Sport

FUSSBALL Schnösel oder Superstar soll bis zur WM 2002 in die Rolle des Anführers der Nationalelf wachsen. Der Sachse, von europäischen Spitzenclubs umworben, ist jedoch beim Publikum umstritten: Zwei Berater bemühen sich um eine Imagekorrektur.

n Wochenenden trägt der Bauinge- aber nicht angewiesen. Je- nieur Stephan Ballack aus Witt- der aus der Familie „kann • Ballack erhielt 1995 beim Agensdorf bei Chemnitz oft Turn- sich sein eigenes Leben Chemnitzer FC seinen schuhe eines amerikanischen Herstellers, leisten“, berichtet Vater ersten Profi-Vertrag; je gern dazu das Polohemd derselben Marke Ballack. Nur leiden alle eine Saison 2. Liga und in Hellblau. Neulich bei einem Besuch in gemeinsam unter dem Regionalliga. , wo der Nike-Konzern ein großes Bild, das sich die Öffent- • 1997 Wechsel zum Konfektionsgeschäft unterhält, hat er sei- lichkeit von der Galions- 1. FC Kaiserslautern, nen Bestand an legerer Garderobe be- figur des Clans macht: trächtlich aufgestockt. Die Ware geht für Michael, der Fußballstar, 16 -Einsätze im ihn unentgeltlich über den Tisch. bekam das Signum eines Meisterjahr 1997/ 98; Stephan Ballack ist nämlich der Vater eingebildeten Schnösels 30 Spiele im zweiten Jahr. eines bekannten Fußballprofis. Und weil aufgeschraubt. • Mit Bayer Leverkusen der Nationalspieler Michael Ballack, 24, Der Vater hält dieses Bundesliga-Zweiter 2000. mit dem Sportartikelhersteller eine Ver- Etikett für „Quatsch mit einbarung getroffen hat, obwohl ihn Ver- Sauce“; Michael Ballack träge mit seinem Club Bayer Leverkusen findet sich „alles andere als arrogant“. Das und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) Imageproblem ist jedoch nicht zu leugnen: zum Tragen von Schuhen der Konkurrenz Der hoch begabte Mittelfeldspieler, längst aus Herzogenaurach verpflichten, dürfen Millionär und mit besten Aussichten auf sich auch seine Angehörigen in den ent- noch lukrativere Verträge der ihn umgar- sprechenden Shops kostenlos bedienen. nenden Großclubs wie Real Madrid oder Bei solchen Gelegenheiten folgt Familie Bayern München gesegnet, gilt als Proto- Ballack einer simplen Strategie: „Zuerst typ des verwöhnten Jungprofis. holen wir uns eine von den ganz großen In kleinen, aber konsequenten Schritten Sporttaschen und werfen später alles hin- avancierte Ballack in deutschen Fußball- ein.“ stadien zur größten Reizfigur neben Bay- Die Ballacks aus Wittgensdorf bei Chem- ern-Kapitän Stefan Effenberg. Für seine nitz haben es zu etwas gebracht. Auf die Kritiker ist der immer perfekt gestylte Le- Erfolge ihres einzigen Kindes sind sie stolz, verkusener, der dieser Tage mit seinen Führungsqualitäten die National- elf bei den Qualifikationsspielen gegen Finnland und Albanien der Nationalspieler Ballack*: Größte Reizfigur der Weltmeisterschaftsteilnahme 2002 näher bringen soll, nämlich zu Kohler oft inniger verehrt als Bewegungs- schön, zu reich, zu kess und zu talente, die eher federnd daherkommen, elegant. kann sich das Problem auswachsen. Mit Das Schicksal des Michael Bal- seinen 1,89 Meter Länge, versucht der ge- lack beginnt mit seiner Körper- bürtige Görlitzer zu kontern, wirke er nun sprache. Seine Aktionen auf dem mal anders als die angeblich so inspirierten Rasen wirken verblüffend unange- Kameraden, „die einssechzig sind und den strengt, zuweilen lässig. In einem Rasen umpflügen“. Land, das Hinlanger wie Jürgen Wenn Ballack den Ball erkämpft, bleibt sein Trikot zumeist sauber. Leverkusens * Links: mit DFB-Kollegen Sebastian Deisler Manager Rainer Calmund hat ihn schon und Teamchef Rudi Völler beim Treffen mit den „kleinen Kaiser“ genannt. Im Nach- jugendlichen Fußballfans am 15. Juni 2000 in hinein ein fatales Lob, auch wenn der Bay- Aachen; oben: beim WM-Qualifikationsspiel

MARKUS GILLIAR / GES GILLIAR MARKUS gegen Griechenland (2:0) am 2. September 2000 er-Mann nur äußerte, was jeder sah: Bal- Jungstar Ballack*: Zukunft beim FC Bayern? in . lacks Haltung bei der Ballführung, insbe-

184 der spiegel 23/2001 WEREK Vorbild Beckenbauer (bei der WM in Mexiko 1970): „Kleiner Kaiser“

plinierungsrhetorik kassiert. dien“ und nur „angeblich unfreiwillig“ in „Er muss sich selbst hinter- der Rolle des Mädchenschwarms. Von ver- fragen: Muss ich nicht mehr öffentlichten Personal-Steckbriefen blieben leisten für den Club?“, die Begriffe Prada, Dolce und Gabana oder mahnte Vogts. Ralph Lauren in Erinnerung. Ins Bild vom selbstgefälli- So zog er für die Story einer Sonntags- gen Yuppie passte auch das zeitung auf Wunsch des Reporters eine De-

ALEXANDER HASSENSTEIN / BONGARTS HASSENSTEIN ALEXANDER Nachspiel: Ballacks schwan- signer-Jacke über. Das gute Stück war nur Bundesliga neben Stefan Effenberg gere Freundin Simone hatte fürs Foto geborgt. Doch zweieinhalb Wo- im VIP-Raum einen Auftritt, chen später nutzte eine – im selben Ver- sondere der stets aufrechte Oberkörper, der Anwesenden vorkam, als wollte sich lag erscheinende – Sportzeitung das Bild, erinnert an den jungen Franz. die geladene Dame bei der Bayer-Ge- um Ballack zu bespötteln („inzwischen in Dumm war, dass Ballack arglos flötete, schäftsführung beschweren – was dum- Gucci-Jäckchen“) und in einer Tabelle der der Vergleich ehre ihn. Jetzt, grollte es merweise umgehend in der Zeitung Nie- angeblich unter Bundesligaprofis meistge- zurück, stelle sich der arrogante Twen derschlag fand. hassten Spieler auf Position drei zu plat- schon mit „Kaiser Franz“ auf eine Stufe. Zu solchen Vorgängen stellt Ballack nur zieren: „Die Kollegen“, behauptete das Und nach formschwachen Darbietungen allgemein fest: „Ich hab immer schon viel Fachblatt, „schütteln den Kopf.“ hieß es bald: „Beckenbauer für Arme“. auf die Büsche gekriegt.“ Über mögliche Manchmal trickst sich der sorglose Sach- Ausgangs der Saison fütterte auch sein Vor- Ursachen seiner Reputation nachzuden- se auch selbst aus. Nach ansprechenden gesetzter Berti Vogts die Kritiker. Der Bay- ken ist er womöglich schlicht zu bequem. Leistungen in der Champions League freu- er-Coach hatte seinen Star in einer Partie Die Tragweite mancher Schlagzeile hat er te sich der Profi von Bayer Leverkusen vorzeitig vom Feld geholt, Ballack die Aus- jedenfalls nicht registriert. „Bild am Sonn- etwa, dass „eine Menge Leute“ zugeschaut wechslung unter Zeugen kommentiert tag“ sah ihn „wie ein Model auf dem Lauf- hätten: „Da ist man ja wie auf dem Prä- („He, was soll denn das?“) und prompt steg“ heranstolzieren, die „Welt“ ortete sentierteller.“ Das mag zwar zutreffen, er- eine Kostprobe Korschenbroicher Diszi- ihn „immer gern im Mittelpunkt der Me- weckt aber den Eindruck, als nutze er die

der spiegel 23/2001 185 Sport

Bühne nur zur Werbung in eigener Sache. man davon, wenn man immer seine Mei- Als etwa der Berliner seinen Berater aus- Als Real Madrid angeblich 40 Millionen nung sagt?“ Olsson hält Ballack für eine tauschte, überraschend von seinem Mön- Mark Ablöse geboten hatte, winkte Bal- „starke Persönlichkeit“ mit „sehr viel Po- chengladbacher Förderer Norbert Pflippen lack ab. Wichtiger sei, „was man selbst ver- tenzial“ für Sponsoren. Bei der jetzt ein- zu Jörg Neubauer überlief, nahm das die dient“. setzenden Akquisition charakterisiert er Szene eher beiläufig zur Kenntnis. Wohl aus diesem Grund verlässt der ihn als „seriös, aber jung und frech“. Ballacks Wechsel von Berater Wolf- meistumworbene deutsche Profi Lever- Dazu, sagt Olsson, passten Produkte aus gang Vöge zu Michael Becker hingegen kusen erst nach Ende der kommenden den Branchen Herrenkosmetik, Mode, Uh- war seinerzeit beim 1. FC Kaiserslautern Saison. Schließlich greift 2002 jene Klau- ren, Auto, Telekommunikation. Für einen gleich ein Politikum. Weil Vöge als Intimus sel in seinem bis 2005 gültigen Arbeits- ersten Werbevertrag wird gerade mit einer des damaligen FCK-Trainers Otto Reh- vertrag, die seinen vorzeitigen Ausstieg Modefirma verhandelt – „keiner Luxus- hagel galt, hatte Ballack bei Vertragsver- gegen Zahlung einer vergleichsweise be- marke, sonst kommt wirklich Neid auf“. handlungen Interessenskonflikte unter- scheidenen Ablösesumme von rund 28 Bei Ballack muss man ja ständig auf der stellt. Millionen Mark erlaubt. Für Profis gilt die Hut sein. So riet Manager Olsson seinem In jenen Tagen weigerte sich Ballack, Faustregel: je geringer die Transfersum- Partner Michael Becker, das Thema Ver- seinen Kontrakt zu verlängern. Fortan ließ me, desto höher das Handgeld, das der einswechsel mit Rücksicht auf die Ver- ihn Rehhagel auf der Reservebank schmo- aufnehmende Verein für den ren und drohte mit seinem Spieler übrig hat. Draht zum damaligen DFB- Der „Hang zum Schnöseli- Teamchef: „Ich rufe Herrn gen“, den etwa Beobachter Ribbeck an, dass er Sie auch von „Sport Bild“ bei Ballack aus der Nationalelf nimmt.“ entdeckten, ist oft nur ein Ballack wechselte für acht Hang zur eigenen Meinung. Millionen Mark Ablöse nach Nach der missratenen Europa- Leverkusen, wählte – „um ein meisterschaft 2000, bei der er bisschen zu provozieren“ – die bloß 63 Minuten zum Einsatz Rückennummer 13, die zuvor kam, teilte er mit, die Veran- Bayer-Idol Rudi Völler getra- staltung habe ihm nun „wirk- gen hatte, und verletzte sich lich nichts gebracht“. Das war erst mal schwer am Knie. wahr, klang aber in der natio- Nach der Genesung ar- nalen Katastrophenstimmung beitete er sich ungerührt in ziemlich egozentrisch. die Chefrolle vor. Für Vater In der allgemeinen Manö- Stephan Ballack ist das ein verkritik nach der EM geriet weiterer Beleg für die „wun-

Reservist Ballack zeitweilig so- VERLAG KS derbare Gabe“ seines Sohnes, gar zum Musterprügelknaben, Leverkusener Profi Ballack, Freundin Simone: „Genau auf der Kippe“ aus Krisen „gestärkt wieder weil Teamkamerad Christian rauszukommen“: Der Michael Ziege ein Einstellungsproblem bei der marktung „endlich einzubremsen“. An- sei zum Glück „keiner, der sich übermäßig Nachwuchskraft festgestellt haben wollte: dernfalls entstehe noch der Eindruck, der viele Gedanken macht“. „Dem kann man nichts mehr sagen. Der ist Spieler werde überall angeboten, „und Dass ihm eben diese Gabe zuweilen als schon Weltmeister.“ Ziege, glaubt Ballack, dann kauft ihn keiner“. Gleichgültigkeit ausgelegt wird, überrascht habe bloß ein Trainings-Zweikampf auf- Wahr ist, dass diverse Offerten vorlie- ihn selbst nicht mehr. Als Ballack im Vor- geregt. „Ich hab ihn wohl umgemäht. Sagt gen. Berater Becker sieht die Sache ganz jahr beim Bundesliga-Finale mit einem Ei- er: Spinnst du? Sag ich: Halt’s Maul, was entspannt. Bis zum Winter werde sich der gentor in Unterhaching die 0:2-Niederlage willst du?“ Mandant erklären, wirtschaftlich könne der einleitete, die Bayer den Meistertitel kos- Dass Ballack den Ressentiments gern mit Absolvent des Chemnitzer Sportgymnasi- tete, hätte ihn die Öffentlichkeit wohl gern Rechtfertigungsversuchen begegnet, ändert ums „in seiner Karriere keinen Fehler ungezügelt weinen sehen. Ballack hat sich noch nichts am Image. Doch nun, da er zu mehr machen“: Denn ob Ballack für einen „keinen Vorwurf gemacht“. Zu Beginn der den Eckpfeilern der deutschen Nationalelf Fünf-Jahres-Vertrag 30 oder 35 Millionen folgenden Saison spielte er so gut wie nie bis zum Weltmeisterschaftsturnier 2006 im Gehalt bekomme, mache keinen Unter- zuvor. eigenen Land zählen dürfte, kümmern sich schied. „Er kann allein nach sportlichen Die Fähigkeit zurückzuschlagen hat gleich zwei persönliche Berater um die so Aspekten entscheiden.“ So macht der sich Ballack erarbeitet. Schon als er verheißungsvolle Karriere: Einer, der in Markt genügsam. von der Betriebssportgemeinschaft Motor Luxemburg ansässige Anwalt Michael Wahrscheinlich ist, dass Ballack nach der Karl-Marx-Stadt zum Chemnitzer FC ge- Becker, hält den Kontakt zu den Clubma- WM 2002 zur Renovierung des FC Bayern wechselt war, machte der damals schmäch- nagern, die Ballack verpflichten möchten; München beiträgt. Gemeinsam mit Jungstar tige Libero Überstunden im Kraftraum. der andere, der Schwede Peter Olsson, Sebastian Deisler von Hertha BSC Berlin Mit 16 musste er wegen einer Knieverlet- sucht mögliche Werbepartner. soll er nach den Vorstellungen der Bayern- zung fast ein Jahr pausieren. Mit 18 Olsson, der einst den smarten Torjäger Chefs das Münchner Mittelfeld beleben. spielte er für Chemnitz schon in der in die Position des Werbe- Auch Vermarkter Olsson fände das „ideal“. 2. Liga. königs unter den deutschen Nationalspie- Deisler, 21, ist Deutschlands zweite Hoff- Der lässige Hobbygolfer Ballack sieht lern hob, sieht seinen jungen Klienten der- nung für die WM 2006, aber bislang noch sich folgerichtig als Kämpfer. Nur macht er zeit „genau auf der Kippe“. Entscheidend nie angeeckt wie sein Leverkusener Kol- sich keinen Stress. Denn „unter Stress sei, dass Ballack „dieses Label wegkrie- lege. Teenie-Star „Basti“ Deisler, Nachfol- macht man Fehler“, hat er ermittelt, „und gen“ könne – gemeint ist das Siegel, ein ger des Münchners als be- wenn man die Fehler minimiert, ist man blasierter Beau in kurzen Hosen zu sein. vorzugter Cover-Boy von „Bravo Sport“, vorne“. Dieser Ruf gefährdet den Aufstieg. werden Fehltritte verziehen – so als wäre Nörgler nennen das dann arrogant. Va- Der Vermarkter rät zur Zurückhaltung er ein noch nicht prozessfähiger Heran- ter Ballack nennt das „obercool“. gegenüber der Öffentlichkeit: „Was hat wachsender. Jörg Kramer

186 der spiegel 23/2001