden nach Inkrafttreten des Grundgesetzes geändert oder ƒ Verweisung eines neuen Gesetzes zu einem vorkonstitutionellen Gesetz oder ƒ das neue Gesetz steht in einem engen sachlichen Zusammenhang zum vorkonstitutionellen Gesetz oder ƒ das vorkonstitutionelle Gesetz wurde neu verkündet.

Stefan Schmidt - 95 - Ö-Recht Lernhilfe Wenn es in einem gerichtlichen Verfahren auf die Gültigkeit einer Norm des Gemeinschaftsrechts ankommt, hat das Fachgericht zunächst die Vorabentscheidung des EuGH einzuholen. Wenn der EuGH ihre Gültigkeit bejaht, hat deutsche Fachgericht aber gleichwohl eine Vorlage zum BVerfG als konkrete Normenkontrolle zu beschließen (entsprechende Anwendung von Art. 100 Abs. 1 GG), wenn es von der Ungültigkeit der EU-Norm

ƒ wegen Verletzung des nach Art. 23 GG unabdingbaren grundrechtlichen Mindeststandards oder ƒ wegen Überschreitung der Gemeinschaftskompetenzen (Ausbrechen aus dem „Integrationsprogramm“ der Verträge)

überzeugt ist. → Übersicht, Solange I, Solange II, Maastricht-Urteil

Abstrakte Normenkontrolle

Das BVerfG wird auf Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder mindestens einem Drittel der Mitglieder des Bundestags tätig. Die abstrakte Normenkontrolle ermöglicht somit der Opposition, die Verfassungsmäßigkeit eines von der Regierung-stützenden Mehrheit beschlossenen Gesetzes oder völkerrechtlichen Vertrags prüfen zu lassen.

Organstreit

Ein Organstreit ist ein Rechtsstreit zwischen staatlichen Organen über Rechte und Pflichten, die sich aus ihrem besonderen verfassungsrechtlichen Status ergeben, namentlich aus der Verfassung oder aus ihrer in Selbstverwaltung gegebenen Geschäftsordnung oder Satzung .

Bund-Länder-Streit

Ein Bund-Länder-Streit wird bei einer Differenz zwischen Bund und Ländern z. B. in Fragen der Gesetzgebungskompetenz angestrengt.

Parteiverbot

Parteiverbote sind Verfahren nach Artikel 21 GG. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung. Bisher wurden 1952 die SRP (Sozialistische Reichspartei) und 1956 die KPD verboten. Ein Verbotsverfahren gegen die NPD ist vom Gericht eingestellt worden.

Verwirkung von Grundrechten

Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung. In der Geschichte des Gerichts waren 4 Verfahren anhängig. → Hauptartikel Grundrechtsverwirkung und Grundrechtsverwirkungsverfahren

Wahlprüfung

Das Gericht ist die zweite und letzte Instanz bei Einsprüchen gegen die Bundestagswahl. Die erste Instanz ist als selbst verwaltetes Organ der Bundestag selbst. Wahlprüfungsbeschwerde können Mitglieder des Bundestages, der Bundesrat oder die Bundesregierung oder ein Quorum von mindestens 101 wahlberechtigten Bürgern erheben. Es müsste hierzu durch Handeln oder Unterlassen während der Wahl ein Fehler aufgetreten sein, der sich auf die Sitzverteilung im Bundestag auswirkte. Stefan Schmidt - 96 - Ö-Recht Lernhilfe Anklagen gegen den Bundespräsidenten oder Richteranklagen

Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und die Bundesregierung. Eine solche Anklage ist noch nie vorgekommen.

Vorläufiger Rechtsschutz

Wie nach jeder anderen Prozessordnung kann das Verfassungsgericht vorläufige Entscheidungen treffen, bis das Hauptverfahren entschieden ist (einstweilige Anordnungen gemäß § 32 BVerfGG). Eine Besonderheit liegt darin, dass sich Organstreitverfahren und Normenkontrollen in der Praxis erledigen, wenn sie politisch brisant sind. Die „unterliegende“ Seite betreibt das Hauptverfahren oft nicht weiter. Kritik am Bundesverfassungsgericht

Ungeachtet wechselnder Kritik hat das Gericht eine bemerkenswerte und im internationalen Vergleich herausragende Kontrollfrequenz und –dichte entwickelt und übt gleichzeitig einen sehr strengen judicial self-restraint, die andere Rechtsordnungen in dieser Kombination oft nicht kennen (vgl. US Supreme Court). Dieses vorgegebene und fortlaufend selbst entwickelte Verfassungsverständnis machte es zu einer eigenen demokratischen Institution, die ein einmaliges Vertrauen im Staatsvolk genießt und international benennt man es als Beispiel für hochentwickelte Rechtskontrolle. Die Rolle des Gerichts als Hüter des Grundgesetzes geht per definitionem über bloße Willkürkontrolle des Staates hinaus, es ist die konservierende und integrale Bewahrung der Verfassung in der innerdeutschen Entwicklungsdynamik und im Kontext der Europäischen Union.

Das Gericht kooperiert mit den obersten oder Verfassungsgerichten von über 70 Staaten und seine Position als starkes Verfassungsorgan diente anderen Ländern als staatsorganisatorisches Vorbild.

Inhaltlich

Bei einigen Urteilen wird kritisiert, das Gericht gehe klaren Entscheidungen aus dem Weg. Etwa wurde die „Kopftuchentscheidung“ vielfach als unbefriedigend und aufschiebend empfunden. Diese Kritik hört man vor allem von Seiten, die das Gericht gern als letztinstanzliches politisches Korrektiv sehen würden. Dagegen ist das Gericht seit seinem Bestehen resistent geblieben. Seine Praxis von judicial self-restraint sieht es als unerlässlich in der Rollenverteilung der Verfassungsorgane. Andererseits wird aus der Politik bei mehreren Urteilen gerügt, das Gericht weite seine Kompetenzen hin zu einem Ersatzgesetzgeber, obwohl diese Rolle nach der Verfassung dem Parlament zugedacht ist. Anstatt sich auf erhebliche Überschreitungen und Willkür des Gesetzgebers zu beschränken, bringe es eigene soziale und politische Vorstellungen ein und mache dem Gesetzgeber dezidierte Vorgaben von Gerechtigkeit, die oft schwer zu finanzieren sind und zum anderen von Vorstellungen der Politik abweichen.

Besetzung

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Wahl der Richter durch Politiker nach Absprache zwischen den politischen Parteien, insbesondere die rotationsmäßige Benennung. Ein Vorschlag durch die Justizministerin würde jedoch die Parlamentsrechte beschneiden. Auch wenn die Richter meist Mitglieder einer Partei sind, lässt sich doch bei ihren Entscheidungen kein parteien- oder interessengerichtetes Muster feststellen.

Stefan Schmidt - 97 - Ö-Recht Lernhilfe Bedeutende Entscheidungen (thematisch geordnet)

Entscheidungen des Gerichts werden u. a. in der amtlichen Sammlung BVerfGE veröffentlicht.

Grundrechtsschutz allgemein und Prozessuales

ƒ Das Elfes-Urteil behandelte die allgemeine Handlungsfreiheit, rechtlich bedeutsam ist es durch die Definition des prozessualen Grundrechtsschutzes: Das Gericht definiert als verfassungsmäßige objektive Rechtsordnung die Gesamtheit aller Normen auf allen normenhierarchischen Ebenen, die formell und materiell der Verfassung gemäß sind und weist darauf hin, dass grundrechtlich geschützte Positionen nicht nur im Grundgesetz niedergelegt sind, sondern zahlreich und oft durch einfaches Recht fallkonkret geregelt werden. Ein Verstoß dagegen kann immer mindestens als Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG gerügt und vom Verfassungsgericht überprüft werden. Da jedoch das deutsche Rechtssystem eine Superrevision nicht kennt, bedarf es einer verfassungsrechtlich fokussierten Begrenzung (sog. Heck’sche Formel), wonach das Gericht die Entscheidungen von Fachgerichten nur auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts prüft: ƒ wenn der Einfluss einer Verfassungsnorm ganz oder grundsätzlich verkannt wurde ƒ wenn die Rechtsanwendung grob oder offensichtlich willkürlich war oder ƒ wenn die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschritten wurden.

(BVerfGE 6, 32).

Gewissensfreiheit

ƒ Das Gericht hebt 1978 ein Bundesgesetz auf, nach dem Wehrpflichtige den Kriegsdienst durch eine schriftliche Erklärung verweigern konnten, ohne im einzelnen ihre Gewissensentscheidung darzulegen (auch als „Verweigerung per Postkarte“ bezeichnet), BVerfGE 2 BvF 1/77, 2 BvF 2/77, 2 BvF 4/77, 2 BvF 5/77.

Kunstfreiheit

ƒ Mephisto-Entscheidung 1971 definiert den verfassungsrechtlichen Schutzbereich der Kunst durch einen offenen Kunstbegriff (BVerfGE 30, 173) ƒ In der Entscheidung zur Indizierung des Romans „Josefine Mutzenbacher“ geht 1990 das Gericht auf das Verhältnis von Kunstfreiheit und Jugendschutz ein und stellt klar, dass Pornografie und Kunst einander nicht ausschließen. (BVerfGE 83, 130)

Grundrecht auf Informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz)

ƒ 1983 wird im Volkszählungsurteil ein im Grundgesetz nicht kodifiziertes Grundrecht aus mehreren Verfassungsprinzipien hergeleitet und als eigenständiges Rechtsinstitut definiert. (BVerfGE 65, 1)

Ehe und Familie

ƒ Das Gericht bestätigte 2001 bzw. 2002 das Lebenspartnerschaftsgesetz und stellte klar, dass Gleichberechtigung von Homosexuellen dem besonderen staatlichen Schutz von Ehe und Familie (Art. 6 GG) nicht widerspricht. Das Grundgesetz verlange eine besonders aktive Förderung von Ehe und Familie, wohl aber kein „Abstandsgebot“ zu anderen Lebensgestaltungen – von der Benachteiligung anderer hätten Ehen und Familien nichts (BVerfGE 105, 313). ƒ siehe auch: Übersicht zur weiteren Rechsprechung in wirtschaftlichen und steuerlichen Fragen Stefan Schmidt - 98 - Ö-Recht Lernhilfe Unverletzlichkeit der Wohnung und Telekommunikationsfreiheit

ƒ Großer Lauschangriff: 2004 werden Vorschriften über akustische Wohnraumüberwachung als teilweise verfassungswidrig aufgehoben. Das Gericht definiert anhand des Grundrechts auf Informationelle Selbstbestimmung einen unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung, als persönliches Refugium des Bürgers, der durch staatliche Maßnahmen nicht zu penetrieren ist und selbst Strafverfolgung keine Eingriffsrechtfertigung sein darf (BVerfGE 109, 279) ƒ Die präventive Telefonüberwachung in Niedersachsen wird 2005 für verfassungswidrig erklärt, da Bundesländern die Gesetzgebungskompetenz fehle. Materiell bedeutsam ist die Entscheidung für ähnliche Landesgesetzgebung in Thüringen und Bayern (BVerfGE 1 BvR 668/04).

Gleichheit vor dem Gesetz

ƒ In der Spekulationsteuer-Entscheidung für die Jahre 1997 und 1998 erklärte das Gericht Teile des Einkommensteuergesetzes für verfassungswidrig und nichtig, die die Belastung von Veräußerungsgewinnen bei Wertpapieren zwar vorsehen, aber auf die eigene rechtliche Durchsetzbarkeit verzichten, sog. strukturelles Vollzugsdefizit. Damit sei eine ungleichmäßige Belastung schon im Gesetz angelegt (BVerfGE 2 BvL 17/02).

Meinungs- und Pressefreiheit

ƒ In der „Tucholsky-Entscheidung“ um die öffentliche Aussage “Soldaten sind Mörder!“ bleibt das Gericht seiner Tradition treu, die Meinungs- und Pressefreiheit als demokratievitales Verfassungsgut zu schützen und führt eine musterhafte Prüfung von Grundrechtseingriffen aufgrund eines Gesetzesvorbehalts als verfassungsrechtliche Schranke. Diese Entscheidung zeigt die praktische Anwendung wichtiger Grundsätze aus der ständigen Rechtsprechung zum Grundrechtsschutz wie die Heck’sche Formel, die Wechselwirkungslehre, die objektive Wertrangordnung und die Schutzbereichsdefinition von Werturteilen und Tatsachenbehauptungen (BVerfGE 93, 266).

Demonstrations- und Versammlungsfreiheit

ƒ In der Brokdorf Entscheidung hebt das Gericht die besondere Bedeutung der Demonstrations- und Versammlungsfreiheit für eine plebiszitarmen Demokratie hervor, weshalb ein besonders starker Status Negativus gegen exzessive Reglementierungen durch Gesetz oder Verwaltungsakt wirke. Eingriffsmaßnahmen dürfe der Staat aufgrund der Polizeigesetze nicht treffen, sondern nur anhand des grundrechtsschonenden Versammlungsrechts (sog. Polizeifestigkeit). Auch dürften solche nicht mit Hinweis auf eine gewaltbereite Minderheit ergriffen werden (BVerfGE 69, 315).

Religionsfreiheit

ƒ In der sog. Scientology-Entscheidung definiert 1994 das Gericht die Religionsfreiheit u. a. als kollektives Grundrecht und eine daraus resultierende Selbstverwaltungsfreiheit von Religionsgemeinschaften. Diese sei jedenfalls bei einer gewerblichen Betätigung mit Gewinnerzielungsabsicht nicht verletzt, wenn die Religionsgemeinschaft zur Gewerbeanzeige und Gewerbesteuer verpflichtet wird (DVBl. 1194, 413) ƒ Kruzifix-Beschluss 1995 erklärt Teile des Bayerischen Schulgesetzes für verfassungswidrig, wonach in jedem Klassenzimmer der Volksschulen in Bayern ein Kruzifix oder ein Kreuz anzubringen war. (BVerfGE 93, 1)

Stefan Schmidt - 99 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ 2002 entscheidet das BVerfG, dass es verfassungswidrig ist, muslimischen Metzgern Ausnahmegenehmigungen für das religiöse Schächten von Tieren zu verweigern. (BVerfGE 104, 337) ƒ Im Kopftuchstreit untersagt das Gericht 2003 dem Land Baden-Württemberg, das Tragen eines Kopftuchs ohne gesetzliche Grundlage zu verbieten und auf eine fehlende Eignung für den Staatsdienst zu schließen. (BVerfGE 108, 282).

Abtreibung

Mehrere gesetzliche Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch (§§ 218 ff StGB) werden durch das Gericht für verfassungswidrig erklärt und aufgehoben, weil sie dem Lebensschutzmaßstab des Grundgesetzes nicht entsprachen, u. a. die sog. „Fristenregelung“.

Rundfunk-Urteile

In mehreren Entscheidungen hat das Gericht die Entwicklung von Presse, Rundfunk und Medien wie kaum eine andere Materie erheblich mitgestaltet.

Universitäten und Berufsfreiheit

ƒ Im Apothekenurteil definiert das Gericht die Berufsfreiheit als einheitliches Grundrecht, das auf 3 Ebenen nach strengen abgestuften Kriterien einschränkbar ist, sog. 3-Stufen-Theorie (BverfGE 7, 377) ƒ In der Numerus Clausus Entscheidung wird ein Anspruch auf Zulassung zum Hochschulstudium und Kapazitätsausbau als status positivus definiert, der zum Schutzbereich der Berufsfreiheit gehöre der (BVerfGE 33, 303). ƒ Hochschulrahmengesetz des Bundes wird in den Jahren 2004 und 2005 in wichtigen Teilen für verfassungswidrig erklärt, weil der Bund nur die Rahmengesetzgebungskompetenz habe. Dies betrifft die Juniorprofessur (BVerfGE 2 BvF 2/02) sowie das Verbot von Studiengebühren (BVerfGE 2 BvF 1/03).

Eigentum

ƒ Im Nassauskiesungs-Beschluss legt das Gericht den Schutzbereich eines sehr definitionsbetonten Grundrechts wie dem Eigentum fest und die juristischen Techniken für seine zulässigen Einschränkungen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentumsinstituts, Legalenteignungen oder gesetzliche Kriterien für Administrativenteignungen (BVerfGE 58, 300).

Staatsbürgerschaft

ƒ Das Transformationsgesetz zum EU-Haftbefehl wird 2005 für verfassungswidrig erklärt. Die Entscheidung definiert den Schutzbereich des Art. 16 GG im Sinne eines umfassenden Heimatrechts, das eine dauerhafte Staatsbürgerschaft, politische Mitgestaltung und ein grundsätzliches Auslieferungsverbot garantiert (BVerfGE 2 BvR 2236/04). siehe zusammen fassenden Hauptartikel

Parlamentsrechte und Gesetzgebung

ƒ In der Entscheidung zur unechten Vertrauensfrage von Helmut Kohl 1983 betont das Gericht, dass eine Auflösung des Parlaments nicht der Gestaltung eines günstigen nächsten Wahltermins durch die Regierung dienen dürfe. Auch bedürfe eine durch konstruktives

Stefan Schmidt - 100 - Ö-Recht Lernhilfe Misstrauensvotum installierte Regierung keiner neuen Legitimation durch den Wähler, sog. Äquivalenzformel (BVerfGE 62, 1). ƒ Im Urteil zu Neuwahlen 2005 werden diese Grundsätze fortentwickelt. Unechte und echte Vertrauensfrage werden gleich gestellt und auf den Zweck des Art. 68 GG justiert. Dem Kanzler wird zugestanden auch auf verborgene Umstände seinen Auflösungsvorschlag zu stützen. Das Gericht übt erneut judicial self-restraint und reduziert seine Prüfungskompetenz in der Machtverteilung der Verfassungsorgane. (Gz: 2 BvE 4/05) ƒ In der Entscheidung über Einsätze der Bundeswehr im Ausland konkretisierte 1994 das Gericht das Prinzip der Parlamentsarmee und stellte fest, dass die Regierung nur dann Militäreinsätze befehlen könne, wenn sie die konstitutive Zustimmung des Bundestages vorher einholt. Dies könne der Bundestag durch schlichten Parlamentsbeschluss in ausreichender Form tun (BVerfGE 90, 286). ƒ Das Lebenspartnerschaftsgesetz wird 2002 mit dem Verweis auf die Gestaltungsfreiheit des Parlaments als verfassungskonform bestätigt. Gleichzeitig konkretisiert das Gericht Kriterien für die Freiheit der Regierung im Gesetzgebungsverfahren Teile eines Entwurfpakets zu entkoppeln und sie gegen den Willen des Bundesrates als Gesetz zustande kommen zu lassen (BVerfGE 105, 313). ƒ Zuwanderungsgesetz wird wegen Verfahrensmängel im Gesetzgebungsverfahren 2002 aufgehoben und einen Verfassungskonflikt im Bundesrat geklärt. (BVerfGE 106, 310)

→ zusammenfassenden Hauptartikel Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Zuwanderungsgesetz 2002

Parteiverbote

ƒ Am 23. Oktober 1952 wird die Sozialistische Reichspartei (SRP) verboten. (BVerfGE 2, 1) ƒ Am 17. August 1956 wird die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. (BVerfGE 5, 85) ƒ NPD-Verbotsverfahren wird 2003 eingestellt, weil das präsentierte Material nicht von der geheimdienstlichen Tätigkeit des Verfassungsschutzes trennbar war. Das Gericht verlangt, dass vor, spätestens aber im Verfahren staatliche Spitzel abzuschalten sind (BVerfGE 107, 339).

EU-Recht

ƒ Im „Solange-II-Beschluss“ suspendiert das Gericht seine eigene Gerichtsbarkeit hinsichtlich Grundrechtsbeeinträchtigungen aus oder aufgrund des sekundären EG-Rechts, solange auf Gemeinschaftsebene in im Wesentlichen gleichwertiger Grundrechtsschutz durch Gemeinschaftsorgane wie den EuGH gewährleistet ist. Dies ist im Wesentlichen durch zwei Komponenten gegeben: Das deutsche Zustimmungsgesetz zum EGV als Anwendungsbefehl für das sekundäre Gemeinschaftsrecht und die strukturelle Prüfungsdichte durch den EuGH (BVerfGE 73, 339). ƒ Im Maastricht-Urteil werden diese Grundsätze weiter präzisiert und das Kooperationsverhältnis in der Grundrechtsgerichtsbarkeit zwischen BVerfG und EuGH näher umrissen. Neuer Anknüpfungspunkt für die Prüfungsdichte und die Aufgaben des BVerfG sei nach dem EUV jeder Gemeinschaftsrechtsakt direkt und nicht seine Umsetzung durch die deutsche Exekutive. Damit sei das Grundgesetz auch für sie Prüfungsmaßstab. Hinsichtlich der Hoheits- und Kompetenzübertragung auf die Gemeinschaft gelte das Prinzip der beschränkten Einzelermächtigung durch die Mitgliedstaaten, das die EUV-Interpretation zusammen mit der völkerrechtlichen Effet Utile Regel beeinflusse, im Ergebnis aber keine Kompetenzerweiterung oder –neubegründung gestatte (BVerfG NJW 1993, 3047). Bibliothek

Stefan Schmidt - 101 - Ö-Recht Lernhilfe Das Bundesverfassungsgericht verfügt über eine interne, nur von Angehörigen des Gerichts zu benutzende Fachbibliothek mit den Schwerpunkten Staats- und Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht, Staats- und Gesellschaftslehre, Politik und Zeitgeschichte. Der Bestand der Bibliothek umfasste im März 2005 etwa 345.300 Bände und wächst jedes Jahr um etwa 6.000 bis 7.000 Bände. Der Zeitschriftenbestand umfasst etwa 1.000 laufende Abonnements. Im angegliederten Pressearchiv werden zudem alle das Gericht berührenden Materialien gesammelt; es werden täglich zwischen 20 und 30 Tages- und Wochenzeitungen ausgewertet. Alle vorhandenen Werke sind im Südwestdeutschen Bibliotheksverbund (SWB) katalogisiert. Siehe auch

ƒ Aktenzeichen des Bundesverfassungsgerichts Literatur

ƒ Jutta Limbach (Hrsg.): Das Bundesverfassungsgericht. Geschichte – Aufgabe – Rechtsprechung. C. F. Müller, Heidelberg 2000 (Motive, Texte, Materialien; 91), ISBN 3- 8114-2143-3 ƒ Jutta Limbach: Das Bundesverfassungsgericht. Beck, München 2001 (Beck'sche Reihe, 2161: C.H.Beck Wissen), ISBN 3-406-44761-9 ƒ Horst Säcker: Das Bundesverfassungsgericht. 6. Auflage. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2003 (Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung, 405), ISBN 3- 89331-493-8 ƒ Klaus Schlaich: Das Bundesverfassungsgericht. Stellung, Verfahren, Entscheidungen; ein Studienbuch. 6. neubearbeitete Auflage. Beck, München 2004 (Juristische Kurz-Lehrbücher), ISBN 3-406-51387-5 ƒ Uwe Wesel: Der Gang nach Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht in der Geschichte der Bundesrepublik. 1. Auflage. Blessing, München 2004, ISBN 3-89667-223-1 Weblinks

ƒ http://www.bverfg.de/ Website des Bundesverfassungsgerichts ƒ Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (PDF)

Wiktionary: Bundesverfassungsgericht – Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

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Bundesgericht e Bundesverfassungsgericht Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes Bundesarbeitsgericht | Bundesfinanzhof | Bundesgerichtshof | Bundessozialgericht | Bundesverwaltungsgericht

Bundespatentgericht | Truppendienstgerichte Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht"

Stefan Schmidt - 102 - Ö-Recht Lernhilfe Gesetzgebung aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Gesetzgebung wird in einer Demokratie vom Parlament als legislativer Staatsgewalt im Gesetzgebungsverfahren durchgeführt. Die dann beschlossenen Gesetze werden von der zuständigen Verwaltung ausgeführt (siehe Verwaltungskompetenz) und gegebenenfalls durch die Rechtsprechung kontrolliert.

Gesetzgebungskompetenz in Deutschland

Die Gesetzgebungskompetenz bezeichnet das Recht und die Fähigkeit, Gesetze zu erlassen. Nach der Verfassung haben die Länder (Art. 70 Abs. 1 GG) das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz es nicht auf den Bund übertragen hat. Im Bereich der ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes haben die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung nur, wenn sie hierzu durch ein Bundesgesetz ausdrücklich ermächtigt sind. Folgende Bereiche der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes sind im Grundgesetz normiert:

ƒ ausschließliche Gesetzgebungskompetenz, geregelt in den Art. 71 und 73 GG. Die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht darüber hinaus überall dort, wo im GG von "Bundesgesetz" die Rede ist. ƒ konkurrierende Gesetzgebungskompetenz, geregelt in den Art. 72, 74, 74a GG sowie der ƒ Rahmengesetzgebungskompetenz als Unterfall1 der konkurrierenden Gesetzgebung, geregelt in Art. 75 GG.

Zu beachten ist, dass nur kompetenzgerechtes Bundesrecht Landesrecht gemäß Art. 31 GG bricht.

Des Weiteren bestehen ungeschriebene Kompetenztitel des Bundes:

ƒ Kompetenz kraft Sachzusammenhangs sowie ƒ Annexkompetenz / Kompetenz kraft Natur der Sache.

In Ausnahmesituationen können die Gesetze durch die Notstandsgesetzgebung verabschiedet werden.

Gemäß § 78 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht negative Gesetzgebungskompetenz in den Fällen, in denen Bundesrecht mit dem Grundgesetz oder Landesrecht mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar ist.

In der Praxis weniger bedeutsam sind die Art. 124, 125 und 125a GG, welche die Fortgeltung von vor der Änderung des Artikels 72 Abs. 2 GG (15. Nov. 1994) erlassenem Bundesrecht regeln. Artikelgesetz

Als Artikelgesetz bezeichnet man ein Gesetz, das aus mehreren thematisch zusammengehörigen Einzelgesetzen besteht, die zusammengefasst beraten und verabschiedet werden. Unter jedem Artikel wird entweder ein vollständiges Gesetz aufgeführt oder einzelne Paragraphen, die in bestimmten existierenden Gesetzen geändert werden müssen.

Stefan Schmidt - 103 - Ö-Recht Lernhilfe

[1] Das Bundesverfassungsgericht erachtet die Rahmengesetzgebung heutzutage aufgrund ihres Kooperationscharakters als dritte, eigenständige Form. Siehe auch

ƒ Referentenentwurf Weblinks

ƒ Art. 70 ff. GG ƒ Weitere Gesetzgebungskompetenzen ƒ Schaubild zur Gesetzgebung

Bitte beachten Sie auch den Hinweis zu Rechtsthemen! Dieser Artikel/Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern. Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Gesetzgebung"

Kategorien: Wikipedia:Deutschlandlastig | Staats- und Verfassungsrecht

Bundeszwang aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Bundeszwang ist eine Möglichkeit der deutschen Bundesregierung, ein Bundesland zur Erfüllung seiner Pflichten aus einem Bundesgesetz anzuhalten.

Der Bundeszwang ist im Artikel 37 des Grundgesetzes geregelt. Die Bundesregierung kann mit Zustimmung des Bundesrates alle notwendigen Maßnahmen ergreifen. Sie oder ihr Beauftragter (Bundeskommissar) haben dabei Weisungsrecht gegenüber allen Ländern und ihren Behörden Weblinks

Artikel 37 Grundgesetz

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Stefan Schmidt - 104 - Ö-Recht Lernhilfe

Bundestreue aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Mit Bundestreue bezeichnet man in einem Bundesstaat die Verpflichtung des Gesamtstaates und der Gliedstaaten zu einem bundesfreundlichen Verhalten. Dieses gebietet vor allem eine gegenseitige Rücksichtnahme und Zusammenarbeit. Deutschland

In Deutschland gehört die Bundestreue als Verfassungsgrundsatz zu den dem Grundgesetz immanenten Normen, die das Verhältnis von Bund und Ländern regeln. Sowohl der Bund als auch die Länder sind verpflichtet, „dem Wesen des sie verbindenden verfassungsrechtlichen ‚Bündnisses‘ entsprechend zusammenzuwirken und zu seiner Festigung und zur Wahrung der wohlverstandenen Belange des Bundes und der Glieder beizutragen“ (Lit.: BVerfGE 6, 309, 361).

So muss ein Land bei der Ausübung seiner Gesetzgebungskompetenzen Rücksicht auf andere Länder und den Bund nehmen, sofern diese von den Auswirkungen des Gesetzes betroffen wären. Auch können die Länder wegen der Bundestreue verpflichtet sein, völkerrechtliche Verträge des Bundes zu beachten. Als Beispiel für einen Verstoß des Bundes gegen die Bundestreue ist die Gründung der Deutschland-Fernsehen-GmbH zu nennen (Lit.: BVerfGE 12, 205). Literatur

ƒ Rudolf Smend: Ungeschriebenes Verfassungsrecht im monarchischen Bundesstaat. Festgabe für Otto Mayer. Tübingen, 1916. S. 247 ff. ƒ Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE). Band 6, S. 309–366. (Internetfundstelle) ƒ Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Band 12, S. 205–264. (Internetfundstelle) ƒ Christoph Degenhart: Staatsrecht I (Staatsorganisationsrecht). C. F. Müller. Heidelberg, 2003. Rn. 214 ff. ISBN 3811418173. Weblinks

ƒ Bundestreue: the Main Principal of German Federalism – Professor Dr. Hartmut Bauer, Dresden

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Kategorie: Staats- und Verfassungsrecht

Stefan Schmidt - 105 - Ö-Recht Lernhilfe

Volksentscheid aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Bei einem Volksentscheid entscheiden die stimmberechtigten Bürger in einer Abstimmung (lat. Referendum - Abstimmung durch eine Volksbefragung) über eine Verfassungs- oder Gesetzesänderung.Es entscheidet hierbei die einfache Merheit über Annahme oder Ablehnung des Gesetzentwurfs. Manchmal wird auch der Begriff "Plebiszit" synonym verwendet (lat. plebs = Menge, aber auch Pöbel und Bürgerstand), womit jedoch zumeist nur Volksentscheide gemeint sind, die von "oben", also von Präsident, Ministerpräsident usw. eingeleitet werden.

Kurzstatus auf: Volksgesetzgebung (enthält auch Information über Österreich)

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Argumente zum Volksentscheid ƒ 1.1 Pro Volksentscheid ƒ 1.2 Contra Volksentscheid ƒ 2 Volksentscheide in Deutschland ƒ 3 Volksentscheide in den USA ƒ 4 Volksentscheide in der Schweiz ƒ 5 Volksentscheide in anderen Staaten ƒ 6 Siehe auch ƒ 7 Weblinks

Argumente zum Volksentscheid Pro Volksentscheid

ƒ Zufriedenheit: Volksentscheide dienen der Autonomie der Bürger. ƒ Parteienabsolutismus lösen: Die Demokratie ist zur Zuschauerdemokratie geworden. Das Volk ist auf Akklamation bei Wahlen reduziert. ƒ Volksmeinung ungleich Politikermeinung: Viele Bürger fühlen sich von den Parteien unzulänglich vertreten. ƒ Festigung der Demokratie: Dem Lobbyismus einflussreicher Organisationen wird der Boden unter den Füßen weggezogen. Es ist weitaus schwieriger ein Volk zu beeinflussen als einzelne Personen. ƒ Gute Beispiele: Volksentscheide werden in vielen Staaten erfolgreich praktiziert (z. B. Schweiz). ƒ Rechtskonformität: Volksentscheide widersprechen nicht der Aussage des Grundgesetzes. ƒ Erzwingen von Themen: Das Volk kann durch eine Volksinitiative Themen erzwingen, die Politiker zu meiden suchen.

Stefan Schmidt - 106 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ Wechselhaftigkeit parlamentarischer Meinungen: Die Meinung des Volkes ist nicht so wechselhaft, wie wechselnde parlamentarische Mehrheiten. ƒ Bildung: Das politische Interesse und damit die politische Bildung wächst, da sich die Bürger mit bestimmten Themen auseinandersetzen müssen. ƒ Politische Reife: Das Volk kann selbst politisch sinnvoll agieren (z. B. friedliche Revolution in der DDR) ƒ Förderung von Interessenverbänden: Interessenverbände werden durch Plebiszite gefördert, da sie in der politischen Meinungsbildung normalerweise nur einen indirekten Einfluss haben. Sie können jedoch Plebiszite organisieren und damit direktdemokratische Politik betreiben. ƒ Inkompetenz der Politiker: Obwohl Parlamentarier Berufspolitiker sind, wissen sie nicht immer über das Bescheid, worüber sie entscheiden. ƒ Weniger Fehlentscheidungen: Mittels Volksentscheiden Reformen auf den Weg zu bringen dauert zwar länger, dafür entstehen keine unausgegorenen Schnellschüsse. ƒ Weniger Prestigeprojekte: Die Bürger neigen dazu, gegen sinnlose Prestigeprojekte, die viel Geld kosten und den Ruhm einzelner Politiker mehren sollen, zu stimmen, was zu effektiverem Mitteleinsatz führt.

Contra Volksentscheid

ƒ Populismus: Das Volk sei unfähig, sinnvolle politische Entscheidungen zu treffen (emotionalisierter Unverstand, Populismus). ƒ Unwissenheit: Das Wissen für Entscheidungen fehle vielen. ƒ Unmündigkeit: Der unmündige Bürger brauche einen Vormund. ƒ Egoismus: Das Volk sei nicht kompetent, sinnvolle politische Entscheidungen zu treffen. ƒ Medienbeeinflussung: Entscheidungen werden durch Medien beeinflusst. ƒ Dauerauseinandersetzungen: Ständige politische Auseinandersetzungen werden hervorgerufen. ƒ Verantwortung: Dem Parlament gelinge eine Flucht aus der Verantwortung („Ihr habt es doch so gewollt!“). Gesetze werden über den plebiszitären Umweg gemacht, um die Verantwortung abzugeben. ƒ Pluralismus nicht repräsentiert: Volksentscheide widersprechen der pluralistischen Gesellschaft (nur schwarz-weiß, ja-nein etc.) ƒ Radikalisierung durch Polarisierung: Die schiere Auswahl zwischen "ja" oder "nein" führt zu extremen Positionen im Volk, woraus sich eine Radikalisierung ergibt. ƒ Abhängigkeit: Die Bürger sind auf Vereine bei der Nutzung von Volksentscheiden angewiesen und würden gerade durch demokratisch nicht legitimierte bevormundet. ƒ Minderheiten nicht berücksichtigt: Minderheitenmeinungen lassen sich im Volksentscheid nicht berücksichtigen ƒ Stimmungsdemokratie: Der Ausgang der Volksentscheide sei abhängig von momentanen, manipulierbaren, wechselnden Gefühlslagen. ƒ Fehlende Beteiligung: Die Beteiligung an Volksabstimmungen, etwa in der Schweiz, ist bei unwichtigeren Fragen gering. ƒ Fehlende Alternative: Internationale Verträge (Beispiel EU-Verfassung) wurden unter den Regierungen ausgearbeitet nach dem Muster "für keinen ideal, aber für jeden tragbar". Dem Volk fehle diese Kompromissbereitschaft. ƒ Abgeordnete: können die Wahlberechtigten doch schon wählen, diese sind qualifiziert für das Weiterleiten der Interessen des Volkes an das Parlament ƒ Aktive Minderheiten gewinnen den Volksentscheid, während die Meinungsmehrheit der Abstimmung fern bleibt.

Mehrere dieser Argumente sind gleichzeitig jedoch Argumente gegen demokratische Wahlen, die auf einem allgemeinen Wahlrecht beruhen. Volksentscheide in Deutschland

Stefan Schmidt - 107 - Ö-Recht Lernhilfe In Deutschland ist der Volksentscheid auf Bundesebene, außer bei einer Neugliederung des Bundesgebietes, z. Zt. nicht vorgesehen. Auf Landesebene gibt es ihn jedoch in allen Bundesländern. Im kommunalen Bereich sind direkte Bürgerentscheide in allen Bundesländern, dank einer Volksabstimmung auf Landesebene, auch in Berlin, möglich. Besonders weitgehende direktdemokratische Elemente finden sich im Bundesland Bayern. Dort ist unter anderem die Abwahl der Regierung durch einen Volksentscheid möglich. (siehe auch: Bürgerbegehren)

In Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes heißt es, die Staatsgewalt werde vom Volke "in Wahlen und Abstimmungen" ausgeübt. Volksabstimmungen auf Landes- und Bundesebene werden damit grundsätzlich auf die gleiche Stufe wie Wahlen gestellt. Für die tatsächliche Durchführung von Volksentscheiden auf Bundesebene müsste das Grundgesetz jedoch erneut geändert werden, da als Gesetzgeber bisher nur der Bundestag (zusammen mit dem Bundesrat) aufgeführt ist.

Auch nach dem Ersten Weltkrieg waren in manchen Gebieten Volksentscheide über den Verbleib der Gebiete bei Deutschland durchgeführt worden, deren Ergebnisse aber nicht immer umgesetzt werden konnten.

Siehe dazu auch den erfolgreichen Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform in Schleswig- Holstein vom 27. September 1998 sowie den Artikel Volks- und Bürgerentscheide in den deutschen Bundesländern. Volksentscheide in den USA

In den Vereinigten Staaten spielen Volksentscheide in den Rechtsordnungen einzelner Bundesstaaten, z.B. Kalifornien, eine große Rolle, leiden jedoch unter sehr geringer Beteiligung des Staatsvolkes an den Abstimmungen, weswegen sie nach Möglichkeit auf den Tag einer Wahl von allgemeinerem Interesse gelegt werden. So fanden im Zusammenhang mit der US-Präsidentschaftswahl 2004 163 Volksabstimmungen zu den verschiedensten Themen in 34 Staaten statt. Volksentscheide in der Schweiz

Die Schweiz, als eine im besonderen Maße direkte Demokratie mit repräsentativen und plebiszitären Merkmalen, verfügt über eine ausgesprochene Kultur von Volksentscheiden. Solche finden auf Bundesebene in zwei Fällen statt:

ƒ Bei einer Volksinitiative: 100'000 Bürger können mit ihrer Unterschrift eine Änderung der Verfassung oder eines Gesetzes verlangen, über die obligatorisch abgestimmt werden muss (Art. 138 ff. der schweizerischen Bundesverfassung). ƒ Bei einem Referendum: Eine obligatorische oder fakultative Volksabstimmung über ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz oder eine Verfassungsänderung oder über wichtige völkerrechtliche Verträge (Art. 140 ff. der schweizerischen Bundesverfassung). In der Schweiz wird eine fakultative Volksabstimmung durchgeführt, wenn diese von mindestens 50.000 Bürgern verlangt wird. In einem solchen Fall sagt man auch, dass gegen eine bestimmte Gesetzesvorlage das Referendum ergriffen wurde. Verlangen weniger als 50.000 Bürger eine Abstimmung, gilt ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz als angenommen.

Vergleichbare Volksentscheide finden auch in den Kantonen statt; diese haben in den Einzelheiten jedoch alle ihr eigenes System. Es kommt insbesondere vor, dass sie weitergehende Volksrechte kennen, z.B. ein fakultatives Referendum auch über Ausgabenbeschlüsse (sogenanntes Finanzreferendum).

Stefan Schmidt - 108 - Ö-Recht Lernhilfe Kein eigentlicher Volksentscheid, aber ebenfalls die Ausübung eines traditionellen politischen Rechts der Einzelnen ist die Petition: Jede Person hat das Recht, einen Wunsch oder eine Anregung an Behörden zu richten; es dürfen ihr daraus keine Nachteile erwachsen. Die Behörden sind lediglich dazu verpflichtet, die Begehren zur Kenntnis zu nehmen, sie sind jedoch weder verpflichtet die Petition zu behandeln noch dazu Stellung zu nehmen (was aber Praxis ist). Siehe Art. 33 ff. der schweizerischen Bundesverfassung.

Siehe auch: Politisches System der Schweiz Volksentscheide in anderen Staaten

In den meisten europäischen Ländern werden Volksentscheide mit Volksinitiative und Volksbegehren eingeleitet. Die zur Durchführung notwendigen Mindestbeteiligungen (so genannte Quoren) sind recht unterschiedlich geregelt, i. d. R. restriktiv, um den Missbrauch von Volksabstimmungen z. B. für Kampagnenpolitik zu verhindern. Prinzipiell möglich, wenngleich in den meisten Verfassungen nicht vorgesehen, wäre es auch, dass Parlamente dem Staatsvolk Einzelfragen zur Abstimmung geben (parlamentarisches Quorum). Siehe auch

Wahlrecht, Volksbegehren, Volksabstimmung Weblinks

ƒ Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein ƒ Mehr Demokratie e.V. (Verein für direkte Demokratie) ƒ Schweiz: Die politischen Rechte im Bund ƒ Datenbank über Volksbegehren in den deutschen Bundesländern ƒ Informationen zu kommunalen Bürgerbegehren in Deutschland ƒ Deutsches Institut für sachunmittelbare Demokratie ƒ Aktionsseite für Volksentscheide in Hamburg

[1]

Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Volksentscheid"

Kategorien: Politischer Begriff | Staats- und Verfassungsrecht

Stefan Schmidt - 109 - Ö-Recht Lernhilfe Verhältnismäßigkeit aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie Rechtswissenschaft

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein Merkmal des Rechtsstaats. Zweck des Grundsatzes ist es, vor übermäßigen Eingriffen des Staats in Grundrechte, insbesondere auch in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), zu schützen (daher oft auch Übermaßverbot genannt). Als verfassungsrechtliches Gebot ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für die gesamte Staatsgewalt ummittelbar verbindlich.

Verhältnismäßigkeit verlangt von jeder staatlichen Maßnahme, die in Grundrechte eingreift, dass sie geeignet, erforderlich und angemessen ist. Eine Maßnahme, die diesen Anforderungen nicht entspricht, ist rechtswidrig und kann angefochten und beseitigt werden:

1. Um die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer konkreten staatlichen Maßnahme beantworten zu können, ist die Feststellung und Benennung ihres Zwecks der erste Schritt. Der Zweck der Maßnahme setzt den Maßstab und Bezugspunkt für die Frage, ob die Maßnahme zur Erreichung gerade dieses Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist. So liegt etwa auf der Hand, dass der tödliche Schuss aus der Waffe eines Polizisten, einen um sich schießenden Terroristen auszuschalten, durchaus verhältnismäßig sein kann – der tödliche Schuss mit Ziel, den ertappten 15-jährigen Ladendieb an einer möglichen Flucht zu hindern, dagegen nicht. Ist bereits der Zweck als solcher nicht legitim ist die Maßnahme bereits deshalb nicht verhältnismäßig. (Beispiel: Heranziehung junger Frauen zur Prostitution zugunsten des Staatshaushalts). 2. Die Maßnahme ist geeignet, den Zweck zu erreichen, wenn sie seine Erreichung kausal bewirkt oder zumindest fördert. Zur Verminderung des Schadstoffausstoßes eines Industriebetriebes etwa ist die Schließung des Betriebes geeignet, aber auch der Einbau einer Rauchgasreinigungsanlage. Nicht geeignet dagegen wäre die Schließung des Unternehmensparkplatzes. 3. Die Maßnahme ist erforderlich, wenn kein anderes Mittel zur Verfügung steht, das mindestens genauso geeignet ist, den Zweck zu erreichen, gleichzeitig aber den Betroffenen weniger belastet. Die Schließung des o.a. Betriebs ist daher in der Regel nicht erforderlich, weil die Verminderung des Schadstoffausstoßes auch durch eine Rauchgasreinigung erreicht werden kann, ohne dass der Unternehmer seinen Betrieb dauerhaft einstellen müsste. 4. Angemessen (auch: verhältnismäßig im engeren Sinn) ist eine Maßnahme nur dann, wenn die Nachteile, die mit der Maßnahme verbunden sind, nicht völlig außer Verhältnis zu den Vorteilen stehen, die sie bewirkt. An dieser Stelle ist eine offene Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile der Maßnahme erforderlich. In dieser Abwägung sind alle Wertentscheidungen der Rechtsordnung und die von der Maßnahme berührt werden. Dabei sind vor allem verfassungsrechtliche Vorgaben, insbesondere Grundrechte zu berücksichtigen. Geht es beispielsweise um die Frage, ob zur Bekämpfung schwerer Bandenkriminalität die Videoüberwachung von Wohnräumen zugelassen werden soll, ist vor allem das Grundrecht des Überwachten auf Unverletzlichkeit seiner Wohnung gegen das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung und Verteidigung der Rechtsordnung - mit offenem Ausgang - abzuwägen.

Siehe auch: Ermessensfehler, Abwägungsfehler Ethik

Stefan Schmidt - 110 - Ö-Recht Lernhilfe Eine Ethik der Verhältnismäßigkeit, wie sie etwa Peter Knauer, Handlungsnetze. Über das Grundprinzip der Ethik, Frankfurt a. M. 2002, vertritt, geht von folgender Annahme aus: Eine Handlung kann nur dadurch moralisch unverantwortlich sein, dass sie ohne "entsprechenden Grund" einen Schaden zulässt oder verursacht.

Jede Handlung hat mit Notwendigkeit einen "Grund", also etwas, das mit der Handlung erreicht (Wert) oder vermieden (Unwert/Schaden) werden soll. Der Grund einer Handlung ist aber kein "entsprechender", wenn der durch die Handlung angestrebte Wert oder Wertverbund in universaler Betrachtung untergraben, anstatt gefördert wird; oder wenn der durch die Handlung bekämpfte Unwert oder Unwertverbund (Schaden) in universaler Betrachtung vegrößert, anstatt vermindert wird. Unverantwortliche Handlungen sind in diesem Sinn unverhältnismäßig, wenn und weil sie die Struktur der Kontraproduktivität, des Raubbaus aufweisen: sie widersprechen sich in universaler Betrachtung selbst. Es geht in der Ethik nicht so sehr darum, welche Werte wir wählen sollen, sondern ob wir den Werten, für die wir uns entscheiden, auch auf die Dauer und im Ganzen, also nachhaltig gerecht werden. Auch ein Gütervergleich bzw. eine Güterabwägung steht nicht im Zentrum der ethischen Beurteilung einer Handlung. Lediglich das Bedingungsverhältnis zwischen Werten muss beachtet werden. Das moralisch Richtige besteht in dieser Sicht im nicht-kontraproduktiven Umgang mit vormoralischen Werten.

Ob eine Handlung kontraproduktiv ist oder nicht, liegt dabei nicht im Belieben des Handelnden, sondern stellt ein objektiv nachprüfbares Faktum dar. Darauf bezieht sich die Rede vom "natürlichen Sittengesetz". Allerdings kann man nie definitiv wissen, ob eine Handlung tatsächlich nicht kontraproduktiv ist, weil etwa durch Zeitablauf neue Handlungsfolgen bzw. Schäden sichtbar werden können. Auch in der Ethik geht es demnach um Erfahrung und um Lernen aus Erfahrung.

Die so verstandene universale Nicht-Kontraproduktivität könnte helfen, den juristischen Begriff der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinn und seine Schwierigkeiten zu klären.

Die Legitimität einer Rechtsordnung bemisst sich z.B. nach diesem Ansatz daran, dass sie Gewalt ausschließlich zur Verhinderung von insgesamt noch größerer Gewalt gebraucht. Dies ist eine komplexe empirische Frage und bedarf der Erörterung in realen rechtsethischen und rechtspolitischen Diskursen. Man kann davon ausgehen, dass der moderne demokratische und soziale Verfassungsstaat die Form von politischer Herrschaft darstellt, in der die so verstandene Legitimität bestmöglich gewährleistet ist. Das Rechtstaatlichkeitsprinzip kann als eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. des Prinzips der universalen Nicht-Kontraproduktivität betrachtet werden. Es ist ein Meta-Prinzip, das die Abwägung aller anderen Rechtsprinzipien koordiniert.

Siehe auch: Doppelwirkung

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Stefan Schmidt - 111 - Ö-Recht Lernhilfe

Indemnität aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ein Abgeordneter, der grundsätzlich Indemnität genießt, darf nicht wegen einer Abstimmung oder einer Äußerung, die er im Parlament oder dessen Ausschüssen getan hat, gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Parlaments zur Verantwortung gezogen werden. Die einzigen Ausnahmen sind verleumderische Beleidigungen.

In Deutschland ist die Indemnität der Parlamentsabgeordneten in Art. 46(1) des Grundgesetzes festgelegt. Die deutschen Verfassungen von 1848, 1871 und 1919 kannten keine Ausnahmen von der Indemnität des Abgeordneten.

Indemnität ist auch eine Bezeichnung für die nachträgliche Legitimierung von rechtswidrigen, eigenmächtigen oder im Ausnahmezustand getroffenen Entscheidungen der Regierung durch ein Parlament bzw. den zuständigen Souverän.

Siehe auch:

ƒ Immunität, Indemnitätsvorlage, Redefreiheit ƒ Lit.: Schutz der Redefreiheit des Abgeordneten. FAZ vom 28. Januar 2005, p.2 Weblinks

ƒ bundesrecht.juris.de/ Art. 46 GG

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Kategorie: Politischer Begriff

Stefan Schmidt - 112 - Ö-Recht Lernhilfe Volkssouveränität aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Volkssouveränität bezeichnet eine Staatsform, in der der Inhaber der Staatsgewalt - der "Souverän" - das Volk ist. Zu den Ausformungen der Volkssouveränität im geltenden Recht siehe unten, "Geltendes Recht", zu den rechtshistorischen und rechtsphilosophischen Grundlegungen der Volkssouveränität siehe unten, "Rechtsphilosophische und andere Gedanken zur Volkssouveränität".

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Geltendes Recht ƒ 1.1 Rechtslage in Deutschland ƒ 2 Rechtsphilosophische und andere Gedanken zur Volkssouveränität ƒ 2.1 Einführung ƒ 2.2 Rechtssouveränität ƒ 2.3 Kritische Überlegungen zum Verständnis von Volkssouveränität im allgemeinen

Geltendes Recht Rechtslage in Deutschland

Die Volkssouveränität im Sinne deutschen Verfassungsrechts ist Bestandteil des Demokratieprinzips und gehört als solcher zu den verfassungsrechtlichen Staatsformmerkmalen der Bundesrepublik Deutschland. Der Grundsatz der Volkssouveränität ist in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes geregelt. Die Bestimmung lautet wie folgt:

Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

Im einzelnen ergibt sich aus dieser Bestimmung:

Sämtliche Staatsgewalt geht in Deutschland - unmittelbar oder mittelbar - vom Volk aus. Das Volk ist in diesem Sinne der Souverän im Staate, ist gleichsam Herrscher über sich selbst. Dabei ist unter "Volk" in diesem Zusammenhang ausschließlich das Staatsvolk im Sinne der staatsrechtlichen 3- Elemente-Lehre zu verstehen. Dazu gehört jeder, der im Sinne von Artikel 116 des Grundgesetzes die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Ausländer (Nicht-Deutsche) haben daher keinen Anspruch darauf, an der Ausübung der Staatsgewalt, insbesondere an Wahlen und Abstimmungen (auf Bundesebene) teilzunehmen. Ihnen darf ein Ausländerwahlrecht auch nicht eingeräumt werden, weil nur Deutschen die Staatsgewalt (Art. 20 Abs. 2 GG) zusteht. Nur bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 3 Ausländer, soweit sie Unionsbürger, also Angehörige eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union sind, aktiv und passiv wahlberechtigt. Aus dieser Bestimmung folgt ebenfalls,

Stefan Schmidt - 113 - Ö-Recht Lernhilfe dass ein Ausländerwahlrecht sowohl auf Bundes- und Landesebene als auch bei Kommunalwahlen unzulässig ist.

Das Staatsvolk übt seine Staatsgewalt unmittelbar durch Wahlen und Abstimmungen aus. Die Ausübung der Staatsgewalt durch Abstimmungen ist im Grundgesetz abschließend geregelt. Abstimmungen finden ausschließlich bei Neugliederungen des Bundesgebietes statt (Artikel 29 des Grundgesetzes und Artikel 118). Die Einführung weiterer konstitutiver Volksabstimmungen oder - entscheide wäre nur durch Verfassungsänderung, nicht aber durch einfaches Gesetz möglich.

Außerhalb der Wahlen und Abstimmungen übt das Volk die Staatsgewalt ausschließlich mittelbar, und zwar durch die Organe der Gesetzgebung (Legislative), der Verwaltung (Exekutive) und der Rechtsprechung (Jurisdiktion) aus. Die unmittelbare Ausübung der Staatsgewalt ist daher im Wesentlichen auf die Teilnahme an Wahlen beschränkt. Die deutsche Demokratie ist in diesem Sinne eine rein repräsentative Demokratie. Rechtsphilosophische und andere Gedanken zur Volkssouveränität

Einführung

Frühe Demokratietheoretiker der Neuzeit standen daher dem Prinzip vom Rechtsstaat oder einer Verfassung skeptisch gegenüber, da diese die Macht des Volkes souverän zu entscheiden, beeinträchtigen würden. In neuerer Zeit treten jedoch verschiedene Formen der rechtlichen Ausgestaltung der Machtübung, indirekte und representative Demokratie mit unterschiedlichen Beteiligung der Rechtsprechung auf.

Rechtssouveränität

Aus rechtspositivistischer Sicht gibt es nach geltendem deutschem Verfassungsrecht kein deutsches Recht, das dem Zugriff des deutschen Souveräns - des Volkes - entzogen wäre. Denn das Volk übe seine Staatsgewalt aus, in dem es Recht setze und vollziehe. Recht (im rechtswissenschaftlichen Sinne gemeint) sei daher nicht Voraussetzung und Grenze der Souveränität des Volkes, sondern Ausdruck und Folge seiner Souveränität und Medium in dem die Souveränität sich entfalte. Das Volk sei daher im Prinzip noch nicht einmal gehindert - notfalls durch Neuschaffung der Verfassung -, die Todesstrafe einzuführen, Zwangsarbeit zu erlauben, Privateigentum abzuschaffen oder die Unverletzlichkeit der Wohnung aufzuheben. Übergeordnete "Rechts"sätze, an die auch der Souverän im Rechtssinne absolut gebunden wäre, gebe es nicht. Sollte sich der Souverän an bestimmte Werte aus moralischen, ethischen oder sonstigen Gründen gebunden fühlen (etwa an die Unantastbarkeit der Menschenwürde oder die freie Meinungsäußerung), so werde er sie berücksichtigen. Rechtlich verpflichtet aber sei er dazu nicht.

Dem gegenüber vertrittt eine am Naturrecht orientierte Rechtsphilosophie die Auffassung, auch in demokratischen Staaten solle die "Rechtssouveränität" der Volkssouveränität vorangestellt werden. Das heißt, bestimmte Rechtsgrundsätze (wie z.B. die Menschenrechte) dürften als Grundlage des politischen Lebens in einer Demokratie nicht verletzt werden. Die demokratische Anwendung des Volkssouveränitätsprinzips bestehe nicht in einer Durchsetzung des Willkürwillens der Mehrheit, sondern in der Achtung der Rechte einzelner und der gesellschaftlichen Minderheiten und Gruppen durch die demokratisch qualifizierte Mehrheit.

Stefan Schmidt - 114 - Ö-Recht Lernhilfe Kritische Überlegungen zum Verständnis von Volkssouveränität im allgemeinen

Verschiedene Initiativen verstehen unter dem Volkssouveränitätsprinzip eine weitergehende Forderung. Sie lehnen die repräsentative Demokratie als grundsätzlich "undemokratisch" und akzeptieren lediglich direkte Demokratien als "demokratisch". In ihrem Sinne bedeutet die Volkssouveränität die Souveränität des Volkes über sich selbst. Nach diesem Verständnis gibt es keine dem Volk übergeordnete staatliche oder staatsähnliche Ebene wie z.B. Bundesstaatsebene oder EU- Ebene, die gegenüber dem Volk des jeweiligen Staates weisungsbefugt ist. Auch innerhalb des Staates gibt es keine dem Volk übergeordnete, weisungsbefugte Instanzen wie z.B. Parlamente, Verfassungsgerichte, Regierungen, Verwaltung, Aristokraten, Diktatoren etc.

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Stefan Schmidt - 115 - Ö-Recht Lernhilfe Demokratie aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Demokratie (griechisch δηµοκρατία, von δήµος, démos – Volk und κρατία, kratía – Macht, Herrschaft, Kraft, Stärke), ursprünglich von Aristoteles abwertend im Sinne von »Herrschaft des Pöbels« gebraucht, bezeichnete zunächst die direkte Volksherrschaft (heute: Direktdemokratie, Radikaldemokratie, Basisdemokratie). Heute wird »Demokratie« zumeist als allgemeinerer Sammelbegriff für Regierungsformen gebraucht, deren Herrschaftsgrundlage aus dem Volk abgeleitet wird. In den so genannten Repräsentativen Demokratien werden hierzu von den Bürgern eines Staates Repräsentanten gewählt, die über Parlamente und in der Regierung im Auftrag des Volkes Herrschaft ausüben sollen. Bei vorwiegend direkt-demokratischen Regierungsformen übt das Volk die Macht selbst aus, zum Beispiel mittels Volksentscheiden, kooperativer Planung. Entscheidendes Merkmal der Demokratie ist die Möglichkeit, die jeweilige Regierung durch eine Abstimmung (entweder des Volkes oder gewählter Vertreter) austauschen zu können, hierin unterscheidet sie sich von anderen Staatsformen.

Umgangssprachlich wird unter demokratisch oft auch eine alle Beteiligten gerecht einbeziehende Vorgehensweise verstanden. Daraus folgt auch das im folgenden dargestellte Demokratieverständnis, das Bestandteile der westlichen/bundesdeutschen Vorstellung vom bürgerlich-humanistischen (Rechts-)Staat unter dem Begriff Demokratie subsumiert, die mit ihm weder semantisch noch historisch erklärbar sind. Frühe Demokratietheoretiker der Neuzeit standen dem Prinzip vom Rechtsstaat oder einer Verfassung skeptisch gegenüber, da diese die Macht des Volkes souverän zu entscheiden, beeinträchtigen würden – ebenso wie frühe liberale Theoretiker die Demokratie skeptisch sahen, da eine konsequente Demokratie auch problemlos in die individuellen Freiheitsrechte des Einzelnen eingreifen könnte. Zum westlichen Demokratieverständnis gehören, neben der Beteiligung aller Bürger, der Rechtsstaat und die Sicherung der Menschenrechte.

In Deutschland wird die Demokratie durch das Grundgesetz als tragendes Verfassungsprinzip festgelegt. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. (Art. 20, Abs. 2 GG). Auch in der österreichischen Bundesverfassung heißt es bereits im Artikel 1: Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Geschichte ƒ 2 Repräsentation ƒ 3 Verschiedene Demokratieformen ƒ 3.1 Repräsentative und direkte Demokratie ƒ 3.2 Präsidentielle und parlamentarische Demokratie-Systeme ƒ 3.3 Mehrheitsdemokratie, Konkordanzdemokratie und Konsensdemokratie ƒ 3.4 Rätedemokratie ƒ 3.5 Nenn-Demokratien ƒ 4 Gesellschaftliche Perspektive

Stefan Schmidt - 116 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ 5 Deutschlands Weg zur Demokratie ƒ 6 Bewertung ƒ 7 Zitate ƒ 8 Siehe auch ƒ 9 Literatur ƒ 9.1 Einführung und Geschichte ƒ 9.2 Demokratietheorien im Vergleich ƒ 9.3 Aktuell diskutierte Arbeiten ƒ 10 Weblinks

Geschichte

Die Geschichte der Demokratie ist eng verknüpft mit der Idee der Naturrechte, heute eher bekannt unter dem Begriff der Menschenrechte. Ausgehend davon wurde die Idee der Gleichberechtigung der Freien entwickelt, die sich in den frühen Ansätzen zu demokratischen Gesellschaften wiederfindet. Die Mitgestaltungsbefugnisse eines Menschen hingen zunächst, wie von eben genanntem Begriff impliziert, am Status der Person: Nur Freie – was Sklaven, Frauen und Nicht-Bürger ausschloss – hatten diese Rechte inne.

Als erste Verwirklichung der Demokratie in der Geschichte wird die Attische Demokratie angesehen, die nach heftigem Ringen des Adels und der Reichen mit dem einfachen Volk errichtet worden war und allen männlichen Vollbürgern der Stadt Athen Mitbestimmungsrechte in der Regierung gewährte. Beamte wurden per Los bestimmt oder gewählt. Eine Gewaltenteilung im modernen Sinne gab es jedoch nicht.

Die Staatsform war nicht unumstritten, gewährte sie doch beispielsweise den Bürgern das Recht, Mitbürger, die als gefährlich für die Demokratie angesehen wurden, in die Verbannung zu schicken (siehe auch Ostrakismos, Scherbengericht) – eine Praxis, die recht häufig und nicht immer zum Wohle Athens angewandt wurde. Auch waren die Beschlüsse der Volksversammlung leicht beeinflussbar – der Demagoge trat auf und sollte nicht selten eine unglückliche Rolle in der Politik Athens spielen (vgl. Kleon und Alkibiades sowie Peloponnesischer Krieg). Auch in anderen Poleis des attischen Seebunds wurden Demokratien eingerichtet, die aber vor allem dafür sorgen sollten, dass die Interessen Athens gewahrt wurden.

Der bekannte Althistoriker Christian Meier erklärte die Einführung der Demokratie durch die Griechen dadurch, dass sie entdeckt hätten, dass Demokratie die Antwort auf die Frage ist, wie es der Politik gelingen kann, auch die Herrschaft selbst zum Gegenstand von Politik zu machen (vgl. Christian Meier, Die Entstehung des Politischen bei den Griechen, Frankfurt a.M. 1980).

Der antike Philosoph Aristoteles verwendet den Begriff Demokratie in seiner Politik negativ, um die Herrschaft der Armen zu bezeichnen; diese "entartete Staatsform" würde nicht das Wohl der Allgemeinheit, sondern nur das Wohl eines Teils der Bevölkerung (eben der Armen) verfolgen. Allerdings lehnte er die Demokratie (in ihrer gemäßigten Form) nicht strikt ab, wie etwa noch sein Lehrer Platon dies tat. Aristoteles plädierte aber für eine Form der Mischverfassung zwischen Demokratie und Oligarchie, die so genannte Politie.

Auch die römische Republik verwirklichte bis zur schrittweisen, kontinuierlichen Ablösung durch den Prinzipat eine Gesellschaft mit rudimentären demokratischen Elementen, basierend auf der Idee der Gleichberechtigung der Freien bei der Wahl der republikanischen Magistrate, auch wenn freilich das

Stefan Schmidt - 117 - Ö-Recht Lernhilfe oligarchische Prinzip bestimmend war. Es sei aber doch darauf hingewiesen, dass der Historiker Fergus Millar einen anderen Standpunkt vertritt und die römische Republik viel mehr als eine Art direkt-demokratisches Staatswesen interpretiert hat; die diesbezügliche Diskussion ist noch nicht beendet. Die historisch für uns bedeutendere Leistung Roms dürfte allerdings die Etablierung einer frühen Form eines Rechtsstaats sein – einem Konzept, das ebenfalls eng mit unserem heutigen Verständnis von Demokratie zusammenhängt.

Zur Zeit des Mittelalters wurden die demokratischen Ideen nahezu vollständig aus Europa verdrängt, nur in den Reichsstädten mit Bürgerrechten und Teilen der Schweiz überlebten diese Ideen teilweise.

1762 veröffentlichte Jean-Jacques Rousseau "Du contract Social; ou Principes du Droit Politique" und etablierte mit dieser Vertragstheorie die identitäre Demokratietheorie, welche Herrscher und Beherrschte gleichsetzt. Die so entstehende Volkssouveränität basiert auf dem Gemeinwillen, dem „volonté générale“. Auch die von John Locke und Charles de Secondat Montesquieu etablierte Gewaltenteilung in Legislative, Judikative und Exekutive wird als elementarer Bestandteil eines modernen, demokratischen Rechtsstaates betrachtet.

Gleichzeitig hatten sich in den USA fünf Indianer-Stämme zum Bund der Irokesen zusammengeschlossen und sich eine Räte-Verfassung gegeben. Benjamin Franklin und andere amerikanische Staatsmänner ließen sich hinsichtlich der Ausgestaltung der amerikanischen Verfassung von den Irokesen anregen.

Die Vorarbeiten dieser Philosophen, das Vorbild des englischen Parlamentarismus und auch das Vorbild der irokesischen Verfassung fanden Berücksichtigung, als mit der Verfassung der USA 1787 der erste moderne demokratische Staat, die USA, entstand. Polen war dann der zweite Staat mit einer demokratischen Verfassung (3. Mai 1791) und somit der erste in Europa. Diese Prozesse inspirierten ebenfalls die Französische Revolution, wenn auch erst eine schrittweise Demokratisierung der anderen europäischen Länder erfolgte (und keineswegs überall, siehe das zaristische Russland, Österreich- Ungarn, Preußen etc.), wobei auch der bereits ehrwürdige englische Parlamentarismus besondere Erwähnung verdient. Repräsentation

Das »Volk« ist keine Einzelinstanz mit einem freien Willen, sondern eine (meist sehr große) Anzahl von gleichberechtigten Individuen, von denen jedes seinen eigenen, freien Willen hat. Aufgabe demokratischer Systeme ist es also, sich so zu organisieren, dass dabei die Einzelinteressen ausgeglichen werden und sich die Entscheidungen nach einem emergierenden Gesamtwillen richten.

Da in der Praxis jedoch das Staatsvolk nicht über jedes Detail des politischen Tagesgeschäftes entscheiden kann, haben sich alle bestehenden Demokratien dergestalt organisiert, dass – meist auf mehreren Ebenen wie Gemeinde, Land, Staat etc. gestaffelt – Teile der Souveränität in Einzelentscheidungen an gewählte Volksvertreter abgegeben werden. Das Volk gibt dann in Wahlen die »grobe Linie« vor, an der sich die Vertreter zu orientieren haben (bzw. in der Praxis orientieren, da davon ihre Wiederwahl abhängt). Diese Vertreter sollen als Repräsentanten der Wählergemeinde agieren, von der sie gewählt wurden und deren Interessen und Ziele sie in den entsprechenden Gremien im Interesse ihrer Wähler durchsetzen sollen.

Der Einfluss, den das Volk als Souverän während der Amtszeit der gewählten Vertreter auf diese behält, unterscheidet sich in den unterschiedlichen Demokratieformen. In manchen Systemen wie in der Schweiz behält das Volk ein Vetorecht gegenüber den Entscheidungen der Volksvertreter, in

Stefan Schmidt - 118 - Ö-Recht Lernhilfe anderen besteht lediglich ein Petitionsrecht, wieder andere beschränken sich auf das Wahlrecht für die Volksvertretung. Es gibt auch die Forderung nach einer Umsetzung von radikaldemokratischen Systemen, die ohne Volksvertreter auskommen sollen oder das Repräsentationsprinzip verachten (siehe z. B. Partizipatorische Demokratie). Dabei handelt es sich um theoretische Modelle, die in diesem Artikel nicht weiter betrachtet werden.

Auch wenn Wahlen ein wesentliches Grundkriterium für Demokratien sind, so sind sie nicht die Einzige: Wesentlich zeichnet sich eine Demokratie durch die Freiheiten und Rechte aus, die ihre Bürger gegenüber dem Staat beanspruchen können. Damit muss eine Demokratie unabdingbar die Menschenrechte gewährleisten. Insbesondere sind in diesem Zusammenhang das bereits erwähnte Wahlrecht, das Diskriminierungsverbot, das Recht auf freie Meinungsäußerung und eine unabhängig funktionierende Judikative als konstituierende Grundbausteine einer Demokratie zu nennen. Verschiedene Demokratieformen

Demokratie findet sich umgesetzt u. a. in folgenden Formen wieder. Neben diesen Demokratievarianten in der Praxis gibt es eine Vielzahl von Theorien, die noch weitere Auffassungen über Demokratie vertreten (siehe Demokratietheorien).

Repräsentative und direkte Demokratie

In der repräsentativen Demokratie geht die Staatsgewalt insoweit vom Volke aus, als dieses in Abständen von meistens 4 bis 5 Jahren Repräsentanten wählt (Personen oder Parteien), die die politischen Entscheidungen für die Zeit der nächsten Wahlperiode treffen.

Beim reinen Verhältniswahlrecht kann der Wähler eine Partei benennen, die seinen politischen Vorstellungen am nächsten kommt. Im Parlament sind die Parteien dann etwa mit der Stärke vertreten, die ihrem Stimmenanteil entspricht. Beim reinen Mehrheitswahlrecht zieht aus jedem Wahlkreis derjenige Bewerber ins Parlament ein, der dort die meisten Stimmen auf sich vereint. Verschiedene Mischformen kommen vor.

In der Stochokratie werden die Vertreter des Volkes per Los bestimmt!

In der direkten Demokratie liegt die gesamte Macht beim Volk.In der Praxis tritt diese Form der Demokratie auf Staatsebene allerdings nie auf; es wird vielmehr auf die plebiszitäre Elemente gesetzt, wobei das Volk nur in wichtigen Entscheidungen per Volksentscheid unmittelbar beteiligt wird. In weiten Teilen der 68er- und Alternativbewegungen (direkte Demokratie oder zumindest mehr Elemente direkter Demokratie galten als erklärte Ziele) war / ist statt direkter Demokratie der Begriff "Basisdemokratie" üblich.

Das Rätesystem schließlich stellt eine Mischform zwischen direkter und repräsentativer Demokratie dar.

Die meisten modernen Demokratien sind repräsentative Demokratien, teilweise mit direktdemokratischen Elementen wie Volksentscheiden auf nationaler oder kommunaler Ebene.

Die Schweiz ist auf nationaler, kantonaler und kommunaler Ebene eine plebiszitäre Demokratie, wobei auf nationaler und in den meisten Kantonen auch auf kantonaler Ebene und in größeren Städten auf kommunaler Ebene ein Parlament Legislative ist, und das Volk bei Parlamentsentscheiden nur über Verfassungsänderungen und über Gesetzesänderungen abstimmt. Zusätzlich gibt es für das Volk

Stefan Schmidt - 119 - Ö-Recht Lernhilfe noch das Recht der Verfassungsinitiative, bei dem eine Anzahl Bürger eine Änderung der Verfassung vorschlagen kann, über die obligatorisch abgestimmt werden muss. Zudem kann mit genügend Unterschriften eine Volksabstimmung (Referendumsabstimmung) über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz erzwungen werden. Einige kleine Kantone haben statt des Parlaments die Landsgemeinde. Auf kommunaler Ebene gibt es in kleineren Orten keine Volksvertretung, sondern Entscheide werden direkt in einer Bürgerversammlung diskutiert und abgestimmt.

Präsidentielle und parlamentarische Demokratie-Systeme

Nach dem klassischen Prinzip der Gewaltenteilung sind in Demokratien die Gesetzgebung und die Regierung zu trennen. In der Praxis sind (zum Beispiel über Parteizugehörigkeiten) beide nicht unabhängig voneinander zu sehen: Die Fraktion, die die Mehrheit im Bereich der Gesetzgebung hat, stellt in der Praxis meist auch die Regierung. Der Unterschied zwischen einer eher präsidentiell und einer eher parlamentarisch ausgerichteten Demokratie liegt nun in den praktischen Auswirkungen des verfassten Machtverhältnisses zwischen Regierung und Gesetzgebung.

Präsidentielle orientierte Ausprägungen (Beispiel USA) zeichnen sich durch eine starke Stellung des Regierungschefs, des Präsidenten, gegenüber dem Parlament aus, in parlamentarischen Systemen regiert das Parlament in der Praxis ein Stück weit mit. Praktische Auswirkungen haben zum Beispiel die Zustimmungspflichtigkeit des Parlamentes bei bestimmten Entscheidungen (in den USA beispielsweise kann der Präsident frei einen Militäreinsatz befehlen, in der Bundesrepublik benötigt der Kanzler hierfür in aller Regel ein positives Votum des Parlamentes.), oder Fragen des Haushaltsrechtes.

Bei präsidentiell orientierten Systemen findet man häufig eine Direktwahl des Präsidenten durch das Volk, um die starke Machtstellung stärker vom Souverän abhängig zu machen. In einer parlamentarischen Demokratie wird die Regierung meist vom Parlament gewählt und kann vom Parlament auch wieder abgesetzt werden.

Mehrheitsdemokratie, Konkordanzdemokratie und Konsensdemokratie

In Mehrheitsdemokratien wird die Regierung aus Parteien zusammengesetzt, die im Parlament die Mehrheit haben. Damit hat die Regierung gute Chancen, ihre Vorschläge beim Parlament durchzubringen. Bei einem Regierungswechsel kann jedoch das Pendel wieder in die entgegengesetzte Richtung laufen. Großbritannien und die USA sind Beispiele für Mehrheitsdemokratien.

In einer Konkordanzdemokratie, werden öffentliche Ämter nach Proporz oder Parität verteilt. Alle größeren Parteien und wichtigen Interessengruppen sind an der Entscheidungsfindung beteiligt und die Entscheidung ist praktisch immer ein Kompromiss. Der Entscheidungsprozess braucht mehr Zeit und große Veränderungen sind kaum möglich, andererseits sind die Verhältnisse auch über längere Zeit stabil und es werden keine politischen Entscheide bei einem Regierungswechsel umgestürzt. Die Schweiz ist ein Beispiel für eine Konkordanzdemokratie. Die Abgrenzung von Konkordanz- und Konsensdemokratie ist schwierig und variiert sehr stark je nach Autor. Vielfach werden die Begriffe in der Literatur gleichgesetzt, die Unterschiede sind dann auch tatsächlich marginal. Konsensdemokratien zeigen gemeinhin eine ausgeprägte Machtteilung in der Exekutive, ein gleichberechtigtes Zwei-Kammern-System, die Nutzung des Verhältniswahlrechts und eine starre, nur durch Zweidrittel Mehrheit zu ändernde Verfassung. Deutschland passt sehr gut in dieses Raster und wird daher als Konsensdemokratie geführt.

Rätedemokratie Stefan Schmidt - 120 - Ö-Recht Lernhilfe Nenn-Demokratien

Heutzutage wird kaum ein Staat der Welt von sich behaupten, nicht demokratisch zu sein. In der Regel wird entweder der Begriff »Demokratie« oder »Republik« im Staatsnamen geführt. Dennoch führen einige Staaten die Demokratie zwar im Namen, denen wesentliche demokratische Elemente (zum Beispiel allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahlen) fehlen. So wird zum Beispiel die Verwendung des Namens »Deutsche Demokratische Republik« für den sozialistischen deutschen Staat zwischen 1949 und 1990 von den meisten Menschen als nicht zutreffend erachtet, da die Staatsgewalt de facto nicht vom Volke ausging. (Im sowjetischen Machtbereich sprach man euphemistisch lieber von »Volksdemokratie«.) »Nenn-Demokratie« trifft auch auf vorgeblich »demokratische« Abstimmungen zu, mit denen in diktatorischen Systemen Obrigkeitsentscheidungen durch das Staatsvolk »abzunicken« sind (typisch: 99,8% Ja-Stimmen).

Nach neueren Studien sind nur ca. 75 Nationen der Welt »anspruchsvolle Demokratien«, führen den Namen also nicht nur pro forma (Hans Vorländer). Gesellschaftliche Perspektive

Neben den dargestellten Definitionen zur Demokratie als Methode, realisiert durch politische Institutionen, bedarf der demokratische Gedanke auch einer Verwirklichung in der Gesellschaft, damit die Prinzipien der demokratischen Staatsform auch in der Realität erfahrbar werden. Diese Auffassung, die das Demokratieprinzip auf möglichst alles ausdehnen will, also den Begriff der Volksherrschaft wörtlich nimmt, wird als Partizipatorische Demokratie bezeichnet.

Erst durch den Zugang zu Bildung für alle wird in Europa der Idealgedanke der Demokratie durch Ablösung der Monarchie ermöglicht, denn in einer Demokratie verläuft die politische Willensbildung von unten nach oben, wird also aus der Mitte der Bevölkerung an die Eliten getragen. In einer Diktatur, sowie in allen totalitären Systemen, ist dies genau umgekehrt, hier wird die politische Willensbildung von einer Elite der Bevölkerung manipulativ aufgezwungen.

Demokratie sollte nicht verordnet, sondern als organischer Prozess verstanden werden, der in der Öffentlichkeit stattfindet und eine pluralistische Meinungsbildung ermöglicht und fördert.

Hierdurch und durch den damit zwingend einhergehenden Schutz von Grundrechten (z. B. Versammlungsfreiheit, Pressefreiheit) sowie durch die Instrumentarien der politischen Bildung und der öffentlichen Berichterstattung über gesellschaftliche und politische Ereignisse soll eine Eigendynamik zustande kommen. Auf diese Weise entstehen organisierte Interessensgruppen, die Einfluss auf die Politik nehmen können.

In Brasilien entwickelte sich im Umfeld der Weltsozialforen auch Formen der partizipatorischen Demokratie mit dem Recht, direkt auf die Budgetverwendung Einfluss zu nehmen (sog. »Beteiligungshaushalt« oder »Bürgerhaushalt«) .

Nebst diesen generellen Ausführungen muss gerade aus gesellschaftlicher Perspektive die "Bedrohung" der nationalstaatlichen Demokratie durch die Globalisierung der Wirtschaft und der Gesellschaft genannt werden. Da zumeist die Exektutive (Regierung und Verwaltung) stark in den aussenpolitischen Beziehungen kompetent sind, werden die Entscheidungen vermehrt durch diese Organe und weniger durch das Volk und das Parlament gefällt. Beispielsweise haben im Europäischen Ministerrat - eben - nur die Minister Einsitz. Betroffen von dieser Entwicklung sind v.a. Staaten, mit einer stark ausgebauten direkten Demokratie, so z.B. die Schweiz. Um dieser Problematik entgegen zu Stefan Schmidt - 121 - Ö-Recht Lernhilfe treten werden neue Konzepte der Mitwirkung gefordert. Ein gangbarer Weg besteht z.B. darin neue Beschlussformen für die Parlamente zu kreieren, mit denen sie der Regierung in präziser Weise Aufträge erteilen können. Die Mitsprache des Volkes kann beispielsweise durch Staatsvertragsreferenden oder durch - flexiblere, modifizierte - Volksinitiativen gesichert werden. Deutschlands Weg zur Demokratie siehe dazu:

ƒ Mainzer Republik ƒ Georg Büchner, der Vormärz und die Revolution von 1848/49 ƒ Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und die folgende Biedermeier-Zeit ƒ Ferdinand Lassalle, Begründer der Sozialdemokratie ƒ Deutsches Reich unter Otto von Bismarck ƒ Novemberrevolution, Weimarer Republik und Weimarer Verfassung ƒ Zeit des Dritten Reiches ƒ Grundgesetz der BRD ƒ Verfassung der DDR ƒ Wiedervereinigung Bewertung

Demokratische Strukturen haben sich in vielen Staaten durchgesetzt, ebenso in einigen Kirchen, z. B. Presbyterianische Kirchen, Evangelisch-methodistische Kirche, Schweizer Landeskirchen (in der Schweiz werden sogar katholische Pfarrer von der Gemeinde gewählt), jedoch kaum in der Wirtschaft (Ausnahme Genossenschaften).

In der Politikwissenschaft sprechen einige Denker vom demokratischen Frieden unter Verweis darauf, dass Demokratien in der Geschichte bisher kaum Kriege gegeneinander geführt hätten, und werten dies als besonders positive Eigenschaft des demokratischen Systems. Allerdings kann zumindest die athenische Ur-Demokratie nicht als Beispiel für diese These herangezogen werden. Immanuel Kant schätzte Demokratien deshalb als vergleichsweise friedlich ein, da ihre Wähler sich ungern selber in einen Krieg schicken würden (Vgl. die Schrift namens Zum ewigen Frieden von 1795). Dies ist jedoch in der Friedens- und Konfliktforschung umstritten; als sicher gilt, dass Demokratien in dyadischen Beziehungen friedlich sind, dass im monadischen System Demokratie allein jedoch noch keine hinreichende Bedingung für friedlicheres Verhalten ist. Ausserdem muss man bedenken, dass die Empirie zu diesem Thema deutlich aufzeigt, dass Demokratien insgesamt nicht weniger Kriege führen als andere Staaten. Das heisst: Demokratien führen gegenüber Nicht-Demokratie sehr wohl Kriege, und das zumeist erfolgreich.

Der indische Nobelpreisträger Amartya Sen betont die wohlfahrtssichernde Kontrollfunktion der Demokratie. Ohne Demokratie gebe es für die Herrschenden keine Anreize, die Interessen der Mehrheitsbevölkerung zu vertreten. Demokratie sei somit ein Schutz vor Armut und Hunger.

Das demokratische Prinzip hat jedoch auch Grenzen. Mehrheitsentscheidungen können beispielsweise zu einer Benachteiligung von Minderheiten führen (siehe auch Tocquevilles Warnung vor der »Tyranei der Mehrheit«). Zudem kritisiert die partizipatorische Demokratietheorie, dass zu wenig Mitentscheidungs- und Selbstverwirklichungsmöglichkeiten in der modernen Demokratie gegeben sind.

Stefan Schmidt - 122 - Ö-Recht Lernhilfe Deshalb sind in einer Demokratie oft unverletzliche Grundrechte wie die allgemeinen Menschenrechte und Grundsätze der Nichtdiskrimierung durch die Verfassung garantiert, die auch durch Mehrheitsbeschluss nicht aufgehoben werden können. So steht das Grundprinzip des Minderheitenschutzes, das Teil des wichtigen Freiheitskonzeptes des Pluralismus ist, als Ausgleich gegen das Mehrheitsprinzip. Zum Schutz von Minderheiten kennt die Schweiz das so genannte Ständemehr: Neben der Mehrheit der Stimmen muss auch die Mehrheit der Kantone (Stände) eine Verfassungsänderung befürworten (bei Gesetzesänderungen gilt das einfache Volksmehr).

Da noch nie eine »echte« Demokratie eine andere angegriffen hat, sieht der Amerikaner Francis Fukuyama in der weltweiten Demokratisierung, in Verbindung mit der Etablierung der Freien Marktwirtschaft, das Ende aller Kriege und somit das Ende der Geschichte, was freilich höchst umstritten ist.

Insgesamt gelten demokratische Strukturen als eher langsam und ungeeignet für schnelle Anpassung an wechselnde Umstände, zumal die Wahlentscheidungen nicht immer nach objektiven Kriterien getroffen werden (siehe auch Demagogie, Polemik). Andererseits können demokratische Strukturen für Stabilität und teilweise vorhersagbare Verhältnisse sorgen, sofern die Gesellschaft stabil ist. Außerdem verfügen Demokratien über eine breitere Legitimationsbasis und können den Präferenzen der Wähler Rechnung tragen. Zudem ist nur in einer Demokratie die Möglichkeit gegeben, die politische Spitze ohne Blutvergießen auszutauschen, ebenso gewährleistet sie ein hohes Maß an sozialer Integration. Zitate

ƒ »Die Verfassung, die wir haben (...) heißt Demokratie, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf die Mehrheit ausgerichtet ist.« (Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges, II 37; ursprünglich Bestandteil der Präambel des EU-Verfassungsentwurfs) ƒ »Maßstab der Aristokratie ist die Tugend, der Oligarchie der Reichtum, der Demokratie die Freiheit« (Aristoteles, Politik, 1294a10 ff.) ƒ »The government of the people, by the people, for the people.« (Die Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk.) Abraham Lincoln über das Wesen der Demokratie, Gettysburg Address, 1863 ƒ »Liberalität, die unterschiedslos den Menschen ihr Recht widerfahren lässt, läuft auf Vernichtung hinaus wie der Wille der Majorität, die der Minorität Böses zufügt und so der Demokratie Hohn spricht, nach deren Prinzip sie handelt.« (Theodor W. Adorno: Minima Moralia, Teil 1, 1944) ƒ »Democracy is the worst form of government – except for all those other forms, that have been tried from time to time.« (Demokratie ist die schlechteste Regierungsform – außer all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.) (Winston Churchill in einer Rede im Unterhaus am 11. November 1947) ƒ »Unter all den Namen dessen, was man ein wenig schnell in der Kategorie der 'politischen Regierungsform' klassifiziert (ich glaube nicht, dass 'Demokratie' letztlich eine politische Regierungsform bezeichnet), ist der ererbte Begriff der Demokratie der einzige, der die Möglichkeit aufnimmt, sich in Frage zu stellen, sich selbst zu kritisieren und sich in unbestimmter Weise selbst zu verbessern. Wenn es sich dabei noch um den Namen einer Regierungsform handelte, dann um den des einzigen 'Regimes', das sich seiner eigenen Perfektionierbarkeit stellt, also seiner eigenen Geschichtlichkeit – und so verantwortlich wie möglich, würde ich sagen, sich der Aporie der Unentscheidbarkeit annimmt, auf deren Grund ohne Grund er sich entscheidet.« Jacques Derrida (2001; in: Philosophie in Zeiten des Terrors, ISBN 3865723586, S. 161)

Stefan Schmidt - 123 - Ö-Recht Lernhilfe Siehe auch

ƒ Liste der Staatsformen ƒ Demokratietheorie ƒ Basisdemokratie Literatur

Einführung und Geschichte

ƒ Konrad H. Kinzl (Hrsg.): Demokratia. Der Weg zur Demokratie bei den Griechen. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1995, ISBN 3-534-09216-3. ƒ Conze, Werner/Koselleck, Reinhart/Maier, Hans/Meier, Christian/Reimann, Hans Leo: Demokratie. in: Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, hrsg. von Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck, Bd. 1, Stuttgart 1972, S. 821-899. Grundlegende Erläuterung des Demokratiebegriffs von der Antike bis in die Moderne, einschließlich Literaturangaben. ƒ Hans Vorländer: Demokratie. Beck Wissen, München 2003. Knappe Einführung in die Thematik.

Demokratietheorien im Vergleich

ƒ Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien. Eine Einführung. 3. Aufl., Opladen 2000. Grundlegende Einführung mit umfangreichen Literaturangaben; der Bogen spannt sich von Aristoteles bis hin zu den modernen Demokratietheorien. ISBN 3-8252-1887-2 ƒ Oliver Flügel/Reinhard Heil/Andreas Hetzel: Die Rückkehr des Politischen. Demokratietheorien heute, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2004, ISBN 3-534- 17435-6, Leseprobe

Aktuell diskutierte Arbeiten

ƒ Robert D. Putnam, Robert Leonardi, Raffaella Nanetti: Making Democracy Work. Civic Traditions in Modern Italy. Princeton: Princeton University Press, 1994. ISBN 0-69103738-8 ƒ Johannes Heinrichs: Revolution der Demokratie. Eine Realutopie für die schweigende Mehrheit. Berlin: Maas, 2003. ISBN 3-929010-92-5 Weblinks

Wiktionary: Demokratie – Wortherkunft, Synonyme und Übersetzungen

ƒ Informationen zur politischen Bildung, Heft 284 (Demokratie) ƒ Demokratie, aus: Heidelberger Online Lexikon der Politik ƒ Historisches Lexikon der Schweiz – Demokratie ƒ Demokratie auf dem UNESCO Bildungsserver ƒ Interaktive Demokratie

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Kategorien: Demokratie | Staatsphilosophie

Stefan Schmidt - 124 - Ö-Recht Lernhilfe Gewaltenteilung aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Dieser Artikel/Absatz stellt die Situation in Deutschland dar. Hilf mit, die Situation in anderen Ländern zu schildern.

In der Staatstheorie versteht man unter Gewaltenteilung (Gewaltentrennung) eine Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Träger. Ursprünglich bezog sich dies auf Krone, Adel und Bürgertum mit dem Zweck, Macht durch Macht zu zügeln (Montesquieu: Vom Geist der Gesetze. 1748).

In den heutigen (repräsentativen) Demokratien ist die Gewaltentrennung eine Voraussetzung, auf welche nicht verzichtet werden kann. Es gibt verschiedene Ebenen der Gewaltenteilung; meistens bezeichnet der Begriff die horizontale Gewaltentrennung zwischen den 3 Staatsorganen Legislative (Parlament), Exekutive (Regierung) und Judikative (Gerichte). Mit der Gewaltentrennung soll die Einmischung eines Staatsorgans in die Aufgaben eines andern minimiert werden.

Parlamentsabsolutismus, Personalunion von Amt und Mandat sowie Fraktionszwang gefährden allerdings das Prinzip tatsächlicher Gewaltenteilung schwerwiegend.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Arten der Gewaltenteilung ƒ 1.1 Horizontale Ebene ƒ 1.2 Vertikale oder föderative Ebene ƒ 1.3 Zeitliche oder temporale Ebene ƒ 1.4 Soziale Ebene ƒ 1.5 Dezisive Ebene ƒ 1.6 Konstitutionelle Ebene ƒ 2 Medien als "vierte Gewalt" ƒ 3 Lobbyismus in Deutschland ƒ 4 Situation in Deutschland ƒ 5 Geschichte ƒ 6 Missverständnis der Gewaltenteilung ƒ 7 Totalitäre/identitäre "Demokratien" ƒ 8 Gewaltenteilung in der EU ƒ 9 Weblinks

Arten der Gewaltenteilung Horizontale Ebene

Stefan Schmidt - 125 - Ö-Recht Lernhilfe

Diagramm eines Gewaltenteilungssystems

Unter der horizontalen Gewaltenteilung versteht man die Aufteilung der Macht im Staat auf die drei Bereiche gesetzgebende Gewalt (Legislative), ausführende Gewalt (Exekutive) und rechtsprechende Gewalt (Judikative), die voneinander funktional getrennt sind, aber gegenseitig kooperieren. Für dieses institutionelle Gefüge wird im Englischen der Begriff Checks and Balances gebraucht. Das politische System der USA ist ein gutes Beispiel für die horizontale Gewaltenteilung und gegenseitige Kontrolle der Gewalten.

Horizontale und vertikale Gewaltenteilung

Vertikale oder föderative Ebene

Unter der vertikalen oder föderativen Gewaltenteilung versteht man die Aufteilung der Gewalt zwischen Behörden, die für das ganze Land zuständig sind, und Behörden, die für ein kleineres Gebiet zuständig sind. Deutschland ist mit seinem Aufbau aus Bundesländern, die eigene Kompetenzen haben, ein gutes Beispiel.

Zeitliche oder temporale Ebene

Darunter versteht man die zeitliche Begrenzung der Dauer, für die eine Person ihr Amt oder Mandat bekommt. Gewählte Repräsentanten müssen sich in regelmäßigen (und möglichst nicht zu langen) Abständen immer wieder der Wahl des Volkes stellen und somit mittelfristig genau dem Willen der Wähler folgen. Durch einen festgelegten Wahlzyklus (und damit auch der Möglichkeit der Abwahl) wird außerdem sichergestellt, daß sich kein "Machtfilz" um ein politisches Amt bildet.

Soziale Ebene

Soziale Gewaltenteilung bedeutet, dass allen Bürgern ermöglicht wird, politische Positionen im Staat zu erreichen. Die Auswahl dafür erfolgt allein anhand der Qualifikation der Person für ein Amt, also in fairer Konkurrenz mit Rechtsgleichen. Dies ermöglicht die Existenz einer "offenen Gesellschaft", in der nicht eine einzelne Schicht die politischen Ämter bekleidet.

Dezisive Ebene

Darunter versteht man die Aufteilung der Entscheidungen (dezisive Ebene=Entscheidungsebene) zwischen beispielsweise Regierung, Parteien, Medien, Gewerkschaften oder anderen Interessenverbänden. Hier wird durch die Mitwirkung dieser Gruppen die Macht einer einzelnen Gruppe, vor allem der Regierung, eingeschränkt.

Stefan Schmidt - 126 - Ö-Recht Lernhilfe Konstitutionelle Ebene

In den modernen Staaten werden die Entscheidungsspielräume durch eine Verfassung eingeschränkt, die nur durch eine Zweidrittelmehrheit - oder teilweise (bestimmte Artikel) überhaupt nicht - geändert werden kann. Medien als "vierte Gewalt"

Aufgrund ihres großen Einflusses in modernen Demokratien werden die Medien manchmal als vierte Gewalt bezeichnet. Sie kontrollieren die Staatsgewalt, womit sie praktisch Teil der Gewaltenteilung werden. Sie unterliegen keiner staatlicher Kontrolle (Zensur), aber den wirtschaftlichen und politischen Interessen der Verleger bzw. Sendereigentümer.

Als vierte Gewalt könnte man allerdings auch andere Mächte bezeichnen, zum Beispiel die Wirtschaft und Gewerkschaften, die über ihre Interessenvertreter (Lobbyisten) auf die Politiker und Funktionäre massiv einwirken.

Siehe auch: Funktionen der Massenmedien Lobbyismus in Deutschland

Kritiker behaupten, dass die Lobby und die Interessengruppen wie z.B. die Gewerkschaften, Arbeitsgeberverbände, die fünfte Macht im Lande sind. Sie bestimmen die Richtlinien der Politik und beeinflussen durch ihre Macht die Abstimmungen im Bundestag. Die Zahl der beim Bundestag eingetragenenen Lobbyverbände beträgt 2003, die Rekordmarke von 1781. So stehen jedem Abgeordneten des Bundestages 20 Lobbyisten gegenüber. Die Drohung von Verlust von Arbeitsplätzen und der Verlagerung der Produktionsstätten ins Ausland, machen die Lobbyverbände in Deutschland stärker. Situation in Deutschland

In Deutschland ist die Gewaltenteilung im Grundgesetz festgelegt:

Nach dem unveränderlichen Artikel 20 GG wird die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und die Rechtsprechung ausgeübt (horizontale Ebene). Die Organe der Gesetzgebung sind Bundestag und Bundesrat, das Organ der vollziehenden Gewalt die Vertikale Verwaltungsstruktur Deutschlands Bundesregierung. Aufgrund der ebenfalls im Grundgesetz festgelegten Gewaltenverschränkung, die durch die Wahl der Regierung durch den Bundestag entsteht, wird die institutionelle Gewaltenteilung teilweise durch eine Gewaltenteilung zwischen Opposition und Regierungskoalition ersetzt. Die klare Trennung von Exekutive und Legislative wird durch den von den Länder-Exekutiven beschickten, aber selbst legislativ tätigen Bundesrat aufgehoben. Dies wird in der juristischen Literatur als "Durchbrechung der Gewaltenteilung" bezeichnet. Gleiches gilt für die Möglichkeit ministerieller Verordnungen. Diese Stefan Schmidt - 127 - Ö-Recht Lernhilfe sind (anders als der spezifisch deutsche Bundesrat) in fast allen Ländern der Welt üblich und sind sinnvoll, um die Handlungsfähigkeit zu gewährleisten und den Bundestag nicht mit kleinen Detailvorschriften zu überlasten.

Nach dem im Grundgesetz verankerten Demokratieprinzip erscheint es zunächst so, als ob jegliche Gewalt ausschließlich vom Parlament ausgeübt werden dürfte, da in Deutschland auf Bundesebene nur der Bundestag und auf Landesebene nur die Länderparlamente direkt vom Volk durch Wahl legitimiert sind. Die Grundregel "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" muss jedoch so verstanden werden, dass das Parlament Entscheidungen - auch mehrstufig - delegieren kann, da das Parlament z. B. nicht sämtliche Verwaltungshandlungen selber vornehmen kann. Dementsprechend sind Befugnisse der anderen Gewalten schon im Grundgesetz berücksichtigt. Dabei muss beachtet werden, dass nicht nur das Demokratieprinzip gilt, sondern es teilweise in einem Spannungsverhältnis etwa mit dem Rechtsstaatsprinzip steht.

Die vertikale Gewaltenteilung ist durch Artikel 20 Grundgesetz, der Deutschland als Bundesrepublik und Bundesstaat bezeichnet, sowie durch Artikel 79 Grundgesetz gesichert, in dem festgelegt wird, dass [e]ine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder [und/oder] die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung [verändert wird,] unzulässig ist. Auch die Aufteilung der Macht zwischen Bund und Ländern ist im Grundgesetz festgelegt.

Die zeitliche Ebene ist durch die Festsetzung von Amtsperioden und regelmäßigen Wahlen (bedingt durch die Regierungsform Demokratie) festgelegt.

Die soziale Ebene wird durch Grundrechte wie das Recht auf freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und Petitionsrecht gesichert.

Die dezisive Ebene wird durch die eben genannten Grundrechte und Artikel 21 Grundgesetz gesichert, der den Parteien die Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes gibt.

Die konstitutionelle Ebene ist ebenfalls stark ausgeprägt: das Grundgesetz schützt sich selbst (Artikel 79 Grundgesetz – "Ewigkeitsklausel") und den Staat vor Änderungen wichtiger Prinzipien (siehe: wehrhafte Demokratie).

Siehe auch: Politisches System Deutschlands, Rechtsstaat Geschichte

Ansätze zu einer Form der Gewaltenteilung finden sich schon in der von Aristoteles und Polybios vertretenen Theorie der Mischverfassung, in der Staatsphilosophie taucht der Begriff aber erstmals in den Werken des englischen Philosophen John Locke und des französischen Barons Montesquieu auf.

Als politisches Programm verkündet wurde die Gewaltenteilung erstmals in der Unabhängigkeitserklärung der USA (1776) und als Checks and Balances bezeichnet.

Heute sind die Prinzipien der Gewaltenteilung in den meisten modernen Demokratien dem Verfassungstext nach verwirklicht. In der Verfassungswirklichkeit wird die Gewaltenteilung mehr und mehr durch Mechanismen der Parteiendemokratie ausgehöhlt. Dies geschieht einerseits durch Verlagerung legislativer Entscheidungsprozesse in außerparlamentarische Gremien, anderseits aber auch innerhalb der einzelnen Gewalten durch eine institutionalisierte, dem Parteiproporz folgende

Stefan Schmidt - 128 - Ö-Recht Lernhilfe Besetzung jedenfalls der höheren Ämter in Rechtsprechung und Verwaltung. Inwieweit eine wirksame gegenseitige Kontrolle der einzelnen Gewalten noch stattfindet, hängt maßgeblich vom jeweils geltenden Wahlrecht und Beamtenrecht ab. Lange Wahlperioden und ein stark ausgeprägtes Verhältniswahlrecht behindern den Austausch des parteipolitischen Personals und führen damit zu einer fortschreitenden Erosion des Gewaltenteilungsprinzips.

Gleichzeitig hat sich das Verständnis von Gewaltenteilung erweitert und umfasst nunmehr nicht allein die horizontale Aufteilung in die Bereiche Judikative, Exekutive und Legislative. Manche Politologen sprechen von sechs Ebenen der Gewaltenteilung (siehe oben): die klassische horizontale, eine vertikale Ebene, eine temporale Komponente, eine konstitutionelle Ebene, eine dezisive Ebene, sowie eine soziale Ebene. Missverständnis der Gewaltenteilung

Häufig wird Gewaltenteilung missverstanden als die Forderung nach einer völligen Trennung der einzelnen Gewalten. Dabei wird verkannt, dass Gewaltenteilung nur dadurch funktionieren kann, dass die einzelnen Organe ein Eingriffsrecht in die anderen Zweige besitzen müssen, um effektiv ihre Kontrollfunktion ausüben zu können. Präziser wird hier manchmal von "Gewaltenverschränkung" gesprochen. Ein typisches Beispiel für diese Art der Gewaltenverschränkung ist das im Grundgesetz niedergelegte konstruktive Misstrauensvotum, mit dem eine Mehrheit des Bundestags, also die Legislative, den Bundeskanzler, die Exekutive, abberufen kann. Des Weiteren können die Gerichte Akte der Verwaltung überprüfen, Verfassungsgerichte auch Legislativakte. Das Parlament wählt darüber hinaus auch den Bundeskanzler, und ist an der Wahl des Bundespräsidenten beteiligt. siehe auch: Parlamentsabsolutismus Totalitäre/identitäre "Demokratien"

In Staaten deren Regierungssystem der Identitätstheorie folgt, wo also eine Einheit des Willens der Führung und der Bevölkerung propagiert wird (z. B. faschistische oder kommunistische Staaten), gibt es keine Gewaltenteilung. Dies wird damit begründet, dass alle Entscheidungen Entscheidungen des Volkes sind, weshalb eine Aufteilung der Befugnisse unnötig ist. In der Realität verbirgt sich hinter diesen "Demokratien" ein totalitärer Staat.

Siehe auch: Trennung von Amt und Mandat Gewaltenteilung in der EU

Die Europäische Union entwickelte sich von einem Staatenbund zu einem Staatenverbund und ist möglicherweise auf dem Weg zur föderalen Republik. In der EU existiert zwischen Exekutive und Legislative momentan keine echte Gewaltenteilung. Die Exekutive der einzelnen Staaten - vertreten im Ministerrat - hat einen sehr großen Einfluss auf die Gesetzgebung. Im Gegensatz zu den nationalen Parlamenten hat das EU-Parlament weit weniger Einfluss auf die EU-Gesetzgebung. So besitzt beispielsweise ausschließlich die Kommission, die innerhalb der EU der Exekutive am nächsten kommt, das Initiativrecht, also das Recht, eine neue Richtlinie (Gesetz) vorzuschlagen. EU- Verfassungskritiker bemängeln, dass in der EU-Verfassung der Rat gegenüber dem Parlament sogar noch weiter gestärkt wird.

Stefan Schmidt - 129 - Ö-Recht Lernhilfe Verwirklicht ist bereits die unabhängige Justiz in Form des Europäischen Gerichtshofes. Auch die Europäische Zentralbank ist von Weisungen unabhängig. Weblinks

ƒ Zum Einfluss des Völkerrechts auf die Gewaltenteilung

ƒ Zum Status der dritten Gewalt in Deutschland

Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Gewaltenteilung"

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Monarchie aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Monarchie (über französisch monarchie aus griechisch µοναρχία, monarchía - Alleinherrschaft) ist eine Staats- und Regierungsform, bei der einer Einzelperson (dem Monarchen bzw. der Monarchin) eine oft von Gott/einer Gottheit abgeleitete Autorität zugesprochen wird, die ihre Herrschaft über den persönlichen Machtbesitz hinaus legitimiert. Die Monarchie ist dabei Gegenbegriff zur Republik. Eine demokratische Monarchie ist hingegen möglich, sofern der Monarch keine reale Machtstellung inne hat. Ein Anhänger oder Befürworter der Monarchie wird Monarchist genannt.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Geschichtliche Entwicklung ƒ 2 Wahl- und Erbmonarchie ƒ 3 Formen der Monarchie ƒ 3.1 Absolute Monarchie ƒ 3.2 Konstitutionelle Monarchie ƒ 3.3 Parlamentarische Monarchie ƒ 4 Arten gegenwärtiger Monarchien ƒ 5 Siehe auch ƒ 6 Weblinks ƒ 6.1 Monarchie und Monarchismus ƒ 6.2 Monarchistische Seiten ƒ 6.3 Königshäuser

Stefan Schmidt - 130 - Ö-Recht Lernhilfe Geschichtliche Entwicklung

Die Art von Monarchie, welche sich durch den Bezug auf Gott/eine Gottheit legitimiert, kann bis ins alte Ägypten zurückgeführt werden, wo der Pharao als Gott verehrt wurde. Ähnliches gilt für das kaiserliche System im Kaiserreich China, das den Herrscher unter anderem als Sohn des Himmels ( , Pīnyīn: tiānzi) bezeichnete, in seiner Herrschaft ein Mandat des Himmels erblickte und ihm dadurch absolute Macht verlieh.

Zur gelegentlich vorkommenden Doppelmonarchie siehe Dyarchie. Siehe zur Geschichte auch König. Wahl- und Erbmonarchie

Die Wahlmonarchie (mit oft eingeschränktem Kandidaten- und Wählerkreis) scheint historisch älter als die Erbmonarchie zu sein, die die Bürgerkriegsgefahr bei der Erbfolge erfolgreich verringerte. Bis zu ihrem Ende waren eine Wahlmonarchie das Königreich Polen und das Heilige Römische Reich Deutscher Nation, gegenwärtig (2005) sind es noch Malaysia, die Vereinigten Arabische Emirate, der Vatikanstaat und formal auch noch das Fürstentum Andorra.

Bis zur Christianisierung Europas ist hier meist eine Form der Wahlmonarchie zu finden. Germanische wie keltische Stämme haben ihre "Häuptlinge", die zwar in der Regel mächtigen und einflussreichen Familienclans entstammen, aber keine automatische Erbfolge kennen. Beim Tod eines Häuptlings wurde einfach ein neuer durch verschiedene Rituale (Thing, Schilderhebung) gewählt oder proklamiert. Auch wenn einen Anführer das Königsheil verlassen hatte, wurde er einfach durch einen neuen ersetzt. In der sächsischen Ordnung wurde sogar nur für die Zeit eines Krieges, eines Feld- oder Beutezuges ein Herzog gewählt, der nach Ende dieses Krieges wieder zum einfachen Freien wurde. Eine andere Herrschaft wurde von den freien Bauernkriegern abgelehnt.

Diese vorfeudalistische Ordnung, die teilweise durchaus demokratische Züge hatte, fand ihr Ende mit der Christianisierung. Als im Römischen Reich Kaiser Konstantin der Große mit dem Toleranzedikt von Mailand im Jahr 313 das Christentum den anderen Religionen gleichstellte und später dann selber zum Christentum konvertierte, begann eine Allianz zwischen der Kirche und der staatlichen Autorität. Die Kirche legitimierte die absolute Herrschaft und die Erbfolge mit der Ideologie der Herrschaft "von Gottes Gnaden". Im Gegenzug sicherte sich die Kirche selbst dadurch eine privilegierte Stellung und Partizipation an der Macht, die sie in den meisten Ländern bis in die Zeit der französischen Revolution behielt.

Europa wird im Mittelalter zunehmend von Erbmonarchien beherrscht: Der Monarch steht dort an der Spitze eines Gefüges regional mehr oder weniger homogener Herrschaftsgebiete, die als Lehen an Gefolgsleute vergeben worden sind. Dieses Feudalsystem bildet die Grundlage der Verwaltung und des Militärwesens in den beherrschten Gebieten, leidet jedoch am zunehmenden Anspruch der Lehnsleute, selbst in Erbfolge über ihre Gebiete zu verfügen und aus diesen wiederum an Gefolgsleute Lehen zu vergeben. Bis zum Aufziehen früher Formen des modernen Staats verliert der europäische Monarch daher faktisch immer weiter an Macht an den so gebildeten feudalen Adel. Formen der Monarchie

Mit dem Entstehen des modernen Staats bilden sich im Europa der Neuzeit drei Formen der Monarchie heraus:

Stefan Schmidt - 131 - Ö-Recht Lernhilfe Absolute Monarchie

In dieser Form besitzt der Monarch den Anspruch nach der alleinigen Staatsgewalt; der Adel verliert seine Position im Feudalsystem im Austausch gegen Privilegien im Staats- und Militärwesen.Der Monarch ist legibus absolutus (lat. von den Gesetzen losgelöst), das bedeutet, dass er den Gesetzen, die er selbst entlässt, nicht untersteht. Das bekannteste Beispiel für den Anspruch auf absolute Herrschaft des Monarchen ist der Sonnenkönig Ludwig XIV., dessen Selbstverständnis L'état, c'est moi (deutsch: Der Staat bin ich.) als geradezu prototypisch für diese Entwicklung angesehen werden kann. Der absolute Machtanspruch ist auf Dauer jedoch nicht gegen den Adel und das aufstrebende Bürgertum durchzusetzen; dort, wo die Monarchie überlebt, nimmt sie Elemente der Republik oder Demokratie an. Trotz Schwierigkeiten in der Abgrenzung des Begriffes können heute (2005) Brunei, die Vatikanstadt, Saudi Arabien und eventuell noch andere arabische Monarchien am Persischen Golf als derzeit existierende absolute Monarchien gelten.

Konstitutionelle Monarchie

In einer konstitutionellen Monarchie ist die Macht des Monarchen nicht mehr absolut (uneingeschränkt), sondern von der Verfassung geregelt. Die Regierung aber, wird weiterhin vom Monarchen und nicht von einer Volksvertretung bestimmt. Ein Beispiel dafür ist das Deutsche Kaiserreich 1871 bis 1918 (Semiabsolutistisch) bzw. das Fürstentum Liechtenstein heute. Siehe auch Hauptartikel Konstitutionelle Monarchie

Parlamentarische Monarchie

Die Parlamentarische Monarchie ist eine Unterform der Konstitutionellen Monarchie, bei der der Monarch zusätzlich zur Bindung durch die Verfassung de facto keinen Anteil an den Staatsgeschäften mehr nimmt (mit wenigen Ausnahmen). Diese werden vom Parlament und der Regierung geführt, obwohl de jure immer noch ein beträchtlicher Einfluss des Monarchen gegeben sein kann. Diesem kommen jedoch zumeist nur noch repräsentative Aufgaben zu.In Europa ist diese Staatsform in Belgien, Dänemark, Luxemburg, Norwegen, den Niederlanden, Schweden und Spanien anzutreffen.

Stefan Schmidt - 132 - Ö-Recht Lernhilfe Diktatur aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter einer Diktatur (v. lat. dictatura) versteht man die Zwangsherrschaft durch eine Person, eine politische Partei, eine Minderheit oder Gruppe von Menschen über ein Volk.

In Diktaturen besteht die Gefahr der regelmäßigen Verletzung der Menschenrechte zum Zwecke der Machterhaltung. Das reicht von Einschränkungen der freien Meinungsäußerung bis hin zur gewaltsamen Verfolgung politischer Gegner oder ganzer Bevölkerungsgruppen. Eine Gewaltenteilung gibt es hier nicht, so dass eine Kontrolle des Diktators, sei es eine einzelne Person oder eine Gruppe, kaum stattfindet. Im Gegensatz zur Demokratie gibt es in Diktaturen keine freien Wahlen.

Das Wort kommt aus dem Lateinischen; im antiken Rom war der dictator ein nur in höchster Not besetztes Amt an Stelle der sonst üblichen Doppelherrschaft der beiden Konsuln, welches nach einem halben Jahr erlosch.

Selbstdefinition

Diktaturen stellen sich selbst meist als schnelle und radikale Lösung aller zwischenmenschlichen, wirtschaftlichen und staatlichen Probleme dar, die alle anderen konkurrierenden Systeme geschaffen hätten. Gemein haben all Diktaturen, dass sie sich negativ, d. h. über ihr (selbstgeschaffenes) Feindbild definieren, dass es zu bekämpfen gilt. Nicht selten wird damit aber willkürlich verfahren, siehe Goebbels: Wer Jude ist, bestimmen letztendlich wir. Merkmale einer Diktatur

Mögliche politische Merkmale

ƒ ideologische Ausprägungen (z.B. Nationalsozialismus/Faschismus, Stalinismus/Maoismus) ƒ damit verbunden ein oft übertriebenes, ungerechtfertigtes oder vollständig aufgebautes, paranoides Feindbild, deren Bekämpfung die Ideologie rechtfertigen und erhalten soll (fast immer kleine, quasi wehrlose Minderheiten, z.B. Juden, Homosexuelle, Oppositionelle oder Intellektuelle. ƒ Verbot, Ausschaltung und/oder Verfolgung von Oppositionsparteien ƒ keine oder eingeschränkte Wahlen, auch Scheinwahlen (auch ungültige Stimmen werden als Ja-Stimmen gezählt, Beobachtung der Stimmabgabe) ƒ Heilsversprechen

Merkmale innerhalb der Gewalten

ƒ Beseitigung der Gewaltenteilung z. B. nach Übernahme mindestens zweier der drei Gewalten

Stefan Schmidt - 133 - Ö-Recht Lernhilfe Systematische Verletzungen der Menschen- und Bürgerrechte

ƒ Einschränkungen der Meinungsfreiheit (z.B. Bewertung von Kritik an politischer Institution als Hochverrat oder Beleidigung des Königshauses), Einschüchterung oder Verhaftung von politischen Gegnern oder "Unzuverlässigen", ƒ Einschränkungen der Presse (z.B. keine allgemeine Information, nur besondere/eingebundene Journalisten), ƒ Einschränkungen der Pressefreiheit (z.B. Verbot eines journalistischen Beitrags oder einer Zeitung)

Juristische Merkmale

ƒ Folter (darunter auch so genannte Weiße Folter) ƒ Polizeistaat oder Militärstaat, keine Rechtsstaatlichkeit, keine unabhängigen Gerichte ƒ juristische und/oder soziale Außerkraftsetzung der Unschuldsvermutung ƒ Außerkraftsetzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes: Strafgesetze, bei denen die angedrohte Strafe viel stärker ist, als es für die Schwere der Tat verhältnismäßig wäre (oft verbunden mit selektiven Amnestien oder Massenverhaftung) ƒ Verbot von starker Verschlüsselung,

Soziales Klima

ƒ Unterdrückung und Unterordnung des Volkes ("Klima der Angst und Repression") ƒ Unfreiheit ƒ Abwertung des Individualismus, Glorifizierung des Kollektivs und dessen vermeintlicher Einheit und Stärke bei gleichzeitiger Verfolgung Destruktiver und/oder Passiver ƒ Förderung des Denunziantentums und des Opportunismus ƒ keine Wahrung der Interessenvielfalt ƒ Personenkult, zum Beispiel das "Führerbild" in jedem Privathaus und in Schulen ƒ damit ist meist eine Omnipräsenz des Herrschers oder des Regierungsapparates verbunden ƒ Populismus

Unterdrückung und Unterordnung des Volkes und des einzelnen Menschen

Die meisten Diktaturen fordern die Unterordnung des Einzelnen unter die Gemeinschaft bzw. den Staat. Dies wird mit einem angeblich "höheren Ziel" begründet. Unter der Diktatur des Nationalsozialismus mussten sich die Einzelnen der "Volksgemeinschaft" und der "arisch- germanischen Rasse" unterordnen, die größte Opfer verlangte. Daher das Sprichwort: "Du bist nichts, dein Volk ist alles!". Einen eigenen Wert (Menschenwürde) wurde dem Einzelnen abgesprochen. Der italienische Faschismus verlangte die Unterordnung des Einzelnen unter die "Nation", die angeblich "größer" war als der Einzelne. Unter der kommunistischen Herrschaft war die Klassenlose Gesellschaft (erreicht durch eine "Diktatur des Proletariats") das höchste Ziel . Wer eine andere Meinung hatte, stellte sich dem "Fortschritt" entgegen und galt als "Konterrevolutionär".

Der Freiheitsbegriff des Individualismus und der Menschenwürde des Einzelnen wurde durch einen "totalitären Freiheitsbegriff" ersetzt, zum Beispiel die Freiheit des Volkes, die Freiheit der Nation oder die Freiheit der proletarischen Klasse. Die Unterdrückung des Individuums wurde durch die Freiheit der Nation oder die Freiheit der proletarischen Klasse legitimiert.

Verletzung der Menschen- und der Bürgerrechte, Folter

Stefan Schmidt - 134 - Ö-Recht Lernhilfe Menschenrechte stehen jedem einzelnen Menschen zu und können nicht entzogen, sondern nur verletzt werden. Dies geschieht vielfach in Diktaturen, weil die Machthaber bzw. die Partei oder die "herrschenden Klasse" ihre Macht behalten will. Oft sollen Menschenrechtsverletzungen einem angeblich "höherem Ziel" oder dem "Fortschritt" dienen.

In fast allen Diktaturen werden Zeitungen verboten oder kontrolliert, Journalisten verhaftet, Missliebige oder angebliche politische Gegner inhaftiert. Manche Menschen "verschwinden" einfach und ihre Angehörigen wissen nicht, ob sie noch leben oder wo sie sich aufhalten. Oftmals werden Menschen auch ohne Gerichtsverhandlungen eingesperrt oder sie bekommen keinen rechtlichen Beistand. In den Gefängnissen und in Polizeigewahrsam wird häufig gefoltert, zum Beispiel durch Schläge, Tritte und Schlafentzug, aber auch durch grelles Licht oder Dunkelheit.

Durch die Manipulation der Zeitungen, des Rundfunks und des Fernsehens wird das Volk in vielfacher Hinsicht beeinflusst und im Sinne der Regierung gelenkt. Manche Staaten schotten sich auch nach außen hin ab (zum Beispiel das frühere kommunistische Albanien oder heutzutage noch Nordkorea). Auch dadurch werden die Menschen und die ausländischen Reporter in Unwissenheit über die tatsächlichen Zustände gehalten.

In den meisten Diktaturen gibt bzw. gab es eine Geheimpolizei, die politische Gegner einschüchtert und verfolgt. Im Dritten Reich verfolgte die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten, Geistliche, Sinti und Roma. In der DDR überwachte die Staatssicherheit () die Bürger. Die Sowjetunion bediente sich des NKWDs, der später in NKGB umbenannt wurde und mit dem MGB (=Ministerium für Staatssicherheit), ab 1953 MWD (=Ministerium für innere Angelegenheiten) zusammenarbeitete. Nicolae Ceauşescu verfolgte seine Gegner bzw. die vermeintlichen Dissidenten durch die Securitate. Die Geheimpolizei wirbt häufig Spitzel in der Bevölkerung an, teilweise gibt es ein regelrechte Spitzelunwesen (zum Beispiel in der früheren Sowjetunion unter Stalin). Denunzianten kommen ihnen zur Hilfe und melden jeden verdächtigen Vorfall, so dass in der Bevölkerung ein Klima der Angst entsteht. Diese Einschüchterung trägt dazu bei, dass kaum jemand mehr wagt, offen seine Meinung auszusprechen.

Die Folter geschieht häufig im Verborgenen, nämlich im Polizeigewahrsam, im Gefängnis, in Amtszimmern oder weit abgelegen in Straflagern.

Wahlen

In demokratischen Staaten sind die Wahlen allgemein, frei, gleich und geheim. Das heißt, alle Erwachsenen haben das Wahlrecht, alle Stimmen sind gleichwertig und die Stimmabgabe wird nicht eingeschränkt oder überprüft. Insofern wählt das Volk tatsächlich seine Vertreter ins Parlament und bestimmt im Idealfall, wer es regiert.

In einer Diktatur dagegen werden die Wahlen manipuliert, zum Beispiel werden die Wähler bei der Stimmabgabe beobachtet oder auch "ungültige" Stimmen als Ja-Stimmen gezählt. Leute, die mit "Nein" stimmen oder deren Stimme ungültig ist, werden eingeschüchtert, verhaftet oder sie "verschwinden" einfach.

Diktatur nach sozialistischer Theorie

In der sozialistischen Theorie versteht man unter Diktatur die Herrschaft einer sozialen Klasse. So bezeichnete die DDR ihre eigene Herrschaftsform selbst als Diktatur des Proletariats, die der kapitalistischer Länder wie der USA oder Bundesrepublik als Diktatur der Bourgeoisie sowie den

Stefan Schmidt - 135 - Ö-Recht Lernhilfe Faschismus und Nationalsozialismus als Offene terroristische Diktatur der am meisten reaktionären, chauvinistischen und imperialistischen Elemente des Finanzkapitals.

Dieser Unterschied in der Definition ist zu beachten, wenn man die entsprechenden theoretischen Texte verstehen will. In der Praxis wies die DDR die Merkmale einer Diktatur im klassischen Sinne auf. Diktaturen der jüngsten Geschichte und Gegenwart

ƒ Ägypten ƒ Angola ƒ Äquatorialguinea ƒ Bahrain ƒ China ƒ Elfenbeinküste ƒ Eritrea ƒ Gabun ƒ Iran ƒ Katar ƒ Kuba ƒ Kuwait ƒ Libyen ƒ Mauretanien ƒ Myanmar ƒ Nordkorea ƒ Oman ƒ Pakistan ƒ Ruanda ƒ Saudi-Arabien ƒ Simbabwe ƒ Syrien ƒ Togo ƒ Tschad ƒ Tunesien ƒ Turkmenistan ƒ Vatikanstaat ƒ Vereinigte Arabische Emirate ƒ Weißrussland ƒ Zentralafrikanische Republik Historische Beispiele

ƒ Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland, Adolf Hitler ist die zentrale Gestalt der NSDAP- Diktatur von 1933 bis 1945 (andererseits war Hitlers Machtergreifung das Ergebnis einer legalen Ernennung durch den Reichspräsidenten) ƒ Austrofaschistische Diktatur in Österreich durch Engelbert Dollfuß und Kurt Schuschnigg von 1933 bis 1938 (siehe auch Klerikalfaschismus) ƒ Franco-Diktatur in Spanien (siehe auch Klerikalfaschismus) ƒ Mussolini-Diktatur in Italien (siehe auch Faschismus) ƒ Stalinistische bzw. maoistische Diktatur in der UdSSR und China ƒ Diktatur der Roten Khmer in Kambodscha, Pol Pot ist dabei die zentrale Figur (1975-1979) ƒ Augusto Pinochet in Chile ƒ Manuel Noriega in Panama ƒ Somoza-Clan in Nicaragua Stefan Schmidt - 136 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ Militärjunta in Griechenland (1967-1974) ƒ Militärdiktatur in der Türkei (1960-1961, 1980-1983) ƒ Einparteiendiktatur in Portugal (1932-1974) und in der DDR (1949-1990) ƒ Diktatur Saddam Husseins im Irak (1979-2003) ƒ Diktatur Mobutus in Zaire (heute: Demokratische Republik Kongo) (1965-1997) ƒ Zentralafrikanisches Kaiserreich (heute: Zentralafrikanische Republik) unter Kaiser Bokassa (1966-1979) ƒ Rumänien unter König Carol II. (1930 bis 1940) und unter stalinistischer Diktatur (Nicolae Ceauşescu, 1974 bis 1989) ƒ Jugoslawien unter König Alexander I. (1918 bis 1941) und unter titoistischer Diktatur (1945 bis 1991) ƒ Syrien unter der Erbdiktatur der Dynastie al-Assad (1970-2005) Zitate

ƒ „Sie können umbringen, wen Sie wollen - Ihr Nachfolger wird nicht dabei sein.“ Ernst Jünger ƒ „Wer eine Diktatur errichtet, stirbt eines natürlichen Todes, wenn er umgelegt wird.“ Rolf Hochhuth

Normenkontrolle aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Normenkontrolle wird die Überprüfung von Rechtsvorschriften (Normen), in der Regel Gesetze, Verordnungen, Satzungen u.a., mit dem höherrangigen Recht bzw. der Verfassung durch ein Gericht oder eine Behörde bezeichnet.

Die Normenkontrolle von Gesetzen ist insbesondere der Verfassungsgerichtsbarkeit vorbehalten. Sie überprüft mit den Verfahren der abstrakten oder der konkreten Normenkontrolle das Gesetz auf die Verfassungsmäßigkeit. Normenkontrolle nach dem deutschen Recht

Verfassungsgerichtliche Normenkontrolle

Bei der abstrakten Normenkontrolle vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) kann die Bundesregierung per Kabinettsbeschluss, eine Landesregierung oder ein Drittel der Mitglieder des Bundestages einen Antrag gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 Grundgesetz in Verbindung mit § 13 Nr. 6 BVerfGG an das Bundesverfassungsgericht stellen. Prüfungsgegenstand ist jede Rechtsnorm mit Außenrechtsgehalt (daher keine Überprüfung von Verwaltungsvorschriften möglich), die mit Ausnahme von völkerrechtlichen Verträgen bereits verkündet wurde. Nach § 76 Abs. 1 BVerfGG muss der Antragssteller das angegriffene Recht für nichtig halten, Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG spricht jedoch von Zweifeln. Insoweit ist umstritten, ob die im Grundgesetz geforderten "Zweifel" dem "für nichtig halten" vorgehen.

Stefan Schmidt - 137 - Ö-Recht Lernhilfe Bei der konkreten Normenkontrolle legt ein erkennendes Gericht, das aufgrund eines zu entscheidenden Falles eine Unvereinbarkeit von nachkonstitutionellem Recht (also Recht, das nach dem 23. Mai 1949 in Kraft getreten ist) mit der Verfassung vermutet, einen Vorlagebeschluss dem Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 11 BVerfGG vor.

Nach beiden Verfahren wird, sofern der Antrag zulässig ist, das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsnorm prüfen.

Auch die Landesverfassungen der deutschen Bundesländer sehen Normenkontrollverfahren vor.

Verwaltungsgerichtliche Normenkontrollen

Das Verwaltungsrecht hat insbesondere nach § 47 Verwaltungsgerichtsordnung die Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe mit der Aufgabe betraut, Normenkontrollen nach den Vorschriften des Baugesetzbuches - also insbesondere gegen Bebauungspläne - durchzuführen. Daneben besteht nach § 47 Absatz 1 Nr. 2 VwGO die Möglichkeit, sofern die Bundesländer von ihrer Gesetzgebungskompetenz in diesem Fall Gebrauch gemacht haben, gegen untergesetzliche Normen (mit Außenwirkung) vor den genannten Gerichten Normenkontrollen zu veranlassen. Die verwaltungsgerichtlichen Normenkontrollen sind popularklagefähig. Antragsberechtigt sind daher alle natürlichen und juristischen Personen sowie Behörden.

Bitte beachten Sie auch den Hinweis zu Rechtsthemen!

Mehrheit aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Mehrheit bezeichnet allgemeinsprachlich dasselbe wie die meisten aus einer Anzahl von Menschen oder Dingen. – In strengem Sinne wird das Wort benutzt, um Regeln für Wahlen und Abstimmungen zu formulieren. In solchen Regeln (Gesetzen, Satzungen, Geschäftsordnungen, ...) wird beschrieben, welche Mehrheit notwendig ist, damit eine Entscheidung zustande kommt.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Einführung ƒ 2 Arten von Mehrheiten ƒ 2.1 Relative Mehrheit ƒ 2.2 Einfache Mehrheit ƒ 2.3 Absolute Mehrheit ƒ 2.4 Qualifizierte Mehrheit ƒ 3 Kombinationen

Stefan Schmidt - 138 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ 4 Mathematische Definition ƒ 5 Weblinks

Einführung

Mit Mehrheit wird der größte oder der überwiegende Anteil (oder Teilhabe) an einer Sache oder bei einer Entscheidungsfindung bezeichnet. Sie ist von grundlegender Bedeutung bei demokratischen Entscheidungen in Form von Wahlen und Abstimmungen, aber gibt auch im Sachenrecht (unter anderem bei Aktienrecht, Wohneigentum, Erbrecht) Auskunft über die Eigentumsverteilung.

Das Vorliegen einer Mehrheit bei einer Abstimmung oder Wahl gilt als ausreichende Zustimmung für das Zustandekommen einer Entscheidung. Die Definition ist in Regeln (von mündlichen Vereinbarungen über Vereinssatzungen bis zu Verfassungen) festzulegen. Dieser Artikel beschreibt die zu Grunde liegende Systematik, die auch in anderen Bereichen Anwendung findet.

Bei der Definition einer Mehrheit kann dieses 'Mehr' in verschiedenen Bezügen gesehen werden:

ƒ im Vergleich zwischen konkurrierenden Parteien oder Anteileignern, dabei wird festgestellt, ƒ ob eine Partei größer als jede andere Partei ist (unabhängig von ihrem Gesamtanteil), dies bezeichnet man als 'relative' Mehrheit ƒ ob eine Partei bei Abstimmungen mehr Stimmen als alle anderen Parteien zusammen erhalten hat (unabhängig von der Anzahl der tatsächlich Stimmberechtigten), das ist eine 'einfache' Mehrheit oder auch 'Abstimmungsmehrheit' (entsprechen die abgegebenen Stimmen der Gesamtgröße des Gremiums, ist dies mit der 'absoluten Mehrheit' identisch) ƒ im Bezug zu einem genau definierten (vorher feststehenden) Grundwert (beispielsweise Mitglieder oder Stimmrechte), dies wird als 'absolute' Mehrheit oder auch 'Mitgliedsmehrheit' bezeichnet.

Alle genannten Arten lassen sich miteinander kombinieren oder durch weitere Anforderungen 'qualifizieren', um erhöhten Anforderungen an die Legitimation von Entscheidungen zu entsprechen, diese werden dann 'qualifizierte' Mehrheit genannt. Stimmenthaltungen sind keine abgegebenen Stimmen und bleiben bei der Feststellung der Mehrheiten unberücksichtigt, jedoch wirken sie bei absoluten Mehrheiten faktisch wie Gegenstimmen, da zur Annahme des Antrags ein bestimmter Anteil der möglichen Stimmen (im Regelfall die Anzahl der Mitglieder des Gremiums laut Geschäftsordnung) erreicht werden muss.

Allerdings ist festzustellen, dass in der Literatur unterschiedliche oder unvollständige Definitionen anzutreffen sind und manche Begriffe regional oder kulturell unterschiedlich verwendet werden, so dass Missverständnisse vorkommen. Arten von Mehrheiten

ƒ Eine relative Mehrheit hat, wer mehr hat als jeder andere. (Sonderfall: mehr Ja- als Nein- Stimmen.) ƒ Eine einfache Mehrheit – im Sinne dieses Artikels – hat, wer mehr hat als die Hälfte der abgegebenen gültigen Stimmen. ƒ Stimmenthaltungen sind, wie der Name sagt, nicht Stimmen, sondern Verzicht auf die Stimmabgabe. Bei der einfachen Mehrheit kann es aber angezeigt sein, statt der Anzahl der Stimmen die Anzahl der Stimmzettel (oder der Stimmabgaben über

Stefan Schmidt - 139 - Ö-Recht Lernhilfe Telekommunikation) einschließlich der Enthaltungen zu Grunde zu legen. (Dabei kann man festlegen, daß auch ungültige Stimmzettel mitzählen.) ƒ Abweichend von dieser Definition ist für manche Menschen die einfache Mehrheit gleichbedeutend mit der relativen Mehrheit, für andere ein Fall einer absoluten Mehrheit. ƒ Eine absolute Mehrheit hat, wer mehr hat als die Hälfte dessen, was möglich ist. ƒ Eine qualifizierte Mehrheit hat, wer einen festgelegten größeren Anteil hat als bei den drei genannten Mehrheiten. ƒ Das Wort Mehrheit ohne Beiwort ist gleichbedeutend mit "mehr als die Hälfte".

Folgerung: Jede absolute Mehrheit ist eine einfache, jede einfache Mehrheit ist eine relative.

In Normen (von Verfassungen bis zu Geschäftsordnungen), wo es auf Genauigkeit ankommt, findet man statt der Beiwörter relativ, einfach, absolut, qualifiziert eher Formulierungen wie

ƒ die meisten Stimmen für eine relative Mehrheit; Beispiel: Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) Artikel 63 Absatz 4, vergleiche englisch plurality; ƒ die Mehrheit der Mitglieder für eine bestimmte absolute Mehrheit; Beispiel: Artikel 63 Absatz 2 GG (sogar dies bedarf der Erläuterung in Artikel 121 GG); vergleiche englisch majority; ƒ zwei Drittel der Mitglieder für eine bestimmte qualifizierte Mehrheit; Beispiel: Artikel 79 Absatz 2 GG.

Eine einfache Mehrheit im Sinne dieses Artikels genügt vor allem in sehr großen Gemeinschaften, wo nur ein kleiner Bruchteil der Stimmberechtigten tatsächlich abstimmt.

Relative Mehrheit

Eine relative Mehrheit: A hat die meisten Stimmen

Für das Zustandekommen einer Entscheidung ist es mitunter ausreichend, wenn bei einer Abstimmung die stärkste Partei bestimmt wird. Genügt die relative Mehrheit, so hat die Wahl gewonnen, wer die meisten Stimmen erhält (auch ohne mehr als die Hälfte der gesamten Stimmen zu erhalten).

Dies ist die schwächste Forderung für das Zustandekommen einer Entscheidung. Außer bei Stimmengleichheit ist sie bei jedem Ergebnis erfüllt. – Hier ist die Anzahl der Stimmberechtigten ohne Belang, die Anzahl der Anwesenden ebenso. Stimmenthaltungen bleiben ohne Wirkung.

Stefan Schmidt - 140 - Ö-Recht Lernhilfe Ein bekanntes Beispiel sind die deutschen Bundestagswahlen, bei denen eine Partei mit der relativen Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Wahlberechtigten (z.B. 45%, unabhängig von der Wahlbeteiligung) durch wegfallende Stimmen für Kleinparteien (5%-Hürde) über die Sitzzuteilung eine absolute Mehrheit der Sitze im Bundestag (über 50% der festgelegten Größe des Gremiums) erreichen kann.

Einfache Mehrheit

Eine einfache Mehrheit: A hat mehr Stimmen als B und C zusammen

Erhält XY über die Hälfte der Stimmen, die auf eine der zur Wahl stehenden Optionen entfallen, so spricht man von einer einfachen Mehrheit oder 'Abstimmungsmehrheit'. Es wird also (ebenso wie bei der relativen Mehrheit) nicht von einer vorher bestimmten Stimmenbasis (wie z.B. Gesamtzahl der Mitglieder, etc.) ausgegangen, sondern von der Summe der Stimmen für die einzelnen Optionen. Somit kann eine einfache Mehrheitsentscheidung auch von einer Minderheit der Stimmberechtigten getroffen werden. Zum Beispiel führt bei der deutschen Bundestagswahl eine einfache Mehrheit der Wählerstimmen (>50%, die Wahlbeteiligung bleibt unberücksichtigt) immer zu einer absoluten Mehrheit im Bundestag (>50% der konkreten Sitzanzahl).

Die Bezeichnung einfache Mehrheit wird mitunter auch für relative Mehrheiten benutzt (bei nur zwei Abstimmungsalternativen sind die Begriffe identisch), wodurch es zu Irrtümern kommen kann.

Eine absolute Mehrheit: A hat mehr als die Hälfte der möglichen Stimmen Stefan Schmidt - 141 - Ö-Recht Lernhilfe Absolute Mehrheit

Absolute Mehrheit ist die Mehrheit über eine zahlenmäßig definierte Grundmenge. Als Grundmenge dienen häufig:

ƒ die Anwesenden; ƒ die stimmberechtigten Mitglieder (Briefwahl) ƒ die (unterschiedlichen) Stimmrechte von Mitgliedern oder Anteilseignern

Andere Grundmengen sind möglich. Enthaltungen wirken somit als fehlende Stimmen zur geforderten Zustimmung, ähnlich wie Nein-Stimmen.

Die Bezeichnung absolute Mehrheit wird mitunter auch für einfache Mehrheiten benutzt (bei Präsenzgremien sind die Begriffe weitgehend identisch), wodurch es zu Irrtümern kommen kann.

Qualifizierte Mehrheit

Eine qualifizierte Mehrheit ist eine Mehrheit mit einem – festzulegenden – größeren Anteil an Zustimmung als bei einer nicht qualifizierten Mehrheit, beispielsweise 2/3 oder 3/4 der Stimmen oder der Sitze.

Beispiel: Zweidrittel-Mehrheit abgegebenen Stimmen

Die Geschäftsordnung fordert im Beispiel eine Zweidrittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

mögliche Stimmen: Ohne Bedeutung abgegebene Stimmen 598 JA: 399 NEIN: 199

Beispiel: Zweidrittel-Mehrheit der Stimmberechtigten

Die Geschäftsordnung fordert im Beispiel eine Zweidrittel-Mehrheit der Stimmberechtigten.

mögliche Stimmen: 598 abgegebene Stimmen Ohne Bedeutung JA: 399 NEIN: 190 Enthaltungen: 9

In beiden Beispielen erreichen die 399 JA-Stimmen 2/3 von 598 (= 398,666), der Antrag ist damit angenommen. Kombinationen

In Abhängigkeit von den mit einem Mehrheitsverhältnis beabsichtigten Wirkungen können die genannten Mehrheitsarten auch direkt oder gestaffelt kombiniert werden.

Stefan Schmidt - 142 - Ö-Recht Lernhilfe So kann man beispielsweise in den ersten ein oder zwei Wahlgängen eine absolute Mehrheit verlangen und im nächsten (der dann der letzte ist, außer vielleicht bei Stimmengleichheit) nur die einfache. Man kann mehrere Gesamtzahlen kombiniert benutzen und für jede eine eigene Mehrheit verlangen.

Beispiel: Nacheinander verschiedene geforderte Mehrheiten

Die Wahl des Bundespräsidenten in Deutschland erfordert im ersten und im zweiten Wahlgang die Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder der Bundesversammlung. Kommt sie zweimal nicht zustande, ist im dritten Wahlgang gewählt, "wer die meisten Stimmen auf sich vereinigt" (relative Mehrheit).

Beispiel: Mehrfachforderung für dieselbe Abstimmung

Der Vertrag von Nizza verlangt für Mehrheiten im Europäischen Rat :

ƒ eine qualifizierte Mehrheit von 232 aus 321 Stimmen (72,27%), wobei diese Stimmen ƒ aus einer Mehrheit der Mitgliedstaaten stammen und ƒ (falls beantragt) mindestens 62% der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Mathematische Definition

Sei eine endliche Menge (von Menschen, Aktien, Stimmen, ..., allgemein: von Elementen) gegeben, die Grundmenge. Sei eine Aufteilung der Grundmenge gegeben in Teilmengen so, dass jedes Element der Grundmenge zu genau einer Teilmenge gehört. Dann gilt:

ƒ Die Teilmenge mit den meisten Elementen heißt in diesem Artikel relative Mehrheit. Wenn aber zwei oder mehr Teilmengen dieselbe größte Anzahl von Elementen haben, ist keine Teilmenge eine relative Mehrheit. ƒ Eine Teilmenge mit mehr als der Hälfte aller Elemente der Grundmenge heißt in diesem Artikel einfache Mehrheit, wenn die Grundmenge aus den abgegebenen Stimmen besteht, und absolute Mehrheit, wenn die Grundmenge aus den möglichen Stimmen besteht. (Folgerungen: Im letzten Fall besteht eine Teilmenge aus den möglichen Stimmen, die nicht abgegeben wurden; diese Teilmenge kann leer sein. Nicht bei jeder Aufteilung gibt es eine einfache oder absolute Mehrheit.)

siehe auch: Mehrheitsprinzip, Parlament, demokratische Minderheit, Minderheit, schweigende Mehrheit, Abstimmung Weblinks

ƒ Einfache und *absolute Mehrheit im deutschen Bundestag, ƒ Mehrheiten in den beiden Kammern (Nationalrat und Ständerat) der Schweizer Bundesversammlung ƒ wiss. Artikel zur Mehrheitsentscheidung

Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Mehrheit"

Kategorien: Demokratie | Politischer Begriff

Stefan Schmidt - 143 - Ö-Recht Lernhilfe Grundrechte aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte 1789

Als Grundrechte bezeichnet man wesentliche Rechte, die von einem Staat seinen Bürgern als einklagbar garantiert werden. Oder je nach Staatsverständnis und –tradition sich die Bürger gegenüber dem Staat vorbehalten. Die Grundrechte werden in der Regel in der Verfassung formuliert.

Die Grundrechte beruhen auf der philosophischen Idee der Menschenrechte, nach der jeder Mensch gewisse unveräußerliche Rechte besitzt. Auf internationaler Ebene wurden verschiedene Abkommen wie die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte getroffen, in denen die Menschenrechte als Grundrechte vereinbart sind. Beide Begriffe werden oft synonym verwandt und es besteht keine klare Abgrenzung. So findet sich beispielsweise in Art. 1 des Grundgesetzes in Abs. 2 das Bekenntnis zu den "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten", während Abs. 3 von "Grundrechten" spricht. Allgemein wird jedoch davon ausgegangen, dass sich die Grundrechte historisch aus den Menschenrechten ergeben und nicht umgekehrt. So kann die Verfassung eines Landes durch politische Entscheidungen geändert werden, während die Menschenrechte auf allgemeinen internationalen ethischen Prinzipien beruhen. Auch gehören zu den Grundrechten im Gegensatz zu den

Stefan Schmidt - 144 - Ö-Recht Lernhilfe Menschenrechten auch spezielle Staatsbürgerrechte, die nur für die Angehörigen eines Staates gelten. Geschichte

ƒ Ihre Wurzeln finden die Grundrechte der Modernen bereits in der Magna Carta von 1215, die königliche Macht beschränkte und mit ihren Artikeln 39 und 40 jedem Freier in England ein gewisses Minimum an Rechtsschutz gegen Willkür garantierte. ƒ Danach wurden weitere Grundrechte in der "Habeas-Corpus-Akte" 1679 schriftlich fixiert. Sie enthielt einen Schutz vor willkürlicher Verhaftung und das Recht, einem Richter vorgeführt zu werden. ƒ 1689 brachte die Bill of Rights das Petitionsrecht und das Verbot von Verhaftungen ohne richterliche Anordnung. ƒ 1776 erklärte die Virginia Bill of Rights, dass alle Menschen von Natur aus gleich und frei sind und ihr Leben und Eigentum unverletzlich sind. ƒ In der Amerikanischen Unabhängigkeitserklärung wurden das Leben und das Streben nach Glück zu unveräußerlichen Rechten (Naturrecht) erklärt und das Recht auf Leben garantiert. ƒ 1789 wurden in der Französischen Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte die Freiheit (liberté), die Gleichheit (egalité), die Meinungs-, Glaubens- und Gedankenfreiheit festgesetzt sowie das Eigentum garantiert. ƒ Die Bill of Rights der USA, d.h. die ersten zehn Zusätze zur amerikanischen Verfassung (beschlossen 1789, ratifiziert 1791) stellten die erste einklagbare und somit durchsetzbare Grundrechteordnung dar. Sie sind heute noch in Kraft. ƒ In der Paulskirchenverfassung war die Freizügigkeit, die Berufsfreiheit, die Auswanderungsfreiheit, das Briefgeheimnis, die Meinungsfreiheit, die Pressefreiheit, die Glaubensfreiheit, die Gewissensfreiheit, die Versammlungsfreiheit und das Recht auf Eigentum garantiert. ƒ Die Weimarer Verfassung enthielt die gleichen Grundrechte und zusätzlich als soziale Grundrechte den Anspruch auf Arbeit, auf Gesundheit und Arbeitsfähigkeit. Die Grundrechte galten als normales, positives Recht und wurden mit der Brandverordnung 1933 aufgehoben. Grundrechte im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland

In der Bundesrepublik Deutschland sind die Grundrechte in den Artikeln 1 bis 19 des Grundgesetzes festgelegt. Außerdem finden sich in den Artikeln 20 Abs. 4, 33, 38, 101, 103 und 104 GG die so genannten grundrechtsgleichen Rechte. Die meisten Grundrechte dürfen nur - aber immerhin - durch ein Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden (sog. Gesetzesvorbehalt). Manche Grundrechte wie die Kunstfreiheit oder das Versammlungsrecht in geschlossenen Räumen unterliegen gar nur verfassungsimmanenten Schranken, können also nur zum Schutz kollidierenden Verfassungsrechts eingeschränkt werden. Die Menschenwürde ist sogar gänzlich unantastbar und damit das einzig wirklich schrankenlose Grundrecht des Grundgesetzes.

Selbst wenn sie einem Gesetzesvorbehalt unterliegen, können die Grundrechte nur insoweit eingeschränkt werden, als nicht ihr Wesensgehalt angetastet wird (Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG), das Grundrecht ausdrücklich im einschränkenden Gesetz genannt ist (Zitiergebot), die Grundsätze der Bestimmtheit und Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) gewahrt bleiben u.v.m. Derartige Schranken der Einschränkbarkeit heißen Schranken-Schranken. Sie binden den Staat nicht nur beim Normerlass, sondern auch bei der Anwendung der Normen auf den konkreten Einzelfall.

Stefan Schmidt - 145 - Ö-Recht Lernhilfe Auch in den meisten Verfassungen der Bundesländer gibt es Grundrechtskataloge, die sich jeweils etwas voneinander unterscheiden, aber niemals ein durch das Grundgesetz garantiertes Grundrecht außer Kraft setzen können ("Bundesrecht bricht Landesrecht", sagt Art. 31 GG). Solche durch Landesverfassung garantierten Grundrechte bleiben ungeachtet des Vorrangs von Bundesrecht gem. Art. 142 GG in Kraft, soweit sie in Übereinstimmung mit den Art. 1 bis 18 GG stehen. Länderverfassungen, die nach dem Grundgesetz entstanden sind, verzichten oft auf einen eigenen Grundrechtskatalog.

Katalog der Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte

Artikel Inhalt 1 Schutz der Menschenwürde Freie Entfaltung der Persönlichkeit, Freiheit der Person, Recht auf 2 Leben, körperliche Unversehrtheit Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art.1 Abs.1 Allgemeines Persönlichkeitsrecht, dazu gehören z.B. der Ehrschutz (unbenanntes und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Datenschutz) Grundrecht) 3 Gleichheitssatz, Gleichberechtigung 4 Glaubens- und Gewissensfreiheit Meinungsfreiheit, Informationsfreiheit, Pressefreiheit, sowie die 5 Freiheit der Kunst und der Wissenschaft 6 Ehe, Familie, Kinder

Recht auf Schulwahl, auf Erteilung und Teilnahme am 7 Religionsunterricht, zur Errichtung von Privatschulen

8 Versammlungsfreiheit 9 Vereinigungsfreiheit 10 Brief- und Postgeheimnis 11 Freizügigkeit im Bundesgebiet 12 Freiheit der Berufswahl, Verbot der Zwangsarbeit 12a Wehrdienst, Dienstverpflichtungen [Kein Grundrecht] 13 Unverletzlichkeit der Wohnung 14 Eigentumsrechte 15 Überführung in Gemeineigentum [Kein Grundrecht] 16 Ausbürgerung, Auslieferung 16a Asylrecht 17 Petitionsrecht 17a Grundrechteinschränkung für Soldaten [Kein Grundrecht] 18 Grundrechtsverwirkung [Kein Grundrecht] Einschränkung von Grundrechten 19 Abs.4: Rechtsweggarantie (sog. Justizgrundrecht) 20 Abs.3 Rechtsstaatspinzip [Kein Grundrecht, kann jedoch grundrechtsgleiche

Stefan Schmidt - 146 - Ö-Recht Lernhilfe Positionen begründen, etwa ein Status Negativus] Verhältnismäßigkeitsgebot [Kein Grundrecht, sondern NN Schrankenschranke wirkungsgleich u.a. mit einem Status Negativus] 20 Abs.4 Widerstandsrecht Staatsbürgerliche Rechte und Pflichten, gleicher Zugang zu 33 öffentlichen Ämtern 38 Wahlrecht Ewigkeitsgarantie und Unveränderlichkeit der Verfassungsprinzipien, 79 Abs. 3 Schutz der Artikel 1 und 20 vor Änderung [kein Grundrecht] Abs.1 Satz 1: Verbot von Ausnahmegerichten (sog. Justizgrundrecht)

101 Abs.1 Satz 2: Recht auf einen gesetzlichen Richter (sog. Justizgrundrecht)

Abs.1: Anspruch auf rechtliches Gehör (sog. Justizgrundrecht)

Abs.2: Verbot rückwirkender Gesetze (lat. nulla poena sine lege) (sog. Justizgrundrecht) Abs.3: Verbot der Doppelbestrafung (lat. ne bis in idem) (sog. 103 Justizgrundrecht) NN : Selbstbelastungsverbot (lat. nemo tenetur se ipsum accusare) - Niemand darf gezwungen werden, sich selbst anzuklagen, sich selbst aktiv zu belasten (Derivat aus dem Achtungsgebot der Menschenwürde - sog. Justizgrundrecht)

Rechtsgarantien bei Freiheitsentzug Habeas-Corpus-Akte (sog. 104 Justizgrundrecht)

Bezug zum Internationalen Recht

Gemäß Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts vorrangiger Bestandteil des Bundesrechts und gehen den einfachen Gesetzen vor. Dazu zählen insbesondere Regeln des sog. ius cogens dem zwingenden Völkerrecht, das dermaßen verfestigt ist, dass es einer Änderung durch Internationale Verträge oder Praxis nicht mehr zugänglich ist.

Der Grundrechtskatalog des Grundgesetzes wird durch die Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erweitert. Die EMRK genießt prinzipiell nur den Status eines einfachen Bundesgesetzes und steht damit in der Normhierarchie unterhalb des Grundgesetzes. Sofern jedoch völkerrechtliches ius cogens darin kodifiziert ist, handelt es sich um eine Ergänzung des Grundrechtskatalogs mit Verfassungsrang.

Systematik und Statuslehre

Die Grundrechte haben eine multiple Funktion im Verfassungssystem, aus ihnen lassen sich verschiedene subjektive Rechtspositionen ableiten, sie sind jedoch zugleich auch objektive Wertentscheidungen der Verfassung. Als solche beeinflussen sie den Staat auf allen Ebenen seines

Stefan Schmidt - 147 - Ö-Recht Lernhilfe Handelns und können unmittelbar und jederzeit vom Bürger geltend gemacht werden (Art. 1 Abs. 3 GG). Sie stellen zugleich eine Rangordnung im System der Verfassungsgüter dar.

Als Beispiel dafür lässt sich die Menschenwürde mit ihrem Dualcharakter anführen: Die Menschenwürde ist einerseits der zentrale und höchstrangige Wert des Grundgesetzes und geht allen anderen vor und ist mit keinem anderen Verfassungsgut abwägbar. Auch dem Recht auf Leben oder dem Schutz des Staates geht sie z.B. vor. Selbst wenn sie andererseits kein Grundrecht im engeren Sinne ist, lässt sich ohne Weiteres ein starker und in jeder Situation wirksamer Achtungs- und Schutzanspruch ggü. dem Staat ableiten.

Die Grundrechte sind bewusst schlagwortartig und allgemein gehalten. Aus ihnen ist für jede Situation eine konkrete subjektive Rechtsposition ableitbar (Schutzbereich). Ausgehend von der staatsrechtlichen Statuslehre lassen sich folgende Modi grob einteilen:

ƒ Status Negativus ist ein Abwehrrecht gegen den Staat und bildet das klassische Freiheitsrecht ab, es setzt seinem Handeln Grenzen, gleich welcher Form (Bsp.: Der Staat darf den Bürger nicht fragen, ob man ein Kreuz im Klassenzimmer aufhängen dürfe, denn egal ob dafür oder dagegen, geht ihn dieses Meinungsbild nichts an. Umgekehrt darf der Bürger frei seine Meinung dazu verbreiten, der Staat braucht vor der Meinung seiner Bürger nicht geschont zu werden) ƒ Status Positivus ist ein Leistungs,- Teilhabe- und Anspruchsrecht, das den Staat zu einem bestimmten Handeln verpflichtet (Bsp.: Gewährung von Rechtsschutz durch ein effektiv funktionierendes Justizsystem; Gewährung von konsularischer Hilfe im Ausland) ƒ Status Activus ist ein Teilnahme- und Gestaltungsrecht innerhalb des staatlichen Gefüges (Bsp.: Teilnahme an Wahlen und indirekte Kreation von Staatsorganen)

Dieses System wird nach modernem Verfassungsverständnis zwar nicht abschließend verwendet, gilt in seinen Grundzügen gewiss fort.

Verletzung von Freiheitsgrundrechten

Der erste, mit "Die Grundrechte" überschriebene Teil des Grundgesetzes (GG), enthält Freihheits- und Gleichheitsgrundrechte. Ein Freiheitsgrundrecht ist verletzt, wenn ein nicht gerechtfertigter staatlicher Eingriff in seinen Schutzbereich erfolgt ist. Ob ein Akt der Staatsgewalt in diesem Sinne grundrechtsverletzend ist 3-stufig zu prüfen:

ƒ Eröffnung des Schutzbereichs ƒ Eingriff: Tangiert dieser Akt der Staatsgewalt den Schutzbereich ƒ Rechtfertigung durch Normen auf Verfassungsebene.

Gerechtfertigt ist ein Eingriff, wenn er durch formelles (Parlaments-)Gesetz des Bundes (Vorbehalt des Gesetzes) oder eines Landes oder auf gesetzlicher Grundlage geschieht (Gesetzesvorbehalt), das Grundrecht also verfassungsrechtlich wirksam eingeschränkt ist. Dieses einschränkende Gesetz muss aber selbst verfassungskonform sein:

ƒ In formeller Hinsicht bedeutet das, dass der Gesetzgeber die erforderliche Gesetzgebungskompetenz besaß (Verbandskompetenz des Bundes oder der Länder) und das vorgeschriebene Gesetzgebungsverfahren eingehalten wurde. ƒ In materieller Hinsicht muss das einschränkende Gesetz die Schranken-Schranken beachten worden sein (Zitiergebot, Wesensgehaltsgarantie, Übermaßverbot) und die sonstigen Staatszielbestimmungen oder Verfassungsprinzipien (Demokratieprinzip, Gewaltenteilung etc.).

Stefan Schmidt - 148 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ Selbst wenn eine verfassungsgemäße gesetzliche Grundlage vorhanden ist, ist der Eingriff nicht gerechtfertigt, sofern er innerhalb dieses Rahmens unverhältnismäßig ist.

Verletzungen von Grundrechten können nicht nur durch typische Handlungsformen der Staatsgewalt wie Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung geschehen, sondern durch schlicht jedes andere Handeln oder Unterlassen, direkt oder mittelbar. Für diese Fälle ist gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG der besondere Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde vorgesehen, mit dem sich der Grundrechtsträger an das Bundesverfassungsgericht wenden kann.

Einschränkung von Grundrechten

Die Einschränkung von Grundrechten ist exklusives Parlamentsrecht. Durch den sog. Parlamentsvorbehalt wird diese Rechtsetzungsmacht auf den Bundestag konzentriert und kann nicht auf andere Organe wie Regierung, Behörden oder Justiz delegiert werden. Gleichzeitig wird durch den Vorbehalt des Gesetzes gesichert, dass Grundrechtseinschränkungen nur auf der Ebene von Parlamentsgesetzen (des Bundes wie der Länder) kodifiziert werden und sich nicht in Regelungswerke wie Verordnungen oder Satzungen einschleichen.

Materiell dürfen Grundrechtseinschränkungen nicht den Wesensgehalt eines Grundrechts berühren. Diese Maxime gilt unabhängig von der juristischen Technik oder vom Standort der Einschränkungsnorm (durch Gesetz, aufgrund eines Gesetzes, Grundrechtsänderung, Erweiterung von Schranken u.ä.). Selbst Verfassungsnormen dürfen in ihrer grundrechtseinschränkenden Wirkung nicht zu weit gehen oder zu weit interpretiert werden, es handelte sich dann ggf. um verfassungswidriges Verfassungsrecht. Grundrechte werden schließlich auch als Derivat der Menschenwürde definiert und genießen damit einen gewissen Ewigkeitsschutz (Art. 1 Abs. 1 und 79 Abs. 3 GG), dies gilt in unterschiedlichem Maße und ist mit ihrem Wesenskern nicht deckungsgleich, verleiht ihnen aber einen zusätzlichen Inhaltlsschutz.

Wirksam eingeschränkt werden, können Grundrechte durch:

ƒ einfachen Gesetzesvorbehalt in der Verfassung – wenn das Grundgesetz die Klausel enthält „Dieses Grundrecht kann durch Gesetz (oder aufgrund eines Gesetzes) eingeschränkt werden“ ƒ qualifizierten Gesetzesvorbehalt in der Verfassung– wenn das Grundgesetz die Klausel enthält „Dieses Grundrecht kann durch Gesetz (oder aufgrund eines Gesetzes) zum Zwecke … eingeschränkt werden“ ƒ verfassungsimmanente Schranken – andere Verfassungsgüter, die nicht als Einschränkungsmechanismen explizit vorgesehen sind, aber einen Eingriff in Grundrechte ermöglichen (Bsp.: Staatsziel Umweltschutz vs. Religionsfreiheit) ƒ Herstellung praktischer Konkordanz bei Widerstreit der Grundrechte unterschiedlicher Grundrechtsträger.

Die Interpretation dieser Einschränkungsmechanismen hat jedoch im Lichte des Grundrechts selbst zu erfolgen, so dass sich der zulässige Eingriffsbereich und das Grundrecht sich gegenseitig bedingen und quantitativ definieren (Wechselwirkungslehre).

Gegen die Verletzung eines Grundrechts durch die öffentliche Gewalt kann jedermann nach Erschöpfung des Rechtswegs Verfassungsbeschwerde erheben. Selbst dies ist ein Grundrecht (Art. 19 Abs. 4 GG).

Staatszielbestimmungen

Stefan Schmidt - 149 - Ö-Recht Lernhilfe Von den Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, die vor Gericht eingeklagt werden können, sind die Staatszielbestimmungen zu unterscheiden. Sie sind objektive Wertentscheidungen der Verfassung bilden die Richtschnur zur Auslegung der Gesetze, geben jedoch dem Bürger kein eigenes subjektives Recht. Beispiel ist hier der Umweltschutz (Art. 20a GG). Auf daneben noch mögliche andere Grundrechte, die nicht einklagbar sein würden, wurde bei Abfassung des Grundgesetzes bewusst verzichtet, um es nicht "zu verwässern". Solche Rechte finden sich in jüngeren Verfassungen wie der Berlins oder Brandenburgs, z. B. das Recht auf Arbeit, das Recht auf Wohnraum oder das Recht auf Sport. Solche Grundrechte haben ihren "politischen Wert" darin, dass sie als in den Verfassungsrang gehoben von jeder Regierung beachtet werden sollten (unabhängig von Parteiprogrammen oder Koalitionsvereinbarungen).

Entwicklung

Bereits die Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche 1848 billigte am 21. Dezember 1848 einen Katalog von Grundrechten, der allerdings nicht soweit reichte wie der moderne Grundrechtskatalog des Grundgesetzes. Bereits aufgeführt wurden die Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz, Meinungsfreiheit, Niederlassungsfreiheit, Pressefreiheit und Versammlungsfreiheit sowie die Habeas-Corpus-Grundrechte. Die Verfassung mit dem Grundrechtskatalog wurde zwar im März 1849 noch verabschiedet, trat aber niemals in Kraft.

Nachdem die Weimarer Reichsverfassung lediglich Programmsätze enthielt, sollte mit dem Grundgesetz ein Regelwerk geschaffen werden, das dem Staat gegenüber verbindlich festlegte, inwieweit er in bestimmte Rechte des Bürgers eingreifen darf. Grundsätzlich sind Eingriffe, die die Grundrechte nicht selbst vorsehen und die sich nicht aus anderen Verfassungswerten ergeben, unzulässig. Gegen diese kann der Bürger sich wehren, z. B. mit Klagen vor den Verwaltungsgerichten oder vor den ordentlichen Gerichten. Sollte der Bürger nach Erschöpfung des Rechtswegs der Meinung sein, dass immer noch eine Grundrechtsverletzung besteht, kann er das Bundesverfassungsgericht im Wege einer Verfassungsbeschwerde anrufen.

Drittwirkung von Grundrechten

Der Bürger hat Grundrechte im Rechtsverhältnis zum Staat inne. Streitig ist, ob und wie weit eine "Drittwirkung" von Grundrechten besteht, also im "horizontalen" Verhältnis zwischen Bürger und Bürger.

Insbesondere das Bundesarbeitsgericht, aber auch ein Teil der älteren Lehre vertrat die Lehre von der unmittelbaren Drittwirkung (Anm.: direkte Drittwirkung) der Grundrechte, wonach Grundrechte zwischen Privaten unmittelbar (Anm.: direkt) gelten würden. "Eingriffe" in grundrechtlich geschützte Positionen wären hiernach unter Zugrundelegung der Lehre vom Gesetzesvorbehalt zu beurteilen. Insbesondere das Verhältnismäßigkeitsprinzip wäre demnach unmittelbar (Anm.: direkt) auch zwischen Privaten anwendbar.

Demgegenüber vertritt das Bundesverfassungsgericht und die herrschende Lehre jedenfalls seit dem Lüth-Urteil die Lehre von der mittelbaren Drittwirkung (Anm.: indirekte Drittwirkung) der Grundrechte, denen eine Ausstrahlungswirkung auf das bürgerliche Recht zugesprochen wird. Die Grundrechte sind demnach bei der Auslegung des einfachen Rechts heranzuziehen. Generalklauseln sind demnach ein "Einfalltor" der Grundrechte in das Privatrecht.

Ein Beispiel für die Drittwirkung der Grundrechte im Privatrecht sind etwa die prozessualen Anforderungen einer Vaterschaftsanfechtungsklage.

Stefan Schmidt - 150 - Ö-Recht Lernhilfe Bitte beachten Sie auch den Hinweis zu Rechtsthemen!

Siehe auch

ƒ Verfassung, Grundgesetz, Demokratie ƒ Minderheitenschutz, Grundbedürfnis, Menschenrechte, Bürgerrechte, Menschenwürde ƒ Ewigkeitsklausel, Rechtsstaat, Schutzbereich Literatur

ƒ Alexy, R.: Theorie der Grundrechte, Suhrkamp, 3. Aufl. 1996, ISBN 3518281828. ƒ Canaris, Claus-Wilhelm: Grundrechte und Privatrecht, AcP 1984, 201--246. ƒ Merten, D./Papier, H.-J.: Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, C.F. Müller, Bd. I 2004, Bd. II 2005. ƒ Sachs, M.: Verfassungsrecht II. Grundrechte, 2. Aufl. 2003 ƒ Stern, K./M. Sachs: Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd. III/1, 1988, Bd. III/2 1994, Bd. IV/1 2005 (i.E.) ƒ Grundrechte-Report 2004. Hrsgg. von T. Müller-Heidelberg, U. Finckh, E. Steven, B. Rogalla, J. Micksch, W. Kaleck, M. Kutscha, Fischer Taschenbuchverlag, Juni 2004 (ca. 224 Seiten, ISBN 3596163811. Mehr Informationen auf report.humanistische-union.de. ƒ Eberhard Schockenhoff: Naturrecht und Menschenwürde. Universale Ethik in einer geschichtlichen Welt, Mainz, 1996, ISBN 3-7867-1899-7 ƒ Siekmann, H./Duttge, G.: Staatsrecht I: Grundrechte, EuWi-Verlag: Thüngersheim, 4. Aufl., 2004 Weblinks

ƒ Informationsheft über Grundrechte der Bundeszentrale für politische Bildung ƒ Übersetzung der Virginia Bill of Rights ƒ "Grundrechte-Jogging" (Online-Spiel der Landeszentrale für politische Bildung Baden- Württemberg)

Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Grundrechte"

Kategorien: Staats- und Verfassungsrecht | Grundrechte | Rechtsphilosophie | Sozialethik | Politischer Begriff | Rechtsgeschichte

Stefan Schmidt - 151 - Ö-Recht Lernhilfe Beispiel für eine unmittelbare Drittwirkung http://www.staatsrecht4u.de/de/artikel_6_10_gg.htm

ART. 9 GG VEREINIGUNGS-, KOALITIONSFREIHEIT

Art. 9 GG schützt das Recht Vereine zu bilden. Ein Verein ist im Gegensatz zu einer Versammlung von längerfristiger Dauer. Auch bei einem Verein liegt ein gemeinsamer Zweck vor.

Es wird auch die negative Vereinigungsfreiheit geschützt, das heißt man kann bei einem Verein auch wieder austreten. Dies gilt allerdings gegebenenfalls nicht für öffentlich- rechtliche Vereinigungen zum Beispiel Handwerkskammern.

Abs. 2 listet verbotene Vereinigungen auf, die sich daher nicht auf Abs. 1 berufen können.

Eine Koalition ist ein Zusammenschluss zur Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Art. 9 III ist ein Beispiel für eine unmittelbare Drittwirkung von Grundrechten, da hier unmittelbar im Grundgesetztext Privatpersonen verboten wird das Koalitionsrecht einzuschränken.

(Herrschaftslegitimationskette) Legitimationskettentheorie aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die Legitimationskettentheorie ist eine Theorie, die die demokratische Legitimation hoheitlichen Handelns in einer ununterbrochenen Kette auf die Willensäußerung des Volkes bei der Wahl zurückführt. In politikwissenschaftlichen Kategorien gesehen handelt es sich also um eine Betrachtung der in der Rechtswissenschaft vorherrschenden Input-Legitimation.

Die zu den Demokratietheorien zählende Legitimationskettentheorie wurde von dem Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde entwickelt und fand in seiner Zeit als Richter am Bundesverfassungsgericht Eingang in dessen Rechtsprechung.

Stefan Schmidt - 152 - Ö-Recht Lernhilfe Anwendung auf die EG

Auf die Europäischen Gemeinschaften angewendet ergeben sich zwei Legitimationsketten. Die erste führt über das Europäische Parlament zurück zum Wähler (der das EP seit 1979 direkt wählt). Die zweite führt über den Rat der Europäischen Union und die Regierungen sowie Parlamente der Mitgliedstaaten zurück zum Wähler. Kritik

Hauptkritikpunkt an der Legitimationskettentheorie ist, dass sie auf einer Fiktion basiert, denn je mehr Glieder eine Legitimationskette hat, desto weniger lässt sich der konkrete Hoheitsakt auf die Wahlentscheidung des Volkes zurückführen.

Hinsichtlich der EG wird daher von verschiedener Seite gefordert, die über das EP führende Legitimationskette zu stärken, indem die Kompetenzen des EP erweitert werden.

(Nicht außer Acht gelassen werden sollte dabei aber, dass in der EG die Output-Legitimation dominiert. Jedoch ist auch dies - je nach Standpunkt - ein Argument für die Stärkung von Input- Legitimation: Die Nützlichkeit einer Regelung ist, wie die Pläne zu Urheberrecht und Überwachungsmaßnahmen gezeigt haben, subjektiv.)

Siehe auch: Demokratiedefizit, Eurokratie, Exekutivföderalismus Literatur

ƒ Ernst-Wolfgang Böckenförde: Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Josef Isensee/Paul Kirchhof (Hrsg.): Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, 1987. ISBN 3-8114-2887-X

Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Legitimationskettentheorie"

Kategorien: Rechtsphilosophie | Politologie

Stefan Schmidt - 153 - Ö-Recht Lernhilfe Spruchkörper aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Ein Spruchkörper ein organisatorischer Teil eines Gerichts.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Gericht und Spruchkörper ƒ 2 Einteilung ƒ 3 Grundrecht auf den gesetzlichen Richter ƒ 4 Einzelne Spruchkörper in den verschiedenen Gerichtszweigen ƒ 4.1 Ordentliche Gerichtsbarkeit ƒ 4.1.1 Amtsgericht ƒ 4.1.2 Landgericht ƒ 4.1.3 Oberlandesgericht ƒ 4.1.4 Bayerisches Oberstes Landesgericht ƒ 4.1.5 Bundesgerichtshof ƒ 4.2 Verwaltungsgerichtsbarkeit ƒ 4.2.1 Verwaltungsgericht ƒ 4.2.2 Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof) ƒ 4.2.3 Bundesverwaltungsgericht ƒ 4.3 Arbeitsgerichtsbarkeit ƒ 4.3.1 Arbeitsgericht ƒ 4.3.2 Landesarbeitsgericht ƒ 4.3.3 Bundesarbeitsgericht ƒ 4.4 Finanzgerichtsbarkeit ƒ 4.4.1 Finanzgericht ƒ 4.4.2 Bundesfinanzhof ƒ 4.5 Sozialgerichtsbarkeit ƒ 4.5.1 Sozialgericht ƒ 4.5.2 Landessozialgericht ƒ 4.5.3 Bundessozialgericht ƒ 4.6 Bundesverfassungsgericht

Gericht und Spruchkörper

Jedes Gericht im organisatorischen Sinne (Beispiel: Landgericht) besteht aus mehreren Spruchkörpern (Beispiel: Zivilkammer). Spruchkörper ist das rechtsprechende Organ, das im einzelnen Fall in Form eines Urteils oder Beschlusses entscheidet.

Das Gesetz sieht verschiedene Arten von Spruchkörpern vor. Welcher von mehreren gleichartigen Spruchkörpern eines Gerichts zuständig ist, ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan. In Verfahrensgesetzen wird oft der Begriff "Gericht" im prozessualen Sinne verwendet und meint dann den zuständigen Spruchkörper (Beispiel § 203 StPO: "Das Gericht beschließt die Eröffnung des

Stefan Schmidt - 154 - Ö-Recht Lernhilfe Hauptverfahrens, wenn ...") Der innerhalb des Spruchkörpers das Verfahren bearbeitende Richter ist der Berichterstatter. Einteilung

In Deutschland kann man nach der Bezeichnung der Spruchkörper im Wesentlichen drei Stufen unterscheiden:

ƒ Einzelrichter (in Strafsachen Strafrichter oder Jugendrichter genannt) ƒ Kammer ƒ Senat (u.a. regelmäßig bei den Bundesgerichten: BGH, BAG, BVerwG, BSG, BFH, BVerfG)

Nach der Zusammensetzung der Spruchkörper unterscheidet man

ƒ Spruchkörper mit einem Berufsrichter ƒ Spruchkörper mit einem Berufsrichter und ehrenamtlichen Richtern ƒ Spruchkörper mit mehreren Berufsrichtern ƒ Spruchkörper mit mehreren Berufsrichtern und ehrenamtlichen Richtern. Grundrecht auf den gesetzlichen Richter

Eine Entscheidung durch den falschen Spruchkörper berührt das justizielle Grundrecht auf den gesetzlichen Richter. Innerhalb eines Gerichts wird ein Verfahren vom unzuständigen an den richtigen Spruchkörper formlos abgegeben oder verwiesen. Urteile, die vom falschen Spruchkörper gefällt werden, sind in der Regel revisibel; Beschlüsse können mit der (sofortigen) Beschwerde angefochten werden. Einzelne Spruchkörper in den verschiedenen Gerichtszweigen

Ordentliche Gerichtsbarkeit

Amtsgericht

ƒ Einzelrichter (in Strafsachen: Strafrichter oder Jugendrichter genannt) ƒ Schöffengericht (1 Berufsrichter, 2 Schöffen) ƒ erweitertes Schöffengericht (2 Berufsrichter, 2 Schöffen; kommt selten vor)

Landgericht

Zivilsachen

ƒ Zivilkammer (3 Berufsrichter) ƒ Einzelrichter. Soweit grundsätzlich die Zivilkammer zuständig ist, kann sie einfachere Fälle dem Einzelrichter übertragen. Der Einzelrichter kann schwierigere Fälle auf die Zivilkammer übertragen. ƒ Kammer für Handelssachen (1 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter mit der Bezeichnung Handelsrichter. Der Vorsitzende kann in gewissen Fällen auch allein entscheiden).

Strafsachen

Stefan Schmidt - 155 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ (kleine) Strafkammer und Jugendkammer (1 Berufsrichter, 2 Schöffen) ƒ (große) Strafkammer und Jugendkammer (3 [in manchen Fällen nur 2] Berufsrichter, 2 Schöffen) ƒ Strafvollstreckungskammer (3 Berufsrichter; in manchen Fällen nur 1 Berufsrichter)

Oberlandesgericht

ƒ Zivilsenat (3 Berufsrichter) ƒ Einzelrichter (in manchen Fällen in Zivilsachen) ƒ Strafsenat (3 oder 5 Berufsrichter)

Bayerisches Oberstes Landesgericht

ƒ Zivilsenat (3 oder 5 Berufsrichter) ƒ Strafsenat (3 oder 5 Berufsrichter)

Bundesgerichtshof

ƒ Zivilsenat (5 Berufsrichter) ƒ Strafsenat (5 Berufsrichter)

Verwaltungsgerichtsbarkeit

Verwaltungsgericht

ƒ Kammer (3 Berufsrichter, darunter 1 Vorsitzender, 2 ehrenamtliche Richter) ƒ Einzelrichter

Oberverwaltungsgericht (Verwaltungsgerichtshof)

ƒ Senat (3 Berufsrichter; nach Landesrecht auch 5, auch zusätzlich 2 ehrenamtliche Richter)

Bundesverwaltungsgericht

ƒ Senat (5 Richter; außerhalb mündlicher Verhandlung 3 Richter)

Arbeitsgerichtsbarkeit

Arbeitsgericht

ƒ Kammer (1 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter; in bestimmten Fällen kann Vorsitzender allein entscheiden)

Landesarbeitsgericht

ƒ Kammer (1 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter)

Bundesarbeitsgericht

ƒ Senat (3 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter)

Finanzgerichtsbarkeit

Stefan Schmidt - 156 - Ö-Recht Lernhilfe Finanzgericht

ƒ Senat (3 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter) ƒ Einzelrichter

Bundesfinanzhof

ƒ Senat (5 Richter; außerhalb mündlicher Verhandlung 3 Richter)

Sozialgerichtsbarkeit

Sozialgericht

ƒ Kammer (1 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter)

Landessozialgericht

ƒ Senat (3 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter)

Bundessozialgericht

ƒ Senat (3 Berufsrichter, 2 ehrenamtliche Richter)

Bundesverfassungsgericht

ƒ Senat (8 Richter; beschlussfähig ab 6 Richter) ƒ Kammer (3 Richter; einstimmige Entscheidung an Stelle des Senats bei Verfassungsbeschwerden und Richtervorlagen nach Art. 100 Abs. 1 GG)

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Kategorie: Gerichtsverfassungsrecht

Stefan Schmidt - 157 - Ö-Recht Lernhilfe Vorbehalt des Gesetzes aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Der Vorbehalt des Gesetzes ist ein Begriff des Staats- und Verwaltungsrechts. Er besagt, dass die wesentlichen Entscheidungen einer parlamentsgesetzlichen Regelung vorbehalten sind. Fehlt eine solche gesetzliche Grundlage, darf die Verwaltung nicht tätig werden.

Terminologisch wenig gelungen ist vom Vorbehalt des Gesetzes (teils auch: "allgemeiner Gesetzesvorbehalt") der Gesetzesvorbehalt zu unterscheiden. Unter Gesetzesvorbehalt versteht man, dass Grundrechte grundsätzlich nur durch (formelles) Parlamentsgesetz oder auf Grund eines solchen Gesetzes eingeschränkt werden können. Dadurch kann die Exekutive nicht aus eigener Macht die Grundrechte des Bürgers beschränken. Die einzelnen grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte umfassen also nur den Kernbereich des Vorbehalts des Gesetzes, nämlich die Eingriffsverwaltung.

Der Vorbehalt des Gesetzes hat sich aus dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts entwickelt.

Inhaltsverzeichnis

ƒ 1 Ausgangspunkt: Der Gesetzesvorbehalt ƒ 1.1 Arten ƒ 1.2 Entstehung ƒ 1.3 Grenzen der Einschränkbarkeit: "Schrankenschranken" ƒ 2 Erweiterung zum Vorbehalt des Gesetzes ƒ 2.1 Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts ƒ 2.2 Begründung ƒ 3 Verwandte Prinzipien

Ausgangspunkt: Der Gesetzesvorbehalt Arten

Man unterscheidet einfache Gesetzesvorbehalte von qualifizierten Gesetzesvorbehalten, bei denen das Gesetz, das ein Grundrecht einschränkt, bestimmte Ziele verfolgen muss. Beispiele:

ƒ Einfacher Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 GG: Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

ƒ Qualifizierter Gesetzesvorbehalt des Art. 11 GG: (1) Alle Deutschen genießen Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet. (2) Dieses Recht darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes und nur für die Fälle eingeschränkt werden, in denen eine ausreichende Lebensgrundlage nicht vorhanden ist und der Allgemeinheit daraus besondere Lasten entstehen würden oder in denen es zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitliche demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes, zur Bekämpfung von Seuchengefahr, Naturkatastrophen oder besonders schweren Unglücksfällen, Stefan Schmidt - 158 - Ö-Recht Lernhilfe zum Schutze der Jugend vor Verwahrlosung oder um strafbaren Handlungen vorzubeugen, erforderlich ist.

Entstehung

In einem absolutistischen Staat konnte der Monarch frei wählen, ob er sich zur Ausübung seiner Herrschaft der Form des Gesetzes, der Verordnung oder des Einzelaktes bediente.

Im Zeitalter des Konstitutionalismus, der die Macht des Monarchen durch eine Verfassung beschränken wollte, wurde die Gesetzgebung allein dem Parlament zugewiesen. Daraus entstand aber die Frage, wann ein Gesetz notwendig sei und wann die vom Monarchen geleitete Verwaltung selbst tätig werden dürfe. Zur Abgrenzung dieser Zuständigkeitsfrage wurde die "Freiheit-und Eigentums- Formel" entwickelt. Sie besagte: Ein Gesetz (und damit die Mitwirkung der Volksvertreter) ist dann erforderlich, wenn in Eigentum und Freiheit der Bürger eingegriffen wird.

Durch die Mitwirkung des Volkes an der Gesetzgebung sah man Eigentums- und Freiheitsrechte der Bürger als ausreichend gesichert an.

Grenzen der Einschränkbarkeit: "Schrankenschranken"

Allerdings ist der Gesetzgeber unter dem Grundgesetz nicht mehr frei, Grundrechte durch Gesetze einzuschränken. Denn die liberale Überlegung, das Erfordernis eines Parlamentsgesetzes und damit die Beteiligung gewählter Abgeordneter genüge zur Sicherung der Grundrechte, wird vom Grundgesetz modifiziert.

Die Erfahrungen der nationalsozialistischen Diktatur hatten gezeigt, dass auch die Minderheit vor der Mehrheit geschützt werden muss. Demnach binden die Grundrechte nicht mehr nur Verwaltung und Gerichte, sondern auch den zu ihrer Einschränkung befugten Gesetzgeber (Art. 1 III GG). Dies geschieht durch sog. Schrankenschranken: dem Gesetz, das die Grundrechte beschränkt (Schranke), sind selbst Schranken gesetzt (Schrankenschranken). Dazu gehören insbesondere:

ƒ das Zitiergebot ƒ die Wesensgehaltsgarantie ƒ das Übermaßverbot (Verhältnismäßigkeitsprinzip)

Zugleich wurde mit dem Bundesverfassungsgericht ein Organ geschaffen, das die Einhaltung dieser Regelungen effektiv überwachen kann. Verstößt ein einschränkendes Gesetz gegen die Schrankenschranken, ist es verfassungswidrig und damit für nichtig zu erklären.

Diesem Konzept des Grundgesetzes mag man ein Defizit an Demokratie vorwerfen. Demgegenüber ergibt sich aber ein erheblicher Gewinn an Rechtsstaatlichkeit. Erweiterung zum Vorbehalt des Gesetzes

Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts

Diese Konzeption des liberalen Rechtsstaates liegt dem Grundgesetz zu Grunde. Es geht aber darüber hinaus.

Stefan Schmidt - 159 - Ö-Recht Lernhilfe Die Gefahr für den Bürger geht im sozialen Rechtsstaat weniger von einer Verwaltung aus, die in seine Rechte eingreift. Mehr als den Polizisten, der ihn grundlos in Gewahrsam nimmt, fürchtet er, nicht die staatlichen Leistungen zu erhalten, deren er bedarf (Arbeitslosengeld, Rente, BAFöG, Kindergeld, ...).

Dies sichert der klassische Gesetzesvorbehalt nicht, da es nicht um die Abwehr von Eingriffen, sondern um die Durchsetzung von Leistungsrechten geht. Es stellt sich also die Frage, ob es ausreichend ist, dass nur die Eingriffsverwaltung einer gesetzlichen Grundlage bedarf.

Nicht durchgesetzt hat sich die Ansicht, die auch für alles Handeln der Leistungsverwaltung, das ja in Rechte der Bürger nicht eingreift, eine Gesetzesgrundlage fordert (Totalvorbehalt).

Das Bundesverfassungsgericht geht vielmehr mit der Wesentlichkeitstheorie einen Mittelweg. Der Vorbehalt des Gesetzes umfasse nicht nur die herkömmlichen Gesetzesvorbehalte, sondern darüber hinaus müssten alle wesentlichen Fragen vom Gesetzgeber selbst geregelt werden. Grundlegend BVerfGE 47, 46 (48 f.) - "Sexualkundeunterricht":

Als entscheidender Fortschritt dieser Rechtsauffassung ist es anzusehen, daß der Vorbehalt des Gesetzes von seiner Bindung an überholte Formeln (Eingriff in Freiheit und Eigentum) gelöst und von seiner demokratisch-rechtsstaatlichen Funktion her auf ein neues Fundament gestellt wird, auf dem aufbauend Umfang und Reichweite dieses Rechtsinstituts neu bestimmt werden können. [...] Im grundrechtsrelevanten Bereich bedeutet somit "wesentlich" in der Regel "wesentlich für die Verwirklichung der Grundrechte".

Obgleich die Konzeption einer gewissen Unbestimmtheit nicht entbehrt ("Wesentlich ist, was das Bundesverfassungsgericht dafür hält"), ist sie heute herrschend und wird in der Praxis nicht mehr in Frage gestellt.

Begründung

Teils wird die Erweiterung der Gesetzesvorbehalte auf das umfassendere Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes auf Art. 20 III GG gestützt. Der Wortlaut spricht indes dafür, dass hier nur der Vorrang des Gesetzes gemeint ist.

Allerdings stützen das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip die Ausweitung.

Die grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte verdrängen, wo sie vorgesehen sind, das allgemeinere Prinzip des Vorbehalts des Gesetzes. Verwandte Prinzipien

Eine abgeschwächte Form des Gesetzesvorbehalts ist der Rechtssatzvorbehalt, der kein formelles Parlamentsgesetz, sondern jede Rechtsnorm (Gesetz im materiellen Sinne) ausreichen lässt. So steht etwa die Allgemeine Handlungsfreiheit unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung, kann also auch durch Rechtsverordnung oder Satzung beschränkt werden.

Andere Grundrechte sehen gar keinen Vorbehalt vor (Kunstfreiheit, Religionsfreiheit). Diese sind zwar vorbehaltlos, aber nicht schrankenlos gewährleistet. Aus dem Prinzip der Einheit der Verfassung können nämlich auch sie durch kollidierendes Verfassungsrecht, also durch verfassungsimmanente Schranken eingeschränkt werden. Nach herrschender Meinung ist aber auch in solchen Fällen eine gesetzliche Grundlage erforderlich, gilt also der Vorbehalt des Gesetzes.

Stefan Schmidt - 160 - Ö-Recht Lernhilfe Der Parlamentsvorbehalt verlangt eine Entscheidung des Parlaments. Der Vorbehalt des Gesetzes ist immer Parlamentsvorbehalt, weil nur das Parlament Gesetzgeber ist. Umgekehrt verlangt der Parlamentsvorbehalt nicht, dass das Parlament gerade gesetzgeberisch (und nicht durch schlichten Parlamentsbeschluss) tätig wird.

Mit dem Vorbehalt des Gesetzes darf nicht das Prinzip des Vorrangs des Gesetzes verwechselt werden: dieser zweite Grundbegriff des Verwaltungsrechts regelt nicht, wann ein Gesetz erforderlich ist, sondern bestimmt nur, dass ein Gesetz, sofern es denn existiert, die Verwaltung bindet. Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes bilden zusammen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.

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Kategorien: Staats- und Verfassungsrecht | Verfassung | Grundrechte | Verwaltungsrecht

Totalvorbehalt aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Unter Totalvorbehalt versteht man, dass die Verwaltung nicht nur für Eingriffe in Grundrechte der Bürger (Gesetzesvorbehalt), sondern auch für jede sonstige Tätigkeit einer parlamentsgesetzlichen Grundlage bedarf.

Dies entspricht allerdings nicht der herrschenden und vom Bundesverfassungsgericht vertretenen Ansicht vom Vorbehalt des Gesetzes. Nach ihr bedarf die Verwaltungstätigkeit außerhalb der Eingriffsverwaltung nur dann der gesetzlichen Grundlage, wenn es sich um eine wesentliche Entscheidung handelt (Wesentlichkeitstheorie).

Von "http://de.wikipedia.org/wiki/Totalvorbehalt"

Kategorie: Staats- und Verfassungsrecht

Stefan Schmidt - 161 - Ö-Recht Lernhilfe Gesetzlicher Richter aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Recht auf den gesetzlichen (genauer: gesetzlich bestimmten) Richter ist in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) geregelt. Jedermann hat Anspruch darauf, dass im Voraus nach allgemeinen Merkmalen bestimmt wird, bei welchem Gericht und welchem Richter bzw. Spruchkörper innerhalb des Gerichts sein Gerichtsverfahren behandelt werden wird. Die (örtliche und sachliche) Zuständigkeit der Gerichte ist deshalb in Gesetzen geregelt. Die Zuständigkeit innerhalb der Gerichte bestimmt sich nach dem Geschäftsverteilungsplan, der von dem jeweiligen Gerichtspräsidium im Voraus, meistens für das Kalenderjahr, aufgestellt wird. Hierfür gibt es verschiedene Verfahren. So können die eingehenden Sachen nach Eingangszeit, nach Sachgebieten, nach dem Anfangsbuchstaben des Namens einer der Parteien oder nach ihrem Wohnort ("Bezirksgericht" in Deutschland) einem bestimmten Richter zugewiesen werden. In den zuletzt genannten beiden Fällen kommt man also, wenn man seinen Namen nicht ändert und nicht umzieht, immer zum selben Richter.

Wenn eine Entscheidung vom falschen Gericht oder vom falschen Spruchkörper innerhalb eines Gerichts gefällt wurde, verletzt sie das Recht auf den gesetzlichen Richter und ist in der Regel mit der Revision (Urteile) oder mit der (sofortigen) Beschwerde (Beschlüsse) anfechtbar.

Historischer Hintergrund des Rechts auf den gesetzlichen Richter ist die Kabinettsjustiz absolutistischer Zeiten. Der Monarch als oberster Gerichtsherr konnte damals für ein bestimmtes Verfahren ad hoc einen zuständigen Richter bestimmen oder ablösen oder auch die Sache an sich ziehen und selbst entscheiden und auf diese Weise Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen. Dies soll verhindert werden.

Heute hat das Recht auf den gesetzlichen Richter überwiegend andere Anwendungsbereiche: So darf ein Gericht selbst nicht willkürlich den Zugang einer Partei zu einem anderen Gericht, zum Beispiel zu einer an sich vorhandenen weiteren Instanz, verhindern. Auch wenn ein Gericht entgegen einer gesetzlichen Vorschrift eine Rechtsfrage nicht zur Entscheidung an ein anderes Gericht vorlegt, zum Beispiel an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), kann Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verletzt sein.

Einige andere Rechtsordnungen kennen das Recht auf einen gesetzlich bestimmten Richter nicht, dort ist nur wichtig, dass (irgend)ein Richter entscheidet. In Österreich ist das Recht auf den gesetzlichen Richter in den Art 83 Abs. 2 bzw. 87 Abs. 3 B-VG verankert. Weblinks

ƒ Fragen zum gesetzlichen Richter auf fragensammlung.at ƒ BVerfGE 4, 412 ƒ BVerfGE 6, 45 ƒ BVerfGE 9, 223 ƒ BVerfGE 17, 294

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Stefan Schmidt - 162 - Ö-Recht Lernhilfe

Sozialstaatsprinzip Sozialstaatspostulat aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Als Sozialstaatspostulat wird der Auftrag in Artikel 20 GG bezeichnet, nachdem die Bundesrepublik Deutschland (...) ein (...) sozialer Bundesstaat ist. Aus dem Sozialstaatspostulat leitet sich das Sozialstaatsprinzip als eine Grundlage des Grundgesetzes und des Strukturprinzips ab. Das Sozialstaatsprinzip und andere Verfassungs- oder Gesetzesvorschriften definieren die soziale Marktwirtschaft.

Inhaltsverzeichnis

1 Inhalt des Sozialstaatspostulats

2 Verhältnis zum Rechtsstaat

3 Geschichte

4 Kritik

5 Siehe auch

6 Weblinks Inhalt des Sozialstaatspostulats

Das Sozialstaatsprinzip enthält kein einklagbares Recht und ist deshalb nur ein Postulat. Es legt fest, dass Deutschland ein Sozialstaat ist. Über die Ausgestaltung des Sozialstaats muss von der Politik entschieden werden. Das Grundgesetz enthält auch, anders als die vorhergehende Weimarer Verfassung, keine eindeutigen sozialen Grundrechte.

Für das Bundesverfassungsgericht ist das Sozialstaatspostulat seiner allerersten Entscheidung zu Folge auch eine Hilfe bei der Auslegung des Grundgesetzes und anderer Gesetze.

Da die Formel sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann, ist der Inhalt umstritten. Allerdings werden zwei Punkte weitgehend akzeptiert:

Der Staat ist kein liberaler Nachtwächterstaat, der sich aus der Wirtschaft heraushält, sondern greift aktiv durch Sozialpolitik in diese ein.

Der Umfang und die Art des Eingriffes werden von der Politik festgelegt.

Stefan Schmidt - 163 - Ö-Recht Lernhilfe Mögliche Elemente des Sozialstaatsprinzips:

ƒ Rechte der sozialen Teilhabe wie die Tarifautonomie ƒ Anspruch auf Hilfe durch den Staat zur Befriedigung der grundlegenden Bedürfnisse (Sozialhilfe) ƒ Zwangsversicherungen (Krankenversicherung, Rentenversicherung) ƒ Daseinsvorsorge (Gesundheitsvorsorge) ƒ Beachtung des sozialen Aspekts in anderen Bereichen (Wohnungspolitik)

Neben dem Sozialstaatspostulat legt auch noch die in Artikel 1 festgelegte Aufgabe des Staates, die Würde des Menschen zu schützen, oder auch die Aussage von Artikel 14 wonach Eigentum verpflichtet fest, dass Deutschland ein Sozialstaat sein muss. Verhältnis zum Rechtsstaat

Das Sozialstaatsprinzip steht in einem Spannungsverhältnis zu einem anderen Prinzip des Grundgesetzes, der Rechtsstaatlichkeit. Der Grund liegt darin, dass der Rechtsstaat vor allem der Freiheit des Einzelnen und seiner Rechte dient, während der Sozialstaat in das Leben der Bürger eingreift. In der Anwendung der beiden Prinzipien hat keines der beiden einen Vorrang, sondern es muss ein Ausgleich zwischen ihnen stattfinden. Geschichte

Das Sozialstaatspostulat wurde auf einen Antrag von Hermann von Mangoldt aufgenommen, aber im Parlamentarischen Rat nicht diskutiert. Sein Vorschlag geht vermutlich auf ähnliche Inhalte der Verfassungen der Bundesländer zurück. Da der Vorschlag im Rat nicht diskutiert wurde, ist nicht klar, was dieser als Inhalt verstand. Heute sieht man im Postulat ein Staatsziel. In den 60er Jahren wurde das Sozialstaatspostulat von einer Gruppe um Wolfgang Abendroth als Aufforderung an den Staat, eine sozialistische Gesellschaft zu schaffen, angesehen. Kritik

Da das Sozialstaatsprinzip verfassungsmäßig nicht bestimmt ist, unterliegt es zwangsläufig dem Zeitgeist der Gesellschaft. Im Sinne von Adam Smith könnte auch ein Staat mit dem Manchester- Liberalismus und ohne Dinge wie Sozialhilfe das Staatsziel erfüllen. Mit Hilfe von Staatszielen wird teilweise sogar eine Einschränkung von Grundrechten begründet, auch wenn dies so nicht explizit in der Verfassung steht, zu diesem Zweck kann auch das Sozialstaatspostulat benutzt werden. Siehe auch

ƒ Sozialgesetzgebung ƒ Demokratie ƒ Politisches System Deutschlands ƒ Gewerkschaft Weblinks

ƒ Sozialstaatsprinzip - Rechtsprechungsdirektive oder Begründungsornament? (pdf)

Stefan Schmidt - 164 - Ö-Recht Lernhilfe .

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Kategorien: Staats- und Verfassungsrecht | Politik (Deutschland)

Stefan Schmidt - 165 - Ö-Recht Lernhilfe Homogenitätsprinzip aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Homogenitätsprinzip bedeutet wörtlich Gleichartigkeitsprinzip. Als juristischer Fachausdruck bezeichnet es die Gleichartigkeit der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesländer zu der der Bundesrepublik Deutschland.

Verankert ist das Homogenitätsprinzip in Artikel 28 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes, wo es heißt:

"Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen."

Funktionell gewährleistet das Homogenitätsprinzip, dass die grundsätzliche Eigenstaatlichkeit - das heißt das Recht, sich eine eigene Verfassung zu geben - der einzelnen Bundesländer nicht zu einer Auflösung der bundesstaatlichen Ordnung führt. Dies wäre nämlich dann der Fall, wenn die politischen Systeme und Lebensbedingungen in den einzelnen Bundesländern so stark differieren, dass eine Gemeinsamkeit nicht mehr besteht.

Theoretisch möglich wäre auch eine starke Bindung der Bundesländer an den Bundesstaat im Sinne einer Konformität und Uniformität; das Grundgesetz hat einen solchen Weg aber nicht gewählt.

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Kategorie: Politik (Deutschland)

Kollegialitätsprinzip aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Das Kollegialitätsprinzip, in Deutschland auch Kollegialprinzip genannt, beschreibt eine Art der Führung von Behörden und Regierungen. Hierbei besteht die Regierung bzw. die Behörde aus gleichberechtigten Mitgliedern, welche die in geheimer Abstimmung gefassten Entschlüsse nach außen mit einer Stimme vertreten.

In der Bundesrepublik Deutschland hat der Bundeskanzler laut Art. 65 GG die Richtlinienkompetenz, das heißt, dass er als Regierungschef die Richtlinien der Politik bestimmt. Dieses sogenannte Kanzlerprinzip wird durch die Fachkompetenz der einzelnen Minister (Ressortprinzip) und das Kollegialprinzip begrenzt, nach dem bei wichtigen Entscheiden das gesamte Kabinett als Kollegium entscheidet.

In der Schweiz ist das Kollegialitätsprinzip noch ausgeprägter. Die Schweizer Regierung, der Bundesrat, ist nach Art.177 BV eine Kollegialbehörde, in der jedes Mitglied die gleichen Rechte hat (siehe auch Konkordanzdemokratie). Der Bundesrat trifft jeden Mittwochmorgen zu ordentlichen

Stefan Schmidt - 166 - Ö-Recht Lernhilfe Sitzungen zusammen. Die Mitglieder können dann ihre Meinungen zu den vorliegenden Geschäften darlegen. Beschlüsse werden nach der Meinungsmehrheit gefasst, wobei mindestens vier der sieben Bundesräte anwesend sein müssen. Der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin beendet abschließend mit den Worten „Wir sind der Meinung, dass...“ die Sitzung. Diese im Geheimen gefassten Entschlüsse werden von jedem Mitglied gegenüber dritten, mit den Argumenten vertreten, die den Ausschlag gegeben haben. In der Schweiz besteht nicht nur auf Bundesebene sondern auch auf Kantons- und Gemeindeebene die Exekutive aus Kollegialbehörden.

Vorteile dieses Systems sind:

ƒ Die größere Entscheidungsfreiheit der Mitglieder. Sie müssen weniger Rücksicht auf Medien und Parteien nehmen. ƒ Die gegen außen vorgetragene Geschlossenheit des Gremiums führt zu einem besseren Durchsetzungsvermögen.

Nachteile sind:

ƒ Mitglieder, die nicht der Meinung der Mehrheit sind, müssen trotzdem die Beschlüsse des Gremiums mittragen. ƒ Einzelne Mitglieder können sich nach außen nicht so stark profilieren.

Im Dezember 2003 wurde erstmals ein einflussreicher Oppositionsführer in den Schweizer Bundesrat gewählt. Durch die Wahl des Rechts-Konservativen Christoph Blocher, der zuvor als Nationalrat durch populistische Politik von sich Reden machte, gerät der Bundesrat als Kollegialbehörde wieder unter Beschuss. Kritiker bemängeln die Blockierung des Bundesrates durch die weit auseinanderliegenden Meinungen der einzelnen Mitgliedern (siehe auch Konkordanzdemokratie). Ebenfalls ist, im Zeitalter der medialen Informationen und durch die Offenlegungen der Haltungen der Bundesräte, die Geschlossenheit des Bundesrates gefährdet.

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Kategorien: Politik (Schweiz) | Politischer Begriff

Ewigkeitsklausel aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie

Die sogenannte Ewigkeitsklausel ist das in Artikel 79 Absatz 3 des Grundgesetzes festgeschriebene Verbot der Abänderung der fundamentalen Verfassungsprinzipien, die in den Artikeln 1 (Menschenwürde) und 20 (Strukturprinzipien) festgelegt sind. Die Verfassungsprinzipien wurden von den Vätern des Grundgesetzes vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Zeit des Dritten Reiches als vorgegebenes, der menschlichen Disposition entzogenes Naturrecht angesehen. Von einer Änderung ausgeschlossen sind:

ƒ Der Schutz und die Unverletzlichkeit der Menschenwürde ƒ Demokratie ƒ Republik ƒ Bundesstaat und Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung Stefan Schmidt - 167 - Ö-Recht Lernhilfe ƒ Sozialstaat ƒ Rechtsstaat ƒ Gewaltenteilung

Das in Artikel 20 Abs. 4 garantierte Widerstandsrecht fällt nicht unter diesen Schutz, da es erst später in den Artikel 20 eingefügt wurde. Diese Ansicht ist unter Verfassungsrechtlern heute nicht mehr umstritten. Argumentiert wird vor allem, dass die Ewigkeitsklausel auch umgekehrt gelte und es nicht zulässig sei, nachträglich eine Bestimmung für immer und unabänderlich in das Grundgesetz zu integrieren. Denn wenn die Ewigkeitsklausel durch Hinzunahme von Komponenten veränderbar wäre, würde auch die Herausnahme von Komponenten, wie das Prinzip der Bundesstaatlichkeit, erleichtert. Dies würde die postulierte Schutzwirkung unterhöhlen.

Dass Artikel 79 Abs. 3 ebenfalls den Schutz der Unabänderlichkeit genießt, wird allgemein angenommen, obwohl es nicht direkt aus dem Wortlaut zu entnehmen ist. Andernfalls würde aber die Schutzwirkung sinnlos werden, was nicht dem Zweck der Norm und der Zielsetzung des Verfassungsgebers entspräche.

Wortlaut der Ewigkeitsklausel:

Eine Änderung dieses Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, ist unzulässig.

Die Ewigkeitsklausel verhindert jedoch nicht, dass eine verfassungsgebende Versammlung eine gänzlich neue Verfassung schaffen könnte, auch wenn diese Veränderungen mit sich bringt, die eigentlich durch die Ewigkeitsklausel verhindert werden sollen. Diese Möglichkeit, eine neue Verfassung zu schaffen, sieht Art. 146 des Grundgesetzes in der alten wie in der neuen Fassung ausdrücklich vor. Einige Verfassungsrechtler nehmen allerdings an, Artikel 146 sei in der alten Fassung mit der Wiedervereinigung außer Kraft getreten, und die neue Fassung sei unwirksam. Kritik

Zu den Menschenrechten, welche durch die Ewigkeitsklausel geschützt werden sollen, gehört das Selbstbestimmungsrecht. Die Ewigkeitsklausel verbaut (wenn man den Weg über Art. 146 für unzulässig hält) der jetzigen und den folgenden Generationen jedoch das freie Wahlrecht, zum Beispiel auf einen nicht föderal organisierten aber dennoch demokratischen Staat - etwa nach französischem Vorbild.

Siehe auch:

ƒ Politisches System Deutschlands ƒ Streitbare Demokratie ƒ Vertrag über eine Verfassung für Europa

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Kategorien: Staats- und Verfassungsrecht | Politik (Deutschland) | Politischer Begriff

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