Der lange Weg von der alliierten Besatzung bis zum Europa des 21. Jahrhunderts Die Zweite Republik und die Kunst der Ballhaus-Diplomatie 60 Jahre Zweite Republik ist auch eine höchst span- nende und zudem erfolgrei- che Geschichte öster- reichischer Außenpolitik. Von MICHAEL SPRENGER hat un- längst in einem Interview klar gemacht, dass sie Au- ßenpolitik in erster Linie als europäische Politik verstehe. Sie spricht damit gelassen aus, was sich seit zehn Jah- ren abzeichnet. Mit dem Beitritt Österreichs zur Euro- päischen Union vollzog sich in der Außenpolitik und der Ballhaus-Diplomatie eine Zäsur. Ein Zäsur, die aber keines- wegs so sein müsste, wie es der Innsbrucker Historiker Michael Gehler in einem Gespräch mit der Tiroler Tageszeitung formulierte: „Österreichs Außenpolitik muss mehr sein als EU-Poli- tik." Gehler verweist auf die zahlreichen Erklärungen in punkto Neutralität seitens der Regierung. Die Neutrali- tät habe zwar innerhalb der Europäischen Union ihre Bedeutung verloren, nicht aber außerhalb der EU. Die Neutralität ist für war die personifizierte Außenpolitik der zweiten Republik. Foto: Müller, Repto BÖhm Gehler ein Schlüsselbegriff der österreichischen Außen- Staatssekretär während der tiroler sind somit eine ös- AUSSENMINISTER politik. Mit der Ungarn-Kri- Staatsvertragsverhandlun- terreichische Minderheit in se 1956, also nur ein Jahr gen ein erklärter Gegner der Italien." : Der Tiroler nach Unterzeichnung des Neutralität war. Aber es dürfte auch stim- war vom 20. 9. 1945 Staatsvertrags und der spä- Das Werk beschäftigt sich men, was Botschafter Elmar bis zum 26. November teren Verabschiedung des nicht nur ausführlich mit Gamper, Sohn des früheren 1953 erster Außenmi- Neutralitätsgesetzes, kam es Kreiskys Ost-West-Politik tiroler LH-Stellvertreters nister nach dem Krieg. zur ersten großen diploma- {von den gescheiterten Ver- Hans Gamper, gegenüber : 26. Novem- tischen Bewährungsprobe. mittlungsversuchen in der Gehler erklärte: Nämlich ber 1953 bis 10. Juni Für Gehler wurde angesichts Berlin-Krise, dem Treffen 1959. Der Außenminis- des Umgangs mit dieser Kri- Kennedy-Chruschtschow „Mit der Un- ter des Staatsvertrags. se die Neutralität mit Leben in Wien bis hin zu den Julius Raab: 10. Juni erfüllt. garn-Krise KSZE-Verhandlungen), der wurde die 1959 bis 16. Juli Es wurde so eine Außen- Nord-Süd-Politik (mit der in Neutralität 1959. potitik, die schon bis zur diesem ttuth nui am Rande mit Leben Bruno Kreisky: 16. Juli 1959 bis 19. April Unterzeichnung des Staats- erwähnten Politik des Drei- erfüllt." vertrags im „annus mirabi- gestirns der 70er-Jahre - Pal- 1966. (bis zum Ende lis" eine höchst erfolgreiche me-Brandt-Kreisky) sowie MICHAEL der großen Koalition) war, tatsächlich zu einer Er- der Nahost-Politik, sondern GEHLER Lujo Toncic-Sorinj: 19. folggeschichte ausgebaut. auch ausführlich mit der April 1966 bis 19. Jän- Auf 1300 Seiten präsen- Südtirol-Politik Kreiskys. ner 1968. (VP-Alleinre- tiert der Zeitgeschichtler So fragt sich Gehler dann gierung). die erste umfassende Mo- auch, was letztendlich den dass „der Jude Kreisky" den : 19. nografie zur Außenpolitik Sozialisten veranlasst habe, Eindruck erwecken wollte, Jänner 1968 bis 21. der Zweiten Republik. Im sich für sie sehr katholisch- für die Südtiroler mehr ris- April 1970. (Ende der Zentrum dieses Werks steht konservativen Südtiroler kiert zu haben als „der Tiro- VP-Alleinregierung) Bruno Kreisky wie „eine einzusetzen. Denn kaum ler Gruber". Rudolf Kirchschläger: Lichtgestalt". Kreisky war es, einer wagte es, in der Südti- Eine besonders erfolgrei- 21. April 1970 bis 23. der durch seine Politik die rol-Frage so zielorientiert zu che Außenpolitik (neben der Juni 1974. Beginn der Neutralität in das Bewusst- handeln wie Bruno Kreisky. Staatsvertrags-Delegation SPÖ-Alleinregierung. sein der Bevölkerung tief Laut Gehler galt für Kreisky Raab-Figl-Schärf) betrieben Erich Bielka: 23. Juni eingeschrieben hat. Umso folgende Gleichung: „Süd- neben Kreisky laut Gehler 1974 bis 30. Septem- bemerkenswerter für Geh- tiroler sind Tiroler, Tiroler dann doch auch Gruber und ber 1976. ler, weil Kreisky noch als sind Österreicher. Die Süd- später . Bei Gru- Willibald Fahr: 1. Okto- ber erwähnt Gehler vor al- ber 1976 bis 24. Mai. lem dessen Politik rund um 1983. den Marshall-Plan für Öster- : 24. Mai reich, bei Mock stand sein 1983 bis 10. Septem- erfolgreiches Engagement ber 1984. (SPÖ/FPÖ- für den Weg Österreichs Koalition) nach Europa, aber auch des- : 10. Sep- sen Balkanpolitik im Mittel- tember 1984 bis 15. punkt. Gehler nimmt Mock Juni 1986. auch ausdrücklich vor dem : 16. Vorwurf „eines Kriegstrei- Juni 1986 bis 20. Jän- bers am Balkan" in Schutz. ner 1987. Dafür finde sich kein Beleg. Alois Mock: 21. Jänner Die Geschichte der Au- 1987 bis 8. Mai 1995. ßenpolitik ist im besten Sin- (Großen Koalition II) ne spannende Zeitgeschich- Wolfgang Schüssel: 8. te. Allerdings: Wer soll diese Mai 1995 bis 5. Feber 1300 Seiten lesen? Die kurz 2000. und bündige Antwort des Benita Ferrero-Waldner: Historikers: „Außenministe- 5. Feber 2000 bis 19. rin Ursula Plassnik!" Oktober 2004. (Beginn von Schwarz-Blau) Michael Gehler Österreichs Außenpolitik der Zweiten Republik. Von der alliierten Besatzung Ursula Plassnik: seit 20. bis zum Europa des 21. Jahrhunderte. 1292 Eine Zäsur in der Außenpolitik: die Unterzeichnung des EU- Selten, (zwei Bände Im Schuber) Studien Verlag Oktober 2004. Vertrages durch Franz Vranitzky und Alois Mock. Foto: APA 2005.139 Euro.