SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 07. 11. 1961

3

7. November 1961: Fraktionssitzung

AdsD, SPD-BT-Fraktion 4. WP, Ord. 28.௔9. 61 – 20.௔2. 62 (alt 1030, neu 3). Überschrift: »SPD-Fraktion im . Protokoll der Fraktionssitzung vom 7. November 1961«. Anwesend: 183 Abgeordnete. Prot.: Eichmann. Zeit: 14.00 – 15.30 Uhr.

Beginn der Sitzung: 14.00 Uhr gedenkt zu Anfang der Sitzung in ehrenden Worten des verstorbe- nen Genossen Kurt Pohle.1 Zu Punkt 1 der Tagesordnung: Erich Ollenhauer gibt eine gedrängte Darstellung über die letzte Entwicklung der Koalitionsverhandlungen und erläutert noch einmal kurz den Standpunkt der Partei. Er weist in diesem Zusammenhang auf die während der Sitzung noch andauernden Ge- spräche über die Frage des Stimmrechts der Berliner Abgeordneten bei der Kanzler- wahl hin. Er unterstreicht die prinzipielle Forderung der Fraktion nach vollem Stimm- recht der Berliner Abgeordneten, hält es aber nach Lage der Dinge für zweckmäßig, sich mit dem Ergebnis der Beratungen im Ältestenrat einverstanden zu erklären.2 Sodann erläutert Erich Ollenhauer den Zweck der Plenarsitzung am Mittwoch, in der über die Konstituierung derjenigen Ausschüsse, die unbedingt in der nächsten Zeit arbeitsfähig sein müssen, beraten werden soll.3 In der Aussprache wenden sich Willy Könen, Heinrich Ritzel, Werner Jacobi und Franz Neumann gegen die Ausgabe der Stimmzettel für die Kanzlerwahl in den Frak- tionsräumen. Herbert Kriedemann und Heinrich Ritzel regen an, die Stimmzettel der Fraktion an das Präsidium zurückzugeben. begründet die Haltung des Fraktionsvorstandes zu dieser Frage und macht geltend, daß die bei der heutigen Kanz-

1 Kurt Pohle, MdB seit 1949, Mitgl. des Parteivorstandes, war am 3. 11. 1961 gestorben. 2 Zur Einschränkung des Stimmrechts der Berliner Abgeordneten u. a. bei der Wahl des Bundeskanz- lers vgl. RITZEL/BÜCKER, S. 7-14; DATENHANDBUCH 1949-1982, S. 798 f. Die Einschränkungen gingen auf die Vorbehalte der alliierten Militärgouverneure zurück, die diese bei der Genehmigung des Grundgesetzes am 12. 5. 1949 ausgesprochen hatten. Die Vorbehalte wurden mit Art. 2 und 6 des Deutschlandvertrages vom 26. 5. 1952 i. d. F. vom 23. 10. 1954 und mit dem Schreiben der Hohen Kommissare vom 23. 10. 1954 aufrechterhalten. - Nach »einer längeren Erörterung« in der interfrak- tionellen Besprechung am 7. 11. erklärte Bundestagspräsident Gerstenmaier »mit Zustimmung der Fraktionsvertreter, er werde dem Haus bei der Bekanntgabe des Wahlmodus mitteilen, daß ein gro- ßer Teil des Hauses ihm gegenüber sein lebhaftes Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht hat, daß die Stimmen der Berliner Mitglieder des Hauses im Ergebnis der Wahl nicht berücksichtigt werden könnten. Er schließe sich diesem Bedauern an, sei aber nicht in der Lage, das aus der Kompetenz sei- nes Amtes heraus zu ändern«. »Vermerk über die interfraktionelle Besprechung« am 7. 11. 1961, Parl. A., 4. WP, Ältestenrat, Bd. 1. Im Plenum gab Gerstenmaier die fast wortgleiche Erklärung am 7. 11. 1961 ab. BT Sten. Ber. 50, S. 9. 3 Es ging um die vorrangige Einsetzung folgender Ausschüsse: Auswärtiger-, Gesamtdeutscher-, Verteidigungs-, Sozialpolitischer- und Haushaltsausschuß. Vgl. »Vermerk über die interfraktionelle Besprechung« am 4. 11. und am 7. 11. 1961, Parl. A., 4. WP, Ältestenrat, Bd. 1. Das Plenum befaßte sich mit einer vorläufigen Konstituierung einzelner Ausschüsse erst am 29. 11. 1961; BT Sten. Ber. 50, S. 21; vgl. auch Nr. 5.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 1 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 07. 11. 1961

lerwahl praktizierte Lösung in Bezug auf die Geheimhaltung einige Vorteile bietet.4 hält eine Diskussion über diese Frage für verfehlt und verlangt Been- digung der Diskussion. Fritz Baade regt an, daß auf jeden Fall bei der Verkündung des Abstimmungsergebnis- ses bei der Kanzlerwahl das Votum der Berliner Abgeordneten zum Ausdruck kommt.5 Außerdem beanstandet er die nicht fristgerechte Einberufung des Bundestages.6 Erich Ollenhauer stellt klar, daß auf jeden Fall im Abstimmungsergebnis das Votum der Berliner Abgeordneten zum Ausdruck kommt, hält es aber für inopportun, die formell nicht fristgemäße Einladung zum Gegenstand einer Debatte zu machen. Zu Punkt 2: Hans Merten schlägt der Fraktion die Zustimmung zur Nominierung Hellmuth Guido Heyes zum Wehrbeauftragten vor und begründet den Vorschlag kurz.7 In der Aussprache verlangt Wilhelm Michels eine eingehendere Darstellung der Grün- de, warum man Heye vorschlägt.8 Fritz Erler gibt im Anschluß daran noch einmal eine kurze Würdigung der Person Heyes und setzt sich nachdrücklich für dessen Nominie- rung ein, da sonst bei einer weiteren Vertagung ein »Austrocknen« der Institution des Wehrbeauftragten zu befürchten ist. Die Fraktion stimmt mit Mehrheit der Nominierung zu. Zu Punkt 3: Hans Merten erläutert die beiden Kleinen Anfragen. In der Aussprache schlägt Elinor Hubert vor, von der Kleinen Anfrage »betr.: Die vorläufige Festnahme in der Bundeswehr durch fesseln eines Soldaten an einen Baum« vorläufig Abstand zu nehmen, bis der Sachverhalt durch die Dienststelle des Wehrbe- auftragten klar gestellt ist.9 Fritz Erler nimmt den Diskussionsbeitrag von Elinor Hu-

4 § 4, Abs. 2 der GO bestimmte nur, daß die Wahl des Bundeskanzlers »mit verdeckten Stimmzetteln« zu erfolgen habe; AMTLICHES HANDBUCH 4, S. 106. 5 So geschehen; BT Sten. Ber. 50, S. 10. Vgl. auch Anm. 2. 6 Die Einberufung des Bundestages wurde durch Art. 39 GG und § 25 der GO geregelt. Der Bundes- tagspräsident war danach u. a. zur Einberufung verpflichtet, wenn ein Drittel der Abgeordneten dies verlangten. Ollenhauer hatte mit einem Schreiben an Bundestagspräsident Gerstenmaier am 3. 11. 1966 unter Bezugnahme auf Art. 39 GG die Einberufung des Bundestages zum 8. 11. 1961 gefordert, um dessen Aktions- und Arbeitsfähigkeit nicht zu verzögern. Wortlaut in: Die SPD-Fraktion teilt mit Nr. 208/61 vom 3. 11. 1961. Vgl. AdG 1961, S. 9442. »Vermerk über die interfraktionelle Bespre- chung« am 4. 11. 1961, Parl. A., 4. WP, Ältestenrat, Bd. 1. 7 Der erste Wehrbeauftragte Helmuth von Grolmann war am 14. 7. 1961 zurückgetreten. CDU/CSU, SPD und FDP verständigten sich auf einen gemeinsamen Wahlvorschlag Heye; BT Anl. 76, Drs. IV/6. Er wurde am 8. 11. durch Akklamation zum neuen Wehrbeauftragten gewählt. BT Sten. Ber. 50, S. 11. - Vizeadmiral a. D. Hellmuth Guido Alexander Heye (1895-1970), MdB (CDU) 1953-1961, Mitgl. des Verteidigungsausschusses, nach eigenen Angaben »aktiver Marineoffizier bis 1945, zuletzt Kommandant des Schweren Kreuzers Admiral Hipper, Chef des Stabes der Flotte und Befehlshaber der Klein-Kampfverbände«; AMTLICHES HANDBUCH 3, S. 199. 8 Für Heye hatte sich besonders der SPD-Abgeordnete Paul eingesetzt, u. a. weil Heye »im Verteidi- gungsausschuß eine sehr sachkundige und unabhängige Meinung vertreten hatte«. , in: Abgeordnete, Bd. 2, S. 171 f. und weiteren Angaben über die Hintergründe der Nominierung Heyes. Vgl. ferner Johann CRAMER, in: Abgeordnete, Bd. 1, S. 290, er habe Heye für »sehr geeignet« gehal- ten. 9 Die Anfrage bezog sich auf eine entsprechende Meldung von »Bild am Sonntag« vom 22. 10., die Anfrage wurde am 7. 11. 1961 eingebracht. BT Anl. 76 Drs. IV/11. Die zweite der Fraktion vorlie- gende Anfrage, datiert auf den 2. 11., betraf die »Verlängerung der Dienstzeit der Soldaten auf Zeit

Copyright © 2017 KGParl Berlin 2 SPD – 04. WP Fraktionssitzung: 07. 11. 1961

bert zum Anlaß, darauf hinzuweisen, daß die Kleinen Anfragen nicht mehr Gegenstand einer Diskussion in der Fraktion sein sollten, da ihnen kein größeres Gewicht beige- messen werden kann. Zu Punkt 4: Erich Ollenhauer gibt die nächsten Sitzungstermine bekannt: Vorstandssitzung am Dienstag, den 14. November 1961 um 15.00 Uhr, Fraktionssitzung am Mittwoch, den 15. November 1961 um 9.30 Uhr. Zu Punkt 5: Walter Seuffert regt an, den Fall Vracaric10 zum Gegenstand einer parlamentarischen Anfrage zu machen. Fritz Erler hält dies im Augenblick nicht für notwendig, da laut DPA Prof. Friedensburg11, CDU, bereits eine Anfrage eingebracht hat.12 Ende der Sitzung 15.30 Uhr Bonn, den 8. November 1961 Protokoll: Herbert Eichmann

um 3 Monate und Einberufung der Wehrpflichtigen zu einer 3 Monate dauernden Wehrübung im Anschluß an den Grundwehrdienst«. Sie wurde am 7. 11. 1961 eingebracht. Ebd. Drs. IV/10. 10 Der jugoslawische Staatsangehörige Vracaric war auf Grund eines Fahndungsersuchens deutscher Behörden von 1941 in der Bundesrepublik verhaftet worden. Zu den Einzelheiten vgl. die Antwort des BMJ Stammberger vom 1. 12. 1961 auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion. BT Anl. 76, Drs. IV/47. 11 (1886-1972), MdB (CDU) 1. 2. 1952-1965, 1946-1951 Bürgermeister in Berlin, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. 12 Friedensburg hatte keine Anfrage eingebracht. Am 16. 11. 1961 reichte die SPD-Fraktion dann eine Kleine Anfrage zum Fall Vracaric ein; BT Anl. 76, Drs. IV/21. Zur Beantwortung durch den BMJ siehe Anm. 10.

Copyright © 2017 KGParl Berlin 3