Originalveröffentlichung in: Die Alamannen. [Begleitband zur Ausstellung "Die Alamannen" ; 14. Juni 1997 bis 14. September 1997 SüdwestLB-Forum, Stuttgart, 24. Oktober 1997 bis 25. Januar 1998, Schweizerisches Landesmuseum Zürich, 6. Mai 1998 bis 7. Juni 1998, Römisches Museum der Stadt Augsburg], Stuttgart 1997, S. 119-124 Zwischen den Fronten

i ALAMANNEN IM RÖMISCHEN HEER

MAX MARTIN Wie wir heute wissen, hatten die Bevölkerungsteile zu werden, bestand seit jeher und im Laufe des 3. elbgermanischer Herkunft und Prägung, aus de­ und 4. Jh. n.Chr. zunehmend darin, sich zum römi ­ nen sich in den Jahrzehnten um 300 n.Chr. in Süd ­ schen Heeresdienst zu melden, einzeln oder öfters westdeutschland die Alamannen formierten, zu je­ wohl in Gruppen unter eigenem Anführer.2 Wie ner Zeit noch keinen längeren engen Kontakt mit Alexander Demandt für die Spätantike anschau­ dem römischen Reich gehabt. Diese Tatsache ist er­ lich gezeigt hat, wurden germanische Offiziere, die wähnenswert, steht sie doch in markantem Gegen­ im Laufe des 4. Jh. teilweise rasch in höhere Ränge satz zur Situation anderer germanischer Stämme, aufstiegen und sich zugleich in der römischen Welt etwa der Amsivarier, Brukterer, Chamaven, Chat- integrierten, zu Trägern eines Militäradels, da sie tuarier und Tenkterer, die seit der frühen Kaiserzeit vielfach Frauen aus führenden Familien und Sip­ östlich von Mittel- und Niederrhein, zum Teil im pen des römischen Imperiums heirateten.3 Bereits unmittelbaren Vorfeld der seit Kaiser Augustus vor 400 n.Chr. hatte beispielsweise der Wandale fixierten »nassen« Reichsgrenze lebten und später Stilicho, Feldherr des weströmischen Reichsteiles, bekanntlich im Stammesverband der Franken auf- gingen.1 ^12 Die vergoldete Zwiebel- knopffibel wurde in Grab 379 Mit antiker Kultur und Gesellschaft wurden ala- des Kastellfriedhofs Basel- mannische Kleinstämme - durch das Werk des Äschenvorstadt entdeckt. Sie spätrömischen Historikers und Kriegsberichter­ gehört zur Bestattung eines statters Ammianus Marcellinus sind uns vor allem Um 400 n.Chr. gestorbenen Offiziers vielleicht alamanni- die Bukinobanten, Brisigavi, Lentienses und Rae- s eher Abstammung. tobarii bekannt - demnach erst relativ spät ver ­ traut. Zudem war das Gebiet, von dem aus diese 11 3 Für ergebene Gefolg­ schaft verlieh Konstantin Kontakte sich entwickelten, lediglich während d-Gr. Fingerringe mit der In­ knapp zweier Jahrhunderte und nur gerade inner­ schrift FIDEM CONSTANTINO, halb des obergermanisch-rätischen Limes an die Treue dem Kaiser Konstantin. Oas abgebildete Exemplar soll römische Welt angebunden. 1876 bei Augsburg gefunden Eine der besten Möglichkeiten für Germanen, in­ '"'Orden sein. tensiv und lukrativ mit römischem Leben vertraut 113 eine Nichte Kaiser Theodosius des Großen zur Frau. Eine Tochter des fränkischen Offiziers Bauto, der zum Reichsfeldherrn aufgestiegen war, wurde im Jahre 395 noch nach dem Tode ihres Vaters mit dem in Konstantinopel residierenden oströmi ­ schen Kaiser verheiratet und spielte dort als Augusta eine bedeutende Rolle. Römisch-germanische Verbindungen dieser Art blieben nicht punktuell. Auch die Kontakte der in römischen Diensten stehenden germanischen Sol­ daten zum einen mit der römischen Welt, zum an­ dern über ihre Angehörigen mit der alten Heimat, mehrten beiderseits der Reichsgrenze die Kennt­ nisse über die jeweils andere Welt und deren Men­ talität. Dies war eine entscheidende Voraussetzung bei der Niederlassung germanischer Bevölke­ rungsteile auf dem Boden des Imperium Roma- num, so etwa bei fränkischen Gruppen in Nord­ gallien oder den Burgundern im Gebiet um Worms und, nach 443, in den Landschaften um Genf. 119 114 Auf diesen Silbermünzen prangen die Bildnisse Kon­ stantins d.Cr. (306-337) und seiner beiden Söhne Constans (337-350) und Constantius II. (337-361). Auf den Rück ­ seiten werden unter ande ­ rem das zwanzigjährige Re­ gierungsjubiläum des Con­ stantius II. und die Siege des Constans über Barbaren­ völker gefeiert.

114 a So waren germanische Offiziere im römischen Heer während der ersten Hälfte des 5. Jh. vermutlich geklei­ det: mit gefibeltem Mantel, Tunika und breitem Gürtel sowie Hosen.

Wie verlief der Brückenschlag zur römischen Welt Bezeichnend ist in dieser Hinsicht auch die sich bei den einfachen oder den in höhere Ränge auf­ auf Münzbildern offenbarende Politik der kon- gestiegenen Söldnern alamannischer Herkunft? stantinischen Dynastie. 6 Zwar erscheint auf Zwar sind aus spätrömischer Zeit archäologische Rückseiten von Trierer Münzen Konstantins d.Gr. Belege vorhanden, insbesondere Bestattungen von (306-337) und seiner Söhne Constans (337-350) Männern in gefibeltem Mantel und mit breitem, als und Constantius II. (337-361) unter einem römi ­ Rangabzeichen getragenem Gürtel, dem cingulum, schen Siegeszeichen eine namentlich bezeichnete die wir aufgrund der Bestattungsweise, in Tracht Personifikation der trauernden ALAMANNIA und oft mit Beigabe einer Waffe, als germanische bzw. FRANCIA. Die Darstellung ist mit der Um-^ Offiziere ansehen dürfen; in Süddeutschland wer­ schrift GAVDIVM ROMANORVM versehen ur den sich darunter auch Männer alamannischer Ab­ besagt, zur Freude des römischen Reiches hät stammung befunden haben. Verlässlichere und aus sowohl die Alamannia als auch die Francia 1 sich heraus sprechende Zeugnisse bieten aber ver ­ siegreiche Überlegenheit anerkannt und seid ständlicherweise die Schriftquellen, die im folgen­ Reich einbezogen. Statt martialischem Sieg£ den diskutiert werden sollen.4 schrei stellt das gemäßigte Bild eher eine Auf derung dar, sich dem Reich anzuschließen, zeichnenderweise fehlen die sonst nicht selteijj Karriere im Heer Konstantins Szenen gefesselter Gegner oder niedergeritte und seiner Söhne Feinde. Die in mehreren Truppenteilen Dienst leis­ Nur in außergallischen Münzstätten wurden \ tenden alamannischen Offiziere und Soldaten hat­ mals vereinzelt Münzserien mit deutlicherer Sie- ten keinen schlechten Start: Crocus, ein ehemaliger gesdarStellung geprägt. Die eine trägt die Legijv Stammes(?)könig und nun in Britannien stationier­ de GAVDIUM ROMANORVM/FRAN(cia) ter Offizier, dessen Rang wir nicht näher kennen, ALAM(annia) und zeigt die trauernden FranJ war im Sommer 306 entscheidend daran beteiligt, und Alamannia beiderseits eines Siegeszei-1 als Nachfolger des verstorbenen Kaisers Constan­ chens;7 auf der anderen lesen wir ALAMANNIA tius Chlorus entgegen der geplanten Nachfolge­ DEVICTA und sehen eine Victoria mit Siegeszei­ ordnung dessen jungen Sohn Konstantin zum Kai­ chen, die einen gefesselten Gefangenen nieder­ ser auszurufen. Dieser Begründer der gleichnami­ tritt. In konstantinischer Zeit wurde in Gallien of­ gen Kaiserdynastie wird sich so, wie er treuen An­ fenbar bewusst keine Niederwerfung von Fran­ hängern goldene Fingerringe mit dem Wahlspruch ken oder Alamannen gefeiert, zumal die führen­ FIDEM CONSTANTINO überreichte,5 auch Cro­ den Leute dieser Stämme bald das Rückgrat der cus und weiteren Offizieren alamannischer und an­ Armee bildeten. Außenpolitisch galt wohl als De­ derer germanischer Herkunft erkenntlich gezeigt vise anstelle von Konfrontation die Integration haben. Wir wissen, dass gerade er als erster in ho­ germanischer Oberschichten, gleichsam der hem Maße germanische Söldner unter ihren An­ Brückenschlag zu den Völkern im Vorfeld der

führern bevorzugte und ins Heer einreihte. Reichsgrenze, ungeachtet aller entschiedenen 114 a 120 Abwehrmaßnahmen gegen einzelne Plünderungs ­ Umso gegensätzlicher waren die Jahre nach 350! züge oder Einwanderungsversuche von dort kom­ Als zu Beginn dieses Jahres der Offizier Magnenti- mender Bevölkerungsgruppen.8 us in Gallien als Usurpator gegen den rechtmäßi­ Leider berichten uns die schriftlichen Quellen bis gen Kaiser Constans den Purpur nahm, gerieten in die Mitte des 4. Jh kaum Einzelheiten über Kar­ nicht nur die im römischen Heer dienenden ala­ rieren germanischer oder speziell alamannischer mannischen Offiziere und Soldaten, sondern letzt­ Offiziere im römischen Feldheer. Erst mit dem für lich auch das ganze Volk zwischen die Fronten der die Jahre 353-378 erhalten gebliebenen Geschichts­ im Reich um die Macht kämpfenden Parteien. Ma- werk des Ammianus Marcellinus setzt eine für die gnentius, hinter dem viele Hofleute und offenbar damalige Zeit einzigartig detaillierte Überliefe­ rung ein. Nun finden wir alamannische Krieger im höheren Offizierskorps, als Kommandanten einer Sp* Truppeneinheit (tribuni ), auch einmal als General (comes domesticorum) . Allerdings sollte bereits um die Mitte des 4. Jh. der Keim eines unüberwindlichen Widerstandes gelegt werden, der sich gegen Aufstieg und Integration der Offiziersschicht, ihrer Gefolgsleute und letztlich des alamannischen Volkes insgesamt richtete. Er verwehrte ihm bis zum Ende seiner Selbständigkeit in den Jahren nach 500 ein Hinein wachsen in die reichlich vorhandenen Strukturen und Infrastruk­

115 Diese Goldmünze, ein turen des Imperium Romanum. Zusammen mit da­ Solidus Kaiser Konstantins, mals vermutlich noch (zu) stark ausgeprägten Men­ wurde 315 n.Chr. in Pavia talitätsunterschieden zwischen Römern und Ala­ geprägt. Wir sehen beid ­ seits eines Siegeszeichens mannen könnte dies bei letzteren sogar zu einer Ab­ 'n sitzender und trauernder lehnung einzelner, wesentlicher antiker Einrichtun­ Haltung die personifizierte gen und Lebensformen geführt haben. Wie heftig Francia und Alamannia. die Abneigung der mit römischer Zivilisation und 116 Magnentius, Offizier Staatlichkeit noch wenig vertrauten Alamannen ’n Diensten Kaiser Constans, von Anfang an war und sich vermutlich wegen der schwang sich mit Hilfe der kampfstarken Gallienarmee Ereignisse nach 350 noch verstärkte, geht aus einer für die Jahre von 350 bis bei Ammianus Marcellinus (16, 2, 12) nur für die 3S3 zum Kaiser auf und ließ Alamannen bezeugten Eigenheit hervor, die der Hi­ sich natürlich auf eigenen 117 Münzen darstellen. storiker um 356 selbst gesehen hat und für erwäh­ nenswert hielt: Im Eisass würden die Alamannen auch die oberste Gesellschaftsschicht Galliens stan­ 117 Eine um 339 geprägte zwar das offene Land in großem Umfang bewoh­ den, konnte sich auf die von Konstantin d.Gr. auf­ goldene Gedenkmünze ües Kaisers Constantius Um nen und bebauen, aber die dortigen Städte, die op- gebaute schlagkräftige Gallienarmee stützen, in üie bei Stockach gefunden pida von Straßburg, Brumath, Zabern und Selz, mei­ der vor allem reichsrömische und fränkische Offi­ wurde. Ihr Durchmesser den wie mit Netzen umspannte Grabmäler. Städte ziere eine Rolle spielten.12 Im Heer des Constan­ be trägt 3,7 cm, ihr Gewicht 20 g- Sie war wohl Teil einer und urbanes Leben, ein zentrales Element antiker tius II., der den verlorenen Reichsteil seines Bru­ ■•ahresgabe an einen hohen Siedlungs- und Lebensweise, waren dem alaman­ ders zurückzuerobern hatte, dienten auch hohe alamannischen Offizier. nischen Volk offensichtlich ein Greuel.9 alamannische Offiziere, zweifellos mit alamanni­ schen Söldnern. Um eine zweite Front gegen den ihm über Italien In den Wirren der Reichspolitik und Illyrien entgegenziehenden Magnentius auf­ Trotz der erwähnten Münzbilder und eini­ zubauen, griff der Kaiser zu einem Mittel, das ger Inschriften der dreißiger Jahre des 4. Jh., auf für die Geschichte der Grenzprovinzen am Rhein denen interessanterweise nicht Konstantin d.Gr. wie auch für die gesamte alamannische Entwick­ selbst, wohl aber einer seiner Söhne als erster rö ­ lung tiefgreifende Folgen zeitigte: Er ermunterte mischer Herrscher den Ehrentitel Alamannicus, al­ die Alamannen zu Einfällen in das von Magnentius so Sieger über die Alamannen, trägt,10 sind merk­ beherrschte Gallien und sicherte ihnen brief­ würdigerweise für die gesamte erste Hälfte des lich unter Aufhebung bisheriger Abmachungen 4. Jh. durch keine anderen Quellen Kämpfe und zu, dass sie sich dort niederlassen könnten. 13 Dies Siege gegen sie überliefert. 11 Dem entspricht im ar­ wurde bereitwillig aufgenommen, wie die Schrift­ chäologischen Befund die Seltenheit entsprechen­ quellen berichten und archäologisch die vielen der Versteckhorte in den benachbarten Grenzpro­ während der Usurpationszeit 350-353 in den be­ vinzen, die bei größeren Unruhen nicht ausgeblie­ treffenden Grenzzonen verborgenen Münzdepots ben wären. bezeugen. 121 tienser am Bodensee, der Rätien angegriffen haben soll (Ammianus Marcellinus 15, 4,1-13). Erst am 6. November 355 überträgt er den Kampf gegen die Alamannen, die er selbst nach Gallien ge­ rufen hatte, seinem Vetter Julian, den er zum Cae­ sar im Westen ernennt. Sein gallisches Heer besteht zwar weitgehend aus Germanen, aber aus bereits in Gallien angesiedelten Bevölkerungsteilen. Ala- mannische Offiziere spielen hier keine große Rol­ le.15 Julian - zunächst dem Kaiser unterstellt, ab 357 dann eigenständig 16 - gelingt es, vor allem dank einem entscheidenden Sieg bei Straßburg, inner­ halb zweier Jahre die eingedrungene alamannische Bevölkerung aus den Grenzprovinzen zu vertrei ­ 118 Mit Erfolg forderte Con­ ben, obwohl diese sich auf die Zusicherungen des stantius II. die Alamannen seit 350 auf, in Gallien einzu­ Kaisers beruft. Nicht von Constantius II. fühlt sie fallen. Die Karte zeigt die sich verraten, sondern von Julian, der gegen sie Verbreitung der in den Jahren vorging und damit ihrer Ansicht nach gegen Be­ 350-354 im Boden vergrabe ­ nen Münzhorte. Eingetragen fehle und Verträge seines Vetters verstieß. In dieser ist auch der Ort der Ent­ Auffassung musste sie sich bestärkt fühlen, als sich scheidungsschlacht Julians Julian im Jahre 360 gegen Constantius II. erhob, der gegen die Alamannen bei Straßburg im Jahre 357. ihn nicht als Mitkaiser anerkennen wollte.

119 Aufstieg und Niedergang 118 des höheren Offizierskorps alamannischer Abstammung Vom Kaiser verraten Abstieg unter neuen Kaisern im 4. Jh. Oben (blau) die Auch nach der Beseitigung des Usurpators Einigen schriftlichen Nachrichten ist bisher Regierungszeiten der wichtig­ im Herbst 353 gingen die Ansiedlungsprozesse zu wenig Gewicht beigemessen worden. Die darin sten Kaiser der konstantini- sehen Dynastie (306-363), weiter. Wie hätte Constantius II. selbst die Situation erwähnten Ereignisse leiteten nichts anderes ein als der Usurpatoren Magnentius in Gallien befrieden sollen? Sein erster, überaus den Abstieg und die Ausschaltung der alamanni­ (350-353) und Prokop sonderbarer »Kriegszug« gegen die Alamannen schen Offiziere im Reichsdienst mit allen weiterrei­ (365/366) sowie (grün) der führt ihn 354 an den Oberrhein in den Raum um chenden Folgen, wie zeitlich nachfolgende Berich­ valentinianisch-theodosia- nischen Dynastie (364-455). Kaiseraugst, wo er eine eigenartige Rede hält und te zweifelsfrei belegen: Unten die Karrieren der mit den Alamannen, ohne dass gekämpft wird, Als alamannische Offiziere Valentinianus I., dem alamannischen (blau) und Frieden und einen neuen Vertrag schließt (Ammia- neuen Kaiser und ersten Herrscher einer neuen Dy­ fränkischen (grün) Offiziere im Vergleich, mit Angaben nus Marcellinus 14, 10, 1-16). Dennoch schmückt nastie, der am 25. Februar 364 Augustus geworden zu wichtigen Stationen und sich der Kaiser umgehend mit dem Ehrentitel war, noch im selben Jahr am Hof in Mailand ihre Ereignissen. Alamannicus maximus, »größter 400 Sieger über die Alamannen«. 300 330 330 340 360 370 RÖMISCHE KAISER CONSTANTIUS II ■■■■ ■M • PROCOPIUS Auch für die alamannischen • Konstantinische Dynastie • Valentinianisch- Offiziere des Kaisers war die theodosische Dynastie I CONSTANTINUS I • Usurpatoren m iuuanus Lage während des Feldzuges » MAGNENTIUS schwierig. Zum Beispiel wur­ VALENTINIANUS I den Latinus, Agilo und Scudilo, OFFIZIERE MEROBAUDES (1) • Alamannen • GOMOAR BAUTO die man in jenen Jahren hofier­ • Franken te, als trügen sie das Wohl des Heermeister; Feldherr • CHARIETTO (2)

Staates in Händen, 14 verdäch­ COMES tigt, ihre Landsleute durch DOMESTICORUM 'ARBOGAST General RICHOMERES heimliche Boten gewarnt zu • MALLOBAUDES (2) haben (Ammianus Marcellinus DUX; COMES 14,10, 8). Regionalbefehlshaber; • MEROBAUDES (2) Grenzprovinz ­ t VADOMAR Im Frühjahr 355 zieht der Kai­ kommandant 4 • CHARIETTO (1) ser mit seinem obersten Feld­ l TRIBUNUS SCHOLAE > herrn Arbetio erneut nach Nor­ Kommandant einer \ F • MALAKICHUS Palasttruppe den, aber wiederum nicht zur ♦ BONITUS • SCUDIl-O Wiederherstellung der Reichs­ • MALLOBAUDES (l) grenze nach Gallien und gegen TRIBUNUS; PROTEC- * TOR DOMESTICORUM f I1ARIOBAUDES • • B1THER1DUS die dort siedelnden Alaman­ Kommandant einer Truppeneinhe.it I.ANIOGAISUS • • FRAOMARIUS nen, sondern gegen den ala­ TEUTOMERHS • • HORTARIUS 4 0» mannischen Stamm der Len- 119 300 350 361 O 380 120 Vadomar, König der Brisigavi, war vor 365 kurze Zeit Regionalkommandant der Provinz Phönizien. Diese Miniatur aus dem spätantiken Staatshandbuch Notitia digni- tatum zeigt die Insignien des Kommandanten und die in seinem Amtsbezirk gelegenen Städte, rechts unten Palmyra.

121 Auf dieser Miniatur aus der Notitia dignitatum haben wir die Schildzeichen von 16 Abteilungen des spätrömi ­ schen Feldheeres vor uns, in der zweiten Reihe von rechts die Bukinobantes.

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Aufwartung machten, schickte man sie mit gerin­ Exil geschickt hatte. Unter Valens wird Vadomar gen Geschenken weg und verzichtete vielleicht so­ als General gegen Prokop in Bithynien eingesetzt, gar auf ihre Dienste. Dieser Affront erzürnte sie nachdem er anscheinend vorher kurze Zeit dux Foe- aufs äußerste, sie fielen unverzüglich mit anderen nices, Kommandant der Grenzprovinz Phönizien, Völkern, die sie dafür gewinnen konnten, in die war. Noch 373 ist er in Sondermission in Mesopo­ römischen Provinzen ein (Ammianus Marcellinus tamien tätig.18 26,5,6). In der Folge war die ganze Regierungszeit Zu guter Letzt bestätigt eine dritte Nachricht die Valentinians (364-375) mit Kriegen erfüllt. Eine Politik der neuen Dynastie: Seinem von Prokop zweite große Schlacht im Eisass gegen ein gewalti­ und dessen alamannischen Generälen bedrohten ges Aufgebot an Alamannen endete 378 n.Chr. mit Bruder Valens eilt Valentinian 365 nicht zu Hilfe, da dem Sieg des von fränkischen(l) Feldherren befeh­ er den Schutz Galliens für wichtiger hält. Überdies ligten römischen Heeres. erklärt er, dass er das Wohl des Reiches über das Offensichtlich hatte sich Valentinian, zusammen Schicksal seines Bruders stelle. Den Usurpator mit seinem am 28. September 364 zum zweiten Au- Prokop betrachte er zwar als Gegner der neuen Dy ­ gustus erhobenen und als Regent des Ostreiches nastie, die Alamannen im Westen hingegen, die er eingesetzten Bruder Valens, gegenüber den in sei­ seit seinem Offiziersdienst unter Julian kennt, »als nen Augen unzuverlässigen und noch dem einsti­ Feind des ganzen römischen Erdkreises« (hostis to- gen Kaiserhaus anhängenden Alamannen auf eine tius orbis Romani), d.h. als Staatsfeinde (Ammianus gänzlich andere Politik festgelegt.17 Marcellinus 26, 5,12 f.). Bezeichnend für die Kehrtwendung ist auch diese Die völlig andere Politik dieses Kaiserhauses ge­ Nachricht: Als sich im Osten gegen den in Kon­ genüber dem alamannischen Volk wird konse­ stantinopel residierenden Valens am 28. September quent weiterverfolgt. 368 wird König Vithikab, 365 Prokopius, ein letzter konstantinischer Nach­ Sohn und Nachfolger Vadomars, durch Meuchel­ komme, erhoben hatte, machte er die bereits 361 mord beseitigt. Als Fraomar, von Valentinian als von Julian, dem letzten rechtmäßigen konstantini- König von Roms Gnaden über die Bukinobanten schen Kaiser, abgesetzten alamannischen Generäle eingesetzt, sich gegen deren eigenen König Mak- Agilo und Gomoar zu seinen Feldherren. Nach rian nicht durchsetzen kann, wird er 372 als Tribun Prokops Sturz im Frühling 366 sollen beide von Va­ zu einem in Britannien stationierten numerus Ala- lens hingerichtet worden sein, angeblich weil sie mannorum, wohl einer aus Bukinobanten gebilde­ zum Schluss auch noch den Usurpator verraten ten Truppe, abgeschoben. Hortarius, ein weiterer hatten. Tribun alamannischer Abstammung, wird im glei­ Gegen diese beiden scheint Valens einen anderen chen Jahr wegen Landesverrats hingerichtet. hohen alamannischen Offizier, dessen Schicksal In Ammians Werk, das für den Westen bis zum Jah­ uns durch Ammians Werk bekannt ist, eingesetzt re 378 reicht, tauchen in der Zeit nach 364 außer den zu haben. Es ist Vadomar, König der Brisigavi, den bisher genannten keine weiteren alamannischen Julian 361 n.Chr. gefangen und nach Spanien ins Offiziere mehr auf. Die Alamannen waren dem­ 123 nach wenn nicht vom einfachen Heeresdienst, so zieren viele andere sowohl gotischer, wandalischer doch von einer Karriere im Offizierskorps ausge­ oder sonstiger germanischer wie auch nichtgerma­ schlossen worden. nischer Abstammung, die im späteren 4. und im 5. Jh. den eingangs angesprochenen Militäradel bilde­ ten und somit, zusammen mit ihren Angehörigen Folgen der Ausgrenzung und bald auch weiteren Teilen ihrer Völker, im rö ­ Das Bild der Eliminierung nach 364 geht mischen Reich Fuß fassen konnten. nicht etwa auf lückenhafte Quellenlage zurück. Be­ Was die Alamanni angeht, die in Quellen des spä­ reits ab 365 sind fränkische Offiziere in höheren Rän­ ten 4. und früheren 5. Jh. vereinzelt auftauchen, so gen bezeugt, die in der Folge rasch in höchste Posi­ hören wir nach Valentinians Tod von ihnen nur tionen aufsteigen, so Merobaudes, Richomeres, Bau- noch im Kollektiv. Nach 378 ist uns für fast ein­ to, Arbogast und Charietto, die bedeutendsten Feld­ hundert Jahre kein weiterer Alamanne namentlich herren des späteren 4. Jh. Ihren Aufstieg hat man bekannt. Zudem werden Alamanni kaum je als schon immer gesehen, doch sollte man gleichzeitig selbständig handelnd angeführt, sondern fast im­ beachten, wie gezielt ihre alamannischen Vorgänger mer mit anderen Stämmen, vorab den Burgundern oder Konkurrenten durch die valentinianisch-theo- und Franken, die zudem auf der Seite gallischer dosianische Dynastie kaltgestellt wurden. Dies hat­ Usurpatoren stehen. Mehr als ein halbes Jahrhun­ te weitreichende Folgen, denn ein Hineinwachsen dert vergeht, bis wir, zum Jahre 455 und damit ins Imperium Romanum und dessen obere Gesell­ gleich nach dem Erlöschen der valentinianisch- schaftsschichten mit allen Folgen, die eine solche In­ theodosianischen Dynastie, wieder von Alaman­ tegration gezeitigt hätte, wurde den Alamannen nen hören, die von ihrer Heimat aus selbständig verwehrt. Es waren künftig nebst fränkischen Offi­ nach außen aktiv werden.

1 Zur Lokalisierung germanischer Stämme in der frühen und 11 Richtig herausgestellt bei P. A. Barcelö, Roms auswärtige Be­ mittleren Kaiserzeit vgl. R. Seyer in: B. Krüger (Hrsg.), Die ziehungen unter der constantinischen Dynastie (Regensburg Germanen, Band 2 (Berlin 1976) 37 ff. und Karten Abb. 4.5. 1981) 18 ff. - Irreführend und fehlerhaft die Angaben der 2 Zu Germanen im römischen Heer vgl. etwa D. Hoffmann, »Zeittafel« in: Quellen (Anm. 6) 105. - Bereits K.F: Stroheker, Wadomar, Bacurius und Hariulf. Zur Laufbahn adliger und Die Alamannen und das spätrömische Reich. In: W. Müller fürstlicher Barbaren im spätrömischen Heere des 4. Jahrhun­ (Hrsg.), Zur Geschichte der Alamannen (Darmstadt 1975) derts. Museum Helveticum 35,1978,307-318. -K.F. Stroheker, 27 f. sah, dass im Unterschied zu den Franken die Alamannen Germanentum und Spätantike (Zürich/Stuttgart 1965). - in den konstantinischen Panegyrici kaum je erwähnt werden, M. Waas, Germanen im römischen Dienst (Bonn 21971). meinte aber eigentümlicherweise dennoch, die »römische 3 A. Demandt, Der spätrömische Militäradel. Chiron 10, 1980, Propaganda dieser Jahrzehnte (werde) nicht müde, in Pa- 609-636. negyriken, durch Münzprägungen oder plastische Darstel­ 4 Waas (Anm. 2). Der ebd. 84 nur vielleicht als Alamanne ein­ lungen immer wieder die vollständige Niederwerfung der gestufte Gomoar wird hier wegen seiner engen Verbindung Alamannia zu feiern«. mit dem sicheren Alamannen Agilo, insbesondere unter Usur­ 12 Waas (Anm. 2) 89. - Zur Gallienarmee D. Hoffmann, Das pator Prokop (Abb. 6), dem gleichen Stamme zugewiesen, spätrömische Bewegungsheer und die Notitia Dignitatum wofür auch die Namensform spricht. I/II (Düsseldorf 1969/1970) 131 ff. 5 Zu derartigen Fingerringen zuletzt L. Schwinden in: Funde 13 Vgl. vor allem die Zeugnisse bei Libanios, Quellen zur Ge­ und Ausgrabungen im Bezirk Trier 27,1995 (Kurtrierisches Jb. schichte der Alamannen II (Sigmaringen 1978) 12.15 und So­ 35) 39-45. krates, ebd. 55 f. - K. Rosen, Studien zur Darstellungskraft 6 Vgl. dazu nebst M.R. Alföldi, Die constantinische Goldprä­ und Glaubwürdigkeit des Ammianus Marcellinus (Bonn gung (Mainz 1963) vor allem K. Christ, Antike Münzfunde 1970) 105 ff. und A. Demandt, Die Spätantike (München 1989) Südwestdeutschlands (Heidelberg 1960) 154-166 und Taf. C.D. 84. - Um seinen Helden Julian nicht als Rechtsbrecher er­ - Vgl. ferner die Zusammenstellung in: Quellen zur Geschich­ scheinen zu lassen, beschränkt sich Ammianus Marcellinus in te der Alamannen VI (Sigmaringen 1984) 76 ff. und Taf. 4. dieser Sache auf Andeutungen. Vgl. Rosen, ebd. 107 ff. 7 Bei den beiden über der Legende FRANC ET ALAM sitzen­ 14 Waas (Anm. 2) 88. Agilo wurde 360 in einem »unmäßigen Kar­ den, mitunter als Gefangene bezeichneten Figuren handelt es rieresprung« zum Heermeister befördert (ebd. 68). sich eindeutig um (ungefesselte) weibliche Personifikationen 15 Hoffmann (Anm. 12) 131 ff., bes. 201 ff. - Waas (Anm. 2) 89. - der Alamannia und Francia. Nur bei den Münzen mit leicht Es waren bezeichnenderweise Einheiten der Gallienarmee, abgeänderter Legende FRAN ET ALAM scheint die Figur der die sich 360 n.Chr. weigerten, zu Kämpfen im Osten des Rei­ Francia gefesselt zu sein. ches aufzubrechen, da dann ihre Familien wieder schutzlos 8 Zu diesem scheinbaren Widerspruch und Kontrast wichtige den Alamannen als Sklaven dienen müssten (Ammianus Mar­ Überlegungen bei Stroheker (Anm. 2) 14 ff. Dass auf den Mün ­ cellinus 20, 4,10). Vgl. Hoffmann (Anm. 12) 150. zen eine »gerade seit dem frühen vierten Jahrhundert wieder 16 Rosen (Anm. 13) 77 ff. meint, dass Ammianus Marcellinus (16, sehr massive Verherrlichung der Siege über die gefürchteten 1215) noch für 356 n.Chr. einen von Constantius II. und Julian >barbarischen< Feinde des Imperiums« (ebd. 15) festzustellen gemeinsam geführten Zangenangriff überliefere, allerdings sei, trifft nicht zu. erst in einem Nachtrag, um Julians Verdienste zu erhöhen. 9 Aus der zitierten Stelle geht eindeutig hervor, dass sich die 17 Grundsätzliches dazu bereits bei B. Gutmann, Studien zur Abneigung der Alamannen gegen die Städte richtete, nicht römischen Außenpolitik in der Spätantike (364-395 n.Chr.) aber, dass sie anderen römischen Siedlungen wie römischen (Bonn 1991) 9 ff., wo aber auf die Offizierskarrieren nicht ein­ Gutshöfen (viUae rusticae) gegolten hätte, wie man mitunter gegangen wird. noch in neuerer Literatur lesen kann. 18 Hoffmann (Anm. 2) 308 f. 10 Quellen (Anm. 6) 47 ff. Nrn. 61-63 (alle für Constantinus II. als Caesar).