Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS Service d’enquête sur les accidents des transports publics SEA Servizio d’inchiesta sugli infortuni dei trasporti pubblici SII

Markus Beer, 13. Oktober 2006

Reg. Nr. 06060201

Schlussbericht der Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe

Regionalverkehr Mittelland (RM) Personenunfall bei Zug 3421 auf dem Bahnübergang Helisbühl von Freitag, 02. Juni 2006 in 3671 BE

Markus Beer Bundeshaus Nord 3003 Tel. +41 31 323 00 75, Mobile +41 79 415 58 41 Fax +41 31 322 55 17 [email protected] www.uus.admin.ch

Dieser Bericht wurde ausschliesslich zum Zweck der Verhütung von Unfällen beim Betrieb von Eisenbahnen, Seilbahnen und Schiffen erstellt. Die rechtliche Würdigung der Umstände und Ursachen von Unfällen ist nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung gemäss Art. 25 der Verordnung über die ‘Meldung und Untersuchung von Unfällen und schweren Vorfällen beim Betrieb öffentlicher Verkehrsmittel’ (VUU, SR 742.161).

0. ALLGEMEINES 0.1 Kurzdarstellung Am Freitag, 2. Juni 2006, ca. 06.45 Uhr, erfasste ein Zug des Regionalverkehrs Mit- telland (RM) in Herbligen einen Radfahrer, der kurz vor einer geschlossenen Bahn- schranke gestürzt war und unmittelbar neben der Bahnschiene liegen blieb. Der Mann zog sich dabei tödliche Verletzungen zu.

0.2 Untersuchung Die Unfalluntersuchungsstelle UUS wurde um 07.03 Uhr durch die Meldestelle der REGA über das Ereignis informiert. Der Unfalluntersuchungsleiter der UUS rückte unverzüglich an den Ereignisort aus.

1. FESTGESTELLTE TATSACHEN 1.1 Vorgeschichte Nach den Aussagen des Lokführers verlief die Zugvorbereitung 3421 in ohne Probleme. Alle Bremsen und die Sicherheitseinrichtungen waren eingeschaltet und funktionierten einwandfrei. Die Zugspitze (drei weisse Lichter) und der Zugschluss (zwei rote Lichter) waren vorschriftsgemäss gekennzeichnet. Einzig am Fahrgastinformationssystem RAILVOX musste ein Reset durchgeführt werden.

1.2 Fahrverlauf Zug 3421 Nach den Angaben des Lokführers verlief die Fahrt von Thun (Abfahrt 06.33 Uhr) bis Brenzikofen normal. Das Ausfahrsignal B22 in Brenzikofen signalisierte Freie Fahrt (Fahrbegriff 1). Nach der Ausfahrt stellte er ca. 150-200 Meter vor dem Bahnüber- gang Helisbühl, Bahn-km 25.272, fest, dass dort ein Gegenstand im Lichtraumprofil lag.

Reaktion Lokführer:

- Elektrische Bremse auf den Maximalwert aufgesteuert - Person im Lichtraumprofil erkannt - Unverzüglich eine Schnellbremse eingeleitet und ein - Achtungssignal mit der Lokpfeife abgegeben

Weiter geschah folgendes:

- Einen gestürzten Radfahrer erkannt - Der Körper lag regungslos rechts neben der rechten Schiene - Der Kopf lag rechts an der Schiene - Rotes Velo unter der rechten geschlossenen Bahnschranke erkannt - Keine Chance den Zug vor dem gestürzten Radfahrer anzuhalten - Beim Passieren des Bahnübergangs kollidierte die Zugskomposition mit der Per- son und es gab vorne rechts einen kleinen Schlag - Anschliessend kam die Zugskomposition 75 Meter nach dem Bahnübergang zum Stillstand

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Nach dem Halt:

- Warnsignal an der Zugsspitze eingeschaltet - Die Fernsteuerzentrale Hasle-Rüegsau und die Lokleitung Burgdorf über das Er- eignis verständigt - Fahrgäste im Zug informiert

1.3 Fahrverlauf Radfahrer Nach den Angaben im Polizeirapport fuhr der Radfahrer auf der abfallenden Neben- strasse (mittlere Neigung im Aufnahmebereich 8%) von Helisbühl in Richtung Herbli- gen. Unmittelbar vor der geschlossenen Bahnschranke kam er zu Fall und schlug mit dem Kopf auf der Strasse auf und blieb unmittelbar neben der Bahnschiene liegen. In der Folge wurde der gestürzte Radfahrer vom Regioexpress aus Thun erfasst und ei- nige Meter weggeschleudert. Der Mann zog sich dabei tödliche Verletzungen zu.

1.4 Personenschäden Bahnpersonal Reisende Drittpersonen Leicht verletzt: ------Schwer verletzt: ------Tödlich verletzt: -- -- 1

1.5 Sachschäden am Rollmaterial Keine

1.6 Sachschäden an der Infrastruktur Keine

1.7 Sachschäden Dritter Keine

1.8 Beteiligte Personen - Lokführer - Radfahrer

1.9 Schienenfahrzeuge Pendelzug: RBDe 566 241-6 (bedient) B 50 38 20-34 516-6 ABt 50 38 39-33 941-6

Eigentümerin: Regionalverkehr Mittelland AG (RM) Bucherstrasse 1-3 CH-3401 Burgdorf

Zugdaten: 3421 Thun-Solothurn Zugreihe R Bremsverhältnis 125 % V max. 125 km/h Gesamtgewicht 152 t Länge 76 m

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1.10 Strassenfahrzeuge Fahrrad des verunfallten Radfahrers.

1.11 Wetter Stark bewölkt, Morgendämmerung.

Sichtverhältnisse Normale Sichtverhältnisse.

Schienzustand Trockener und guter Schienzustand.

1.12 Bahnsicherungssysteme Bahnhof Brenzikofen Der Bahnhof Brenzikofen ist mit einer Sicherungsanlage Domino 69 mit Zwergsigna- len ausgerüstet.

Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272 Der Bahnübergang ist mit einer Schrankenanlage, bestehend aus Schlagbäumen und Blinklichtsignalen beidseits des Bahntrassees sowie einem akustischen Signal gesi- chert. Das korrekte Funktionieren der Schrankenanlage ist in den Ausfahrsignalen B der Si- cherungsanlage Brenzikofen überwacht. Die betreffenden Signale können nur auf Fahrt gestellt werden, wenn die Blinklichtsignale und die Schlagbäume störungsfrei funktionieren.

1.13 Funkverkehr Der Lokführer verständigte die Fernsteuerzentrale Hasle-Rüegsau über das Ereignis. Die Funkgespräche werden aufgezeichnet.

1.14 Bahnanlagen Der Bahnübergang Helisbühl befindet sich auf einem einspurigen Abschnitt des Bahnhofs Brenzikofen in Richtung . Parallel zum Ausfahrgleis führt ein Anschlussgleis zum Tanklager Herbligen.

1.15 Fahrdaten Der Triebwagen RBDe 566 241-6 ist mit einer Geschwindigkeitsmessanlge TRAS ausgerüstet. Die Fahrdaten werden elektronisch aufgezeichnet und auf einer Memory Card gespeichert. Die Auswertung erfolgte durch den Unfalluntersuchungsleiter der UUS. Die Auswertung ergab: - Die erreichte Geschwindigkeit vor dem Ereignis betrug 71 km/h (erlaubt 90 km/h) - Dass ein Achtungssignal mit der Lokpfeife registriert ist - Dass bei ca. 70 km/h eine Schnellbremsung eingeleitet wurde - Einen Anhalteweg von rund 137 Meter.

1.16 Befunde am Rollmaterial An der Pendelzugskomposition waren keine technischen Probleme vorhanden. Alle Bremsen und die Sicherheitseinrichtungen waren eingeschaltet und funktionierten einwandfrei. Nach den Aussagen des Lokführers verlief die Fahrt von Thun bis zum Ereignis störungsfrei.

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1.17 Medizinische Feststellungen Beim Lokführer waren keine Hinweise in Bezug auf medizinische Beschwerden vor- handen.

1.18 Feuer Es brach kein Feuer aus.

1.19 Ueberlebensmöglichkeiten Aufgrund der festgestellten Tatsachen hatte der Radfahrer keine Überlebenschancen.

1.20 Arbeits- und Ruhezeiten Keine Beanstandungen.

1.21 Information über Organisation und Verfahren Beim Zug 3421 handelt es sich um einen im offiziellen Fahrplan veröffentlichtes Re- gioexpress Thun-Solothurn. Fahrplanmässige Abfahrt in Thun um 06.33 Uhr. Die Sicherungsanlage des Bahnhofs Brenzikofen wurde zurzeit des Ereignisses ört- lich bedient.

1.22 Verschiedenes Die Spurensicherung erfolgte durch den Unfalltechnischen Dienst der Kantonspolizei Bern.

2. BEURTEILUNG 2.1 Technischer Zustand des Rollmaterials - Die technische Kontrolle der am Ereignis beteiligten Schienenfahrzeuge ergab keine Beanstandungen - Alle Bremsen sowie die Sicherheitseinrichtungen waren eingeschaltet und funktio- nierten einwandfrei

2.2 Technischer Zustand des Fahrrads Das Fahrrad war nach Auskunft der Polizei technisch in einem guten Zustand.

2.3 Technischer Zustand der Bahnanlagen - An der Sicherungsanlage des Bahnhofs Brenzikofen Domino 69 mit Zwergsignalen lag bei der Durchfahrt von Zug 3421 keine Störung vor. Das Ausfahrsignal B22 signalisierte Freie Fahrt (Fahrbegriff 1). - Die technischen Einrichtungen der Schrankenanlage Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272, funktionierten bei Zug 3421 einwandfrei - Zum Zeitpunkt des Ereignisses wurden an der Sicherungsanlage keine manuellen Eingriffe oder Arbeiten ausgeführt.

Die Bedingungen nach Art. 37c AB-EBV, Blatt Nr. 3, Abs. 32 Schrankenanlage sind erfüllt (siehe Anlage 5.6).

2.4 Betriebliches Die Auswertung der Fahrdaten ergab, dass der Lokführer:

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- Die max. Geschwindigkeit von 90 km/h nicht überschritten hatte - Ein Achtungssignal mit der Lokpfeife abgegeben hatte - Die Schnellbremsung mit ca. 70 km/h eingeleitet hatte

Der Anhalteweg des Zuges betrug rund 137 Meter (siehe Anlage 5.5).

Aufgrund der Auswertung hatte der Lokführer nach dem „Erkennen des Gegenstan- des“ im Lichtraumprofil korrekt reagiert. Sein Verhalten gibt zu keinen Beanstandun- gen Anlass.

2.5 Strassenseitig Der Bahnübergang Hehlisbühl, Bahn-km 25.272, ist nach Art. 93 SSV (SR 741.21) korrekt signalisiert.

3. SCHLUSSFOLGERUNGEN 3.1 Befunde - Die technische Kontrolle am Rollmaterial und am Fahrrad führten zu keinen Bean- standungen - Die Bahnsicherungsanlagen funktionierten einwandfrei - Der Lokführer hatte korrekt reagiert

3.2 Ursache Sturz des Radfahrers vor den geschlossenen Bahnschranken.

4. SICHERHEITSEMPFEHLUNGEN Keine

5. ANLAGEN

5.1 Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272, aus Sicht des Radfahrers

5.2 Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272, aus Sicht des Lokführers

5.3 Planauszug der Sicherungsanlage Brenzikofen mit Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272

5.4 Streckentabellen RADN Thun-Burgdof, Seiten 11 und 12

5.5 Auswertung der Fahrdaten

5.6 AB-EBV Art. 37c, Blatt Nr.3, Abs. 32 Schrankenanlage

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Die Untersuchung wurde von Markus Beer geführt.

Bern, 20. November 2006

Unfalluntersuchungsstelle Bahnen und Schiffe UUS

Markus Beer Unfalluntersuchungsleiter

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5.1 Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272, aus Sicht des Radfahrers

Radfahrer

Fahrtrichtung

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5.2 Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272, aus Sicht des Lokführers

Zug 3421

Fahrtrichtung

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5.3 Planauszug der Sicherungsanlage Brenzikofen mit Bahnübergang Helisbühl, Bahn-km 25.272

Fahrtrichtung Zug 3421 Fahrtrichtung Radfahrer

Brenzikofen

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5.4 Streckentabellen RADN Thun-Burgdof, Seiten 11 und 12

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5.5 Auswertung der Fahrdaten

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5.6 AB-EBV Art. 37c, Blatt Nr.3, Abs. 32 Schrankenanlage

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