Denkmalporträt

Der Westwall in Baden-Württemberg (1): Die -Enz-Stellung

Bei den Hinterlassenschaften des „Westwalls“, ge- nem panzersicheren Hindernis bildeten. Je nach meint sind die Westbefestigungen der Nazi-Zeit, strategischen und taktischen Erfordernissen handelt es sich um ein Kulturdenkmal (vgl. Denk- schloss sich dahinter eine zweite Verteidigungsli- malpflege in Baden-Württemberg, 39/4, 2010, nie an. Die Mehrzahl der Bauwerke waren Bunker, S.247–252). Zu diesem gehört die Neckar-Enz- die das panzersichere Flusshindernis verteidigen Stellung im , die mit der Main-Tauber- sollten. In jedem Bunker befanden sich ein Maschi- Stellung einen Vorläufer der seit 1938 von vehe - nengewehr und eine 5-köpfige Bedienmannschaft. menter politischer Propaganda begleiteten Groß- Oft war zusätzlich eine 13 Mann starke Besatzung baumaßnahme „Westwall“ bildete. im Bauwerk untergebracht, die bei einer gegneri- Nach dem Ersten Weltkrieg untersagte der Versail- schen Flussüberquerung den Kampfstand auch ler Vertrag von 1919 den Bau militärischer Befes- außerhalb zu verteidigen gehabt hätte. ti gungen innerhalb der entmilitarisierten Zone von In den Bunkern und Stollenanlagen fanden Kom- der westlichen Landesgrenze bis 50 km östlich des mandostände, Beobachtungstrupps und Reserve- Rheins. Mit dem Beistandsabkommen zwischen einheiten Schutz. Die Bunkeranlagen besaßen ein Frankreich, der Tschechoslowakei und Russland eigenes Fernsprechnetz, dessen Kabel in vorders - von 1935 befürchteten deutsche Militärstrategen ter Linie bis zu 2 m tief in Stahlrohren verlegt wa- im Kriegsfall die Abtrennung Süddeutschlands ren. Nach der deutschen Wiederbesetzung des vom Deutschen Reich. Von April 1935 bis Januar Rheinlandes im Frühjahr 1936, die einen völker- 1938 errichteten private Bauunternehmer im Auf- recht lichen Bruch des Versailler Vertrages bedeu- trag der militärischen Dienststellen 450 Bauwerke tete, setzte die Militärführung nun auf die Errich- unterschiedlicher Art. Von Eberbach bis nach Vai- tung grenznaher Befestigungslinien. Dennoch hingen an der Enz dienten die Flüsse Neckar und wurde der grundlegende „Sicherheitsausbau“ der Enz als natürliches, 86 km langes Panzerhindernis. Neckar-Enz-Stellung aus strategischen Gründen Nördlich von Eberbach schloss sich die Sperrstel- noch vollendet und der geplante „Verstärkungs- lung Eberbach-Miltenberg an, am süd lichen Ende ausbau“ aber nur noch teilweise begonnen. Nach die Sicherungsstellung , deren Ausbau je- Ende der Bautätigkeit kümmerte sich eine Fes- weils erst im Mobilisationsfall vorgesehen war. Die tungsdienststelle in um die Wartung Planungen sahen den Bau einer Stellung vor, de- und Instandhaltung der Bauwerke. ren Grundgerüst kleine Einzelbauwerke entlang ei- In den folgenden Jahren sank der militärische Wert

Denkmalpflege in Baden-Württemberg 1 | 2011 53 2 Karte der Neckar-Enz- der Stellung durch die rasante Entwicklung der Stellung. Waffentechnik, die Translozierung von Bunker - inven tar und den Rückbau des Festungskabelnet- zes zur Rückgewinnung kriegswichtiger Rohstoffe. Im Herbst 1944 überprüften Festungspioniere die Neckar-Enz-Stellung auf ihre militärische Taug- lichkeit und schlugen in „Denkschriften“ einen weitgehenden Neubau vor, der sich als nicht um- setzbar erwies. So kam es Ende 1944 zur Wieder- armierung der bestehenden Neckar-Enz-Stellung, die bis zum Einzug deutscher Soldaten nur lücken- haft gelang. Ab dem 2./3. April 1945 kam es zwi- schen Bad Friedrichshall (Kochermündung in den Neckar) und zu Kampfhand - lungen. Nach dem Krieg sprengten die Alliierten den Großteil der Bauwerke. Lediglich Bunker in di- rekter Nachbarschaft zu zivilen Bauten, Eisenbahn- 3 Gasschleuse des linien oder Straßen wurden aus Sicherheitsgrün- Museumsbunkers in den verschont. Seit 1957 wurden viele Anlagen Bietigheim-Bissingen. auf Grundlage des damals verabschiedeten „All-

ge meinen Kriegsfolgengesetzes“ beseitigt. Heute ist weniger als die Hälfte der ursprünglichen Bau- ten überliefert, nur noch etwa zwei Dutzend der Bunkerbauten haben ungesprengt überdauert. Schon vor der Unterschutzstellung der Westbefes- tigungen in Baden-Württemberg im Jahre 2005 haben sich Vereine und Privatpersonen für den Erhalt einiger Bauwerke der Neckar-Enz-Stellung eingesetzt. Ein Arbeitskreis des Geschichtsvereins Bietigheim-Bissingen e.V. unterhält einen Muse- umsbunker, der instandgesetzt und dessen ur- sprüng liche Innenausstattung rekonstruiert wurde.

Praktischer Hinweis Museumsbunker Ro 1 in Bietigheim-Bissingen (Lkr. ) Öffnungszeiten: jeder erste Sonntag im April, Juli und September jeweils von 11–17 Uhr. Lage: im Waldstück Brandhalde, Zugang ab dem Nordausgang des Grotz-Tunnels ausgeschildert www.geschichtsverein-bietigheim-bissingen.de

Till Kiener Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen e.V. Gutenbergstraße 26 75417 Mühlacker

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