Ausg. Nr. 93 • 1. März 2011 Unparteiisches, unabhängiges und kostenloses Magazin speziell für Österreicherinnen und Österreicher in aller Welt in vier verschiedenen pdf- Formaten • http://www.oe-journal.at Minderheits- kontra Mehrheitswahlrecht

Wenn eine Regierungsbildung zu lange dauert oder das Volk mit der Performance einer Koalitionsregierung nicht zufrieden ist, wird verstärkt über eine Neugestaltung des Nationalratswahlrechts nachgedacht. Foto: Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles Robert

Bei der Diskussion im Parlament: 3. Nationalratspräsident Martin Graf, Bundeskanzler a.D. , Nationalratspräsi- dent a.D. Hans Neisser, Verfassungsjurist Univ. Prof. Theo Öhlinger und Bundesratspräsident a.D. Prof. Herwig Hösele (v.l.) pätestens seit im Frühjahr 2000 die SPÖ dem Volk, mit einer Stimmenmehrheit aus- (33,15 Prozent) als stimmenstärkste Partei Sals Wahlsieger in die Opposition ge- gestattet wurde. Zur Erinnerung: Am 3. Ok- aus diesem Wahlgang hervor, es folgte die schickt wurde und FPÖ und ÖVP eine Koa- tober 1999 wurde – nach dem Bruch der mit FPÖ mit 1,244.087 Stimmen (26,91 Pro- litionsregierung bildeten, tauchen immer 28. Jänner 1997 angelobten Koalitionsregie- zent), die mit nur 415 (!) Stimmen vor der wieder Forderungen nach einer Änderung rung unter Bundekanzler (SPÖ) ÖVP lag (1,243.672 Stimmen und ebenfalls des Nationalratswahlrechts auf. Kurz gesagt: und Wolfgang Schüssel (ÖVP) – neu ge- 26,91 Prozent). Es solle der regieren, der vom Souverän, wählt. Die SPÖ ging mit 1,532.448 Stimmen Lesen Sie weiter auf der Seite 3 ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 2 Die Seite 2

Liebe Leserinnen und Leser, wir widmen uns in der vorliegenden Ausgabe unseres Journals auf mehreren Seiten der intensiven offiziellen Reisetätigkeit in den ver- gangenen Wochen. Es ist schön zu erleben, wie herzlich unsere Staatsspitzen, Abgeordnete und Vertreter von Wirtschaft und Wissen- schaft in aller Welt empfangen werden – »Beste Beziehungen« und »Viel Ehre für ein kleines Land«, so lauten auch die Titel der beiden Beiträge. Umso unverständlicher erscheint es dann, wenn die Reise- kosten aufgerechnet werden. Natürlich erreichen diese respektable Beste Beziehungen S 16 Höhen. Aber: keines der Medien, das damit Schlagzeilen produziert, unterzieht sich der Mühe, herauszurechnen, welche langfristigen Vorteile daraus für unser Land entstanden sind. Michael Mössmer Der Inhalt der Ausgabe 93

Präsidentenwechsel im Bundesrat 9 Schallaburg erhält wieder Glocken 69 »Rot-Weiß-Rot-Karte« beschlossen 12 Wiener Jause für Volksschulkinder 70 Guter Start für den Arbeitsmarkt 14 Bevölkerungszahl stieg 2010 71 Beste Beziehungen: Österreichs jüngster »90 Jahre – 90 Geschichten« S 36 Spitzenverteter der Republik Haubenkoch kocht in Ischgl 73 bereisten Singapur, Neuseeland, Peter Alexander ist gestorben Australien und China 16 Der Schauspieler, Sänger und Viel Ehre für ein kleines Land 20 Entertainer Peter Alexander ist Goldene Cloche® geht nach NY 28 im 84. Lebensjahr entschlafen 74 »Kaiserball« in München 29 Tirol: Zwölf Ehrenzeichen 77 19. Wien-Ball in Brüssel 32 Wien ehrt Univ.-Prof. Barfuß 78 LH Durnwalder trifft Moretti 33 Ältester Oberösterreich ist EU: Kollektiver Rechtsschutz? 34 106 Jahre alt 78 Peter Alexander ist gestorben S 74 Kroatien bald 28. Mitgliedsstaat? 35 Kaiser-Maximilian-Preis 2011 79 Burgenland-Journal Zwei Physik-Highlights »90 Jahre – 90 Geschichten« 36 aus Innsbruck 80 Kittsee wird Universitätsstandort 40 Erfolgsbilanz RNA-Netzwerk 82 IRE-Konferenz in Güssing 41 Bildungscampus Hauptbahnhof 83 Bundesamt für Weinbau Rückkehr auf leisen Pfoten 85 setzt verstärkt auf Forschung 43 Glanz einer Epoche Eisenstadt: Haus der Generationen 44 Jugendstil-Schmuck aus Europa 600 SchülerInnen gegen Rassismus 47 Ausstellung im Leopold Museum 87 Glanz einer Epoche S 87 600 Jahre alte Rebe zerstört 48 Der Dombau von St. Stephan Die Geschichte des Burgenlandes Ausstellung im Wien Museum 92 Teil 2: vom Frühmittelalter bis zum Herrn von Schlaining 49 Benedetto Fellin: Gemalt wird im Wohn-Atelier 95 An 14. Stelle von 37 Ländern 59 Neues Ausstellungskonzept im 2011 bringt Österreichs Wirtschaft Konzentrationslager Mauthausen 98 mehr Schwung 61 30 Jahre Festspielhaus Bregenz 99 Schwung für das neue Serie »K.u.K. Jugendstil« von Tourismus-Jahr 62 Prof. Peter Schubert. Diesmal: Österreicher wollen 2011 Hausfassaden aus den Ländern Burgenland im Zeichen der Speichen S 107 rund 5460 Euro zur Seite legen 64 Österreich-Ungarns: Tschechien… 100 Österreich baut Position als Bio- Impressum: Eigentümer und Verleger: Österreich Serie »Österreicher in Hollywood« Europameister weiter aus 65 Journal Verlag; Postadresse: A-1130 Wien, Dr. Scho- von Rudolf Ulrich. Diesmal: OÖ ist bei der Energiewende ber-Str. 8/1. Für den Inhalt verantwortlicher Her- Schauspieler Walter Slezak 104 ausgeber und Chefredakteur: Michael Mössmer; Lek- eine der Top-Regionen der Welt 66 torat: Maria Krapfenbauer. jede Art der Veröffentli- Mehr Geld für Wiener Burgenland im Zeichen chung bei Quellenangabe ausdrücklich erlaubt. Fotos Kreativunternehmen 67 der Speichen 107 S. 1: Parlamentsdirektion/Bildagentur Zolles/Robert Zolles; Dragan Tatic/HBF; Bgld. Landesmedienser- Frühlingserwachen in Österreichs OÖ: Kirschen, Kräuter und vice; ORF/BT; Leopold Museum / Craig Dillon; größtem Naturpark 68 Kaiserschmarrn 109 Burgenland Tourismus / steve.haider.com

In Zusammenarbeit mit dem Auslandsösterreicher-Weltbund und »Rot-Weiss-Rot« – http://www.weltbund.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 3 Innenpolitik

Vier Monate hatten die Verhandlungen werde einem Neuwahlantrag im Hohen Haus gut verstanden hatten – dieses gute Arbeits- zur Bildung einer neuen Regierung gedauert, nicht zustimmen; nach dem Parteipräsidium verhältnis auch als Bundes- und Vizekanzler bis schließlich am 4. Feber 2000 die ÖVP- hieß es dann aber, man werde die Zusam- beibehalten. Es sollte „neu regiert“ werden, FPÖ-Koalitionsregierung „Kabinett Schüs- menarbeit mit der ÖVP „niveauvoll been- einvernehmlich, nachgiebig, bürgernahe: sel I“ – von Bundespräsidenten Thomas Kle- den“. Und bereits zwei Tage später, am alles beste Voraussetzungen für eine Regie- stil mit deutlich spürbarem Widerwillen – 9. Juli, wurde im Hohen Haus ein rot- rung. Das bewiesen die beiden auch durch angelobt wurde. Die langwierigen Parteien- schwarz-grüner Antrag einstimmig ange- gemeinsame Pressekonferenzen nach dem gespräche hatten damals großen Unmut aus- nommen, aber nicht ohne sich noch kräftig Ministerrat im Bundeskanzleramt, wo fast gelöst und dem Ansehen der beteiligten gegenseitig die Schuld am Scheitern der Re- freundschaftliches Klima erkennbar war Politiker einigermaßen geschadet. Die mei- gierung zuzuweisen – wobei die Opposition (damals prügelte man Faymann und Pröll sten Vorhaltungen mußte sich der nunmehri- auch hier zustimmte. Bis dahin versuchten – wegen ihres „Kuschelkurses“). Doch der po- ge Regierungschef Wolfgang Schüssel gefal- mehr oder weniger hinter den Kulissen – Ver- litische Arbeitsalltag ließ nicht lange auf sich len lassen, ließ er sich doch als Obmann der kehrsminister (SPÖ) und warten, das kurzfristig Vereinende hatte prin- drittstärksten Partei ÖVP von der FPÖ zum Landwirtschaftsminister Josef Pröll (ÖVP) zipiell Trennendes eine Zeit lang übertüncht. Regierungschef küren. Und das, obwohl er als Koordinatoren die Koalition zu retten, den Als es nämlich konkret darum ging, bei ein- noch vor der Wahl gemeint hatte, er werde Streit untereinander und die lähmende schneidenden Maßnahmen der eigenen Wäh- seine ÖVP in die Opposition führen, würde Blockaden zu beenden, was jedoch nicht von lerschaft Treue zu beweisen (und ihr nicht sie hinter SPÖ und FPÖ zu liegen kommen. Erfolg gekrönt war. Faymann und Pröll wehzutun), waren Argumente für das Nach- rückten aus der zweiten Reihe in die erste geben in vielen notwendigen Kompromissen Das Problem »Große Koalition« vor und führten als Bundesparteivorsitzen- dünn gesät. Oft war natürlich der Finanz- Diese Koalition zerbrach nach der Spal- der bzw. Bundesparteiobmann ihre Parteien minister Schuld an Auseinandersetzungen, tung der FPÖ (am Parteitag in Knittelfeld am in den Wahlkampf. Und Beide Parteien scheiterten doch so manche Vorhaben am 7. September 2002) und dem Rücktritt von erhofften sich vom Wähler, durch die Neu- Nein des ÖVP-Obmanns. Da wurden nach Vizekanzlerin -Passer und wahl am 28. September 2008 einen mög- außen hin vielfach diese beiden Funktionen Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Aus der lichst eindeutigen Auftrag für eine Regie- nicht getrennt, jede abgeschmetterte „Budget- folgenden Wahl am 24. November 2002 ging rungsbildung zu erhalten. Doch das Ergebnis begehrlichkeit“ der SPÖ sei dann schnell die ÖVP mit 42,30 Prozent der Stimmen war ernüchternd, die SPÖ verlor 6,08 Pro- nicht fachlich, sondern nur parteipolitisch hervor (die SPÖ erreichte 36,51 Prozent, die zentpunkte die ÖVP verlor 8,35 Prozent- motiviert gewesen. Das führte dazu, daß Fay- FPÖ fiel auf 10,01 Prozent zurück). Die Koa- punkte, während die FPÖ 6,14 Prozentpunk- mann bisweilen offen dafür kritisiert wurde, litionsgespräche mit der SPÖ unter Alfred te zulegte (jeweils im Vergleich zur Wahl er hätte bei den Koalitionsverhandlungen der Gusenbauer scheiterten, Schüssel ging eine 2006). ÖVP einfach zu viele wichtige Ministerien Koalition mit dem BZÖ ein (so nannte sich überlassen. der Teil der abgespaltenen FPÖ unter Her- Echte Gegner statt Mitbewerber bert Haupt und ), die die Le- Das große Dilemma war nun, wie auch Die Krise schweißte zusammen gislaturperiode „durchhielt“. Aus der plan- sonst immer, daß „man“ sich im Wahlkampf Dann erreichte die Wirtschaftskrise auch mäßigen Wahl am 1. Oktober 2006 ging die nichts schenkt. Der politische Mitbewerber, unser Land, es waren schnelle Entscheidun- SPÖ unter mit 35,31 Pro- wie es so schön heißt, ist schlicht und ein- gen vonnöten, wie durch entsprechende Ge- zent – wenn auch nur knapp – wieder als Ge- fach der Gegner: Alle Vorhaben, die sich der genmaßnahmen möglichst Schaden abge- winner hervor und verwies die ÖVP, sie er- jeweils andere auf die Fahnen heftet, sind – wendet werden könnte. Und es sind viele reichte 31,33 Prozent, auf den zweiten Platz. naturgemäß – falsch und dienen nur der Be- Schritte gesetzt worden, die – und das fand Die noch 1999 auf fast 27 Prozent gelegene friedigung der eigenen Klientel. Nur das ei- auch international Bestätigung – zielführend FPÖ fiel auf 11,04 Prozent zurück (das nach gene Konzept ist der einzig wahre Weg, die und erfolgreich waren. Natürlich hatte es der Abspaltung neugegründete BZÖ konnte Probleme des Landes nachhaltig lösen zu auch hier innerkoalitionär heftige Debatten nur knapp 5 Prozent erreichen) und fiel da- können. Und hier setzt das Unausbleibliche über das Wie gegeben, vor allem die Frage, mit für ein Weiterführen der Koalition mit ein: Jede Partei geht davon aus, als Wahlsie- wer schlußendlich wie zur Budgetsanierung der ÖVP aus. Da auch Gusenbauers Ver- ger ihre Ziele zügig umsetzen zu können – beitragen soll, ist bis heute nicht ganz ge- handlungen mit den Grünen unter deren Bun- und verspricht dies auch vor der Wahl. Wenn klärt. Es war klar, daß jeder irgendwie seinen dessprecher Prof. Alexander van der Bellen nun – mangels entsprechender Mehrheit – Beitrag leisten müßte. Jedenfalls hatte Pröll zu keinem Ergebnis führten, entschloß sich die Zusammenarbeit mit einer anderen Partei angekündigt, es würde großes Augenmerk Gusenbauer zu einer Großen Koalition mit zwingend notwendig ist (Minderheitsregie- darauf gelegt werden, möglichst nicht an der der ÖVP unter Schüssel-Nachfolger Wil- rungen haben in unserem Land keine Tradi- Steuerschraube zu drehen und Massensteuern helm Molterer. Diese sollte aber nur bis Mit- tion), können die Wahlversprechen nur mehr zu erhöhen, sondern das Budget wesentlich te 2008 halten, denn andauernder Zwist zwi- dort eingelöst werden, wo es der – ehemali- durch Kürzungen bei den Staatsausgaben ent- schen den beiden Koalitionären führte dazu, ge – Gegner zuläßt. In manchen Bereichen lasten zu wollen. Doch das Festmachen der daß Molterer am 7. Juli wissen ließ, daß „es ist dies möglich, passiert aber in für das Land möglichen Einnahmequellen ließ den Frie- reicht“. Als Grund führte er eine „Führungs- wirklich entscheidenden Fragen eher selten. den zwischen SPÖ und ÖVP schnell verpuf- krise der Regierung“ an, die SPÖ konnte dem Faymann und Pröll sind also nach der fen. Kritik an „Klientelpolitik“ wurde laut, aber nichts abgewinnen: Gusenbauer meinte Wahl eine Koalition eingegangen, wollten – die jeweils eigene Wählerschaft würde be- damals in einer ersten Reaktion, die SPÖ nachdem sie sich zuvor als Koordinatoren wußt geschont, „was man mit uns sicher

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 4 Innenpolitik nicht machen kann“, hieß es dann hier wie Stimmen, „A“ bildet eine Regierung und geben und die hat man als sehr gut in Er- dort. Doch: Was hatten den die beiden kann solange regieren – sprich versuchen, innerung. Was dem Österreicher abzugehen Parteien so schlimmes gemacht? Hatten sie ihre Wahlversprechen einzulösen –, bis bei scheint, ist die Verkündigung eines Bundes- nicht nur versucht, ihre Wahlversprechen einer neuerlichen Wahl das Volk entweder kanzlers, derf eine bestimmte Entscheidung einzulösen? SPÖ und ÖVP weichen (kaum) die Bestätigung für eine weitere Periode gibt getroffen und deren Umsetzung bereits in von dem ab, wofür sie bei den letzten Wah- oder diese verweigert. Das wiederum ver- Auftrag gegeben hat. Davon kann der Chef len Stimmen erhalten hatten. Niemanden setzt Partei „B“ in die Lage, für vier oder einer Koalition nicht einmal träumen. Die überrascht es wirklich, daß sich die SPÖ fünf Jahre zu beweisen, ob das Vertrauen der öffentliche Debatte darüber, ob das künftig nach wie vor in sozialdemokratischen Kern- Wählerschaft berechtigt gewesen ist. doch möglich sein sollte, läuft – ob der ange- inhalten treu bleibt; ebensowenig ist man Wenn man Umfragen Glauben schenken blichen Unzufriedenheit der Bevölkerung. verwundert, daß die ÖVP die wirtschaftspo- darf, dann sind „die Österreicher“ mit der Und es bleibt abzuwarten, wie weit sie Prio- litische Ziele verfolgt. Aber viele sind über- „Performance“ der Koalitionsregierungen im rität im Parlament erlangen und, im Falle rascht, daß diese beiden „Welten“ nicht be- allgemeinen eher bis sehr unzufrieden; im- einer mögliche Änderung, dort auch eine er- reit sind, ihre Grundhaltungen über Bord zu merhin hat es seit dem Kabinett Kreisky IV forderliche Zweidrittelmehrheit erreichen werfen, nur um den Koalitionsfrieden auf- vom 5. Juni 1979 bis 24. Mai 1983 – also seit wird (die ist für Gesetzesänderungen im Ver- rechtzuerhalten. Und auch, wenn es in den 28 Jahren – keine Alleinregierung mehr ge- fassungsrang nötig). Medien dann immer wieder heißt, es gehe wegen des „unsäglichen Blockierens“ sei- tens einer der beiden Koalitionäre in diesem Mehrheits-, Verhältniswahlrecht und min- Land nichts weiter: Weder von der SPÖ, derheitenfreundliches Mehrheitswahlrecht noch von der ÖVP kann allen Ernstes erwar- tet werden, daß sie für die Dauer einer Le- ie klassische Einteilung von Wahl- in Verhältniswahlsystemen gestaltet sich gislaturperiode ihre idiologischen Grundhal- Dsystemen unterscheidet Verhältnis- oft als schwierig, da es kaum stabile Mehr- tungen in der Garderobe abgeben. Also gibt von Mehrheitswahlsystemen. In der Lite- heiten gibt. es zwei naheliegende Möglichkeiten: Ent- ratur werden die beiden Systeme einander weder die beiden bauen auf Harmonie und oft unter Verwendung unterschiedlicher Mehrheitswahlrecht verzichten völlig auf das Herangehen an Vergleichsparameter gegenübergestellt. So Das Mehrheitswahlrecht räumt einer wirklich große Projekte (bzw. „Baustellen“ wird das Verhältniswahlsystem nach sei- Partei im Parlament eine stabile Mehrheit wie etwa die Bundesstaats-, die Heeres-, nem Repräsentationsprinzip – der propor- ein, gleichzeitig muß zumindest eine ande- Steuer-, Gesundheits- und Pensionsreform), tionalen Aufteilung der Mandate –, das re Partei die Oppositionsrolle übernehmen oder sie versuchen – im Angesicht des frü- Mehrheitswahlsystem aber nach seinen und in weiterer Folge einen Machtwechsel her oder später anstehenden Wahltermins – Gestaltungselementen, also etwa der Ent- herbeiführen können. Die bekannteste Aus- ihre Identität zu wahren, wegen derer sie scheidungsregel bestimmt. Definiert man, formung dieses Wahlsystems findet man in wiedergewählt werden wollen. wie der Politologe Dieter Nohlen, beide England und den USA mit dem Mehr- Beide Varianten sind für große politische Systeme unter Betrachtung ihres Reprä- heitswahlrecht in Einmandatswahlkreisen. „Würfe“ kaum geeignet. Dritte Variante wä- sentationsprinzips, gelangt man zu folgen- Das Wahlgebiet wird hierbei in so viele re eine Kleine Koalition, in der, z.B., die den Begriffserklärungen: Wahlkreise eingeteilt, wie Abgeordnete zu SPÖ mit den Grünen oder die ÖVP mit der wählen sind. Gewählt ist der Kandidat, der FPÖ regiert; ersteres aber mit der realen Ein- Verhältniswahlrecht die meisten Stimmen erhalten hat. Neben schränkung, daß die Konstellation Rot-Grün Unter diesem Begriff versteht man die der schon erwähnten relativen Mehrheits- wegen der verhältnismäßig geringen Man- proportionale Abbildung des Wählerver- wahl in Einmandatswahlkreisen und der datszahl der Grünen ein Wahlergebnis der haltens in der Mandatsvergabe. Das Ziel absoluten Mehrheitswahl in Einmandats- SPÖ von etwa 38 bis 40 Prozent erfordern liegt in einer gerechten Aufteilung aller wahlkreisen (Beispiel Frankreich), gibt es würde, was derzeit eher unwahrscheinlich Mandate, der Wählerwille soll sozusagen aber auch noch andere, weitgehend unbe- ist. ÖVP und FPÖ könnten rein rechnerisch im Vertretungskörper gespiegelt werden. kannte Ausformungen des Mehrheitswahl- eher koalieren – fraglich ist, ob die ÖVP das Der größte Vorteil eines Verhältniswahl- rechts wie etwa Prämienwahlsysteme in nach den schmerzlichen Erfahrungen aus systems liegt in der genauen Wiedergabe Italien und in Frankreich (lokale und re- dem Jahr 2000 wieder versuchen will. des Wählerwillens, es ist „gerecht“. Dem- gionale Ebene), bei denen die stärkste gegenüber steht die Gefahr einer Zersplit- Partei eine Prämie an Mandaten erhält, um Problemlöser Mehrheitswahlrecht? terung, jede Partei, die Stimmen erhalten dadurch eine absolute Mandatsmehrheit zu Nun schließt sich hier der Kreis zur den hat, muß auch Mandate erhalten. Dem erreichen. Auf der Grundlage solcher Prä- eingangs angesprochenen Forderungen nach wird meist mit der Festsetzung einer Stim- mienwahlsysteme entwickelte der Grazer grundlegenden Änderungen im bestehenden menhürde entgegengewirkt: Eine Partei Politologe Klaus Poier Idee und Modell Wahlrecht. Denn all die Probleme, die eine muß also eine bestimmte Prozentzahl der des minderheitenfreundlichen Mehrheits- Koalitionsregierung mehr oder weniger läh- abgegebenen Stimmen erreichen um ein wahlrechts. Eine Zusammenfassung fin- men, könnten ausgeschaltet werden, so mei- Mandat zu erhalten. Die Regierungsbildung den Sie über untenstehenden Link >>> nen die Befürworter des sogenannten „Mehr- heitswahlrechts“. Kurz gesagt: Es wird ge- Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Minderheitenfreundliches_Mehrheitswahlrecht wählt, die Partei „A“ erhält die Mehrheit der

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100 DirektmandatarInnen a.D. Franz Vranitzky, begrüßen konnte, wies Wahlrechtsmodell von Klaus Poier, er ist für Österreich? in ihren Einleitungsworten darauf hin, daß Ass.Prof. am Institut für Österreichisches, Die „Initiative Mehrheitswahlrecht und die „Initiative Mehrheitswahlrecht und De- Europäisches und Vergleichendes Öffentli- Demokratiereform“ befaßt sich bereits seit mokratiereform“ bereits eine Reihe von dis- ches Recht, Politikwissenschaft und Verwal- längerem mit der Reform des österreichi- kussionswürdigen Vorschlägen gemacht ha- tungslehre an der Karl-Franzens-Universität schen Wahlrechts. Nun präsentierte der Po- be, die ihrer Ansicht nach auf parlamenari- Graz. Er erläuterte das Motiv, die Dominanz litikwissenschaftler Klaus Poier bei einem schem Boden erörtert werden sollten. So der Parteiapparate bei Entscheidungen über Symposium im Parlament namens der Initia- zeigte Prammer etwa Sympathie für eine die Zusammensetzung des Nationalrats zu tive ein neu ausgearbeitetes Modell, das Stärkung direktdemokratischer Instrumente reduzieren und die Verantwortlichkeit der unter dem Schlagwort „100 Direktmanda- und stellte konkret Überlegungen über die MandatarInnen gegenüber ihren Wählern zu tarInnen für Österreich“ auf eine stärkere Einführung einer elektronischen Bürgerini- stärken. Da die Einführung eines Mehrheits- Persönlichkeitsorientierung der österreichi- tiative in Aussicht. Auch die Bestimmungen wahlrechts „in diesen Tagen“ keine realisti- schen Nationalratswahlordnung setzt und über die Briefwahl müßten überarbeitet wer- sche Chance habe, lege die Initiative „als auch politisch engagierten Menschen außer- den, unterstrich sie. ersten Schritt“ einen Entwurf für eine Wahl- halb der traditionellen Parteien die Chance Bekräftigt wurde von Prammer der Vor- rechtsreform in Richtung stärkere Persönlich- auf ein Nationalratsmandat einräumen soll. schlag, Nationalratswahlen künftig gemein- keitsorientierung vor. Denn dieses ausdrückli- Mit eingeladen zur Veranstaltung hatte Na- sam mit sämtlichen Landtagswahlen an che Ziel sei bei der Wahlrechtsreform 1992, tionalratspräsidentin Barbara Prammer, sie einem „Superwahlsonntag“ abzuhalten, wo- die das Vorzugstimmensystem gebracht hat, machte sich im Sinne des Symposiumtitels bei sie sich, wie sie meinte, alternativ auch klar gescheitert, konstatierte der Politikwis- „Demokratie im Diskurs“ für eine breite par- zwei Wahltermine – versetzte Landtagswah- senschaftler: Die Mandatare fühlten sich wei- lamentarische Debatte über die Vorschläge len nach der halben Legislaturperiode des terhin ihren Parteiapparaten verpflichtet, um der Initiative Mehrheitswahlrecht und De- Nationalrats – vorstellen kann. Daß dieses ihre Chance zu wahren, bei der nächsten Na- mokratiereform und andere Reformanregun- Modell nur funktioniere, wenn eine vorzeiti- tionalratswahl wieder auf einen wählbaren gen stark. ge Auflösung des Nationalrats bzw. eines Platz „auf der Kandidatenliste“ zu kommen. Poier und seine MitstreiterInnen nehmen Landtags nicht bzw. nur unter eingeschränk- Der vorliegende Entwurf bleibt im Rah- in ihrem neuen Modell angesichts mangeln- ten Bedingungen möglich sei, sieht sie dabei men des Verhältniswahlrechts und läßt das der Erfolgsaussichten vorerst einmal von der nicht als Schwächung, sondern, im Gegen- Verhältnis zwischen Stimmen und Mandaten Forderung nach Einführung eines Mehr- teil, sogar als Stärkung des Parlamentaris- ebenso unverändert wie die Wahlkreisglie- heitswahlrechts Abstand und schlagen vor, mus. Schließlich heiße es noch lange nicht, derung. Er bringt aber die Möglichkeit, in in einem ersten Schritt im Rahmen der gel- daß der Nationalrat gescheitert sei, wenn die den 43 Regionalwahlkreisen 100 Manda- tenden Wahlkreiseinteilung und unter Beibe- Regierung scheitere, hielt Prammer vielfach tarInnen direkt zu wählen. Die WählerInnen haltung des Verhältniswahlrechts in den 43 geäußerter Kritik entgegen und verwies auf sollen sich künftig für einen Kandidaten bzw. Regionalwahlkreisen 100 Direktmandate zu ähnliche Regelungen in Norwegen und eine Kandidatin in ihrem Wahlkreis ent- vergeben, und zwar unabhängig davon, ob Schweden. scheiden, ohne daß auf dem Wahlzettel ne- die jeweiligen KandidatInnen einer Partei ben dem Namen eine Parteibezeichnung auf- angehören oder „EinzelkämpferInnen“ sind. Neisser will Diskussion über scheint. Die Verteilung der Mandate wird auf Für eine Einzelkandidatur soll die Unterstüt- Mehrheitswahlrecht weiterführen Grund der Ermittlung der Summe aller Stim- zung durch 1 Prozent der Wahlberechtigten Die Auftaktrede zum Symposium hielt men nach dem d’Hondtschen-System vorge- des jeweiligen Wahlkreises (maximal 500 der Sprecher der Initiative, Heinrich Neisser nommen. Die restlichen 83 Mandate im Na- Personen) ausreichend sein. Damit sollen die (er war von 1994 bis 1999 2. Nationalrats- tionalrat sollen nach dem bisherigen System Wählerinnen und Wähler in die Lage ver- präsident). Er betonte, auch wenn das nun- verteilt und damit die Möglichkeit gewahrt setzt werden, „die besten Köpfe“ zu wählen, mehr vorgelegte Wahlrechtsmodell vorläufig bleiben, Fachleute oder VertreterInnen klei- wie Poier argumentiert. Die übrigen 83 Man- davon Abstand nehme, bleibe es Ziel der ner Gruppen in den Nationalrat zu bringen. date werden gemäß dem Modell wie bisher Initiative, die öffentliche Diskussion über Poier zufolge müßten sich die WählerIn- den kandidierenden Parteien über die Lan- die Einführung eines Mehrheitswahlrechts in nen durch das vorgeschlagene Modell stär- deslisten bzw. die Bundesliste zugewiesen. Österreich weiterzuführen. Zwischen den ker als bisher mit den Personen auseinander- Detailliert Gedanken gemacht hat sich Mitgliedern der Initiative gebe es zwar nicht setzen, die zur Wahl stehen. Es soll zwar die Initiative Mehrheitswahlrecht auch über in allen Punkten Übereinstimmung, es herr- weiterhin Parteilisten mit bis zu 8 Kandida- die konkrete Mandatszuweisung – so könnte sche aber eine sehr starkes Aufeinander-Zu- tInnen pro Partei und Regionalwahlkreis in einem Regionalwahlkreis ein Direktman- bewegen der Meinungen. Obwohl er zuletzt, geben, gleichzeitig soll aber die Kandidatur dat durch eine niedrige Wahlbeteiligung ver- wie er sagte, ablehnende Signale vernahm, von EinzelkandidatInnen ermöglicht wer- loren gehen. Darüber hinaus plädieren Poier hofft Neisser weiter auf die Einsetzung einer den, wobei als Voraussetzung maximal 500 & Co für eine Reform der Briefwahl: alle Enquete-Kommission des Nationalrats, um Unterstützungserklärungen gelten sollen. Stimmen sollten am Wahltag eingetroffen auf parlamentarischer Ebene über eine um- Als Anreiz für eine stärkere Wahlbetei- sein müssen und gleich mit ausgezählt wer- fassende Wahlrechtsreform zu diskutieren. ligung sieht der Entwurf der Initiative vor, den. daß ein Wahlkreis mit geringer Wahlbetei- Die Nationalratspräsidentin, die neben Poier: Neues Modell soll »Wahl der ligung ein Mandat an einen Wahlkreis mit zahlreichen aktiven auch viele ehemalige besten Köpfe« garantieren stärkerer Wahlbeteiligung innerhalb des PolitikerInnen, unter ihnen Bundeskanzler Im Detail präsentiert wurde das neue jeweiligen Bundeslandes verlieren kann.

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Gegenüber dem komplizierten deutschen fluß des einzelnen Wählers auf die Zusam- Ein Mehrheitswahlrecht verlange nach einem System des „Stimmensplittings“, das laut mensetzung des Nationalrates bringen. Verwaltungsapparat, der die Kontinuität Poier große gegenüber kleinen Parteien be- Die 100 direkt gewählten Abgeordneten wahre. In entscheidenden Verwaltungspo- günstige, sei das vorgeschlagene System klar wären nicht nur den Parteien, sondern stär- sitionen müßte diese durch Personen ge- und für die Wähler leicht verständlich. Diese ker auch den WählerInnen ihres Wahlkreises wahrt sein, die sich „gegenüber politischen Reform würde das Wahlrecht stärker perso- gegenüber verantwortlich, sagte Öhlinger, Entscheidungsträgern Objektivität bewahren nalisieren und den Wähler einen Anlaß bie- und sprach in diesem Zusammenhang von können“ – dafür brauche es eine entspre- ten, sich intensiver mit den Persönlichkeiten einem Schritt weg von der derzeit oft kriti- chende rechtliche Absicherung. Beamte, die auseinanderzusetzen, die zur Wahl stehen. sierten „Abstimmungsmaschine“ im Natio- das Staatswohl über alles andere stellen? „So Die Mandatare würden sich stärker für die nalrat hin zum Idealbild der parlamentari- ist es“, so Pröll. Anliegen ihrer Wähler interessieren müssen, schen Demokratie. In der Tageszeitung „Kurier“ hieß es, wenn sie ihre Wiederwahlchancen bei der Nach den Referaten fand eine Podiums- Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hät- nächsten Wahl wahren wollten. Der Vorschlag diskussion statt, die der ehemalige Bundes- te „nichts gegen ein Mehrheitswahlrecht“ in ziele darauf ab, die besten Köpfe in den ratspräsident Herwig Hösele, einer der zentra- Österreich. Es spreche dafür, daß „man ra- Nationalrat zu wählen und die Qualität der len Proponenten der Initiative, moderierte. scher von Ankündigungen zu Entscheidun- politischen Entscheidungen zu verbessern. gen kommt, wenn man alleine das Sagen Mehrheitswahlrecht: hat“. Ebenfalls im „Kurier“ wird Vizekanz- Öhlinger: Keine verfassungsrechtlichen für und wider ler Josef Pröll (ÖVP) zitiert, er halte das Bedenken gegen neues Modell Mehrheitswahlrecht für „überlegenswert“, Der Verfassungsrechtler Prof. Theo Öhlin- In einem Interview mit der Tageszeitung aber erst dann, wenn es „in der Regierung ger, er war Ordinarius für öffentliches Recht „Der Standard“ erklärte Niederösterreichs Stillstand gibt“. an der Universität Wien, beleuchtete das Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), daß Oberösterreichs Landeshauptmann Josef vorgeschlagene Wahlrechtsmodell aus ver- von den Verantwortungsträgern einfach zu Pühringer (ÖVP) erklärte der Tageszeitung fassungsrechtlicher und verfassungspoliti- früh auf die Öffentlichkeitsarbeit geschielt „“, er wolle ernsthaft über ein scher Sicht und qualifizierte den Vorschlag Mehrheitswahlrecht diskutieren, wenn sein insgesamt als „sehr innovativ“. Er schaffe Amtskollege Erwin Pröll diesen Vorschlag die „Quadratur des Kreises“, das Wahlrecht auch in die Landeshauptleute-Konferenz persönlichkeitsorientiert zu gestalten und einbringe. „Ich möchte mich derzeit zwar dennoch im engen Rahmen zu bleiben, den noch nicht festlegen, aber einer ordentlichen die Bundesverfassung für das Wahlrecht vor- Debatte über diese Idee stehe ich offen ge- gibt. Der Vorschlag stehe im Einklang mit genüber“, sagte Pühringer. den Grundprinzipien der Verfassung, seine Einführung mache daher keine obligatori- SPÖ-Vorstoß für Mehrheitswahlrecht sche Volksabstimmung notwendig, sagte Mit einem Vorstoß in Richtung Mehr- Öhlinger, der es aus rechtspolitischer Sicht heitswahlrecht überraschte SPÖ- Bundesge- und zur besseren Information der Bür- schäftsführer Günther Kräuter am 9. Feber gerInnen aber für überlegenswert hielt, über Erwin Pröll in der ATV-Fernsehdiskussion „Am Punkt“ ein neues Wahlrecht nach intensiver öffent- NÖ Landeshauptmann licher Diskussion eine Volksabstimmung Foto: ÖVP / Jakob Glaser durchzuführen. Der Vorschlag wahre die Prinzipien eines werde „und das zu einem Zeitpunkt, wo man freien, persönlichen, gleichen und geheimen sich in Wahrheit selber nicht über Grund- Wahlrechts, schiebe aber der Praxis der satzfragen klar ist. Das ist auch eine Erschei- Parteien, über die Verteilung von Mandaten nung in einer politischen Konstellation, wo erst nach einer Wahl zu entscheiden, einen in einer Koalition zwei Partner ungefähr Riegel vor. gleichauf sind und sich damit dem Zwang Der Entwurf bleibe innerhalb des Ver- ausgesetzt sehen, den anderen in der Öffent- hältniswahlsystems, führte Öhlinger weiters lichkeit zu übertrumpfen.“ Das hält Pröll für aus. Ein Problem könne allenfalls der vorge- eine „sehr gefährliche Entwicklung“. sehene Anreiz für eine höhere Wahlbeteili- Das Mehrheitswahlrecht sei eine Varian- Günther Kräuter gung in den Regionalwahlkreisen sein. Auch te, die in Wahrheit in jede politische Situa- Bundesgeschäftsführer der SPÖ die Möglichkeit, bei geringer Wahlbeteili- tion passen würde. Es habe wie, alles im Foto: SPÖ / Johannes Zinner gung ein Direktmandat in einen anderen Leben, mehrere Seiten. „Die positive Seite Wahlkreis zu verschieben, sei aber mit der ist“, so Pröll gegenüber dem „Standard“, zum Thema „Stillstand in Österreich – Wer Bundesverfassung ohne weiteres vereinbar, „daß klarere Entscheidungsstrukturen ge- steht auf der Bremse?“. Sollte die rot- sofern er mit Zwei-Drittel-Mehrheit im B- schaffen werden“. Allerdings brauche es schwarze Regierung ihre Krise nicht aus VG verankert werde. Der Vorschlag würde einen Ausgleich – ein stabilisierendes Ele- eigener Kraft beenden können, dann müsse eine effektive Personalisierung des parla- ment, das extreme Hakenschläge in der man sich „ein anderes Wahlrecht überlegen – mentarischen Wahlsystems und mehr Ein- staatspolitischen Entwicklung verhindere. ein Mehrheitswahlrecht. Denn dann kann

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 7 Innenpolitik eine Partei entsprechend ihren eigenen großer Sorge um die Demokratie beobachtet. Dem von der Initiative vorgeschlagenen Vorstellungen was umsetzen,“ so Kräuter. Er „Wehret den Anfängen“, schloß Vilimsky. Modell der 100 DirektmandatarInnen auf sei aber optimistisch, daß SPÖ und ÖVP „im BZÖ-Generalsekretär Christian Ebner Regionalwahlkreisebene seien jedoch auch Jahr 2011 und 2012 so manche wirklich lehnte ein Mehrheitswahlrecht kategorisch gravierende Bedenken entgegenzuhalten. große Reform gelingen“ werde und etwa der ab. „Ein solches Wahlrecht ist undemokra- „Auf der Ebene dieser (43) Regional- Streit in der Frage der Wehrpflicht beigelegt tisch und nicht repräsentativ. Die Regie- wahlkreise funktioniert das Wahlrecht nach werden könnte. rungsparteien wollen damit lediglich die auf- dem Mehrheitswahlrecht. Nur eine/r kann grund ihrer schlechten politischen Arbeit ge- gewinnen. Es ist bekannt, daß der Frauen- Die Opposition ist dagegen ringer werdenden Mandate durch den Mehr- anteil in Parlamenten, die nach dem Mehr- Der freiheitliche Generalsekretär, Harald heitswahlrechtstrick wieder ausgleichen und heitswahlrecht zusammengesetzt sind, be- Vilimsky, sagte, undemokratisches Mehr- so ihre Pfründe absichern.“ Ebner erinnerte sonders gering ist“, erklärt Musiol und wei- heitswahlrecht sei keine Lösung der Regie- daran, daß auch im klassischen Mehrheits- ter: „Wenn die RegionalwählerInnen über rungskrise, „abgesehen davon, daß dies ver- wahlrechtsland England derzeit eine Koalition mehr als die Hälfte der Parlamentssitze ent- mutlich ein Schuß ins Knie der im Sinkflug regiert. Kräuter habe in der Analyse zwar scheidet, so besteht die Gefahr, daß Wahl-

Harald Vilimsky Christian Ebner Daniela Musiol Generalsekretär der FPÖ Generalsekretär des BZÖ Verfassungssprecherin der Grünen Foto: FPÖ Foto: BZÖ / Philipp Enders Foto: Parlamentsdirektion / Mike Ranz befindlichen SPÖ werden könnte.“ Wenn die recht, daß die derzeitige SPÖ-ÖVP-Koalition kampf und Politik in hohem Maße auf Be- Regierungsparteien sich gegenseitig blockier- die schlechtest mögliche Regierungsform zirks- bzw. Regionalthemen ausgerichtet ten und sich in ihrer Amtsführung der diver- sei. Aber um dies zu ändern „braucht es werden. Das Parlament muß aber über Bun- sen Ministerien nicht einigen könnten, „dann keine Wahlrechtsänderung, sondern schlicht desgesetze entscheiden.“ Zudem sei es ange- sollten sie sich überlegen, ob sie in der rich- und einfach neue Regierungskoalitionen. sichts der Erfahrungen mit den Vorzugsstim- tigen Koalition sind, so Vilimsky. „Immer, wenn die Oppositionsparteien men die Frage, ob die Regionalkandi- Daß bei einer solchen Konstellation die stärker werden, kommt von SPÖ und ÖVP datInnen in einem Nationalratswahlkampf Regierungsarbeit zum Stillstand komme, sei das Verlangen, durch eine undemokratische wirklich die Chance hätten, von den Wäh- kein Wunder, so Vilimsky, der hier nicht das Wahlrechtsänderung das sinkende Wähler- lerInnen wahrgenommen zu werden. Heil in einer Änderung des Verhältniswahl- vertrauen zu kompensieren. Diese in immer „Um der Politikverdrossenheit der Bür- rechtes hin zu einem Mehrheitswahlrecht kürzeren Abständen von SPÖ und ÖVP gerInnen zu begegnen, sollte jedenfalls auch sieht, sondern in einer Neugestaltung der künstlich entfachte Diskussion ist einmal an eine Stärkung der direktdemokratischen Bundesregierung – mittels Wählerentscheid. mehr ein Eingeständnis mangelnder Lösungs- Instrumente gedacht werden. Den BürgerIn- Eine SPÖ-Alleinregierung, so wie dies kompetenz der Regierungsparteien in allen nen geht es um die Ergebnisse der Politik, Kräuter offenbar vorschwebe, sei jedenfalls Bereichen. Hier wird einfach Machterhalt sie wollen sich nicht nur bei Wahlen einmi- das Schlimmste, was diesem Land passieren über Demokratie und Gerechtigkeit gestellt. schen“, so Musiol. könnte, hätten doch die Genossen bereits Außerdem sind die Chancen, daß SPÖ und heute keine qualifizierten Minister anzubie- ÖVP gemeinsam wieder über eine Zwei- Wien: Rot-Grüne Koalition wird eine ten und müßten derzeit nur die Hälfte der drittelmehrheit im Parlament verfügen, klei- Vier-Parteien-Einigung anstreben Regierungsmannschaft stellen, zeigte Vi- ner als jene, daß Günther Kräuter einen Im Rahmen einer „Aktuellen Stunde“ des limsky auf. Nobelpreis erhält“, betont Ebner. Wiener Landtags erläuterte SP-Klubobmann Sich trotz anhaltender Unfähigkeit den- Die Verfassungssprecherin der Grünen, Rudi Schicker am 27. Jänner die Zielsetzun- noch an der Macht halten zu wollen, indem Daniela Musiol, begrüßt grundsätzlich die gen für die angestrebte Reform des Wiener man einfach das Wahlrecht ändere, zeige von der „Initiative MehrheitsWahlrecht und Wahlrechts: „Wir haben uns im Koalitions- deutlich, was die SPÖ von Demokratie halte, Demokratiereform“ vorgeschlagene Aufwer- pakt dazu verpflichtet ein modernes Wahl- so Vilimsky, der die verstärkten Aktivitäten tung der einzelnen Abgeordneteten: „Das recht zu erarbeiten und klargestellt, welche der SPÖ gegen verfassungsmäßig verankerte stärkt einerseits deren politisches Gewicht Gesichtspunkte dabei zu berücksichtigen Grundsätze wie Neutralität, Wehrpflicht und und andererseits auch die Bindung an die sind. Dazu gehört das Wahlrecht für EU- nun auch noch das Verhältniswahlrecht, mit WählerInnen“. Bürgerinnen und -Bürger nach einer gewis-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 8 Innenpolitik

Rudolf Schicker Dietbert Kowarik Matthias Tschirf Klubobmann der SPÖ Wien Landtagsabgeordneter FPÖ Wien Landtagsabgeordneter ÖVP Wien Foto: SPÖ Wien / http://www.peterrigaud.com Foto: FPÖ Wien Foto: ÖVP Wien sen Aufenthaltsdauer in Wien zu ermögli- tionsbedingung machen sollte.“ Dank der chen. Weiters wollen wir eine verstärkte Parteiführung der Wiener Grünen, die der Aufwertung der persönlichen Komponente SPÖ Wien nun zur erforderlichen Mandats- innerhalb des Verhältniswahlrechts.“ mehrheit geholfen habe, werde die Wahl- Für Schicker würde man damit vor allem rechtsreform jedoch weiterhin nicht umge- dem gesamteuropäischen Trend nachfolgen, setzt. Die Grünen sprächen nur noch von bei dem sich die Wahlgesetze in Richtung einem „modernen Mehrheitswahlrecht“ und einer stärkeren Personalisierung entwickeln. gingen damit vom Grundsatz des gleichen „Wir müssen den Menschen die Möglichkeit Wahlrechts für alle ab. Die SPÖ habe sich geben, ihre Meinung zu verschiedenen Per- von diesem Grundsatz in Wien bereits vor sönlichkeiten innerhalb der Parteien zum Jahrzehnten verabschiedet. Tschirf findet Ausdruck zu bringen. Die Bürgerinnen und dies bedauerlich und verweist Rot-Grün in Bürger sollen wissen wen sie entsenden und diesem Zusammenhang auf die Wahlrechts- an wen sie sich in ihrem Wahlkreis dann David Ellensohn initiativen von in den Jahren Klubobmann der Grünen Wien wenden können.“ Foto: Grüne Wien 1970/71, welche auf Bundesebene heute Abschließend betonte Schicker, daß die noch Gültigkeit hätten und auch auf Wien rot-grüne Koalition selbstverständlich eine Johann Gudenus, sagte, daß die FPÖ für eine anwendbar seien. Vier-Parteien-Einigung bei der Wahlrechts- Änderung des Wahlrechts und eine damit Der Klubobmann der Grünen Wien, reform anstreben werde: „Wir werden uns verbundene Demokratisierung stehe. Sie David Ellensohn, zeigt sich über die Aus- gemeinsam mit unserem Koalitionspartner poche vor allem auf eine Abschaffung der sagen von Tschirf verwundert: „Das Wahl- eine Meinung zu diesem Thema bilden und Briefwahl in der derzeitigen Form, diese sei recht ist ein zu kostbares Gut und eignet sich in weiterer Folge natürlich auch die Op- „extrem überholungsbedürftig“. Weiters nicht für kleinliche Scharmützel, wie sie von position hier mit einbinden. Ich warne aber trete die FPÖ für ein Verhindern des Aus- ÖVP-Gemeinderäten geführt werden.“ Die bereits jetzt sowohl FPÖ als auch ÖVP: Die länderwahlrechts ein. Der SPÖ warf Gude- Aktuelle Stunde habe Gelegenheit gegeben, Reform des Wahlrechts ist eine viel zu ernste nus Verzögerungstaktik, autoritäres Gehabe den Fahrplan zum modernsten Verhältnis- Angelegenheit, als daß man damit polemi- und ein „Spiel auf Zeit“ vor. wahlrecht in Österreich aufzuzeigen. Der siert.“ Der ÖVP-Landtagsabgeordnete Matthias rot-grüne Koalitionsvertrag beinhalte eine Laut SPÖ-LAbg Kurt Stürzenbecher Tschirf sagte, seine Partei weise seit Jahren gemeinsame Arbeitsgruppe zum „Wahlrecht bekenne sich seine Partei zur Wahlrechts- darauf hin, „daß das Wahlrecht in Wien neu“. reform, die auch im Regierungsübereinkom- schlichtweg unfair ist. Die Wiener SPÖ hatte Die Koalition zwischen SPÖ und ÖVP men stehe. Auch das gegenwärtige Wiener seit Jahrzehnten keine absolute Stimmen- habe von 1996 bis 2001 keinen Millimeter Wahlrecht sei ein Verhältniswahlrecht. Die- mehrheit mehr, regierte jedoch bis vor kur- Bewegung in dieser Frage gebracht. „Wir ses werde jetzt weiter verbessert. Es gelte ein zem dank dem Wiener Wahlrecht mit einer wollen über die Themen Briefwahl, Wahl- modernes Verhältniswahlrecht zu schaffen absoluten Mehrheit an Mandaten. Uns war recht für EU-BürgerInnen, Wahlrecht für und die Briefwahl zu reformieren. Wien klar, daß sich, solange die SPÖ in Wien Drittstaatsangehörige und über die Ausge- solle noch demokratischer und attraktiver absolut regieren würde, auch am Wiener staltung eines modernen Verhältniswahl- werden. Wahlrecht nichts ändern wird. Doch nun ste- rechts einen breiten Konsens über die rot- FPÖ-LAbg Dietbert Kowarik erklärte, hen wir vor einer völlig neuen Situation. Die grüne Koalition hinaus erzielen. Wir haben daß man sich zuerst mit dem Gesetzestext Mehrheit der Abgeordneten im Wiener ein modernes Verhältniswahlrecht verspro- auseinandersetzen müsse. Daraus sei deut- Landtag ist für eine Reform des Wahlrechts. chen und wir werden das auch umsetzen. lich ersichtlich, daß stärkere Parteien derzeit Auf Initiative der ÖVP wurde sogar ein ge- Alles andere ist Geplänkel von einer ÖVP, bevorzugt würden und demnach das derzei- meinsamer Notariatsakt von Grünen, FPÖ die nicht gerne an ihre fünfjährige Untätigkeit tige Wahlrecht „ungerecht“ sei. Die FPÖ sei und ÖVP unterzeichnet, der die Reform des von 1996 bis 2001 erinnert wird“, so Ellen- „neugierig“ auf diese Arbeitsgruppe. LAbg Wahlrechts zu einer unumstößlichen Koali- sohn.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 9 Innenpolitik Präsidentenwechsel im Bundesrat Kneifel: Frischer Wind und neues Selbstverständnis für die Länderkammer – Pühringer: Die Bundesländer sind keine Reformverweigerer Alle Fotos: Parlamentsdirektion/cityfoto/Franz Josef Schenk Antrittsrede von Bundesratspräsident Gottfried Kneifel vor dem versammelten Bundesrat im Hohen Haus am Ring

s ist an der Zeit, daß der Bundesrat als und Bundesrat im Europäischen Recht- eine starke Stimme der Regionen Öster- Everlängerter Arm der Länder in der Bun- setzungsprozeß regelt, war ein Gesetzes- reichs sein. desgesetzgebung aus seinem Schattendasein antrag des Bundesrates, der vom Natio- Österreich und die Bundesländer im in- heraustritt und den gesellschaftlichen Wan- nalrat vollinhaltlich übernommen wurde; ternationalen Wettbewerb nach vorne del in der Republik aktiv begleitet“, erklärte Themen behandeln, die die Menschen be- bringen. der Präsident des Bundesrates für das erste rühren und ihnen unter den Nägeln bren- Außerdem möchte der Bundesratspräsi- Halbjahr 2011, der oberösterreichische ÖVP- nen; dent auch den Bericht des Österreich- Mandatar Gottfried Kneifel, am 3. Feber in den Nutzen unserer parlamentarischen Konvents in Verhandlung nehmen und als seiner Antrittsrede zu Beginn der Plenarsit- Arbeit jederzeit öffentlich darstellen; Bundesrat auch Empfehlungen an die Bun- zung. „Es geht mir um ein neues Selbstver- alle Möglichkeiten der Geschäftsordnung desregierung weiterleiten. „Die Arbeit des ständnis für den Bundesrat. Wir brauchen ausschöpfen, um die Regierung zum Konvents darf nicht vergebens gewesen frischen Wind in der Länderkammer und dür- Handeln zu bewegen; sein.“ fen uns nicht darauf beschränken, die Wind- beweisen, daß die Länder nicht verwei- Als Präsident des Bundesrates will Knei- stille zu verwalten“, so Kneifel. Für ihn be- gern oder blockieren; fel darüberhinaus die regionale Europapo- deute das neue Selbstverständnis des Bun- ideenreich und engagiert für intelligenten litik für die Menschen sichtbar machen, den desrates: Föderalismus eintreten und mit kreativen Nutzen für die Regionen darstellen und die selbständige Gesetzesanträge stellen; das Lösungen Menschen im gesellschaft- Netzwerke der Europapolitik stärken. Dazu hat der Bundesrat bereits im Vorjahr be- lichen Wandel begleiten; standen einige Veranstaltungen fest: wiesen: Die bisher weitestreichende Ver- von einer Einspruchskammer zu einer Bereits für die folgende Woche stand ein fassungsreform der Zweiten Republik, Zuspruchskammer bzw. Ermutigungs- Besuch des deutschen Bundesrates in die die Mitbestimmung von National- kammer werden; Berlin und Düsseldorf auf dem Plan.

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Am 17. und 18. Februar fand ein Dreilän- dertreffen zur Vorbereitung der „Europa- region Donau-Moldau“ am Hochficht, Bezirk Rohrbach, im Dreiländereck Ös- terreich, Tschechien und Deutschland- Bayern statt. Am 24. März gibt es im Parlament eine Donau-Konferenz samt Präsentation der österreichischen Donauhäfen: „Die Do- nauraumstrategie muß sichtbar gemacht werden“, so Kneifel. Am europaweiten Europatag am 9. Mai wird eine Europakonferenz des Bundes- rates in abgehalten. Dabei wirde es nicht nur um eine aktuelle Themenvor- schau in der Europapolitik gehen, son- dern um eine bessere Verbindung und Vernetzung zwischen den EU-Ausschüs- sen der Landtage mit dem Bundesrat,

kündigte Kneifel an. Foto: Josef Saller - Schriftführer, Gottfried Kneifel – Bundesratspräsident am Rednerpult Pühringer: Die Bundesländer und Bundesratsdirektorin Dr.in Susanne Bachmann sind keine Reformverweigerer weis auf den Kölner Staatsrechtler Klaus ebene umsetzen. Ein Wettbewerb zwischen Im Anschluß an die Antrittsrede des neuen Stern. Es gelte deshalb das relativ Beste zu den Ländern könne durchaus innovationsför- Bundesratspräsidenten nahm der derzeitige erreichen. Das föderale Gefüge sei keine dernd sein, dürfe aber, wie Pühringer aus- Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz, leblose Maschine, sondern erwachse aus Zu- führte, nicht zu einem Weniger an Solidarität Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Püh- sammengehörigkeitsgefühl, Vertrauen, Soli- führen. ringer, die Gelegenheit wahr, in der Länder- darität und gegenseitigem Verständnis. Es kammer über die Situation des Föderalismus gehe um gelebte politische Kultur, unter- Das föderale System in Österreich zu sprechen. Für ihn stand da- strich Pühringer. Der Österreich-Konvent erweist sich als effizient bei außer Frage, daß die Bundesländer weder habe viele wichtige Vorschläge erarbeitet, Als Stärke des föderalen Systems bezeich- Reformverweigerer noch -blockierer sind: die Menschen erwarteten nun von der nete es der Redner auch, daß in den Bun- Sie hätten vielmehr großes Interesse an einer Politik, daß sie die Reformen auch in Angriff desländern öffentliche Leistungen kosten- Modernisierung der bundestaatlichen Ord- nehme. günstiger und an die örtlichen Bedingungen nung. angepaßt erbracht werden können. Das sei Für Pühringer steht deshalb fest, daß es Föderalismus gewährleistet Bürger- laut internationaler Studien auch der Grund gemeinsames Ziel sein muß, die Handlungs- nähe, Wettbewerb und Entwicklung dafür, daß dezentral organisierte Staaten ge- und Entscheidungsfähigkeit von Bund und Man dürfe auch nicht vergessen, daß Fö- ringere Steuerleistungen von ihren BürgerIn- Ländern zu stärken, die politische Verant- deralismus spezifische Vorteile mit sich nen verlangen müßten als zentralistisch wortlichkeit deutlicher zuzuordnen und eine bringe, etwa mehr Bürgernähe. Alle Umfra- organisierte. Die Effizienz der föderalen zweckmäßige, effiziente Aufgabenerfüllung gen zeigten, daß sich die ÖsterreicherInnen Strukturen Österreichs stand für Pühringer aller Gebietskörperschaften sicher zu stellen. am stärksten mit ihren Gemeinden identifi- außer Frage. Nach hinten zu blicken und zu erläutern, wer zieren. An zweiter Stelle rangierten die Bun- Kostengünstigere Lösungen seien dabei die Schuld an der Entstehung des verzerrten desländer. Das Prinzip der Subsidiarität keineswegs schlechtere, hielt der Redner Bilds der Länder und des Föderalismus tra- müsse „Richtschnur“ jeglichen staatlichen fest, sondern in aller Regel sogar flexiblere. ge, bringe nichts. Ihm gehe es vielmehr dar- Handelns bleiben, zeigte sich Pühringer Insbesondere im Krisenfall wäre regional um, auszuloten, was moderne Bundesstaat- überzeugt. Dieses sichere schließlich auch angepasstes Handeln leichter möglich, gab lichkeit im 21. Jahrhundert auszeichne. schwächeren Regionen die Chance, auf- Pühringer zu bedenken. schließen zu können. Föderalismus sei Bund und Länder müssen schließlich nie ein Wettbewerb der Stärkeren Föderale Zuständigkeitsordnung sich auf Augenhöhe begegnen gegen die Schwächeren, sondern ein Wett- ist kein Selbstzweck Pühringer gab in diesem Zusammenhang kampf um die besseren Ideen. Die föderale Zuständigkeitsordnung sei zu bedenken, daß die Länder keine nachge- Als dynamisches System fördere die kein Selbstzweck, konstatierte der Redner, ordneten Organe des Bundes sind. Bund und Bundesstaatlichkeit aber auch Innovationen, sondern vielmehr Teil der gesellschaftlichen Länder müßten sich vielmehr auf Augen- hielt Pühringer fest. Die Länder bieten hier Selbstorganisation. Die Bundesländer wären höhe treffen und benötigten das richtige einen guten Ausgangspunkt für Reformver- deshalb auch bereit, in den politischen Re- Augenmaß im Umgang miteinander. Eine suche: Sollte ein solcher scheitern, fielen die formprozeß offensiv einzusteigen. alle zufriedenstellende Föderativ-Verfassung Kosten dafür geringer aus, habe man Erfolg, Kritik übte Pühringer daran, daß die Län- werde es nie geben, sagte Pühringer mit Ver- könne man Neuerungen auch auf Bundes- der seit dem Beitritt zur Europäischen Union

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sich für den Erhalt der allgemeinen Wehr- pflicht einzusetzen. Bundesrätin Elisabeth Kerschbaum (Grü- ne) sagte, der Organisation des Föderalismus in Österreich fehle es leider oft an Plan- mäßigkeit und Zielgerichtetheit. Das habe sich etwa am Klimaschutzgesetz gezeigt, über das seit sechs Jahren ergebnislos verhandelt werde. Ähnlich sei es beim Thema des öf- fentlichen Verkehrs. Im Rahmen des Finanz- ausgleichs sollte auch klarer geregelt wer- den, wofür die Länder Geld erhalten und wie sie es einzusetzen haben. Föderalismus dürfe keine Vorwand für Untätigkeit sein. Kersch- baum kritisierte zudem, daß es in den Land- tagen und im Bundesrat nur schwach ausge- bildete Oppositionsrechte gibt. Auf Landes- ebene bestehe eine zu starke Machtfülle der Foto: Landeshauptleute, was dazu führe, daß die Ein seltenes Bild: Eine Oberösterreicherin, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, und drei Oberösterreicher an der Spitze der Republik und des Landes: Ländervertretung zu stark von parteipoliti- anläßlich der Vorsitzübernahme des Landes OÖ von Bundesratspräsident Gottfried schen Interessen bestimmt werde, meinte Kneifel (2.v.l.) und Landeshauptmann Josef Pühringer (r.) und OÖ Landtagspräsi- Kerschbaum. dent Friedrich Bernhofermit (l.) im Parlament in Wien. Landeshauptmann Josef Pühringer ging 1995 kaum weitere Kompetenzen erhalten Eine effiziente Verwaltung sorge dafür, daß auf die Wortmeldungen der BundesrätInnen haben. Sie wären jedoch bereit, zusätzliche das Land auch als attraktiver Wirtschafts- ein. Bundesrätin Kerschbaum verwies er auf Aufgaben im Sinne eines föderativen Bun- standort wahrgenommen werde, lobte Win- die Bundesverfassung, durch die klar gere- desstaats zu übernehmen. Niemand habe zig. gelt sei, daß die Landeshauptleute ihr jewei- sich aber jemals dafür ausgesprochen, Ange- Bundesrat Johann Kraml (SPÖ) themati- liges Bundesland nach außen zu vertreten legenheiten, etwa im Bildungs- oder Sicher- sierte die Dauer einer Bundesratspräsident- haben. Sie wären für alle BürgerInnen da heitsbereich, die eindeutig dem Bund zuzu- schaft. Ein halbes Jahr sei sicher zu kurz, um und nicht nur für ihre Partei. Die Zweck- ordnen sind, an die Länder zu übertragen. Reformen durchzuführen, hier sollte man bindung von Geldern sei im Finanzausgleich Man pflege keinen „Kantönligeist“, stellte sich eine Änderung überlegen. Der Födera- sehr wohl gegeben. Was den öffentlichen Pühringer klar. lismus als einer der Grundpfeiler des Staates Verkehr anbelange, so wäre er mit Freuden Anzugehen gelte es unter anderem Fra- bedürfe zweifellos einer Modernisierung. Das bereit, gewisse Kompetenzen wieder an den gen der Pflegefinanzierung und der Schul- sei aber auch eine Kostenfrage. In den letz- Bund abzutreten. Man müsse sich fragen, reform. Wo kein „großer Wurf“ gelungen ten Jahren wären den Gemeinden für Pflege- warum etwa die ÖBB im Bundesbesitz sein sei, wolle man versuchen, zumindest in klei- leistungen und den Erhalt von Krankenan- müssten, wenn diese beispielsweise die Ver- neren Bereichen Fortschritte zu erzielen. Bei stalten immer höhere Kosten aufgebürdet bindung zwischen Wien und Graz wie eine allen Reformprozessen gelte es, Denkver- worden, was ihre Finanzen belaste. Es sei unbedeutende Regionalverbindung behan- bote aufzuheben und sicherzustellen, daß wichtig zu betonen, daß die Bundesländer delten und für ihre Aufrechterhaltung sogar Aufgaben und Ausgaben stets an einen keine Reformverweigerer sind, gerade in der einen Länderbeitrag einforderten. Träger gebunden bleiben. Den BürgerInnen Neuverhandlung des Stabilitätspaktes gebe In der Pflegefinanzierung lasse man die sei es letztlich egal, in welchem Topf die es für sie wichtige Aufgaben. Es müsse eine Gemeinden nicht allein, hielt Pühringer in Steuermittel landen, sie erwarteten sich aber, tragfähige Grundlage für die Arbeit des Bun- Richtung Bundesrat Kraml fest. Eine Lö- daß ihre Beiträge für zukunftsfähige Lösun- desrats geschaffen werden. Nur so könne man sung müsse aber alle Gebietskörperschaften gen eingesetzt werden. Stimmen, die seine Abschaffung fordern, et- einbeziehen. Tatsache sei, daß zwei Drittel was entgegensetzen, meinte Kraml. der Kosten heute von Ländern und Gemein- BundesrätInnen diskutieren Bundesrat Hermann Brückl (FPÖ) nahm den getragen werden. Der Bundesrat sei als Föderalismus-Reform in seinem Debattenbeitrag ebenfalls auf das „föderales Gewissen“ notwendig: Pühringer Bundesrätin Angelika Winzig (ÖVP) un- Thema Reformen Bezug. Die Bevölkerung kann sich deshalb eine Ausweitung des abso- terstrich eingangs ihres Debattenbeitrags, erwarte sich in vielen Bereichen Neuerun- luten Vetorechts des Bundesrats auf alle Ver- Föderalismus sei kein Luxus, sondern ein gen, er persönlich bezweifle aber, daß tat- fassungsgesetze und alle einfachen Gesetze, Garant für die Stabilität der Regionen. Am sächlicher Reformwille vorhanden sei: Die- die Länderrechte und -aufgaben betreffen, Beispiel Oberösterreichs habe sich gezeigt, ser ende sehr oft dort, wo es um konkrete sehr gut vorstellen. Er verschließe sich auch daß gerade kleinere Einheiten oft rascher Einsparungen gehe. Hier sei jeder in seinem nicht gegenüber Einsparungsvorschlägen, und effizienter reagieren könnten. In der eigenen Wirkungsbereich gefragt. Brückl hielt der Redner in Richtung Bundesrat Finanz- und Wirtschaftskrise sei es gelun- forderte Landeshauptmann Pühringer auf, Brückl fest. Er persönlich sei aber gegen gen, auf regionaler Ebene schnell und wirk- als Vorsitzender der Landeshauptleutekonfe- Maßnahmen, die nur eine sinnlose Zentra- sam auf die Herausforderungen zu reagieren. renz seinen Einfluß geltend zu machen und lisierung bedeuten würden.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 12 Innenpolitik »Rot-Weiß-Rot-Karte« Der Ministerrat hat am 22. Feber beschlossen, die Zuwanderung nach Österreich auf eine systematische Basis zu stellen.

it der ,Rot-Weiß-Rot-Karte‘ wird ein gibt es zudem auch für nachziehende Fami- mehr Punkte sind möglich“, bekräftigt Mit- Mneues, kriteriengeleitetes Zuwande- lienangehörige, sofern diese Deutsch können terlehner. „Durch transparente Kriterien er- rungssystem für qualifizierte Arbeitskräfte und für Personen mit besonderem Schutz, leichtern wir genau jenen hoch qualifizierten auf Basis eines Punktesystems eingeführt“, wie z.B. Opfer von Menschenhandel und Menschen, die wir am dringendsten brau- so Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) familiärer Gewalt. chen, den Zugang zum Arbeitsmarkt.“ nach dem Ministerrat am 22. Feber. Sie „Mit der Einführung sind auch scharfe Attraktive Signale sendet die „Rot-Weiß- schließt Lücken auf dem heimischen Arbeits- Sanktionen für illegale Beschäftigung verbun- Rot-Karte“ vor allem an das international um- markt in Bereichen, wo Hochqualifizierte, den. Wer illegal Ausländer beschäftigt wird worbene Top-Level an Zuwanderern – wie Schlüsselkräfte und Arbeitskräfte in Man- künftig mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft“, zum Beispiel Spitzenforscher und Manager: gelberufen fehlen. erläutert Hundstorfer die mit der Einführung Als Kriterien für deren Arbeitsmarkt-Zugang der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ verbundenen Be- gelten ab Juli 2011 unter anderem eine sehr Hundstorfer: Klare Regeln für stimmungen. Zudem werden Betriebe, die il- hohe Qualifikation, eine gehobene Manage- qualifizierte Zuwanderung legal Menschen beschäftigen von öffentlichen mentposition oder eine Innovationstätigkeit. „Österreich braucht qualifizierte Zuwan- Förderungen ausgeschlossen. „Die neuen Re- Wenn damit im neuen Kriterienkatalog 70 derer, wobei der in Österreich lebende Ar- gelungen sind ein guter Mix aus einer Attrak- von 100 Punkten erreicht werden, kann diese beitnehmer Vorrang hat“, so Hundstorfer. tivierung für Hochqualifizierte und scharfen Gruppe auch ohne Arbeitsplatzangebot im Ziel des neuen Zuwanderungssystems sei es, Restriktionen bei illegaler Beschäftigung“, Rahmen eines „Job-Seeker-Visums“ für ein die Anwerbung für den Arbeitsmarkt not- so der Sozialminister abschließend. Zeitfenster von sechs Monaten nach Öster- wendiger qualifizierter Arbeitskräfte aus reich einreisen. „Damit setzen wir ein klares Drittstaaten zu erleichtern und den Beschäf- Mitterlehner: Aufwertung Signal, um diese besonders gefragten und tigungsstandort Österreich attraktiver zu des Standorts Österreich mobilen Menschen nach Österreich zu machen. „Ziel der Karte sind bessere Qua- Wirtschaftsminister Reinhold Mitterleh- holen“, so Mitterlehner. lifikation der Zuwandernden, höheres Wirt- ner sieht die „Rot-Weiß-Rot-Karte“ als Künftig können Betriebe auch Fachkräfte schaftswachstum und raschere Integration“, wichtige Aufwertung des Standorts Öster- mit mittlerer Qualifikation leichter anwer- so Hundstorfer. reich: „Angesichts des demographischen ben, wenn sie einen Beruf ausüben, der in „Österreich kann im globalen Wettbe- Wandels ist eine qualifizierte und bedarfs- Österreich stark nachgefragt wird und nicht werb um die besten Köpfe besser bestehen“, orientierte Zuwanderung wichtiger denn je. durch Inländer abgedeckt werden kann. Für so Hundstorfer. Wer in Österreich ein Stu- So können unsere Unternehmen gezielt mehr Facharbeiter in Mangelberufen (derzeit wä- dium absolviert hat, kann künftig in Öster- Fachkräfte anwerben und sind im internatio- ren dies z.B. Schweißer, Elektriker, Dach- reich arbeiten, wenn er oder sie eine dem nalen Kampf um die besten Köpfe noch kon- decker) sowie sonstige Schlüsselkräfte gel- Ausbildungsniveau entsprechende Beschäf- kurrenzfähiger“, so Mitterlehner. „Durch die ten neben Kriterien wie Berufserfahrung, tigung mit einem Gehalt von mindestens ,Rot-Weiß-Rot-Karte‘ schaffen wir langfri- Sprachkenntnissen und Alter bestimmte Ver- 1900 Euro findet. stig mehr Wachstum und Arbeitsplätze in dienstgrenzen: Für Mangelberufe genügt der „Verbesserungen, was den Zugang zum Österreich. Interkulturelle Kompetenzen jeweilige Kollektivvertrag bzw. die betriebs- Arbeitsmarkt betrifft, gibt es auch für aus- machen unsere Unternehmen wettbewerbs- übliche Bezahlung, für sonstige Schlüssel- ländische StudentInnen. Sie können neben fähiger und forcieren die Eroberung neuer kräfte ist ein Mindestentgelt von 60 Prozent der Theorie an der Uni nun auch die für Märkte“, so Mitterlehner. der aktuellen Höchstbeitragsgrundlage (das einen Einstieg in den Arbeitsmarkt unab- Gleichzeitig begrüßt Mitterlehner die sind derzeit 2520 Euro) vorgesehen. Für jun- dingbaren Praxiserfahrungen leichter sam- heute beschlossenen Maßnahmen gegen ge Zuwanderer unter 30 reichen 50 Prozent meln. Es gibt für ausländische StudentInnen Lohn- und Sozialdumping. „Auf Basis der der Höchstbeitragsgrundlage (2100 Euro). nun die Möglichkeit bis zu 10 Stunden in der Sozialpartner-Vorschläge können wir auch Die neuen Regelungen gelten für Schlüs- Woche zu arbeiten, im 2. Studienabschnitt nach der Arbeitsmarkt-Öffnung am 1. Mai selkräfte, die ein Ersatzkraftverfahren durch- oder bei Bachelorabschluß sind es 20 Wo- einen fairen Wettbewerb zwischen den laufen, schon ab 1. Juli 2011. Für Fachkräfte chenstunden“, erläutert Hundstorfer. Unternehmen sichern“, erklärt Mitterlehner. in Mangelberufen wird die erste Mangel- Mit der Einführung der „Rot-Weiß-Rot Über die neue „Rot-Weiß-Rot-Karte“ wird berufs-Verordnung am 1. Mai 2012 in Kraft Karte“ ist auch eine Neuregelung der Saiso- die Zuwanderung nach Österreich auf eine treten. Bis dahin wird sich zeigen, in welchen niers verbunden. Für „Stamm-Saisoniers“, systematische Basis gestellt und kann besser Berufen auch nach der diesjährigen Arbeits- die zwischen 2006 und 2010 in Österreich gesteuert werden. „Wir schaffen ein flexibles markt-Öffnung (mit 1. Mai 2011) weiterhin alljährlich tätig waren, gibt es künftig Er- Punktesystem für drei Gruppen von Zu- ein Mangel besteht. leichterungen, während die Zahl der norma- wanderern aus Drittstaaten, um den Bedarf Erleichterungen gibt es auch für Univer- len Saisonarbeitskräfte stark verringert wird. der Wirtschaft in alle Richtungen abdecken sitäts-Absolventen aus Drittstaaten (also Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang zu können. Je mehr Qualifikationen, desto Nicht-EU-Staaten sowie bis Ende 2013 Ru-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 13 Innenpolitik mänien und Bulgarien), die in Österreich Schon heute habe Österreich das Pro- er überhaupt noch Interesse an einem studiert haben: „Wir wollen diese Studenten blem, daß in den Ballungszentren aufgrund Aufenthalt in Österreich hat. Wenn der nicht mehr nur für viel Geld ausbilden und der Mehrheit von Kindern mit nichtdeut- Asylwerber sich nicht an die Regel hält, muß sie nach ihrem Abschluß sofort nach Hause scher Muttersprache der Unterricht zum auch der Asylantrag automatisch erlöschen. schicken, sondern möchten ihr Potenzial Problem werde. Die Arbeitslosenquote sei Denn auch bei jedem Förderansuchen eines stärker nützen“, erläutert Mitterlehner. Aus- zudem derart hoch, daß auch aus diesem Österreichers muß der Antragsteller bis zu ländische Studenten, die ihr Studium in Aspekt keine Zuwanderung möglich sei. einer positiven oder negativen Entscheidung Österreich absolviert haben, erhalten ab Juli Und schließlich seien die österreichischen vor Ort sein“, schloß Bucher. 2011 eine „Rot-Weiß-Rot-Karte“, wenn sie Kassen und Systeme derart angespannt, daß ein adäquates Jobangebot mit einer Bezah- auch eine weitere Negativbelastung des So- Korun: Deckmäntelchen zum Abwälzen lung von mindestens 45 Prozent der Höchst- zial-, Gesundheits- und Pensionswesens von Kosten für Deutsch-Kurse beitragsgrundlage (rund 1900 Euro) vorwei- nicht verkraftet werden könne. Statt einer „Die sogenannte ,Rot-Weiß-Rot Karte‘, sen können. Bisher durfte diese Gruppe nur „Rot-Weiß-Rot-Karte“ der weiteren Massen- die die Arbeitsmigration von Nicht-EU-Bür- über die Schlüsselkraftregelung in den Ar- zuwanderung solle besser eine Rot-Weiß- gerInnen regeln soll, sieht“, so die Men- beitsmarkt einsteigen. Das dort vorgesehene Rot-Politik erfolgen. Dies bedeute in erster schenrechtssprecherin der Grünen, Alev Mindestentgelt von 2520 Euro war aber für Linie Zuwanderungsstopp sowie Vorrang für Korun, „selbst innerhalb der Hochqualifi- Jungakademiker zu hoch angesetzt. österreichische Arbeitskräfte am österreichi- zierten eine Ungleichbehandlung – sozusa- Die Opposition kann der „Rot-Weiß-Rot- schen Arbeitsmarkt, so Vilimsky. gen zwei Klassen – vor, wobei man die Karte“ nichts abgewinnen: ,zweite Klasse‘ der Qualifizierten über den Bucher: Dieser rot-schwarze Familienzuzug schikaniert.“ Vilimsky: Es wird zum Fleckerlteppich ist nicht akzeptabel Die Familienangehörigen der „zweiten Mißbrauch eingeladen Als „dilettantisch vorbereitet und umge- Klasse“ müßen nämlich, im Unterschied zu Der Bevölkerung werde bloß Sand in die setzt sowie großen Reinfall“ bezeichnete denen der „ersten Klasse“, vor der Einreise Augen gestreut, stellte FPÖ-Generalsekretär BZÖ-Bündnisobmann Klubobmann Josef eine Deutschprüfung machen. Wenn sie die Harald Vilimsky fest. Bis 2030 sei mit min- Bucher die „Rot-Weiß-Rot-Karte“. „Es gibt Kosten dafür nicht aufbringen können oder destens 100.000 Neuzuwanderern zu rech- dafür keinerlei budgetäre Bedeckung, der die Prüfung nicht bestehen, werde ihnen die nen, der Familiennachzug sei dabei noch Verwaltungsaufwand ist enorm hoch und es Familienzusammenführung verwehrt, d.h. nicht einmal berücksichtigt. Faktum sei, daß wird lediglich der Zuzug von Schlüsselar- ihre Kinder, ihre Frau, ihr Mann dürfen nicht auch mit der „Rot-Weiß-Rot-Karte“ ver- beitskräften geregelt, nicht aber die sonstige nachkommen. „Diese Regelung wird viele mehrte Massenzuwanderung aus Drittstaa- Zuwanderung. Dieser rot-schwarze Fleckerl- Familien zerrütten und an den Rand ihrer ten erfolgen werde. Aufgrund ihrer Durch- teppich ist nicht akzeptabel“, kritisierte psychischen und finanziellen Möglichkeiten lässigkeit handle es sich um eine Einwande- Bucher. bringen. Eine dauerhafte Trennung und rungskarte in unser Sozialsystem, die zum „Gerade vor dem Hintergrund der begin- außerdem so willkürliche von Familien ver- Mißbrauch regelrecht einlade. Anstatt weite- nenden Asyl- und Zuwanderungsströme aus letzt das Recht auf Privat- und Familien- re Zuwanderung auf unseren Arbeitsmarkt dem arabischen Raum und der EU-Ar- leben.“ und in unser Sozialsystem zu forcieren, müs- beitsmarktöffnung im Mai braucht Öster- Zahlreiche Verschärfungen im Rahmen sten die innerösterreichischen Probleme reich eine durchgängige Ausländerpolitik der sogenannten „Integrationsvereinbarung“ gelöst werden, so Vilimsky, der sich erneut aus einem Guß. Wir müssen verhindern, daß hinsichtlich der Deutschkurspflicht würden für einen Zuwanderungsstopp aussprach. der Brenner ein zweites Lampedusa wird.“ eingeführt – ohne Evaluierung der bisher Dies alles sei vor dem Hintergrund der Bucher verwies in diesem Zusammenhang bestehenden Deutschkurse, bei denen es gra- Öffnung des Arbeitsmarktes für die neuen auf das Ausländer-Check-Modell des BZÖ, vierende Mängel gibt! EU-Länder ab 1. Mai 2011 zu sehen, welche das eine klare und einheitliche Regelung „Unter dem Deckmäntelchen der ,Rot- Österreich zusätzlich extrem belasten werde. vorsieht: „Es sollen nur Schlüsselarbeits- Weiß-Rot-Karte‘ werden die Kurskosten für Eine Verschiebung der Öffnung des Arbeits- kräfte zuwandern können, für die ein Bedarf Grundkenntnisse Deutsch durch das ominö- marktes bis zu einem Zeitpunkt, wo Lohn- besteht, die Sprachkenntnisse und eine abge- se ,Deutsch vor Zuzug‘ auf die einzelnen niveau und Wirtschaftskraft in den neuen schlossene Ausbildung vorweisen können abgewälzt, die nun in ihrem Heimatland – EU-Ländern zumindest annähernd das öster- sowie ein gesichertes Einkommen haben und und sei es die Sahara oder der Kongo, wo es reichische Niveau erreicht haben, sei die ein- unbescholten sind. Wir können von den keinerlei ,Goethe Institut‘ gibt – zuerst eine zig effektive Schutzmaßnahme, gegen die Guten nur die Besten brauchen. Damit soll Prüfung über Deutsch auf A1 Niveau abge- Bedrohungen des heimischen Arbeitsmark- eine Einwanderung in den Sozialstaat ver- legt haben müssen, um einreisen zu dürfen“, tes durch billige Arbeitskräfte. Österreich hindert werden“, forderte Bucher, der wei- so Korun. Das bedeute den gezielten Aus- habe einen Mangel an Arbeitsplätzen nicht ters eine Mitwirkungspflicht von allen Asyl- schluß von finanzschwächeren und „bildungs- an Arbeitskräften. Arbeitnehmer sollen nur antragsstellern bis zum Endes des Verfah- fernen“ Personen/Schichten, die es sich nicht dann zuwandern dürfen, wenn es tatsächlich rens verlangte. „Es geht nicht darum, wie leisten könnten monatelang in die Haupt- keinen für die benötigte Arbeit qualifizierten viele Tage jemand eine Anwesenheitspflicht stadt zu pendeln und dort teuren Privat- Österreicher (oder EU-Bürger) gibt. Das hat. Jeder, der in Österreich bleiben möchte, unterricht zu nehmen. Ausgenommen von jetzt präsentierte System wird hingegen die muß immer für die Behörden erreichbar sein dieser Pflicht sind Familienangehörige von Zuwanderung aus Drittstaaten im Interesse und an seinem Verfahren aktiv mitwirken, besonders Hochqualifizierten und von Blue- der Großkonzerne fördern. bis das Verfahren abgeschlossen ist, und ob Card Inhabern.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 14 Innenpolitik Guter Start für den Arbeitsmarkt Sozialminister Rudolf Hundstorfer: Stärkster Rückgang der Arbeitslosigkeit seit Beginn der Krise – Wirtschaftsminister Reinhold Miterlehner: Bestätigung dafür, daß in der Krise die richtigen Maßnahmen gesetzt wurden

ie Arbeitsmarktdaten sind die ersten va- 6,4 Prozent. Auch Handel, Tourismus und Unternehmen und ihrer Beschäftigten unter- Dliden Wirtschaftsdaten des neuen Jahres Arbeitskräfteüberlassung verzeichnen nach streicht. Da die Betriebe in der Krise sich und sie zeigen, daß die österreichische Wirt- wie vor sinkende Arbeitslosigkeit. Der ver- strategisch gut positioniert haben, werden schaft unter Volldampf ins neue Jahr geht“, stärkte Andrang von Arbeitskräften in den sie nun mit steigenden Aufträgen belohnt. sagte Sozialminister Rudolf Hundstorfer zu Zukunftsbranchen Gesundheits- und Sozial- Mitterlehner: „Wir haben dafür mit den Kon- den Arbeitsmarktdaten für den Monat Jän- wesen läßt dort die Arbeitslosigkeit von nie- junkturpaketen und unserem Kurzarbeitsmo- ner. Denn die Arbeitslosigkeit gehe gegen- drigem Niveau aus leicht ansteigen. dell die richtigen Rahmenbedingungen ge- über dem Vorjahr um 14.067 Personen zu- „Die intensiven Vermittlungsbemühun- schaffen.“ rück und auch die Zahl der Schulungsteil- gen des AMS und die aktive Arbeitsmarkt- nehmer verringerte sich um 9.854. Zusam- politik helfen gerade die Arbeitslosigkeit von Kickl: Arbeitsmarkt derzeit nicht für mengezählt ergebe sich ein Minus von Menschen mit besonderen Schwierigkeiten Ende der Übergangsfristen gerüstet! 23.921 Personen, „daß ist der stärkste Rück- am Arbeitsmarkt zu senken: so sinkt die „Mehr Arbeitslose als im Dezember 2010 gang seit Beginn der Wirtschaftskrise“, un- Arbeitslosigkeit von behinderten Menschen sowie mit derzeit 69.187 Personen gleichzei- terstrich der Sozialminister. Mit 102.594 hat um 5,3 Prozent und die Langzeitarbeitslo- tig ein deutlicher Anstieg der Schulungen jede/r dritte Arbeitslose bereits eine fixe Job- sigkeit sogar um 31,7 Prozent. Die Zahl an gegenüber dem Vormonat – und das vor der zusage (+8.158) und die Zahl der offenen Arbeitslosen plus SchulungsteilnehmerIn- drohenden Öffnung des österreichischen Ar- Stellen steigt um 25,2 Prozent auf 29.236. nen sinkt in allen neun Bundesländern. In beitsmarktes für die neuen EU-Staaten ab „Die Erholung auf dem Arbeitsmarkt setzt Wien steigt als einzigem Bundesland zwar dem 1. Mai 2011. Von einem Durchstarten sich auch in diesem Monat fort. Dieses Jahr die Arbeitslosenzahl um 4.695, das erklärt mit ,Volldampf‘ in das neue Jahr kann wohl wird in punkto Arbeitsmarkt sicher nicht ein- sich aber durch die stark sinkende Schu- nicht wirklich die Rede sein“, erklärte FPÖ- fach werden. Wir werden daher in unseren lungszahl (-5.623), schloß Hundstorfer. Arbeitnehmersprecher zu den Bemühungen, weitere Impulse für den Ar- aktuellen Arbeitsmarktdaten. Hundstorfer beitsmarkt zu setzen, nicht nachlassen“, ver- Mitterlehner: 2011 zum Jahr werde aber offenbar immer dreister, wenn es sicherte der Minister. des Aufschwungs machen darum gehe, seine nicht vorhandene aktive Die richtigen Maßnahmen in der Krise Arbeitsmarktpolitik als Erfolg zu verkaufen. Hundstorfer: Konsequente Politik sorgen für steigende Einzelhandelsumsätze „Überhaupt kann es nur einen deutlichen findet auch international Anklang und positive Arbeitsmarktdaten. Die aktive Kurswechsel bei den Arbeitslosenzahlen ge- Die Arbeitslosenquote nach Eurostat be- Beschäftigung stieg im Jänner um 1,9 Pro- ben, wenn die Übergangsfristen zum Schutz trage für den Monat Jänner 5,1 Prozent. Be- zent und die Arbeitslosenrate sank um 0,4 des heimischen Arbeitsmarktes über den Mai sonders freut es den Sozialminister, daß die Prozentpunkte auf 8,5 Prozent. hinaus auf unbestimmte Zeit verlängert wer- Arbeitslosenzahl bei den Jugendlichen mit Mitterlehner: „Wir müssen uns den den“, so Kickl. Das sei es, wofür sich der einem Rückgang von 7,8 Prozent stark sinkt. Aufschwung täglich hart erarbeiten, daher SPÖ-Sozialminister endlich massiv einset- Auch der Lehrstellenmarkt entwickelt sich ist eine gute Stimmung mitentscheiden für zen müsse. mit 6,5 Prozent mehr an offenen Lehrstellen das weitere Wachstum der österreichischen Kickl warnte weiters auch davor, daß das und 4,9 Prozent weniger Lehrstellensuchen- Wirtschaft. So können wir 2011 zum Jahr WIFO in seiner jüngsten Mittelfrist- Kon- den weiterhin positiv. In zwei Bundeslän- des Aufschwungs machen.“ junkturprognose Ende Jänner 2011 schon dern, Salzburg und Tirol, gibt es wesentlich „Es macht sich bezahlt, daß wir in der davor gewarnt habe, daß sich die Lage auf mehr offene Lehrstelen als Lehrstellens- Krise die Kaufkraft der Bevölkerung ge- dem Arbeitsmarkt nicht entspannen werde. uchende – zusätzlich gilt die Ausbildungs- stärkt haben. Der Handel ist eine der wich- Die Beschäftigung werde laut WIFO zwar garantie, sagte Hundstorfer. „Unsere konse- tigsten Säulen unserer Wirtschaft auch im jährlich um 0,6 Prozent zunehmen. Da aber quente Politik zur Bekämpfung der Jugend- Hinblick auf Arbeitsplatzsicher, Berufsaus- das in- und ausländische Arbeitskräfteange- arbeitslosigkeit findet offenbar auch interna- bildung, Nahversorgung und Lebensquali- bot etwa gleich schnell wachsen werde, sei tional immer mehr Anklang, nicht zuletzt hat tät“, betont Mitterlehner. Der Handel hat sich vor 2014 mit keiner weiteren Entspannung kürzlich der amerikanische Wirtschaftsno- zum Konjunkturmotor etabliert, der sich po- auf dem österreichischen Arbeitsmarkt zu belpreisträger Josef Stiglitz Österreich am sitiv auf die Einzelhandelsumsätze sowie auf rechnen. „Das ist genau der Punkt, wovor Jugendarbeitsmarkt als Vorbild für die USA das Wachstum der Gesamtwirtschaft aus- wir Freiheitlichen immer gewarnt haben. genannt“, berichtet der Minister. wirkt. Und dazu ist als erstes der österreichische Die sehr gut laufende Industrie (-20 Pro- Ebenso der Rückgang der Arbeitslosen ist Arbeitsmarkt vor dem drohenden Zustrom zent bei der Arbeitslosigkeit) und der wegen ein positives Signal des Wirtschaftswachs- von Arbeitskräften aus Ungarn, der Slowa- wenig Schnee gut laufende Bau (-5,4 Pro- tums. Mitterlehner stellt klar, daß die Jänner- kei und Tschechien zu schützen“, so Kickl zent) senken die Männerarbeitslosigkeit um Daten die große Leistung der österreichischen abschließend.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 15 Innenpolitik

Lugar: Erholung ist nicht in Jubelpropaganda zu verfallen, ist unse- sie für die Verbesserung ihrer Arbeitsmarkt- mehr als Momentaufnahme riös“, so Schatz. „Es gibt 380.000 Menschen, chancen brauchen. Dazu zählen insbesonde- „Die Erholung am Arbeitsmarkt ist nicht die einen Job suchen. Und es gibt mehr als re: mehr als eine Momentaufnahme. Österreich 70.000 Menschen, die schon länger als ein Qualitätsvolle Aus- und Weiterbildungs- ist einer neuen Krise jedoch schutzlos ausge- Jahr suchen.“ Die Politik hat sich mit Kurz- maßnahmen, die auf die Bedürfnisse der liefert“, gibt BZÖ-Wirtschaftssprecher Ro- arbeit und Bildungskarenzen im europäi- einzelnen Arbeit Suchenden besser abge- bert Lugar in Hinblick auf die veröffentlich- schen Vergleich mit niedrigeren Arbeitslo- stimmt sind. ten Statistiken zu bedenken. Die vorüberge- senraten durch die Krise gebracht. Mit dem Ältere ArbeitnehmerInnen haben es auf hende Entspannung am Arbeitsmarkt sei beginnenden Aufschwung steht sie weitge- dem Arbeitsmarkt besonders schwer. Sie zudem kein besonderer Effekt österreichi- hend ohne Konzept da. Nicht zufällig rutscht brauchen – ebenso wie gesundheitlich scher Maßnahmen. „Weltweit wurde mit Österreich daher im internationalen Ver- beeinträchtigte Arbeitsuchende û gezielte einer expansiven Geldpolitik die Nachfrage gleich ab. „Jetzt ist der Zeitpunkt, in dem Unterstützungsmaßnahmen, damit sie auf wieder angekurbelt. Mittel- und langfristig neue Jobs in den Bereichen Bildung, Pflege dem Arbeitsmarkt fußfassen können und werde dies jedoch zu steigender Inflation nicht in die Arbeitsunfähigkeit schlittern. und Zinslast führen. Der nächste schwere Die gute Entwicklung am Arbeitsmarkt Dämpfer für die Wirtschaft zeichnet sich ermutigt auch viele Frauen, den Wieder- bereits ab“, so Lugar. einstieg in den Arbeitsmarkt zu suchen. Zahlreiche internationale Experten war- Sie müssen jetzt aktiv unterstützt werden. nen vor diesem Szenario und raten den Re- Dazu braucht es spezielle Programme gierungen zu vorausschauendem Handeln. und den weiteren Ausbau der Kinderbe- So auch in Österreich. „WIFO-Chef Aigin- treuung. ger hat von der Bundesregierung zu Recht die Erstellung eines wirtschaftlichen Notfall- Kaske: Weiter offensiv programms verlangt, um für eine weitere Qualifizierungsmaßnahmen setzen Krise gerüstet zu sein. Ein einzelner freund- und Betreuung sowie Forschung und Um- Es sei erfreulich, daß die Zahl der Ar- lich wirkender Schnappschuß vom Arbeits- welt geschaffen werden können. Leider ist beitsuchenden weiter zurückgehe, sagt markt darf nicht dazu führen, daß die Zu- das öffentliche Geld jedoch für Banken re- ÖGB-Arbeitsmarktsprecher und vida-Vorsit- kunft nur mehr in rosarot gezeichnet wird. serviert, die den Regierungsparteien nahe- zender Rudolf Kaske. „Nichtsdestotrotz dür- Hier ist mehr Weitblick gefragt“, fordert Lu- stehen. Geht’s den Banken gut, geht’s näm- fen wir jetzt bei den Qualifizierungskursen gar endlich ein Angehen der Verwaltungsre- lich auch der Regierung gut. Ob es den Men- nicht nachlassen. Und dazu ist es nötig, daß form, um den budgetären Spielraum für Not- schen gut geht, ist offenbar für Faymann, es rasch eine ausreichende Finanzierung der fallmaßnahen wiederherzustellen. Pröll und Co. weniger wichtig“, so Schatz. Maßnahmen des AMS gibt“, verlangt Kaske. „Ich gehe davon aus, daß das AMS-Förder- Schatz: Bitte keine Jubelpropaganda, Tumpel: Mit weniger budget für heuer 982 Millionen Euro beträgt Herr Sozialminister Geld zu mehr Qualität und daß es ehebaldigst im AMS-Verwal- „Über 70.000 Menschen in Österreich „Rund 379.000 Arbeit Suchende (rund tungsrat beschlossen wird“, so der Gewerk- haben schon länger als ein Jahr keinen Job 310.000 registrierte Arbeit Suchende und schafter weiter. Hinsichtlich der Verwen- und werden vom AMS mit sinnlosen Kursen knapp 69.000 in Schulungsmaßnahmen des dung der Gelder verlangt Kaske, daß für und schikanösen Scheinbeschäftigungen in Arbeitsmarktservice) bedeuten rd. 24.000 we- Maßnahmen zur Qualifizierung von Frauen der Statistik versteckt“, kritisiert Birgit niger Arbeitsuchende gegenüber dem Ver- die Hälfte der Mittel eingesetzt wird. „Auch Schatz, ArbeitnehmerInnensprecherin der gleichsmonat im Vorjahr – damit hat sich die Tatsache, daß die Arbeitslosigkeit der Grünen. „Sozialminister Hundstorfer aber erfreulicherweise die Lage auf dem Arbeits- Frauen im Jänner nur um 0,2 Prozent gesun- gaukelt der Bevölkerung vor, es gäbe nur markt weiter entspannt. Das ist mit ein Er- ken ist, bestätigt meine Forderung, daß mehr 5600 Langzeitarbeitslose. Derartige Jubel- gebnis der Konjunktur- und Arbeitsmarktpa- Augenmerk auf die Qualifizierungsmaßnah- propaganda ist unseriös. Der Minister sollte kete der letzten beiden Jahren. Aber noch ist men für Frauen gerichtet werden soll“, sagt seine Presseabteilung schleunigst zurück- die Krise nicht überwunden“, warnt AK Kaske. pfeifen. Statt seinem Motto „Mit Volldampf Präsident Herbert Tumpel und verlangt, daß Weiter angestiegen ist die Zahl der Ar- voraus“ könnte sich sonst die Dampfplau- bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beitslosen über 50 Jahren. Auch angesichts derei bei ihm einschleichen.“ nicht ausschließlich auf die Exportwirtschaft der demographischen Entwicklung seien Der Minister bediene sich eines statisti- gesetzt wird. Die Chancen für die Export- mehr Bemühungen, alternsgerechte Arbeits- schen Tricks zur Behübschung des katastro- wirtschaft sind zwar gut, „aber wir brauchen plätze zu schaffen, nötig. „Von selbst sind phalen aktuellen Befunds: Wer zumindest auch eine entsprechende Inlandsnachfrage viele Unternehmen offenbar nicht gewillt, einmal im Jahr in eine noch so sinnlose und und weiterhin dringend eine aktive Ar- ältere ArbeitnehmerInnen zu beschäftigen. schikanöse „Maßnahme“ des AMS geschickt beitsmarktpolitik“, fordert Tumpel: „Es muß Ich begrüße daher das Vorhaben des Sozial- werde, gelte nicht als langzeitarbeitslos, auch das Richtige getan werden: Wir müssen noch ministers, mit den Sozialpartnern ein Maß- wenn der betroffene Mensch in dieser Zeit mehr auf Qualität setzen, wir müssen zielge- nahmenpaket für ältere ArbeitnehmerInnen keinen Arbeitsplatz hatte. nau dort ansetzen, wo die besonderen zu verhandeln und hoffe, daß diese Ge- „Es ist schon schön, daß die Arbeitslosig- Probleme liegen.“ Arbeitsuchende müssen spräche rasch eingeleitet werden“, so Kaske

Foto: http://www.bilderbox.biz keit ein bisserl gesunken ist. Aber deswegen vom AMS die Unterstützung erhalten, die abschließend.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 16 Österreich, Europa und die Welt Beste Beziehungen Spitzenverteter der Republik, allen voran Bundespräsident Heinz Fischer mit Gattin Margit, bereisten Singapur, Neuseeland, Australien und China. Foto: WKO/AWO / Dragan Tatic Staatsbesuch in Singapur, v.l.: Außenminister , ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf, Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka, Gesundheitsminister Alois Stöger, Bundespräsident Heinz Fischer mit Gattin Margit, 2. Nationalratspräsident Fritz Neugebauer und WKÖ-Präsident Christoph Leitl

undespräsident Heinz Fischer traf am Den Bundespräsidenten begleiteten seine er sich auch von der „Konzentration auf die B20. Feber zu einem Staatsbesuch im süd- Frau Margit, Gesundheitsminister Alois Stö- systematische Förderung von Wissenschaft ostasiatischen Stadtstaat Singapur ein, wo er ger, Wissenschaftsministerin Beatrix Karl und und Forschung“ in Singapur. tags darauf von Staatspräsident S. R. Nathan Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka, Wirt- Durch diese Prioritätensetzung sei dort empfangen wurde und mit Premier Lee schaftskammerpräsident Christoph Leitl „sehr viel geleistet“ worden, was sich positiv Hsien Loong Gespräche führte. Neben den führte die Wirtschaftsdelegation an; Außen- auf die Wirtschaft des Stadtstaates ausge- bilateralen Beziehungen waren Wirtschafts- minister Michael Spindelegger war bereits wirkt habe. Auch Österreich müsse sich das themen ebenso zur Sprache gekommen wie eine Woche zuvor nach Neuseeland gereist verstärkt zur Richtschnur machen, forderte die jüngsten Umwälzungen in Nordafrika und und stieß, nach einem weiteren Aufenthalt in das Staatsoberhaupt, das auch die staatliche im Nahen Osten sowie das Verhältnis der Süd- Australien, in Singapur zur hochrangigen Forschungsförderungsagentur A*Star/One ostasiatischen Staatengemeinschaft (ASEAN) Reisegruppe. North besuchte. Fischer betonte das gegen- zur EU. Fischer hatte sich im November bei Bei seinen Gesprächen mit Präsident S. seitige Interesse an verstärkten Wirtschafts- seinem Staatsbesuch im benachbarten Ma- R. Nathan und Premier Lee Hsien Loong hat beziehungen. laysia für die Stärkung der Wirtschaftsbe- der Bundespräsident versucht, Sorgen abzu- Der Bundespräsident besuchte auch die ziehungen zum „aufstrebenden Wirtschafts- bauen, der Euro oder die EU befänden sich IGS-BioNanoTech an der Nanyang Techno- raum“ Südostasien ausgesprochen. Singapur in existenziellen Schwierigkeiten. Fischer logical University (NTU) in Singapur, die verzeichnete im Vorjahr ein rasantes Wirt- erwartete durch seinen Besuch wichtige Wissenschafts- und Forschungsministerin schaftswachstum von 14,5 Prozent. Auf dem Impulse auf politischem, wirtschaftlichem Beatrix Karl als ein „gelungenes Beispiel für Programm standen unter anderem auch eine und kulturellem Gebiet. Der Stadtstaat unter- Wissenschaftskooperationen über Landes- Teilnahme am Wirtschaftsforum Österreich- stütze die österreichische Kandidatur um grenzen hinweg“ bezeichet, das einen enor- Singapur, sowie Besuche von Forschungs- einen Sitz im UN-Menschenrechtsrat, sagte men Mehrwert für Studierende und Wissen- einrichtungen und der Nanyang Technolo- Fischer bei einer Pressekonferenz mit öster- schafter schaffe. „Die Graduate School gical University. reichischen Journalisten. Beeindruckt zeigte bedeutet auch eine Stärkung der Wissen-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 17 Österreich, Europa und die Welt

schafts- und Wirtschaftsstandorte Singapur und Österreich“, ist die Ministerin über- zeugt. Gerade für österreichische Studie- rende berge ein Studium in einem der füh- renden High-Tech-Länder einen enormen Erfahrungsschatz. Ebenso würden Studieren- de aus Singapur an heimischen Universitäten und Forschungsstätten profitieren, verweist Karl etwa auf das Kompetenzfeld Nano- wissenschaften und -technologie, das an der Universität für Bodenkultur (BOKU, Wien) neu eingerichtet wird. Das Wissenschaftsmi- nisterium finanziert an der International Gra- duate School Bio-Nano-Technology in den kommenden drei Jahren fünf Plätze. Die IGS-BioNanoTech bietet im Rahmen eines Doktoratsstudiums für Naturwissen- schaften eine Ausbildung in der angewand- ten und der Grundlagenforschung im Be- reich der Bio-Nano-Technologie. Die Ausbildung erfolgt in einem internationalen Foto: Dragan Tatic/HBF Umfeld. Das Programm ist für eine Dauer Bundespräsident Heinz Fischer, der Präsident der Republik Singapur, S.R. Nathan, und Margit Fischer von 9 Jahren (3 Generationen von PhD-Stu- dierenden) und eine Gesamtzahl von maxi- Meschke, betrugen die österreichischen Ex- rend und gesellschaftlich gefährlich“, daß mal 20-30 TeilnehmerInnen konzipiert. porte nach Singapur im Vorjahr schätzungs- man es nicht verantworten könne, auf Hin- Das „Topfinanzentrum“ Singapur, dessen weise 300 Millionen Euro, die Importe aus richtungen zu verzichten. Die Todesstrafe Wirtschaft im Vorjahr mit 14,5 Prozent ra- Singapur 140 Millionen Euro. wird in Singapur hauptsächlich wegen Dro- sant wuchs, sei der wichtigste österreichi- Fischer sagte, er habe Premier Lee auch genhandels verhängt, wofür sie zwingend sche Handelspartner in Südostasien, betonte gefragt, ob er sich eine Abschaffung der To- vorgeschrieben ist. Menschenrechtsorgani- Fischer. Laut dem österreichischen Wirt- desstrafe vorstellen könne. Lee habe geant- sationen wie Amnesty International haben in schaftsdelegierten in Singapur, Gerhard wortet, das Drogenproblem sei „so gravie- der Vergangenheit wiederholt kritisiert, daß Singapur gemessen an seiner Bevölkerungs- zahl von rund fünf Millionen über eine der höchsten Hinrichtungsraten weltweit verfü- ge. Die Teilnehmer der von der Außenwirt- schaft Österreich (AWO) organisierten Marktsondierungsreise repräsentierten ein breites Spektrum der österreichischen Wirt- schaft von Maschinen- und Anlagenbau, Er- neuerbare Energien wie Wasserkraft und Solartechnik, Transport- und Eisenbahn- technik und Büromöbelproduktion über Software Entwicklung und Unternehmen im Bereich Dienstleistungen wie Luft- und Seefrächter und Unternehmensberatung. Leitl: „Singapur ist für Österreich die wich- tigste Exportdestination in Südostasien. Nicht nur der Inlandsmarkt selbst ist auf Grund seines hohen Entwicklungsgrades und dementsprechend hoher Kaufkraft inter- essant. Durch seine Drehscheibenfunktion ist Singapur auch ein wichtiges Tor in ande- re asiatische Märkte.“ Singapur verzeichnete im Vorjahr ein rasantes Wirtschaftswachs- tum von 14,5 Prozent. Seit Beginn des Jah- Foto: BMF/Schneider res 2010 hat sich der Warenaustausch mit Staatspräsident S. R. Nathan begrüßt WKÖ-Präsident Christoph Leitl. Dahinter (v.l.) Gesundheitsminister Alois Stöger, 2. Nationalratspräsident Fritz Neugebauer, Singapur vom Krisentief von 2009 wieder Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka und ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf. erholt. Im Vorjahr nahmen die österreichi-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 18 Österreich, Europa und die Welt schen Exporte nach Singapur um 30 Prozent (auf über 270 Millionen Euro) und die Im- porte aus Singapur um 40 Prozent (auf 130 Millionen Euro) zu. Rund 8000 europäische Firmen, darunter über 60 aus Österreich, haben in Singapur eigene Stützpunkte er- richtet. Als einzige österreichische Bank ver- fügt die Raiffeisenbank International (RBI) in Singapur über eine Niederlassung mit 150 Mitarbeitern. „Die hervorragende Infrastruk- tur, das Fehlen von Sprachbarrieren und ein wirtschaftsfreundliches Rechts- und Steuer- system sind die wichtigsten Faktoren, die für den Standort Singapur sprechen. Nicht um- sonst wird die ‚Löwenstadt‘ seit vielen Jah- ren von der Weltbank als ‚Easiest Place to do Business‘ eingestuft“, betonte Leitl.

Der Außenminister kam von Foto: BMWF / Dragan Tatic Neuseeland und Australien Wissenschaftsministerin Beatrix Karl mit Prof. Wolfgang Knoll (wissenschaftlicher Geschäftsführer des AIT) Die Beziehungen zwischen Neuseeland und Österreich werden – obgleich der geo- „Österreich und Australien teilen viele pazifischen Raum. Österreich und die EU graphischen Distanz – immer enger. Davon Gemeinsamkeiten, die sich auch in ihrer möchten sich dort in Zukunft politisch und zeugt auch die vor kurzem eröffnete bilatera- Arbeit in wichtigen multilateralen Institu- wirtschaftlich noch stärker als bisher enga- le Botschaft Neuseelands in Wien“, so tionen, wie der UNO, widerspiegeln. Der gieren“, so Spindelegger. Außenminister Michael Spindelegger nach weniger intensive Besuchsaustausch zwi- Nächste Station dieser Reise war Singa- seiner Ankunft in Neuseeland am 15. Feber. schen Australien und Österreich ist einzig pur, das „als Tor zu Südostasien“ vor ähnli- Doch auch die gegenseitigen wirtschaftli- auf die große geographische Distanz zurück- chen Herausforderungen stehe, „wie sie auch chen Beziehungen beider Länder sind von zuführen, denn gut befreundet sind unsere Österreich als Drehschreibe für Zentralasien stetigem Wachstum geprägt: „Auf der einen Länder schon lange“, so der Außenminister zu lösen hat. Als regionaler Brückenkopf tei- Seite befinden sich heute zahlreiche österrei- bei seiner Ankunft in Canberra. Es handelte len wir viele Gemeinsamkeiten, so auch un- chische Unternehmen unter den wichtigen sich um den ersten offiziellen Arbeitsbesuch ser Engagement im Dialog der Kulturen und Investoren im neuseeländischen Energiesek- eines österreichischen Außenministers in Religionen“, so Spindelegger nach seinem tor. Auf der anderen Seite wählte zuletzt das Australien. Gespräch mit Singapurs Vize-Außenminister wichtige neuseeländische Telekommunika- Im Rahmen der diesjährigen „Melbourne Raymond Lim am 21. Feber. „Wir wollen in tionsunternehmen „Tait“, Wien als Sitz, um Winter Masterpieces“, einem der aufsehen- Zukunft enger im interreligiösen Dialog in den Märkten Zentral- und Osteuropas erregendsten Kulturevents Australiens, prä- zusammenarbeiten. Ich habe meinen Amts- aktiv zu werden“, so Spindelegger weiter. sentiert die National Gallery of Victoria die kollegen auch zum Trilog nach Österreich Auch auf EU-Ebene möchte Neuseeland Ausstellung „: Art & Design – Klimt, eingeladen, um weitere Kooperationsmög- seine Beziehungen in Zukunft weiter aus- Schiele, Hoffmann“. „Österreichs Kunst der lichkeiten zwischen Singapur und Österreich bauen: „Neuseeland zählt bereits jetzt zu den Moderne wird für mehrere Monate (von 18. zu erörtern.“ verlässlichen Partnern der EU. Das Land Juni bis 9. Oktober 2011) in Melbourne im Heute schon bringen zahlreiche Kultur- fühlt sich wirtschaftlich natürlich vor allem Scheinwerferlicht stehen“, freut sich Spin- projekte die Länder einander näher: Gast- zu Asien hingezogen, jedoch teilen wir so delegger. spiele der Wiener Staatsoper, Auftritte der viele gemeinsame Werte, daß eine verstärkte „Wir wollen Österreich stärker ins Be- Sängerknaben und zunehmend auch gemein- Kooperation nahezu selbstverständlich ist.“ wußtsein Australiens rücken. Neben unserer same Projekte der zeitgenössischen Kunst Und Potential für weiteren Ausbau gebe es Kultur wollen wir auch mit moderner Tech- sind nur einige Beispiele. genug, so Spindelegger, der von einer mehr- nologie, wie zum Beispiel im Bereich der Doch nicht nur kulturell sind deutliche köpfigen Wirtschaftsdelegation – mit erneuerbaren Energien punkten. Unser Be- Verbindungslinien zwischen Österreich und WKÖ-Präsident Christoph Leitl an der Spit- such bietet auch eine ideale Gelegenheit zur dem asiatischen Stadtstaat erkennbar: „Sin- ze – begleitet wurde. „Neuseeland ist sehr an Anbahnung neuer wirtschaftlicher Projekte“, gapur ist unser größter Handelspartner in unserer Expertise in Ost- und Südosteuropa so der Außenminister weiter, der, unter ande- Südostasien. Österreichs Unternehmen schät- interessiert, aber auch globale Fragestellun- rem, auch zu Gesprächen mit seinem austra- zen besonders die hervorragende Infra- gen zu Klima- und Energiepolitik beschäfti- lischen Amtskollegen Kevin Rudd zusam- struktur, die niedrigen Steuersätze und das gen und verbinden unsere Länder“, so Spin- mentraf, um gemeinsame Interessensschwer- unbürokratische Vorgehen. Nach der Finanz- delegger, der im Zuge seines Aufenthalts un- punkte wie Non-Proliferation, Schutz der und Wirtschaftskrise konnten im Handels- ter anderem mit Außenminister Murray Zivilbevölkerung im Rahmen der Vereinten austausch zuletzt wieder beachtliche Zu- McCully zusammentraf, bevor er seine Rei- Nationen und Klimawandel zu besprechen. wächse verzeichnet werden. Ich bin zuver- se nach Australien fortsetzte. „Australien ist der wichtigste Akteur im süd- sichtlich, daß wir unsere wirtschaftliche Zu-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 19 Österreich, Europa und die Welt

steht das ehrgeizige Ziel, die österreichi- schen Exporte bis 2014 auf vier Milliarden Euro pro Jahr zu verdoppeln. Aber auch glo- bale Themen wie der Klimawandel oder die weltweite Energieversorgung standen auf dem Programm. „Das ist für uns ein wichtiges Anliegen“, sprach Spindelegger die Menschenrechts- frage an. In diesem Sinn setzt sich Österreich dafür ein, daß China den Menschenrechts- dialog mit der EU wieder aufnimmt. Dieses Thema muß vorangetrieben werden, denn der Außenminister ist überzeugt: „Wenn das alle Europäer tun bei ihren Besuchen, wird das auch zu einer Veränderung führen.“ Ge- rade auch die Situation der christlichen Minderheit in China liegt Spindelegger am Herzen. Besonders die rund zehn Millionen Papst-treuen chinesichen Christen leiden unter staatlichen Repressalien.

Foto: BMF/Schneider „Die EU und China haben eine strategi- Finanzminister Josef Pröll und Chinas Finanzminister Xie Xuren sche Partnerschaft geschlossen, in diesem Rahmen wollen wir einander noch besser sammenarbeit auch in Zukunft noch weiter Bei dem Besuch sollte die Kooperation kennen lernen und künftig in globalen An- ausbauen können“, so Spindelegger. gerade auf den Feldern Wirtschaft und gelegenheiten noch stärker an einem Strang Bei der letzten Station dieser Reise, Chi- Kultur noch stärker ausgebaut werden. So ziehen“, so Spindelegger abschließend. nas Hauptstadt Peking, traf der Außenmi- nister dann mit Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll zusammen, wo sie neben einer noch intensiveren wirtschaftlichen und kul- turellen Zusammenarbeit auch die Men- schenrechtslage thematisierten. Zum 40jäh- rigen Jubiläum der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und China nutzten Pröll und Spindelegger die Gelegenheit, die gegen- seitigen Beziehungen weiter zu vertiefen. In- zwischen ist China zum zweitwichtigsten Überseemarkt für Österreich geworden und bietet vor allem im Umwelt- und Infrastruk- turbereich große Chancen als Exportmarkt für österreichische Unternehmen. Das vielfältige Programm des Jubiläums- jahres, das am 25. Jänner mit einem Gala- konzert im Wiener Musikverein lanciert wurde, beinhaltet neben zahlreichen Konzer- ten und Ausstellungen auch Ausgefallenes, wie Walzertanzkurse an öffentlichen Plätzen in Peking: „Besonders freue ich mich auch auf das Wohltätigkeits-Schirennen, das in der Nähe der chinesischen Hauptstadt statt- finden soll“, so Spindelegger. Bereits vor zwei Jahren hat Pröll seine Strategie vorgestellt, außen- und wirtschafts- politische Ziele stärker zu koppeln. Dabei geht es dem Finanzminister vor allem um Boomregionen wie etwa rund um das Schwarze Meer oder eben Asien. So hatte Foto: BMF/Schneider Pröll letztes Jahr die Wirtschaftsgroßmacht Vizekanzler Finanzminister Josef Pröll, Gouverneur Zhou Xiaochuan und Außen- Indien besucht, nun war China an der Reihe. minister Michael Spindelegger (v.l.)

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 20 Österreich, Europa und die Welt Viel Ehre für ein kleines Land Eine einwöchigen Reise führte Nationalratspräsidentin Barbara Prammer und Parlamentarierdelegation nach Indien. Alle Fotos: Parlamentsdirektion / Gerhard Marschall Parlamentarierdelegation wird von Indiens Staatspräsidentin Pratibha Devisingh Patil empfangen (Bildmitte). Rechts von ihr Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, dahinter (v.l.) NR-Abg. Sigisbert Dolinschek, NR-Abg. Christine Muttonen, NR-Abg. Ruperta Lichtenecker und der 3. Nationalratsabgeordnete und Martin Graf. u einer einwöchigen Reise nach Indien Zum Auftakt des einwöchigen Indien- reichische Arbeitnehmer von Nachteil sei. Zbrach Nationalratspräsidentin Barbara Aufenthalts statteten die ParlamentarierIn- Weiters seien Ausbildungskooperationen im Prammer am 5. Feber auf. Sie erwiderte da- nen am 6. Feber auf Einladung des indischen universitären Bereich wünschenswert, um mit einen Besuch der Präsidentin des indi- Parlaments dem Taj Mahal einen Besuch ab. die Probleme bei der Rekrutierung von qua- schen Parlaments, Meira Kumar, im Septem- Das im 17. Jahrhundert errichtete Grabmal lifizierten Arbeitskräften auszugleichen. ber 2009 in Wien. Begleitet wurde Prammer ist eine der wichtigsten Sehenswürdigkeiten Prammer versprach, diese Anliegen umge- von einer Parlamentarierdelegation, welcher Indiens und wurde 1983 in die Liste des hend an die Bundesregierung weiterzuleiten. der Dritte NR-Präsident Martin Graf (FPÖ) UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen. sowie die Abgeordneten Christine Muttonen Am Morgen des 7. Feber legte Prammer Gute Beziehungen (SPÖ), Ruperta Lichtenecker (Grüne) und an der Gedenkstätte für Mahatma Gandhi im Der Minister für parlamentarische Sigisbert Dolinschenk (BZÖ) angehörten. Raj Ghat einen Kranz nieder. Der Besuch an Angelegenheiten, Shri Pawan K. Bansal, „Indien ist ein vielfältiges und für Europa diesem symbolträchtigen Ort bildete den sprach beim Treffen mit der österreichischen in mehrerlei Hinsicht wichtiges Land“, be- Auftakt zum umfangreichen Besuchspro- Delegation die lang anhaltenden guten Be- gründete Präsidentin Prammer die Bedeutung gramm, das die Delegation in Indien absol- ziehungen zwischen den beiden Staaten an guter politischer Beziehungen. Immerhin sei vierte. Dann gab es ein Treffen mit Vertretern und erinnerte in diesem Zusammenhang an Indien mit mehr als 1,1 Milliarden Einwoh- österreichischer Unternehmen, die in Indien den Anteil Indiens am Zustandekommen des nern die größte Demokatie der Welt sowie engagiert sind, bei dem einige Probleme zur Staatsvertrags im Jahr 1955. Indien entwick- ein Land mit reicher Kulturgeschichte und Sprache kamen, für deren Lösung die Mana- le sich wirtschaftlich hervorragend und habe enormer ökonomischer Schubkraft, wenn- ger um politische Unterstützung warben. So große Chancen, stellte Bansal fest, räumte gleich auch mit einem starken sozialen Ge- sollten etwa die Verhandlungen über ein So- zugleich aber ein: „Der Ausbau der guten fälle. Aufgrund seiner Größe und Lage zialversicherungsabkommen zwischen den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Öster- komme Indien nicht zuletzt auch eine wich- beiden Staaten dringend vorangetrieben wer- reich und Indien ist sehr wichtig, wir haben tige geopolitische Rolle in der Region zu. den, da die indische Gesetzgebung für öster- das Potential noch nicht ausgeschöpft.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 21 Österreich, Europa und die Welt

Kranzniederlegung am Mahnmal für Mahatma Gandhi. V.l.: Sigisbert Dolinschek, Christine Muttonen, Österreichs Botschafter Ferdinand Maultaschl, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Dritter Nationalratspräsident Martin Graf, Helfried Carl (Büroleiter der Nationalratspräsidentin), Ruperta Lichtenecker und ein Veranstaltungsteilnehmer Abgeordnete Christine Muttonen erkun- Wertschätzung entgegengebracht. „Österreich digte sich vor dem Hintergrund des kürzlich ist das kulturelle Zentrum Europas und ein abgeschlossenen Wissenschaftsabkommens sehr aktives Mitglied der Europäischen nach Möglichkeiten der Zusammenarbeit im Union“, hielt Kumar im Rahmen ihrer Be- wissenschaftlichen Bereich. Solche seien grüßung fest. Es sei dabei nicht zuletzt auch vermehrt anzustreben, bestünden aber be- in wirtschaftlicher Hinsicht ein interessanter reits vereinzelt, informierte Minister Bansal. Partner. „Investitionen in Indien sind will- Als Beispiel nannte er eine Kooperation im kommen“, warb die Präsidentin und sprach postgradualen medizinischen Bereich zwi- in diesem Zusammenhang an den österrei- schen der Universität in seiner Heimatstadt chischen Bankensektor die Einladung aus, Chandigarh, der Hauptstadt des Punjab, und sich in Indien zu engagieren. Die Krise sei der Universität Innsbruck. überwunden, die Wirtschaft boome, das Auch Oppositionsführerin Sushma Swaraj Wachstum werde im laufenden Jahr bei 9 sprach die Bildung als Schlüssel für eine Prozent liegen. Daraus ergebe sich beträcht- gerechtere Gesellschaft an. Sie bezeichnete liches Potential für den Ausbau der wirt- die nach wie vor enormen wirtschaftlichen schaftlichen Beziehungen. Notwendig seien Unterschiede als größtes Problem Indiens. aus indischer Sicht vor allem Energie- und Das rapide Wirtschaftswachstum komme Umwelttechnologie, von der Österreich viel zwar langfristig der gesamten Bevölkerung zu bieten habe. Prammer warb in diesem zugute, doch das dauere zu lange. In der Zusammenhang dafür, Kooperationen im Zwischenzeit werde die Kluft zwischen Rei- Herzliche Begrüßung zwischen Parla- universitären Bereich auszubauen und damit chen und Ärmsten sogar größer statt kleiner. mentspräsidentin Meira Kumar und den Wissenstransfer zu forcieren. NR-Präsidentin Barbara Prammer Dritter Nationalratspräsident Martin Graf „Wir sollten die parlamentarischen Be- erkundigte sich, wie sich die Sprachenviel- schen Ausschusses für auswärtige Angele- ziehungen unserer Länder verstärken“, falt im parlamentarischen Alltag auswirke. genheiten sowie mit dem Vizepräsidenten meinte Kumar und sprach damit ein bei die- Laut Swaraj sind Hindu und Englisch die Ar- der zweiten Kammer, Shri K. Rahman Khan, sem Besuch immer wiederkehrendes Thema beitssprachen, doch könnten sich die Abge- auf dem Programm. an: den Ausbau der parlamentarischen ordneten nach Voranmeldung auch in sechs Diplomatie. Parlamente bestünden aus einer weiteren Sprachen zu Wort melden. Solche Thema: Ausbau der Vielzahl von Parteien, weshalb ihre Außen- Beiträge würden dann simultan übersetzt. parlamentarischen Diplomatie politik von einer breiteren Basis getragen Zu Mittag traf die Delegation zu einem Überaus freundschaftlich verlief das werde als jene der Regierungen. „Wir kön- Meinungsaustausch über aktuelle indische Treffen zwischen Nationalratspräsidentin nen eine wichtige Rolle spielen“, pflichtete Themen mit Chefredakteuren indischer Zei- Barbara Prammer und ihrer indischen Amts- Prammer bei. Parlamente seien auch näher tungen zusammen. Am Nachmittag stand ein kollegin Meira Kumar am Abend. Den öster- an den Bürgerinnen und Bürgern, was sie für Treffen mit Abgeordneten des parlamentari- reichischen ParlamentarierInnen wurde hohe die Lösung von Konflikten prädestiniere.

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Auch auf den von Präsidentin Kumar vorgebrachten Wunsch Indiens nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat ging Prammer ein: Österreich sei ebenfalls an einer Reform dieses Gremiums interessiert. Sollten neue ständige Mitgliedschaften ge- schaffen werden, wäre Indien ein natürlicher Kandidat. Ihr Arbeitsaufenthalt in Indien führte Prammer auch an die Jawaharlal Nehru Uni- versity in New Delhi, wo sie im Rahmen eines Vortrags Chancen und Vorteile parla- mentarischer Diplomatie im 21. Jahrhundert beleuchtete. Dabei stand für sie außer Frage, daß dieser Form internationaler Beziehungs- pflege zunehmend mehr Gewicht zukommen müsse. Als wesentlichen Vorteil parlamenta- rischer Diplomatie benannte sie ihre im Gegensatz zu anderen diplomatischen For- men größere Flexibilität und Offenheit: Ab- Staatspräsidentin Pratibha Devisingh Patil begrüßt NR-Präsidentin Barbara Prammer geordnete seien schließlich weder Ein- schränkungen durch das Protokoll unterwor- wunden, stellte die Sozial- und Menschen- wirtschaftlichen wie im wissenschaftlichen fen, noch wären sie notwendigerweise daran rechtsaktivistin Mohini Giri fest. Frauen und Bereich ausgebaut werden sollten. Der Emp- gebunden, die offizielle Position ihres Hei- Mädchen würden weiterhin benachteiligt, fang im Präsidentenpalast bildete zugleich matstaates und damit ihrer Regierung zu ver- oft geschehe das unter Berufung auf Tradi- den politischen Höhepunkt des Indien- treten. Gerade deshalb halte sie, so Prammer, tionen. Strukturelle Schlechterstellung gebe Besuchs der österreichischen Parlamenta- parlamentarische Diplomatie für den best- es laut Giri beispielsweise auch im Justizbe- rierdelegation. möglichen Ersatz für direkten Kontakt zwi- reich, Männer würden vor Gericht oft bevor- Präsidentin Patil verwies eingangs ihres schen Völkern. zugt. Der Schlüssel zur positiven Verände- Gesprächs mit Prammer auf die langjährige rung liege in Aufklärung und Ausbildung, herzliche Beziehung zwischen den beiden Frauenrechte waren sich die TeilnehmerInnen einig. Staaten, die auf gemeinsamen Werten beru- Obwohl Indien 2005 ein umfassendes Auch im Gespräch, das Staatspräsidentin he. Seitens Indiens bestehe großes Interesse, Gesetz zum Schutz von Frauen vor häus- Pratibha Devisingh Patil und Nationalrats- diese Kontakte zu intensiveren. Auftakt dazu licher Gewalt beschlossen habe, das im Vor- präsidentin Prammer am Abend des 8. Feber sei der Besuch von Bundespräsident Heinz jahr novelliert wurde, und ein weiteres Ge- führten, kam das freundschaftliche Verhält- Fischer im Jahr 2005 gewesen. Prammer er- setz zum Schutz von Frauen vor sexueller nis zwischen Indien und Österreich deutlich neuerte die damals von Fischer ausgespro- Belästigung am Arbeitsplatz dem Parlament zum Ausdruck. Zugleich herrschte Überein- chene Einladung zu einem Gegenbesuch in vorliege, sei Gewalt gegen Frauen in Indien stimmung darüber, daß die Kontakte im Österreich. nach wie vor ein großes Problem. Dieses werde allerdings noch immer nicht als gesamtgesellschaftliches Anliegen begriffen, sondern auf ein rein frauenpolitisches The- ma reduziert. Zu diesem selbstkritischen Fazit gelangten VertreterInnen der indischen Zivilgesellschaft, mit denen die österreichi- sche Parlamentarierdelegation im Rahmen ihres Indien-Aufenthalts zusammentraf. Die intensive Diskussion war von Frauenfragen beherrscht und stellte eine interessante Er- gänzung zu den offiziellen politischen Ter- minen in Indiens Hauptstadt New Delhi dar. Die Nationalratspräsidentin sprach sich für eine Weltfrauenkonferenz aus. Seit der letz- ten Konferenz 1995 in Peking habe sich die Welt schließlich grundlegend verändert, hielt sie im Gespräch mit VertreterInnen der indi- schen Zivilgesellschaft fest, bei denen dieser Vorschlag auf große Zustimmung stieß. Das Die Nationalratspräsidentin bei ihrem Vortrag an Jawaharlal Nehru Universität in Patriarchat sei in Indien noch nicht über- New Delhi. Links: Helfried Carl (der Leiter des Büros der Präsidentin)

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gierungschef Kiran Kumar Reddy und Na- dendla Manohar, Sprecher des Regionalpar- laments. Es bestehe großes Interesse an österreichischen Investitionen, warben die beiden Politiker. An diesem Empfang nah- men auch eine Reihe von Ministern sowie zahlreiche UnternehmensvertreterInnen teil. Tags darauf stand ein Treffen mit einer Ver- einigung junger Wirtschaftstreibender aus Hyderabad auf dem Besuchsprogramm, der der Vertiefung bestehender bzw. der Anbah- nung neuer Geschäftsbeziehungen diente.

Wirtschaftsthemen im Mittelpunkt Zum Abschluß ihrer Indienreise statteten die österreichische ParlamentarierInnen der Küstenstadt Chennai im Süden des Landes einen Besuch ab. Sie wurden vom österrei- chischen Honorarkonsul in Chennai, Bhad- rashyam H. Kothari, begrüßt, der der Dele- Fabriksführung: Die Delegation mit dem Chef von Alpla India, Vagish Dixit gation Indiens südlichsten Bundesstaat vor- stellte: Tamil Nadu zählt mehr als 65 Mio. Beziehungen zwischen 82 Mio. Einwohner. Seine Hauptstadt Hy- EinwohnerInnen und ist eine der höchstindu- Europa und Indien derabad ist mit rund 6,3 Mio. Einwohnern strialisierten Regionen Indiens. Das schlägt Nach politischen Gesprächen in der sechstgrößte Stadt Indiens, Zentrum der sich in wirtschaftlicher Potenz und sozialer Hauptstadt New Delhi reiste die Delegantion Informationstechnologie und damit einer Stabilität nieder: Pro-Kopf-Einkommen, Al- weiter nach Hyderabad, wo Wirtschaftsthe- boomenden Region. phabetisierungsrate und Lebenserwartung men im Mittelpunkt standen. Dabei ging es Europäische Unternehmen seien herzlich liegen hier zum Teil deutlich über dem Bun- um die Beziehungen zwischen Europa und willkommen, erklärten die beiden höchsten desdurchschnitt. Indien ebenso wie um konkrete Marktchan- politischen Repräsentanten von Andhra Den Höhepunkt des Aufenthalts in cen für österreichische Unternehmen. Der Pradesh, die zu einem Empfang für die öster- Chennai bildet ein High-Tea im Rahmen Bundesstaat Andhra Pradesh zählt mehr als reichische Delegation geladen hatten: Re- einer von der Industrie- und Handelskammer

Indisch-österreichisches Wirtschaftssymposium in der südindischen Küstenstadt Chennai

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 24 Österreich, Europa und die Welt

Musikalischer Willkommensgruß für die Parlamentarierdelegation beim Empfang in der österreichischen Botschaft. zusammen mit dem Logistiker Gebrüder Die Aufnahme von Direktflügen zwischen Österreich exportiert in erster Linie Weiss-Roehlig ausgerichteten Informations- Wien und New Delhi durch die Austrian Maschinen- und Werkzeugtechnik, Spezial- veranstaltung. Dabei ging es darum, indi- Airlines zu Ende der 1990er Jahre markierte fahrzeuge, Eisen und Stahl, chemische schen Unternehmen den Wirtschaftsstandort einen weiteren wichtigen Punkt im Ausbau Produkte, Plastik, Medikamente sowie Test- Österreich vorzustellen und sie für Investi- der bilateralen Beziehungen, merkte Pram- und Messinstrumente nach Indien und im- tionen zu interessieren. mer an. Indien sei heute ein Schlüsselmarkt portiert von dort vor allem Kleidung und Ein Beispiel für bereits funktionierende für österreichische Unternehmen. Gerade im Textilien, Maschinen und Fahrzeuge, Che- Wirtschaftsbeziehungen ist, wie sich die Bereich des Technologietransfers bieten sich mikalien und Medikamente, Schuhe, Kaffee, Delegation bei einem kurzen Betriebsbesuch zahlreiche Möglichkeiten für eine verstärkte Tee und Gewürze. Prammer zeigte sich über- überzeugen konnte, die Firma Tuscany Kooperation von indischen und österreichi- zeugt, daß Österreich und Indien in eine Home Solutions. Der Familienbetrieb im- schen Unternehmen. Bereiche, die hier von neuen Phase der intensiven Zusammenarbeit portiert österreichische Küchen (EWE, FM) besonderem Interesse sind, wären alternative und wirtschaftlichen Kooperation eintreten und ist gerade dabei, sein Tätigkeitsgebiet Energieträger und Umwelttechnik, Infra- können und es noch viel Raum zur Weiter- auf weitere Standorte in Indien auszuweiten. struktur, die Automobil-, Elektro- und Elek- entwicklung der wirtschaftlichen Beziehun- Prammer verwies zu Beginn ihrer Rede tronikindustrie, wie auch Dienstleistungen gen gebe. Diese könnten sehr viel dazu bei- auf die dauerhaften freundschaftlichen und Tourismus, führte Prammer aus. tragen, die guten bilateralen Kontakte zwi- Kontakte der beiden Staaten, die bereits Diese wirtschaftlichen Beziehungen sind, schen Österreich und Indien zu vertiefen, mehr als sechs Jahrzehnte zurückreichen. wie die Nationalratspräsidentin unterstrich, schloß sie. Österreich war eines der ersten Länder, die nicht einseitig: Neben Joint-Ventures öster- 1949 mit dem unabhängigen Indien diplo- reichischer Firmen in Indien haben in den Resümees matische Beziehungen aufnahmen und zähl- letzten Jahren zunehmend auch indische Un- Nationalratspräsidentin te auch zu den ersten Staaten, die dem von ternehmen in Österreich investiert. Vor der Barbara Prammer Premierminister Jawaharlal Nehru an die internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise „Die nun intensivierten Kontakte müssen industrialisierten Staaten gerichteten Appell, hatten die österreichischen Exporte rund 610 aufrechterhalten und gepflegt werden. Wir den industriellen Aufbau Indiens zu unter- Mio. Euro erreicht, die Exporte Indiens nach müssen uns um Indien enorm bemühen, stützen, Folge leisteten. Vor allem die indi- Österreich betrugen 416 Mio. Euro. Im Zuge wobei die Wirtschaft sicherlich Priorität hat. sche Stahlindustrie profitierte vom Einsatz der globalen Wirtschaftskrise fiel 2009 das Ich bin davon überzeugt, daß wir mit bilater- avancierter österreichischer Technologie, österreichische Exportvolumen, die indischen aler Politik sehr oft behilflich sein und Türen wie etwa dem LD-Verfahren. Österreich ha- Exporte nach Österreich konnten aber weiter öffnen können. Es ist bemerkenswert und be also Anteil daran, daß Indien heute zum zulegen. Die bisher vorliegenden Zahlen für äußerst erfreulich, wie groß das Interesse sei- viertgrößten Produzenten von Rohstahl welt- 2010 deuten jedoch auf eine Erholung der tens der indischen Wirtschaft an Österreich weit geworden ist. österreichischen Exporttätigkeit hin. ist.

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In politischer Hinsicht ist es natürlich haben, könnte es etwa in der Textilindustrie Ruperta Lichtenecker (Grüne) höchst interessant, wie die indische Seite die im Bereich des Stoffdesigns oder bei neuen „Ich denke, daß Indien derzeit politisch verschiedenen globalen Fragen bewertet. Webtechnologien spannende Möglichkeiten wie wirtschaftlich unterschätzt wird. Die Das sind wertvolle Informationen, aus denen zur Zusammenarbeit geben. Auch in der sehr Wachstumsraten, sowohl in der Bevölkerung man Schlüsse ziehen kann. Sehr spannend starken indischen Filmbranche gäbe es für als auch in der Wirtschaft zeigen einfach, war für mich daher die Aussprache mit dem die österreichische Kreativwirtschaft sicher- daß hier ein sehr großes Land im Kommen Außenpolitischen Ausschuß im Parlament, lich gute Möglichkeiten zur Zusammen- ist. bei der das Verhältnis Indiens zu den Nach- arbeit. Ein großes Problem sind mit Sicherheit barn Pakistan und Afghanistan sowie gene- In bezug auf eine Frauenquote in den der Umweltschutz und die Energieversor- rell die Situation im südostasiatischen Raum Parlamenten tut sich auf regionaler Ebene gung. In diesen Bereichen haben wir eine zur Sprache kamen. Es ist immer gut zu wis- einiges, das ist durchaus nachahmenswert. Menge an Firmen, etwa in Umwelttechno- sen, wie so große Staaten die weltpolitische Anderseits gibt es, wie uns berichtet wurde, logie, Wasserversorgung, Abwasserentsor- Lage einschätzen. Wir haben selbstverständ- noch viel Gewalt an Frauen. gung, erneuerbare Energie, um nur einige zu lich auch ein Gefühl für das Land bekommen, Besonders beeindruckt hat mich der von nennen. Hier gibt es für österreichische Be- für ein Land der großen Gegensätze: einer- den Indern immer wieder vorgebrachte triebe sicher interessante Möglichkeiten. Die seits technologisch hoch entwickelt mit ge- Slogan ,Unity in diversity‘ (Einheit in der Investitionen in die Infrastruktur sind ja waltigem Wachstum, andererseits die großen Vielfalt), nachdem sie sowohl in sprach- enorm, insofern müssen die sich bietenden Herausforderungen in der Armutsbekämp- licher, religiöser und kultureller Hinsicht zu Chancen nur ergriffen werden. fung bis hin zu den Frauenfragen. leben versuchen.“ Ein Riesenthema ist auch das Stadt-Land- Es war wichtig, daß wir nicht nur in New Gefälle im wirtschaftlichen und sozialen Be- Delhi waren, sondern daß wir darüber hinaus Dritter NR-Präsident Martin Graf (FPÖ) reich, aber auch in der Bildung oder in der einen Eindruck gewonnen haben, wie riesig „Ein spannendes Land der großen Gegen- Gleichberechtigung der Frauen. Das wird groß und vielfältig die einzelnen Provinzen sätze, mit einer reichen Oberschicht und eine große Herausforderung für die nächsten sind. Alles in allem war das eine sehr erfolg- einer gut ausgebildeten Mittelschicht auf der Jahre sein. Es gibt allerdings erfreulich viele reiche Reise mit viel Mehrwert für alle Teil- einen Seite und teilweise Massenelend auf Organisationen, die in diesem Bereich arbei- nehmerInnen der Delegation. der anderen Seite. Es gibt große Bemühun- ten. Indem das eine Allparteiendelegation gen seitens der staatlichen Stellen, Betriebs- Interessant war für mich, daß sehr offen war, können auch die Fraktionen aus einer ansiedlungen – und damit Wertschöpfung und vertrauensvoll auf einen zugegangen Fülle an Informationen ihren Nutzen ziehen. und Arbeitsplätze – in das Land zu holen. wird. Die Erfahrungen österreichischer Fir- Wir werden zuhause alles, was bei den vie- Letztlich kann man sich nicht dem Gefühl men in Indien sind ebenfalls sehr gut. Daher len Kontakten angesprochen wurde, gemein- entziehen, daß hier ein wirtschaftlicher Gi- glaube ich, daß wir die bestehenden Koope- sam mit der österreichischen Botschaft in gant entsteht. rationen mit den Unternehmen und den Wirt- Indien, mit dem Außenministerium und vor Österreich hat mit Qualitätsprodukten schaftsverbänden verstärken sollten. Dazu allem mit der österreichischen Wirtschaft durchaus hervorragende Marktchancen, die ist es wichtig, daß wir die politischen Kon- aufarbeiten.“ genutzt werden sollten. Dazu sollten die takte weiterhin pflegen und intensivieren.“ Kontakte auf politischer wie wirtschaftlicher Christine Muttonen (SPÖ) Seite intensiviert werden, weil ich den Sigisbert Dolinschek (BZÖ) „Mich hat einerseits das wirtschaftliche Eindruck habe, daß sehr viele Unternehmen „Indien ist ein spannendes Land der Ge- Wachstum beeindruckt, der indische Markt auf der Suche nach internationalen Partnern gensätze, das für uns ein wichtiger Partner ist geradezu am Explodieren. Überrascht hat sind. Hier ist die Wirtschaftskammer mit ist. Viele österreichische Firmen haben die- mich dieses Vorpreschen in der Technologie ihren Außenhandelsstellen gefragt und ge- sen Markt schon entdeckt. Mir persönlich insgesamt, da ist Indien sehr gut unterwegs. fordert. Es sollte darüberhinaus in Österreich war wenig bekannt, welche Firmen hier be- Andererseits versucht Indien sehr viel im eine Informationsoffensive geben, um auch reits Fuß gefaßt haben. Bildungsbereich zu tun und hier könnten mittleren und kleineren Unternehmen die Sehr beeindruckt hat mich das Wissen der beide Seiten von Kooperationen viel profi- Scheu zu nehmen, den Schritt nach Indien zu politischen Vertreter über Österreich. Die tieren. Das könnte auf dem HTL-Sektor sein, machen. Inder interessieren sich sehr für Österreich aber selbstverständlich auch zwischen Fach- Zu bemerken war, daß in den drei großen und die Firmen, die bereits in Indien sind, hochschulen und Universitäten. Aufgrund Städten das österreichische Bankwesen sind sehr erfolgreich. In diesem Zusam- der kulturellen Unterschiede erweitern sich überhaupt nicht vorhanden ist. Wo Banken menhang ist es wichtig, für Schlüsselarbeits- die Blickfelder, woraus sich wiederum sind, sind im Schlepptau immer auch wirt- kräfte, die aus Österreich entsandt werden, Neues entwickeln kann. schaftliche Aktivitäten. Daher sollten sich ein Sozialabkommen, wie wir es auch mit Das Vernetzen von Firmen und von Bil- Österreichs Banken den indischen Markt anderen Ländern haben, mit denen wir in dungseinrichtungen, grundsätzlich ein inter- einmal anschauen. wirtschaftlichen Beziehungen stehen, abzu- kultureller Dialog erscheinen mir sehr wich- Insgesamt glaube ich schon, daß diese schließen. Das ist für mich das Allerwich- tig. Es können beide, Österreich wie Indien, Delegation eine Türöffnerfunktion hatte. tigste, damit die Ansprüche der österreichi- viel voneinander lernen. Auch für die Krea- Solche Delegationen sind wichtig, weil wir schen Arbeitnehmer gewahrt bleiben. An- tivwirtschaft tun sich Chancen auf, die teil- ansonsten als kleines Land bei solchen sonsten könnte es sich der eine oder andere weise schon genutzt werden, aber noch viel Giganten wie Indien überhaupt nicht sicht- überlegen, für seine Firma nach Indien zu zu wenig. Wie wir etwa in Chennai gesehen bar werden.“ gehen.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 26 Österreich, Europa und die Welt ÖGfE-Umfrage: Jugendliche wollen mehr Europa ie Österreichische Gesellschaft für Eu- Skepsis ist der Dialog. Unsere Jugend muß der befragten Jugendlichen fühlten sich nach Dropapolitik (ÖGvE) hat jüngst Umfra- hier noch stärker miteinbezogen werden.“ der Ausstellung und der Diskussion „gut geergebnisse veröffentlicht, wonach 75 % der „Die österreichische Jugend interessiert informiert“ oder sogar „sehr gut informiert“. befragten Jugendlichen die EU-Mitglied- sich stark dafür, was in der EU passiert. Die „Wir versuchen die SchülerInnen objek- schaft positiv sehen. „Trotz der aktuellen Wanderausstellung und die sie begleitenden tiv über aktuelle europäische Entwicklungen wirtschaftlichen Herausforderungen stehen Diskussionen helfen Schülern wie Lehrern zu informieren, ihr Interesse zu wecken und die Jugendlichen zur Europäischen Integra- vor allem bei einem: Europa nicht nur als sie zu einer kritischen Auseinandersetzung tion“, analysiert Paul Schmidt, Leiter der Friedensprojekt, sondern als nicht wegzuden- zu ermutigen – egal ob das Medienberichte ÖGfE. Nur etwa 12 % äußern sich negativ, kenden Teil unseres Alltags zu begreifen“, oder Diskussionen im Familien- und Freun- die restlichen machten keine Angaben. erläutert Richard Kühnel, Leiter der Vertre- deskreis betrifft“, meint Schmidt. tung der Europäischen Kommission in Ös- „Europa geht uns alle etwas an. Jeder ist Mehr Information gewünscht … terreich. dazu eingeladen, sich einzubringen und Die SchülerInnen wollen mehr wissen, aktiv mitzugestalten. Die Lehrkräfte sind in vor allem zu Themen wie Ausbildung in Eu- … aber wie? der Europa-Arbeit wichtige Partner. Ihr En- ropa (49 %), Österreich und die EU (48 %), Die befragten Jugendlichen bevorzugen gagement, den Schülern das Projekt Europa EU-Erweiterung (41 %) sowie EU-Themen, zu 48 % Diskussionsveranstaltungen über näher zu bringen, ist unverzichtbar“, so die ihre Region direkt betreffen (37 %). die EU, 39 % wollen eine verstärkte Ausein- Spindelegger. „Jugendliche wollen einfach wissen, wel- andersetzung mit europäischen Themen im Von den 1043 Befragten sind 52 % weib- chen Mehrwert sie persönlich von der EU Unterricht. Mehr Informationen in den Me- lich und 46 % männlich (2 % ohne Angabe). haben und welche Chancen sie ihnen bietet. dien bzw. im Internet wünschen sich knapp 62 % sind zwischen 15 und 17 Jahre alt, 18 In Österreich sollte daher verstärkt kommu- 30 %. Jahre oder älter sind 28 %, nur jede/r Zehnte niziert und – auch offen und kritisch – die Die Umfrage zeigt, daß das Projekt „Die ist 14 Jahre oder jünger. Die Wanderausstel- Vor- und Nachteile der Europäischen Union EU und DU“ in dieser Hinsicht durchaus er- lung tourte im vergangenen Jahr hauptsäch- angesprochen werden“, so Schmidt. folgreich ist. Immerhin wurden die EU-Wan- lich durch AHS, HAK und Berufsschulen, „Auch meine Erfahrungen im Rahmen derausstellung und die Diskussionsveranstal- die restlichen 10 % der Befragten besuchen der Europa-Dialog-Tour haben mir dies ge- tungen von knapp zwei Dritteln (66 %) der andere Berufsbildende Höhere Schulen. zeigt“, bestätigt Außenminister Michael Spin- Befragten als „interessant“ oder sogar „sehr http://www.die-eu-und-du.at delegger. „Das wirksamste Mittel gegen EU- interessant“ bewertet. Drei Viertel (76 %) http://www.oegfe.at van Staa: Ausschuß der Regionen ist in der EU unverzichtbar n letzter Zeit immer wieder geäußerte Be- Miteinbeziehung der regionalen und lokalen cherecht der Regionen und Kommunen in Imerkungen von Abgeordneten zum Euro- Ebene unverzichtbar sei. „Mit dem Vertrag Europa noch weiter gestärkt wird, um so päischen Parlament, man möge als Sparmaß- von Lissabon erfuhr der AdR wiederum eine eine stärkere Legitimität und Bürgernähe von nahme auch eine „Schließung“ des Ausschus- eindeutige Stärkung, seine Kompetenzen europäischen Entscheidungen zu erreichen“. ses der Regionen (AdR) und des Wirtschafts- wurden ausgebaut und er hat nunmehr bei Daß Demokratie auch Geld koste, sei und Sozialausschusses der EU überlegen, ver- Verletzungen des Subsidiaritätsprinzips durch eine bekannte Tatsache. „Ich werde immer anlassen den Tiroler Landtagspräsidenten andere Organe der EU ein Klagerecht vor wieder mit der Frage konfrontiert, ob man Herwig van Staa, der seit 2004 auch Vizeprä- dem Europäischen Gerichtshof. Und ich nicht auch die Landtage abschaffen sollte, sident des AdR und österreichischer AdR- kann aus jahrelanger eigener Erfahrung um Geld zu sparen. Dazu möchte ich klar- Delegationsleiter ist, zu einer Reaktion. berichten, daß die vom AdR verabschiedeten stellen, daß Österreich nach geltender Ver- „Wenn diese Abgeordneten jetzt allen Stellungnahmen im Entscheidungsprozeß der fassung ein Bundesstaat ist und diese Bun- Ernstes sagen, daß es über Jahrzehnte verab- EU sehr wohl Ernst genommen werden, weil desstaatlichkeit neben Demokratie und säumt worden sei, diese Institutionen sinn- man weiß, daß hier die VertreterInnen star- Rechtsstaatlichkeit zu den Grundprinzipien voll in den EU-Entscheidungsprozeß mit ein- ker Regionen und Kommunen, die schließ- der Republik zählt. Für mich besteht jeden- zubeziehen und die Kompetenzverschiebun- lich den BürgerInnen am Nächsten sind, auf- falls kein Zweifel, daß die Bundesländer mit gen der letzten Jahre innerhalb der EU deren gezeigt und sich aktiv eingebracht haben.“ ihren Gesetzgebungsbefugnissen und damit Existenz obsolet mache, so haben sie offen- „Ich kann diesen Europaparlamentariern auch die Landtage politisch sinnvoll und sichtlich den Vertrag von Lissabon, der nun nur anbieten, mit mir das Gespräch zu suchen, notwendig sind“, so van Staa. „Auch die EU doch schon seit geraumer Zeit in Kraft und ich bin auch jederzeit gerne bereit, sie über hat im Vertrag von Lissabon jetzt sogar aus- damit in der gesamten EU verbindliches Recht die aktuellen regionalpolitischen Entwicklun- drücklich den Landtagen die Möglichkeit ist, noch nicht genau gelesen“, so van Staa. gen eingehend zu informieren“, appelliert eingeräumt, sich im Rahmen der Subsidiari- „Denn gerade das Gegenteil ist der Fall“. van Staa an die betreffenden Abgeordneten, tätskontrolle an der europäischen Gesetzge- Die Regionen, aber auch die Kommunen, gleich welcher Fraktion. „Wir alle, sowohl bung mit zu beteiligen. Europa hat also die hätten sukzessive an Einfluß und Bedeutung Mitglieder des Europäischen Parlaments als Bedeutung der Regionalparlamente erkannt gewonnen, weil die EU schon lange erkannt auch des AdR, sollten uns bemühen, uns ge- und will sie stärken, nicht abschaffen“. habe, daß für das Projekt Europa die aktive meinsam dafür einzusetzen, daß das Mitspra- http://www.cor.europa.eu/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 27 Österreich, Europa und die Welt Zwei neue österreichische Vertretungen Oscar-Verleihung Honorarkonsulat in Yogyakarta Honorargeneralkonsulat in Kapstadt Österreichische Unternehmen sind dabei m Rahmen einer feierlichen Zeremonie m 17. Februar nahm in Kapstadt das ös- enn auch heuer leider kein österreichi- Iwurde am 18. Februar der neue österrei- Aterreichische Honorargeneralkonsulat Wscher Film oder Schauspieler für den chische Honorarkonsul für Yogyakarta und für die Provinz Westkap seine Arbeit auf. Oscar nominiert ist, so sind österreichische Zentraljava, Sugiharto Soeleman in sein Amt Aus Anlaß der Eröffnung gab Botschafter Unternehmen bei der Oscar Verleihung am eingeführt. Anläßlich der Eröffnung konnte Otto Ditz tags zuvor einen Empfang, an dem 27. Feber auf alle Fälle mit dabei“, berichte- der österreichische Botschafter Klaus Wöl- etwa 100 AuslandsösterreicherInnen aus der te Rudolf Thaler, österreichischer Wirt- fer eine Reihe hochrangiger Gäste begrüßen: Provinz teilnahmen. schaftsdelegierter im AußenwirtschaftsCen- Wissenschafts- und Forschungsministerin Honorargeneralkonsul ist der 63jährige ter der WKÖ in Los Angeles einige Tage vor Beatrix Karl, Sultan Sri Hamengkubuwono Otto Stehlik, Vorstandsvorsitzender der süd- dem großen Event. Denn mit Sicherheit X von Yogyakarta, den Gouverneur der Pro- afrikanischen „Protea“-Hotelkette. Stehlik werde ein Oscar-gekrönter Film mit Kame- vinz Zentraljava sowie österreichische Wirt- kam 1970 nach Südafrika und arbeitete als ras der Verleihfirma des Österreichers Otto schaftsvertreterInnen. Rezeptionist im 5* Heerengracht Hotel, wel- Nemenz in Hollywood oder mit den mit Der Naturwissenschaftler und Geschäfts- ches er 1976 als Generaldirektor übernahm. einem Technologie-Oscar gekrönten Kamera- mann Soeleman wird zukünftig das mittler- 1984 gründete er die „Protea“-Hotelkette. steuerungen der Wiener Firma Camadeus ge- weile schon dritte österreichische Honorar- Protea ist heute die größte und erfolgreichste dreht worden sein. Eine Hollywood Feuer- konsulat auf indonesischem Boden leiten Hotelkette in ganz Afrika. taufe absolvierte im Jänner die Wiener Me- und somit wesentlich dazu beitragen, die ös- Nachdem das Generalkonsulat Kapstadt dienfirma Sabotage Films beim Sundance terreichische Präsenz im Inselstaat zu erwei- wegen notwendiger budgetärer Einsparun- Filmfestival der Hollywood Ikone Robert tern. Bereits letztes Jahr konnten Honorar- gen mit Ende Oktober 2010 geschlossen Redford in Park City/Utah. Mit der Nomi- konsulate in Bandung (für Westjava) und werden mußte, war es dem Außenministe- nierung von zwei Filmen und einem preisge- Surabaya (für Ostjava) eröffnet werden. rium ein besonderes Anliegen, möglichst krönten Film „Hell and back again“ erzielte Die Universitäts- und Kulturstadt Yogya- bald ein Honorargeneralkonsulat zu eröff- Sabotage Films einen sensationellen Erfolg. karta ist sowohl spirituelles als auch touristi- nen, um die mehrere Tausend Personen star- „Sollte ein Oscar für herausragende un- sches Zentrum der indonesischen Hauptinsel ke Gruppe der AuslandsösterreicherInnen im ternehmerische Leistungen in den USA im Java. Weltbekannt ist etwa der buddhistische Westkap auch in Zukunft wieder konsula- Jahr 2010 zu vergeben sein, so würde ich alle Borobudur Tempel aus dem 9. Jhdt. risch betreuen zu können. österreichischen Unternehmen nominieren, die im US-Geschäft tätig sind und gemein- sam ein Exportplus von 20 Prozent erziel- Wiener Know-how in Bukarest ausgestellt ten“, so Thaler. Ein Oscar in der Kategorie „Start up Unternehmen“ erginge an die 40 ös- ie Ausstellung „Vienna Know-how: Emanuel Papagheorghiu (Direktor für Kul- terreichischen Hitech Unternehmen im IT DUrban Technologies and Strategies“ im tur, Unterricht, Tourismus der Stadt Buka- Bereich, die sich für die Technologieinitia- Museum der Stadt Bukarest zeigt bis 15. April rest), Christian Oxonitsch (Amtsführender tive „Go Silicon Valley“ qualifizierten. Unter einen detaillierten und umfassenden Ein- Stadtrat für Bildung, Jugend, Information den zahlreichen Nominees in der Kategorie blick in den Organismus der Stadt Wien. und Sport der Stadt Wien) und Alexandra „Herausragendes Unternehmen“ fiele die Weil es nämlich doch nicht ganz so selbstver- Vogl, MSc (Geschäftsführerin TINA VIEN- Wahl auf Doppelmayr Cable Car, das sich ständlich ist, daß eine Stadt so funktioniert, NA GmbH). 2010 in einem langwierigen Entscheidungs- wie sie funktioniert. TINA VIENNA, ein Unternehmen der prozeß gegen stärkste Konkurrenz durch- BesucherInnen der Ausstellung begegnen Wien Holding, ist Dienstleistungsorganisa- setzte und mit dem Bau des Flughafenzu- auf einem Rundgang einer Vielzahl innovati- tion und Drehscheibe für innovative Stadt- bringers in Oakland den größten Auftrag in ver Wiener Lösungen in ausgesuchten und und Umwelttechnologien, entwickelt und der Firmengeschichte erhielt. symbiotisch zusammenhängenden Themen- umgesetzt von den Dienststellen und Unter- Die Filmindustrie in Hollywood gehört kreisen wie Wasser, Stadtentwicklung, Immo- nehmen der Stadt Wien. zu den dynamischen Wirtschaftszweigen in bilien, Umwelt, Mobilität, Sicherheit, Ab- TINA VIENNA erfaßt das Wiener Know- Los Angeles und entwickelte sich nach einer fall, Kommunikation, Barrierefreie Stadt, how in diesem Bereich, vermittelt dieses Berg- und Talfahrt im vergangenen Jahr zu Energie und Strategien. international und unterstützt in- und auslän- einem treibenden Wirtschaftsmotor. „16.500 Die Ausstellung war von April bis Juni dische Gebietskörperschaften dabei, das neue Jobs wurden 2010 in Los Angeles im 2010 erstmals in Wien zu sehen. Im Septem- Wiener Wissen im Bereich der urbanen Tech- Filmbusiness geschaffen, um 13 Prozent mehr ber 2010 wurde sie erstmals international, im nologien und Strategien für ihre Bedürfnisse als im Jahr zuvor“, soThaler. Die Zahl der Museum für angewandte Kunst in Belgrad, zu nutzen. Drehgenehmigungen nahm um 16 Prozent präsentiert. Nun setzt sich die internationale Zeitnah zum Start der Ausstellung fand in zu, nachdem sie 2009 um 23 Prozent im Ver- Tour im Museum der Stadt Bukarest im Bukarest am 26. Feber der traditionelle gleich zum Vorjahr einbrachen. Spielfilm Rahmen der Kooperationsvereinbarung zwi- „Wien Ball“ statt, an dem VertreterInnen der Produktionen nahmen um 8 Prozent zu, TV- schen der Stadt Wien und der Stadt Bukarest Stadt Wien, u.a. Stadtrat Christian Oxo- Shows um 12 und Werbespots um 28 Pro- im Museum der Stadt Bukarest fort. Eröffnet nitsch, teilnahmen. zent. wurde die Ausstellung am 27. Februar durch http://www.tinavienna-exhibitions.com http://portal.wko.at/wk/kontakt_dst.wk?dstid=623

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 28 Österreich, Europa und die Welt Goldene Cloche® geht nach NY Die moderne Interpretation der Österreichischen Küche prägt den Stil des gebürtigen Niederösterreichers Kurt Gutenbrunner im Big Apple, der mittlerweile fünf Lokale besitzt.

ein erstes Lokal „Wallsé“ benannte der Sösterreichische Koch Kurt Gutenbrunner nach seinem Heimatort, kurze Zeit später folgte das „Cafe Sabarsky“ im Deutsch-Ös- terreichischen Museum an der Upper East Side. 2005 kam dann das Wirtshaus „Blaue Gans“ in Tribeca dazu. Ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen, eröff- nete er die Weinbar „The Upholstery Store“. Zu seinen neuesten Projekten zählt der Wahl- New Yorker das „Cafe Kristall“ in Soho, das seit Herbst 2010 die New Yorker Society mit österreichischen Köstlichkeiten verwöhnt. Nachdem der Starkoch die Gastronomie- fachschule in St.Pölten abgeschlossen hatte, verbrachte er seine Lehrjahre im „Hotel Schloß Dürnstein“ in der Wachau. Kurt Gutenbrunner arbeitete in zahlrei- chen exklusiven Restaurants wie dem „Tan- tris“ und der „Bistro Terrine“ in München sowie im „Prinz Eugen“ mit Werner Matt. Als Chef de Cuisine konnte er sein kön- nen in New York im „Window’s World“ dem Restaurant „Mangostin“ und der „Monkey Bar“ sowie an der Seite von David Bouley unter Beweis stellen. 1999 entschloß er sich, sein erstes Re- staurant, das „Wallsé“, im West Village zu eröffnen, das noch im selben Jahr mit einem Wurde gleich nach der Eröffnung seines ersten Restaurants in New York mit Michelin-Stern ausgezeichnet wurde und bis einem Michelin-Stern ausgezeichnet: der Niederösterreicher Kurt Gutenbrunner. heute die größte Auswahl an Österreichi- schen Weinen in Amerika hat. Die Wände des Restaurants sind mit Kunst von Martin Kippenberg, Dennis Hopper und Julian Schnabel geschmückt, was das Re- staurant „Wallsé“ noch eindrucksvoller macht. Kurt Gutenbrunner’s Philosophie ist eine Kombination aus Genuß und Kunst. Ex- pressionisten der Österreichisch- Deutschen Kunst liegen besonders in seinem Focus. Kurt Gutenbrunner lebt mit seinen drei Töchtern und seinem Sohn in seiner Wahl- heimat New York. Der „Gastronomie Club Wien“ freut sich, Kurt Gutenbrunner in die Riege der österrei- chischen Köche – neben größen wie Eckart Witzigmann, Sarah Wiener, Hans Haas und Mario Lohninger – aufzunehmen, die sich im Ausland erfolgreich verwirklicht haben.

Fotos: kgny group http://www.kg-ny.com Cafe Kristall http://www.gastronomieclub.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 29 Österreich, Europa und die Welt Dreivierteltakt und viel Tritsch-Tratsch Opernball-Atmosphäre herrscht seit vielen Jahren beim »Kaiserball« auf Münchens größtem Tanzparkett im Ballsaal des Internationalen Congress Centers – ein Abend der Wiener Balltradition, den Bayern, Österreicher und Gäste aus nah und fern auch in diesem Jahr wieder stilvoll gefeiert haben.

Von Gaby Hildenbrandt. Alle Fotos: Kaiserball / Konrad Stock

o kann man – außerhalb der Donau- die Macher des exklusiven Münchner Balls. Wmetropole natürlich – eine rauschende Bei ihnen laufen alle Fäden zusammen: Sie Ballnacht wie beim Wiener Opernball erle- organisieren den Umbau des ICM, suchen ben? Seit vielen Jahren lautet die Antwort: die Stargäste aus, besprechen mit dem Cate- auf dem Kaiserball in München! Es ist jedes rer die Menükarte (selbstverständlich mit Mal ein besonderes Gefühl, den Ballsaal zu vielen -Schmankerln). Sie laden die betreten. Einen Ballsaal, der keine 24 Stun- Schrammeln in den Heurigen ein und sind den zuvor noch ein schlichter Kongreßsaal überaus charmante Gastgeber für die war. Doch viele Helferlein haben gezaubert ÖsterreicherInnen und ihre Freunde. Aus und jetzt verströmen über 15.000 Nelken ganz Bayern – sogar aus Wien! – kommen ihren Duft. Ein ganzer Kilometer rot-weiß- die treuen Fans des Kaiserballs. Auch 2011 roter Stoff wurde an die Wände drapiert und gehörte der Abend mit über 1500 Besuchern über der großen Tanzfläche glitzern zehn rie- zu den Höhepunkten des Faschings. „Die sige Kristall-Luster um die Wette. Das Monarchie ist zwar schon abgeschafft, aber Austria Swingtett hat schon Platz genom- wir Wiener feiern noch immer kaiserlich“, so men, das Wiener Hofburg Ballstreichorche- das Credo von Gastgeber Carl Paul Wieland. ster setzt zu Strauß-Melodien an – der Wal- Und das bedeutet: Frack, Orden, elegante zertraum beginnt! Roben und viel „Küß’ die Hand, gnädige Eine ganze Nacht im Dreivierteltakt tan- Frau!“. Für den Ball 2011 wurde das Motto zen – die Österreichisch-Bayerische Gesell- „Tritsch-Tratsch“ gewählt – nach der bekann- Die Gastgeber Mechthilde und Carl schaft macht es möglich. Präsident Carl Paul Paul Wieland, Präsident der Öster- ten Strauß-Polka. „Es wird heutzutage viel Wieland und seine Gattin Mechthilde sind reichisch-Bayerischen Gesellschaft zu viel durcheinander geredet“, so Wieland.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 30 Österreich, Europa und die Welt

„Und was unsere Politiker alles daherreden – oh mei“, fügte er hinzu. Die anwesenden bayerischen Staatsministerinnen Emilia Mül- ler und Christine Haderthauer nahmen die Anspielung mit Humor. Die oft beschworene und beim Kaiserball stets demonstrierte österreichisch-bayerische Freundschaft wird von den Volksmusik-Stars Marianne und Michael Hartl auf perfekte Weise repräsentiert. Das erfolgreiche Musik- duo ist nun schon seit 38 Jahren ein Paar – auf der Bühne und privat. „Ich hab den Michael damals ganz schön zappeln lassen“ erinnert sich Marianne Hartl, eine waschech- te Münchnerin. Der „Steirer Bua“ Michael hatte ein Auge auf die fesche Volksmusi- kantin geworfen. Mehrmals hat Michael sei- nen Schwarm zu einem Treffen eingeladen, erst beim dritten Mal hat Marianne „ja“ ge- Die bayerischen Staatsministerinnen Emilia Müller und Christine Haderthauer sagt und es wurde eine lange Liebe daraus. Beide waren zum ersten Mal beim Kaiser- ball und amüsierten sich bis nach Mitter- nacht. „Mir ist besonders positiv aufgefallen, daß die Kapellen so gespielt haben, daß man sich am Tisch noch gut mit seinem Gegen- über unterhalten konnte“, so Marianne Hartl. „Das war ein sehr schöner Abend und das Essen war vorzüglich“, urteilte Ehemann Michael über seinen ersten Kaiserball. Ein Quartett Schauspieler der Erfolgs- serie „Sturm der Liebe“ (Montag bis Freitag in der ARD und im ORF) stürmte ebenfalls den Kaiserball. Premiere für Andreas Thiele, Florian Stadler und Tobias Dürr, der mit sei- ner TV-Schwester Johanna Bönninghaus kam. Die Männer sahen fesch aus im Smo- king – ein ganz ungewohnter Anblick vor allem bei Andreas Thiele, der in der Serie Prominente Ballgäste: die Volksmusikstars Marianne und Michael einen Öko-Bauern spielt und meistens im Stall hantiert (wenn er gerade mal nicht mit schönen Frauen Flirt-Szenen spielen muß). Gut gelaunt übernahmen die drei Jungs das Kommando beim Heurigen und spielten mit den Schrammeln. Auch die Tanzkünste der Schauspieler konnten sich sehen lassen: Florian Stadler war sogar mal Turniertänzer und Tobias Dürr hat auf der Musicalschule in Hamburg gelernt, wie man perfekt das Tanz- bein schwingt. „Ich hab‘ noch schnell am Nachmittag Walzertanzen geübt“, gesteht Andreas Thiele – und zieht seine Partnerin schon wieder Richtung Tanzfläche – das Hofburg Ballstreichorchester spielt da gera- de die „Rosen aus dem Süden“ – ein Must für Walzertänzer. Es soll aber tatsächlich Männer geben, die man zur Gattung der „Tanzmuffel“ zäh- len muß. Extra für diese Problemfälle hat Beste Stimmung beim Kaiserball-Heurigen: Florian Stadler, Tobias Dürr und Gastgeber Wieland einen Heurigen aufbauen Andreas Thiele – alle drei Schauspieler in der Erfolgsserie »Sturm der Liebe«

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 31 Österreich, Europa und die Welt

beth Flechl und Kammersänger Josef Luf- tensteiner geschickt. Sie überbrachten einen Strauß Operettenmelodien, darunter auch das berühmte „Maxim-Lied“ aus der „Lusti- gen Witwe“. Um Luftensteiner herum wir- belten Tänzerinnen der „Miller Girls“ mit ihren Röcken und zeigten Bein. Der Cancan aus „Orpheus in der Unterwelt“ bildete das furiose Finale des Showblocks, der ebenfalls unter dem Motto „Tritsch-Tratsch“ stand – Regisseur Kurt-Walter Grund hat dies aller- dings auf die meistens komplizierte Bezie- hung von Männern und Frauen zugrundege- legt. Begeistert applaudierten: Reinhold Bocklet, Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Andrey Jurewitsch Grozov, Ge- neralkonsul der Russischen Föderation, In- grid Pech, Österreichische Generalkonsulin, Reinhard Pfeiffer, Geschäftsführer der Mes- Dominik Truschner (r.), Direktor Tanzschule Willy Elmayer-Vestenbrugg, mit se München, Polizeipräsident Prof. Wilhelm Debütantenpaaren aus Wien, die den Münchner Kaiserball eröffneten. Schmidbauer, Generalmajor a.D. Bruno von lasen. Hier kann man eine Pause machen Keiner wollte natürlich das Highlight des Mengden, Heinz Watzka, Vorstand E.ON (oder sich vor allzu eifrigen Tänzerinnen ver- Abends verpassen: den Formationstanz der Ruhrgas. stecken) und ein Glas Wein genießen. Beim 50 Debütantenpaare (Einstudierung: Domi- Die letzten Ballgäste fanden um 4 Uhr Flanieren zurück in den Ballsaal könnte man nik Truschner von der Tanzschule Elmayer- früh den Weg nach Hause, noch immer die auch einen Stopp an der Rauch-Saftbar ein- Vestenbrugg, Wien). Ein bezaubernder An- mitreißenden Operettenmelodien im Ohr. legen. Dort serviert man köstliche Drinks blick, wenn das Eröffnungskomitée elegant Und so stand für die meisten Besucher fest: auf Fruchtsaftbasis. Raffiniert gemischt mit über das Parkett schreitet – Opernball- „Heut’ geh’ ich ins Maxim – und im näch- Wodka oder Rum heißen sie dann „Küß’ die Feeling pur! Und das war noch nicht alles: sten Jahr wieder auf den Kaiserball!“ Hand“ oder „Kaiserin Sisi“. Die Volksoper Wien hatte ihre Stars Elisa- http://www.kaiserball-muenchen.de

Ein Kilometer rot-weiß-roter Stoff wurde an die Wände drapiert – zehn riesige Kristall-Luster glitzerten um die Wette.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 32 Österreich, Europa und die Welt 19. Wien-Ball in Brüssel In einem der schönsten Ballsäle von Brüssel, dem »Concert Noble«, fand in der Nacht auf den 20. Feber bereits zum 19. Mal der Wien-Ball statt. Foto: Österreichische Vereinigung in Brüssel (ÖVB) v.l.: Alfred Klicka, Dritte Landtagspräsidentin Marianne Klicka, Botschafter Walter Grahammer mit Gattin, Botschafter Reinhard Bettzuege mit Gattin beim 19. Wien-Ball in Brüssel

iens Dritte Landtagspräsidentin, Ma- terläßt bleibende Eindrücke und erinnert an hammer die Landtagspräsidentin zu einem Wrianne Klicka, nahm in Vertretung des rauschende Ballnächte in Wien. Die lange kurzen Meinungsaustausch. Wiener Bürgermeisters vor zahlreicher Pro- Nacht bietet aber auch Gelegenheit zu Ge- minenz und insgesamt rund 800 Ballbe- sprächen in angenehmer Atmosphäre und Die ÖVB suchern die Eröffnung vor. Unter den Ehren- zum Austausch mit österreichischen und bel- Die Österreichische Vereinigung in Bel- gästen befanden sich der Österreichische gischen Freunden“, so Klicka. gien (ÖVB) ist eine der größten und mitglie- EU-Botschafter Walter Grahammer, EU- Vor rund 30 Jahren gründete die in Öster- derstärksten Vereinigungen von Auslands- Kommissar Johannes Hahn, der Präsident reich geborene Barbara Francois den „Wie- österreichern in der Welt. Sie will zuallererst der Österreichischen Vereinigung in Belgien ner Ball“, um ihren belgischen Freunden die eine Plattform aller Österreicher sein, die Konsulent Volkmar Hierner, der deutsche Wiener Ballkultur näher zu bringen. Der Ball sich mit ihren Landsleuten treffen wollen. Botschafter in Belgien Prof. Reinhard Bett- findet jedes Jahr im Fasching statt, wobei Dabei kann man heimatliche Traditionen zuege, die Präsidentin von SOS-Kinderdorf Österreich für das spezielle rot-weiß-rote pflegen. Eine in letzter Zeit geschaffene Ein- Belgien, Vize-Präsidentin von SOS Kinder- Flair sorgt. Auch diesmal bildete der in den richtung ist z.B. die „Österreichische Schule“, dorf international und Ballgründerin Barbara Farben der Österreichischen Nationalflagge die für Kinder unserer Landsleute den Öster- Francois sowie VertreterInnen aus Politik, gehaltene Ballsaal den Rahmen für die Gä- reichbezug verstärken soll, den sie in belgi- Wirtschaft und Gesellschaft. ste. Für die musikalische Unterhaltung sorg- schen, europäischen und internationalen „Der jährliche Wiener Ball in Brüssel ist ten u.a. die Stehgeiger des Tanzorchesters Schulen in Belgien nicht haben. Zur Vertie- zu einem gesellschaftlichen Ereignis gewor- aus Wien. Das Kinderballet der Tanzschule fung der gegenseitigen Kontakte und um sich den und somit aus der Faschingszeit in Brüs- Marly tanzte zur Eröffnung „An der schönen persönlich vorzustellen, dient der „Blog“, sel nicht mehr weg zu denken. Vor allem die blauen Donau“. für „member2member“-Botschaften, den die jungen Debütantinnen und Debütanten be- Der Ball stand unter dem Ehrenschutz der Mitglieder intensiv nutzen sollten. Weiters reiten sich mit großer Freude auf diese tradi- österreichischen Botschafter in Brüssel, Karl fungiert die ÖVB als Ansprechpartnerin der tionelle Veranstaltung vor und besuchen Schramek und Walter Grahammer, des EU- offiziellen und inoffiziellen österreichischen Tanzkurse, um einen echten Wiener Walzer Kommissars Johannes Hahn und des Wiener und belgischen Stellen in Fragen, die die Ös- gekonnt aufs Parkett legen zu können. Der Bürgermeisters Michael Häupl. Vor der dem terreicher in Belgien betreffen. Ballsaal mit glänzenden Kristalllustern hin- großen Abend lud Botschafter Walter Gra- http://www.oevb.be

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 33 Aus Südtirol Internationale Züge, Bahnhöfe LH Luis Durnwalder trifft Eisenbahn-Chef Moretti

ür die einvernehmliche Lösung des FStreits um den Halt internationaler Züge in Südtirol und im Trentino wollen sich beide Länder einsetzen. Dies hat Südtirols Landes- hauptmann Luis Durnwalder am 18. Feber im Gespräch mit Mauro Moretti, dem Gene- raldirektor der italienischen Eisenbahn-Hol- ding, unterstrichen. Im Gespräch ging es zudem um neue (und alte) Bahnhöfe sowie die Übernahme der Strecke Bozen-Meran. Im Mittelpunkt des bereits seit längerer Zeit geplanten Treffens des Landeshaupt- manns mit dem Chef der „Ferrovie dello Stato“, jener Holding also, in der die italieni- schen Eisenbahn-Gesellschaften zusammen- gefasst sind (darunter auch Trenitalia sowie der Schienennetzbetreiber RFI), drehte sich in erster Linie um das Problem der interna- tionalen Zugverbindungen. RFI hatte schon Foto: Luigino / GNU Free Documentation License im Vorjahr der Deutschen Bundesbahn (DB) Der Zentralbahnhof Bozen liegt nur wenige Minuten vom Stadtzentrum entfernt. und den Österreichischen Bundesbahnen Holding wäre grundsätzlich einverstanden, Zur Sprache kam darüber hinaus auch die (ÖBB) verboten, auf der Fahrt ihrer Züge allerdings hat hier auch das Verkehrsmini- Situation der Bahnhöfe in Südtirol. So ging durch Italien Zwischenstopps einzulegen. sterium ein Wörtchen mitzureden“, so Durn- es etwa um den rechtlichen Rahmen rund um Das heißt, daß etwa internationale Zugver- walder nach dem Treffen. Nachdem es der die sowie den Ausbau der Bahnhöfe in bindungen nach Mailand nur mehr dort hal- Staat war, der der RFI die Konzession über Brixen und Bruneck und um die Anpassung ten und nicht etwa auch in Bozen oder Trient. die Strecke übertragen hat, muß dieser erst des Bahnhofs in Innichen. Für letzteres „Das ist für uns ein Riesenproblem, weil wir sein Einverständnis für eine Sub-Konzession schwebt dem Land wie auch der Eisenbahn- als Tourismusland von den internationalen geben, die die Übernahme der Strecke durch Gesellschaft vor, daß die Gesellschaft dem Zugverbindungen abgeschnitten sind“, so das Land ermöglichen würde. „Auch in die- Land überflüssigen Eisenbahngrund abtritt, Durnwalder. ser Angelegenheit werden wir den Kontakt im Gegenzug dazu soll das Land Arbeiten an Der Streit zwischen RFI auf der einen zum Ministerium suchen“, so Durnwalder. der Eisenbahn-Infrastruktur übernehmen. Seite und ÖBB bzw. DB auf der anderen ist Dazu brachte Durnwalder auch den Verlade- auch bereits vor europäischen Gerichten bahnhof in Grasstein sowie die neu einzu- gelandet, vor denen die deutschen und öster- richtenden Bahnhöfe für Sinich und das neue reichischen Eisenbahn-Gesellschaften das Bozner Stadtviertel Kaiserau zur Sprache. Recht auf Freizügigkeit einklagen und sich „Moretti ist grundsätzlich mit den neuen gegen unlauteren Wettbewerb zur Wehr set- Bahnhöfen einverstanden, allerdings müssen zen. „Ein langer Gerichtsstreit bringt uns die technischen Details noch grundlegend allerdings wenig, nachdem dieser zur zumin- überprüft werden“, so Durnwalder. dest zeitweiligen Einstellung unserer Verbin- Schließlich ging es auch noch um offene dungen führen würde“, so der Landeshaupt- Fragen rund um die Zusammenarbeit zwi- mann, der deshalb mit seinem Trentiner schen den Eisenbahn-Gesellschaften und Amtskollegen Lorenzo Dellai ein Schreiben den von den Lokalkörperschaften geführten an die Eisenbahngesellschaften und die zu- Güterverkehrs-Unternehmen (allen voran ständigen Ministerien in Rom, Wien und der Rail Traction Company). „Hier ergeben Berlin richten wird. Darin werden die beiden sich immer wieder rechtliche Probleme, Landeshauptleute auf eine einvernehmliche nachdem die Unternehmen nicht nur oft die Lösung auch in Absprache mit den betroffe- selben Kunden bedienen, sondern auch die nen Ländern drängen. selben Schienenstränge nutzen“, so Durn- Im rund zweistündigen Gespräch wurde walder, dessen Fazit zum Gespräch in die-

zudem über den Übergang der Führung der Foto: Konrad Se / GNU Free Documentation License sem Bereich lautet: „Einige der offenen Fra- Eisenbahnstrecke zwischen Bozen und Me- Am 4. Oktober 1981 feierte man gen konnten heute beantwortet werden, an- ran an das Land verhandelt. „Die Eisenbahn- »100 Jahre Strecke Bozen-Meran«. dere harren noch einer Lösung.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 34 Europa Kollektiver Rechtsschutz? Die Europäische Kommission hat am 4. Feber eine öffentliche Konsultation eingeleitet, die zur Entwicklung eines kohärenten Ansatzes für den kollektiven Rechtsschutz in der Europäischen Union beitragen soll.

ls Behörde, die mit hoheitlicher Gewalt Aausgestattet ist, und als Hüterin der EU- Verträge wendet die Kommission EU-Recht an und setzt es durch. Verbraucher und Un- ternehmen können die ihnen durch EU- Recht verliehenen Rechte auch vor den Ge- richten der Mitgliedsstaaten geltend machen. In manchen Fällen kann ein Verstoß gegen EU-Recht eine Vielzahl von Einzelklagen nach sich ziehen. Das EU-Recht sieht im Verbraucherrecht bereits die Möglichkeit vor, daß mehrere Personen gemeinsam kla- gen, aber die Regelungen sind auf nationaler Ebene je nach Bereich – Finanzmärkte, Wettbewerb, Umweltschutz usw. – sehr un- terschiedlich. Noch größere Unterschiede stellen sich beim kollektiven Rechtsschutz, wenn ein Fall mehrere Mitgliedsstaaten be- Foto: Parlamentsdirektion/HBF/Livio Srodic trifft und eine Gruppe von Verbrauchern EU-Justizkommissarin und Vizepräsidentin der EU-Kommission Viviane Reding oder Unternehmen Schadenersatz in dersel- anläßlich ihres Besuches in Wien beim Eintrag in das Gästebuch des Parlaments. ben Sache geltend machen will. Die Kom- Ansatzes für den kollektiven Rechtsschutz“. hältnismäßigkeit und der Effektivität Rech- mission will im Rahmen ihrer öffentlichen Ziel dieser Konsultation ist es unter ande- nung tragen. Zum Abschluß der Konsulta- Konsultation versuchen, gemeinsame Rechts- rem, gemeinsame Rechtsgrundsätze zu er- tion wird eine Anhörung stattfinden. Die Er- grundsätze für den kollektiven Rechtsschutz mitteln für den Fall, daß die Kommission gebnisse werden anschließend von der Kom- in der EU zu ermitteln (z. B. das Gebot von eine Legislativinitiative zum kollektiven mission in einer Mitteilung vorgestellt. Die Wirksamkeit und Effizienz, Recht auf Rechtsschutz ausarbeitet, und zu überlegen, Entscheidung, ob eine neue EU-Regelung Information und Schutz vor Klagemiß- wie diese Grundsätze in das Rechtssystem erforderlich ist, wird letztlich von den Er- brauch). Wie die Konsultation ausgehen der EU und die 27 Rechtsordnungen der EU- gebnissen der Konsultation abhängen und wird, ist völlig offen. Beiträge können bis Mitgliedsstaaten integriert werden könnten. gegebenenfalls von einer ausführlichen Fol- Ende April 2011 eingereicht werden. Dabei stellt sich auch die Frage, in welchen genabschätzung, in der alle Optionen geprüft Der kollektive Rechtsschutz ist ein Bereichen der kollektive Rechtsschutz (auf werden. umfassender Begriff, der sowohl Unterlas- Schadenersatz und/oder Unterlassung ge- Die Kommission arbeitet seit einigen sungsverfügungen als auch Schadenersatz richtet) einen Mehrwert in Bezug auf eine Jahren an europäischen Normen für den kol- einschließt. Er ist klar von den Sammel- bessere Durchsetzung des EU-Rechts oder lektiven Rechtsschutz im Bereich des Ver- klagen („class actions“) nach US-amerikani- einen besseren Schutz der Geschädigten dar- braucher- und Wettbewerbsrechts. 2005 schem Recht zu unterscheiden. Die kollekti- stellen könnte. legte sie ein Grünbuch über Schadenersatz- ven Rechtsschutzverfahren sind in Europa Gleichzeitig wendet sich die Kommission klagen wegen Verletzung des EU-Wettbe- sehr unterschiedlich ausgestaltet: Sie umfas- entschieden gegen die Einführung von Sam- werbsrechts vor, dem 2008 ein Weißbuch sen Klagen vor Gericht, außergerichtliche melklagen („class actions“) nach US-ameri- folgte. Beide Texte enthalten ein Kapitel und alternative Streitbeilegungsverfahren kanischem Muster oder Bestimmungen, die über den kollektiven Rechtsschutz. 2008 sowie Verbandsklagen. Klagemißbrauch Vorschub leisten. veröffentlichte die Kommission zudem ein Der kollektive Rechtsschutz ist für die Die öffentliche Konsultation wird der Grünbuch über kollektive Rechtsdurchset- EU kein neues Konzept. Auf Unterlassung Kommission Anhaltspunkte für ihre eigene zungsverfahren für Verbraucher. Vizepräsi- gerichtete kollektive Verfahren sind im EU- Position in der Frage des kollektiven Rechts- dentin Reding, Vizepräsident Almunia und Verbraucherrecht gang und gäbe und auch schutzes liefern. Zum jetzigen Zeitpunkt ist Verbraucherkommissar Dalli erörterten die im EU-Umweltrecht nicht unbekannt. Kol- noch nichts entschieden. Bei der Überle- Probleme, die sich beim kollektiven Rechts- lektive Schadenersatzverfahren gibt es hin- gung, ob es überhaupt sinnvoll ist, im EU- schutz stellen, während einer Grundsatzde- gegen nicht in allen Mitgliedsstaaten. Die Recht eine Regelung für den kollektiven batte in der Kommissionssitzung vom 12. Ok- Kommission startet deshalb eine breit ange- Rechtsschutz vorzusehen, wird die Kom- tober 2010. Auf dieser Grundlage wurde am legte öffentliche Konsultation mit Blick auf mission alle Meinungen berücksichtigen und 4. Feber die öffentliche Konsultation einge- die „Entwicklung eines kohärenteren EU- den Grundsätzen der Subsidiarität, der Ver- leitet.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 35 Europa Kroatien bald 28. Mitgliedsstaat? Kopfzerbrechen bereitet den EU-Abgeordneten der Umstand, daß sich die Mehrheit der Kroaten durch eine EU-Mitgliedschaft keine Vorteile für ihr Land verspricht. Foto: Suradnik13 / GNU Free Doc. License Diese Panorama-Aufnahme zeigt einen Überblick über Kroatiens Hauptstadt Zagreb, in der rund 1 Million Menschen leben. ie Beitrittsverhandlungen zwischen fung der Korruption sowie der strafrecht- mer nicht in ihre Heimat zurückgekehrt und DKroatien und der EU könnten in der lichen Verfolgungen zweier früherer Mini- verbleiben derzeit noch in Serbien. ersten Jahreshälfte 2011 erfolgreich beendet ster und eines früheren Premierministers Die kroatische Regierung solle den Pro- werden, sofern Kroatien am eingeschlage- anerkennen, bleibt ihrer Auffassung nach zeß der Neustrukturierung und der Privati- nen Reformkurs festhält. Dies bekräftigt das „Korruption in Kroatien weiterhin ein ernst- sierung von Schiffswerften beschleunigen, Parlament in einer am 16. Feber angenom- zunehmendes Problem“. Sie fügten hinzu, da es anderenfalls unmöglich werde, das menen Entschließung. Die größte Hürde daß bisher nur wenige Fälle von Korruption „Wettbewerbskapitel“ der Beitrittsverhand- könnte jedoch sein, der euroskeptischen gerichtlich verfolgt wurden. Die meisten lungen zeitgerecht abzuschließen, so die Bevölkerung Kroatiens die Vorteile einer Fälle gingen nicht über das Stadium von Abgeordneten. EU-Mitgliedschaft nahezubringen. Untersuchungen hinaus. Das Parlament for- Kopfzerbrechen bereitet den Abgeord- Der Kampf gegen Korruption, Hilfen für dert das Europäische Amt für Betrugsbe- neten der Umstand, daß sich die Mehrheit rückkehrende Kriegsflüchtlinge und die Re- kämpfung (OLAF) auf, eng mit den kroati- der Kroaten durch eine EU-Mitgliedschaft form der Schiffswerften gehören zu den Her- schen Behörden zusammenzuarbeiten, um keine Vorteile für ihr Land verspricht. Dies ausforderungen, mit denen das Land noch potentielle Folgeerscheinungen in Form hat die jüngste Eurobarometer-Umfrage konfrontiert ist. Die Abgeordneten würdigen sekundärer Korruption in EU-Institutionen ergeben. Deswegen fordern die Abgeordne- hingegen, daß im Hinblick auf Verfassungs- zu beleuchten. ten kroatische Behörden und die Zivilge- änderungen, Anpassungen des Rechtssy- Insgesamt wurden bei der Rücknahme sellschaft dringend auf, aktiv dafür einzutre- stems sowie der engeren Zusammenarbeit von Kriegsflüchtlingen Fortschritte erzielt ten und den Bürgern Kroatiens deutlich zu Kroatiens mit dem Internationalen Straftri- und die öffentliche Feindseligkeit gegenüber machen, daß „das europäische Projekt auch bunal für Ex-Jugoslawien beträchtliche zurückkehrenden Serben hat sich verringert, ihre Sache ist“. Kroatien hat seiner Verfas- Anstrengungen unternommen worden sind. heben die Abgeordneten positiv hervor. Den- sung gemäß eine Volksabstimmung über die Gleichzeitig merken sie kritisch an, daß der noch sind mehr Anstrengungen nötig. So Vorschläge für die EU-Mitgliedschaft abzu- Anfrage des Tribunals nach wichtigen mili- sollten etwa die rückkehrenden Flüchtlinge halten. Zudem finden im November 2011 tärischen Dokumenten bis jetzt noch nicht bei der Erlangung eines dauerhaften Aufent- Parlamentswahlen statt. nachgekommen worden sei. haltsstatus, beim Wiederaufbau von Wohn- Der Bericht wurde mit 548 Ja-Stimmen Das Parlament beglückwünscht Kroatien häusern und bei der Gründung von Wieder- gegen 43 Nein-Stimmen und 52 Enthaltun- zu dessen „beträchtlichen Fortschritten“ bei eingliederungsprojekten Unterstützung er- gen angenommen. der Einführung von Reformen, die für einen halten. Tausende Flüchtlinge sind noch im- http://www.europarl.eu EU-Beitritt unerlässlich sind, und merkt an: „Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien können in der ersten Hälfte 2011 unter der Voraussetzung abgeschlossen werden, daß die notwendigen Reformen weiterhin ent- schlossen durchgeführt werden.“ Im Hin- blick auf die stattfindenden Reformen des Rechtssystems betont der Berichtstext, daß es wichtig sei, rasch zu einer Verfolgung von Kriegsverbrechen und zu gelangen und for- dert, daß die Maßnahmen zum Zeugenschutz weiter verbessert werden.

Obwohl die Abgeordneten die Bemühun- Foto: Ezequiel Porta / GNU Free Documentation License gen der kroatischen Regierung zur Bekämp- Blick von der Stadt Senj auf die Adria-Küste im Norden Kroatiens

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 36 »Burgenland Journal« 90 Jahre – 90 Geschichten Eine Sonderausstellung im Landesmuseum in Eisenstadt erzählt Geschichten über das Land und seine Menschen. LH Hans Niessl eröffnete die Ausstellung, die bis 18. Dezember 2011 besichtigt werden kann.

Von Dieter Szorger *) Foto: KSB - Kultur-Service Burgenland GmbH Eine der 90 Geschichten: Ladislaus Almásy, aus Bernstein stammend, war Wüstenforscher, Pilot, Geheimagent, Direktor des Instituts für Wüstenforschung in Kairo und: Romanvorlage für »Der Englischer Patient«. Das Foto links zeigt ihn als deut- schen Offizier bei der Geheimoperation Salaam (1942), das Dokument weist ihn als Offizier der (ungarischen) Luftwaffe aus.

as Burgenland ist reich an Geschichten, Vielzahl an heimischen Burgen hängt sie einem neuen, von der „ungarischen Erblast“ DMythen und Legenden. Sie handeln von aber nicht zusammen. befreiten, Namen. Der Terminus „Heinzen- Menschen, die Großes bewirkt haben oder Als absehbar war, daß der als „Deutsch- land“ kam nicht in Frage, da er sich nur auf von Ereignissen, die das Land in besonderer Westungarn“ bezeichnete Landstreifen zu einen Teil der Landesbevölkerung bezog und Form geprägt haben. 90 solcher Geschichten Österreich kommen würde, suchte man nach er außerdem als Spottname galt. In Anleh- spürt das Landesmuseum in der Sonderaus- nung an „Siebenbürgen“ schlug der Neu- stellung „90 Jahre – 90 Geschichten“ nach. siedler Apotheker und Anschlußaktivist Dabei findet sich einiges Widersprüchliche, Adalbert Wolf bereits 1918 die Bezeichnung das sich in unserem kollektiven Gedächtnis „Vierburgenland“ – nach den vier Komitaten festgesetzt hat. Nach 90 Jahren ist die Zeit Eisenburg, Wieselburg, Ödenburg und gekommen, einige dieser Legenden kritisch Preßburg 2 vor. Nachdem Preßburg der neu zu hinterfragen. gegründeten Tschechoslowakei einverleibt wurde, entstand daraus „Dreiburgenland“, Der Name »Burgenland« kommt bis sich schließlich, der Einfachheit wegen, von den vielen Burgen im Land! der Name „Burgenland“ einbürgerte. Um die Namensgebung des Burgenlan- des ranken sich zwar etliche Mythen, mit der Die Ungarn haben uns Ödenburg gestohlen! *) Dieter Szorger ist Mitarbeiter der Abteilung 7 der Bis heute hält sich die Meinung, Ungarn Burgenländischen Landesregierung (Kultur, Wis- hätte uns Burgenländern unsere „natürliche“ senschaft und Bildung), und zeichnet, gemeinsam mit Pia Bayer, für die Gestaltung dieser Ausstellung Foto: KSB - Kultur-Service Burgenland GmbH Hauptstadt Ödenburg geraubt und bei der verantwortlich. Das Burgenländische Landesmuseum Volksabstimmung vom 14. bzw. 16. Dezem-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 37 »Burgenland Journal« Foto: Landesmuseum Burgenland Die Eisenstädter demonstrieren für ihre Stadt als Hauptstadt des Burgenlandes – mit Erfolg, denn am 30. April 1925 ent- scheidet sich der Landtag in diesem Sinne; 1929 kann das neuerrichtete Landhaus seiner Bestimmung übergeben werden. ber 1921 betrogen. 90 Jahre danach darf fest- Gemeinde Eisenstadt-Unterberg, Wilhelm Diese Geschichte wurde durch den „BF“- gehalten werden, daß es tatsächlich zu Mani- Schneider, flüchtete mit seiner Familie 1938 Redakteur Franz Probst im Burgenland be- pulationen, Wahlbetrug und Resultatsfäl- aus dem Burgenland in die USA. Angesichts kannt, der sie in einem Interview 1974 per- schungen gekommen ist. Dies alles fand seiner schwierigen wirtschaftlichen Lage sönlich von Schneider erzählt bekommen allerdings im Einverständnis mit höchsten verfaßte er einen Bittbrief an Fred Astaire, hatte. Die nicht vorhandene Beziehung zum österreichischen politischen Kreisen statt. da seine aus Mähren stammende Großmutter Burgenland wuchs im Laufe der Jahre auf- Die einfache Landbevölkerung in Ödenburg eine Tante von Fred Astaire war. grund journalistischer Freiheiten mehr und und den umliegenden Dörfern dürfte davon allerdings nichts gewußt haben. Bereits im Oktober 1921 einigten sich Bundeskanzler Johannes Schober und Mini- sterpräsident István Bethlen in Venedig auf die friedliche Räumung des Burgenlandes bei gleichzeitiger Abtretung Ödenburgs an Ungarn. Die Volksabstimmung von 1921 war also nur eine politische Inszenierung.

Fred Astaire ist der berühmteste Burgenländer! Fred Astaire wurde 1899 als Frederick Austerlitz in Omaha, Nebraska, geboren. Weder er, noch seine Familie stammten aus dem Burgenland. Sein Vater kam aus Linz, die Mutter aus den USA und es existieren nachweislich keine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Eisenstädter Zweig der

Austerlitz. Dennoch hielt sich lange Jahre Foto: ORF / Landesmuseum Burgenland das Gerücht über seine angebliche burgen- Dokument aus der jüngeren Vergangenheit: ORF-Interviews am Abend nach der ländische Herkunft, dessen Ursprung – wie Landtagswahl 2005 (v.l.) Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ), Johann Tschürtz (FPÖ), Landeshauptmann Hans Niessl (er erreichte die Absolute Mehrheit für die wir von Günter Unger wissen – folgender SPÖ), ORF Burgenland-Moderator, Landesrat Helmut Bieler (ÖVP) und Grete ist: Der letzte Bürgermeister der jüdischen Krojer (Grüne)

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 38 »Burgenland Journal«

mehr und so wurde aus Fred Astaire der be- rühmteste (leider) Nicht-Burgenländer.

Am 27. Juni 1989 wurde an der Grenze bei Sopron-Klingenbach der Eiserne Vorhang durchtrennt! Anfang Mai 1989 begann Ungarn mit dem Abbau der Grenzbefestigungen entlang der burgenländisch-ungarischen Grenze. Die Arbeiten gingen in einem derartig zügigen Tempo von statten, daß selbst die Presse-Ab- teilung des österreichischen Außenministe- riums überrumpelt wurde. Als man im Um- feld von Außenminister auf die Idee kam, gemeinsam mit den Ungarn den Eisernen Vorhang mediengerecht zu durch- trennen, mußte man feststellen, daß dieser bereits entsorgt war. Im Bereich Klingen- bach-Sopron ließen die Ungarn deshalb eigens ein Stück Stacheldraht wieder auf- bauen, um es in Anwesenheit der Herren

Außenminister Gyula Horn und Alois Mock Foto: ORF / Landesmuseum Burgenland sowie von Landeshauptmann Hans Sipötz Landeshauptmann Hans Niessl und Paul Iby, Bischof von Eisenstadt medienwirksam zu zerschneiden. Im An- schluß an den „Fall des Eisernen Vorhangs“ 1921 mit dem so genannten „Burgenland- Die gesetzliche Grundlage für die Aufteilung lud Landeshauptmann Sipötz alle Beteiligten gesetz“. Das war die Geburtstunde des Bur- des Burgenlandes bildete das „Gebietsverän- zu einem Empfang ins Schloß Esterházy. genlandes. derungsgesetz“ vom 1. Oktober 1938, das am Mock und Horn hatten ihren Platz in der Das Bundesland Wien wurde erst mit dem 15. Oktober 1938 in Kraft trat. In diesem Geschichte sicher und das Burgenland hatte Trennungsgesetz vom 29. Dezember 1921 Gesetz wurde das Burgenland offiziell das seinen – wenn auch nur kleinen – Beitrag da- und mit Wirkung vom 1. Jänner 1922 ein letzte Mal genannt. Erst am 1. Oktober 1945 zu geleistet. selbständiges Bundesland und ist somit das wurde das Burgenland mit wohlwollender jüngst Bundesland Österreichs. Unterstützung der russischen Besatzungs- Das Burgenland ist das jüngste macht wieder als eigenständiges Bundesland Bundesland Österreichs! Das Burgenland wird konstituiert. Das Bundesverfassungsgesetz vom 1. Ok- heuer 90 Jahre alt! tober 1920 zitiert im Artikel 2 die selbständi- Genau genommen wird das 1921 entstan- Das Burgenland ist das kleinste gen Bundesländer der Republik Österreich. dene Burgenland im Jahr 2011 83 Jahre alt. Bundesland Österreichs! Darunter findet sich auch das Burgenland. Sieben Jahre – vom 1. Oktober 1938 bis zum Wien ist mit 415 km² das kleinste und Die formale Errichtung folgte am 25. Jänner 1. Oktober 1945 – gab es kein Burgenland. mit 2601 km² das zweitkleinste Bundesland. Erst dann folgt das Burgenland, das mit 3965 km² das siebentgrößte Bun- desland Österreichs ist. Nimmt man allerdings die Einwohner- zahl als Bezugssystem, so stimmt die Be- hauptung. Das war aber nicht immer so. Als das Burgenland zu Österreich kam, war das Land nach Vorarlberg und Salzburg das drittkleinste Bundesland. 1961 wurde das Burgenland von Salzburg einwohnermäßig überholt. Erst die Bevölkerungsstatistik des Jahres 1981 weist das Burgenland mit 269.771 gegenüber Vorarlberg mit 305.164 Einwohnern als „kleinstes“ Bundesland Österreichs aus. Solche und ähnliche Geschichten finden sich in der Ausstellung „90 Jahre – 90 Ge- schichten“, der Jubiläumssonderausstellung

Foto: ORF / Landesmuseum Burgenland im Burgenländischen Landesmuseum. Eine »Maschine« des 17fachen Speedway-Staatsmeisters Pepi Kamper http://www.burgenland.at/90jahre

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 39 »Burgenland Journal«

andeshauptmann Hans Niessl ging in Lseiner Eröffnungsrede auch auf die poli- tische und wirtschaftliche schwierige Zeit vor 90 Jahren ein: „Viele hatten Zweifel, daß sich das Burgenland so entwickelt, wie es sich bis heute entwickelt hat. Das Burgenland ist ein modernes Land auf das wir stolz sind und das seinen Platz im Herzen Europas hat. Diese Ausstellung spiegelt auch wider, was die burgenländische Identität ausmacht.“ Aber wer waren die Schöpfer der burgen- ländischen Identität? Wer waren die wesent- lichen politischen Figuren? Welche Künstler schufen die beliebtesten Kunstwerke, die markantesten Texte, die schönsten Melo- dien? Welche sozialen Errungenschaften und welche gesellschaftliche Prozesse sind eng mit den Namen von Burgenländerinnen und Burgenländern verbunden? Wer sind die tra- gischen und die wirklichen Helden? Von wem ging die größte Gefahr für unser Land Der Begleitband zur Ausstellung »90 Jahre - 90 Geschichten« und die Ausstellung aus? Auf alle diese Fragen will die Ausstel- selbst sind mehr als einen Blick wert – davon überzeugte sich auch LH Hans lung Antworten geben. Ausgewählte Perso- Niessl bei der gemeinsamen Präsentation des Buches mit Kulturlandesrat Helmut Bieler, Josef Tiefenbach (r.) und Gerald Schlag (l.) nen und deren Exponate werden in Be- ziehung zu einer historischen Periode (z. B. Zum unterhaltsamen Geschichtsrundgang schaft und Archiv der burgenländischen Lan- Russenzeit) und einem Ereignis (z. B. An- für Kinder wird der Rundgang durch die desregierung, Josef Tiefenbach, und den schluß) gesetzt, die für das Burgenland von Ausstellung bei Rätselspielen und einem Ausstellungskuratoren Pia Beier und Dieter Bedeutung waren. Ein kurzer Text verbindet Burgenland-Quiz. Szorger, bei allen die mitgearbeitet haben, Person und Exponat mit dem Burgenland - die Ausstellung auf die Beine zu stellen, be- macht sozusagen eine „Geschichte“ daraus. »Historien-Krimi« danken“, so Kulturlandesrat Helmut Bieler Neben 90 Exponaten zeigt die Ausstellung „Viele Personen und historische Momen- bei der Eröffnung der Ausstellung. auch Fotos aus neun Jahrzehnten, die aus te haben das Land geprägt, einen Teil davon Wie spannend und lebendig Geschichte den Beständen des Burgenländischen Lan- rückt diese Ausstellung ins Zentrum. Ich ist, bewies der profundeste Kenner der bur- desarchivs sowie aus privaten Sammlungen möchte mich, stellvertretend beim Abtei- genländischen Geschichte, Gerald Schlag, stammen. lungsvorstand der Abteilung Kultur, Wissen- mit seinem Vortrag über die von wirtschaft- lichen und politischen Wirren gezeichneten Geburtsjahre des Burgenlandes. „Wir feiern heuer den 90. Geburtstag unseres Burgenlandes. Ein anfangs zusam- mengewürfelter Landstrich, mit uneinheit- licher Struktur aber kultureller Vielfalt. Es war den Generationen nach 1921 bestimmt, diesen Landstrich zu einen und ein burgen- ländisches Landesbewußtsein in den Herzen der Menschen zu verankern. In der Sonder- ausstellung begegnen uns viele individuelle, zugleich aber auch historische Momente und Persönlichkeiten, die dazu beigetragen ha- ben. Heute blicken wir mit Stolz auf ein modernes und weltoffenes Land“, so der Kulturlandesrat.

Ausstellung zum Nachlesen Die Ausstellung „90 Jahre – 90 Geschich- ten“ gibt es auch zum Nachlesen. Der Be- Fotos: Bgld. Landesmedienservice gleitband zur Schau ist zum Preis von 18 Euro Josef Tiefenbach, Leiter der Kulturabteilung des Landes, die Kuratoren Pia Bayer im Shop des Burgenländischen Landesmu- und Dieter Szorger, Kulturlandesrat Helmut Bieler und Kulturvermittlerin Elisabeth Lackner mit einem Trabi, der 1989 anlässlich der Massenflucht von DDR-Bürgern seums oder unter [email protected] an der ungarisch-burgenländischen Grenze zurückblieb. per E-Mail erhältlich.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 40 »Burgenland Journal« Kittsee wird Universitätsstandort Kittsee im Nordburgenland wird zum Knotenpunkt grenzüberschreitender Wissenschaftseinrichtungen.

as im geografischen Dreiländereck lie- Dgende Kittsee erhält noch dieses Jahr einen Cluster europäischer Partneruniversi- täten, der in Folge zu einer eigenständigen Universität geformt wird. Federführende Unterstützung kommt von der Corvinus- Universität Budapest. Weitere namhafte Institute und Wissenschafter haben bereits ein Dokument zur Zusammenarbeit unter- zeichnet. Es handelt sich dabei um ein Pro- jekt der „Europäischen Territorialen Zusam- menarbeit“, das gemeinsam mit dem Re- gionalmanagement Burgenland (RMB) durchgeführt wird. „Die guten Erfahrungen mit einem klei- neren, vergleichbaren Expositurmodell der Foto: Bgld. Landesmedienservice Kunstuniversität Graz in Oberschützen v.l.: Rektor Prof. Giselher Guttmann, Prof. Georg Nogradi, Prof. Agnes Hofmeister, haben das Land Burgenland darin bestärkt, Landeshauptmann Hans Niessl und Prof. Erich Wendl die Initiative der Corvinus-Universität Bu- kann der Studienbetrieb sofort aufgenom- nanziert. Zur Abdeckung weiterer Investitio- dapest maßgeblich zu unterstützen und mit men werden. Nach einer Überprüfungsphase nen und Betriebskosten werden entsprechen- weiteren Partneruniversitäten gemeinsam der Studiengänge und dem Einfließen von de Investoren ins Kalkül gezogen. ein CENTROPE- und Donauraum-Projekt „Best Practice“-Erfahrungen sollen diese in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit einer weiteren Phase angepasst und nach Burgenland eröffnet Absolventen in Wissenschaft und Forschung zu realisie- einer Bedarfserhebung in ein Akkreditie- attraktive Chancen am Arbeitsmarkt ren. rungsverfahren übergeleitet werden. Ange- Bis zur Realisierung des Zieles einer Die künftige Universität in Kittsee erfüllt strebt wird, auf den Studiengängen der Part- „Europäischen Universität“ ist das Rechts- das EU-Programmziel nach einer Intensivie- neruniversitäten basierend, Excellenzstudien- konstrukt einer Privatuniversität angedacht. rung grenzüberschreitender Kooperationen gänge bzw. ein europäisches Universitäts- Seit dem Jahr 1999 ist es in Österreich mög- und stellt darüber hinaus einen bedeutenden zentrum im Hinblick auf Forschung, Lehre lich, Privatuniversitäten einzurichten. Der- Beitrag zur Weiterentwicklung eines ge- und Ausstattung zu etablieren, welches als zeit gibt es in Österreich zwölf akkreditierte meinsamen Bildungsraumes in der Euro- europäische Musteruniversitätsinitative her- Privatuniversitäten mit rund 6000 Studie- päischen Union dar“, so Landeshauptmann angezogen werden kann. renden. Darunter befinden sich 62 Prozent Hans Niessl. Für die wissenschaftliche Leitung dieses inländische sowie 38 Prozent ausländische Um den Aufbau der wissenschaftlichen Universitäts Clusters konnte der renommier- Studierende. Österreichs Universitäten wer- Lehre und Forschung sicherzustellen, wurde te österreichische Wissenschafter Univ.- den als bedeutende Säule in der heimischen ein Errichtungsverein gegründet, der die or- Prof. Giselher Guttmann gewonnen werden. Bildungslandschaft gesehen. Auf der Grund- ganisatorische und rechtliche Basis bildet, lage eines breiten Bildungshorizontes bilden um das Schloß Kittsee für den Aus- und Wei- Kosten für Adaptierung und diese Einrichtungen markt-, bedarfsorien- terbildungsbetrieb tauglich zu machen. Mit Renovierung des Schlosses tiert und in zukunftsweisenden Fachberei- den entsprechenden Adaptierungsmaßnah- Der Finanzbedarf für die Ausgestaltung chen aus. Das eröffnet den Absolventen men wird voraussichtlich Mitte dieses Jahres des Schlosses Kittsee als universitäre Ein- attraktive Chancen am Arbeitsmarkt. Das begonnen. Den Schwerpunkt der wissen- richtung beträgt rund 1,6 Mio. Euro, die in Land Burgenland unterstützt die Installie- schaftlichen Lehre und Forschung werden Form einer EU-Förderung aufgebracht wer- rung einer länderübergreifenden Europauni- die Themenstränge „Sicherheit“, „Infra- den. Diese Gelder fließen in die Adaptierung versität als Weiterentwicklung des europäi- struktur“, „Gesundheit“ sowie „Öffentliche und Renovierung des historischen Schlosses schen Gedankens. So repräsentiert die künf- Verwaltung“ mit dem Fokus „Akademisie- Kittsee. Davon kommen 1,3 Mio. Euro von tige Universität in Kittsee nicht nur europäi- rung der Sicherheit“ bilden. österreichischer Seite, 0,3 Millionen Mio. sche Lehre und Forschung, sondern auch Mit den akkreditierten Baccalaureats-, von Ungarn. Die 1,3 Mio. Euro von Öster- einen zentral- und donaueuropäischen Be- Master- und Doctor of Philosophy- Studien- reich werden zu 85 Prozent durch die EU gegnungsraum auf höchstem Niveau. gängen der jeweiligen Partneruniversitäten und zu 15 Prozent vom Land Burgenland fi- http://www.schloss-kittsee.at/classic/home.htm

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 41 »Burgenland Journal« IRE-Konferenz in Güssing Positive Erfahrungen österreichischer Gemeinden mit der EU – EU-Regionalfonds helfen den Gemeinden

ie Frage, welche Erfahrungen die Re- Dgionen und Gemeinden Österreichs, Ungarns und Sloweniens innerhalb der EU bisher gemacht haben, stand im Mittelpunkt einer Fachkonferenz des Instituts der Regio- nen Europas (IRE) am 11. Februar in Güs- sing. Diese Konferenz gehört zum Pro- gramm des EU-Projektes „Lucky Four Leaf Clover“, das vom IRE bis November 2011 durchgeführt wird. Vertreter aus sieben euro- päischen Ländern waren unter den rund 100 Teilnehmern der Konferenz. Die Veranstal- tung sollte vor allem den Vertretern aus dem Kandidatenland Kroatien und der Regionen Bosnien-Herzegowinas wichtige Informatio- nen auf ihren Weg zur EU mitgeben. Gerade das in ganz Europa bekannte Zen- Generalsekretär Andreas Kiefer, Kongreß der Gemeinden und Regionen des Euro- parates, Generalsekretär Hofrat Robert Hink, Österreichischer Gemeindebund, trum für erneuerbare Energie in Güssing Landtagsabgeordneter Leo Radakovits, Präsident des Burgenländischen Gemeinde- (siehe: Beitrag „Öko-Weltmeister“ in der ÖJ- bundes, Landeshauptmann-Stv. Franz Steindl, Land Burgenland, und Landeshaupt- Ausgabe 87) sei ein besonders gutes Bei- mann a.D. Univ. Doz. Franz Schausberger, IRE Vorstand, Mitglied des Ausschusses spiel, wie mit Unterstützung aus den EU- der Regionen (AdR) (v.l.) Fonds auch in entlegenen Regionen durch Burgenlands Landeshauptmann-Stellver- lung des ländlichen Raums (ELER) konnten Innovation Arbeitsplätze geschaffen und treter Franz Steindl unterstrich die große bis Ende 2009 die meisten Investitionen ge- Betriebe angesiedelt werden können, erklär- Bedeutung der EU-Regionalförderung für tätigt werden – fast 29.000 Förderakte mit te der Bürgermeister von Güssing, Peter seine Region in den letzten Jahren und be- Förderungen über 195 Mio. Euro wurden Vadasz. tonte die Notwendigkeit der verstärkten genehmigt. Marc Botman, Abteilungsleiter aus der grenzüberschreitenden regionalen Zusam- Die regionale Verteilung der geförderten Generaldirektion Regionalpolitik der Euro- menarbeit. Das Burgenland habe die beiden Projekte zeige, daß etwa 36 % der Förde- päischen Kommission, gab einen umfassen- Ziel 1-Phasen gut genutzt – und sei jetzt rungen ins Mittel- und Südburgenland ge- den Bericht über die Förderung der Regio- dabei, Projekte im Phasing-Out umzusetzen. hen, 33 % ins Nordburgenland. In Summe nen in Österreich, Ungarn und Slowenien. Im Phasing-Out wurden 1607 Projekte mit standen und stehen von 1995 bis 2013 somit Das Ziel sei, die wirtschaftlichen und sozia- Projektkosten von über 180 Mio. Euro be- mehr als 1 Mrd. an EU-Mitteln zur Verfügung. len Ungleichheiten der verschiedenen Re- willigt. Die Fördersumme beläuft sich auf Die nationale Kofinanzierung durch Bund gionen durch gezielte Förderungen auszu- 81,2 Mio. Euro. Im Programm des Europäi- und Land beträgt nochmals knapp 1 Mrd. gleichen. schen Landwirtschaftsfonds für die Entwick- Euro. Die Zahl der Beschäftigten konnte in Alle Fotos: Institut der Regionen Europas (IRE) Lajos Tombi, Stadt Zalaegerszeg (Ungarn), Toma Kancler, Vizebürgermeister der Stadt Maribor (Slowenien), Josip Mihalic, Abteilungsleiter EU Regionalfonds in Maribor (Slowenien), Moderator Walter Reiss, ORF Burgenland, Landeshauptmann-Stv. Franz Steindl, Land Burgenland, Peter Vadasz, Bürgermeister der Stadtgemeinde Güssing, und Wolfgang Renezeder, Leiter des Referats III. 1.a, EU Grundsatzfragen, BMeiA, Wien (v.l.)

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 42 »Burgenland Journal« den letzten Jahren sukzessive gesteigert wer- den – sie betrug im Jahr 2001 80.971, 2008 wurde erstmals die 90.000-Marke über- sprungen. Steindl wies darauf hin, daß gemeinsam mit den ungarischen Nachbarn das Pannonische Kompetenzzentrum für Feuerwehrwesen und Katastrophenschutz errichtet wurde und ein neues Brandausbil- dungszentrum gebaut wurde. Auch das Tourismusland Burgenland würde anders aussehen, hätte es nicht För- derungen von der EU gegeben – etwa beim Ausbau der Thermen-Infrastruktur, der nur mit Hilfe der EU erreicht werden konnte. Heute ist das Burgenland mit den Thermen in Frauenkirchen, Lutzmannsburg, Bad Tatz- mannsdorf und Stegersbach eine der ersten Gesundheits- und Wellnessdestinationen im Teilnehmer der IRE Fachkonferenz in Güssing u.a. Georg Krauchenberg, Regional Land. Manager AWO-Südosteuropa, WKÖ, Landtagsabgeordneter Leo Radakovits, Präsi- Mit Hilfe der EU konnten in den letzten dent des Burgenländischen Gemeindebundes, Generalsekretär Hofrat Robert Hink, Jahrzehnten aber auch viele Initiativen im Österreichischer Gemeindebund, Landtagsabgeordneter Helmut Sampt, Bürger- Kulturbereich gesetzt werden, etwa das meister der Marktgemeinde Neuhaus/Klausenbach Franz Liszt-Zentrum in Raiding. Mihalic vom slowenischen Ministerium für Güssing weitere Kooperationen auf regiona- Grenzüberschreitende Kontakte und Be- lokale Selbstverwaltung und Regionalpolitik ler und lokaler Ebene entstehen mögen. gegnungen werden in den Grenzgemeinden und Wolfgang Renezeder vom österreichi- speziell im Schulbereich und in den Kinder- schen Außenministerium über die Erfah- Über das IRE gärten gepflegt durch einen regen Austausch rungen mit der EU. Das Institut der Regionen Europas (IRE) mit den ungarischen, den slowakischen und Der zweite Teil der Konferenz unter der ist ein wissenschaftliches Institut mit Sitz in slowenischen Nachbarn. Leitung des Geschäftsführers der Central Salzburg (Österreich) und ist Teil der im Nun gehe es darum, sich auf die neue Danube Region, Andreas Hopf, war ganz Herbst 2004 gegründeten Institut der Regio- Förderperiode nach 2013 vorzubereiten. Die konkreten Beispielen von EU-Projekten im nen Europas (gemeinnützige) Privatstiftung. EU-Kommission wolle Länder als Über- Grenzgebiet Österreich-Ungarn-Slowenien- Mit der Gründung des IRE wurde eine gangsregionen definieren, die beim Brutto- Kroatien gewidmet. Die Vielzahl von erfolg- überregionale und überparteiliche Einrich- regionalprodukt zwischen 75% bis 90% lie- reichen Projekten war beeindruckend und tung geschaffen, die sich im erweiterten gen. Von dieser Regelung würde auch das zeigte, daß auf der kleinen lokalen Ebene das Europa der Aufgabe stellt, der zunehmenden Burgenland profitieren, erklärte Steindl. gemeinsame Europa sehr konkret gelebt Bedeutung der Regionen und Gemeinden – Der Generalsekretär des Kongresses der wird. So informierte der Bürgermeister der auch auf der Basis des Vertrages von Lis- Gemeinden und Regionen im Europarat, An- burgenländischen Kleingemeinde Bildein sabon – Rechnung zu tragen, vorhandene dreas Kiefer, gab interessante Informationen darüber, daß er schon seit langem mit zwei Informationsdefizite abzubauen, sich der darüber, welche Voraussetzungen und Krite- ungarischen Nachbargemeinden sogenannte vielfältigen Problemstellungen anzunehmen rien für eine lokale und regionale Selbst- „Zaungespräche“ durchführe, ein „Geschich- und zu versuchen, die möglichen wirtschaft- verwaltung nach europäischem Standard er- tehaus“ gebaut habe und ein „Grenzer- lichen Potenziale der regionalen, aber auch füllt sein sollten. fahrungsweg“ in Errichtung sei. Außerdem überregionalen Zusammenarbeit der Regio- Jürgen Gmelch von der Vertretung der gäbe es regelmäßig grenzüberschreitende nen Europas zu nutzen. Europäischen Kommission in Österreich Treffen der Jugendlichen der benachbarten Ein wichtiger Bereich ist dabei die verwies darauf, daß der durch viele populi- Gemeinden. Viele der Aktivitäten sind nur Schaffung von Netzwerken zwischen Regio- stische Falschmeldungen geschürten Skepsis durch Unterstützung aus den EU-Fonds nen, Kommunen und anderen Bereichen des gegenüber der EU vor allem durch die Un- möglich geworden. Weitere sehr positive öffentlichen Handelns sowie der Wirtschaft terstützung der EU seitens der Politiker auf Beispiele für grenzüberschreitende Projekte zur Durchsetzung ihrer Interessen. Dies gilt Gemeinde- und Regionalebene entgegenge- seien der Drei-Länder-Naturpark Raab- vor allem für die neuen Mitgliedsstaaten als treten werden kann. Er begrüßte daher die Orseg-Goricko, über den Helmut Sampt auch für die Beitrittskandidaten der nächsten Aktion „EU-Gemeinderäte“ des Österreichi- berichtete, sowie der Gewerbe- und Industrie- Aufnahmerunde bzw. für jene Staaten, die schen Gemeindebundes, dessen Generalse- park in Szentgotthard oder die Wellness- und diesen Status anstreben. Die Mitglieder und kretär Robert Hink ebenfalls an der Kon- Wallfahrtswegprojekte in Krapina. Unterstützer des Institutes der Regionen ferenz teilnahm. Der Präsident des Instituts der Regionen Europas (IRE) sind einerseits – neben der Unter der Moderation von Walter Reiss Europas, Franz Schausberger, appellierte an Republik Österreich – Regionen, Städte und vom ORF-Burgenland diskutierten schließ- alle, die Europäische Integration vor allem Gemeinden Europas und andererseits bedeu- lich Vertreter von ungarischen, slowenischen als Chance zu sehen und diese auch zu nüt- tende Wirtschaftsunternehmen. und österreichischen Gemeinden sowie Josip zen und hoffte, daß aus dem Treffen in http://www.institut-ire.eu

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 43 »Burgenland Journal« Bundesamt für Weinbau setzt verstärkt auf Forschung ir konnten im BAWB durch innovati- Wve Weiterentwicklung in den vergan- genen Jahren Kompetenz aufbauen und das wird auch geschätzt. Durch Fachkompetenz bleiben wir auch wettbewerbsfähig“, sagte der Direktor des Bundesamts für Weinbau, Walter Flak, bei einem Treffen mit Landes- hauptmann Hans Niessl. Gemeinsam mit dem Land will man künftig verstärkt auf Forschung setzen. Aber auch im Bereich des Tourismus soll es Vernetzungen geben. Das BAWB wurde 1983 in Form der Weinabteilung Burgenland, damals noch als Außenstelle der Landwirtschaftlich-chemi- schen Bundesanstalt, in Eisenstadt gegrün- det. Nach nur sechs Jahren erfolgte bereits die Aufwertung zur selbständigen Bundesan- stalt für Weinbau. Seit 1994 ist das Institut als BAWB tätig. Es ist mit allen Standard- untersuchungsmethoden ausgestattet und ge-

hört somit zu den modernen Weinuntersu- Foto: Bgld. Landesmedienservice chungszentren in Europa. „Die vergangenen Landeshauptmann Hans Niessl und Hofrat Walter Flak vom BAWB setzen künftig Jahre waren von einem großen strukturellen verstärkt auf Forschung. Wandel geprägt. Früher konnten am Tag et- und den Außenstellen beschäftigt. „Schwer- zur positiven Entwicklung des Burgenlandes wa zwölf Proben untersucht werden – heute punkte der Tätigkeit sind neben der Kon- beigetragen und Riesenimpulse im Bereich sind es rund 65.000 Proben jährlich. Durch trolltätigkeit und der Qualitätsprüfung im des Tourismus gesetzt. Künftig wollen wir die moderne Serienanalytik sind 400 Wein- Weinbereich insbesondere Beratung der die Stärken des Landes, Wein, Natur und die untersuchungen am Tag möglich“, gibt Flak Weinwirtschaft, sowie Forschungstätigkeit Thermen noch mehr vernetzen, um das Einblick in die Tätigkeit seines Instituts, das im gesamten Önologiebereich“, erklärt Flak. Burgenland als Urlaubsland zu attraktivie- heute rd. 80 MitarbeiterInnen in Eisenstadt „Die Weinwirtschaft hat sehr wesentlich ren“, so Landeshauptmann Hans Niessl. Ne- ben der verstärkten Zusammenarbeit der Weinwirtschaft mit dem Tourismus soll im BAWB der Forschungsanteil gehoben wer- den. „Forschung und Innovation sind die Themen für die Zukunft der burgenländi- schen Wirtschaft. Das Ziel kann nur lauten eine schrittweise Verbesserung der For- schungs- und Innovationsquote herbeizufüh- ren und so die Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen anzustreben“, unterstrich Niessl. Das gelte auch für die Weinwirt- schaft. Um die künftige Wettbewerbsfähig- keit der Burgenländischen Unternehmen si- cherzustellen, wird das Land Burgenland im Rahmen seiner Förderprogramme insgesamt rund 50 Millionen Euro für Forschung und Innovation für Klein- bis zu Großbetrieben einsetzen. Das BAWB und der burgenländi- sche Weinbau will die Forschung auf einige für den österreichischen Weinbau besonders

Foto: BMLFUW wichtige Bereiche fokussieren und den Die Böden eignen sich besonders für die Kultivierung von Rotwein im Hauptpro- Forschungsanteil von derzeit sieben Prozent duktionsgebiet Südöstliches Flach- und Hügelland des Burgenlands. heben.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 44 »Burgenland Journal« Eisenstadt: Haus der Generationen »Der Mensch steht im Mittelpunkt« – das ist das Motto des Eisenstädter Generationenviertels.

eit August 2009 wurde an der letzten Bau- Setappe, der Anlage für betreutes Wohnen mit dem „Haus der Generationen“, gebaut. Die Bauarbeiten liegen nun im Endspurt und werden am 1. April beendet sein. Dann be- herbergt das Generationenviertel ein Pflege- heim, Tagesbetreuung, betreutes Wohnen, das „Haus der Generationen“ und einen Kin- dergarten mit Kinderkrippe. Ältere Menschen, die in Eisenstadt ihre Pension genießen und Hilfe schnell und be- quem in Anspruch nehmen können, wenn sie wollen oder müssen, aber auch Menschen aller Altersgruppen, vom Kleinkind bis zu den Eltern – im Eisenstädter Generationen- viertel begegnen sich Menschen aller Gene- rationen ganz selbstverständlich im Alltag, Foto: Magistrat Eisenstadt lernen voneinander und erfahren Unterstüt- Das »Haus der Generationen« in Eisenstadt bei der Gleichenfeier im Mai 2010 zung. Das Miteinander kann für alle nur ein Gewinn sein. im medizinisch-pflegerischen Bereich in Gebäude wurde von der „Neuen Eisenstäd- „Als Bürgermeisterin bin ich stolz, daß Anspruch genommen werden“, schildert der ter“ als Bauherr errichtet. Zurzeit stehen mit dem Generationenviertel ein in Öster- Vorsitzende des Eisenstädter Seniorenbei- noch 8 Einzimmerwohnungen mit rund 50 reich einzigartiges Projekt des Zusammen- rats, Gemeinderat Hans Skarits. m² Wohnfläche zur Verfügung. lebens entsteht. Alte Menschen werden sich „Wir wollen unseren älteren Mitmen- „Die Idee ist, wie der Name schon verrät, mit Jungfamilien und Kindern im neuen schen so viel Selbständigkeit wie möglich, die Begegnung mehrerer Generationen. Das ,Haus der Generationen‘ bei zahlreichen jedoch auch soviel Hilfestellung und ärztli- bedeute ein Miteinander von Kindergarten, Veranstaltungen begegnen. Es bietet die Mög- che Betreuung wie nötig bieten. Ob die Se- Betreutem Wohnen und Pflegeheim. Denn lichkeit zur vielfältigen Interaktion von Men- nioren nun ganz ohne fremde Hilfen leben jede Generation hat ihre Stärken. Wir möch- schen verschiedenen Alters. Das Zusam- wollen und können, ob sie nur für kleine ten diese Stärken gemeinsam finden und ent- menleben fördert die Toleranz und das Handgriffe oder Einkäufe jemanden benöti- decken, wie wir sie für andere nutzbar ma- Verständnis zwischen den Generationen“, gen, ob sie vielleicht dauernd auf medizini- chen können. Wir wollen voneinander ler- freut sich Bürgermeisterin Andrea Fraun- sche Betreuung angewiesen sind – es wird nen, miteinander leben und einander unter- schiel. alles geboten, was gebraucht wird, ohne je- stützen“, erklärt Bürgermeisterin Andrea „Manchmal ist es im Alter nicht mehr doch diese Betreuung aufzudrängen. Die Un- Fraunschiel. möglich, ohne Hilfe alleine zu leben – man abhängigkeit bleibt in jedem Fall gewahrt. Eines der ersten Projekte im neuen Haus möchte jedoch in vertrauter Umgebung blei- Aber niemand muß Angst haben, alleine zu der Generationen wird ein Oma/ Opa-Kurs ben. Das konventionelle Altersheim ist längst sein, wenn Hilfe notwendig wird“, erklärt sein. Seit 1. Jänner 2009 ist die steuerliche nicht mehr der einzige Ort, um alt zu wer- Gemeinderat Werner Klikovits, Vorsitzender Absetzbarkeit von Kinderbetreuung mög- den, denn die ,eigenen vier Wände‘ geben des Sozialausschusses. lich. Eltern und Erziehungsberechtigte kön- Geborgenheit und ermöglichen Rückzug. Die Anlage für Betreutes Wohnen verfügt nen Betreuungskosten bis zu einer Höhe von Für ältere Menschen, die aus gesundheit- über 30 Wohneinheiten zwischen 50 m² und 2300 Euro pro Jahr und Kind steuerlich gel- lichen Gründen oder aufgrund des Lebens- 79 m². Dazu kommen noch ein gemeinsamer tend machen. Diese Möglichkeit wird aber alters Hilfe bei der eigenen Haushaltsfüh- Aufenthaltsbereich mit Therapie-, Fitness- nur spärlich in Anspruch genommen. Grund rung benötigen und nicht in ein Heim umzie- und Spielraum sowie ein Ärztezimmer. Auch ist unter anderem, daß die Betreuungs- hen wollen, ist die Wohnform des betreuten modernste technische Ausstattung (Telefon, personen – oft Omas oder Opas – einen Kurs Wohnens eine gute Alternative. Sie bietet Sat-TV, Internet, Notrufanlage...) gehören zur Befähigung nachweisen müssen. Eben Eigenständigkeit bis an das Lebensende. zum Angebot. Weiters sind die Wohnungen dieser Kurs wird im Haus der Generationen Gleichzeitig können nach Wunsch bestimm- barrierefrei gestaltet und verfügen über eine angeboten. te Hilfen bei alltäglichen Verrichtungen oder Loggia/Terrasse sowie ein Kellerabteil. Das http://www.eisenstadt.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 45 »Burgenland Journal« Landesauszeichnung für verdiente Persönlichkeiten n Anwesenheit zahlreicher Gäste aus IPolitik, Wirtschaft und Verwaltung fand im Landtagssitzungssaal die Landesehrenzei- chen- und Berufstitelverleihung an verdiente Persönlichkeiten statt. Insgesamt 19 Perso- nen wurden von Landeshauptmann Hans Niessl und Landeshauptmannstellvertreter Franz Steindl im Namen der burgenländi- schen Landesregierung ausgezeichnet. „Es ist dies ein Zeichen des Dankes, der Wert- schätzung und der Anerkennung für beson- dere Verdienste. Sie haben durch Kompe- tenz, Einsatzbereitschaft und Idealismus Großartiges für unser Land geleistet“, beton- te der Landeshauptmann. Der langjährige Präsident des burgenländischen Landtages, Walter Prior, wurde mit dem höchsten Ehrenzeichen des Landes Burgenland, dem Foto: Bgld. Landesmedienservice Komturkreuz mit Stern, ausgezeichnet. Un- LH-Stv. Franz Steindl, Walter Prior und LH Hans Niessl (v.l.) ter den Geehrten sind auch zwei Unter- nehmer: Mario Müller, Chef des Family- es Persönlichkeiten, die besonderes viel zum Stellvertretend für alle Ausgezeichneten parks Neusiedlersee in St. Margarethen, so- Aufstieg beigetragen haben. Und wir freuen ergriff der frischgebackene Träger des Kom- wie Michaela Koch, deren familieneigener uns, daß es auch außerhalb des Burgenlandes turkreuzes mit Stern und langjähriger Präsi- Baustoffgroßhandel zu den größten Handels- immer wieder Menschen gibt, die sich für dent des burgenländischen Landtages, Walter betrieben des Landes zählt. unsere Anliegen einsetzen.“ Die geehrten Prior das Wort: „Wir nehmen die Auszeich- Man könne stolz darauf sein, so der Lan- Personen zeichnen Engagement und Einsatz nungen nicht nur für uns persönlich entge- deshauptmann weiter, wie sich das Burgen- die weit über das übliche Maß hinausgehen gen, sondern auch für unsre Familien, unse- land in den vergangenen Jahrzehnten ent- aus, so Niessl: „Dafür möchte ich mich heute re Mitarbeiter und allen die mitgeholfen ha- wickelt habe: „Das ist eine ganz große ge- bedanken. Ich hoffe, daß sie dem Burgen- ben. Ich möchte mich im Namen aller bedan- meinsame Leistung aller Burgenländerinnen land weiter gewogen bleiben, und daß wir ken.“ und Burgenländer. Aber immer wieder gibt gemeinsam für dieses Land weiterarbeiten.“ http://www.burgenland.at Nachhaltiges Bauen mit Holz prämiert er burgenländische Tagwerksplaner und DParadearchitekt Richard Woschitz wur- de mit dem „Wiener Ingenieurpreis“, der 2008 von der Stadt Wien gemeinsam mit der Kammer der Architekten und Ingenieurkon- sulenten für Wien, Niederösterreich und Burgenland ins Leben gerufen wurde, prä- miert. Zahlreiche Persönlichkeiten, mit Lan- deshauptmann Hans Niessl und Landtags- präsident Gerhard Steier an der Spitze, stell- ten sich im Büro von „Woschitz Enginee- ring“ in Eisenstadt als Gratulanten ein. Mit dem „Wiener Ingenieurpreis“ soll ein wichtiges und innovatives Werk, ein Projekt oder das Lebenswerk eines Ingenieurs ausge- zeichnet werden, das einen weitreichenden

Impuls für die Gesellschaft bewirkt hat. Mit Foto: Bgld. Landesmedienservice der Vergabe des Preises soll auf die Leistun- 3. Landtagspräsident Manfred Moser, LR Peter Rezar, Landeshauptmann Hans gen und das Können der Ingenieure aufmerk- Niessl, Architekt Richard Woschitz, LR Helmut Bieler, Landtagspräsident Gerhard sam gemacht sowie ihr Stellenwert in der öf- Steier und SP-Klubobmann Christian Illedits (v.l.) fentlichen Wahrnehmung verbessert werden. und zeitgemäße Holz-Wohnbauten. Zu den Wohnhausanlagen Podhagskygasse und Kel- Ausgezeichnet wurde Woschitz insbesondere bekanntesten Leistungen von Woschitz für lerberggasse sowie der begehbare Holzturm für seine Leichtbaukonstruktionen aus Holz den modernen Holzbau in Wien zählen die „bahnorama“ in der Favoritenstraße.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 46 »Burgenland Journal« MonA-Net – Mädchen online im Fokus as 2003 als gemeinsames INTERREG WIIIA Projekt von Burgenland und Ungarn startete, ist mittlerweile eine unver- zichtbare Einrichtung und durch Vorbildwir- kung als Idee österreichweit aufgegriffen worden. Die Rede ist von „MonA-Net“, einem Online-Netzwerk, das vor allem Mäd- chen und junge Frauen anspricht und ihnen die Möglichkeit gibt, sich zielgruppenge- recht zu informieren. „MonA-Net“ wird aus Mitteln des Bundesministeriums für Frauen, des Frauenbüros des Landes Burgenland und des AMS finanziert, ist nicht kommerziell und wird redaktionell, medien- und sozialpä- dagogisch betreut. „MonA-Net“ versucht Mädchen in jeder Hinsicht zu stärken und vermittelt ihnen die Kraft, für ihre Rechte einzustehen. „MonA- Foto: Bgld. Landesmedienservice Net“ sieht Mädchen und junge Frauen im Projektleiterin Jutta Zagler (l.) und Frauenlandesrätin Verena Dunst Mittelpunkt. Die Online-Plattform infor- koordinatorin Jutta Zagler berichtete, von hen, Hilfe suchen. „MonA-Net“ möchte aber miert über Themen, wie untypische Frauen- Anbeginn einen sehr großen Zulauf und nicht nur online helfen, sondern die Mäd- berufe und Karriere, aber auch über Verhü- erfreut sich immer größerer Beliebtheit. chen und jungen Frauen auch im wirklichen tung, persönliche und familiäre Probleme Dunst hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit- Leben begleiten. Deshalb werden an Schu- oder Eß-Störungen. Ziel ist es, unter ande- tels „MonA-Net“ Mädchen dabei zu unter- len und verschiedenen Veranstaltungsorten rem, die Userinnen mit Mentorinnen und stützen, selbständig und eigenverantwortlich kostenlose Workshops abgehalten. Projekt- „role models“ stärker zu vernetzen um somit zu werden und den eigenen Lebensweg aktiv schwerpunkte sind die Berufs-, Bildungs- ihre Selbstbestimmung und Partizipation zu zu gestalten. Die meisten der mittlerweile und Lernberatung inklusive Bewerbungstrai- fördern. Information und Bewußtseinsbil- 5400 Mitglieder sind zwischen 15 und 18 ning, Workshops zur Berufsorientierung, dung stehen im Vordergrund. Jahren alt. Die Alterstruktur deutet darauf Selbstbewußtseinstraining, Psychologische Diese Online-Plattform hatte, wie Frauen- hin, daß gerade Mädchen und junge Frauen, Betreuung und Mädchenberatung. landesrätin Dunst gemeinsam mit Projekt- die vor einer beruflichen Entscheidung ste- http://www.mona-net.at Faschingsnarren und Bräuche in der Region Neusiedler See er Höhepunkt der närrischen Zeit naht Dwiederum. Jubel, Trubel und Heiterkeit verbreiten die in den Straßen herumziehen- den Faschingsnarren. Ob Sie als solcher da- bei sind oder die originellen Kostüme und Faschingswägen bestaunen – einer darf bei keinem fehlen – der Faschingskrapfen. Um die Entstehung des Faschingskrapfens gibt es ja verschiedene Geschichten: Der Verzehr von Krapfen wurde einst kurz vor Beginn der Fa- stenzeit ausdrücklich zur Stärkung empfoh- len, damit auch das ärmere Volk noch genug Fett zu sich nahm, um die 40 Tage dauernde Fastenzeit gut zu überstehen. Eins steht je- denfalls fest: wer auch immer den Faschings- krapfen erfunden hat – er schmeckt köstlich! Der Faschingsdienstag als letzter Tag vor dem Beginn der Fastenzeit stellte früher den Foto: Bgld. Landesmedienservice Höhepunkt des närrischen Treibens in der Jubel, Trubel und Heiterkeit verbreiten die herumziehenden Faschingsnarren. Fastenzeit dar. Heute hat sich das Narren- Am Faschingsdienstag endet die Zeit des Begrabens fortgeführt: Eine kostümierte treiben auch auf den Faschingssamstag und Schlemmens und Trinkens, des ausgelasse- Puppe, die alle Laster der Faschingszeit in den Faschingssonntag mit Faschingsum- nen Feierns und Tanzens. In manchen Orten sich vereint, wird zu Grabe getragen. zügen und Faschingsfesten verlagert. wird auch noch der Brauch des Fasching- http://www.neusiedlersee.com

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 47 »Burgenland Journal« Gegen Rassismus 600 SchülerInnen des BG/BRG Mattersburg setzten ein beispielhaftes Zeichen für eine gerechte Zukunft.

Von Victoria Wlasits *) Foto: Mediengruppe BG/BRG Mattersburg

lle Menschen sind frei und gleich an drang aufzubereiten und auch für Unterstu- präsentiert und die Durchführung einstim- AWürde und Rechten geboren. Sie sind fenschülerInnen verständlich zu machen. mig beschlossen. Was dann geschah, ist für mit Vernunft und Gewissen begabt und sol- Der Startschuß für den A.R.T war die mich ein Musterbeispiel dafür, wie Motiva- len einander im Geiste der Brüderlichkeit Eröffnungsparty mit zahlreichen Ehrengä- tion und Begeisterung sich auf andere über- begegnen. (Artikel 1 Allgemeine Erklärung sten im Festsaal. Die SchülerInnen der Ober- tragen können. Wie gute Ideen zusätzliche der Menschrechte) stufe hatten die Möglichkeit, sich für drei Flügel bekommen und Unterstützung finden. Mit diesem Worten im Hinterkopf mach- verschiedene Aufgabenbereiche zu engagie- Die Organisatoren durchliefen einen Lern- te sich die Schülervertretung des BG/BRG ren: Die Mitglieder der Workshopgruppe ver- prozeß in Sachen Lobbying, Organisation, Mattersburg, Ralf Wallner, Louis Reumann suchten in einem Team von bis zu drei Schü- Sponsoring, Behördeninformation, Genehmi- und Burcu Akar auf und organisierte für den lern einer Gruppe von rund 10 Unterstufen- gungsverfahren, PR-Aktivitäten, Ressourcen- 10. Februar einen „Aktionstag gegen Rassis- schülerInnen durch Rollenspiele, Vorträge planung, Ablaufplanung, Coaching usw, mus“ (A.R.T.). Durch eine Workshopgruppe, und durch die Gestaltung von Plakaten das usw. Sie lernten wirklich fürs Leben … Ein eine Mediengruppe und durch eine Aktions- Thema näherzubringen. für mich wesentlicher Ansatz ist, bereits dar- gruppe wurde versucht, die Thematik mög- Um den Tag und vor allem den Ak- auf aufmerksam zu machen, bevor nicht wie- lichst verständlich aufzubereiten und Men- tionismus des Gymnasiums mittels Film- dergutzumachender Schaden entsteht. schen zum eigenständigen Nachdenken zu aufnahmen und Fotos festzuhalten, wurde die Diese jungen Menschen, ihre Einstellung motivieren. Mediengruppe engagiert. Ab 14 Uhr ging und ihr Fähigkeit zur Zusammenarbeit sehe Im Gymnasium Mattersburg Ausnahme- der A.R.T weiter, aber an einer anderen ich als einen wichtigen Grund dafür, daß nie- zustand: Zahlreiche Gruppen von Schülern Location: Am Mattersburger Veranstaltungs- mand vor der Zukunft Österreichs Angst und Schülerinnen hielten sich in den ver- platz versammelten sich die sogenannte haben muß. Wir sind stolz auf unsere Kids. schiedenen Räumen des Schulgebäudes auf. Demogruppe und andere SchülerInnen und Erhard Puschautz, Obmann des Elternvereins Flanierte man durch die weitläufigen Flure setzten im Zuge eines Marsches durch die und erhaschte man einen flüchtigen Blick in Innenstadt voller Elan und Begeisterung ein „Unser Projekt soll bloß der Anfang eines die Klassenräume, fiel eines auf: SchülerIn- Zeichen. Dieser Aktionismus wurde durch langen Weges gegen Rassismus sein und wir nen, ob groß oder klein, jung oder erfahren, selbst gestaltete T-Shirts und durch Trans- wollen gemeinsam dagegen auftreten. Die- versuchten die Problematik des Rassismus parente verdeutlicht. ser Weg wird bestimmt nicht einfach, doch voller Energie, Überzeugung und Taten- „Wir Eltern sind stolz auf unsere Kinder der Gedanke in einer Zukunft ohne Rassis- und ihre Schülervertreter. Die Idee zu dieser mus zu leben ist es definitiv wert.“ Ralf Wallner, Schulsprecher *) Victoria Wlasits ist Schülerin der 5C des BG/BRG Aktion wurde von den Schülervetretern dem Mattersburg. Schulgemeinschaftsausschuß überzeugend http://www.brgmattersburg.at/

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 48 »Burgenland Journal« 600 Jahre alte Rebe zerstört Ein Rebstock in St. Georgen bei Eisenstadt gilt als »Vaterrebe« des Grünen Veltliners – und wurde von Unbekannten devastiert.

lteren St. Georgenern war seit ihrer Ju- Ägend ein durch stacheliges Buschwerk vor Viehfraß geschützer alter Weinstock auf dem „Hetscherlberg“ (heute „Viehtrift“) bekannt. Im Zuge der Erstellung der Dorf- chronik „St. Georgen – Geschichten und Ge- schichten (2000)“ durch den Verein Dorf- blick kam der Hinweis auf den alten Wein- stock. Aufgrund von Beschreibungen und einer Skizze auf einem Bierdeckel fand der Kassier des Vereins, Michael Leberl, den Weinstock. Die lange Zeit als verschollen bzw. als unbekannt gegoltene Vatersorte des Grünen Veltliners überlebte als einzige zur Zeit auffindbare Rebe der Welt auf einem Grundstück der Freistadt Eisenstadt, wel- ches im Mittelalter letztmalig als Weingarten genutzt wurde. Man kann davon ausgehen, daß dieser Rebstock rund 500 Jahre alt ist. Auf Empfehlung des Winzers Hans Mo- ser wurde die Landwirtschaftliche Fach- schule (LFS) für Weinbau in Eisenstadt kon- Hofft, daß die erstattete Anzeige möglichst rasch zu einer Bestrafung des Täters taktiert – mit den damals verwendeten führen wird: Winzer Hans Moser aus St. Georgen. Methoden der Sortenbestimmung konnte Expertengutachten mit mehr als 100.000 Euro vorerst kein Ergebnis erzielt werden. Erst beziffert. Die uralte Rebe ist schwer geschä- nachdem weitere Proben aus dem Jahr 2005 digt und es ist noch unklar, ob sie genug untersucht wurden, die vom „Verein Dorf- Kraft zum Überleben hat. Somit handelt es blick“ an die der Bundesversuchsanstalt in sich hierbei um eine schwere Sachbeschädi- Klosterneuburg geschickt wurden, gab es gung und Kulturgutfrevel am Eigentum der erste Hinweise, daß dieser alte Rebstock ein Stadtgemeinde Freistadt Eisenstadt. genetischer Elternteil der Sorte Grüner Die unscheinbare Pflanze – als Weinrebe Veltliner sein könnte. Ein Jahr darauf bestä- kaum erkennbar – hatte durch geduldige und tigte sich diese Vermutung: es stand fest, daß fachgerechte Pflege wieder an Vitalität ge- es sich um die bis dato verschollene Vater- wonnen. Glücklicherweise konnten seit drei rebe des Grünen Veltliners handelt. Jahren sogar schon Edelreiser zur Vermeh- Nachdem schon im Winter 2008/09 ein rung geschnitten werden, der Fortbestand Teil der Edelreisruten erstmalig gestohlen dieser wertvollen Sorte ist also gesichert, an wurden, hat der „Pflegevater“ der Rebe, drei verschiedenen Standorten in Österreich Hans Moser, Ende Oktober 2010 bei einem gibt es bereits Vermehrung und Veredelung. Kontrollgang zur Rebe entsetzt festgestellt, Der Rebgenetiker Ferdinand Regner vom daß wiederum ca. 50 Prozent der verede- Bundesamt für Wein- und Obstbau Kloster- lungsfähigen Augen abgeschnitten und ent- neuburg macht Hoffnung, daß es in zwei bis wendet worden waren. Sein Vater, Johann drei Jahren die ersten Trauben geben könnte. Moser sen., wollte am 8. Feber die verblie- Der „Verein zur Kultivierung der St. benen Edelreiser schneiden, um sie zur Reb- Georgener Rebe hofft“, so erzählt Winzer schule zu bringen. Entsetzt fand er den zer- Hans Moser, daß die erstattete Anzeige mög- störten, weil zersägten Rebstock vor und fo- lichst rasch zur Überführung und zu einer tografierte die Verwüstung. Die Stadtbezirks- Bestrafung des Täters führen wird. Un- vorsteherin Heide Hahnenkamp mußte nun vorstellbar ist jedenfalls, was jemanden dazu schon zum zweiten Mal Anzeige erstatten. bewegen könnte, gezielt ein derartiges Kul-

Der Wert der Rebe wurde bei der 1. Anzeige Fotos: Hans Moser turgut zu zerstören. im Jahr 2009 als unschätzbar bzw. durch ein Die 500 Jahre alte Rebe wurde zerstört. http://www.hans-moser.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 49 »Burgenland Journal« Die Geschichte des Burgenlandes Anläßlich des Jubiläums »90 Jahre Burgenland« im Jahr 2011 setzen wir mit Teil 2 unsere Serie fort: mit dem beginnenden Frühmittelalter bis zu Andreas Baumkircher, dem Herrn von Schlaining.

Von Michael Floiger, Karl Heinz Gober, Oswald Guber, Hugo Huber und Josef Naray*)

+Die Zeit der Völkerwanderung Die Randgebiete der Ostalpen, also auch Der bekannteste Hunnenkönig war Attila. Im Folgenden wird dargestellt, wie sich der burgenländische Raum, waren allerdings Seine schrecklichen Raubzüge durch Europa das Leben der Menschen in unserer Heimat für nomadisch betriebene Viehzucht der Er- vermitteln noch heute das Bild seiner barba- im Frühmittelalter gestaltete. Wir lernen Völ- oberer ungeeignet daher blieben die Men- rischen, alles zerstörenden Reiter. Mit der ker kennen, deren (kriegerische) Unterneh- schen von dem so furchtbar beschriebenen Niederlage auf den Katalaunischen Feldern mungen innerhalb mehrerer Jahrhunderte „Hunnensturm“ fast unberührt. in Gallien (451) und Attilas Tod (453/54) in (4. -10./11. Jhdt.) die heutige Landkarte mit- Pannonien begann das Ende des hunnischen bestimmten. Großeiches.

Nicht wilder als die anderen! Die Hunnen Ein zeitgenössischer Zeitungsbericht hät- Sieht man aber von der Attilazeit ab, so te so lauten können: waren die Hunnen auch nicht „wilder“ als Die Hunnen drängen nach dem Westen andere Völker dieser Epoche. Schon ihr Südrußland, am Don (350 n. Chr.) fremdartiges, anderes Aussehen bewog die Die Zahl der alanischen Flüchtlinge, die den damaligen Geschichtsschreiber, sie als grau- Don in westlicher Richtung überschreiten, same Horden zu beschreiben. In Wirklich- wird von Monat zu Monat größer. Sie verlas- keit pflegte dieses Steppenvolk beachtens- sen die Gebiete zwischen dem Schwarzen werte Kultur. Allein die Prunkgegenstände und dem Kaspischen Meer vor dem Reiter- aus ihren Gräbern beweisen das auch. volk der Hunnen. Diese mongolischen No- Die Ostgoten maden sind kriegerischer als seßhafte In der zweiten Hälfte des 5. Jhdts. geriet Bauernvölker. Sie rauben die Herden ande- Der bekannteste Hunnenkönig war Pannonien bis „Vindomina“ (Wien) in den Attila, berühmt-berüchtigt durch rer Völker, plündern diese aus und machen seine barbarischen Reiter. Herrschaftsbereich der Ostgoten. Diese wa- sie ihnen dienstbar. Ihre Stammesführer wol- ren bei ihren zahlreichen Kriegszügen nicht len sogar das reiche, militärisch aber weniger grausam als etwa die von ihnen letzt- schwächer werdende römische Reich tribut- endlich besiegten Hunnen. pflichtig machen. Als Föderaten (= Bündnispartner) des Die Hunnen besiegten 375 n. Chr. die oströmischen Kaisers sollten sie die Grenzen germanischen Ostgoten. Dieses Jahr gilt vor Einfällen schützen und lebten damit seither als Beginn der Völkerwanderungs- nicht schlecht: als solche waren sie steuerfrei zeit. In den folgenden knapp 100 Jahren flo- und durch Jahrgelder (= Tributzahlungen), hen viele germanische Steppenvölker (Go- Vieh- und Getreidelieferungen sorgenfrei ten, Vandalen, Quaden, …) vor ihnen. Man- gehalten. Ihre Kraft konnten sie so dem che wurden sogar in den römischen Militär- Gürtel- und Schuhschnallen aus Gold, Krieg und dem Schutz der römischen Kaiser wurde in Mörbisch gefunden und ist dienst aufgenommen. Die kleinen Reste der im Museum Sopron ausgestellt. widmen. zivilen Bevölkerung, die trotz der Ängste In West-Rom regierte bereits seit 476 n. vor den Hunnen ausharrten, verschmolzen Chr. der germanische Fürst Odoaker. 489 n. mit den noch ansässigen Romanen. Um 425 Chr. zog der ostgotische König Theoderich n. Chr. errichteten die hunnischen Fürsten der Große nach Italien, wo er ein großes ihre Sitze im Karpatenbecken. Unter dem Reich errichtete. Obwohl unser heutiges Ge- Großfürsten Bleda (434-445 n. Chr.) erreich- biet seinem Machtbereich angehörte, erfolg- te das Hunnenreich seine größte Ausdeh- te hier keine neue Besiedlung. nung. Spätantik-frühmittelalterliche, hunnisch- gotische Grabfunde (4./5. Jhdt.) *) Wir haben – mit freundlicher Genehmigung des Burgenländischen Landesarchivs, des Landesschul- Sowohl die Frauen als auch die Männer rats für Burgenland und des Verlags Ed. Hölzel Ge- der damaligen „Pannonier“ liebten schöne sellschaft m.b.H. Nfg KG, Wien, – Text und Bilder dieser Serie dem Lehrbuch für die Unterstufe „Ge- Kleider und Schmuck. Unzählige Gräber- schichte des Burgenlandes“ entnommen. funde im Burgenland sind Beweis dafür.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 50 »Burgenland Journal«

Den Kern der Gesellschaftsschichten bil- deten alle freien wehrhaften Männer. Für diese „frei geborenen“ gab es die Bezeich- nung „baro“ (vergleiche: Baron). Zu den Halbfreien gehörten die Kriegs- gefangenen, alle im Krieg Unterworfenen oder jene, die die Freiheit verspielt oder frei- willig verkauft hatten. Knechte waren recht- los, Sklaven gab es keine. Die Langobarden nahmen allmählich das Christentum der Römer an, doch das Heiden- tum blieb lange in ihrem Glauben verwurzelt: Priester heilten weiterhin mit Ziegenmilch, wonach die Ziege mit einem Schlangenbiß getötet wurde. Wahrsager brachten an heili- gen Bäumen und Quellen Opfer dar.

Ebenfalls in Steinbrunn wurden Fibel, Ohrring und zwei Gürtelschnallen der Langobarden gefunden (6. Jhdt.). Das germanische Volk der Goten bedrohte lange Zeit die Grenzen des Römischen Reiches. Von den Hunnen bedrängt, spaltete sich der Stamm in Ost- und Westgo- ten. Zum Untergang des Weströmischen Reiches 476 trugen vor allem die West- Ansiedelung, Wirtschaft und Ernährung goten bei (= Ende der Antike, Beginn des Frühmittelalters). Die ersten Eroberer ließen sich in ehema- ligen römischen Siedlungen nieder. Diese Die Langobarden – »Langbärte« Gesellschaft und Religion militärischen Punkte lagen entweder in hü- Zur Zeit des römischen Kaisers Augustus Aufgrund der Gräberfunde kann der geliger Gegend oder sumpfigen Ebenen. Das beschrieben Historiker diesen Stamm als Archäologe die gesellschaftliche Ordnung Ackern wurde von den Langobarden als un- „noch wilder als die germanische Wildheit“. der Langobarden erkennen. So zum Beispiel freie Knechtsarbeit betrachtet. Ihr Haupt- Einer schilderte, daß sie sich nicht durch wurden Frauen und Kinder von den Män- erwerbszweig dürfte die Viehwirtschaft ge- Unterwerfung, sondern durch „Kampf und nern getrennt bestattet. wesen sein. Flachs war die einzige Kultur- Wagemut“ behaupteten. Seit Beginn des 5. Jhtds. stand ein König pflanze, später in Italien noch Gemüse sowie Die Langobarden siedelten zunächst an („kuning“) an der Spitze einer Heerfahrt. Zwiebeln und Obst. Das Jagen war nur den der Elbe, von wo sie nach Böhmen und in Adeligen vorbehalten. den niederösterreichischen Raum zogen. Im Auch der Handel mit Naturalien war ein Jahr 526 überschritten sie unter der Führung Standbein ihrer Wirtschaft. Mit der Fein- ihres Königs Wacho die Donau. 20 Jahre spä- waage wog man das Gewicht der Münzen. ter stand ganz Westungarn mit dem nörd- lichen und mittleren Burgenland unter ihrer Der Abzug aus Pannonien Oberhoheit. Im südlichen Teil unseres Lan- Nach über 40 Jahren Anwesenheit ent- des konnten keine Siedlungsspuren nachge- schlossen sich die Langobarden unter ihrem wiesen werden. König Alboin, Pannonien in Richtung Ober- Die Männer waren mit ihren durchschnitt- italien zu verlassen (568). Ein neues Volk, lich 180 cm, die Frauen mit etwa 170 cm das ihnen kriegerisch überlegen war, zwang Körpergröße auffallend. Ihre Lebenserwar- sie zu diesem Abzug: die Awaren. tung betrug rund 30 Jahre. Die Kinder- In Norditalien sollte die langobardische Der in Steinbrunn gefundene lango- sterblichkeit war ungemein hoch. Schädel- bardische Spangenhelm aus ver- Völkerschaft über 200 Jahre lang herrschen, verformungen wie bei den Hunnen gab es goldetem Kupfer ist ein besonderes nachdem es gemeinsam mit Byzanz (= Kon- nur bei den langobardischen Männern. Prunkstück. stantinopel; heute: Istanbul) die Ostgoten

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 51 »Burgenland Journal« vernichtet hatte. Erst 774 eroberte der volk ungeheure Mengen an Gold abliefern. überwiegend die Viehzucht – neben dem Frankenkönig Karl der Große ihren Herr- Khagan (= allmächtiger awarischer Fürst) Ackerbau – dem Lebensunterhalt diente. schaftsbereich, der heute noch im Namen ließ sich sogar ein Bett aus purem Gold von „Lombardei“ weiterlebt. einem oströmischen Kaiser „schenken“. Gräber und Gesellschaft Bis heute haben die Archäologen rund Awaren und Slawen Die Slawen werden zu Awaren 30.000 (!) Awarengräber erfaßt. Allein auf Ein Vertrag mit den neuen Herrschern im In den folgenden zweieinhalb Jahrhun- burgenländischem Gebiet legten sie etwa Karpatenbecken, den Awaren, sicherte den derten nach der erfolgreichen Schlacht ge- 850 Gräber frei. Der größte Awarenfriedhof restlos abgezogenen Langobarden das Recht, gen die germanischen Gepiden (567) dehn- liegt in Leithaprodersdorf, wo 131 Ruhestät- innerhalb der nächsten 200 Jahre zurückkeh- ten die Awaren mit den von ihnen unterwor- ten offengelegt wurden. Alles, was man im ren zu dürfen. Doch Verträge oder Bündnisse fenen Völkerschaften (Slawen, Gepiden, …) täglichen Leben benötigte, gab man den Ver- waren oft nicht einmal das „Papier wert“, auf ihr Siedlungsgebiet aus. Die Karpaten im storbenen mit ins Grab: Waffen, Schmuck, dem sie festgehalten waren. Damit rechneten Norden und Osten, die Save im Süden und Haushaltsgeräte, Geschirr. Gold – Silber – auch die Awaren. bei uns im Westen das Gebiet bis zur Enns Kupfer entsprachen dabei ihrer gesellschaft- bildeten ungefähr die Grenze des Reiches. lichen Stellung im Diesseits, nämlich Fürst – Den slawischen Siedlern gewährten sie mili- Adeliger – Freier – Sklave. tärischen Schutz, ja sogar die Aufnahme in ihr eigenes „Volk“. Die Bayern Ein Slawe fühlte sich als Aware als etwas Überwiegend friedlich gestaltete sich zu- Besseres, Stärkeres. „Echte Awaren“ waren nächst das nachbarliche Leben zwischen den schließlich nur noch etwa ein Fünftel der Bayern (in Oberösterreich bis zur Enns; Gesamtbevölkerung. Damit ist verständlich, Salzach und Inntal) und der slawischen daß die Geschichtsforscher Orte oder Land- Bevölkerung (in den Flußtälern des Burgen- landes, der Steiermark und Kärntens; in Nie- derösterreich nördlich und südlich der Do- Zillingtal: Awarischer Gürtelbeschlag. Dargestellt ist ein Greif (Fabelwesen); nau). Als aber die Bayern vom fränkischen Bronze, 8. Jhdt. In Zillingdorf legte Königshaus der Karolinger selbst bedroht man insgesamt 129 Gräber frei. wurden, suchten sie bei den „Herrenawaren“ ihre Verbündeten. Tatsächlich unternahmen Mit neuen Waffen fast unbesiegbar die Awaren nichts, als sich die Slawen gegen Wie schon die Hunnen waren auch die den Zuzug „deutscher“ Siedler in Kärnten Awaren aus Innerasien nach Europa vorge- und der Südoststeiermark (= Karantanien) drungen, das damals mit dem Gebiet nörd- wehrten (2. Hälfte des 8. Jhdts). In diesen lich des schwarzen Meeres begann. An sich langwierigen Auseinandersetzungen bilde- nichts besonderes, wäre da nicht ihr sonder- ten sich allmählich jene Grenzen heraus, die bares Aussehen gewesen und – welch ein Gräberfund aus einem eigentlich noch heute zwischen Slowenien Schrecken! – ihre Ausrüstung für den Krieg. Awarengrab bei Zillingtal bzw. Tschechien und Österreich bestehen. Einiges davon war den germanischen und schaften nur sehr schwer als „rein slawi- Der Frankenkönig Karl der Große unter- römischen Soldaten vollkommen unbekannt. sche“ bestimmen können, denn schließlich warf die Bayern und gliederte sie in sein Reiter und Pferd schienen miteinander ließen sich auch die Slawen wie ihre Herren mächtiges Frankenreich ein (778 n. Chr.). verwachsen zu sein. Niemals zuvor hatte man begraben. Richtig seßhaft wurde das gesamte Der Weg nach Osten gegen die Awaren war ein Pferd mit Sattel und Steigbügeln gese- Mischvolk erst ab Mitte des 7. Jhdts., wobei für ihn nun frei. hen, geschweige denn diesen Vorteil im Kampf ausgenützt! Holzsattel und Steig- bügel verschafften den awarischen Kriegern im Nahkampf einen festeren Halt auf dem Schlachtpferd. Zudem konnten sie im Reiten ihre gefürchteten schweren Pfeile mit drei- flügeligen Eisenspitzen auch stehend abschießen. Ausgerüstet auch mit einer über- langen Lanze und besseren, beinversteiften Reflexbögen und geschützt von einem Lamellenpanzer, galten sie bei ihren Feinden anfangs als unbesiegbar. Auch die oströmischen Kaiser, in deren Bereich die Awaren allzu gerne seßhaft ge- worden wären, erkannten die überlegene Mi- litärkraft der Awaren. Um sie sich vom Leibe zu halten, mußten sie auch diesem Föderaten-

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Karl der Große (768-814 n. Chr.) zerstört das Awarenreich Karl der Große, der Herr über ganz Mit- teleuropa bis zum Atlantik, sah in der Ver- größerung seines Frankenreiches und dessen Christianisierung seine politischen Haupt- ziele. Im Osten lockte der sagenhafte Schatz der Awarenkhagane. Im Jahr 791 n. Chr. führte er persönlich ein Heer donauabwärts, mußte aber den Feldzug abbrechen (Winter- einbruch, Pferdeseuche, Rückzug der Awa- ren). Über Steinamanger zog er sich wieder zurück. Seinem Sohn Pippin gelang 795/96 der entscheidende Schlag: Er eroberte den „Ring“ der Awaren, den burgähnlichen Sitz der Feinde im Karpatenbecken. So war – trotz kleiner Grenzstreitigkeiten – die awari- sche Vorherrschaft zu Beginn des 9. Jhdts. in unserem Gebiet beendet. Die Franken/ Bayern waren die neuen Herren.

Bayerische Kolumnisten und Missionare kommen in unser Land (9. Jhdt.) Nach Karls Sieg begann man die Be- siedelung des Ostlandes zu fördern. Die bay- erischen bzw. fränkischen Siedler rodeten neue Landstriche und machten sie urbar. Aber auch die Slawen konnten sich weiterhin breitmachen, wobei sie jedoch politisch un- ter fränkischer Oberhoheit verblieben. Eini- ge slawische Fürstentümer bestanden zwar für kurze Zeit, doch blieben sie ohne weitere Bedeutung. Die Verbreitung des Christentums ging Hand in Hand mit der Verteilung des Landes Urkunde aus dem Jahr 844 n.Chr. – König Ludwig der Deutsche schenkt dem auf (westliche) Grenzgrafen und Kirchen- Priester Dominikus auf Bitten des Bischofs Baurich von Regensburg und der fürsten. Für das kirchliche Gebiet (Diözese) Grafen Werinher und Babo den Besitz Brunnaron am Zöbernbach. im Nord- und Mittelburgenland war das Die Magyaren einige von ihnen zogen in nordwestliche Bistum Passau, für den Süden waren die Um 2000 v. Chr. (Bronzezeit) lebte ein Richtung (Finnen, Esten, Lappen, …) aus Fürsterzbischöfe von Salzburg zuständig. Volk im Westen Sibiriens zwischen Ob und den anderen gingen um 500 v. Chr. die unga- Mit dem Christentum verschwanden auch Ural. Wie viele Wandervölker teilten sich rischen Stämme hervor. allmählich die heidnischen Grabbeigaben. auch die so genannten ugrischen Stämme: Die Magyaren – so nennen sich die Ungarn in ihrer Muttersprache – zogen vom Ural aus in Richtung Westen. Von anderen Völkern und Reichen lernten diese Vieh- nomaden unter anderem auch den Ackerbau und das Eisen kennen. Nach jahrhunderte- langer „Wanderschaft“ standen sie vor den Karpaten, Klimaveränderungen, aber auch kriegerische Nachbarvölker hatten sie dazu gezwungen. Der fruchtbare Boden in der ungarischen Tiefebene, dieses zum Teil her- renlose Land, lockte zur Eroberung. Die Awarenherrschaft existierte damals nicht mehr. Das Jahr 895/96 n. Chr. ist in den ungari- schen Geschichtsbüchern eine wichtige Jahreszahl. Damals nämlich führte Fürst Arpad sein Volk mit zehntausenden von

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Reiterscharen in weiten Teilen Europas ver- breiteten. Überall konnten sie urplötzlich auftauchen. Sie brandschatzten und nahmen mit sich, was sie gebrauchen konnten. Sie entführten auch Menschen aus slawischen Siedlungen, die sie als Sklaven an byzantini- sche Händler verkauften. Die Bezeichnung „Slawe“ stammt vom Wort „Sklave“. Doch die europäischen Herrscher waren an den „Streifzügen“ der Ungarn nicht ganz unschuldig. Nicht selten zogen sie gemein- sam mit ihnen gegen einen nachbarlichen Gegner. Ob Freund oder Feind spielte dabei eine geringe Rolle. Nach einem Sieg bzw. der Niederlage des (angeblichen) Feindes winkte eine reichliche Belohnung. So be- siegten die Bayern mithilfe der Ungarn den Slawenfürsten Svatopluk, doch wenig später erlitten die Bayern selbst bei Preßburg von den Ungarn eine vernichtende Niederlage (907 n. Chr.). Die europäischen Fürsten er- kannten, daß sie gemeinsam gegen die „Gefahr aus dem Osten“ ankämpfen mußten, wollten sie ihre eigene Reiche erfolgreich schützen. Dem deutschen Kaiser Otto I. gelang 955 auf dem Lechfeld bei Augsburg ein wichtiger Sieg gegen die Ungarn. Diese sahen jetzt ein, daß auch für sie der Friede mehr Sicherheit bot als das Kriegerdasein.

Unser Burgenland zur Zeit der ungarischen Besiedelung Ab 976 n. Chr. entwickelt sich unser Österreich aus dem Kernland „Ostarrichi“. Die Grenze zwischen den Ungarn und dem deutschen Kaiserreich wurde von der Enns aus im Laufe der Zeit von den Babenbergern ostwärts verlagert. Schließlich bildete sich jener Grenzverlauf an Leitha und Lafnitz Die ungarische Stephanskrone heraus, der bis 1921 bestand. Man kann sa- Menschen in jenes neues Siedlungsland, das Die Fürsten dieser Stämme bildeten mit gen, daß unser Bundesland rund 1000 Jahre bis heute für deren Nachkommen Heimat ihren Kriegern die herrschende Oberschicht. lang dem ungarischen Staat angehörte. blieb. Dieses geschichtliche Ereignis bezeich- Entsprechend ihrer Macht und ihres Schon im 10. Jhdt, waren ungarische nen die Magyaren als die „glorreiche Land- Reichtums wurden sie nach dem Tod auch Siedler in unseren Raum gekommen. Gleich- nahme“. bestattet. zeitig zogen auch bayerische Kolonisten in Silberlockenringe, Halbmondanhänger das Land, denn hier war noch Platz genug, Lebensweise und Gesellschaft u.a. aus dem 10.-12. Jhdt. fand man in man mußte weitaus weniger Abgaben leisten Im Karpatenbecken lebten die Ungarn als Mattersburg, Mitterpullendorf, Stotzing und als in den alten Wohngebieten. Halbnomaden von der Viehzucht. Der Acker- Nebersdorf. Weitere Gräber mit Silber- bau und damit die Seßhaftigkeit setzten sich fingerringen und Halsreifen legten die Ar- Hoch- und Spätmittelalter erst langsam im 10. Jhdt. durch. Im Winter chäologen in Steinbrunn, Andau und Lutz- (11.-15. Jhdt.) bewohnte man einfache Häuser an den Flüs- mannsburg frei. Waffenbeigaben waren hier Bereits gegen Ende der Regentschaft sen, während im Sommer luftige Zelte als nur wenige vorhanden. Stefans I. zeichnete sich eine große Krise ab. Behausung ausreichten. Streitigkeiten um den Thron gab es von nun Jeder Bewohner gehörte zu einem der »Vor den Pfeilen der Ungarn bewahre an immer wieder. In diese oft blutigen Aus- sieben Hauptstämme. Ein achter, nicht uns, Herr!« einandersetzungen mischten sich auch die magyarischer Stamm hatte sich ihnen schon Diesen Hilfeschrei zu Gott richteten die römisch-deutschen Kaiser ein. Sie strebten früher nördlich des Schwarzen Meeres ange- Menschen sonntags in der heiligen Messe. in Ungarn die Lehensoberhoheit an. Am Be- gliedert (Kabaren = „schwarze Ungarn“). Er zeigt, welch große Angst die ungarischen ginn des 12. Jhdts. wurde die Macht des

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Königs auch durch den Adel immer wieder Bayerische und fränkische Hier waren die Abgaben geringer als zu mehr eingeschränkt. Die Könige litten unter Siedler roden unser Land Hause. Andererseits profitierte auch der un- Geldmangel und verliehen daher immer Zum Schutz gegen deutsche (= steirische garische König, denn er konnte mit Mehr- mehr Land an besonders treue Dienstleute. und österreichische) Einfälle in das Land einnahmen rechnen. Fleißig rodeten die Diese Lehen wurden allmählich erblich. Da- errichteten die Ungarn eine Schutzzone, den Bauern Wälder, legten Sümpfe trocken und mit wuchs die Macht des Adels. Der Einfluß Gyepügürtel. Sogenannte Wächter und Bo- errichteten Wege und Brücken. Diese große mancher Adelsfamilien wurde sehr groß. genschützen sollten von ihren Warten aus Besiedlungswelle erreichte im 13. Jhdt. Eine dieser mächtigen Familien waren die im (Oberwart, Siget in der Wart, Schützen am ihren Höhepunkt. heutigen Burgenland beheimateten Güns/ Gebirge, …) herannahende Feinde melden, Güssinger. an Flußtälern Sperren errichten und sich in Die Zeit des Burgenbaus beginnt den Wäldern verschanzen. Die Grenze zwi- In den Jahren 1241/42 stürmten mongoli- Die Verwaltung Ungarns schen Ungarn und dem Deutschen Reich bil- sche und tatarische Reiterscharen von Asien Den größten Teil des Landes beanspruch- deten seit Mitte des 11. Jhdts. Leitha und aus bis an unseren Alpenrand. Kein Staat ten die König für sich. Anfangs überließen Lafnitz. Sie gilt als eine der ältesten Grenzen Westeuropas kam den Ungarn gegen diese sie den Fürsten nur in etwa ein Drittel des Europas. Bis 1921/22 spielte diese „nasse „Goldene Horde“ zu Hilfe. Nur wenige Landes, das Komitate eingeteilt war. Grenze“ eine bedeutende Rolle. Burgen, wie Bernstein und Güssing, hielten Zentrum des Komitats war die Burg. An der Im 12. Jhdt. begannen sich die nachbar- dem Ansturm stand. Es zeigte sich, daß das Spitze eines solchen Verwaltungszentrums lichen Beziehungen zu verbessern. Die un- Wächtersystem nicht mehr zeitgemäß war. stand der Gespan als Stellvertreter des garischen Könige begannen sogar, „adelige Es wurde notwendig, die hölzernen Burgen Königs. Zu seinen Aufgaben gehörte: Gäste“ aus dem Westen ins Land zu rufen. durch feste Türme aus steinernen Mauern zu Durchführung königlicher Verordnungen, Wie die Ordensgemeinschaften erhielten ersetzen (z.B. Güssing). Neue Anlagen ent- Eintreibung der Steuern, auch sie reichlich Grundschenkungen vom standen unter anderem in Eisenstadt, Horn- Rechtsprechung und König. Die meisten dieser Grundherren stein, Eberau und Forchtenstein. Als Gegen- Sicherung der Grenzen in den Grenzko- gründeten Klöster, denen sie Land zum gewicht waren entlang der steirisch-österrei- mitaten. Roden bzw. zur Bearbeitung überließen. chischen Grenze ebenfalls mächtige Befesti- Diesen adeligen Herren und den Mönchen gungsanlagen (z.B. Riegersburg, Fürstenfeld, Die Rolle der Kirche folgten deutsche Siedler aus Franken und Hartberg, Wiener Neustadt …) entstanden. Weltliche und geistliche Macht waren eng Schwaben, vor allem aber aus Bayern in die Zahlreiche kleinere Befestigungsanla- miteinander verbunden. So stützte sich Kö- noch ungerodeten und weiten Landschaften. gen – es waren rund 180 –, die von Erd- nig Stephan auf die ka- wällen, Gräben oder tholische Kirche. Kirch- Sümpfen umgeben wa- lich teilte er das Land in ren, boten den Men- acht Diözesen. Das Ge- schen kurzfristig etwas biet der heutigen Diözese Schutz. Eisenstadt gehörte zum Bistum Raab. Dort, wo Die Güssinger vermutlich schon früher In den Jahrhunderten Kirchen standen, ließ er des Hoch- und Spät- „Stephanskirchen“ errich- mittelalters und dar- ten, die es, z.B., in Leitha- überhinaus waren die prodersdorf, Kleinfrauen- Herrscher Österreichs haid, Marz, Lutzmanns- als Herzöge bzw. deut- burg, Pinkafeld usw., gibt. sche Könige stets be- Sie waren wahrscheinlich strebt, ihren Machtbereich auf Ungarn die Mittelpunkte der ersten gegründeten auszuweiten. Der letzte Babenbergerherzog, Pfarren. Friedrich II., fiel 1246 gegen die Ungarn in Später, im 12. und 13. Jhdt., riefen die der Schlacht an der Leitha. Aus den Kriegen Könige und Adeligen auch Orden in das um das Babenbergererbe ging schließlich dünn besiedelte Land. So entstanden zum Rudolf von Habsburg hervor. Er besiegte Beispiel Klöster der Benediktiner in Güssing den Böhmenkönig Ottokar II. in der Schlacht und Ják, der Zisterzienser in St. Gotthard zwischen Dürnkrut und Jedenspeigen an der und Klostermarienberg, der Augustiner in March. Marz-Rohrbach und der Pauliner in Kulm Auch die Ungarn mischten in diesen Aus- und Eberau. einandersetzungen kräftig mit. So zum Bei- Die Klöster wurden mit umfangreichen spiel die Güns-Güssinger. Der Stammvater Besitzungen beschenkt. Die Mönche leiste- der Güssinger kam aus dem Westen und hieß ten einen wichtigen Beitrag zur Besiedlung Wolfer. 1157 erhielt er vom ungarischen Kö- Urkunde aus dem Jahr 1202 – König unseres Landes, das sie gemeinsam mit den Emmerich verleiht dem Woiwoden nig den noch unbebauten Burgberg von neuen Siedlern urbar machten. Benedict das Mattersdorf (Mattersburg) Güssing samt mehreren Grundstücken ge-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 55 »Burgenland Journal« schenkt. Er errichtete eine Burg aus Holz und holte Benediktinermönche. Deren Klo- ster versah er mit Grundstücken, darunter auch Weingärten. Während des 13. Jhdts. erwarben Wolfers Nachfahren viele Burgen, hauptsächlich in Westungarn, Slawonien und Kroatien. Zwi- schen dem habsburgischen Österreich und dem arpadischen ungarischen Königreich konnten sie sich als mächtiges Grafenge- schlecht betrachten. In Ungarn bekleideten sie höchste Ämter, wie zum Beispiel das Amt des Paladins (Stellvertreter des Königs). Für ihre Großmachtträumen der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts standen die poli- tische Sterne günstig denn: Österreich-Steiermark waren seit dem Aussterben der Babenberger (1246) ohne Herrscher, im Deutschen Reich herrschte das „Faustrecht“ (schwache Herrscher), Die größte Wasserburg Österreichs wurde in Eberau errichtet. Die Mauern und Gräben umfaßten den gesamten Ort. in Ungarn gab es Thronstreitigkeiten. Die Güssingerfehde deren Gerichtsbarkeit übertrug er einem Dorf- Heinrichs Sohn, Iwan der „reißende richter. Wolf“, griff immer wieder auf das österrei- Zentrum des eigenen herrschaftlichen chisch-steirische Gebiet über, wo er plünder- Besitzes war der Herrenhof („Meierhof“). te oder das Vieh stahl. Die Herrschaftsfelder wurden vom herr- 1289 beschloß Herzog Albrecht I., die- schaftlichen Gesinde (Knechte, Mägde, …) sem Treiben ein Ende zu setzen. Der Öster- und vor allem von den Bauern bearbeitet. reicher eroberte 34 Burgen und Befestigungs- Diese mußten Frondienste leisten. Dafür stätten der Güssinger allein auf burgenländi- aber hatte ihnen der Grundherr Haus, Hof, schen Gebiet. Äcker und Wiesen verliehen (Lehenbauern). Zwei Jahre später schlossen der ungari- Zusätzlich mußte der Bauer verschiedene sche König – in diesem Feldzug waren auch Abgaben leisten und zwar in Form von Geld einige seiner Burgen eingenommen wor- oder Naturalien. Den Zehent (= zehnter Teil den – und Albrecht Frieden. Der Herzog gab der Ernte) hatte er an die Kirche abzuliefern. zwar den Ungarn wieder alles zurück, doch einige befestigte Plätze mußten geschleift Wüstungen werden (z.B. Mattersburg). Alte Urkunden oder Baureste sagen uns Im 14. Jhdt. verloren die weiterhin unbot- heute, daß es Siedlungen gegeben hat, die mäßigen Güssinger ihren gesamten Besitz. von der Landkarte verschwunden sind. Man Der Babenberger Friedrich II. der Dieser wurde zunächst königliches Gut, das nennt solche verödeten Dörfer und ihre Streitbare fiel bei der Schlacht an der später an andere Adelsfamilien (zum Bei- Flächen, die die Menschen verlassen haben, Leitha gegen den Ungarnkönig Bela IV. spiel Ujlaki, Batthyany) als Lehen bzw. Wüstungen. Ihre Zahl wird allein in unserem Dem Güssinger Heinrich II., dem Großen, Schenkung weitergegeben wurde. Land auf rund 100 geschätzt. und seinen Söhnen gelang es damals, ihren Die Höhepunkte dieser Wüstungswellen Landsitz riesig auszudehnen. Weder vor Die Grundherrschaft ereigneten sich vom 13. bis zum 15. Jhdt. Es noch nach ihnen lag im burgenländischen Die Entstehung der Grundherrschaft in waren nicht Kriege, wie jene gegen die Tür- Raum ein derart großes Ausmaß an Macht in unserem Land steht in engem Zusammen- ken des 16. und 17. Jhdts., die diese Wüstun- den Händen einer einzelnen Familie. Ihr hang mit den königlichen Landschenkungen gen hervorriefen. In erster Linie waren es Ziel, ein selbständiges „Land Güssing“ zu an die „adeligen Gäste“ aus dem Westen. Für wirtschaftliche Gründe, Klimaänderungen, errichten, konnten sie aber letztlich doch treue Dienste, vor allem Kriegsdienste, Seuchen, Wassermangel, Überschwemmun- nicht verwirklichen. schenkte der König Land an seine Getreuen. gen oder Feuersbrunst. Der Aufschwung der Seit 1282 waren die Habsburger die Her- So entstanden die Grundherrschaften der Städte, wo das Handwerk zu blühen begann, zöge von Österreich und Steiermark. Herzog Adeligen. Die hohen Adeligen nannte man begünstigt diese Entwicklung besonders Albrecht I. von Habsburg bekämpfte – mit auch Magnaten. Der Grundherr war gleich- (Landflucht). Einwilligung des ungarischen Königs – die zeitig der Inhaber aller Rechte innerhalb sei- Hauptsächlich war die spätmittelalterli- Güns-Güssinger erfolgreich und beendete ner Besitzungen. Er übte die richterliche und che Agrarkrise für die meisten Wüstungen damit die Machtträume der Güssinger. militärische Gewalt aus. Das Recht der nie- entscheidend. Eigentlich war diese Krise

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 56 »Burgenland Journal« eine Getreide-Absatzkrise. Die Getreideprei- lichen unter den Sängern, die reichlich Be- Bauwesen se sanken deutlich ab. Dörfer mit schlechten sitz erwerben konnten. Seinen Namen erhielt Die ersten Kirchen im 11. Jhdt. wurden Böden hatten gegen die Getreideproduktion er durch sein Werk die „Wachtelmäre“. noch im frühromanischen Stil errichtet. von Dörfern mit guten Böden keine Chance. Charakteristisch für sie waren deren kleine Andererseits lockte der intensive Weinbau in Spielleute Ausmaße. den günstigen Lagen zahlreiche Arbeits- Die meisten Spielleute waren damals Die Gotik mit ihrem Spitzbogenstil hat kräfte an. Hier kam es sogar zu einer Be- ohne festen Wohnsitz und lebten vom ebenfalls bedeutende Spuren in unserem völkerungsverdichtung! Vortragen ihrer Künste als Gaukler, Mimen, Raum hinterlassen. Ein steter wirtschaft- Auf manchen Wüstungen und auch in der Puppenspieler und Märchenerzähler. Sie zo- licher Anstieg führte zu größerer Bautätig- zum Teil öd gewordenen oder später von Tür- gen von Ort zu Ort und brachten Neuig- keit im Spätmittelalter. ken zerstörten Dörfern wurden im 16. Jhdt. keiten mit. In einer Zeit, in der es weder Kroaten angesiedelt. Radio noch Fernsehen gab, waren sie den Gotische Bauwerke im Burgenland Leuten als lebende Zeitungen willkommen. Vor dem 14. Jhdt. bestimmten Kapellen- Die mittelalterliche Kultur Von den höheren Schichten, den Adeligen, und Choranbau die Bautätigkeit der Früh- Im 11. und 12. Jhdt. gab es bereits mittle- wurden sie jedoch verachtet gotik (Zurndorf, Kleinfrauenhaid, Burg und re Schulen in Ungarn. Als einzige Hoch- Oslip). Aus dem 14. Jhdt. stammen die er- schule ist aber nur jene in Veszprem zur Zeit sten Langhausbauten. Die ersten gotischen des Bischofs Peter von Güssing (Mitte 13. „Räume“ großen Ausmaßes, wie die Dom- Jhdt.) bekannt. Ungarische Studenten besuch- kirche in Eisenstadt und die Pfarrkirche von ten mitunter auch andere europäische Uni- Stadtschlaining, entstanden im 15. Jhdt. versitäten, wie jene von Paris, Oxford oder Bologna. Westungarn – Burgenland vom 15. bis zum 17. Jhdt. Literatur Das Leben der Menschen unseres Landes Wie überall in Europa so waren auch im war in der Übergangsepoche zur Neuzeit ungarischen Raum die Geistlichen die nicht selten von Schrecknissen begleitet. Träger der Literatur. Latein war die Gelehr- Einerseits versuchten steirische und österrei- tensprache. Vom 11. bis 13. Jhdt. erreichte chische Adelige ihre Besitzverhältnisse hier die Legendendichtung ihren Höhepunkt. auszuweiten, andererseits trachteten ungari- Diese Legenden berichteten zum Beispiel sche Magnaten ihre Herrschaftsmacht in über die heiligen Könige Stephan, Ladislaus „ihrem Westungarn“ zu festigen. Das galt und Emmerich oder über den heiligen vor allem im 15. Jhdt., während ab dem 16. Benedikt. Jhdt. die islamischen Türken das Land be- Im Mittelalter blühte besonders die drängten. Sie betrachteten es als Vorfeld für Erzähltradition. So wurde etwa die Geschich- Eroberungszüge in Richtung Mitteleuropa. te der ungarischen Wanderung aus ihrer Zusätzlich bedrohten Naturkatastrophen wie Urheimat in das Karpatenbecken mündlich Die Fischerkirche in Rust die Pest oder Dürreschäden das Leben der weitergegeben Menschen. Und dennoch: wirtschaftliche Veränderun- Der Minnesang gen erzeugten bei den Bewohnern eine Sehr früh kam das Land mit der donaulän- Aufbruchstimmung, die mancherorts sogar dischen Dichtung in Berührung. Im Gefolge zu Wohlstand führte. In erster Linie war es des Grafen Botho von Wieselburg, der 1053 der Weinbau, der nicht wenige Gemeinden aus dem Deutschen Reich eingewandert war, zu wohlhabenden Märkten, einige von ihnen dürfte sich der Sänger Marcolfus befunden sogar zu Städten entwickeln ließ. haben. Wie andere Minnesänger verehrte er Burgherren und -herrinnen in seinen Lie- Der Streit zwischen Ungarn und Öster- dern. reich um Westungarn im 15. Jhdt. Namhafte Sänger hielten sich auf dem Erstmals waren Österreich und Ungarn Babenbergerhof in Wien auf: Walther von der miteinander verbunden, als der Habsburger Vogelweide, Neidhart von Reuenthal und Albrecht V. seinen Schwiegervater Sigismund Ulrich von Lichtenstein. Die Reisen Ulrich von Luxemburg beerbte (1437). Kaiser Si- von Lichtenstein führten ihn auch auf die gismund war auch König von Ungarn und westungarische Burg Landsee. In seinen Böhmen gewesen. Liedern feierte er besonders die Frauen. Albrecht starb aber schon nach zwei Der Kampfgefährte Iwans I. von Güs- Jahren Regierungszeit, und ab diesem Zeit- sing, Peter der Wachtelsack, brachte es vom punkt begannen über jahrzehntelange, oft königlichen Hoftrompeter zum Notar und fürchterliche Auseinandersetzungen im west- Gesandten. Er war einer der wenigen Glück- St. Jakobs-Kirche in Güssing ungarischen Raum. Wichtige Personen der

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 57 »Burgenland Journal« politischen Ereignisse waren unter anderem: rechtmäßige Nachfolger, nur – was sollten Forchtenstein fanden Mutter und Kind zu- Kaiser Friedrich III; Ladilaus Postumus, der die Ungarn mit einem Säugling tun im Kampf nächst sichere Zufluchtsorte. nachgeborene Sohn Albrechts V.; Matthias I. gegen die Türken? Corvinus („Rabe“), ungarischer König; An- Daher wählten die Magnaten im Jahr Friedrich »erwacht… dreas Baumkircher, Söldnerführer und Herr 1440 den erst 16jährigen Polenkönig Wla- Als Vormund des Ladislaus und mit der über Schlaining, Burg und Gerersdorf. dislaw I. Jagiello zu ihrem König. Elisabeth, Stephanskrone als Pfand wartete Friedrich – die Mutter des jungen Ladislaus, lehnte ent- wie später so oft – die Geschehnisse ab. Ladislaus V. Postumus – ein »Herrscher rüstet eine Heirat mit dem Polen ab und floh Tatsächlich sah er seine Stunde gekommen, in Windeln« (1440-1457) heimlich zu Friedrich III. nach Westungarn. als Wladislaw 1444 im Kampf gegen die Albrechts Sohn Ladislaus wurde erst nach Eine Kammerfrau schmuggelte die heilige Türken fiel. Die Ungarn und Böhmen waren dem Tod des Vaters geboren (Posthumus = Stephanskrone, das wichtigste Symbol der nun bereit, den vierjährigen Ladislaus zu der Nachgeborene). Trotzdem war er der Macht, über die Grenze. In Ödenburg und ihrem König zu krönen. Doch Friedrich dachte nicht daran, sein Mündel herauszuge- ben. Denn damit hätte er nicht nur auf Un- garn, sondern auch auf Österreich verzichtet. Hier in Niederösterreich und Oberösterreich war Ladislaus als Erbnachfolger seines Vaters Albrecht rechtmäßiger Herzog. Rasch besetzte Friedrich zahlreiche Fe- stungen in Westungarn und von Schlaining und Rechnitz bis Theben bei Preßburg. In den eroberten Gebieten setzte er drei Ge- folgsleute aus der Steiermark ein. Diesen Söldnerführern (= Kriegsunternehmer) ver- pfändete er als Entlohnung für deren Kriegs- dienste westungarische Herrschaften wie Forchtenstein, Kobersdorf, Landsee, Eisen- stadt und Hornstein sowie Schlaining, Bernstein und Güns (= Pfandherrschaften).

… und schläft wieder« Nach diesem Ungarnfeldzug Friedrichs nahmen die Bandenkriege kein Ende. Be- schäftigungslose Söldnertruppen streiften mit ihren Burgherren durch die Lande und machten das Leben der Bewohner unsicher. Ganze Landstriche wurden besetzt, die Ern- ten beschlagnahmt, das Vieh der Bauern ge- raubt und hohe Steuern willkürlich eingeho- ben. Es herrschte das Faustrecht. Vergeblich warteten die Stände (Adel, Städte) und die drangsalierte Bevölkerung auf die Hilfe Friedrichs. Die aber konnte wegen seiner Schulden kein schlagkräftiges Heer gegen die Raubritter aufbauen. Statt- dessen begab er sich nach Rom, um vom Papst zum Kaiser gekrönt zu werden (1452).

Friedrich gibt seine Geißel frei Für die Stände war das Faß nun voll, und ein offener Aufstand gegen ihren Landes- herrn brach los. Als sich der zurückgekehrte Kaiser in seiner Residenzstadt Wiener Neu- stadt einschloß, konnte der tatkräftige Söld- nerführer Andreas Baumkircher seinen Herren vor den Verbündeten österreichischen, unga- Andreas Baumkircher verteidigte seinen Gönner Friedrich III. vor den Toren Wiener rischen und böhmischen Belagerern retten. Neustadts (1462). Drei Jahre später stand er allerdings auf der Seite des Ladislaus Postumus und zerstörte selbst mit anderen Söldnerführern die ganze Jetzt war Friedrich gezwungen, sein Umgebung der kaiserlichen Residenzstadt. Mündel Ladislaus herauszugeben, und man

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 58 »Burgenland Journal« erkannte den zwölfjährigen als König von Kaiser Friedrich III., der vor ihm das Weite Herrschaften Schlaining, Burg und Gerers- Ungarn und Böhmen an. gesucht hatte, kehrte danach zurück, als ob dorf. 1462 gründete er die Stadt Schlaining Wer glaubt, daß damit Ruhe und Ordnung nichts geschehen wäre. bei seiner Burg. Der Ausbau der Stadtfe- eingezogen wären, der irrt: Die verschiede- stung ergab ein prächtiges Gesamtwerk, an nen Adelsgruppen kämpften um die Gunst Halb Österreichisch – halb Ungarisch. dem Macht und Reichtum dieses Herren dieses neuen, noch unerfahrenen Königs. Ver- Die Pfandherrschaften. sichtbar wurde. Das Paulinerkloster, das er schwörungen, Verrat, Eidbrüche und blutige 1491 beendeten der Sohn Friedrichs, errichten ließ, sollte als Grabstätte seiner Fa- Grenzfehden standen weiterhin auf der Ta- Maximilian I, und der neu gewählte König milie und deren Nachkommen dienen. gesordnung. Zu den „Günstlingen“, die sich von Ungarn, Wladislaw II. aus Polen, im Ebenso versuchte der adelige Herr seine klar Ladislaus anbiederten, gehörte auch Preßburger-Vertrag die Streitigkeiten. Die Stadt zu einem Handelszentrum auszubauen. Andreas Baumkircher. Der junge König Herrschaft Forchtenstein, Eisenstadt, Ko- Alle Bewohner erhielten Handelsfreiheiten, belohnte ihn dafür reichlich. und Kaiser Friedrich III. gewährte sogar das Recht, Bergwerke zu eröffnen und Münzen König Ladislaus stirbt (1557) zu prägen. Völlig unerwartet erlag Ladislaus Postu- Die späteren Herren, die Familie Bat- mus einer Krankheit. Einiges spricht dafür, thyany, vernachlässigten die Stadt, sodaß sie daß er einer Verschwörung zum Opfer gefal- als Handelsort bedeutungslos wurde. len war. Mit seinem Tod brach das Bündnis Gegen die Unfähigkeit des Kaisers ver- („Konföderation“) der Länder Österreich, bündeten sich diesmal steirische Adelige mit Ungarn und Böhmen abermals auseinander. dem Ungarnkönig Matthias Corvinus. Rä- In allen drei Ländern kamen einheimi- delsführer dabei war Andreas Baumkircher sche Fürsten an die Macht. In Österreich war mit den Adeligen Hans von Stubenberg und wieder Friedrich zur Stelle, der den Söld- Andreas Greisenegger. Der Kaiser hatte nerführern weiterhin tatenlos zuschaute. nämlich Baumkircher manche Leistungen Deshalb hätte man dort lieber seinen Bruder nicht zurückbezahlt. Für seinen ehemaligen Albrecht als Herrscher gesehen. 1462 bela- Getreuen galt es nun, nach dem damaligen gerte dieser mit den unzufriedenen Wiener Fehderecht die „ritterliche Ehre“ wieder- Bürgern monatelang den Kaiser und dessen herzustellen. Familie. Zum Glück war Haudegen Baum- Die so genannte Baumkircherfehde dau- kircher wieder da. Mit der Hilfe böhmischer erte zwei Jahre. Große Teile der Oststeier- Truppen befreite er den Kaiser in Wien. mark wurden verwüstet, Vieh und Getreide Ein Jahr später war wieder alles beim geraubt, die Weingärten zerstört und viele Alten: mit dem Tod Albrechts hatte Friedrich Matthias Corvinus, König Dörfer und Gehöfte verbrannt. Als die ge- diesen Bruderkrieg auch überlebt. Bei von Ungarn und Böhmen plagte Bevölkerung für die Schulden des Andreas Baumkircher bedankte er sich bersdorf, Bernstein, Güns, Hornstein und Kaisers auch noch aufkommen sollte, wei- damit, daß dieser Stadt Schlaining ausbauen Ungarisch Altenburg blieben habsburgischer gerte sie sich einfach zu zahlen. Da beschloß durfte und 1463 in den Adelsstand erhoben Besitz, gehörten aber gleichzeitig zum König- ihr Landesherr, die Sache auf seine eigene wurde. reich Ungarn. Die Habsburger verpfändeten Art zu lösen: Unter dem Vorwand, Verhand- sie an österreichische und steirische Adelige. lungen anzubieten, lud Friedrich die trei- Matthias I. Corvinus (1458 bis 1490) So wurden alte Adelsgeschlechter immer benden Rädelsführer freundlich nach Graz. Die Ungarn hatten inzwischen in Mat- mehr durch deutsche Grundherrn abgelöst Dort wurden sie verhaftet und kurzerhand thias Corvinus (= Rabe) einen tüchtigen Kö- bzw. verdrängt, sodaß Deutsch die Landes- enthauptet. Den Leichnam Baumkirchers nig gefunden. Zwar wurde 1459 Friedrich sprache bleiben konnte. Erst im 17. Jhdt. überführte man später nach Schlaining. III. auf der Burg Güssing von einer Gruppe wurden die erwähnten Herrschaften an Friedrich aber brach mit dieser Tat das von Magnaten zum ungarischen König Ungarn „zurückgegeben“, weil die Habsbur- Recht, denn er hatte die freie Rückkehr ver- gewählt, doch söhnte der sich – wie es seine ger u.a. die Esterházy brauchten, um die sprochen. Seinen Intrigenspiel machte ihn Art schon einmal war – mit seinem neuen Türken abzuwehren und die Evangelischen der Bevölkerung zusätzlich verhaßt. Gegenspieler bald aus. Für 80.000 Dukaten „wieder katholisch zu machen“. Nur Öden- gab er Matthias sogar die Stephanskrone her- burg, Eisenstadt und Güns, später auch Rust Serie Teil 1: Von den Jägern und Bauern der Steinzeit aus. waren als königliche Freistädte „ihre eige- bis zum Niedergang des Römischen Reiches König Matthias wußte nur zu genau, daß nen Herrn“. http://www.oesterreichjournal.at/Ausgaben/index_092.htm ein vereinigtes Großreich allein im Stande war, der akutwerdenden Türkengefahr zu Andreas Baumkirchner, Bildnachweis widerstehen. Ihm gelang es, neben Schlesien der Herr von Schlaining Leopold Banny, Lackenbach; Burgenländisches Landesarchiv, Eisenstadt; Burgenländisches Lan- und Mähren auch Österreich in seine Herr- Der Steirer Andreas Baumkircher gelang- desmuseum, Eisenstadt; Michael Floiger, Loipers- schaft zu bringen. Angeblich wurde er von te durch Tüchtigkeit, militärischen Sachver- bach; GRU-Mediathek Lutzmannsburg, Foto- hier in das Land gerufen, um das Faustrecht stand und auch Rücksichtslosigkeit zu Ruhm archiv Atelier am Berg, Mattersburg; Hugo endgültig zu beseitigen. 1485 bis zu seinem und Reichtum. Als Söldnerführer des Kai- Huber, Weiden am See, Fotostudio Muik, Güs- Tod im Jahr 1490 residierte er in Wien. sers kam er unter anderem in den Besitz der sing; Gerhard Mollay, Neusiedl am See.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 59 Wirtschaft An 14. Stelle von 37 Ländern Österreich zählt zu den fünf EU-Ländern, deren Wirtschaft von der weltweiten Krise am wenigsten in Mittleidenschaft gezogen wurde. In Europa bewältigten die Schweiz, Norwegen und Polen die Krisensituation am besten.

m Rückblick lassen sich einige Faktoren keine Einbußen, weil der Rückgang 2009 hohen Industrieanteils ihrer Wirtschaft von Iidentifizieren, die mit dafür maßgebend durch das Wachstum daher und danach kom- der Krise stark in Mitleidenschaft gezogen. waren, wie schwer die Wirtschaft eines Lan- pensiert wurde. Die Wirtschaftsleistung Eine endgültige Bilanz der weltweiten Wirt- des von der Krise betroffen war: Länder mit schrumpfte zwischen dem II. Quartal 2008 schaftskrise kann noch nicht gezogen wer- hohem Außenhandelsdefizit, starkem Kredit- (Höhepunkt) und dem II. Quartal 2009 den, da für Portugal und Griechenland auch wachstum und dynamischem Aufholprozeß (Tiefpunkt) um 4,6%, und das durchschnitt- noch 2011 ein Rückgang der Wirtschaftslei- vor der Krise verzeichneten einen raschen liche Wachstum verlangsamte sich von stung prognostiziert wird. und anhaltenden Rückgang der Wirtschafts- +2,2% p. a. 2001/2007 auf +0,1% p. a. Auch 2011 wird für die EU mit +1,7% ein leistung. 2008/2010. niedrigeres Wachstum prognostiziert als für Die Weltwirtschaft wächst derzeit fast so Die Wirtschaft der EU als Ganzes schnitt die USA und vor allem die asiatischen schnell wie vor der Krise – 2010 um 4,5%, nach allen Indikatoren schlechter ab als jene Länder. Neuerlich wird die Wirtschaft in für heuer wird eine Rate von +4,1% erwar- der USA. Die USA, von denen die Krise China, Indien und Korea, die in der Krise zu tet. Die Wirtschaftsleistung liegt deutlich ausgegangen war, verzeichneten 2009 ge- den Top 5 gehörten, am stärksten expandie- höher als 2007, allerdings nicht in allen Län- genüber dem Vorjahr einen Rückgang der ren. Für die Türkei wird (wie schon 2010) dern und auch nicht im Durchschnitt der EU. Wirtschaftsleistung um 2,7% (EU -4,2%), die dritthöchste Wachstumsrate prognosti- Für eine erste Analyse der Entwicklung der vom Höhepunkt zum Tiefpunkt von 3,8% ziert. Eine Rate über 3% wird auch für die Wirtschaftsleistung von 37 OECD- und asia- (EU -5,2%); 2010 war das BIP gleich hoch EU-Länder Estland, Lettland, Polen und tischen Ländern in der Krisenperiode wer- wie 2007 (in der EU hingegen um 2% nie- Schweden erwartet. Österreich liegt unter den vier Indikatoren gegenübergestellt, die driger), der Trendverlust betrug 2,4% in den den 37 Ländern 2011 mit +2,2% in der vier verschiedene Sichtweisen repräsentie- USA und 2,8% in der EU. Mitte, allerdings über dem EU-Durchschnitt. ren: Die Rangordnung nach den 4 Indikatoren Nur teilweise erklärt die spezielle Aus- der Rückgang der Wirtschaftsleistung wurde nicht durch Addition gewonnen, son- gangslage, wie gut die Wirtschaft eines (reales BIP) im Jahr 2009, dern durch eine Methode, die zusätzliche Landes die Krise bewältigt hat. Budgetsitua- die Entwicklung der Wirtschaftsleistung Informationen nutzt und gleichlautenden tion und Staatsverschuldung vor dem Ab- über die Dreijahresperiode 2008 bis Informationen ein geringeres Gewicht gibt. schwung hatten entgegen den Erwartungen 2010, um den Beginn der Krise und das Die beste Gesamtentwicklung zeigt der keinen Einfluß auf die Stärke der Krise in erste Erholungsjahr mit einzubeziehen, Indikator für China, Indien, Australien und den einzelnen Ländern. Auch Strukturindi- der Rückgang in den saisonbereinigten Korea, somit durchwegs für Länder im asia- katoren wie die Größe der Industrie und des Quartalsdaten vom Vorkrisenhöhepunkt tischen Wirtschaftsraum. Chinas Wirtschaft Finanzsektors, der Staatsanteil und die Of- zum Tiefpunkt, um die unterjährige Ent- wuchs in den Jahren 2008/2010 im Durch- fenheit der Wirtschaft können die unter- wicklung und die Steilheit der Krise zu schnitt um 9,6% p. a., das Trendwachstum schiedliche Betroffenheit nicht erklären. messen, verlangsamte sich nur unwesentlich zurück. Hingegen wurde die Wirtschaft eines Landes der Unterschied zwischen der Wirt- Indien verzeichnete in den Krisenjahren ein wesentlich schwächer in Mitleidenschaft ge- schaftsentwicklung in den drei Krisen- etwas geringeres Wachstum und einen noch zogen, wenn es vor der Krise einen Außen- jahren und dem Wachstum seit 2000, um geringeren Einfluß der Krise. In Polen als handelsüberschuß aufgewiesen hatte und zu zeigen, wie stark sich die Dynamik einzigem europäischen Land unter den Top 5 wenn das Kreditwachstum international verringert hat. der untersuchten Länder wuchs die Wirt- unterdurchschnittlich gewesen war; zudem schaft auch 2009; in der Dreijahresperiode waren europäische Länder mit besonders Österreich liegt nach der Gesamtein- 2008/2010 ergab sich eine durchschnittliche hohem Wachstum vor der Krise überdurch- schätzung durch alle vier Indikatoren unter Rate von +3½%. Die Schweiz erreichte das schnittlich betroffen. Die Entwicklung in der den 37 untersuchten Ländern an 14. Stelle. zweitbeste Ergebnis unter den europäischen Krise hing auch stark vom Volumen der Innerhalb der EU ist das ein Rang unter den Ländern (Rang 6 insgesamt), hatte allerdings Konjunkturpakete ab. Top 5, nahezu gleichauf mit Frankreich und vor der Krise ein geringeres Wachstum ver- Eine exakte Vorhersage der Entwicklung Belgien und knapp vor den Niederlanden. zeichnet. Am stärksten brach das Wachstum in künftigen Krisenphasen kann anhand der Portugal hatte zunächst auch eine milde in Rumänien, Ungarn und Slowenien ein, vorliegenden Evidenz nicht erwartet werden: Krise, fällt aber 2010/11 deutlich zurück. also drei neuen EU-Ländern, deren Wirt- Die Ergebnisse sind vorläufig, weil wichtige Die vier Indikatoren ergeben für Österreich schaft seit 2000 relativ rasch expandiert hat- Krisenfolgen weiterwirken. Auch beziehen eine ähnliche Position an der Spitze des te. Besonders betroffen waren mit Island und sich die Erfahrungen auf eine einzige zweiten Drittels der Länder: Die Wirt- Irland auch zwei Länder mit bisher über- Wirtschaftskrise – wenn auch in 37 Ländern. schaftsleistung sank 2009 um 3,9%, in der durchschnittlichem Pro-Kopf- Einkommen. Die Kombination von Außenhandelsdefizit, Dreijahresperiode ergaben sich per Saldo Finnland und Japan wurden wegen des hohem Kreditwachstum und überdurch-

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 60 Wirtschaft schnittlichem Wirtschaftswachstum wie z. haben mit Optimismus in die Zukunft zu zu 10 Mitarbeitern in ganz Österreich. Wei- B. in einem raschen Aufholprozeß scheint blicken“, schloß Pröll. ters braucht dieser Sektor Investitionsbegün- aber eine Konstellation zu sein, die eine be- stigungen und unbürokratische Vergabekri- sondere Anfälligkeit gegenüber einer welt- Matznetter: Austro-Keynesianismus terien bei Krediten“, so Matznetter. weiten Wirtschaftskrise bedeuten könnte. als richtiges Modell bestätigt „Die Krisenbilanz zeigt, daß der Austro- Leitl: Tolle Krisenbewältigung ist Pröll: WIFO Studie belegt erfolgreiches Keynesianismus das richtige Modell zur heimischen Betrieben zu verdanken! Krisenmanagement Österreichs Eindämmung der Krise war“, zeigte sich „Wenn Österreich laut WIFO-Vergleich Finanzminister Josef Pröll: „Österreich SPÖ-Wirtschaftssprecher und Präsident des zu jenen fünf EU-Ländern gehört, welche ist an vierter Stelle innerhalb der EU, was Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands, die Wirtschaftskrise am besten bewältigt die Krisenbewältigung betrifft. Unsere An- Christoph Matznetter, erfreut. Die Maßnah- haben, so ist das vor allem den heimischen strengungen – von Konjunkturbelebungs- men der Bundesregierung seien richtig ge- Betrieben zu verdanken, die mit aller Kraft bis hin zu Arbeitsmarktpaketen – zeigen Wir- wesen und hätten sich bewährt, so Matz- versucht haben, ihre Beschäftigten trotz Um- kung. In schwierigen Zeiten haben wir be- netter, der unter anderem auf die Steuerre- satz- und Gewinneinbrüchen zu halten. Hire wußt geholfen und die Menschen nicht im form 2009 verwies. Umso wichtiger sei es und fire war bei den Unternehmen Öster- Regen stehen lassen. Das war nicht nur sozi- jetzt, daran mit einer strukturellen Steuer- reichs kein Thema – und dafür ist ihnen zu al, sondern auch volkswirtschaftlich richtig, reform zur Umverteilung der Steuerlast an- danken“, hebt Christoph Leitl, Präsident der wie die Studie nun belegt.“ Österreich werde zuschließen. Wirtschaftskammer Österreich hervor. laut der WIFO Studie 2011 ein Wirtschafts- Weiters hob Matznetter die Leistung der Leitl sieht aber auch in den Konjunktur- wachstum von 2,2 Prozent verzeichnen, also Klein- und Mittelbetriebe in Österreich her- paketen der vergangenen Jahre, welche Re- 1,7 Prozent über dem EU-Schnitt. „Unsere vor. „Diese Betriebe haben gezeigt, daß sie gierung und Sozialpartner geschnürt haben, Strategie ist klar: Wirtschaft, Wachstum und tatsächlich krisenfest sind. Erfreulicherweise einen äußerst wirkungsvollen Beitrag, um Aufschwung. Die Basis dafür haben wir mit brachten die Meisten ihre Unternehmen den Standort Österreich krisenfest zu ma- unseren Maßnahmen gegen die Krise gelegt. durch die Krise und konnten auch größten- chen: „Von der Kurzarbeits-Förderung bis Wir haben kraftvoll geholfen und der Erfolg teils ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur thermischen Sanierung hat es viele gibt uns recht“, so Pröll. halten“, so Matznetter, der betonte, daß es Maßnahmen gegeben, welche dazu beigetra- „Nun beginnt die Zeit des Aufschwungs. sich diese Unternehmer nun verdient hätten, gen haben, daß die weltweite Wirtschafts- Wir haben gesät und werden 2011 erfolg- daß ihre langjährigen Forderungen endlich krise Österreich nicht so stark getroffen hat, reich ernten. Gerade diese Studie zeigt, daß umgesetzt werden. „Dazu zählen Mikrokre- wie andere Länder. Da hat die Regierung, da unser entschlossenes Handeln in der Bun- dite für Ein-Personen-Unternehmen sowie haben Finanz- und Wirtschaftsminister gold- desregierung richtig war und wir allen Grund kleine und mittelgroße Unternehmen mit bis richtige Arbeit geleistet.“

Übersicht: Krise und Erholung in 37 Ländern 2009 2008/2010 Rückgang Veränderung Rang1) in Krise Erholungs- p.a. Vorkrisenhöhe- 2008/2010 phase 2010/11 punkt zum Tief- gegenüber p.a. punkt 2001/2007 Veränderung des realen BIP in % Prozentpunkte Veränderung des realen BIP in % China + 8,9 + 9,6 – 1,2 1 + 9,6 Indien + 6,8 + 7,6 + 0,2 2 + 8,5 Polen + 1,7 + 3,4 – 0,6 3 + 3,7 Australien + 3,0 + 2,4 – 1,1 4 + 3,4 Korea + 0,2 + 2,8 – 1,8 5 + 5,3 Stärkste Betroffenheit Slowenien – 8,1 – 1,2 – 9,5 – 5,7 33 + 1,5 Irland – 7,6 – 3,8 – 12,5 – 9,3 34 + 0,4 Litauen – 14,7 – 4,1 – 18,1 – 12,2 35 + 1,6 Estland – 13,9 – 5,8 – 19,6 – 13,9 36 + 3,4 Lettland – 18,0 – 7,9 – 26,1 – 16,9 37 + 1,4 Zum Vergleich USA – 2,7 ± 0,0 – 3,8 – 2,4 10 + 2,4 Österreich – 3,9 + 0,1 – 4,6 – 2,1 14 + 2,1 EU 27 – 4,2 – 0,7 – 5,2 – 2,8 (19) 2) + 1,8

Q: Eurostat (AMECO, November 2010), WIFO-Prognose. . 1) Geringste Betroffenheit gemäß den 4 Indikatoren. .2) Hypothetischer Rang aufgrund der 4 Indikatoren (nicht als Land gewertet

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 61 Wirtschaft 2011 bringt Österreichs Wirtschaft mehr Schwung Die österreichische Wirtschaft schließt an den erfreulich dynamischen Jahresab- schluß mit einem Anstieg des BIP um 0,6 Prozent zum Vorquartal – der ein Wirt- schaftswachstum von 1,9 Prozent im Gesamtjahr 2010 ermöglichte – nahtlos an.

ie Konjunkturerholung hat sich in Ös- der Auslandsnachfrage weiterhin einen kräf- schnitt übersteigt. Belastet durch die budgetä- Dterreich in den vergangenen Monaten tigen Schub“, meint Bruckbauer. Nicht nur re Zurückhaltung des öffentlichen Sektors zusehend stabilisiert. „Der Bank Austria die ansteigende Stimmung in der exporto- werden sich die Bauinvestitionen nur Konjunkturindikator ist im Jänner auf 3,9 rientierten Industrie, sondern auch die zu schwach entwickeln. Der hauptsächliche Punkte und damit auf ein Dreijahreshoch ge- Jahresbeginn kräftig gewachsene Anzahl der Beitrag geht daher von den Ausrüstungs- klettert. Von der Eintrübung des Konjunktur- Neuaufträge und die deutlich zugenomme- investitionen aus. klimas, die sich im Spätherbst 2010 abzeich- nen Auftragspolster im Sektor deuten darauf Die Wachstumsdynamik wird sich Ver- nete, ist nichts mehr zu sehen. Die österrei- hin. Doch auch die Binnennachfrage wird im lauf des Jahres 2011 tendenziell etwas chische Wirtschaft präsentiert sich nach dem ersten Quartal einen spürbaren Beitrag zum abschwächen. Mit Zuwachsraten um 0,3 bis Jahreswechsel in strahlender Verfassung“, Wachstum leisten. Wir erwarten für den pri- 0,4 Prozent zum Vorquartal bleibt die Er- meint Bank Austria Chefökonom Stefan vaten Konsum dank der anhaltend günstigen holung der österreichischen Wirtschaft Bruckbauer. Der fortgesetzten Erholung der Entwicklung am Arbeitsmarkt eine Fortset- jedoch über das gesamte Jahr in Schwung. Konjunktur scheint in den kommenden Mo- zung des moderaten, aber stabilen Aufwärts- „Aufgrund der anhaltend günstigen Export- naten nichts im Wege zu stehen. trends. Insbesondere bei den Investitionen, aussichten und insbesondere den verbesser- „Die Stimmung unter den heimischen sollte sich der bestehende Nachholbedarf in ten Investitionserwartungen haben wir unse- Verbrauchern hat sich zu Jahresbeginn wie- den kommenden Monaten in einem spürba- re Wachstumsprognose für 2011 auf 2,3 Pro- der merkbar aufgeheitert, was den Bank ren Anstieg zeigen. zent angehoben. Damit zählt Österreich zu Austria Konjunkturindikator maßgeblich „Im weiteren Jahresverlauf 2011 wird die den wachstumsstärksten Ländern des Euro- nach oben gezogen hat“, so Bruckbauer. Die Wachstumsunterstützung durch die Auslands- raums“, meint Pudschedl. anhaltende Verbesserung der Lage am Ar- nachfrage nicht mehr so stark sein, wie zu Der Auftrieb aus dem Ausland überträgt beitsmarkt belebt die Zuversicht und unter- Jahresbeginn. Der Export wird aber über das sich 2011 zunehmend auf die Binnenwirt- stützt die Konsumlaune, während die negati- gesamte Jahr 2011 den anhaltenden Wirt- schaft und erhöht die Aussicht auf ein selbst- ven Auswirkungen der Budgetkonsolidie- schaftsaufschwung in Österreich unterstüt- tragendes, nachhaltiges Wachstum der öster- rung auf die Kaufkraft noch nicht spürbar zen“, meint Bank Austria Ökonom Walter reichischen Wirtschaft. Während die Aus- sind. Zudem bietet das aktuell niedere Zins- Pudschedl. Insgesamt ist für 2011 von einem landsnachfrage im Vorjahr fast 80 Prozent niveau wenig Anreiz zum Sparen, die Spar- realen Anstieg der Exporte um 7 Prozent zum Wirtschaftswachstum beitrug, wird quote geht tendenziell zurück. „Die Stim- nach fast 11 Prozent im Vorjahr auszugehen. 2011 die Inlandsnachfrage für knapp mehr mung der heimischen Industrie hat sich wei- Die Entwicklung des privaten Konsums ist als die Hälfte verantwortlich sein. „Der BIP- ter erhöht. Im Sog des Aufwärtstrends auf angesichts der eher moderaten Lohnauf- Anstieg wird 2011 in Österreich auf einer europäischer Ebene zeigt sich Österreichs wärtsentwicklung und der sich verlangsa- stabileren, ausgeglicheneren Basis als im Wirtschaft insbesondere aufgrund der positi- menden Verbesserung am Arbeitsmarkt mit Vorjahr stehen. Das macht die Konjunktur- ven Entwicklung in einigen osteuropäischen steigenden Risiken behaftet. Das niedrige entwicklung resistenter gegenüber einzelnen Ländern optimistisch“, meint Helmut Zinsniveau wird jedoch dazu beitragen, daß Risikofaktoren“, so Bruckbauer. Bernkopf, Bank Austria Vorstand Corporate auf Kosten der Sparquote der Konsum sein Auch für 2012 sind die Ökonomen der & Investment Banking. Die Rahmenbedin- recht stabiles Wachstum 2011 weitgehend Bank Austria recht optimistisch. „Die An- gungen für die österreichische Wirtschaft fortsetzen sollte, wenn auch mit etwas sin- zeichen für eine ungestörte Fortsetzung des sind damit nach Einschätzung der Ökono- kendem Tempo in der zweiten Jahreshälfte. Konjunkturaufschwungs im kommenden Jahr men der Bank Austria so günstig, wie schon Im Gesamtjahr wird der private Konsum um verdichten sich. Allerdings besteht eine Rei- seit mehr als drei Jahren nicht mehr. knapp 1 Prozent zulegen. „Die Aussichten he von Risikofaktoren, die dafür sorgen, daß Die österreichische Wirtschaft schließt an für die Investitionen hellen sich weiter auf. 2012 mit einem Anstieg des BIP um 2 Pro- den erfreulich dynamischen Jahresabschluss Mit einem Anstieg um 3,5 Prozent werden zent eine etwas gedämpftere Dynamik als in mit einem Anstieg des BIP um 0,6 Prozent die Investitionen sogar zum wichtigsten diesem Jahr zu erwarten ist“, meint Bruck- zum Vorquartal – der ein Wirtschaftswachs- Wachstumsträger des Jahres 2011“, so Pud- bauer. Das zu erwartende Anziehen der noch tum von 1,9 Prozent im Gesamtjahr 2010 schedl. Das Comeback der Investitionen ist lockeren geldpolitischen Zügel und die ermöglichte – nahtlos an. „Wir gehen für das eine Folge der angewachsenen Auftrags- Eindämmung der Dynamik der öffentlichen erste Quartal 2011 von einem Anstieg des rückstände und der gestiegenen Kapazitäts- Verschuldung werden ebenso wie die stark BIP um 0,5 Prozent zum Vorquartal aus, auslastung in der Industrie, die bereits seit gestiegenen Rohstoffpreise das Wachstum denn die österreichische Wirtschaft erhält von vielen Monaten den langfristigen Durch- belasten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 62 Wirtschaft Schwung für das neue Tourismus-Jahr Wirtschafts- und Tourismusminister: Gute Basis für solides Gesamtergebnis der Wintersaison gelegt - Diversifizierung der Herkunftsmärkte bringt mehr Wachstum

ach ersten vorläufigen Ergebnissen von NStatistik Austria wurden in der ersten Hälfte der Wintersaison 2010/11 (November bis Jänner) 27,81 Mio. Nächtigungen regi- striert, was einer Steigerung von 0,8% gegen- über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Dies ist auf Nächtigungszuwächse bei ausländischen Gästen (+1,7% auf 21,20 Mio.) zurückzuführen, während inländische Gästenächtigungen mit -2,0% auf 6,61 Mio. rückläufig waren. Das erste Drittel der ak- tuellen Wintersaison (November und De- zember 2010) war insgesamt noch rückläu- fig (-2,1%). Bei der Zahl der Gäste (=Ankünfte) ver- lief die erste Winterhälfte mit einem Plus von 1,8% auf 7,44 Mio. ebenfalls positiv, wobei auch hier ausländische Gäste mit Vorläufige Ankunftsergebnisse der Beherbergungsstatistik im Jänner 2011 +3,2% auf 5,12 Mio. den Rückgang bei in- ländischen Ankünften (-1,3% auf 2,32 Mio.) überkompensieren konnten.

Weiter Trend zu höherwertigen Unterkünften, der Südosten verliert Der bereits seit Monaten anhaltende Trend zu höherwertigen Quartieren setzt sich auch in der laufenden Wintersaison fort. So ver- zeichneten Hotels der 5-/4-Stern Kategorie in den Monaten November 2010 bis Jänner 2011 überdurchschnittliche Nächtigungszu- wächse von 2,0%. Im gleichen Zeitraum waren die Nächtigungen in 2-/1-Stern Be- trieben mit -2,8% rückläufig. Die größten Nächtigungsrückgänge verzeichneten Privat- quartiere mit -4,9%. Eine regionale Analyse zeigt, daß mit Ausnahme von Kärnten (-4,9%), der Steier- Vorläufige Übernachtungsergebnisse der Beherbergungsstatistik im Jänner 2011 mark (-0,7%) und dem Burgenland (-0,6%) alle Bundesländer Nächtigungszuwächse werden. Trotz des Rückgangs bei der Zahl Das nunmehr hohe Niveau der Zahl der erzielen konnten; mit +5,4% waren diese bei der inländischen Gästenächtigungen von Nächtigungen im Jänner ist unter anderem Wien gefolgt von Oberösterreich (+2,8%) 5,2% auf 2,69 Mio. wurde durch Nächti- auf eine zunehmende Internationalisierung am höchsten. gungszuwächse ausländischer Gäste von des Gästeportfolios zurückzuführen. Vor 6,0% auf 11,7 Mio. ein neuer Nächtigungs- allem Gäste aus Zentral- und Osteuropa stei- Rekordjänner 2011: Der rekord für den Jänner verzeichnet. Mit weni- gern ihre absoluten Nächtigungsanteile kon- Gästemix wird vielfältiger gen Ausnahmen trugen viele wichtige Her- tinuierlich. So hält der deutsche Markt – mit Im Jänner 2011 konnte mit 14,39 Mio. kunftsmärkte zu diesem Ergebnis bei: einem Zuwachs von 6,0% im Jänner 2011 im Nächtigungen (+3,7%) und 3,28 Mio. An- Deutschland (+6,0%); Niederlande (+1,8%); Vergleich zum Vorjahresmonat – gemessen künften (+1,4%) das beste je erhobene Russland (+16,7%); Schweiz (+22,7%); an den Gesamtnächtigungen einen aktuellen Nächtigungs- und Ankunftsergebnis erzielt Belgien (+30,0%); Italien (+5,8%). Anteil von 45,2%, im Jahr 2001 waren es

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 63 Wirtschaft allerdings noch 55,2%. Andererseits konnten die russischen Gästenächtigungen deutlich zulegen, wobei deren Nächtigungsanteil in- nerhalb von zehn Jahren von 0,9% auf 2,4% stieg. Nach Deutschland und den Nieder- landen stellte Rußland im Jänner 2011 den drittwichtigsten ausländischen Herkunfts- markt dar. Auch Gäste aus Ungarn (Anteil der Gesamtnächtigungen von 1,0% im Jänner 2001 auf 2,1% im Jänner 2011) der Tsche- chischen Republik (von 0,5% auf 1,7%) und Polen (von 1,3% auf 2,5%) waren im abge- laufenen Jänner in Österreichs Tourismus- zentren wesentlich präsenter als noch vor zehn Jahren.

Minister warnt vor allzugroßer Euphorie Vorläufige Ankunftsergebnisse der Beherbergungsstatistik im Zeitraum November Die am 23. Feber veröffentlichte Zwi- schenbilanz der touristischen Wintersaison liegt über den Erwartungen. „In der ersten Winterhälfte sind mehr Gäste als je zuvor nach Österreich gekommen. Allein im Jän- ner wurde sowohl bei den Ankünften als auch bei den Nächtigungen ein neuer Rekord erzielt. Damit haben wir das leichte De- zember-Minus aufgeholt und eine solide Basis für die gesamte Wintersaison gelegt. Jetzt geht es darum, diesen Schwung ins weitere Tourismusjahr mitzunehmen, um mehr Wachstum und neue Arbeitsplätze in Österreich zu schaffen“, erklärte Wirtschafts- und Tourismusminister Reinhold Mitterleh- ner. Angesichts der bisher guten Zahlen ist er optimistisch, warnt aber vor allzugroßer Euphorie. Nach der für Touristiker ungünsti- gen Lage der Weihnachtsfeiertage kommen Vorläufige Übernachtungsergebnisse der Beherbergungsstatistik im Zeitraum heuer auch die Osterferien sehr spät. Daher November 2010 bis Jänner 2011 rechnet das WIFO bestenfalls mit einem ähnlichen Nächtigungsergebnis wie im ver- Hoffnungsländer werden jedoch die traditio- Neue Rekorde gab es im Jänner sowohl bei gangenen sehr guten Winter. Die Umsätze nellen Märkte keineswegs vernachlässigt. den Nächtigungen (14,39 Millionen / plus der vergangenen Wintersaison würden dem- Dort gibt es unter dem Motto „Den Winter 3,7 Prozent), als auch bei den Ankünften nach aber wohl nicht erreicht werden. neu entdecken“ eigene Winterkampagnen. (3,28 Millionen / plus 1,4 Prozent). „Im Sinne der Tourismusstrategie konzen- Diversifizierung auch im trieren wir uns in allen Märkten auf unsere Methodische Informationen, Tourismus ein Gebot der Stunde wichtigsten Alleinstellungsmerkmale – eines Definitionen: Als besonders erfreulich wertet Mitter- davon sind die Alpen, die gerade für den Win- Da die Ankünfte und Nächtigungen im lehner die steigende Internationalisierung des tertourismus von großer Bedeutung sind“, so Tourismus maßgeblich von der Anzahl der Gäste-Portfolios. „Wegen des härter werden- Mitterlehner. Insgesamt setzt die Österreich freien Tage in einem Berichtsmonat abhän- den internationalen Wettbewerbs ist Diversi- Werbung in der Wintersaison rund 13 Mil- gen, stehen diesbezüglich neben den unbe- fizierung auch im Tourismus ein Gebot der lionen Euro für Marketing ein. reinigten auch bereinigte Daten zur Stunde. Durch neue Gäste aus Zentral- und Verfügung. Die von Statistik Austria durch- Osteuropa können wir sinkende Marktan- Neue Rekorde geführten Bereinigungen berücksichtigen teile in manchen traditionellen Märkten bes- In der ersten Hälfte der Wintersaison gab Effekte in Bezug auf Schaltjahre, Ostertage, ser kompensieren und insgesamt starke Er- es 27,81 Millionen Nächtigungen, was Wochenenden und bestimmte Feiertage. Zur gebnisse erzielen“, so Mitterlehner. So war einem Plus von 0,8 Prozent gegenüber dem Verfügung stehen bereinigte Zeitreihen Rußland im Jänner nach Deutschland und den Vorjahreszeitraum entspricht. Die Ankünfte betreffend inländische und ausländische An- Niederlanden schon der drittwichtigste auslän- sind um 1,8 Prozent auf den neuen Re- künfte und Nächtigungen ab Jänner 1990. dische Herkunftsmarkt. Trotz solcher neuen kordwert von 7,44 Millionen gestiegen. http://www.statistik.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 64 Wirtschaft Österreicher wollen 2011 rund 5460 Euro zur Seite legen 15% derer, die eine größere Anschaffung vorhaben, planen Kreditaufnahme

aut einer aktuellen Umfrage des Markt- produkte zu investieren. Sieht man sich die Mehrheit macht sich Lund Meinungsforschungsinstituts INTE- Einlagenentwicklung der privaten Haushalte keine Sorgen um den Euro GRAL im Auftrag der Erste Bank bleibt auch in Österreich an, so besteht ein Seitwärts- Die europäische Gemeinschaftswährung 2011 ein Jahr der sicheren Anlageformen. trend seit Ende 2009. Im Jahr 2010 haben kommt seit einigen Monaten nicht aus den Demnach wollen knapp zwei Drittel der sich die Einlagen der privaten Haushalte, mit Wirtschaftsschlagzeilen. Hierzulande machen Österreicher mittels Sparbuch, 58% per Bau- kleinen Auf und Abs bei rund 207 Mrd. Euro sich die Menschen aber weniger Sorgen um sparvertrag und 4 von 10 mit einer Lebens- eingependelt. Erste Bank und Sparkassen die Existenz des Euros: Knapp zwei Drittel versicherung ihr übriges Geld in den kom- halten daran einen Anteil von knapp 40 Mrd. der Österreicher glauben an die europäische menden 12 Monaten ansparen. Durch- Gemeinschaftswährung. Die Staatsschulden- schnittlich nehmen sich die Befragten vor, krise einiger südeuropäischer Länder hat zu 5460 Euro übers Jahr anzusparen. Dabei einem Vertrauensverlust der Finanzmärkte sind Einmalbeträge aus Geldgeschenken, geführt und letztlich zu einer Belastungspro- Abfertigungen oder Erbschaften genauso be für den Zusammenhalt der Eurozone. Das berücksichtigt wie etwa das was am Monats- klare politische Bekenntnis der großen ende übrig bleibt. Rund ein Drittel der Eurozone-Staaten zu mehr Gemeinsamkeit Befragten plant heuer größere Anschaffun- sorgte dann aber seit Jahresbeginn wieder zu gen wie z.B. eine eigene Wohnung oder ein einer Befestigung der Gemeinschaftswäh- neues Auto. 15% davon wollen sich das rung gegenüber dem US-Dollar. „Der Euro mittels Kredit finanzieren und dafür durch- ist nach wie vor eine stabile Währung. Die schnittlich 70.200 Euro aufnehmen. Um den Konsolidierung der Staatshaushalte einiger Zustand der europäischen Gemeinschafts- Euroländer wird dennoch das bestimmende währung macht sich die Mehrheit (2/3) der Thema des Jahres 2011 werden“, so Bosek Österreicher keine Sorgen. Die Leitzinsen weiter. werden noch bis zum 4. Quartal niedrig blei- Die wirtschaftlichen Rahmenbedingun- ben, was für Kreditnehmer weiter positiv ist, gen für Österreich sind 2011 sehr positiv: am Sparbuch wird es allerdings bis dahin Das Wifo erwartet ein Wirtschaftswachstum auch keine großen Sprünge nach oben von 2,2% sowie eine leicht rückläufige geben. Die Arbeitslosenquote sinkt leicht Arbeitslosenquote. Die Inflation wird mit und die heimische Wirtschaft wächst um 2,1% (2010: 1,8%) im laufenden Jahr nur 2,2%. leicht ansteigen. Das Zinsniveau sollte damit Foto: http://www.bilderbox.biz noch einige Zeit niedrig bleiben. Am Spar- Geldflußprognose der Haushalte Euro. Neben der Geldanlage zeigen sich die buch ist vorerst leider nicht viel mehr zu Trotz niedriger Zinsen ist und bleibt das Österreicher aber auch bereit, 2011 einiges erwarten. Die Experten der Erste Bank ge- Sparbuch die beliebteste Anlageform der zu investieren. Demnach plant rund ein hen davon aus, daß die EZB die Leitzinsen Österreicher. In den nächsten 12 Monaten Drittel größere Anschaffungen wie einen frühestens im 4. Quartal 2011 anheben wird, wollen laut Umfrage 62% ihr Geld aufs Autokauf, eine eigene Wohnung oder neue voraussichtlich um 25 Basispunkte. 2012 Sparbuch legen, etwas weniger werden Einrichtung wofür zusätzlich Geld benötigt wird sich das dann auch auf die Spar- und einen Bausparvertrag (58%) abschließen. wird. Der überwiegende Teil kann sich diese Kreditzinsen auswirken. „Die niedrigen Zin- 40% wollen heuer eine Lebensversicherung Wünsche aus eigenen Ersparnissen finanzie- sen sollten heuer noch die eine oder andere und 34% in die Pensionsvorsorge investie- ren (85%), 15% brauchen allerdings einen Investition beflügeln“, meint Peter Bosek. ren. Für Fonds können sich 2011 17% begei- Bankkredit dazu. Im Österreichschnitt denkt Da die Zinsen in den nächsten Jahren sicher stern, Immobilien wollen 11% kaufen und jeder Befragte der einen Kredit aufnehmen wieder steigen werden, sollte man sich das immerhin 8% werden sich Gold ins Depot will, an eine Summe von rund 70.200 Euro. aktuell niedrige Niveau mit z.B. einer legen. „Geld zur Seite zu legen, in welcher Das Kreditvolumen zeigt außerdem einen Fixzinsvereinbarung auf die nächsten Jahre Form auch immer, ist den Österreichern tra- klaren Aufwärtstrend: Hatten die privaten unbedingt absichern. ditionell sehr wichtig“, so Peter Bosek, Haushalte per Jänner 2010 Kredite in Höhe Den Sparern rät Bosek, „sich jetzt genau Privat- und Firmenkundenvorstand der Erste von etwa 128 Mrd. Euro ausständig, so wa- zu überlegen wie man sich am besten für die Bank. Was die Höhe der Geldanlage betrifft, ren es per Dezember 135 Mrd. (+5,5%). Zeit steigender Renditen aufstellt. Alles nur so rechnet der Durchschnitt, daß in den Erste Bank und Sparkassen halten davon per am Sparbuch zu belassen, ist bei diesem nächsten 12 Monaten rund 5.460 Euro zur Ende Dezember 2010 einen Anteil von gut Zinsniveau sicher nicht die ertragreichste Verfügung stehen, um es in diverse Anlage- 26 Mrd. Euro. Möglichkeit.“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 65 Wirtschaft Österreich baut Position als Bio-Europameister weiter aus Mittlerweile 19,4% der Agrarnutzfläche und 16,2% der Betriebe

sterreich ist es im Jahr 2010 gelungen, schen Landbau (FiBL) ergeben, daß der glo- rhein-Westfalen – voraussichtlich Köln – und Öseine Top-Position als Bio-Europa- bale Markt für biologische Lebensmittel und eine weitere in einer nicht-deutschsprachi- meister weiter auszubauen. So wird mittler- Getränke weiter zunimmt. 2009 wurden gen EU-Stadt, vermutlich Paris oder War- weile rund ein Fünftel (19,4%) der landwirt- bereits Umsätze von 54,9 Mio. US$ ver- schau, im zweiten Halbjahr geplant. schaftlichen Nutzfläche unseres Landes, ins- zeichnet, gegenüber 40,2 Mio. US$ im Jahr Insgesamt wurden im Jahr 2009 rund gesamt 544.672 Hektar, von 21.798 Bio- 2006 und 25,5 Mio. US$ im Jahr 2003. Ein 37,2 Mio. ha weltweit ökologisch bewirt- BäuerInnen bewirtschaftet. Das entspricht ähnliches Bild zeigt der europäische Markt. schaftet, 32,6% in Ozeanien, 24,9% und wiederum 16,2% der Landwirtschaftsbe- Der größte Bio-Markt weltweit sind die somit ein Viertel in Europa sowie 23% in triebe, wie Christoph Gleirscher, Geschäfts- USA mit umgerechnet 17,8 Mrd. Euro, Lateinamerika. In der EU sind große Staaten führer von Bio Austria, am 18.02. bei einem dahinter folgen Deutschland (5,8 Mrd .Euro) wie Spanien (1,3 Mio. ha), Italien (1,1 Mio. Pressegespräch auf der Biofach-Messe in und Frankreich (3,0 Mrd. Euro). Erstaunlich ha) und Deutschland (0,95 Mio. ha) die füh- Nürnberg berichtete. Im Jahr 2009 waren es ist, daß sich die Schweiz (1.023 Mio. Euro) renden Länder im Hinblick auf die absolute noch 18,5% der Agrarnutzfläche und 20.870 und Österreich (868 Mio. Euro) trotz ihrer Bio-Fläche. Österreich befindet sich mit Bio-Betriebe (15,2%). geringen Landesgröße in den Top-10 der 518.757 ha trotz seiner vergleichsweise klei- Doch auch am österreichischen Bio- nen Landesfläche auf dem stolzen sechsten Lebensmittelmarkt gibt es laut den aktuellen Platz. Anteilsmäßig lag die Alpenrepublik RollAMA-Daten einen noch nie dagewese- 2009 mit 18,5% im absoluten Spitzenfeld. nen Bio-Boom. Der Mengenzuwachs von Lediglich Liechtenstein, das jedoch kaum 2009 auf 2010 betrug im Segment Bio- über Flächen verfügt, lag mit 26,9% davor. Frischwaren (exklusive Brot) im LEH Hinter Österreich folgen Schweden (12,6%) 21,5%, der Wertzuwachs 18,7%. Da auch im und die Schweiz (10,8%). Ausland gute Marktentwicklungen zu ver- zeichnen sind, möchte Rudi Vierbauch, Ob- Bio legt auch bei Käuferreichweite zu mann von Bio Austria, die heimischen Un- Wie eine Motivanalyse zum „Einkaufs- ternehmen noch mehr motivieren, zu 100% verhalten Bio“ ferner ergeben hat, haben auf Bio zu setzen, und die Firmen dabei Bio-Produkte in Österreich mittlerweile eine unterstützen, im Ausland Fuß zu fassen. Käuferreichweite von 88% bei steigender Foto: BMLFUW/AMA Einkaufsintensität. Demnach decken 40% Berlakovich: Spitzenreiter der nachhal- Bioäpfel mit Herz der Haushalte 80% des Bio-Umsatzes. Als tigen österreichischen Landwirtschaft weltweiten Bio-Märkte befinden. Je 48% der Kaufmotiv wird vor allem der Gesundheits- Österreichs Landwirtschaftsminister Ni- weltweiten Bio-Lebensmittelverkäufe teilten aspekt angegeben. Aber auch Personen, die kolaus Berlakovich zeigte sich gegenüber sich 2009 ferner auf Europa und Nord- keine Bio-Produkte kaufen, haben eine über- aiz.info über diese Zuwachsraten erfreut. amerika auf. Verschwindende 4% verbleiben raschend positive Einstellung zu diesem „Die Bio-Landwirtschaft ist Spitzenreiter für die restliche Welt. Thema. Der Anteil an absoluten Bio-Verwei- des österreichischen Wegs einer nachhalti- gerern ist hingegen sehr gering. Vor allem ist gen Landwirtschaft. Daß diese Vorreiterrolle Neue europäische auch das deutlich bessere Angebot dafür ver- Österreichs weiter abgesichert wird, garan- Absatzmärkte erschließen antwortlich, daß heute mehr Bio gekauft tieren einerseits engagierte und zukunfts- Um neue europäische Absatzmärkte für wird als vor fünf Jahren. Die Nachfrage ist orientierte Bio-Bäuerinnen und -Bauern, die Zukunft zu erschließen und abzusichern, mit einem Plus von 30% jedoch noch stärker professionelle Verarbeiter, Vermarkter, Bio- hat Bio Austria im Vorjahr gemeinsam mit gestiegen als das Angebot (+12%). Kontrollstellen und Konsument(inn)en. An- der AMA Marketing eine Exportoffensive In Deutschland ist der Absatz auch seit dererseits unterstützt die heimische Agrar- mit einer ersten österreichischen Bio-Präsen- Bekanntwerden des Dioxin-Skandals enorm politik die österreichische Bio-Landwirt- tation in Hamburg gestartet. Heuer soll diese gestiegen. Dieses Vertrauen der Konsu- schaft durch effiziente und vielfältige För- Initiative ausgebaut werden. Neben Deutsch- menten in Bio-Produkte wollen nun auch die derungen. Außerdem ist auch die umfassen- land, dem wichtigsten Exportland für Öster- österreichischen Produzenten als Chance de Information der Konsumenten ein wichti- reich, liegt ein weiterer Schwerpunkt auf nutzen, wie Bio Austria in Nürnberg betonte. ger Teil unserer Strategie“, so Berlakovich. ausgewählten Zielmärkten wie Slowenien, Bio Austria ist mit 13.000 Mitgliedern der Das Bio-Engagement Österreichs muß Polen, Tschechien, Slowakei und Frankreich, größte Verband österreichischer Bio-BäuerIn- auch vor den globalen Entwicklungen und denen ein großes Potenzial als Bio-Absatz- nen und damit auch der bedeutendste Ver- Marktchancen betrachtet werden. So hat eine markt eingeräumt wird. Für das erste Halb- band für biologische Landwirtschaft in Studie des Forschungsinstituts für biologi- jahr 2011 ist eine Veranstaltung in Nord- Europa.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 66 Wirtschaft OÖ ist bei der Energiewende eine der Top-Regionen der Welt Jetzt erstmals auch Solarwärme für Erzeugung industrieller Prozeßwärme

berösterreichs Energiepolitik wirkt – Odie Energiewende wird schrittweise Wirklichkeit. Der Landes-Energiebericht 2011 zeigt bisherige Rekordwerte beim An- teil der Erneuerbaren Energieträger am Energiemix, bei der Ökowärme und beim Ökostrom sowie bei der Energieeffizienz. Der Landesenergiebericht 2011 baut auf die neue Energiestatistik der Statistik Austria auf und präsentiert die Zahlen für Ober- österreichs Energiesituation im Jahr 2009. Der Bericht belegt, daß Oberösterreich wie- der einen großen Schritt in Richtung Ener- giewende gemacht hat, daß die Landesener- giepolitik wirkt. Als erste Region Europas hat Oberösterreich im Jahr 2007 die voll- ständige Umstellung bei Strom und Raum- wärme auf erneuerbare Energieträger und Energieeffizienz bis 2030 beschlossen. Der Foto: Land OÖ / Binder Martin Leitl, Landesrat Rudi Anschober und Cornelia Leitl aktuelle Energiebericht zeigt, daß Oberös- terreich in diese sehr ambitionierte Richtung lung mittlerweile zu den weltweiten Top-5- Kohlendioxid pro Jahr eingespart. Dieses ein sehr guter Start gelungen ist. Konkret: Regionen der Energiewende. Die Nutzung erste Großprojekt zur Erzeugung industriel- der Anteil Erneuerbarer Energieträger am der erneuerbaren Energien verringert die ler Prozeßwärme wurde am 22. Feber von Gesamtenergieverbrauch Oberösterreichs Importkosten (um ca. 1 Milliarde Euro) für Energielandesrat Rudi Anschober besucht – konnte erstmals auf 36 Prozent gesteigert immer teurere fossile Energieträger, redu- die Zwischenergebnisse sind hervorragend

werden (Österreich: 30,1%, Deutschland: ziert die CO2-Emissionen (um ca. 7,8 Mio und entsprechen den Prognosen. Die neue 10,3%, EU 2008: 8,4%) – das ist weltweit Tonnen pro Jahr), und das macht uns unab- Nutzung der Solarwärme funktioniert! ein Top-Wert, hängiger. Gerade jetzt wird angesichts der der Anteil Erneuerbarer Energieträger am Konflikte in Nordafrika und der aktuellen Solarwärme in Oberösterreich Gesamt-Wärmeverbrauch Oberöster- Preisentwicklung bei Öl (höchster Preis seit weiterhin auf Erfolgskurs reichs konnte auf 45,5% Prozent erhöht zweieinhalb Jahren – und das ist nur der Be- Thermische Solarenergie ist in Ober- werden (Österreich: 34,8%, Deutschland: ginn) immer klarer, daß die bisherige Abhän- österreich seit Jahren auf der Überholspur. 8,8%, EU 2008 :12%) – das ist weltweit gigkeit von Öl Diktaturen gestützt und im- Auch 2010 konnten wieder rund 80.000 m² ein Top-Wert, mer mehr Menschen in die Armutsfalle Fläche zugebaut werden. Damit liegt Ober- der Anteil Erneuerbarer Energieträger am geführt hat.“ österreich bei einer Pro-Kopf-Fläche von Gesamtstromverbrauch Oberösterreichs 0,8 m²/EW und ist Nummer 1 in Europa. konnte auf 86% erhöht werden (Ö: Weiterentwicklung der Zum Vergleich: in Deutschland (2009) liegt 68,2%; Deutschland: 16,4%, EU 2008: Erfolgsgeschichte Solare Wärme die Pro-Kopf-Fläche bei 0,16 m²/EW, in der 16,8%), auch das ist weltweit ein Top- Mit Sonnenenergie werden Betonteile EU (2009) bei 0,06 m²/EW Setzt sich der Wert und produziert – ein innovativer Weg, für den Zubautrend der letzten Jahre auch in den der Energieverbrauch konnte um 5,8% sich die Leitl Beton GmbH entschieden hat. kommenden Jahren fort, dann wird Ober- Prozent abgesenkt werden – im Vergleich Die 300 Quadratmeter große thermische So- österreich 2015 die Schallmauer von durch- ist das österreichweite Wirtschaftswachs- laranlage liefert die zur Herstellung von Be- schnittlich einem Quadratmeter pro Bürger tum um 3,9% gesunken. Besonders ein- tonfertigdecken und Wänden notwenige überschreiten. In Summe werden durch die drucksvoll ist der Rückgang des Energie- Prozesswärme, in Kombination mit einer Verwendung von thermischen Solaranlagen, verbrauchs im Bereich der Raumwärme umweltfreundlichen Hackschnitzelanlage. die zu einem Gutteil in Oberösterreich er- (2005 bis 2009: minus 12,3% Prozent) Damit können je nach Anwendungsfall bis zeugt werden, rund 40 Mio l Heizöl pro Jahr sowie der Anteil der Ökoraumwärme, der zu 70% der der jährlichen Kosten für die ersetzt und ca. 100.000 Tonnen CO2 einge- mit 52,1% über der 50%-Marke liegt. Prozesswärme eingespart werden. Statt Öl spart. Die Solarförderung ist Angelegenheit Energie-Landesrat Rudi Anschober: oder Gas, Sonne und Hackschnitzel – und der Bundesländer, Oberösterreich garantiert „Oberösterreich zählt mit dieser Entwick- damit werden 422.000 kg klimaschädliches seit Jahren stabile Förderungen.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 67 Wirtschaft Mehr Geld für Wiener Kreativunternehmen Förderrichtlinien für das »Schwerpunktprogramm Creativ Industries« optimiert

m mit den departure-Förderprogram- Umen noch gezielter und bedürfnisorien- tierter auf die Wiener Kreativunternehmen eingehen zu können, trat mit Jänner 2011 eine neue Richtlinie in Kraft, die zusätzliche Anreize für Unternehmen der „Creative In- dustries“, insbesondere Unternehmensgrün- derInnen und JungunternehmerInnen bietet. Die maßgeblichen Neuerungen umfassen die Erhöhung der maximalen Fördersumme im Programm „departure pioneer“ und „depar- ture experts“ sowie die Anhebung der För- derquote bei „departure classic“. Weiters wurde nun bei allen Programmen eine Erhö- hung der Förderquote um drei Prozent für Projekte, die maßgeblich von Frauen getra- gen werden, eingeführt.

„Die maßgeschneiderte Förderpolitik von Foto: Mannsberger / PID departure im Bereich der Kreativwirtschaft Christoph Thun-Hohenstein, Vbgmin. Renate Brauner und StR Andreas Mailath- stärkt die kleinen und mittleren Unterneh- Pokorny (v.l.) anläßlich eines QUER-Symposiums und Labors für Interkreativität men, das Rückgrat der Wiener Wirtschaft, glichen und von 47 auf 50 Prozent erhöht gestartet. Wiener Unternehmen und Unter- fördert damit die Wettbewerbsfähigkeit der bzw. von 50 Prozent auf 53 Prozent bei nehmensgründerInnen können bei vier För- Unternehmen selbst und stärkt den Wirt- Projekten, bei denen Frauen in einer Füh- derprogrammen einreichen: „departure clas- schaftsstandort. Mit dem erweiterten Bonus- rungsposition und/oder im Rahmen der sic“ und „departure focus“, zwei klassische system fördern wir zudem gezielt Frauen“, Projektleitung maßgeblich am Konzept Projektförderungen, können von etablierten zeigt sich Finanz- und Wirtschaftsstadträtin als auch an der Umsetzung beteiligt sind. Unternehmen und Unternehmens-gründerIn- Vizebürgermeisterin Renate Brauner über- Die Maximalförderung beträgt weiterhin nen in Anspruch genommen werden. „depar- zeugt. „Die Erfahrungen aus der Umsetzung 200.000 Euro pro Projekt bzw. Vorhaben. ture pioneer“ ist auf GründerInnen und Jung- des Förderprogramms zeigen, daß nicht nur Die Erhöhung der Förderquote um drei unternehmerInnen zugeschnitten. Von „de- wirtschaftliches Wachstum und positive Be- Prozentpunkte bei Projekten, die maßgeb- parture experts“ profitieren im Wachstum schäftigungseffekte ausgelöst werden, son- lich von Frauen getragen werden und bei befindliche Unternehmen durch die Zusam- dern Wien auch imagemäßig als Standort für „departure classic“ und „focus“ schon be- menarbeit mit qualifizierten ExpertInnen; Creative Industries in Europa etabliert wer- steht, wird nunmehr auch für „departure Grundlage für die Förderung ist ein geplan- den konnte“, ergänzt Christoph Thun-Ho- pioneer“ und experts eingeführt. tes Projekt oder Wachstumsvorhaben, das henstein, Geschäftsführer von departure. mit ExpertInnenunterstützung realisiert wer- Weitere inhaltliche Änderungen betreffen den soll. Neben den laufenden Förderpro- Neue Anreize für Wiener die Programme departure pioneer und depar- grammen greift departure durch Themen- Kreativunternehmen ture experts: „Pioneers“ können nach der calls spannende Entwicklungen der Creative departure pioneer: Im Programm für neuen Richtlinie nun auch einreichen, wenn Industries auf. Dies ermöglicht die fundierte JungunternehmerInnen und Unterneh- ihre Unternehmensgründung länger als sechs Aufbereitung und inhaltliche Auseinander- mensgründerInnen kann nun mit maxi- Monate zurückliegt – ab sofort ist der setzung mit aktuellen Branchentrends und mal 25.000 Euro pro Einreichung – statt Zeitraum auf zwölf Monate ausgeweitet. Im neuen, zukunftsweisenden Orientierungen. bisher maximal 15.000 Euro – gefördert experts-Programm können neben den Bera- departure, die Kreativagentur der Stadt werden. tungsleistungen durch ExpertInnen auch Wien und ein Unternehmen der Wirtschafts- departure experts: Die Zusammenarbeit erste Umsetzungsschritte gefördert werden. agentur Wien, hat seit dem Start des Förder- mit ExpertInnen für Unternehmen, die programms 300 Unternehmen mit 19 Millio- sich in der Wachstumsphase befinden, Die departure Förderprogramme nen Euro gefördert und rund 1400 hoch qua- wird nun mit maximal 20.000 Euro – statt Mit dem „Schwerpunktprogramm Crea- lifizierte Arbeitsplätze neu geschaffen oder bisher maximal 15.000 Euro – unterstützt. tive Industries“ der Stadt Wien hat departure gesichert sowie ein privates Investvolumen departure classic: Hier wurde die Förder- Österreichs erstes umfassendes Wirtschafts- von rund 76 Millionen Euro ausgelöst. quote an jene von departure focus ange- förderprogramm für die Creative Industries http://www.departure.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 68 Chronik Frühlingserwachen In Österreichs größtem Naturpark geht der Winterschlaf zu Ende.

sterreichs größter Naturpark kann auf Öein bewegtes Jahr 2010 zurückblicken: „Gleich zu Beginn des letzten Jahres wurde dem Alpenpark Karwendel das Prädikat ‚Naturpark‘ verliehen – dies wird nur an ganz besondere Schutzgebiete vergeben“, sagte Tirols Naturschutzreferent LH-Stv. Hannes Gschwentner. Neben der Möglichkeit, ver- schiedene Förderungen zu bekommen, sind auch die engere Zusammenarbeit mit den an- deren Tiroler Naturparks und eine starke Vertretung durch den Verband der Natur- parks Österreichs wesentliche Vorteile, die der Alpenpark Karwendel damit nutzen kann. Zusätzlich zu dieser Aufwertung konnte der Alpenpark auch zwei namhafte Auszeich- nungen für ihr Projekt „Natur begreifen – Tiroler SchülerInnen lernen das Schutzge- biet vor ihrer Haustür kennen!“ für sich ver- buchen: Die erfolgreich umgesetzte Idee, der Foto: Naturpark Karwendel / Birgit Kluibenschädl Jugend die Flora und Fauna des Alpenparks Positive Rückmeldungen von LehrerInnen und SchülerInnen bestätigen der Natur- näher zu bringen, wurde von der Stadt Inns- park-Leitung das große Interesse am Schulprogramm. bruck mit dem Umweltpreis prämiert. Hohe Ehren wurden dem Alpenpark Karwendel auch seitens der Vereinten Nationen zuteil: Das Projekt wurde zum „UNESCO-Deka- denprojekt“ aufgewertet.

Natur erleben – Natur schützen „Das Jahr 2010 stand für uns ganz im Zeichen der Weiterentwicklung unserer Pro- jekte und Aktivitäten in den drei themati- schen Schwerpunkten ‚Natur erleben‘, ‚Na- tur begreifen‘ und ‚Natur schützen‘“, faßt Obmann Josef Hausberger die Bemühungen des Alpenparks zusammen. In diesem Zu- sammenhang wurden auch die Besucheran- gebote im Halltal, am Achensee und in Hin- terriß realisiert. Zusätzlich dazu wurde die Präsenz des Alpenparks im Gebiet selbst durch die Naturpark-Ranger massiv ver- stärkt. Um eine spannende Naturvermittlung mit Foto: Naturpark Karwendel / Otto Leitner Qualität und Hintergrundwissen zu garantie- Die erfolgreich umgesetzte Idee, der Jugend die Flora und Fauna des Alpenparks näher zu bringen, wurde von der Stadt Innsbruck mit dem Umweltpreis prämiert. ren, forcierte der Alpenpark die Ausbildung der Naturparkführer. „Das große Interesse an Im Naturschutz wurden und werden die Analyse ausgewählter Waldflächen erstellen, unserem Schulprogramm und die positiven festgelegten Schwerpunkte des Karwendel- die uns wiederum als Grundlage für die zu- Rückmeldungen seitens der Schüler und programms 2013 wie beispielsweise das künftige Arbeit dient“, berichtet Sonntag. Die Lehrer bestärken uns, diesen Weg beharrlich Artenhilfsprogramm Bergahorn konsequent BesucherInnen des Alpenparks dürfen sich weiter zu gehen“, stellt Hermann Sonntag, fortgeführt; für 2011 ist überdies ein Projekt im Lauf des Jahres auf eine Neubeschilde- Geschäftsführer des Alpenparks Karwendel geplant: „Wir werden anläßlich des „Interna- rung des gesamten Gebiets freuen. klar. tionalen Jahr der Wälder“ eine Naturschutz- http://www.karwendel.org

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 69 Chronik Schallaburg erhält wieder Glocken Nach fast 70 Jahren: Rückkehr der Glocken auf Renaissanceschloss Schallaburg

ach fast 70 Jahren werden wieder NGlocken die Umgebung der Schalla- burg mit neuen Klängen erfüllen: Am 3. Fe- ber wurden zwei neue Glocken im Tradi- tionsbetrieb Grassmayr in Innsbruck gegos- sen. Rechtzeitig vor Beginn der Ausstellung „Venedig – Seemacht, Kunst und Karneval“ werden sie die Reise nach Niederösterreich antreten und eine neue Saison einläuten. Die traditionelle Glockenweihe wird im April stattfinden.

Letzter Glockenguß vor etwa 240 Jahren Nach dem Vorbild italienischer Palazzi erhielt das Renaissanceschloß Schallaburg im 16. Jahrhundert das für heute charakteri- stische Aussehen. Prachtvoll thront es auf einer Anhöhe, sein Anblick beeindruckt schon von weitem. In der im Kern romani- schen Burgkapelle wurden vor langer Zeit Gottesdienste abgehalten. Im Turm der Kapelle befanden sich zwei Glocken, die aus den Jahren 1771 und 1775 stammten, jedoch am Ende des Zweiten Weltkrieges spurlos verschwanden. Nach knapp 240 Jahren wurden im Traditions- betrieb Grassmayr in Innsbruck zwei neue Glocken gegossen, die dann mit elektroni- scher Steuerung und Schlagwerk versehen werden. „Das Renaissanceschloß Schallaburg zählt zu den schönsten nördlich der Alpen und ist ein Juwel mit einer Jahrhunderte lan- gen Geschichte. Zu dieser gehören auch die Glocken im Turm der Kapelle, die bis vor fast 70 Jahren die Gegend rund um die Foto: Renaissanceschloß Schallaburg Schallaburg mit Klang erfüllten. Wir geben Christof Grassmayr, Geschäftsführer, ein Mitarbeiter der Fa. Grassmayr, und Peter Fritz, Standortleiter Renaissanceschloß Schallaburg, nach dem Glockenguß. (v.l.) der Schallaburg nun ein Stück Tradition wie- der und ich freue mich, schon bald die Schal- sanceschloß Schallaburg. Unter dem Titel ben verdeutlichen den hohen Stellenwert der laburg nicht nur aus der Ferne zu sehen, son- „Venedig – Seemacht, Kunst und Karneval“ Oper und des Theaters im 17. Jahrhundert. dern auch zu hören“, so Geschäftsführer werden Besucher zu einer Reise eingeladen, Die zeitgenössische Kunst, die sich in der Kurt Farasin. bei der Venedig in den unterschiedlichsten Biennale oder im Filmfestival widerspiegelt, Ab dem Frühjahr werden die Glocken zu Facetten beleuchtet wird. ist heute magischer Anziehungspunkt für jeder Viertelstunde erklingen. Bei der für Die Ausstellung zeigt die historische Touristen. Auch Persönlichkeiten wie der April geplanten traditionellen Glockenweihe Entwicklung der Stadt vom Mittelalter bis Abenteurer Marco Polo und der Verführer erhalten diese Namen von Schutzpatronen. ins Heute. Das Thema Kunst spielt in der Casanova, sowie viele weitere spannende Geschichte Venedigs und in der Ausstellung Seiten Venedigs werden den Besuchern auf Venedig zu Gast eine große Rolle. Gemälde berühmter Maler der Reise begegnen, die schlußendlich in die Von 26. März bis 6. November 2011 ga- wie Tizian, Tintoretto und Longhi werden zu Gegenwart führt. stiert die Lagunenstadt Venedig im Renais- sehen sein. Musikinstrumente und Hörpro- http://www.schallaburg.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 70 Chronik Wiener Jause Kostenlose Schulobst-Aktion für Wiener Volksschulkinder begann in der Wiener Brigittenau

ssen wirkt – besonders auf Kinder und EJugendliche. Wer in der Schule konzen- triert arbeiten und Leistungen erbringen soll, braucht eine gute, bedarfsgerechte Verpfle- gung. Wer nachhaltig gesund bleiben will, ebenso. Übergewicht, Diabetes, Konzentra- tionsschwierigkeiten manifestieren sich zu- nehmend bereits im Kindesalter. Ausgewogenes Essverhalten wird in den Familien nicht mehr selbstverständlich ver- mittelt. Schulen übernehmen diese wichtige Funktion. Immerhin nehmen Kinder und Ju- gendliche bis zu drei Mahlzeiten pro Tag in der Schule ein. Die Schule kann vieles dazu beitragen die Ernährungssituation zu verbessern: durch die Gestaltung geeigneter Rahmenbedingungen und durch ein attraktives Verpflegungsange- Foto: chaub-Walzer / PID bot mit hochwertigen Komponenten – von Gesundheits- und Sozialstadträtin Sonja Wehsely, Bezirksvorsteher Hannes Derfler Trinkinseln, dem Schulbuffet bis hin zur und SchülerInnen der Volksschule Engerthstraße bereiten die »Wiener Jause« zu. Mittagsverpflegung. In der Wiener Brigittenau startete jüngst die „Wiener Jause“ für Volksschulkinder. Dabei geht es um ein Gesundheitsförderungs- projekt, das auf gesundes Essen und Trinken setzt. „Mir ist es besonders wichtig, daß Kinder die Vielfalt an gesundem Obst und Gemüse kennenlernen und sich mit diesem Projekt auch gesunde Essgewohnheiten an- eignen. Das ist nachhaltig und stärkt die Ge- sundheit unserer Kinder jetzt und in Zu- kunft“, erklärte Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely beim Besuch der Volksschule En- gerthstraße. Für den Brigittenauer Bezirks- vorsteher Hannes Derfler ist das Projekt in seinem Bezirk „ein weiterer wichtiger

Schritt in Richtung ,Gesunde Brigittenau‘“. Foto: Kaiblinger & Zehetgruber OG Gemeinsam mit den Kindern schnitten die Eine tägliche gute Schuljause, im Klassenverbund verzehrt, kann einen wertvollen Beitrag zu Prävention, Geschmacks- und praktischer Gesundheitsbildung leisten. beiden Kohlrabi, Karotten und Äpfel und bereiteten daraus einen leckeren Salat. Das Gesundheitsförderungsprojekt „Wie- jekterfolg. „Gesundheitsförderung beginnt Zwei Mal pro Woche werden die Schulen ner Jause“ läuft in zwölf Volksschulen mit im Kleinen – wie eben mit der Einführung mit frischem Bioobst und -gemüse beliefert. über 3000 Kindern in der Brigittenau. Be- einer gesunden Jause – kann jedoch weit dar- In der Klasse wird gemeinsam über das Obst gonnen hat es im vergangenen Herbst mit über hinausgehen und zu strukturellen Ver- und Gemüse gesprochen, es wird zubereitet einem Schwerpunkt auf regelmäßigem Was- änderungen führen“, weiß Beck. Deswegen und dann natürlich auch gegessen. Dabei un- sertrinken. Gemeinsam mit den Kindern setzt die Wiener Gesundheitsförderung auch terstützen eigens zusammengestellte Infor- wurden Rituale und Trinkregeln eingeführt, gezielt auf Aktivitäten im Bereich der mationsblätter: Ausgefallenere Gemüsesor- die ans regelmäßige Trinken erinnern. Auch „Gesunden Schule“. Die Projektleitung der ten werden näher erklärt, es gibt Wissens- die Geschäftsführungen der beiden wichtig- „Wiener Jause“ liegt bei Karin Kaiblinger wertes und Tipps zu bestimmten Obstsorten, sten ProjektträgerInnen, Christa Peinhaupt und Rosemarie Zehetgruber von gutessen unkomplizierte Zubereitungstipps sowie vom Fonds Gesundes Österreich und Dennis consulting. Das Gratis-Schulobst wird auch hilfreiche Tipps für die Lehrerinnen und Beck von der Wiener Gesundheitsförderung, aus EU-Mitteln unterstützt. Lehrer. machten sich ein persönliches Bild vom Pro- http://www.gutessen.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 71 Chronik Bevölkerungszahl stieg 2010 Zuwachs war wieder deutlich höher als im Jahr zuvor – um 0,3% weniger Sterbefälle, Geburtenbilanz positiv – +5,9% deutlich mehr Eheschließungen

en vorläufigen Ergebnissen von Statistik des Jahres 2010 nur um rund 8.800 Personen lich im 1. Quartal ein Rückgang der Todes- DAustria zufolge lebten am 1. Jänner 2011 (+1,6%) auf rund 569.000 Personen. fälle, der mit -9,9% aber vergleichsweise rund 8,402 Mio. Menschen in Österreich, Die vorläufige Zahl der Gestorbenen im stark ausfiel. Im 3. Quartal war mit +4,5% der um rund 27.600 Personen (+0,3%) mehr als Jahr 2010 war mit insgesamt 75.387 um deutlichste Anstieg zu verzeichnen, während am Jahresbeginn 2010. Der Zuwachs war 0,3% niedriger als im Vorjahr (2009: im 4. Quartal mit 19.669 die meisten Sterbe- damit wieder deutlich höher als im Jahr zu- 75.629). Aufgrund der gleichzeitig gestiege- fälle verzeichnet wurden. Nach Monaten be- vor (2009: +20.000 Personen). Die Zahl der nen Zahl älterer Menschen ist ersten Schät- trachtet ereigneten sich die meisten Sterbe- ausländischen Staatsangehörigen erhöhte zungen zufolge eine Zunahme der Lebenser- fälle im Dezember (7.263), die wenigsten sich 2010 um rund 32.400 (+3,6%) auf wartung bei der Geburt um zumindest 0,3 Jah- Personen verstarben 2010 im Jänner (5.673). 927.600, wobei die Zahl der EU-Ausländer re auf 77,7 Jahre für Männer und 83,2 Jahre und -Ausländerinnen deutlich stärker stieg für Frauen zu erwarten. Der vorläufige Saldo Eheschließungen als die Zahl der Drittstaatsangehörigen. aus Geburten und Sterbefällen (Geburten- Die vorläufige Zahl der Eheschließungen Mehr als die Hälfte der Bevölkerungszu- war laut Statistik Austria im Jahr 2010 mit nahme des Jahres 2010 entfiel auf Wien. insgesamt 37.493 um 5,9% höher als im Vorjahr (2009: 35.420). Damit verstärkte Stärkstes Bevölkerungs- sich der 2009 noch sehr schwach ausgepräg- wachstum in Wien te Trend steigender Heiratszahlen (+0,7% im Wien verzeichnet bereits seit einigen Jah- Vergleich zu 2008) im Jahr 2010 deutlich. ren die höchsten Bevölkerungszuwächse In allen Bundesländern wurden im Jahr aller Bundesländer, vor allem durch interna- 2010 mehr standesamtliche Eheschließun- tionale Wanderungsgewinne, seit 2004 auch gen registriert, wobei die Zuwächse regional durch positive Geburtenbilanzen. In der sehr unterschiedlich ausfielen. So gab es in Bundeshauptstadt stieg die Bevölkerungs- den Bundesländern Vorarlberg (+10,9%) und zahl im Jahr 2010 mit +0,9% dreimal so Salzburg (+9,9%) deutlich mehr Trauungen stark wie im Durchschnitt Österreichs. als im Jahr 2009. Anstiege im Bereich des Leicht überdurchschnittliche Einwohnerzu- bundesweiten Durchschnitts wurden in Ober- wächse verzeichnete Tirol (+0,4%), während österreich (+6,0%), im Burgenland (+5,9%), im Burgenland, in Salzburg und in Vorarl- in Wien (+5,8%) und in der Steiermark berg die Bevölkerungszunahme exakt dem (+5,7%) verzeichnet. Geringere Anstiege der Bundesdurchschnitt entsprach. Etwas gerin- Foto: http://www.bilderbox.biz Eheschließungszahlen wurden von den Stan- ger fiel der Anstieg in Niederösterreich und bilanz) fiel 2010 – auch bedingt durch den desämtern in Niederösterreich (+5,4%), in der Steiermark (je 0,2%) sowie in Oberös- deutlichen Anstieg der Zahl der Lebendge- Kärnten (+4,7%) und in Tirol (+2,2%) ge- terreich (0,1%) aus. Kärnten war hingegen – borenen (+3,2% auf 77.814) – mit +2.427 meldet. ebenso wie im Jahr zuvor – das einzige positiv aus. Die Säuglingssterblichkeitsrate Der Jahresverlauf der Trauungen wird Bundesland mit einem Bevölkerungsrück- blieb mit 3,8‰ zum fünften Mal in Folge einerseits von traditionellen Mustern be- gang. unter der 4‰-Marke. stimmt, andererseits von den aufgrund der Aus den vorläufigen Zahlen über Gestor- Datumskonstellation (Übereinstimmung von Besonders starke Zuwächse bei bene und Lebendgeborene resultierte für das Tag, Monat und Jahr) jeweils „begehrten“ Angehörigen anderer EU-Staaten Jahr 2010 eine bundesweit deutlich positive Hochzeitstagen. Im Jahresverlauf 2010 er- Vorläufigen Ergebnissen lebten am 1. Jän- Geburtenbilanz von +2.427. In fünf Bundes- folgten die meisten standesamtlichen Trauun- ner 2011 insgesamt 927.565 Personen mit ländern gab es positive Bilanzen, nämlich in gen (14.104) im 3. Quartal, in dem mit – ausländischer Staatsangehörigkeit in Öster- Wien (+1.955), in Oberösterreich (+1.489), 0,5% allerdings der einzige Rückgang der reich. Dies entspricht 11,0% der Gesamtbe- in Tirol (1.444) sowie in Vorarlberg (+1.326) Zahl der Eheschließungen registriert wurde. völkerung und einem Plus von gut 32.400 und in Salzburg (997). In den Bundesländern Der stärkste Anstieg wurde mit +22,0% im Personen im Vergleich zum Vorjahr. Niederösterreich (-1.686), in der Steiermark 4. Quartal erzielt. Der beliebteste Heirats- Unter den nicht-österreichischen Staats- (-1.377), im Burgenland (-877) und in Kärn- monat im Jahr 2010 war der Mai (5.493), ge- angehörigen stammten rund 358.600 Perso- ten (-844) wurden dagegen mehr Sterbefälle folgt vom Juli (4.991) und Juni (4.694). Im nen aus Ländern der Europäischen Union, als Geburten verzeichnet. Oktober (Platz 6, 3.880) wurde, vermutlich um 23.600 Personen bzw. 7,0% mehr als Die Säuglingssterblichkeit lag 2010 mit dank des beliebten „magischen“ Datums noch im Jahr zuvor. Hingegen erhöhte sich 3,8‰ bereits zum fünften Mal in Folge unter 10.10.2010, mit +39,6% die relativ größte die Zahl der in Österreich lebenden Staats- der 4‰-Marke. Im Jahresverlauf zeigt sich Steigerung gegenüber dem Oktober 2009 angehörigen aus Nicht-EU-Staaten im Laufe im Vergleich zu den Vorjahresquartalen ledig- verzeichnet.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 72 Chronik Ein Jubiläum im Zeichen der Liebe 875 Jahre Korneuburg it einer Festsitzung des Gemeinderates Mim historischen Rathaus erfolgte am Abend des 02. Feber der offizielle Auftakt für die 875-Jahr-Feierlichkeiten der Stadtge- meinde Korneuburg. Die Festrede hielt Landtagspräsident Hans Penz. Für ihn sind solche Jubiläen „wie Aussichtswarten, die richtig verstanden und genützt, zum Rund- blick einladen“ – zum Blick zurück in die Vergangenheit ebenso wie zum Ausblick in die Zukunft. Eine der ganzen großen Her- ausforderungen der Zukunft ist für Penz der demografische Wandel mit all seinen Aus- wirkungen auf die Pflege und Betreuung, Foto: RMS Innsbruck den Arbeitsmarkt und die Gesundheitssy- Vizebgm. Gruber gratulierte 18 Paaren zur Goldenen bzw. Diamantenen Hochzeit. steme. Die Schaffung einer Universität für m 17. Februar wurde eine Feier für Gruber versprach auch, an die Verdienste Gesundheitswissenschaften in Krems sei ne- AInnsbrucks Diamantene und Goldene seines Vorgängers Eugen Sprenger anzu- ben zusätzlichen Betreuungsangeboten für Hochzeitsjubilare in den Ursulinensälen ver- knüpfen und den Standard, den Innsbruck die ältere Generation ein wichtiger Schritt in anstaltet. Vizebürgermeister Franz X. Gruber Menschen in ihrer letzten Lebensphase in die richtige Richtung, so Penz. gratulierte den Ehepaaren im Namen der den Senioren- und Pflegeheimen bietet, auf- Bürgermeister Christian Gepp wie auch Stadt Innsbruck und bedankte sich bei ihnen rechtzuerhalten. So sei zum Beispiel eine Vertreter aller Fraktionen des Gemeinderates für ihren Entschluß, die Verantwortung für neue Wohn- und Betreuungseinrichtung im boten aus ihrer Sicht einen Rückblick und einander und ihre gemeinsamen Familien zu O-Dorf geplant, welche zur sozialen Absi- Ausblick. Gepp lud in seiner Ansprache die übernehmen, mit der Jubiläumsgabe des cherung der SeniorInnen beitragen wird. KorneuburgerInnen ein, sich der Geschichte Landes Tirol und einem Blumenstrauß. Für ein stimmungsvolles Ambiente bei bewußt zu werden, denn nur der, der seine „Die Ehe ist die Grundlage der Ge- der Jubiläumsfeier sorgte die musikalische Wurzeln kenne, wisse auch, auf welchem sellschaft. Einerseits entsteht dieses Zusam- Untermalung eines Harfenspielers und eine Fundament die Stadt gebaut sei. menleben aus Liebe, nicht zuletzt aber auch kleine Jause für die Gäste. Ziel dieses Festjahres sei es, Menschen aus der Entscheidung, die Verantwortung für Diamantene Hochzeiten zusammenzuführen und Gemeinsames zu seinen Partner und eventuell auch für ge- Marianne und Artur Albrecht (2.12.), entdecken. „Ich möchte, daß wir am Ende meinsame Kinder zu übernehmen und damit Balbina und Maximilian Lexl (2.12.), Alma 2011 das Tausend-Ideen-Programm für Kor- zum Fortleben der Gesellschaft wesentlich und Ernst Pechlaner (9.12.), Stefanie und neuburg und somit ein Stadtentwicklungskon- beizutragen“, weiß Gruber den Einsatz der Walter Dolejsi (23.12.), Johanna und Eugen zept für 2036 erarbeiten, genau dann, wenn Ehepaare zu schätzen. „Eine Hochzeit ist Wilhelm (28.12.), Anna und Alois Salchner Korneuburg sein 900jähriges Jubiläum nicht mehr so modern wie in den Jahrzehn- (6.1), Edith und Ernst Suntinger (31.1.) feiert“. Zu Wort kamen auch ein Historiker, ten und Jahrhunderten vor unserer Zeit, eine Bürgerin, die sich erst kürzlich in Kor- trotzdem gibt es wieder mehr junge Men- Goldene Hochzeiten neuburg ansiedelte, und die AHS-Schulspre- schen, die den Mut aufbringen, zueinander Margarete und Raimund Saurer (10.12.), cherin von Korneuburg. Das Jubiläum wird ,Ja‘ zu sagen.“ Christine und Hans Bär (14.12.), Aloisia und in den kommenden Wochen und Monaten Der Vizebürgermeister betonte, daß die Johann Herdina (17.12.), Margot und Peter mit weiteren Veranstaltungen gefeiert. Wirtschaftskrise die Menschen dazu ange- Jirousek (28.12.), Sigrid und Hermann Besonderer Höhepunkt war die Auszeich- halten habe, sich wieder mit den wahren Zangerle (29.12.), Erika und Adolf Heiss nung des Altbürgermeisters Wolfgang Peterl, Werten des Lebens auseinanderzusetzen. Sie (5.1.), Maria und Ernst Jösslin (14.1.), Ursu- der nach 20jähriger Amtszeit mit dem Gol- füllen Kirchen und suchen verstärkt die Ge- la und Herbert Jellinek (27.1.), Margarethe denen Ehrenring und der Goldenen Ehrenna- meinschaft. Hier könne man ansetzen, und und Guido Mayer (28.1.), Elisabeth und del der Stadt ausgezeichnet wurde. jungen Menschen Mut zur Ehe machen. Helmut Wastian (28.1.) Im Jahre 1136 wurde Korneuburg erstma- lig urkundlich in der Gründungsurkunde des Heiligenblut wird »Heiligenblut am Großglockner« Benediktinerklosters Klein-Mariazell er- wähnt. 1298 erhielt Korneuburg das Stadt- ndlich kann die Gemeinde Heiligenblut Der Großglockner sei weit über die Gren- recht. Ursprünglich aus einer Ufersiedlung Edas höchste touristische Aushängeschild, zen unseres Landes bekannt. Und auch die entstanden, war Korneuburg jahrhunderte- das wir in Kärnten haben, für sich künftig Gemeinde Heiligenblut könne in Zukunft vom lang mit Klosterneuburg unter dem gemein- noch besser nutzen“, sagte Gemeinde- und Beinamen „am Großglockner“ profitieren samen Namen „Nivenburg“ verbunden. Die Tourismusreferent LR Josef Martinz am und in jeder Bewerbung auf die besondere Verbindung war eine Furt durch die damali- 22. Feber anläßlich des entsprechenden Be- Lage der Gemeinde hinweisen, so Martinz. gen Donauarme. schlusses der Landesregierung. http://www.heiligenblut.at http://www.korneuburg.gv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 73 Gastronomie & Kulinarisches Österreichs jüngster Haubenkoch kocht in Ischgl Weltoffen, frech und nicht alltäglich, garniert mit einer kräftigen Brise Fantasie – so läßt sich das Erfolgsrezept von Österreichs jüngstem Haubenkoch, Benny Parth, aus Ischgl kurz und bündig auf den Punkt bringen. Foto: Hotel Yscla Ähnlich dem Urlaubsversprechen Ischgls an seine Gäste, sind auch die Menükompositionen von Benny Parth nicht alltäglich. er 22jährige Shootingstar Benny Parth Aushängeschild der Tiroler Wintersport- oder Hirsch mit Kakao, Blutwurst und roter Dübersetzt in der Stüva im Hotel Yscla hochburg. Rübe. die Philosophie des Tiroler Wintersportmek- kas in ein modernes und innovatives Gour- Relax if you can … »Kein Von den Besten inspiriert metkonzept und ergänzt die internationalen Tag ist wie der andere« Seine Ausbildung genoß Benjamin, der Qualitätsansprüche der Region im kulinari- Ähnlich dem Urlaubsversprechen Ischgls die Liebe zum Kochen mit einer ausgepräg- schen Sinne um eine höchst bemerkenswerte an seine Gäste, sind auch die Menükompo- ten Leidenschaft für das Snowboarden teilt, Facette. sitionen des jungen Paznauners alles andere bei Heinz Winkler. Er besuchte die Schule Das ehemalige Tiroler Bergdorf Yscla ge- als alltäglich, sein Stil neu, leicht und krea- des Elsässer Starkochs Marc Haeberlin und nießt heute längst internationales Renommee tiv. Verarbeitet werden ausschließlich hoch- absolvierte Lehraufenthalte bei 3-Sternekoch und zählt mittlerweile zu den beliebtesten wertige Zutaten und das, aus der ganzen Santi Santamaria und Sven Elverfeld. Ener- Skidestinationen im Alpenraum. Seinen Welt. Nicht mehr als drei Geschmackskom- gie, Kraft und Inspirationen schöpft Benny Gästen präsentiert sich Ischgl mit einem so- ponenten führt der Gourmetkünstler puri- Parth zum einen aus gelungen kulinarischen wohl urbanen, stylischen als auch charmanten stisch und reduziert zu einem Gericht zu- Experimenten, zum anderen beim ausge- wie traditionellen Selbstverständnis. Benny sammen. Dennoch, bei aller Internationalität dehnten Snowboarden auf den Ischgler Parth, gebürtiger Ischgler und derzeitig und Weltoffenheit, vergißt der Shootingstar Pisten. Auch das Web 2.0 hat Einzug in die jüngster Haubenkoch Österreichs (1 Haube nicht auf seine Wurzeln und kombiniert Küche von Benny gehalten. Auf Facebook Gault Millau, 3 Sterne à la carte, 2 Bestecke demzufolge auch gerne das Beste aus dem läßt er Freunde und Fans an seiner Arbeit Schlemmeratlas), verfolgt in der Küche des Meer mit ausgewählten Tiroler Spezialitä- teilhaben und postet regelmäßig vielerlei Re- Yscla exakt dieses Mission Statement und ten. Der kulinarische Geschmacksbogen zepte zum Nachkochen. wird mit seinen Gerichten und Kreationen spannt sich demnach von der Langostino in Klicken Sie auf untenstehenden Link – dem Selbstverständnis auf höchstem Niveau Safransauce samt zarten Vanilleton, von See- auch wenn er nicht lesbar ist, er funktioniert gerecht. Das hoteleigene Gourmetrestaurant zunge in Hummersauce bis hin zu Wildhase trotzdem :-) Stüva gilt folgerichtig als kulinarisches Royal, Tiroler Kaiserkalb mit Kaffeearoma http://www.facebook.com/pages/Benny-Parth-Tirols-jungster-Haubenkoch/194093823603?ref=ts

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 74 Personalia Peter Alexander ist gestorben Der österreichische Schauspieler, Sänger und Entertainer Peter Alexander ist am 12. Feber 2011 im seinem Haus in Wien im 84. Lebensjahr entschlafen. Foto: ORF Mit »Sag zum Abschied leise Servus – Lebenserinnerungen von Peter Alexander«, einer Dokumentation, die der ORF als Nachruf auf den überaus beliebten Wiener ausstrahlte, nahmen zig-Tausende ÖstrerreicherInnen via Fernsehen Abschied. eter Alexander Neumayer, am 30. Juni „Hochzeitsnacht im Paradies“, „Die lustige Fans ihn liebevoll nannten. Nach dem Tod P1926 in Wien als Sohn eines Bankbe- Witwe“ oder „Im weißen Rössl“ eroberte er seiner Frau Hilde im Jahr 2003 hatte er sich amten geboren, tauschte rasch das nach ein- weitere Publikumsschichten und den Ruf zunehmend von der Öffentlichkeit zurückge- jähriger britischer Kriegsgefangenschaft be- eines Großmeisters des Wiener Charme und zogen. Ein schwerer Schicksalsschlag für Pe- gonnene Medizinstudium gegen eine Schau- Schmäh. Über 50 Komödien hat Peter Ale- ter Alexander war der Tod seiner Tochter spiel-Ausbildung am Max Reinhardt-Semin- xander gedreht. Susanne vor zwei Jahren. ar, die er 1948 abschloß. Schon sein erstes Der langjährige Weggefährte und Schla- Lied „Die Beine der Dolores“ wurde ein vol- gerkomponist von Alexander, Ralph Siegel, Bundeskanzler Werner Faymann ler Erfolg. Regisseur Franz Antel holte den reagierte bestürzt auf die Nachricht: „Wir Bundeskanzler Werner Faymann zeigte Hitparaden-Stürmer 1954 mit „Verliebte sind alle fix und fertig – ich war ein sehr sich vom Tod von Peter Alexander betroffen. Leute“ zum Film. Bei „Liebe, Tanz und 1000 enger Freund von ihm.“ Es sei furchtbar, Er würdigt den Entertainer als großen Öster- Schlager“ mit Caterina Valente war er schon „aber vielleicht ist er jetzt bei seiner Hilde“, reicher: „Peter Alexander hat als Künstler der deutsche Schlagerstar. so der Musikproduzent nach Angaben der über Generationen den Menschen Freude Im Fernsehen etablierte sich der Entertai- deutschen Presse-Agentur (dpa). bereitet – im Inland und im Ausland. Er war ner endgültig als Superstar. Ab 1969 hatte er Peter Alexander wirkte in rund 50 Filmen mit seinem Talent und seiner Vielseitigkeit eine eigene TV-Show, „Peter Alexanders und 40 eigenen TV-Shows mit und nahm an über alle Grenzen hinweg das Gesicht Öster- Wunschkonzert“ des Jahres 1973 erreichte die 120 Platten auf. Sein Werk gehört zum reichs.“ Er habe über Jahrzehnte hinweg, seit mit 79 Prozent Einschaltquoten deutschen Kanon der deutschsprachigen Unterhaltung, den Jahren des Wiederaufbaus bis zu seinem Rekord. Auch in Österreich war der „Gigant schon drei Generationen amüsierten sich bei Rückzug von der Bühne, mit seinen Filmen, des Showbusiness“, wie Rudi Carell ihn seiner Kunst des umfassenden Entertain- Konzerten, Schallplatten und vor allem mit nannte, mit seinen Shows ein sicherer Pub- ments. In den letzten Jahren war es still um seiner eigenen TV-Show viele Menschen auf likumsmagnet. Mit Operettenfilmen wie „Peter den Großen“ geworden, wie seine seine spezielle Art unterhalten.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 75 Personalia

In seinen letzten Lebensjahren wurde Pe- ter Alexander von schweren persönlichen Schicksalsschlägen getroffen, diese tragi- sche Zeit habe er mit bemerkenswerter Wür- de durchlebt. Bundeskanzler Werner Fay- mann sprach den Verwandten und Freunden Peter Alexanders im Namen der Bundes- regierung seine tiefe Anteilnahme aus.

Medienstaatssekretär Josef Ostermayer „Peter Alexander, Sänger, Schauspieler, Entertainer und Showmaster, hat nicht nur über Jahrzehnte hinweg österreichische Mu- sikgeschichte geschrieben, sondern grenz- überschreitend Generationen von Menschen auf unnachahmliche Art und Weise unterhal- ten“, so Medienstaatssekretär Josef Oster- mayer anläßlich des Ablebens von „Peter dem Großen“, wie er in der Showbranche re- spektvoll genannt wurde. Wie erfolgreich Alexander war, davon zeugen 8 Bambis, Sonder- und Ehrenbambi, 4 Goldene Kameras, Goldene Super Kame- ra, 3 Goldene Europas, Goldenes Mikro- phon, sowie etliche weitere Auszeichnungen und Ehrungen. Mit seinen zahlreichen Fern- sehshows hält Peter Alexander auch heute noch so manchen Rekord. Unter anderem durch seine legendäre „Peter Alexander Show“, wo der Entertainer eine Zuschauer- beteiligung von bis zu 79 Prozent erreichte. Ostermayer sprach der Familie Alexan- ders sein tiefempfundenes Beileid aus und betonte, daß Österreich durch sein Ableben ein von vielen Generationen geliebtes Mit- glied der deutschsprachigen Musik- und

Filmszene verloren habe. Foto: ORF/Ali Schafler Bild oben: »Sag zum Abschied leise Servus – Lebenserinnerungen von Peter Alexander« – in dieser Show präsen- tierte Peter Alexander Höhepunkte aus seiner erfolgreichen Laufbahn als Entertainer, Sänger und Schauspieler.

Bild links: Leopold ist Oberkellner im »Weißen Rössl« und hat sich in seine Chefin Josepha (Waltraud Haas) ver- liebt. Links im Bild: Adrian Hoven.

Kulturministerin Claudia Schmied „Mit dem Tod von Peter Alexander ver- liert Österreich einen großen Schauspieler, Sänger und Entertainer. Peter Alexander zählte zu den Pionieren der deutschsprachi- gen Fernsehunterhaltung. Mit seinem komö- diantischen Talent und vielseitiger Bega- bung hat er sich rasch ein großes Publikum erobert und über viele Jahrzehnte beste Un- terhaltung über die Grenzen unsere Landes

Foto: hinaus geboten“, so die Kulturministerin .

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 76 Personalia

Bürgermeister Michael Häupl Tief betroffen zeigte sich Bürgermeister Michael Häupl: „Peter Alexander war ein großer Wiener, ein großer Österreicher und ein großer Entertainer. Er hat viele Genera- tionen mit seinem unvergleichlichen Humor und Können unterhalten und ihnen Freude be- reitet. Zurecht war er Zeit seines Lebens einer der beim Publikum beliebtesten Künstler des Landes. Österreich verliert einen bedeu- tenden Entertainer und großen Menschen.“

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz „Mit Peter Alexander verliert Österreich einen seiner größten Entertainer. ,Peter der Große‘ hat Millionen Fans im deutschen Sprachraum mit seiner Musik, seinen Filmen und seinen Fernsehshows über Jahrzehnte hinweg viel Freude bereitet. Er war einer der Peter Alexander mit seinem oftmaligen, kongenialen Filmpartner Gunther Philipp prägenden Stars des ORF-Fernsehens. Seine Show ist nicht nur ein Meilenstein der ORF- und Fernsehgeschichte, sie machte ihn zu einem lieb gewonnenen Familienmitglied in den Wohnzimmern der Österreicherinnen und Österreicher. Wir trauern um einen lang- jährigen Partner, der dem ORF über viele Jahre hinweg sehr eng verbunden war. Unser Mitgefühl gehört seinen Hinterbliebenen.“

»Sag zum Abschied leise Servus« In der ORF-Show „Sag zum Abschied leise Servus“ präsentierte Peter Alexander Höhepunkte aus seiner erfolgreichen Lauf- bahn als Entertainer, Sänger und Schauspie- ler. In einer Vielzahl an Ausschnitten aus diversen Peter-Alexander-Shows und Spiel- filmen gab es ein Wiedersehen mit Stars wie

Liza Minelli, Christa Ludwig, Agnes Baltsa, Foto: ORF/Kirch Media Foto: ORF/BT Grace Bumbry, Montserrat Caballe, Günter Peter Alexander und Fritz Eckhardt in »Charlys Tante« Pfitzmann, Paul Hörbiger, Anneliese Rothen- berger, Caterina Valente, Tom Jones, Wencke Myhre, Heinz Rühmann, Harald Juhnke, Larry Hagman, Richard Chamberlain, Gun- ther Philipp, Karl Merkatz, Hans Moser und Willy Millowitsch. Mit Grace Bumbry singt Peter Alexander in dieser Aufzeichnung etwa die deutsch-ita- lienische Variante von „Dort in der Kneipe in unserer Straße“, er präsentiert seine legen- dären Parodien auf den Mundl, Theo Lingen, Karl Moik, Zarah Leander, Louis Armstrong, Falco und Hans Moser und singt Frank- Sinatra-Songs. Und natürlich durfte der legendäre Sketch mit der Vierfachrolle als Prinz Charles, Lady Diana, Queen und Queen Mum nicht fehlen. Eine Vielzahl von Filmausschnitten komplettierte den umfan- greichen Show-Rückblick. Foto: ORF/BT http://www.peter-alexander.at »Saison in Salzburg«: Waltraut Haas, Raoul Retzer und Peter Alexander (v.l.)

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 77 Personalia Zwölf Ehrenzeichen Das Land Tirol zeichnete verdiente BürgerInnen aus.

m Rahmen eines Festaktes verliehen LH IGünther Platter und LH Luis Durnwalder am 20. Feber die Ehrenzeichen des Landes Tirol an zwölf BürgerInnen aus Tirol und Südtirol, die sich in besonderer Weise ver- dient gemacht haben. Der Feier im Riesen- saal der Innsbrucker Hofburg wohnten zahl- reiche geladene Ehrengäste bei. In seiner Festansprache würdigte LH Günther Platter die bemerkenswerten Lei- stungen, die diese Persönlichkeiten auf un- terschiedlichsten Gebieten erbracht haben. Alle künftigen Ehrenzeichen-TrägerInnen seien gesellschaftliche Vorbilder und somit Fundamente des lebendigen und starken Landes Tirol. „Am heutigen Andreas-Hofer-Gedenktag stehen ganz besondere Menschen im Mit- telpunkt. Sie alle haben sich in besonderer Weise um unsere Gesellschaft und unser Land verdient gemacht. Durch ihr Engage- ment haben sie einen wertvollen Mehrwert für unsere Gesellschaft, einen wichtigen Beitrag für das Land Tirol geleistet. Dieses Engagement verdient eine besondere Würdi- Die Landeshauptmänner Günther Platter und Luis Durnwalder überreichten auch gung, der heutige Rahmen und die Verlei- an den Extrembergsteiger Peter Habeler das Ehrenzeichen des Landes Tirol. hung soll eine entsprechende Anerkennung hinaus beruflich und/oder ehrenamtlich en- Heimat verdient gemacht. Ihr Wirken auf ihrer Leistungen sein.“ gagieren. wirtschaftlichem oder sozialem Gebiet oder Südtirols LH Luis Durnwalder verwies in Die zwölf BürgerInnen, die mit den auch in anderen gesellschaftlich relevanten seiner Ansprache ebenfalls auf die besonders Ehrenzeichen des Landes Tirol ausgezeich- Bereichen ist ein wichtiger Beitrag für einen zu würdigende Lebensleistung von Men- net wurden, haben sich – jede und jeder auf erfolgreichen Weg des Landes Tirol in die schen, die sich über das gewöhnliche Maß seine bzw. ihre Weise – besonders um ihre Zukunft. Fotos: Land Tirol/Mück Am Andreas-Hofer-Gedenktag standen im Riesensaal der Innsbrucker Hofburg ganz besondere Menschen im Mittelpunkt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 78 Personalia Wien ehrt Univ.-Prof. Barfuß andeshauptmann Michael Häupl über- Lreichte das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien an Univ.- Prof. Walter Barfuß und bezeichnete es als sichtbaren Dank der Stadt und des Landes Wien an den Geehrten. Magistratsdirektor Ernst Theimer würdigte in seiner Laudatio die herausragende Kompetenz von Barfuß, die auch der Stadt Wien immer wieder zuteil wurde, sei es als Rechtsanwalt, als Berater und Gutachter oder als Aufsichtsratsvor- sitzender der Wien Holding. Theimer führte die zahlreichen und vielbeachteten Publika- tionen des Geehrten an und erwähnte dessen umfangreiche Seminar- und Vortragstätig- keit im In- und Ausland. Er freue sich, daß die renommierte Wiener Juristische Gesell- schaft, deren Präsident Barfuß seit 1986 ist, Foto: Schaub-Walzer / PID im Rathaus „so etwas wie eine Heimstätte“ LH Michael Häupl überreicht das Große Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um gefunden habe. Ganz besonders hob Thei- das Land Wien an Univ.-Prof. Walter Barfuß. mer hervor, daß Barfuß als Mann der Wis- rung der Werte Leistung, Fleiß, Anstand und Professor ernannt. 1986 wurde er Präsident senschaft und der Praxis immer die Boden- Loyalität bekannt habe. der Wiener Juristischen Gesellschaft, 2002 haftung zur Realität bewahrt habe. Walter Barfuß, 1937 in Wien geboren, Präsident des Österreichischen Normungsin- Univ.-Prof. Barfuß bezeichnete die Ehrung studierte Rechtswissenschaften und Politik- stitutes und im selben Jahr Generaldirektor der als etwas Außergewöhnliches und ein Sym- wissenschaft. Danach wurde er Rechtsan- Bundeswettbewerbsbehörde. bol für die Verbundenheit zwischen dem walt, später mit eigener Kanzlei. 1969 habi- Für sein bedeutendes juristisches Schaffen ehrenden Land Wien und dem Geehrten. Er litierte er sich und wurde Univ.-Doz. für Ver- und seine zahlreichen Publikationen wurde fasse es auch als Dank dafür auf, daß er sich fassungs- und Verwaltungsrecht an der Uni- Barfuß bereits mehrmals mit Ehrungen aus- in seinem Berufsleben immer zur Bewah- versität Wien. 1997 wurde er zum o. Univ.- gezeichnet. Ältester Oberösterreich ist 106 Jahre alt

ohann Kastenhuber aus Bad Ischl feierte Jam 12. Februar seinen 106. Geburtstag. Damit ist erstmals ein Mann der älteste Oberösterreicher. In die Gratulantenschar reihte sich auch Landeshauptmann Josef Pühringer ein, der ihm persönlich gratulierte. Johann Kastenhuber wurde am 12. Feber 1905 in Stadl Paura geboren und ist in Des- selbrunn (Bezirk Vöcklabruck) aufgewach- sen. Dort besuchte er die Schule und arbeite- te bis zum 22. Lebensjahr am Bauernhof sei- ner Eltern, dem auch ein Wirtshaus ange- schlossen war. Er mußte viel und hart arbei- ten. Erst mit 22 Jahren kam er nach Bad Ischl, wo er als Kraftfahrer tätig war. Wäh- rend des Zweiten Weltkrieges war er in Hol- land, Belgien, Frankreich und Rußland im Einsatz. Im März 1945 wurde er bei Linz von den Amerikanern gefangen genommen. Foto: Land OÖ/Cerpnjak LH Josef Pühringer gratuliert Johann Kastenhuber zum 106. Geburtstag. Am 26. Dezember 1945 konnte er wieder nach Bad Ischl heimkehren. leben. Seine Lieblingsbeschäftigung ist nach Mitte des Jahres wird noch ein weiterer Heute lebt Herr Kastenhuber im Bezirks- wie vor gutes Essen. Johann Kastenhuber Oberösterreicher aus dem Jahrgang 1905 altenheim in Bad Ischl. Er ist trotz seines hatte vier Kinder, die beiden ältesten Söhne seinen 106. Geburtstag feiern – fünf Ober- beachtlichten Alters noch sehr interessiert sind bereits verstorben, eine Tochter lebt noch österreicherinnen werden heuer 105 Jahre am Familienkreis und am Gemeinschafts- in Bad Ischl, ein Sohn auf Fuerteventura. alt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 79 Personalia Kaiser-Maximilian-Preis 2011

as Land Tirol und die Stadt Innsbruck Dhaben im Jahr 1997 aus Anlaß der Voll- endung des 85. Lebensjahres des langjähri- gen Bürgermeisters der Stadt Innsbruck und Präsidenten des Tiroler Landtages Alois Lugger in Anerkennung seiner Verdienste um Europa den Kaiser-Maximilian-Preis, Europapreis für Regional- und Kommunal- politik des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck, gestiftet. Erster Kaiser-Maximi- lian-Preisträger im Jahr 1998 war der Präsident von Katalonien, Jordi Pujol. 2011 vergab die international besetzte Jury diese Auszeichnung an die Polin Danuta Hübner, Mitglied des Europäi- schen Parlamentes in Brüssel. Der Preis besteht aus einer Urkunde und einer Me- daille sowie einem Geldpreis in der Höhe von 10.000 Euro. Foto: Stadt Innsbruck / Vandory Kaiser-Maximilian-Preisträgerin Danuta Hübner gemeinsam mit Herwig van Staa Die Preisträgerin 2011 anläßlich der Verleihung des Kaiser-Maximilian-Preises auf Schloß Ambras. Die 1948 in Polen geborene Danuta Hüb- Leiterin des Amtes des Komitees für Bisherige PreisträgerInnen ner ist Mitglied des Europäischen Parla- Europäische Integration (UKIE). 1998 Jordi Pujol, Präsident von Katalo- mentes und Vorsitzende des Ausschusses für 1995-1996 Chefunterhändlerin für die nien. Regionale Entwicklung (REGI). Die promo- Mitgliedschaft Polens in der OECD. 1999 Dr. Josef Hofmann, Ehrenpräsident vierte Wirtschaftswissenschafterin engagiert 1994-1996 Unterstaatssekretärin im Mi- des Rates der Gemeinden und Regionen sich außerhalb ihrer beruflichen Tätigkeit in nisterium für Industrie und Handel, Polen Europas. einer Vielzahl politischer wie nichtpolitischer 2000 Luc van den Brande, Präsident der Organisationen, Stiftungen und Einrichtun- Stiftung des Preises Versammlung der Regionen Europas. gen. Ihr Werdegang: Mit der Verleihung des Kaiser-Maximi- 2001 Baroness Farrington of Ribbleton, Seit 2009 Mitglied des Europäischen lian-Preises werden jährlich außerordentli- Großbritannien. Parlamentes. che Leistungen von Persönlichkeiten und 2002 Erwin Teufel, Ministerpräsidenten Ab Mai 2004 Mitglied der Europäischen Institutionen aus dem Bereich der europäi- des Landes Baden Württemberg, und Kommission, Brüssel (Kommissarin für schen Regional- und Kommunalpolitik aus- Heinrich Hoffschulte, 1. Vizepräsident Regionalpolitik). gezeichnet. Besondere Berücksichtigung des Rates der Gemeinden und Regionen 2003-2004 Ministerin für Europaangele- finden Bemühungen um die Verwirklichung Europas. genheiten, Polen. des Grundsatzes der Subsidiarität, der In- 2003 Alain Chénard, Präsident des Kon- 2001-2003 Leiterin des Amtes des Ko- halte der Charta der Lokalen Selbstverwal- gresses der Gemeinden und Regionen mitees für Europäische Integration und tung und der Charta der Regionalen Selbst- Europas a. D. Staatssekretärin im Außenministerium verwaltung des Europarates. 2004 Elisabeth Gateau, Generalsekretärin Polen. Zur Auswahl und Begutachtung der der Weltunion der Kommunen 2000-2001 Stellvertretende Generalsek- Preisträgerinnen und Preisträger wird eine 2005 Jan Olbrycht, Mitglied des Euro- retärin der Vereinten Nationen und Exe- internationale Jury eingesetzt, der je eine päischen Parlaments. kutivsekretärin der Wirtschaftskommis- Vertreterin bzw. ein Vertreter des Ausschus- 2007 Michael Häupl, Präsident des Rates sion für Europa der Vereinten Nationen, ses der Regionen der Europäischen Union, der Gemeinden und Regionen Europas, Genf. des Kongresses der Gemeinden und Regio- und Graham Meadows, Generaldirektor 1998-2000 Stellvertretende Exekutivse- nen des Europarates, der Versammlung der a.D. der Europäischen Kommission. kretärin der Wirtschaftskommission für Regionen Europas oder des Rates der Ge- 2008 Dora Bakoyannis, griechische Europa der Vereinten Nationen, Genf. meinden und Regionen Europas und eine Außenministerin. 1997-1998 Chefin der Kanzlei des Prä- wissenschaftliche Fachexpertin bzw. ein 2009 Giovanni Di Stasi, ehem. Präsident sidenten der Republik Polen. wissenschaftlicher Fachexperte der Leopold- des Kongresses der Gemeinden und 1996-1997 Regierungsbevollmächtigte Franzens-Universität Innsbruck sowie je Regionen Europas. für die Bildung des Komitees für Euro- zwei Vertreterinnen bzw. Vertreter des 2010 Halvdan Skard, ehemaliger Präsi- päische Integration (KIE), Sekretärin des Landes Tirol und der Stadt Innsbruck ange- dent des Kongresses der Gemeinden und KIE im Rang eines Staatssekretärs und hören. Regionen Europas.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 80 Wissenschaft & Technik Zwei Physik-Highlights aus Innsbruck In der aktuellen von »Nature« erscheinen gleich zwei Beiträge der Innsbrucker Quantenphysik. Die Experimentalphysiker um Rainer Blatt schlagen eine grund- legend neue Architektur für den Quantencomputer vor und demonstrieren erstmals die Funktion von Quantenantennen. In der zweiten Arbeit realisieren die Physiker erstmals die Grundbausteine eines offenen Quantensimulators.

Im neuen Quantencomputer funkt’s! Atomare Antennen übermitteln Quanteninformation auf Mikrochip Eine grundlegend neue Architektur für den Quantencomputer schlagen Innsbrucker Physiker um Rainer Blatt in der Fachzeit- schrift Nature vor. Sie haben im Experiment erstmals die Funktion von Quantenantennen demonstriert. Diese machen es möglich, Quanteninformation zwischen einzelnen Speicherzellen auf einem Computerchip aus- zutauschen. Damit wird der Bau von hand- licheren Quantencomputern denkbar. or sechs Jahren wurde an der Univer- Vsität Innsbruck das erste Quantenbyte – ein Quantencomputer mit acht Rechenein- heiten – realisiert. Ein Rekord, der bis heute hält. „Um aber mit einem Quantencomputer richtig rechnen zu können, benötigen wir wesentlich mehr Quantenbits“, sagt Prof. Rainer Blatt, der dieses erste Quantenbyte mit einem Team am Institut für Experimental- physik in einer elektromagnetischen Ionen- falle hergestellt hat. „In diesen Fallen kön- nen wir nicht beliebig viele Ionen anein- anderreihen und gleichzeitig kontrollieren.“ Die Wissenschaftler sind deshalb dazu über- gegangen, den Quantencomputer als System von vielen kleinen Registern zu konzipieren.

Diese müssen miteinander verbunden wer- Grafik: Harald Ritsch den. Dafür haben die Innsbrucker Quanten- Quantencomputer: Atomare Antennen machen es möglich, Quanteninformation physiker nun einen revolutionären Ansatz zwischen einzelnen Speicherzellen auf einem Computerchip auszutauschen. entwickelt, der auf einer Idee der Theore- Grundlage für elementare Rechenopera- kommt es zur Kopplung und zum Energie- tiker Ignacio Cirac und Peter Zoller basiert. tionen eines Quantencomputers sein. austausch, über den wir Quanteninformation Im Labor konnten die Physiker zwei übertragen können.“ Noch nie zuvor konnte Gruppen von Ionen über eine Entfernung Antennen verstärken Übertragung eine direkte Kopplung von zwei mechani- von rund 50 Mikrometern elektromagnetisch „Wir haben diese Idee zunächst in sehr schen Schwingungen auf Quantenebene de- koppeln. Dabei dient die Bewegung der Teil- einfacher Weise umgesetzt“, erzählt Rainer monstriert werden. Die Wissenschaftler zei- chen als Antenne. „Die Teilchen schwingen Blatt. In einer miniaturisierten Ionenfalle wird gen in dem Experiment darüber hinaus, daß wie die Elektronen in den Stäbe einer Fern- ein wellenförmiges Potential eingerichtet, in die Kopplung umso stärker ist, je mehr Ionen sehantenne und erzeugen so ein elektromag- dem die Calcium-Ionen gefangen sind. Die in den beiden Gruppen vorhanden sind. „Die netisches Feld“, erklärt Blatt. „Wenn die An- beiden Wellentäler liegen 54 Mikrometer aus- zusätzlichen Ionen wirken wie Antennen und tennen aufeinander abgestimmt sind, nimmt einander. „Durch das Anlegen einer Span- erhöhen die Reichweite und Geschwindig- der Empfänger das Signal des Senders auf nung an den Elektroden der Ionenfalle kön- keit der Übertragung“, zeigt sich Rainer Blatt und es entsteht eine Kopplung.“ Der dabei nen wir die Schwingungsfrequenz der Ionen von dem neuen Konzept begeistert. Es stellt stattfindende Energieaustausch könnte die aneinander anpassen“, sagt Blatt. „Dabei einen vielversprechenden Ansatz für den

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 81 Wissenschaft & Technik

Bau eines voll funktionsfähigen Quanten- beitsgruppen von Rainer Blatt und Peter Zol- Ionen in all seinen internen Zuständen, son- computers dar. „Diese neue Technologie bie- ler an den Instituten für Experimentalphysik dern auch seine Anbindung an die Umwelt“, tet uns die Möglichkeit zur Verschränkung und Theoretische Physik der Universität erklärt Julio Barreiro. „In unserem Experi- mittels Kommunikation. Gleichzeitig kön- Innsbruck sowie am Institut für Quanten- ment nutzen wir dazu ein zusätzliches Ion, nen wir jede Speicherzeile einzeln anspre- optik und Quanteninformation (IQOQI) der das mit dem Quantensystem wechselwirkt chen“, so Rainer Blatt. Der neue Quanten- Österreichischen Akademie der Wissen- und gleichzeitig einen kontrollierten Kontakt computer könnte auf einem Chip mit vielen schaften bringt diese Bemühungen nun noch zur Außenwelt herstellt“, erläutert Philipp Mikrofallen basieren, in denen Ionen mittels einen wesentlichen Schritt weiter. Sie haben Schindler. Das überraschende Ergebnis: elektromagnetischer Kopplung miteinander zum ersten Mal einen umfassenden Bau- Durch Dissipation lassen sich Quanteneffek- kommunizieren. Dies wäre ein weiterer wich- kasten für einen offenen Quantencomputer te innerhalb des Systems, wie zum Beispiel tiger Schritt auf dem Weg zu alltagstaug- entwickelt, mit dem in Zukunft größere Verschränkung, gezielt erzeugen und ver- lichen Quantentechnologien für die Informa- Quantensimulatoren zur Untersuchung kom- stärken. „Dies ist uns durch den gezielten tionsverarbeitung. Einsatz des an sich störenden Umweltfaktors Publikation: Trapped-ion antennae for gelungen“, freut sich Markus Müller. the transmission of quantum information. Maximilian Harlander, Regina Lechner, Dissipation schafft Ordnung Michael Brownnutt, Rainer Blatt, Wolfgang in der Quantenwelt Hänsel. Advanced online publication Nature In einem der Experimente demonstrieren 2011 DOI: 10.1038/nature09800 die Forscher den erfolgreichen Einsatz von Dissipation, indem sie mit Hilfe des Um- Quantensimulator öffnet sich der Welt gebungsions vier weitere Ionen vollständig Forscher präsentieren Baukasten für miteinander verschränkten. „Im Gegensatz offenen Quantencomputer zu den üblichen Prozeduren funktioniert dies xperimentalphysiker stecken viel Zeit unabhängig von den Anfangszuständen der Eund Mühe in die Abschirmung sensibler einzelnen Teilchen“, erklärt Müller. „Durch Messungen gegen störende Einflüsse der einen kollektiven Kühlungsprozeß werden Umwelt. Nun haben Quantenphysiker in die Teilchen in einen gemeinsamen Zustand Innsbruck erstmals die Grundbausteine eines gedrängt.“ Auf diese Weise können Viel- offenen Quantensimulators realisiert, bei teilchenzustände erzeugt werden, die sonst dem die kontrollierte Anbindung an die Um- nur in von der Umgebung sehr gut isolierten gebung nutzbringend eingesetzt wird. Damit Quantensystemen hergestellt und beobachtet kann in Zukunft das Verhalten sehr komple- werden können. Dieser gewinnbringende xer Quantensysteme untersucht werden. Die Einsatz der Umgebung erlaubt es, neue Ar-

Forscher berichten darüber in der Fachzeit- Grafik: Harald Ritsch ten von Quantendynamik zu realisieren und schrift „Nature“. Quantensimulator: Ein Ion wechsel- Systeme zu erforschen, die bislang experi- Die Eigenschaften der Quantenphysik wirkt mit dem Quantensystem und mentell kaum zugänglich waren. In der liegen vielen Phänomenen unserer Welt zu- stellt gleichzeitig einen kontrollierten Theorie hat in den letzten Jahren ein Nach- Kontakt zur Außenwelt her. grunde: der Struktur von Atomen und Mole- denken darüber eingesetzt, wie Dissipation külen, chemischen Reaktionen, Material- plexer Aufgabenstellungen konstruiert wer- nicht wie bisher nur unterdrückt, sondern eigenschaften, dem Magnetismus und mög- den können. aktiv als Ressource für den Bau von Quan- licherweise auch manchen biologischen Pro- tencomputern oder Quantenspeichern ge- zessen. Detailliertes Verständnis stößt aller- Kontrollierte Störungen erwünscht nutzt werden kann. In enger Kooperation dings rasch an Grenzen, weil die Komplexi- Die Wissenschaftler nutzen dazu eine zwischen Theoretikern und Experimental- tät der Phänomene mit der wachsenden Zahl Eigenschaft, die üblicherweise in Experi- physikern in Innsbruck ist es nun erstmals der beteiligten Quantenteilchen rapide an- menten möglichst minimiert wird: Stö- gelungen, diese grundlegenden Effekte in steigt. Herkömmliche Computer scheitern rungen durch die Umwelt. Quantensysteme einem Quantensimulator erfolgreich umzu- sehr rasch an der Berechnung solcher Pro- verlieren durch Störungen gewöhnlich In- setzen. bleme. Physiker entwickeln deshalb seit formation und fragile Quanteneffekte wie Publikation: An Open-System Quantum einigen Jahren auf verschiedenen Plattfor- Verschränkung oder Überlagerung werden Simulator with Trapped Ions. Julio T. Bar- men wie zum Beispiel Neutralatomen, Ionen zerstört. Die Physik nennt diesen Prozeß reiro, Markus Müller, Philipp Schindler, Da- oder Festkörpersystemen Quantensimulato- Dissipation. Die Innsbrucker Forscher um niel Nigg, Thomas Monz, Michael Chwalla, ren, die ähnlich wie Quantencomputer die die Experimentalphysiker Julio Barreiro und Markus Hennrich, Christian F. Roos, Peter besonderen Eigenschaften der Quanten- Philipp Schindler und den Theoretiker Mar- Zoller und Rainer Blatt. Nature 2011. DOI: physik zur Beherrschung dieser Komplexität kus Müller verwenden die Dissipation für 10.1038/nature09801 nutzen. Zum Jahreswechsel hat die Fach- ihren Quantensimulator aus gespeicherten Unterstützt wurden die Tiroler Quanten- zeitschrift „Science“ die Fortschritte auf die- Ionen zum ersten Mal gewinnbringend, in- forscher vom österreichischen Wissenschafts- sem Gebiet zu einem der wissenschaftlichen dem sie die Kopplung an die Umgebung fonds FWF, der Europäischen Union, dem Durchbrüche des Jahres 2010 gekürt. Ein künstlich konstruieren. „Wir kontrollieren Europäischen Forschungsrat ERC und der Team von Nachwuchsforschern aus den Ar- nicht nur das Quantensystem aus bis zu vier Tiroler Industrie.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 82 Wissenschaft & Technik Erfolgsbilanz RNA-Netzwerk Zu den spannendsten Themen der Molekularbiologie zählt die Erforschung der Ribonukleinsäure (RNA) als steuerndes und regulierendes Element einer Vielzahl von Prozessen der Zelle.

ehn Jahre lang forschten Wissenschaft- ZlerInnen der Max F. Perutz Laboratories (MFPL) der Universität Wien und der Medi- zinischen Universität Wien im Rahmen des vom FWF geförderten Spezialforschungs- bereichs „Modulators of RNA. Fate and Function“, und die beispielgebende überuni- versitäre Zusammenarbeit hat reichlich Früchte getragen. Die WissenschafterInnen ziehen eine höchst erfolgreiche Bilanz, mit der sie Wien zu einem internationalen Hot- spot der RNA-Forschung gemacht haben. Rund zehn Millionen Euro investierte der FWF in den vergangenen Jahren in den Spezialforschungsbereich (SFB) „Modula- tors of RNA Fate and Function“. Den wis- senschaftlichen Erfolg belegen 130 Publika- tionen, zwölf internationale Kooperations- projekte und fünf Patente. „Der SFB hat ent- scheidend zur Aufwertung des Forschungs- feldes RNA-Biologie am Vienna Biocenter Foto: Universität Wien beigetragen“, sagt Udo Bläsi, Sprecher des Prof. Renée Schroeder, Prof. Udo Blesi und Prof. Andrea Barta (v.l.) SFB und Professor für Molekulare Mikro- biologie an der Universität Wien. Renée Wie eine Sensorsteuerung bewirken sie bei- der Akademie der Wissenschaften. Auch bei Schroeder, stellvertretende Sprecherin und spielsweise, daß bei höheren Temperaturen der Ausbildung des Forschungsnachwuchses Professorin für RNA-Biochemie ebendort: andere Proteine gebildet werden als bei nie- wurde viel bewegt: So hat der SFB insge- „Auf dem Gebiet hat sich unheimlich viel drigen. Die RNAs ermöglichen dadurch, daß samt 45 DiplomandInnen, 50 DoktorandIn- getan. Das überraschendste Ergebnis unserer Lebewesen auf Umweltbedingungen reagie- nen, zwei UniversitätsdozentInnen und zwei Arbeiten war die unglaubliche Anzahl an ren und sich anpassen können. Hauptthema neue Professuren hervorgebracht. Zudem regulatorischen RNAs und ihre vielfältigen der ForscherInnen war die Wechselwirkung fungierte er als Wegbereiter für das Dokto- Funktionen, die wir in den vergangenen Jah- zwischen Proteinen und der RNA. Insbe- ratskolleg „RNA-Biologie“, das 2007 als ren identifizieren konnten.“ sondere die sogenannten RNA-Chaperone erstes fokussiertes PhD-Programm an den standen im Zentrum der Untersuchungen. MFPL unter der Federführung von Andrea Mehr als die »kleine Chaperone sind Proteine, die den RNA-Mo- Barta, Professorin an der Abteilung für Mo- Schwester der DNA« lekülen „helfen“, sich richtig zu falten. Die lekulare Biologie der MedUni Wien, eta- Ribonukleinsäure (RNA) ist der DNA – korrekte Faltung der RNA ist entscheidend bliert wurde. der Trägerin unserer Erbinformationen – für ihre Funktion; aufgrund ihrer Größe und sehr ähnlich. Lange Zeit wurde sie lediglich Komplexität neigt sie häufig dazu, sich Weites Feld für künftige Forschung als „Arbeitskopie“ bei der Herstellung von „falsch“ zu falten. Die Chaperone helfen Durch die exzellente Forschung konnten Proteinen betrachtet. Erst die Forschungs- ihnen dabei auf den richtigen Weg zurück – neue ausgezeichnete WissenschafterInnen an arbeiten der vergangenen Jahre zeigten, daß daher auch der aus dem Englischen entlehn- das Vienna Biocenter geholt werden. Ge- die RNA in Form vieler verschiedener nicht- te Name Chaperone, übersetzt „Anstands- meinsam mit bereits etablierten Gruppen kodierender RNAs als steuerndes und regu- dame“. werden sie ab Frühjahr 2011 im Rahmen des lierendes Element an einer Vielzahl an zellu- kürzlich vom FWF bewilligten SFB „RNA lären Prozessen beteiligt ist. Spitzenforschung und regulation of the trancriptome“ unter der Lei- Nachwuchsförderung tung von Renée Schröder weiterhin an den Temperatur-Sensoren Insgesamt 13 Forschungsgruppen waren vielseitigen Molekülen forschen: „Wenn uns und »Anstandsdamen« am FWF-Spezialforschungsbereich betei- die Forschung der vergangenen zehn Jahre Regulatorische RNAs steuern die Her- ligt – elf an den MFPL und je eine am eines gezeigt hat, dann, daß es noch viele un- stellung von Proteinen in der Zelle in Ab- Institut für Molekulare Pathologie und am geklärte Fragen bei regulatorischen RNAs hängigkeit von den Umweltbedingungen. Forschungszentrum für Molekulare Medizin gibt!“

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 83 Wissenschaft & Technik Bildungscampus Hauptbahnhof Vassilakou: Bildungscampus Hauptbahnhof wird neue Standards setzen – Oxonitsch: Erstmals Campus für 0- bis 14jährige Alle Visualisierungen: PPAG Popelka Poduschka Architekten aus Wien 102 Projekte wurden eingereicht – hier eine Visualisierung des Siegerprojekt von PPAG Popelka Poduschka Architekten.

izebürgermeisterin Maria Vassilakou auch für die Architektur spannende Heraus- fügung, gemeinsame Projekte ermöglichen Vund Bildungsstadtrat Christian Oxo- forderungen: Dem Architektenteam des Sie- es, miteinander und voneinander zu lernen. nitsch stellten am Abend des 24. Feber im gerprojekts ist es gut gelungen, das pädago- Die Vorteile liegen in den erleichterten Über- Rahmen einer Ausstellung das Siegerprojekt gische Konzept des ,Campus‘ in eine präg- gängen zwischen den einzelnen Altersstufen zum Bildungscampus Hauptbahnhof vor. nante bauliche Form zu bringen!“ und der Kombination von Lernen und Das Projekt von PPAG Popelka Poduschka Mit dem Leitprojekt des Bildungscampus Freizeit. Der Wiener Campus ist ein ganztä- ging aus über 100 eingereichten Projekten Hauptbahnhof wird erstmals ein Campus für giges Bildungsmodell mit verschränkten hervor. „Wir wollen am Bildungscampus 0- bis 14jährige umgesetzt. Er umfa?t auf Unterrichts- und Freizeiteinheiten im Schul- Hauptbahnhof neue Standards im Schulbau einer Fläche von ca. 20.000 m² einen elf- bereich in der Zeit von 8.00 bis 15.30 Uhr. setzen – Freiräume, Begegnung und damit gruppigen Kindergarten, eine 17klassige Darüberhinaus gibt es bei Bedarf Betreu- eine Umgebung, in der Lernen Spaß macht. Ganztagsvolksschule sowie eine 16klassige ungsangebote ab 6.30 und bis 17.30 Uhr. Die Darüber hinaus ist der Bildungscampus ein Ganztagshauptschule und soll mit Beginn Betreuung der Kinder ist auch in den Ferien weiterer Teil zur Erschließung des Areals des Schuljahres 2014/2015 in Betrieb gehen. gegeben. Hauptbahnhof, das ja nicht nur aus dem Rund 1100 Kinder werden diesen Campus Wien hat bereits zwei Campus-Stand- Bahnhof selbst, sondern aus Wohn-, Bil- mit Leben erfüllen. Vorgesehen sind Investi- orte – in Favoriten den „Campus Monte dungs- und Freizeiteinrichtungen bestehen tionen in Höhe von 65 Mio Euro. Laa“ und in der Leopoldstadt den „Campus wird“, sagte Vassilakou. Getrude-Fröhlich“ – realisiert. Ein weiterer „Die Stadt hat mit dem Campusmodell Campusstandorte in Wien Campus am Donaufeld Nord in Floridsdorf neue Standards im Bildungsbereich gesetzt: Beim Wiener Campus werden Kinder- ist bereits in Bau und soll im Herbst 2012 Lernen und Freizeit werden in idealer Weise garten-, Schul- und Freizeitpädagogik an fertig gestellt sein. Die Erfahrungen der miteinander kombiniert, Infrastruktur- und einem Standort zusammen gefaßt. Die Ko- ersten Jahre sind mehr als positiv, es hat sich Freizeitangebote können von den Kinder- operation zielt auf die optimale Nutzung vor allem gezeigt, daß die Architektur eine garten- und Schulkindern gemeinsam ge- aller Ressourcen ab: In der Bildungsarbeit wesentliche Rolle beim „Zusammenwach- nutzt werden“, erklärte Oxonitsch. „Das birgt stehen Räume des Gebäudes allen zur Ver- sen“ von Kindergarten und Schule spielt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 84 Wissenschaft & Technik

Bildungscampus Hauptbahnhof – Lernen und Begegnen auf dem »Marktplatz« Für den Bildungscampus Hauptbahnhof wurden umfassende Vorarbeiten geleistet. Gemeinsam mit dem Österreichischen Insti- tut für Schul- und Sportstättenbau (ÖISS), dem tilia büro für landschaftsplanung, Päda- gogInnen aus Kindergarten, Volksschule und Hauptschule sowie Erziehungswissenschaft- lern wurde ein räumlich-pädagogisches Kon- zept erarbeitet und zu dessen Umsetzung ein Katalog entwickelt, der die Anforderungen und gewünschten Qualitäten für den Campus enthält. Anstelle eines konventionellen Raum- programmes wurde dem Wettbewerb dieser Qualitätenkatalog mit Richtwerten für die einzelnen Funktionen zugrundegelegt. Da- durch sollte Spielraum für innovative Lösun- gen zur räumlichen Umsetzung neuer päda- Visualisierung der Außenansicht mit dem Sportplatz und Stellplätzen gogischer Konzepte gewährleistet werden. Herzstück des Campus sind die „Markt- plätze“, die von den Kindern gemeinsam ge- nutzt werden und, auf die die übrigen Räume ausgerichtet werden sollen. Sie sollen als Bewegungs-, Gruppenarbeits- und Aufent- haltsräume, als Räume für offene Unter- richtsformen (Lerninsel) sowie Versamm- lungsräume für alle dienen. In Kindergarten und Volksschule befindet sich auch der Spei- sebereich am Marktplatz. Da über den Tag verteilt Lern- und Freizeitphasen wechseln, müssen die Räume diesen Wechsel ermög- lichen und Arbeits- und Erholungsbereiche anbieten. Die Einteilung in „Unterrichtsräu- me“ und „Freizeiträume“ wurde aufgehoben.

Das Siegerprojekt kommt von PPAG 102 Projekte zum Bildungscampus Haupt- bahnhof wurden in der 1. Stufe des EU-wei- Herzstück des Campus sind die sogenannten »Marktplätze«. ten offenen zweistufigen Realisierungswett- bewerbes eingereicht. Das Preisgericht unter dem Vorsitz von Arch. Albert Wimmer wähl- te daraus neun Projekte für die 2. Wettbe- werbsstufe aus. In der Sitzung des Preisge- richtes am 1. Feber wurden als Wettbewerbs- gewinner PPAG Popelka Poduschka Archi- tekten aus Wien ausgewählt. Die Jury begrün- dete ihre Entscheidung damit, daß der Ent- wurf in der Auseinandersetzung mit dem Qua- litätenkatalog eine gelungene Lösung erreicht hat, die von einer sehr guten Verbindung von Innenraum und Außenraum (Cluster, Markt- platz – Terrassen, Garten) gekennzeichnet ist. Das vorgegebene Konzept ist sehr konse- quent und in hoher Qualität umgesetzt. Dem Architektenteam ist es gelungen, in prägnan- ter Form die Umsetzbarkeit des neuen päda- gogischen Konzeptes darzustellen. http://www.wien.gv.at/verkehr-stadtentwicklung/hauptbahnhof.html Die Einteilung in »Unterrichtsräume« und »Freizeiträume« wurde aufgehoben.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 85 Wissenschaft & Technik Rückkehr auf leisen Pfoten Ganz heimlich kommt sie wieder und erobert ihren alten Lebensraum zurück: die Wildkatze. Foto: ÖBF / Dieter Manhart chutzmaßnahmen sollen der in Öster- weise naturnahe Laub- und Laubmischwäl- det.“ Schneereiche Winter bringen sie in Sreich seit den 1950er-Jahren als ausge- der, wo sie genügend Verstecke sowie Nah- Bedrängnis, da sich ihre Hauptbeute, kleine storben oder verschollen geltenden Waldbe- rung und Aufzuchtplätze für die Jungen fin- Nagetiere, gut unter dem Schnee verstecken wohnerin die Rückkehr in ihre alte Heimat erleichtern. „Wir heißen die Wildkatze in unseren Wäldern willkommen“, sagt Georg Erlacher, Vorstandssprecher der Österreichi- schen Bundesforste (ÖBf), „und leisten einen Beitrag dazu, der Wildkatze ihren na- türlichen Lebensraum zurückzugeben.“ Ge- meinsam mit dem Naturschutzbund haben die Österreichischen Bundesforste nun die Infobroschüre „Aktiv für Wildkatzen“ her- ausgegeben. Sie richtet sich an Forstleute, Landwirte und Jäger und gibt Tipps, wie das Lebensraumangebot für Wildkatzen in den heimischen Wäldern verbessert werden kann. Entstanden ist die Broschüre in Zusam- menarbeit mit der „Plattform Wildkatze“.

Kein Winterschlaf für die Wildkatze Da die Wildkatze keinen Winterschlaf

hält, ist sie darauf angewiesen, das ganze Foto: ÖBF / Thomas Stephan Jahr über auf Jagd zu gehen. „Die scheue Von Jänner bis März buhlen die Männchen um die Gunst der Damen, rund zwei Jägerin“, erklärt Erlacher, „nutzt vorzugs- Monate später kommen zwei bis fünf Kätzchen pro Wurf zur Welt.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 86 Wissenschaft & Technik

kann. Im Winter frißt die Wildkatze auch Aas. Doch gerade jetzt in der Paarungszeit, sind Amphibien, Insekten, Vögel oder Fische unverzichtbar fürs Überleben. Von Jänner bis März buhlen die Männchen um die Gunst der Damen, rund zwei Monate später kommen zwei bis fünf Kätzchen pro Wurf zur Welt, die unter Asthaufen, Holz- poltern oder abgestorbenen Bäumen gut ver- steckt werden.

Erste Nachweise in österreichischen Wäldern Nun gibt es Hoffnung, daß sich die Wild- katze als eine der Leitarten der Artenschutz- kampagne vielfaltleben, wieder in Öster- reich niederläßt. Nach Wildkatzenhinweisen im Nationalpark Thayatal werden dort seit Man darf doch annehmen, daß es diesen beiden Wildkatzen recht gut geht? wenigen Jahren mit Baldrian bestrichene Holzstöcke ausgebracht, an denen sich die Wildkatzen reiben und ihre Haare hinterlas- sen. Deren genetische Analyse hat bereits zum mehrmaligen Nachweis der Wildkatze in Österreich geführt. „Nun wollen wir mit wesentlich mehr Lockstöcken sukzessive den Bestand der Wildkatzen in ganz Öster- reich erheben“, so Ingrid Hagenstein, Lei- terin des Wildkatzenprojekts beim Natur- schutzbund und der Plattform Wildkatze. Als potenzieller Wildkatzenlebensraum und Pro- jektgebiet wurde die Gegend um Bad Groß- pertholz im nordwestlichen Niederösterreich ausgewählt. „Auch wir planen in unseren Wäldern weitere Maßnahmen wie etwa das Aufstellen von Lockstöcken“, so Erlacher. Neben der Wildkatze engagieren sich die Bundesforste auch für andere selten gewor- dene Waldbewohner – der Fortbestand von Die Beute unter Kontrolle: Eine Wildkatze liegt auf der Lauer. Auerhuhn, Gelbbauchunke, Haselmaus, Ha- bichtskauz und anderen Waldvogelarten wird mit zahlreichen Schutzprojekten geför- dert und gesichert.

Plattform Wildkatze Die Plattform Wildkatze ist eine Koope- ration von Naturschutzbund Österreich, Österreichischen Bundesforsten, Zentral- stelle Österreichischer Landesjagdverbände, Nationalpark Thayatal, Tiergarten Wels, Alpenzoo Innsbruck-Tirol und Naturhisto- risches Museum Wien. Ziele sind die nach- haltige Rückkehr der Wildkatze nach Öster- reich und die Etablierung eines stabilen Wildkatzenbestandes. Die Broschüre „Aktiv für Wildkatzen“ steht unter http://www.bundesforste.at zum Download zur Verfügung oder kann per Mail

Fotos: ÖBF / Thomas Stephan an [email protected] Da sie keinen Winterschlaf halten, sind die Wildkatzen immer auf Nahrungssuche. kostenfrei bestellt werden.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 87 Kultur Glanz einer Epoche Jugendstil-Schmuck aus Europa – Ausstellung im Leopold Museum von 25. Feber bis 20. Juni 2011 Foto: Craig Dillon Österreich: Schmetterling-Broschen, um 1910; Entwurf: Gustav Fischmeister, Ausführung: Fa. Rozet & Fischmeister, Gelbgold, Fensteremailtechnik, Diamanten, Rubine; Höhe: 5,7 cm, Breite: 4,3 cm, Tiefe: 1 cm; Rozet & Fischmeister, Wien, Privatbesitz as Leopold Museum in Wien präsentiert vor allem auch die Leihgaben aus Wien be- Auchentaller (2009) und Joseph Maria Dim Frühjahr 2011 in Kooperation mit rücksichtigt. Olbrich (2010). Besonders wichtig bei der dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt Zusammenstellung der aktuellen Schau war die bisher umfassendste in Österreich ge- 150 Meisterwerke des jenes Merkmal, das Prof. Rudolf Leopold als zeigte Ausstellung zum Thema „Jugendstil- Kunsthandwerks um 1900 das Wichtigste erachtete: die Qualität der schmuck“. Die von Patricia Spiegelfeld ku- Insgesamt 150 Schmuckstücke – darunter Objekte. Alle anläßlich der Ausstellung ratierte und von Peter Weinhäupl initiierte beeindruckende Gürtelschnallen, elegante „Glanz einer Epoche“ zusammengetragenen Schau zeigt einen repräsentativen Quer- Kämme, edle Broschen, prächtige Diademe, Werke, sind besonders wertvolle und seltene schnitt durch die wichtigsten Zentren der wertvolle Ringe, raffinierte Halsketten und Stücke, bzw. Arbeiten, die sich durch die europäischen Schmuckerzeugung. Der Groß- vieles mehr – belegen Ideenreichtum und Originalität ihrer Kreation auszeichnen. teil der Leihgaben sind erlesene Objekte aus Vielfalt der Juwelierskunst um 1900. Auch den Sammlungen des Hessischen Landes- dem Aufstieg der industriellen Produktion, Darmstadt und Wien – museum Darmstadt, ergänzt durch wertvolle mit der Unternehmer neben dem traditions- Metropolen des Jugendstils Exponate aus Privatbesitz, aus dem Bestand reichen Kunsthandwerk aus manueller Ferti- Darmstadt ist, wie Wien, ein Zentrum des des Leopold Museum, Wien Museum und gung große Erfolge im Export erzielten, Jugendstils. Der hessische Großherzog Ernst des MAK die vor allem die österreichische widmet sich die Ausstellung. Sie ist ein wei- Ludwig hatte um 1900 die besten Künstler, Produktion vorstellen. Wolfgang Glüber, terer wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der unter ihnen den Erbauer der Wiener Seces- Leiter der Kunsthandwerklichen Sammlung Kunst um die Jahrhundertwende. Bereits in sion Joseph Maria Olbrich und Hans Chri- des Hessischen Landesmuseum hat die den vergangenen Jahren widmete sich das stiansen aber auch den Architekten Peter Sammlung aufgearbeitet und den Katalog Leopold Museum der Kunst der Jahrhun- Behrens nach Darmstadt geholt. Sie erbau- zur Sammlung herausgegeben. Zusätzlich dertwende, mit Ausstellungen zu Adolf ten auf der Anhöhe über der Stadt eine bahn- zum eben erschienen Buchkatalog erscheint Hoelzel, Kolo Moser (2007), der Neuprä- brechende Mustersiedlung, die Künstlerko- eine Broschüre der Wiener Ausstellung, der sentation der Sammlung (2008), Josef Maria lonie Mathildenhöhe.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 88 Kultur Foto: Leopold Museum, Wien Österreich: Brosche für Erzherzogin Marie Valerie, um 1900; Entwurf und Ausführung: A. E. Köchert, Wien; Gold, Silber, Rubine, Diamanten, Smaragde; Höhe: 4 cm, Breite: 8 cm; Privatbesitz

Erst im letzten Jahr führten unser guten Gerhard Bott, die mehr als 300 Jugendstil- Beziehnungen zur hessischen Kunststadt zur arbeiten umfassende Sammlung zu erwer- größten bisher gezeigten Olbrich-Schau, die ben. 1963 wurde die Sammlung im Folk- gemeinsam mit dem Institut Mathilden- wang Museum Essen bereits als Sammlung höhe für Darmstadt und Wien konzipiert des Hessischen Landesmuseums präsentiert. worden war. Im Zuge dieser Zusammenar- Die Schmuckobjekte aus der „collectie beit wurde das Leopold Museum auf den Citroen“ zählen heute zu den absoluten Hö- großartigen Jugendstilbestand des Hessi- hepunkten der Bestände des Hessischen schen Landesmuseum Darmstadt aufmerk- Landesmuseums. sam und die Idee für eine Präsentation in Wien entwickelte sich rasch zu einem wun- Art Nouveau: Die Generation Lalique derbaren gemeinsamen Projekt. Einen Schwerpunkt der Sammlung bilden die Arbeiten bedeutender Pariser Juweliere. Jugendstilschmuck im Allen voran jene des Goldschmiedes René Hessicshen Landesmuseum Jules Lalique (1860-1945), des sehr an japa- Ein essentieller Teil des Bestandes der nischer Kunst interessierten Lucien Gaillard Schmucksammlung des Hessischen Landes- (1861-1942) oder Georges Fouquet (1862- museums basiert auf der kunsthandwerkli- 1957), der intensiv mit dem tschechischen chen Sammlung des niederländischen Hof- Künstler Alfons (auch Alphonse) Mucha juweliers Karel A. Citroen (* 12. Februar (1860-1939) zusammenarbeitete. Erstaun- 1920). Der heute 91jährige Schmuckhändler lich auch die Arbeiten des in Neuilly ansäs- begann mit seiner Sammeltätigkeit um 1952, sigen Emailleurs André-Fernand Thesmar zu einer Zeit in der es keineswegs en vogue (1843-1912). Thesmar hatte sich auf Cloi- war Kunsthandwerk des Jugendstils zu sam- sonné – Arbeiten und plique à jour – Objekte meln. In wenigen Jahren, bis 1959, trug der spezialisiert. Cloisonné ist eine bereits im Amsterdamer Juwelier europaweit mehrere alten China zur Vollendung gebrachte Tech- hundert kunsthandwerkliche Objekte zusam- nik, bei der auf einem Trägermaterial Glas- men, wobei sein Schwerpunkt auf dem The- fluß zwischen Metallstreifen eingelassen ma Schmuck lag. In den frühen 60er Jahren wird. Bei plique à jour oder Fensteremail- begann Citroen die Kollektion auszustellen, Foto: Hessisches Landesmuseum Darmstadt Arbeiten steht die Lichtdurchlässigkeit des zuerst in den Niederlanden, dann auch durch Deutschland: Anhänger, um 1900- Materials im Vordergrund. Hauchdünnes, Ausstellungsbeteiligungen in Paris, London 1905 (?); Entwurf und Ausführung: durchsichtiges Email wird durch Edelmetall- und schließlich 1962 in Darmstadt im Hessi- Wild & Cie, Pforzheim; Gold, Platin, stege verbunden. In der Ausstellung zeugt Fensteremail, Perlen, Diamanten, schen Landesmuseum. In der Folge gelang Rubine; Höhe: 6,2 cm, Breite: 3,1 cm eine wunderbare um 1902 geschaffene es dem damaligen Direktor des Museums, Hessisches Landesmuseum Darmstadt Orchideenbrosche Thesmars von der Kunst-

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selbst aus Diamanten. Gaillard interessierte sich sehr für japanische Kunst. Besonders be- eindruckend ist sein Halsschmuck in Hirsch- käferform (um 1905). Der vielfarbig email- lierte Rücken des Käfers ist auf Silber mon- tiert, mit einem der zwischen dem Geweih gefaßten grün, facettierten Peridot. Ein inter- essantes Stück anonymer Herkunft ist die um 1900 entstandene „Sarah Bernhardt“-Bro- sche, welche von einem unbekannten fran- zösischen Juwelier zu Ehren der berühmten Schauspielerin Sarah Bernhardt (1844-1923) angefertigt wurde. Das Schmuckstück, inspi- riert von einem Plakatentwurf Alfons Mu- chas (1860-1939) – La Princesse Lointaine, 1896 –, war lange Fouquet zugeschrieben worden. Wolfgang Glüber, Leiter der kunst- handwerklichen Sammlungen in Darmstadt hat – wie er im Katalog auf äußerst interes- sante Weise erläutert, das Schmuckstück nach intensiven Forschungen Fouquet abgeschrie- ben, eine oft ebenso schwere Aufgabe wie eine Zuschreibung. Erwähnt sei auch die be- zaubernde Nachtfalter-Brosche von Eugène Feuillâtre (1870-1916). Der goldfarbene, emaillierte menschliche Kopf wird von blau- grünen, in plique à jour gearbeiteteten ge- schlossenen Flügeln umgeben und von gol- Foto: Decorative Arts Consult denen Fühlern bekrönt. Österreich: Brosche, 1910, Entwurf: Josef Hoffmann, Ausführung: Wiener Werkstätte / Karl Ponocny, Modell Nr. G 782; Gold, Perlmutt, Mondstein, Opal, Lapislazuli, Turmalin, Granat, Chrysopras; Durchmesser: 3,8 cm; Privatbesitz Deutsche Schmuckindustrie und Juwelierskunst fertigkeit des Art Nouveau-Emailkünstlers. Schmuckkamm aus Horn mit symmetrisch Die Zentren der deutschen Schmuck- Der Goldschmied und Glasdesigner René angeordnete Pfauen (1904/05), versehen mit industrie waren das hessische Hanau sowie Lalique war der mit Abstand erfolgreichste einer durch Topase verzierten Goldspange. Schwäbisch Gmünd und Pforzheim in französische Schmuckentwerfer um 1900. Aus dem Hause Fouquet bezaubert die von Baden-Württemberg. Der an der Kunstge- Als wahrer Pionier des Metiers und sicher- Charles Desrosiers entworfene Fuchsienbro- werbeschule Pforzheim unterrichtende Ma- lich kreativster Designer seiner Generation sche (1902). Die Blütenblätter werden durch ler und Schmuckentwerfer Emil Riester beeinflußte er das Kunsthandwerk des Fin de in Gold gefaßte Opale gebildet; die Staubfä- (1855-1925) griff bereits ab 1880 fernöstli- siècle weit über die Grenzen Frankreichs den, die in Fruchtknoten münden, sind durch che Elemente auf und ließ sie in die hinaus. Lalique entwarf ab 1894 Theater- einzelne Goldstäbe geformt, die Knoten Schmuckkunst einfließen. Eine Gürtel- schmuck für die berühmte Sarah Bernhardt und gewann auf der Pariser Weltausstellung 1900 den begehrten Grand Prix. Kein ande- rer französischer Schmuckhersteller prägte die Kunst des „Art Nouveau“ so sehr wie er. Seine Arbeiten stellte er für die eigene Werk- stätte her, aber auch für andere bedeutende Häuser wie Aucoc und Cartier. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts hatte Lalique eine Re- volution auf dem Gebiet des Schmuck- designs in Gang gesetzt. Er entwarf für die Welt der Belle Epoque kostbaren Schmuck und durfte bedeutende Persönlichkeiten zu seinen Kunden zählen. Unerschöpflich er- scheint der Reichtum an Farben und For- men. Foto: Hessisches Landesmuseum Darmstadt Die Ausstellung im Leopold Museum Frankreich: Schmuckkamm »Pfauen«, um 1904/05; Entwurf: René Jules Lalique; Horn, präsentiert unter anderem einen eleganten Gold, Topase; Höhe: 6 cm, Breite: 10,7 cm

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schließe der Pforzheimer Firma Kirch- gaessner & Kraft (1902-1905) beeindruckt durch ihre Gestaltung. Ein maskenartiges Gesicht, das stark an eine Brunnenfigur er- innert, hält im weit aufgerissenem Maul mit spitzen Zähnen ein ovales orangefarbenes Glasstück. Ranken, die bis zum Boden rei- chen stellen die Haare des Wesens dar. Unter dem Glasoval sind zwei Nadelreihen ange- ordnet, die in Tropfen münden und wohl Wasser symbolisieren. Das silberfarbene Material ist Alpacca, eine Kupfer-Nickel- Zink-Legierung die aufgrund ihrer Härte für die Produktion von Tafelgeräten, Bestecken oder Beschlägen besonders gut geeignet war. Ebenfalls in Pforzheim ansässig war die Firma Wild & Cie. Ein Fensteremailan- Foto: Hessisches Landesmuseum Darmstadt Dänemark: Haarkamm, um 1909-1914, Entwurf und Ausführung: Georg Arthur Jensen, Silber, Opale; Höhe: 8,2 cm, Breite: 9,1 cm

hänger (um 1900-1905?) mit Mistelblättern, kreierten Schmetterlings broschen von Gu- besetzt mit Diamanten, Perlen und Rubinen stav Fischmeister sind ganz von der Leich- ist ein besonders schönes Stück und inspi- tigkeit des französischen „Art Nouveau“ riert sich an Arbeiten Laliques. Heraus- durchdrungen. Der aus Gelbgold gestaltete ragende Künstler wie Hans Christiansen Körper und die Fühler konkurrieren mit den (1866-1945), ein Mitglied der Darmstädter in Fensteremailtechnik gestalteten Flügeln. Künstlerkolonie, entwarfen Schmuckstücke Diese sind mit Diamanten und Rubinen, die sie von Juwelieren ausführen ließen. Von welche die Augen der Insekten bilden, be- Christiansen ist in der Ausstellung des Leo- setzt. Gustav Fischmeister (1875-1935) pold Museum eine elegante, 1901 geschaffe- besuchte die École des Arts Décoratifs in ne Gürtelschnalle zu sehen, ausgeführt von Paris und war auch Schüler und Miarbeiter D. & M. Löwenthal, Frankfurt. Laliques. In der Sammlung des Hessischen Landesmuseums ist Schmuck des Wiener Ju- Österreich: Zwischen gendstils nur mit wenigen Stücken vertreten, Tradition und Secession darunter aber eine besonders schöne zweitei- Der bereits erwähnte französische Gold- lige Gürtelschließe (1900/1901) von Josef schmied René Lalique inspirierte auch den Maria Auchentaller (1865-1949) aus der Wiener Jugendstil, der sich jedoch in eine Produktion der Firma von Georg Adam völlig andere Richtung entwickelte. Im Scheid (1837-1921), dem Schwiegervater Leopold Museum zu sehen sind wertvolle Auchentallers. Der aus Deutschland einge- Stücke des Kammerjuweliers und Hofliefe- wanderte Silberschmuckhersteller – er hatte ranten A. E. Köchert und des Kammerlie- auch im Schmuckzentrum Pforzheim gear- feranten Rozet & Fischmeister, der ganz beitet, war 1858 nach Wien gekommen und dem „Genre Lalique“ verpflichtet war. Die wurde zu einem der führenden Schmuckex- Ausstellung zeigt ein um 1900 entstandenes porteure der Donaumonarchie, wie Andreas prächtiges Diadem, das noch ganz der histo- Maleta in seinem Beitrag zur Broschüre der ristischen Tradition verpflichtet ist. Das aus Leopold Museum-Ausstellung darlegt. Kolo Silber, Gold und Diamanten gearbeitete Moser (1868-1918) und Auchentaller ent-

Foto: Hessisches Landesmuseum Darmstadt Stück fängt noch einmal den ganzen Glanz, warfen ab 1895 für die „G. A. S. Schmuck- Frankreich: Fuchsienbrosche, um der sich dem Ende zuneigenden Monarchie fabrik“. Während die Secessionisten Joseph 1902, Entwurf: Georges Fouquet, ein. Der Schimmer der Schmetterlingsbro- Maria Olbrich (1867-1908), Kolo Moser und Ausführung: Charles Desrosiers; Gold, sche wird durch ein wunderbares Zusam- Josef Maria Auchentaller anfänglich dem Brillanten, Opale, Diamanten; Höhe: 10,6 cm, Breite: 4,1 cm; Hessisches menspiel von Gold, Silber, Diamanten, Ru- „floralen Jugendstil“ verpflichtet waren, Landesmuseum Darmstadt binen und Smaragden erzielt. Die um 1910 wurde spätestens ab 1900 eine Geometrisie-

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städter Sammlung ist eine quadratische Bro- sche mit Schachbrettmuster von Josef Hoff- mann (1910/11). Aus Privatbesitz stammt ein Silber-Anhänger Kolo Mosers (1904), der ein sich aus Kugeln zusammensetzendes Gebilde darstellt das durch drei Opale ver- ziert wird und weiters eine aufwändig gestal- tete polychrome Papageienbrosche (um 1910) von Hoffmann. Beide wurden für die Wiener Werkstätte produziert.

Belgien, Dänemark, Niederlande, Großbritannien, Rußland Ein wunderbarer Silberkamm des Dänen Georg Arthur Jensen (1866-1935), besetzt mit hellblauen Opalen, ist ein besonders schönes Stück aus nordischer Produktion. Auch Schmuck der „Nieuwe Kunst“ aus den Niederlanden, der Heimat des Sammlers Citroen befindet sich in der Sammlung des Hessichen Landesmuseums. Wie ein, in der Ausstellung präsentierter, um 1910 entstan- dener ovaler Anhänger mit Kette des Gold- und Silberschmieds Bert Nienhuis (1873- 1960). Zwei einander zugewandte goldene Libellen halten einen ovalen Türkisca- Foto: Hessisches Landesmuseum Darmstadt Dänemark: Haarkamm, um 1909-1914, Entwurf und Ausführung: Georg Arthur Jensen, bochon (cabochon, frz. Nagelkopf). Umge- Silber, Opale; Höhe: 8,2 cm, Breite: 9,1 cm ben sind die Tiere von goldenen Ranken auf dunkelblauem Grund. Nienhuis entwarf u.a. rung deutlich, die besonders stark auf der ein im Leopold Museum ausgestellter me- für die Keramikfirma „De Distel“ und die Verbindung von vertikalen und horizontalen daillonförmiger Anhänger von Bertold eigene Fliesenfabrik „De Lotus“. Ebenfalls Strukturen aufgebaut ist. Während die Wie- Löffler, entstanden um 1909, der einen auf gezeigt werden Stücke des Mitbegründers ner Juweliere zur Jahrhundertwende für ein dem Rücken eines Fisch reitenden geflügel- der Firma „De Woning“, Jan Eisenlöffel eher konservatives Publikum in historisti- ten Putto zeigt, welcher einen Blumenstrauß (1876-1957). Die Werkstatt des legendären scher Manier arbeiteten, zeigen einige be- in Händen hält. Ebenfalls aus der Darm- russischen Goldschmieds Carl Peter Fabergé sonders schöne Stücke die Eigenheit des (1846-1920) in Moskau und St. Petersburg - Wiener Jugendstils und die Unterschiede zur berühmt vor allem durch die für die Zaren- Jugendstilkunst des restlichen Europas. An- familie hergestellten Ostereier – orientierte hand von ausgewählten Leihgaben aus Pri- sich eher an historistischen Ideen. Stücke die vatbesitz, aus dem Bestand des Leopold dem Art Nouveau zuzuordnen sind bilden Museum, Wien Museum und des MAK wird die Ausnahme. In der Ausstellung ist ein ori- diese Eigenständigkeit dargelegt. gineller um 1900 entstandener Anhänger mit 1903 wurde vom Industriellen Fritz zwei Störchen zu sehen. Der belgische Ju- Wärndorfer die „Wiener Werkstätte“ gegrün- gendstil ist mit Stücken des Schmuckher- det. Mitbegründer waren der Maler und stellers und Designers Philippe Wolfers Designer Kolo Moser und der Architekt und (1858-1929) präsent, so zum Beispiel der Designer Josef Hoffman (1870-1956). Auch herrliche Anhänger mit der „Orchidée ailée“, Bertold Löffler (1874-1960) arbeitete für die der geflügelten Orchidee (1902). Der Gold- Wiener Werkstätte. Die Künstler waren der Email-Anhänger ist mit Rubinen, Diamanten Anschauung, daß Schmuck als Kunstform und Perlen besetzt. nicht den Reichtum der Trägerin demonstrie- Schmuck aus Großbritannien, dem Land ren, sondern ihre Individualität betonen soll- der Arts & Crafts-Bewegung, sind ebenfalls te. Brillanten und Gold zogen sie Halbedel- im Leopold Museum zu sehen. So etwa eine steine und Silber vor, denn sie waren der von William Hair Haseler (1864-1949) Überzeugung, daß sich der Wert der Schmuck- Foto: Hessisches Landesmuseum Darmstadt geschaffene Gürtelschließe für Liberty & stücke vor allem auf deren außergewöhnli- Österreich: Anhänger, 1912; Entwurf: Co. oder ein Anhänger aus der Hand des bri- che Gestaltung und handwerkliche Qualität Josef Emanuel Margold; Ausführung: tischen Architekten und Designers Henry Fa. Oscar Dietrich; Silber vergoldet, gründete und weniger auf den Materialwert. Korallen, Elfenbein; Höhe: 5,7 cm, Wilson (1864-1934). Aus dem Hessischen Landesmuseum stammt Breite: 4,4 cm; MAK http://www.leopoldmuseum.org

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 92 Kultur Der Dombau von St. Stephan Die Architekturzeichnungen von St. Stephan aus dem Spätmittelalter sind einzigartig: Von keinem gotischen Dombau in Europa hat eine derart große Zahl von Planrissen auf Pergament und Papier die Jahrhunderte überlebt. Ausstellung im Wien Museum von 11. März bis 21. August 2011. Copyright: Wien Museum Vogelschau der Stadt Wien vom Norden (Ausschnitt), 1683, Jacob Hoefnagel

er Bestand umfaßt 294 Planrisse, von me Höhe des gigantisches Turms war auch führt wurde das Werk von unzähligen Hand- Ddenen die Akademie der bildenden ein Ausdruck von „Stadt-Marketing“ und werkern und Hilfskräften, die von weither Künste Wien 285 und das Wien Museum Symbol kirchlicher wie weltlicher Macht. nach Wien strömten. Und das in einer Zeit, weitere 9 Stück besitzt. Insgesamt handelt es Nach seiner Fertigstellung im Jahr 1433 stand als Europa von Umweltkatastrophen, Epide- sich um 440 Zeichnungen, da über die Hälfte in Wien der höchste Turm Europas. Mehrere mien und Kriegen heimgesucht wurde. der wertvollen Pergamente und Papiere auf gleichzeitig laufende Turmbauprojekte ziel- Ausgehend von den Originalplänen behan- beiden Seiten benützt wurde. Diese detail- ten damals darauf, das Wiener Vorbild zu delt die Ausstellung verschiedene Themen: lierten Pläne, nach denen die Dombaumei- übertreffen. Lediglich dem Nordturm des Wie wurde der Dombau finanziert? Welche ster und Steinmetze arbeiteten, finden sich Straßburger Münsters sollte dies gelingen. Rolle spielte dabei das Wiener Bürgertum? seit 2005 auf der UNESCO-Liste des Welt- Der monumentale Dom mit dem bunt ge- Wer plante? Wie funktionierte eine mittelal- dokumentenerbes. Sie stehen im Zentrum deckten Dach war von weitem sichtbar und terliche Bauhütte? Woher kam das Bau- der Ausstellung, zum Beispiel ein fünf Meter wurde zur symbolische Mitte Wiens: St. Ste- material? hoher Aufriß des nie vollendeten Nordturms phan fungierte auch als Repräsentationsbau Im Wien Museum befinden sich wertvol- aus der Sammlung des Wien Museums. der Landesfürsten, Pfarrkirche und später als le Bauskulpturen von St. Stephan, etwa die Mehr als 300 Jahre wurde am Stephans- Bischofssitz. Fürstenfiguren. Im 19. Jahrhundert wurden dom gebaut. „Hoch hinauf“ lautete die Die Planzeichnungen stammen von den diese am Dom durch Kopien ersetzt, die Ori- Devise der gotischen Sakralbauten, die enor- berühmtesten Baumeistern der Zeit. Ausge- ginale kamen – wie auch die gotischen

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Glasfenster – ins Museum. Diese einzigarti- gen Kulturschätze ergänzen die Ausstellung, ebenso wie eine „Bildgeschichte“ des Steffls als Wiener Stadtikone von 1500 bis heute, u. a. mit frühen Kupferstichen, Veduten von Rudolf von Alt, Ansichtskarten oder das Manner-Logo. Dazu kommt die interaktive Station „Achtung Baustelle!“, in der Bau- techniken des Mittelalters vermittelt werden. Zudem gibt es einen Erkundungspfad durch die Dauerausstellung zu zahlreichen Expo- naten mit Bezug zum Stephansdom. Die Anfänge und das Aussehen der Stephanskirche im 12. Jahrhundert sind kaum zu rekonstruieren, so etwa ist es unge- wiß, ob die Kirche bereits ein Westturmpaar hatte, dessen Mauerwerk in den unteren Geschoßen der heutigen Heidentürme erhal- ten geblieben ist. Wer letztlich der Initiator des großen Bauvorhabens war – der Landes- fürst, der Bischof von Passau, zu dessen Bi- stum Österreich damals zählte, oder die Wie- ner Pfarrgemeinde – ist bis heute ebenfalls nicht geklärt. Gesichert ist, daß die frühgoti- sche Kirche (der Westbau mit den mehrge- schoßigen Heidentürmen, das Riesentor und Teile der Westempore des heutigen Domes) 1263 geweiht wurde. Anfang des 14. Jahrhunderts initiierten die Wienerinnen und Wiener einen großan- gelegten Chorneubau ihrer Pfarrkirche, danach war es der ehrgeizige Landesfürst Herzog Rudolf IV. (1339-1365), der St. Stephan seinen Stempel aufdrückte: Die fol- gende Erweiterung umfaßte unter anderem die Errichtung der Herzogsgruft und die Aufstellung seines prächtigen Grabmales di- rekt im Zentrum des Mittelchors, das zu- kunftsweisend als Grabstätte der Habs- burgerherrscher gedacht war. Rudolf IV dürfte auch der Initiator zur Errichtung eines Altarbaldachin, 1464-66, aus dem Kupferstichkabinett der Akademie der bilden- hohen Turmes gewesen sein, der Südturm den Künste in Wien wurde schließlich 1433 fertig gestellt, womit blieb. 1511 wurden die Arbeiten eingestellt. Anders als die meisten der großen Wien – zumindest vorerst – den Wettlauf um Kaiser Friedrich III. (1415-1493) gelang es, Kathedralen Frankreichs oder auch der den höchsten Turm gewann. vom Papst eine Bistumserhebung zur erlan- Kölner Dom, ist der Wiener Stephansdom Während seiner Errichtung wurde auch gen, die 1480 in einem feierlichen Akt be- nicht nach einem einheitlichen, bis zur Voll- mit dem Neubau eines modernen, größeren kundet wurde. endung festgeschriebenen Plan errichtet, Langhauses begonnen, dessen Eindeckung Die finanzielle Last wurde in erster Linie sondern das Ergebnis eines kontinuierlichen mit den berühmten farbigen Ziegeln ab 1449 von bürgerlichen Stiftungen, Einkünften aus Planungs- und Ausbauprozesses, der erst erfolgte. Schon kurz nach der Fertigstellung Grundbesitz und vor allem Ablaßgeldern ge- nach drei Jahrhunderten zu seiner endgül- prägte das Erscheinungsbild der Kirchen- tragen. Über mittelalterliche Urkunden läßt tigen Erscheinungsform führen sollte. Im- südseite – das hohe Dach und der Turm – die sich ein massives Ansteigen der Spenden von mer wieder kam es – besonders nach Bau- Silhouette der Stadt und wurde bereits im Wiener BürgerInnen für St. Stephan ab etwa Unterbrechungen durch Krieg etc. – zu Um- 15. Jahrhundert auf zahlreichen Stadtansich- 1300 belegen, wobei die Stifter vorerst expli- planungen mit teils enormen Auswirkungen, ten malerisch festgehalten. Dies trug wohl zit den Chorbau fördern wollten. Auch zahl- so war etwa der Südturm in seiner gigan- wesentlich zur Identitätsbildung der Wie- reiche Ablaßurkunden, die speziell für dieses tischen Dimension ursprünglich so nicht ge- nerInnen bei. In der zweiten Hälfte des 15. Bauvorhaben ausgestellt wurden, wurden mit- plant. Viele der technischen Probleme konn- Jahrhunderts begann man mit dem Bau des unter von einer ganzen Reihe von Erzbischö- ten erst im Laufe der langen Bauzeit gelöst Nordturmes, der bekanntlich unvollendet fen und Bischöfen gemeinsam ausgestellt. werden.

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tesdiensten, Chorgebeten und Gedächtnis- feierlichkeiten, in St. Stephan aufrecht ge- halten. Der Bauprozeß erfolgte in Abschnitten: Grundsätzlich ließ man den alten Bau mög- lichst lange stehen und schuf zunächst die Außenmauern, aber nur soweit, daß das Ab- bruchmaterial noch gut abtransportiert wer- den konnte. Für eine ungestörte kultische Nutzung wurden provisorische Schranken, behelfsmäßige Dächer aus Stroh, Holz- und Fachwerkeinbauten eingesetzt. Die Kirche fungierte aber nicht nur als Ort religiöser Bräuche: Immer wieder wurde die Kirche für Versammlungen der Landesfürsten, aber auch zur Unterzeichnung von Rechtsakten gebraucht, auch die Versammlungen der von Rudolf IV. gestifteten Universität fanden in der Stephanskirche statt. Im Zentrum der Ausstellung, in der neben 19 gotischen Planrissen weitere 120 Expo- nate zu sehen sind – darunter Urkunden, Fotografien, Grafiken, steinerne Architek-

Copyright: Wien Museum turfragmente, Werkzeuge etc. – stehen die Rudolf von Alt, Der Stephansdom in Wien, 1834; Öl auf Leinwand gotischen Planrisse von St. Stephan. Auch nach eingehender Beschäftigung mit ihnen Die Bauhütte von St. Stephan, die für ten Baubetrieb. Trotz der langen Bauzeit läßt sich ihre Komplexität nicht leicht ent- Organisation und Durchführung der Kir- wurde die liturgische Bespielung während schlüsseln. Die Technik, nach der sie einst chenbaustelle verantwortlich war, war inter- des Kirchenjahres, die Abhaltung von Got- gezeichnet und gelesen wurden, entspricht national vernetzt und hatte enormes Anse- mittelalterlichen Vorstellungen und Denk- hen. Für die Planung waren die Baumeister prozessen, die von ihren Urhebern selbst in verantwortlich, unter ihnen legendäre Per- einer 10jährigen Ausbildung erlernt werden sönlichkeiten der Wiener Geschichte wie mußte. Umso schwieriger ist es für ein brei- etwa Hanns Puchsbaum. Das Material der tes Publikum in diese Welt einzutauchen, Pläne war Pergament, später Papier, die Infografiken und Modelle bieten hier Hilfe- Zeichenwerkzeuge Tuschfeder, Lineal, Drei- stellungen an, ebenso 3-D-Verortungen und eck und Zirkel. Für die praktische Umset- Fotos. zung zuständig war der „Parlier“, an der Die Vielschichtigkeit der mittelalter- Ausführung arbeitete ein Heer an Stein- lichen Planrisse spiegelt sich auch in den metzen, Maurern und anderen Handwerkern. weiteren Kapiteln der Ausstellung. Hier geht Enorme Rodungen im Wienerwald oder in es auch um kultur- und mentalitätsgeschicht- den Donauauen waren notwendig, um Holz liche Themen, um religiöse Vorstellungswel- zu bekommen, etwa für den Dachstuhl oder ten der damaligen Menschen und die Rah- für Baugerüste, die Heranschaffung des menbedingungen der Zeit. Überdauert hat Steinmaterials erforderte einen enormen die Arbeitsweise und Handwerkskunst der logistischen Aufwand. Dombauhütte, die sich zwar die neuesten Die Großbaustelle wurde zu einem wich- Techniken der Dokumentation angeeignet tigen ökonomischen Faktor in der Stadt und hat, aber dennoch den traditionellen Arbeits- sorgte dafür, daß von weither Menschen methoden verpflichtet fühlt. Damit die Aus- kamen, um hier zu arbeiten – aufgrund von stellung auch den jüngsten Besucherinnen Seuchen und Kriegen herrschte ein eklatan- und Besuchern Einblick in eine mittelalterli- ter Mangel an ansässigen Arbeitskräften. che Baustelle gewährt, gibt es eine eigene Während der Bauarbeiten mußten rund um Spiel-Baustelle, bei der mittelalterliche Kon- den eigentlichen Bauplatz Material, Werk- struktionstechniken ausprobiert werden kön- zeug, Gerüste, Baumaschinen und Baukran nen. usw. gelagert werden. Die begrenzten räum- Die Ausstellung „Der Dombau zu St. Ste- Copyright: Wien Museum lichen Ressourcen mitten in der Stadt und phan“ ist im Wien Museum von 11. März bis Ein Ausschnitt aus der Aufrißzeichnung der städtische „Normalbetrieb“ zu allen des unvollendeten Nordturmes von 21. August 2011 zu sehen. Tageszeiten erforderte einen gut organisier- St. Stephan, 1465 http://www.wienmuseum.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 95 Kultur Gemalt wird im Wohn-Atelier Schon seit geraumer Zeit stand Benedetto Fellin ganz oben auf meiner Liste derjenigen Künstler, die ich unbedingt einmal im Atelier besuchen möchte.

Von Sigrid Nepelius *) © Benedetto Fellin / Foto: Sigrid Nepelius Benedetto Fellin vor seinem Gemälde »Dialog in der Wüste«, das, wie viele andere auch, in seinem Wohn-Atelier enstanden ist.

as Wiener Atelier von Benedetto Fellin, lichen und leuchtenden Farben. Mich erin- verbindet er mit seiner Wahrnehmung der Ddas eigentlich eine Atelierwohnung ist, nern diese beiden Eindrücke an die Erfahrung Welt, in der wir leben, zu phantastischen Bil- strahlt eine Ruhe und Gemütlichkeit aus, in einer guten Meditation – und dieser Vergleich dern in seinem unverkennbaren Stil. Vor der man sich als Gast sofort wohlfühlt. Ge- paßt auch ganz gut zu Benedettos Bildern: allem dem Buddhismus fühlt er sich sehr malt wird im „Wohnzimmer“, ein neues Bild Technisch perfekte Ausführung verschmilzt verbunden, die Aufhebung von Ichbezogen- im Anfangsstadium steht auf der Staffelei, mit tiefem geistigen Gehalt zu einer Einheit. heit und Grenzen sowie gegenseitige Tole- im Hintergrund läuft afrikanische Musik. Religionen und Kulturen spielen in sei- ranz sind die Herausforderungen, denen er Statt beißendem Terpentin-Geruch liegt der nen Darstellungen eine große Rolle. Der sich nicht nur in seinen Bildern, sondern Duft von Räucherstäbchen und Mittagessen Künstler verarbeitet wiederholt seine Ein- auch im Alltag stellt. in der Luft. drücke von zahlreichen längeren Aufenthal- „Das Tibet-Thema beschäftigt mich be- „In der Ruhe liegt die Kraft” besagt ein ten in asiatischen, afrikanischen und mittel- reits seit 1982”, erfahre ich während Bene- Sprichwort, und betrachtet man Benedettos amerikanischen Kulturkreisen. Am deutlich- detto aus seinem Leben erzählt. Auch, daß er Arbeiten, kann man dem nur zustimmen. Wo- sten erkennbar ist dies in den Landschaften. immer Maler werden wollte wie sein Vater. her kommt diese ganz eigene Ausstrahlung Die Erkenntnisse aus der Beschäftigung mit Nicht verwunderlich also, daß er bereits mit die seinen Bildern innewohnt und die für dem Gedankengut verschiedener Religionen zehn Jahren ein mehrere Meter langes Altar- mich schwer zu beschreiben ist? Einerseits diese unglaubliche Stille, die Zeit unwichtig erscheinen läßt. Wie eine Zeitlupenaufnah- me „entschleunigt“ sie alles und läßt so ein wenig von der Langsamkeit erahnen, in der die zum Teil riesigen Bilder in monatelanger Detailarbeit entstehen. Und auf der anderen Seite geballte Energie, die genauso klar auf den Betrachter einströmt, wie die eindring-

*) Sigrid Nepelius ist selbst Künstlerin im phantasti- schen Bereich (Malerei) und lebt und arbeitet im niederösterreichischen St. Peter i.d. Au. Sie betreibt auch das Portal http://www.phantastisch.at – das über den deutschsprachigen Raum hinaus sehr gut von KünstlerInnen und KunstliebhaberInnen der Phantastik angenommen und als fixes Informations- medium genutzt wird. Das „Österreich Journal“ In »Schwebendes Totenschädel-Stilleben« setzt sich Benedetto Fellin mit der jüdisch- dankt dafür, diesen Beitrag übernehmen zu dürfen. christlichen Vorstellung von der Vergänglichkeit alles Irdischen auseinander.

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 96 Kultur bild malte, mit 15 sein erstes Ölbild. Sein werden. Vielleicht symbolisieren diese „Gei- tiroler in der Küche mit der Reissuppe be- Meisterstudium bei Anton Lehmden wurde ster“ jeweils eine bestimmte Aussage oder schäftigt ist (die übrigens köstlich ge- durch eine Phase der fast fanatischen Be- ein bestimmtes Gedankengut, … auf jeden schmeckt hat!) betrachte ich zum wiederhol- schäftigung mit der indischen Philosophie Fall etwas, das man nicht angreifen, sondern ten Mal das in Arbeit befindliche Bild auf unterbrochen, danach zog er sich als Eremit nur begreifen kann. Die Frage „Was verbirgt der Staffelei. Die altmeisterliche Technik der ins Waldviertel zurück. sich unter diesen zahlreichen Lagen Stoff?“ Weißhöhung mit Lasuren kann man hier In der Meisterklasse von Rudolf Hausner drängt sich unweigerlich auf und vielleicht ganz deutlich in einem interessanten Sta- setzte er schließlich sein Studium fort, erste ist gerade die Auseinandersetzung mit dieser dium sehen. Auch, wie der Künstler schon in Verhüllungen entstehen. Eine Thematik, die Frage ein Tor, das einen tieferen Zugang zu den ersten Farbschichten mit Strukturen ar- sich wie ein roter Faden durch Benedettos Benedettos Werk öffnet. beitet, gut zu erkennen zum Beispiel bei Schaffen zieht. Seine Aussage „Ich interpre- Das Bild „Vehüllte Muse“, das nun im Stoffen und Felsen. Diese fein detaillierte tiere mein eigenes Werk sehr spärlich, ich Phantastenmuseum Wien hängt, ist eines der und präzise Art der Malerei erfordert eine finde es viel spannender zu hören, was ande- ersten Bilder, in dem das Verhüllen zum Mit- exakte Vorstellung vom fertigen Bild, mich re Menschen dazu sagen. Dadurch lerne ich telpunkt wird. Im Katalog wird Benedetto, interessiert daher, wie Benedetto zu einer auch viel über mich selbst, über meinen Zu- den die Faltendraperien in altmeisterlichen Idee findet. „Die Idee entsteht ganz spontan stand während der Entstehung eines Bildes“ Gemälden schon als Kind faszinierten, zum durch einen Impuls. Manchmal entwickelt kann ich gut nachvollziehen. Grund genug, Thema zitiert: „Beeinflußt von den leuchten- sich auch aus einem einzelnen Motiv ein Ge- mir meine eigenen Gedanken zum Verhül- den Farben der indischen Stoffbazare, die ich samtbild“, erklärt er und vor mir taucht das lungs-Thema zu machen, mit dessen jahre- oftmals auf Studienreisen bewunderte, ver- Bild einer verhüllten Muse auf, die ihn küßt. langer Umsetzung Benedetto das Malen von bunden mit der etruskischen Vorstellung, Bei „hauseigenem“ Spitzwegerich-Sal- Stoffen, Drapierungen und Faltenwürfen zur daß die höchsten ihrer Götter verhüllt blei- bei-Tee plaudern wir viel über Künstler die Meisterschaft gebracht hat. Strukturen, die ben, entstand im Laufe von 30 Jahren eine er schätzt, wie zum Beispiel Fritz Aigner beinahe dreidimensional wirken – feine Lei- Reihe von Faltenkompositionen. Im heuti- oder Michael Engelhardt. Und Benedetto nenstoffe, grobe Teppiche und seidengleiche gen westlichen Kulturkreis, der sich mit dem zaubert einen Katalog nach dem anderen zur Gewänder, so hyperrealistisch dargestellt, Verhüllen von Frauen konfroniert sieht, wird Veranschaulichung aus seinem umfangrei- daß man sie am liebsten anfassen möchte. dieses Thema vermehrt unter Künstlern auf- chen Fundus hervor. Aber nicht nur sein Sie wirken auf mich wie Geister, hüllenlose gegriffen.“ kunstgeschichtliches Wissen ist faszinie- Gestalten, die erst durch die Stoffe sichtbar Während der bescheidene gebürtige Süd- rend, sondern auch die Art und Weise, wie

»Begegnung am Karakorum« – Toleranz zwischen Religionen und Kulturen ist ein immer wiederkehrendes Thema bei Fellin.

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»Der heilige Berg Kailash«, eines von vielen Werken, das aus der intensiven Auseinandersetzung des Künstlers mit Tibet entstand. für ihn nach zwei Sekunden feststeht, ob ein Bild „gut“ oder „schlecht“ ist. Wobei er »PhantastenMuseum Wien« selbst einräumt, daß seine Ansprüche extrem hoch sind. Mehrmals versuche ich, ihm seine Der Maler Benedetto Fellin ist – naturlich – auch im jüngst eröffneteten Kriterien für eine Bewertung zu entlocken, »PhantastenMuseum Wien« im Palais Palffy am Josefsplatz im 1. Wiener Gemeindebezirk vertreten, wo die Phantastische Kunst einen Mittel- aber Benedetto meint dazu: „Das kann ich punkt in Europa gefunden hat. nicht beschreiben, das sehe ich einfach. Es ist die Mischung aus Technik und Aussage, die ein Bild zu einem guten Bild macht.“ Und mit einem Grinsen fügt er hinzu: „Und jahrelange Erfahrung.“ Wohl jeder, der Be- nedetto einmal über ein Bild sprechen gehört hat, wird verstehen, daß ich ihm dies aufs Wort glaube und mich damit als Erklärung zufrieden gebe. Viel länger als geplant habe ich Bene- dettos Zeit beansprucht. Ich verabschiede mich von dem sympathischen Künstler, der mir geduldig interessante Einblicke in sein Leben und seine Arbeit gewährt hat. Und ich weiß es zu schätzen, daß er mir so ganz nebenbei selbstlos einige Stunden wertvol- len Unterricht in Kunst, Kultur, Philosophie und gegen Ende sogar noch ein bißchen Coaching spendiert hat. Phantastenmuseum Wien, Josefsplatz 6, 1010 Wien; Telefon: ++43 (1) 512 56 81-0 http://www.fellin.at Öffnungszeiten: täglich 10.00 – 18.00 Uhr http://www.phantastenmuseum.at http://www.phantastisch.at Foto: Peter Gric

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 98 Kultur Neues Ausstellungskonzept Durch fundierte Bauforschung wurden im ehemaligen Konzentrationslager Mauthausen die authentischen Raumfassungen im zentralen Bau der Gedenkstätte entdeckt.

as sogenannte „Reviergebäude“ an der DSüdwestseite des Apellplatzes ist einer der wenigen erhaltenen zentralen Baukörper der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentra- tionslagers Mauthausen. Das größte Objekt des Lagers wurde 1940 bis 1943 als soge- nanntes „Häftlingsreviergebäude“ von Insas- sen in Massivbauweise errichtet und diente als Krankenrevier mit Operationssaal und Administration. Im Untergeschoß des Bau- körpers war zusätzlich ein Krematorium und medizinisches „Laboratorium“ unterge- bracht. Als nach der Befreiung des Lagers das Ge- bäude mehrfach durch Anrainer geplündert Gedenkstätte Mauthausen, das sogenannte »Reviergebäude« und beschädigt wurde, begannen schließlich und Gestaltung dieses Museumsbereichs sen wurde gemeinsam mit dem Landeskon- 1948 bis 1951 die ersten Sanierungs- und Re- notwendig. Die bis vor kurzem bestehende servatorat für Oberösterreich festgelegt, dass paraturmaßnahmen zur schrittweisen Einrich- Ausstellung stammte im Wesentlichen aus dieser neuerliche Eingriff in die Substanz tung einer Gedenkstätte. Hierbei wurden auch den 1960er Jahren und entsprach nicht mehr des Reviergebäudes nun aber auf Basis einer die bis dahin originalen Innenräume erstmals den aktuellen wissenschaftlichen und päda- genauen wissenschaftlichen Untersuchung überarbeitet und teilweise überstrichen. gogischen Standards. Darum wird nun im des Bestandes erfolgen sollte. So erstellte Im Jahre 1967 wurde das Reviergebäude ehemaligen Reviergebäude eine Überblicks- der Bauforscher Paul Mitchell eine detail- nach Plänen des Linzer Architekturbüros ausstellung zur Geschichte des KZ-Systems lierte bauhistorische Untersuchung des Ob- Nobel dann zu einem Museum erweitert und Mauthausen und eine themenzentrierte Aus- jektes, deren Ergebnisse in die seit 2009 im umgebaut. Diese Adaptierung war von einem stellung zu Massentötungen als Vorbereitung Auftrag der KZ-Gedenkstätte Mauthausen eigenständigen gestalterischen Grundkon- für den im Besucherrundgang folgenden stattfindenden historischen und archäologi- zept geprägt, welches auf den Erhalt der Tötungsbereich errichtet. schen Untersuchungen des Konzentrations- ursprünglichen Substanz nur geringen Wert Im Zuge der Projektentwicklung durch lagers Mauthausen eingebunden werden. legte. So wurden große Bereiche des Inneren das Wiener Architekturbüro Helmut Neu- Bereits die ersten restauratorische Son- entkernt und die ursprüngliche Grundrißkon- mayer und der KZ-Gedenkstätte Mauthau- dierungen an den Putzschichten zeigten, daß figuration aufgelöst. Die Wandoberflächen die Vorstellung von weißen kahlen Räumen und Ausstattung sollten „dem Ernst des in den NS-Baracken des Konzentrations- Gegenstandes“ entsprechen und wurden so lagers revidiert werden muß. Die originalen mit weißen Anstrichen und einem schwar- Farbschichten zeigen warme Pastelltöne und zem Gußasphaltboden versehen. Diese sehr eine mehrfärbige Linierung als dekorative reduzierte und „kalte“ Gestaltung prägte so Ausstattung. bis zum heutigen Tag das Erscheinungsbild Zwischenzeitlich konnte in einem Raum und wurde von den Besuchern der Ausstel- eine fast vollständige originale Fassung der lungen oft fälschlich als historischer Zustand Innnenausstattung freigelegt werden. Auch verstanden. der Bodenbelag war in einem bräunlich-röt- Im Jahr 2008 initiierte das Innenministe- lichen Ton gehalten und konnte ebenfalls als rium die museale Neugestaltung der KZ- Original unter den später aufgebrachten Gedenkstätte Mauthausen; an der Entwick- Schichten nachgewiesen werden. lung des Konzepts arbeiteten neben Mit- Diese Befunde werden nun seitens der arbeiterInnen der für die KZ-Gedenkstätte KZ-Gedenkstätte Mauthausen und des Ar- Mauthausen zuständigen Abteilung auch chitekten unmittelbar in die Gestaltung des externe ExpertInnen aus unterschiedlichen neuen Museums eingebunden und ermög- Fachgebieten (Zeitgeschichte, Gedenkstät- lichen den Besuchern zukünftig direkte Ein-

tenpädagogik, Museologie). Foto: blicke in das authentische historische Er- Die Erarbeitung des neuen Rahmenkon- Reste des originalen Fliesenbodens im scheinungsbild der Anlage. zepts machte eine erneute Modernisierung Kellergeschoß des »Reviergebäudes«. http://www.bda.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 99 Kultur 30 Jahre Festspielhaus Bregenz Das Festspielhaus Bregenz bietet nicht nur den Rahmen für die Bregenzer Festspiele mit der größten Seebühne der Welt. Das Haus mit seiner außergewöhn- lichen Architektur und seinem einzigartigen Ambiente am See war auch schon Schauplatz für Bond-Dreharbeiten und das ZDF-EM-Studio.

nd es bietet noch viel mehr als Agenten gern feiern“, sagt Geschäftsführer Gerhard und Fluh sowie erste Einblicke in die Proben Uund Elfmeter: Von Kongressen über Stübe. Deshalb laden er und sein Team ge- der Bregenzer Festspiele. Der offizielle Fest- Musicals bis hin zu Bällen und Messen: Seit meinsam mit der Stadt Bregenz und den akt beginnt um 13.45 Uhr auf der Seebühne. der Eröffnung 1980 wurden insgesamt über Bregenzer Festspielen am Samstag, 3. Juli, Im Anschluß daran werden ein Einführungs- 7600 Veranstaltungen mit über 7,8 Millionen von 11 bis 18 Uhr, zum Tag der offenen Tür vortrag zur Oper Aida sowie eine Präsen- Besuchern organisiert. Dieses Jahr feiert das ein. tation des Akustiksystems angeboten. Den Festspielhaus seinen 30. Geburtstag. Als erste Programmpunkte erleben die ganzen Tag über gibt es Führungen durchs „Das 30jährige Jubiläum des Festspiel- Besucher ein musikalisches Stelldichein der Haus. Fußballfans können das WM-Viertel- hauses wollen wir zusammen mit den Bür- Bregenzer Musikkapellen Stadt, Vorkloster finale in der buenedrei verfolgen. „Nach einer umfangreichen Erweiterung 1997 und einer grundlegenden Sanierung in den Jahren 2005 und 2006 ist das Festspiel- haus Bregenz heute auf dem neuesten Stand der Technik und das wichtigste Kongreßzen- trum der Bodenseeregion“, sagt Co-Ge- schäftsführer Michael Diem. Auch optisch ist das Gebäude ein Anziehungspunkt. Es trägt die Handschrift des Bregenzer Archi- tekturbüros Dietrich/Untertrifaller. Am Tag der offenen Tür sind die Besucher eingela- den, einmal hinter die Kulissen eines moder- nen Tagungsbetriebs zu schauen. Tanz- Opern- und Technik-Workshops werden an- geboten. Wer möchte, kann Proben der Bre- genzer Festspiele besuchen. Und historische Fotos laden ein, auf Zeitreise zu gehen. Auch für Verpflegung ist natürlich gesorgt. Die Geschichte des Festspielhauses be- Vor dem Bau des Festspielhauses: Die Seebühne an ihrem alten Standort direkt gann eigentlich schon im Jahr 1955. Schon hinter dem Fußballstadion. damals hatte die Festspielgemeinde begon- nen, auf den Bau eines Festspielhauses hin- zuwirken. „Die heutige Bedeutung der Stadt Bregenz als ,Kulturhauptstadt‘ der Boden- seeregion geht darauf zurück, daß vor vielen Jahren einige Unentwegte an die Idee eines Bregenzer Festspielhauses glaubten und diese mit vereinigten Kräften in einer wirt- schaftlich prosperierenden Zeit auch reali- siert werden konnte“, betont Günter Rhom- berg, Präsident der Bregenzer Festspiele. „Das Festspielhaus Bregenz ist im Laufe der Jahre zu einer mehrfach ausgezeichneten internationalen Top-Adresse am Bodensee geworden“, fügt Markus Linhart, Bürgermei- ster von Bregenz, hinzu. „Die Stadt Bregenz als Eigentümerin des Hauses wird auch in Zu- kunft alles dazu beitragen, um die bewährte Kooperation von Stadt, Festspielhaus und

Foto: Bregenzer Festspiele Foto: Risch Lau / Archiv der Landeshauptstadt Bregenz Bregenzer Festspielen weiterzuführen.“ Das Festspielareal heute aus der Vogelperspektive. http://www.festspielhausbregenz.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 100 Serie K.u.K. Jugendstil

Prof. Peter Schubert – der Autor dieser neuen Serie – beschäftigt sich seit mehr als 10 Jahren intensiv mit dem Jugendstil. Er hat zwei Bücher darüber verfaßt und fotografierte inzwischen wahrscheinlich das größte internationale Fotoarchiv zu diesem Thema: Es umfaßt derzeit mehr als 7000 digitale und 500 analoge Fotos aus 15 europäischen Ländern In dieser Folge widmet er sich Hausfassaden aus den Ländern Österreich-Ungarns: Tschechien… schechien, damals die „Länder der böh- Tmischen Krone“, also Böhmen, Mähren und Schlesien, waren seit je her fruchtbare Quellen für „österreichische“ Künstler. Vor und rund um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert war dies nicht anders. Und so wundert es auch nicht, daß eine ganz be- trächtliche Zahl von Künstlern des „österrei- chischen“ Jugendstils – und speziell der Ar- chitekten – aus diesen Ländern stammen: Da ist etwa Joseph Maria Olbrich, der 1867 in Troppau, dem heutigen Opava als Sohn eines Lebkuchenbäckers und Besitzers einer Ziegelei, geboren wurde. Und die Bauab- teilung der „höheren Staatsgewerbeschule“ in Brünn besuchten im Jahr 1889 gemeinsam Adolf Loos (geboren 1870 in Brünn), Hubert Gessner (geboren 1871 in Valasske Klo- bouky), Josef Hoffmann (geboren 1870 in Brtnice/Pirnitz) und Leopold Bauer (geboren 1872 in Jägerndorf/Krnov). Alle fünf gehör- ten zu den Schülern bzw. zum Kreis um Otto Wagner, später stieß auch noch der 1871 in Brünn geborene Jan Kotera dazu. Diese sechs Architekten allein würden genügen, um den Jugendstil – inklusive sei- ner Überwindung durch Loos und seine Weiterentwicklung durch die anderen Er- wähnten – weit über ihr Heimatland hinaus ausgiebig beschreiben zu können. Aber gera- de in Tschechien wurde nicht nur die Wag- ner-Schule wirksam, sondern gerade dort übernahm der Jugendstil auch nationale und vor allem internationale Elemente: In Prag wurde die französisch-belgische Stilrichtung mit der gleichen Begeisterung übernommen wie auch Momente der eigenen Geschichte und Volkskunst (oder was man dafür hielt und was als solche propagiert wurden - wie dies etwa Alfons Mucha erfolgreich in sei- nen Gemälden vorführte).

Wie überall – und besonders in den Alle Fotos: Prof. Peter Schubert Tschechien, Kromeriz, Psychiatrische Heilanstalt, 1905-1908, Hubert Gessner, Ländern Österreich-Ungarns – führte dies zu Pavillon einer überaus bunten Vielfalt, die nebenein- ander bestehen konnte, sich gegenseitig be- tekten des „roten Wien“ – übernahm etwa aber an der Neugestaltung des Café Nieder- fruchtete, ergänzte und im Widerstreit stand. das erfolgreiche Projekt einer psychiatri- meyer in Troppau. Berühmt wurde er aller- Bleiben wir aber zunächst einmal bei den schen Heilanstalt mit Pavillon-Gliederung dings erst in Wien, wo er die Secession er- zuerst erwähnten Wagner-Schülern. Was blieb vom Steinhof in Wien für eine Anstalt in baute, die zum namensgebenden Gebäude von ihnen in ihrer unmittelbaren Heimat? Kremsier (1909-1912). Olbrich konnte die des Secessionsstils wurde. Während aber die Nun: Hubert Gessner – später einer der Archi- Kirche in Meltsch/Melc umsetzen, scheiterte Secession reiner Jugendstil ist, sind die

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 101 Serie K.u.K. Jugendstil

Tschechien, Ostrava, Milicova, Stadtvilla nach 1900 von Otakar Böhm

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Gebäude im Secessionsstil weitaus stärker Wer bei einem Besuch den Prager Jugend- Selbstbewusstseins und ist gleichfalls ziem- dem Historismus verbunden. stil kennen lernen will, dem reicht zunächst lich komplett – mit buntem Glasvordach, Nach einigen wenigen Bauten in Wien ein Besuch der Innenstadt: 1901-1909 ent- Wandmalereien und Vorhängen von Alfons warb allerdings der Großherzog von Hessen stand der Hauptbahnhof, der zunächst nach Mucha – erhalten geblieben und somit ein Olbrich ab: Die Möglichkeit, die Mathilden- Kaiser Franz Joseph und dann nach Präsi- bemerkenswertes Gesamtkunstwerk des höhe, praktisch ein ganzes Künstlerviertel dent Wilson benannt war: Entwurf von Josef Jugendstils. Polivka zeichnet auch für einige mit Ateliers und Ausstellungshalle im Ju- Fanta mit einer mächtigen Zentralhalle. An andere Häuser im Zentrum verantwortlich, gendstil, zu erbauen, war einfach zu verfüh- der Fassade etwa die typischen Jugendstil- die durch bunte Farbigkeit auffallen, wie das rerisch… Maskeronen versehen mit nationalen Ele- ehemalige Kaufhaus „Beim Novak“ und die Bauer baute einige Privatgebäude in menten der möglichen Reiseziele. nebeneinander gelegenen Gebäude der Mähren und scheiterte mit Großprojekten in Unterwegs über den Wenzelsplatz fällt Praha-Versicherung und des Topic-Verlages. Wien. Ganz anders Hoffmann, Loos und das Grandhotel Europe auf, ursprünglich Am Masaryk-Kai der Moldau gibt es Kotera: Hoffmann wurde als Designer und zwei Hotels von Bedrich Bendelmayer und einige Häuser im Historismus, die aber be- Architekt in Wien berühmt und baute sein Alois Dryak 1903-1905 gestaltet und außen reits zahlreiche Momente des Jugendstil-De- bedeutendstes Haus in Brüssel, das Palais wie innen ziemlich komplett erhalten. kors enthalten. Und über die Moldau führt Stoclet. Loos und Kotera wurden aber sehr Gleichfalls auf diesem Platz das Peterka- die Svatopluk-Cech-Brücke – ein tschechi- rasch zu Überwindern des Jugendstils und Haus von Kotera, der schon in die Zukunft sches Beispiel für vom Jugendstil geprägten Jan Kotera ist auch die ideale Person, um weisende Bau des sogenannten Eispalastes Verkehrsbauten. geographisch nach Prag überzuleiten, wo und die Adam-Apotheke von Emil Kralicek. Natürlich ließen sich die Beispiele belie- Kotera an der Kunstindustrieschule arbeitete Auf dem Platz der Republik dann ein big fortsetzen: Besonders in der „Josefstadt“ und eine Reihe von Architekten prägte, die historische Höhepunkt des Jugendstils in gibt es eine Reihe von faszinierenden Wohn- für die Architektur der jungen tschechoslo- Prag: Das Gemeindehaus, entworfen von häusern in den unterschiedlichsten Spielar- wakischen Republik in der Zwischenkriegs- Osvald Polivka und Antonin Balsanek. Es ten des Jugendstils, die dann oft nebeneinan- zeit maßgeblich wurden. gilt als Zeichen des tschechisch-nationalen der liegend interessante Kontraste ergeben.

Tschechien, Prag, Stare Mesto 1010, Narodni 9, Topic-Haus, Tschechien, Prag, Haupt-(Franz Joseph-/Wilson-)Bahnhof, 1903-07, Osvald Polivka 1901-1909, Josef Fanta, Bildhauerarbeiten von Sucharda, Saloun, Vosmik, Folkmann

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Tschechien, Prag, Wohnhaus in Josefov Tschechien, Prag, Wohnhaus in Josefov

Und nicht zu vergessen jene Formen, die Museum im Wiener Museumsquartier die daß meine Fotos als Dokumentation mit dann in die Zukunft weisen sollten, wie das Möglichkeit dazu: „Glanz einer Epoche. eigenständigem, künstlerischem Anspruch Diamant-Haus von Emil Kralicek und Matej Architektur des europäischen Jugendstils“ einen neuen Weg beschreiten…“ Blecha mit seinen kubistischen Formen, die zeigt 72 Fotoarbeiten von Peter Schubert als tschechische Sonderentwicklung gelten, (bis 11. April 2011). Im Atrium des Wiener Leopold-Museums die sonst praktisch nirgends auftritt. Mit einer beginnt am 24. Februar 2011 eine Ausstel- Ausnahme: An einigen Gemeindebauten der Prof. Peter Schubert, der Autor dieser Serie, lung mit Fotos des Autors dieser Serie über Zwischenkriegszeit in Wien gibt es die glei- beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren den Jugendstil in Europa (bis Anfang chen Dekorelemente. Ein interessanter Kreis: intensiv mit dem Jugendstil. Er hat drei Bü- April, täglich außer Dienstag). Die Otto-Wagner-Schüler brachten Ideen cher darüber verfaßt und fotografierte inzwi- aus Wien nach Prag und deren Schüler schen wahrscheinlich das größte internatio- Ein Originalfoto (Betender Engel von der strahlten wieder nach Wien aus. nale Fotoarchiv zu diesem Thema: Es umfaßt Otto-Wagner-Kirche Neben den erwähnten Städten – und derzeit mehr als 7000 digitale und 500 ana- am Steinhof) auf Pa- natürlich Brünn, das vor und nach dem loge Fotos aus 15 europäischen Ländern: pier, 25 x 38 cm, mit Ersten Weltkrieg geradezu ein Mekka der vom Kaliningrader Gebiet Rußlands im Nor- Blindprägestempel des Architektur war – gibt es fast überall in den den bis Apulien im Süden, von Barcelona im Fotografen und rück- Städten Jugendstilbauten, wie etwa in Kö- Westen bis Constanta im Osten. Mehr als seitig signiert (limitier- niggrätz und den Badeorten. Und da noch 200 Fotos davon hat er für Ausstellungen te Auflage fünf Exem- kein umfassendes Werk zum tschechischen (bisher in Klosterneuburg, Tulln, Wien, Buda- plare) ist derzeit für Jugendstil in deutscher Sprache erschienen pest, Szeged und Keckemet zu sehen) bear- einen guten Zweck – ist, gibt es noch viel zu entdecken und das beitet: „Es sind Details von Fassaden, daher den Sie selbst aus einer kann Reisen in dieses Land einen besonde- reiße ich sie digital aus. Und ich möchte Liste von Hilfsorganisationen bestimmen ren Reiz geben… Schwerpunkte betonen, daher softe ich Stö- können – im Internet bei „Kunst für Men- Wer die Fotos dieser Serie einmal im Ori- rendes und Unwichtiges ab – wodurch ich zu schen in Not“ zu ersteigern unter der ginal sehen möchte, hat derzeit im Leopold- einem ganz neuen Bild komme. Ich glaube, Adresse http://www.kfmin.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 104 Serie »Österreicher in Hollywood«

Der Wiener Autor Rudolf Ulrich dokumentiert in seinem Buch »Österreicher in Hollywood« 400 Einzel- biografien mit beigeschlossenen Filmografien und über 12.000 Film- und Fernsehproduktionen aus Hollywood mit österreichischer Beteiligung. In dieser Folge portraitiert er Walter Slezak Schauspieler

Im Sommer 1930 hatte ihn der in Berlin zu Besuch weilende Theatergewaltige J. J. Shubert an sein Imperium in New York ver- pflichtet. Slezak kannte die Stadt, Sprache und Gewohnheiten der Amerikaner schon aus der Zeit, als sein Vater an der Metropolitan Opera tätig war. Er ließ sich endgültig in der Neuen Welt nieder und feierte hier seine größten Erfolge als Schauspieler, Maler, Sänger und Schriftsteller. Über ein Jahrzehnt blieb die Bühne sein bevorzugtes Arbeitsfeld, reüssierend am Broadway wie in der Provinz in teils langlaufenden Komödien und Musicals, darunter „Meet My Sister“ (1930), nach Ralph Benatzkys „Meine Schwester und Ich“, „Music in the Air“ (1932) von Jerome Kern, „May Wine“ (1935), „A Doll’s House“ (1937) und Rodgers & Hammersteins „I Married an Angel“ (1938) mit den Partnerinnen Vera Zorina und Vivienne Ziegel. 1935/36 trat er im Lyceum Theatre in einer zweimonatigen Aufführungszeit in der Komödie „Ode to Liberty“ in der Adaption von Sydney Howard auf, im April 1940 gehörte er zur Besetzung einer frühen, noch hart kritisierten und pannenreichen, live gesendeten Fernsehfassung des Stücks. Alle Fotos: Archiv Ulrich Der Schauspieler Walter Slezak

alter Slezak, Sohn des k. k. Kammersängers und später belieb- Wten Filmkomikers Leo Slezak (1873-1946), geboren am 3. Mai 1902 im Haus Elisabethstraße 5 in Wien , lebte stets im Umkreis künstlerischer Persönlichkeiten, Schauspieler, Sänger, Regisseure und Produzenten. Er studierte ambitionslos Medizin, war Walzer Slezak als Major Erich von Keller und Thurston Hall kurzzeitig Bankangestellter und wurde 1922 in der Wiener Sacher- in dem RKO-Streifen »This Land is Mine« von Jean Renoir. Bar per Zufall von dem damals in Wien tätigen ungarischen Regis- seur Mihaly Kertész (in USA: Michael Curtiz) für das Monumental- Das Medium Film blieb aufgrund der regen Theaterarbeit und spektakel des österreichischen Filmpioniers Graf Alexander „Sascha“ langfristiger Verpflichtungen mehr als ein Jahrzehnt ausgespart. Wäh- Kolowrat, „Sodom und Gomorrha“, engagiert. Der Deutsche Wil- rend eines Gastspiels beim Spring Festival 1942 an der Universität helm Dieterle holte ihn 1924 zur UFA nach Berlin, der Wechsel in die Austin in Texas bot ihm eine Agentur einen Part in der Drama/ dortigen Studios sicherte die zukünftige Filmkarriere. Seine ein- Comedy-Mixtur „Once Upon a Honeymoon“ neben dem Starduo dringlichste frühe Leistung auf der noch stummen Leinwand war die Ginger Rogers und Cary Grant an. Dahinter stand der Produzent und Titelrolle in Carl Theodor Dreyers lyrischem Meisterwerk „Michael“ Regisseur Leo McCarey, der Slezak oft auf der Bühne bewundert (1924), Slezak spielte in 20 deutschen Filmen (1927 auch in einem hatte und ihm Jahre zuvor in New York die Zusage gab, zu ir- italienischen, „Addio giovinezza!“), häufig als Student, Bonvivant gendeinem Zeitpunkt auf ihn zurückzukommen. Nach zufriedenstel- und zunehmend im Charakterfach. Für die letzte Arbeit in lenden Probeaufnahmen erhielt Slezak einen Vertrag bei RKO Deutschland, Friedrich Zelniks Kriminallustspiel „Spione im Savoy- Pictures. Hotel“, mußte der inzwischen in die USA Übersiedelte 1932 kurz- Der Wiener (seit 1937 US-Bürger) blieb in Kalifornien, da umge- zeitig nach Berlin zurückkehren. hend neue verlockende Angebote folgten, sein österreichischer

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Akzent stand einer erfolgreichen Holly- wood-Karriere nicht im Wege. Sein aus- drucksvolles, äußerst lebhaftes Gesicht, ein guter Vortrag, Charme und Herzlichkeit er- laubten ihm in Rollen aller Art bei RKO, Fox, Paramount, MGM und Universal zu brillieren. Als deutscher Offizier in Jean Re- noirs im deutschbesetzten Frankreich spie- lenden Anti-Nazifilm „This Land Is Mine“ (1943, „Dies ist mein Land“)*), in „The Fal- len Sparrow“ (1943), ein im Franco-faschi- stischen Spanien angesiedeltes Drama, in Alfred Hitchcocks intensivem Überlebens- thriller „Lifeboat“ (1944)*), in dem er mit der Charakterisierung eines dünkelhaften deutschen U-Bootkommandanten einen sei- ner größten Filmerfolge erzielte und in Filmen wie „The Princess and the Pirate“ (1944, „Das Korsarenschiff“), ein gagreicher Ulk und Persiflierung amerikanischer Pira- tenfilme, „Cornered“ (1945), ein provokativer „film noir“ von Edward Dmytryk über Nazi- Stephen Boyd als Ex-Bankräuber Peter Churchman und Walter Slezak als freund- Kollaborateure, „The Pirate“ (1948, „Der licher Gesetzeshüter Antonio Gonzales in der in Pamplona spielenden Gauner- komödie »The Caper of the Golden Bulls« von Embassy Pictures, 1967. Pirat“), ein Musical mit Gene Kelly in der inspirierten Regie von Vincente Minelli, in General“ (1949, „Die sündige Stadt“), ein weilige Fabrikstadt. Nach zwölfjährigem dem er als Bräutigam Judy Garlands gleich- Filmspaß von Henry Koster nach Nikolai Full-Time-Aufenthalt in der Szene orientier- falls eine seiner eindrucksvollsten schau- Gogol mit Danny Kaye oder „White Witch te sich der heitere und verschmitzte Künst- spielerischen Leistungen bot, „The Inspector Doctor“ (1953, „Weiße Frau am Kongo“), ler, wenn auch etwas wehmütig, nach New ein vom Austro-Amerikaner Otto Lang mit York zurück, das er als die aufregendste Stadt *) Das Branchenblatt „Variety“ berichtete am 5. Juni den Stars Susan Hayward und Robert Mit- der Welt empfand. Er huldigte wieder seiner 1946, daß Leo Slezak in Deutschland wegen der chum in Afrika gedrehtes abenteuerliches Liebe zum Theater und trat zwischendurch Mitwirkung seines Sohnes in diesen beiden Anti- Melodram. in Las Vegas auch als Sänger und Show- Nazifilmen mit einer Strafe von 100.000 Reichs- mark belegt wurde, die Adolf Hitler nach Ansicht Auf Dauer empfand Slezak Los Angeles master auf. Als „best leading actor in a musi- der Filme persönlich diktierte. kulturell als Wüste und Hollywood als lang- cal“ mit dem prestigeträchtigen New York

Überlebende Passagiere und Besatzungsmitglieder eines von einem deutschen U-Boot versenkten alliierten Schiffes sehen sich im Rettungsboot mit ihrem Widersacher konfrontiert. (v.l.) Walter Slezak in der großartigen Zeichnung des ebenfalls schiffbrüchigen U-Bootkapitäns, John Hodiak, Tallulah Bankhead, Henry Hull, William Bendix, Heather Angel, Mary Anderson, Canada Lee und Hume Cronyn in Hitchcocks John Steinbeck-Verfilmung der Centfox »Lifeboat« von 1944.

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und -shows als Darsteller und Host und wirkte in einer Reihe Radiodramen mit. Das Zusammentreffen mit vielen europäischen Emigranten, u.a. Ernst Lubitsch, Thomas Mann, Albert Eintein, Ernst Toch, Robert Stolz, Erich Wolfgang Korngold, Max Rein- hardt, Franz Werfel, Erwin Piscator und Bertolt Brecht empfand er als glückhafte Begegnungen. Der geniale Allrounder war seit 1934 mit der holländischen Sängerin Johanna Van Rijn verheiratet, Tochter Erika Alma (Taufpatin Alma Mahler-Werfel) und Sohn Leo fanden ebenfalls den Weg in das Showbusiness. Er war als Sammler wertvol- ler Autografen bekannt und erwies sich mit seinen 1962 unter dem Titel „What Time’s the Next Swan?“ (deutsche Ausgabe „Wann geht der nächste Schwan?“, Piper München 1964) veröffentlichten Lebenserinnerungen Douglas Fairbanks Jr. (Sinbad), Walter Slezak als der Schurke Melik und Anthony auch als Erzähler von Format. Walter Slezak Quinn (Emir) in »Sinbad the Sailor«, einem Märchenzauber der RKO, 1947. nahm sich am 21. April 1983 in seinem Haus Critics Award ausgezeichnet, brachte ihm die in den USA Europa und vor allem Wien noch in Flower Hill im Bundesstaat New York Darstellung des Panisse in der Broadway- immer als seine eigentliche Heimat betrach- selbst das Leben. Die Urne wurde im Grab Version „Fanny“ nach den Marcel Pagnol- tete, in einigen deutschsprachigen und briti- des Vaters im oberbayrischen Rottach-Egern Stories 1955 den Antoinette Perry Award (To- schen Filmen, darunter „24 Hours to Kill“ am Tegernsee beigesetzt. ny) ein. Slezak lebte zeitweilig im schweize- (GB, 1965, „Abrechnung in 24 Stunden“) und rischen Lugano, folgte gelegentlich einem der operettenhafte Streifen „Der Kongreß it dem Buch „Österreicher in Holly- Ruf Hollywoods und sang 1959 an der Me- amüsiert sich“ (D/A, 1966). 1973 fungierte Mwood“ legte der Zeithistoriker Rudolf tropolitan Opera den Szupan in „The Gypsy er als Gaststar in der seinem Vater gewid- Ulrich die lang erwartete Neufassung seines Baron“, 1973 in San Francisco den Frosch in meten ZDF-Dokumentation „Leo Slezak“. 1993 erstmals veröffentlichten Standardwer- der „Fledermaus“ und 1975 in Philadelphia Slezak stand im Laufe seiner Karriere 65 kes vor. Nach über zwölfjährigen Recherchen in Jacques Offenbachs Opéra-bouffe „La Mal vor internationalen Filmkameras, zu- konnten 2004 die Ergebnisse in Form einer Périchole“ („I’m the only actor doing opera letzt 1972 in „Treasure Island“ („Die Schatz- revidierten, wesentlich erweiterten Buchaus- without a voice“). Von 1965 bis 1972 ga- insel“) nach dem Abenteuerroman von Ro- gabe vorgelegt werden. „Diese Hommage ist stierte der inzwischen der Statur seines Vaters bert Louis Stevenson, er arbeitete bis 1980 nicht nur ein Tribut an die Stars, sondern ähnelnde Akteur, der trotz der Berühmtheit für das Fernsehen in über 125 TV-Episoden auch an die in der Heimat vielfach Unbe- kannten oder Vergessenen und den darüber- hinaus immensen Kulturleistungen österrei- chischer Filmkünstler im Zentrum der Welt- kinematographie gewidmet: „Alles, was an etwas erinnert, ist Denkmal“, schließt der Autor. Rudolf Ulrich und der Verlag Filmarchiv Austria bieten Ihnen, sehr geehrte Leserinnen und Leser, die Mög- lichkeit, in den kom- menden Monaten im „Österreich Journal“ einige Persönlichkei- ten aus dem Buch „Österreicher in Hol- lywood“ kennenzuler- nen.

Rudolf Ulrich „Österreicher in Hollywood“; 622 Seiten, Frank Alten, Walter Slezak als Major Erich von Keller und Kent Smith (v.l.) in der zahlreiche Abb., 2. überarbeitete und erwei- Jean-Renoir-Dudley Nichols Produktion der RKO »This Land Is Mine«. Der Film lief in den USA am 7. Mai 1943 simultan in 72 Kinos in 50 der größten Städte des terte Auflage, 2004; ISBN 3-901932-29-1; Landes an, ein Novum in der Geschichte Hollywoods. http://www.filmarchiv.at

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 107 ÖJ-Reisetip Burgenland im Zeichen der Speichen Burgenland gilt ob seiner Topographie als Radlerdestination par excellence. Bergwertungen werden hier allerdings nicht vergeben. Foto: Burgenland Tourismus / steve.haider.com Sehr geschätzt: die Hügellandschaften im südlichen und mittleren Landesteil und die weite pannonische Tiefebene im Norden.

enießer schätzen die sanften, rollenden die pittoreske Kulisse für ein weitverzweig- GHügellandschaften im südlichen und tes Radwegenetz. mittleren Landesteil und die weite pannoni- sche Tiefebene im Norden. Ein Netz von 2500 Neues Design für den Steppensee Kilometern bestens ausgebauter Radwege Das Herzstück bildet der B 10 Neusiedler macht das Land, in dem an 300 Tagen im See Radweg, der auf 133 km rund um den Jahr die Sonne scheint, perfekt „erfahrbar“. See, mitten durch einen grenzüberschreiten- Kaum eine halbe Autostunde von Wien den Nationalpark, durch ein UNESCO- entfernt breitet sich majestätisch der Neu- Welterbe und im südlichen Teil durch unga- siedler See aus. Der größte Steppensee Mit- risches Staatsgebiet führt. Mit dem Rad ge- teleuropas ist Herzstück eines internationa- langt man an die schönsten Plätze des Natio- len Naturparks, die Region UNESCO-Welt- nalparks und lernt am besten die Besonder- erbe seit 2001. Vom Leithagebirge – den öst- heiten der Welterberegion kennen. Viele lichen Ausläufern der Alpen – sanft ablau- davon sind mit der „Neusiedler See Card“, fende Rebzeilen, ein Meer von Kirsch- die Übernachtungsgäste in 740 Partnerbe- bäumen, der goldglänzende Schilfgürtel des trieben erhalten, kostenlos zu besichtigen. Sees, Salzlacken, eine einzigartige Steppen- Wer allerdings Zeit oder Kräfte sparen oder

landschaft und idyllische Weinorte bilden Foto: Burgenland Tourismus / Popp & Hackner einfach nur die Idylle des nahen Sees genie-

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ßen will, fährt mit einer der Radfähren quer über den See – in kaum einer halben Stunde, je nach Zielort. In den letzten Jahren wurden entlang des Rundwegs elf moderne Rad-Rastplätze er- richtet, die außergewöhnliches Design mit hoher Funktionalität vereinen. Ob schilfbe- deckte Gitterschalenkonstruktion oder Son- nensegel, die Raststationen fügen sich har- monisch in die Landschaft ein und bieten schattige Rast und Schutz vor Regen.

Ein Platz für Champions Der Wein- und Badeort Podersdorf am Neusiedler See zieht jeden Sommer Jahr die größten unter den Radchampions an. Stars wie Eddy Merckx, Francesco Moser und Lau- rent Fignon haben sich auf dem „Platz der Radchampions“ bereits mit Handabdrücken Der größte Steppensee Mitteleuropas ist Herzstück eines internationalen Naturparks. verewigt. Hier fällt auch Jahr für Jahr beim Einzelzeitfahrten die Vorentscheidung bei der Österreich-Radrundfahrt. Die Radlegen- den kommen ebenso gerne zu den Sport- events wie Tausende begeisterte Radfans.

Radeln (wie) auf Schienen … … ist nicht nur keine Hexerei, sondern oben- drein noch ein Riesenspaß. Auf einer alten Bahnstrecke fährt man mit eigens konstru- ierten Fahrraddraisinen durch das Mittel- burgenland. Weingärten, Sonnenblumen- felder, Schlösser und idyllische Weinorte säumen die 23 Kilometer lange Strecke. Bis zu neun Personen passen auf eine Draisine, und daß eine spezielle Hochzeitsdraisine den Fuhrpark veredelt – Sekt inklusive – sollte Flitterwöchnern zusätzlicher Ansporn sein…

Durch die Weinidylle in Für eine Pause stehen am Radweg 810 »Designraststationen« zur Verfügung. den siebten Radlerhimmel In den Naturparken des Südburgenlandes oder entlang der Lafnitz – einer der letzten naturbelassenen Flüsse Europas – erwarten den Besucher unberührte Aulandschaften. Wer je die „Weinidylle“ im Süden des Landes mit ihren steil abfallenden Weinzeilen und Kellerstöckeln mit dem Rad befahren und sich danach in einer der Buschenschenken mit einer zünftigen Brettljause und köstli- chem Uhudler (einem köstlich nach Wald- beeren duftenden Wein aus nicht veredelten Reben) oder Blaufränkisch gelabt hat, wähnt sich gar im siebten Radlerhimmel. Der Radfolder von Burgenland Touris- mus beschreibt die Radwege im Detail und gibt viele nützliche Informationen rund ums Rad. „Burgenland – Radeln auf der Sonnen- seite“ ist zum Download verfügbar. Foto: Südburgenland Tourismus Foto: Burgenland Tourismus / steve.haider.com Foto: Burgenland Tourismus / steve.haider.com http://www.burgenland.info Es muß, wenn man sportlich ist, nicht unbedingt gemütlich zugehen …

»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at ÖSTERREICH JOURNAL NR. 93 / 01. 03. 2010 109 ÖJ-Reisetip Kirschen, Kräuter und Kaiserschmarrn Wandern zwischen Flaschenobst, Bienenluft und zünftiger Almjause Foto: OÖ. Tourismus/Röbl Neben den Naturgenuß tritt auch die Vorfreude auf die wohlverdiente Jause aus dem Genußland Oberösterreich. er Weg ist das Ziel. So läßt sich die kirchen an der Polsenz hat der Obstbau eine lich in einer der Mostschenken einkehren, DPhilosophie des Wanderns ganz kurz in lange Tradition und elf Rundwanderwege dann lüftet sich endgültig das Mysterium nur einen Satz verpacken. Hinter dem kur- führen in die Welt der schönen Früchte. Wer rund um den Saft. Vom Baum in die Flasche zen und etwas nüchternen Wörtchen „Weg“ ganz genau wissen will, woher die süßen und von dort ins Glas. Hin und wieder darf verbirgt sich für den Wanderer allerdings ein Ausgangsprodukte für den flüssigen Hoch- es auch ein bißchen alkoholisch sein, dann nahezu unglaubliches Universum an Genüs- genuß kommen, der sollte am besten gleich kommt der Most ins Spiel, dieses für sen und Erlebnissen. Beim Genußwandern mehrere Touren durch die Obstgärten der Oberösterreich so typische leicht vergorene kommt dann auch noch die Kulinarik ins Region planen. Im Frühjahr sind es die Blü- Getränk aus den speziellen Mostäpfeln und Spiel und wer aufmerksam unterwegs ist, tenpracht und das geschäftige Summen der -birnen. Oder darf es sogar ein Edelbrand erfährt so manches über jene Schmankerl, Bienen, welche in Vorfreude auf das saftige sein? Es ist eine besondere Kunst, das die bei der Jause auf den Tisch kommen. Obst schon das Wasser im Munde zusam- Aroma der Früchte beim Destillieren in sei- menlaufen läßt. Im Sommer und im Herbst ner ganzen Komplexität einzufangen. So Vom Baum in die Flasche sind es die nacheinander heranreifenden geht es wieder auf den Weg hinaus, körper- Genausowenig, wie der Strom aus der Obstsorten, die in die sanfte Hügelwelt lok- lich gestärkt und mit einem geschärften Steckdose kommt, kommt der Obstsaft aus ken. Die Schartner Kirschen haben sich bei- Auge für die Vorgänge, die den Jahreskreis der Flasche. Um dem Geheimnis dieser wert- spielsweise unter Kennern bereits einen her- im Obstgarten bestimmen. vollen Durstlöscher auf den Grund zu gehen, vorragenden Ruf erworben. Aber auch Ma- empfiehlt es sich, in die Natur hinauszuzie- rillen, Äpfel, Birnen und anderes mehr ent- Von Kräutern und Bienen hen. Oder genauer: In den Naturpark Obst- falten im schattigen Blätterdach der Bäume Das Mühlviertel steigt in sanften Hügeln Hügelland. In den beiden oberösterreichi- nacheinander ihr volles Aroma. Wenn die vom Ufer der Donau hinauf bis zu den grü- schen Gemeinden Scharten und St. Marien- hungrigen und durstigen Wanderer schließ- nen Höhen des Böhmerwaldes. Seinen be-

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sonderen Charakter bezieht es aus dem Gra- Alm hineingepackt: Das abgeschiedene Le- möchte, dem sei der entsprechende Themen- nit auf den es gebaut, aus dem es gewachsen ben der Sennerinnen, das Leben in Einklang wanderweg am Hengstpaß empfohlen. In ist. Ein Land, das seine Bauern zu Kreativi- mit der Natur, der Geschmack von frisch einem alten Almwirtschaftsgebiet liegen hier tät zwingt, wollen sie ihm seine besten Sei- gefertigten Lebensmitteln. Und so ist es na- gleich mehrere Hütten darunter die Puglalm. ten abringen. Und darin sind sie seit Gene- hezu selbstverständlich, daß die Wanderer Speck und Bratl, Milch und Most, Krapfen rationen geübt. Wer sich etwa Zeit nimmt diesem Traum immer wieder aufs Neue ent- und andere Köstlichkeiten kommen auch um in Hirschbach den Bergkräuter-Wander- gegen streben. Die Urlaubsregion Pyhrn- hier – erraten – vom eigenen Biohof im Tal. weg in Angriff zu nehmen, der wird in eine Priel im Südosten Oberösterreichs ist eine Mahlzeit! unglaubliche Welt der Düfte und Aromen Gebirgslandschaft, die in der Vorstellungs- eintauchen. Weil es aber mit dem Wandern welt eines Almwanderers dem Paradies recht NATURSCHAUSPIEL.at und Schnuppern nicht getan ist, sollte die nahe kommen dürfte. Für atemberaubende Unter dem Motto „NATURSCHAU- Jause bei einem der Kräuterkraftwirte ein- Panoramablicke bei legendärem Kaiser- SPIEL.at – Ent-Führung in die Natur“ haben planen. Denn so richtig gut entfalten sich die schmarrn und deftiger Jause sorgt beispiels- Oberösterreichs kreativste Naturvermittler Aromen natürlich erst bei der Verwendung weise die Gowilalm. Die idyllische Lage auf spannende, abwechslungsreiche und manch- in der Küche. dem Almbalkon der Haller Mauern hoch mal sogar genussvolle Programme entwik- Die Kräuter und Wiesen des Mühlviertels über Spital am Pyhrn bürgt für die Aussicht kelt. Die Bühnen für dieses außergewöhnli- sind es, die in der ganzen Vielfalt ihrer auf die Gipfel des Toten Gebirges. Die Pro- che Outdoor-Erlebnis sind 16 unterschiedli- Pflanzenarten die Bienen anlocken. Welchen dukte aus eigener Bio-Landwirtschaft lassen che Schutzgebiete in ganz Oberösterreich. Einfluss die Bienen und deren sprichwört- neben dem Auge auch den Gaumen froh- Manchmal geht’s dabei auch richtig kulina- licher Fleiß auf unsere Gesundheit haben, locken. risch zu, etwa wenn im Naturpark Obst- damit beschäftigt sich der „Weiselweg“ in Bodenständige Jause, zünftiges Berger- Hügel-Land ein „Brunch im Grünen“ oder Julbach im Böhmerwald. Etwas mehr als lebnis und eine Almhütte, die seit 300 Jahren die „ObstkulTOUR“ auf dem Programm ste- acht Kilometer lang führt dieser Themenweg auf einem idyllischen Fleckchen Erde steht. hen. Manchmal wird auch – etwa im durch die Blumenwiesen im Norden Ober- Hier ist die Rede von der „Steyrsberger- „Naturrestaurant“ – nach dem Speiseplan österreichs um schließlich bei der Erlebnis- reith“, die über dem Stodertal thront und von der Natur gekocht und gespeist. Im Vorder- imkerei Hüttner seinen Höhepunkt zu fin- Vorderstoder aus in gemütlicher Wanderung grund steht aber immer das besonders inten- den. Stärkung einmal anders heißt es hier erreichbar ist. Hier rücken die bizarren Gip- sive Naturerlebnis – von der Begegnung mit etwa mit der „Mühlviertler Honigjause“. fel von Spitzmauer, Großem und Kleinem der Familie Rotwild im Nationalpark Kalk- Priel fast in Griffweite. Serviert werden alpen bis zur Schmugglerwanderung an der Auf der Alm, da gibt’s die Jause unter anderem Kochkäse und geräuchertes bayerisch-oberösterreichischen Grenze im Die Alm. Hinter diesen drei Buchstaben Rindfleisch aus eigener Landwirtschaft. Oberen Donautal. verbirgt sich seit jeher ein Sehnsuchtsort des Wer beim Almwandern auch noch mehr http://www.naturschauspiel.at Wanderers. Viel wird in den Traum von der über das Leben „Auf der Alm“ erfahren http://www.oberoesterreich.at Foto: OÖ. Tourismus/Erber Die Gowilalm hoch über Spital am Pyhrn ist ein kulinarischer Hotspot am Kalkalpenweg und beliebter Ausgangspunkt für Bergtouren in den Haller Mauern.

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