33. internationale filmfestspiele berlin

13. internationales berlin forum 19.2.—1.3. des jungen films 1983

HEAVEN'S GATE Spezialeffekte Paul Stewart, Ken Pepiot, Stan Parks, Himmcispforte Sam Price, Jim Camomile, Kevin Qui bell

Srunt-Koordinauon Buddy van Horn Land USA 1980 Titel Wayne Fitzgerald Produktion United Artists (Joann Carelli) Aufnahmeleitung Alan Curtiss, Joe Stanley Produktion-Koordina• egie. Buch Michael Cimino tion Nanette Sigert, Lynda Karjola Leitung der Nachpro• duktion Kamera Vilraos Zsigmond, Jan Kiesser Denis O'Dell, Charles Okun, William Reynolds Musik David Mansfield Produktionsleitung Denis O'Dell, Charles Okun, Eleanor Fazan Choreographie Bob Grand, Peter Price Ausstattung Tambi Larsen, Spencer Deverill, Maurice Fowler Darsteller Bauten Jim Berkey, Josie MacAvin Averül Kris Kristofferson Ton James J. Klinger Champion Christopher Walken Kostümentwurf Allen Highfill Irvine John Hurt Canton Sam Waters ton Kostüme (Frauen) Sandy Berke Mr. Eggleston Brad Dourif Kostüme (Männer) Laurie Riley Ella IsabeUe Huppert Frisuren Mary Keats, Vem Caruso Der Geistliche u. Arzt Joseph Cot ten John H. Bridges Jeff Bridges Maske Ben Nye, Tom Burman Wolcott Ronnie Hawkins Schnitt Tom Rolf, William Reynolds, Major Lezak Paul Koslo Lisa Fruchtman, Gerald Greenberg Trapper Geoffrey Lewis Cully Richard Masur Regieassistenz Michael Grillo, Brian Cook, Schönes Mädchen Roseanne Vela Michael Stevenson, Terry Needham, Nell Mary C. Wright Dennis Capps, Richard Graves Kleiner Mann Nicholas Woodeson Kameraass tistenz Michael Gershman, Eric Engler, Großer Mann Stefan Shcherby Ken Nishino Photograph Waldemar Kalinowski Tonassistenz Skip MacDonald, James J. Klinger Captain Minardi Terry 0*Quinn Morrison John Conley Schnittassistenz Ralph Sandler, Jose Torres Mrs. Eggleston Margaret Bcnczak Tonschnitt Richard W. Adams, Tom McCarthy Kopcstonsky James Knobeloch Mrs. Kopcstonsky Erika Petersen Tonschnittassistenz Penelope Shaw, Michael E. Polakow, Mrs. Lezak Robin Bartlett Mellissa Bretherton Jake Tom Noon an .Musikschnitt Bill Saracino Russischer Kaufmann Marat Yusim Mischung Darin Knight Mr. Kovach Aivars Smits Mrs. Kovach Gordana Rashovich Zusätzliche Choreo• Söldner im neuen graphie Tad Tadlock Anzug Jarlath Conroy Zusätzliche Kamera Doug Digoia, Jeff Gershman, Dudley Allen Keller John Harris, Paul Gilbert, Stefka Caroline Kava Ray de la Motte, Herb Lightman, Kathia Mady Kaplan Kelvin Pike, Paul Pollard, Joseph Steuben, Die kleine Dot Anna Levine Lazlo Regos Jessie Pat Hodges Nick Ray Mickey Rourke Musikarrangements David Mansfield Arapaho Brown Kevin McClarnon Musikalische Uber- Deutscher Kaufmann Kai Wulff wachung Tschechischer Kauf• Joan Carelli Scriptüberwachung mann Steve Majstorovic June Samson, Sally Jones Zindels Verkäufer Gabriel Walsh Research Gefreiter Norton Buffalo Robert Weinstein, Ellen Ribner Mr. Ciminos Sekretärin Emigrantenjunge Jack Blessing Patty Nelson Gouverneur von Worum es geht in diesem wie in allen anderen auch: Jerry Sullivan um den Raum und um die Bewegungen, die nötig sind zur Er• Tanzkapelle fahrung dieses Raums. Um die Bewegung, die vom Abschluß• Heaven's Gate Jerry McGee, Cleve Dupin, ball der Harvard University im Jahre 1871 hinfuhrt zu einer ein• Stephen Bruton, Sean Hopper, samen Yacht im fahlen nächtlichen Licht: darum ging es noch David Mansfield, T-Bone Burnett in keinem Western zuvor. Schnurrbärtiger Söldner David Cass Und es geht um die Verteüung des Raumes. Um den Konflikt zwischen denen, die schon da sind, und denen, die ankommen. Bärtiger Söldner Paul D'Amato Die, die da sind,haben die Macht und sind immer schon im Peter Peter Osusky Recht. Der FUm handelt davon, daß das Recht etwas anderes Ivan Ivan Kormanik ist als die Moral. Jongleur Michael Qiristensen Kämpfender bulgari• Den Konflikt zwischen der Legalität als etwas Statischem und scher Emigrant Anatoly Davydov der Legitimität, die dagegen ankämpft, setzt der Film um: in Frau des bulgarischen kinematographische Bewegungen. Am Abend, bevor die Söldner• Emigranten Nina Gaidarova truppe der Farmer das Recht durchzusetzen kommt (um die über ducken fighter Wally McCleskey hundert Leute umzubringen, die auf einer Schwarzen Liste ste• Cantons Leibwache Gary (Buzz) Vezane hen), feiern die Dorfbewohner ein Fest in 'Heaven's Gate*, einer Wolcotts Leibwache H.P. Evetts großen Tanzhalle. Mit einem Tanz hatte der FUm auch begon• Goldgräber (Söldner) Bruce Morgan nen; aber während die Harvard-Absolventen einen steifen Walzer Marshai (Harvard) Bobby Faber tanzten, bewegen sich die Dorfbewohner zu einer fröhlichen Irvines Freundin Judi Trot Musik auf Rollschuhen. Eine kreisförmige Kamerabewegung nimmt diesen Tanz auf und setzt ihn fort.

Später wird die Bewegung wieder aufgenommen: Die Dorfbe• Uraufführung 19. November 1980, New York wohner lassen sich davon überzeugen, daß es besser ist, anzu• greifen, als darauf zu warten, bis sie abgeschlachtet werden. Von Format 70 mm, Farbe, 1:2.21 einer leidenschaftlichen Wut getrieben, die durch ihre große Angst erst möglich wird, springen sie auf ihre Viehwagen und jagen ihren Länge 245 Minuten Mördern entgegen. Panikartig umkreisen sie die Farmer — die aber stehen kühl in der Mitte und schießen mit ihren Gewehren einen nach dem anderen ab: wie sie es gewohnt waren in den Indianer• kriegen, und die Zuschauer aus vielen Western. Zu diesem Film Wie man die Geschichte auch erzählen kann: als Geschichte von Morgens um fünf finden die ersten ins Freie. Durch die Saaltüren Entscheidungen. bricht das Frühlicht, die Leute, annähernd tausend, bleiben ste• hen zwischen den Reihen, klatschend und klatschend, bis der Da ist ein Mann, James AverüJ (Kris Kristofferson), der sich, als Sheriff, entscheiden muß, ob er auf der Seite des Gesetzes Abspann verflimmert ist. Wahnsinn Kino. Eine Stunde nach Mit• stehen wül oder auf der Seite der Moral. Da es ein Western ist, temacht hatte das Abenteuer begonnen. HEAVE.VS GATE, entscheidet er sich für die Moral. Michael Ciminos gigantisches Filmwerk, die längste Seance der Biennale ... Da ist ein anderer Mann, Nathan Champion (Christopher Walken),

f der sich, im Dienst der Macht stehend, entscheiden muß zwischen Was Cimino hier einfängt an Landschaftsaufnahmen, was ihm dem Ethos der Professionalität und einer Freundschaft. Da es ein gelingt in der Führung der tanzenden, marodierenden, bergtäler- Füm über eine Freundschaft ist, entscheidet er sich für den Tod. stürmenden Massen, in den gilblichtig-dampfgeschwängerten Ge• mälden der Cattletowns, grenzt ans Unglaubliche. Die Holzhäu- Da ist eine Frau, Ella Watson (IsabeUe Huppert), die sich ent• serzeilen unter den Schneebergen von Wyoming, die Lokomoti• scheiden muß zwischen zwei Männern. HEAVEN'S GATE ist ven, die Perrons, der blakende Schummer der Blockhütteninte• ein Liebesfüm. rieurs: ein Triumph auch der Filmarchitektur. Hat man bisher Was man entdecken kann in diesem Film: wie den Reichtum stets rühmend betont, ein Film sei gut fotografiert, so verkehrt eines Films die Geschichten ausmachen, die er nicht erzählt... Cimino die Einsicht ins Gegenteü: kein europäischer, kein ame• rikanischer Lichtbüdner hat je in dieser Breite derart intensive, Was man in diesem Film auch noch entdecken kann: daß es ei• ungeheure Fotos eingefangen, wie sie HEAVEN'S GATE Bild nen Unterschied macht, ob man etwas erkennt oder ob man et• für Bild vorführt durch vier Stunden. Die Superbreitwand erfor• was sieht. dert Kameraführungen, die den Büdaufbau stärker revolutionie• Alle Konflikte, von denen der FUm gehandelt hat, die privaten ren, als der Stummfilm revolutioniert worden ist durch den Ton und die geseUschaftlichen, die ökonomischen und die politischen, oder die Schwarzweißaufnahme durch die Farbe. Ein 'schweres' die zwischen Aktion und Passivität, zwischen Ruhe und Bewe• Format, in der Nahaufnahme wie in der Totale, Cimino be• gung, sie alle kulminieren in einer Szene: in der Schlacht zwi• herrscht es vollendet. schen den Farmern und den Dorfbewohnern. In dieser Szene Wer wissen will, was FUm in seinen besten Möglichkeiten sein wird sich alles entscheiden. In dieser Szene erkennt man fast kann: HEAVEN'S GATE sei ihm genannt als Pflicht- und als nichts. In dieser Szene sieht man alles. Das ist der Staub, den Luststoff. der Film aufgewirbelt hat. Ruprecht Skasa-Weiß in: Stuttgarter Zeitung Nr. 204, Norbert Jochum in: Die Zeit, Nr. 23, 29. 5. 1981 6.9. 1982

Kritiken der Kurzfassung (155 Min. Cannes 1981) ... Den historischen Hintergrund zu Michael Ciminos kraftvollem und stellenweise sehr schönem Epos bildet die als 'Johnson- Ich habe HEAVEN'S GATE in Cannes gesehen:ein großer und schö• County-War' in eine Fußnote der amerikanischen Geschichte ein• ner Film. Ein Westem, der an der Harvard University beginnt gegangene Auseinandersetzung zwischen den Vichbaronen des und der mit dem Büd einer eleganten Yacht endet, auf der ein Rinderstaates Wyoming und nachziehenden Heimstättensiedlem, Mann sich an sein Leben erinnert und an die Frau denkt, die tot zumeist osteuropäischen Einwanderern. Mit HUfe des Kapitals ist, die er aber immer noch liebt. Die hatte sich für einen anderen von der Ostküste versuchen die Zuerstgekommenen die nächste entschieden, der der Freund dieses Mannes war und einmal sein Einwanderergeneration von den Reichtümern des Kontinents Gegner. zunächst mit rechtlichen, später mit gewalttätigen Mitteln fern• Die zahlreichen Schnitte und Kürzungen haben deshalb das zuhalten ... Beziehungsgeflecht zwischen dem von Kris Kristofferson dar• gestellten Fcderal Marshai James Averiii, dem Scharfschützen Konflikte dieser Art führten in den Jahren 1889 bis 1892 im Nate Champion (Christopher Walken) und der von beiden nördlich des Staates Wyoming gelegenen Johnson County zu einer Männern geliebten Ella Watson, von Isabelle Huppert verkör• Eskalation der Gewalttätigkeit, die schließlich in der Belagerung einer unweit der Bezirkshauptsatdt Buffalo gelegenen Ranch gip• pert, zerstört und nur mehr in Momentaufnahmen zerfallen felte. Als nach der Ermordung verschiedener Heimstättensiedler lassen. Entscheidende Eingriffe im Prolog, der 20 Jahre vor zum Schutze der Neueinwanderer ein müitanter Interessenver• dem Einsetzen der Haupthandlung in der Harvard-Universität band gegründet werden sollte, schlossen die Rinderkönige sich von Boston spielt, beeinträchtigen in der heutigen Fassung ihrerseits zu den sogenannten Regulatoren von Wyoming zusam• die für den Verlauf der Handlung und deren Verständnis bedeu• men und warben einige Dutzend Raufbolde und Scharfschützen tungsvolle Kennzeichnung der Vorherrschaft des humanistisch aus an. Am 5. April 1892 machte sich der Trupp auf den und kaufmännisch gebüdeten Bürgertums der Ostküste über den Weg, um in Buffalo die in Gründung stehende Siedlerorganisation sogenannten wüden, zur Besiedlung freigegebenen Westen. Der zu sprengen, die Anführer zu lynchen und die Siedler aus dem unter völligem Verzicht auf den Epüog zu einem grotesken Land zu jagen. Die Nachricht vom Aufbruch der Invasoren erreich• Happy-End ummontierte Schluß schließlich nimmt der von te die Stadt jedoch noch vor dem Eintreffen der Rancher und ihrer ihrer Anlage her tragischen Geschichte noch vollends den ur• Privatarmec, worauf der Sheriff von Buffalo, ein Mann namens sprünglichen Sinn, so daß zur Aufführung leider nur noch ein Red Angus, mit einem zweihundert Mann starken Aufgebot den Torso gelangt. Regulatoren entgegenritt. Diese verschanzten sich in einer nahe Jedoch ist dieser verstümmelte Film immer noch von einer der• gelegenen Ranch. Ein größeres Blutbad konnte nur vermieden artigen Schönheit in seiner optischen Gestaltung, in seiner Aus• werden, weü der damalige amerikanische Präsident, Benjamin spielung emotionaler Vorgänge, in der Mystifizierung des Tan• Harrison, der Bitte des Gouverneurs von Wyoming um die Ent• zes als Ausdruck der Lebensfreude und der Aufbruchstimmung, sendung von National gar disten ins Kampfgebiet entsprach. Die die den Besuch bei weitem lohnt. HEAVEN*S GATE besitzt Regulatoren wurden verhaftet, nach Cayenne geführt und später die Großzügigkeit der ausholenden Gebärde eines Armes, der laufengelassen; ein Prozeß hat nie stattgefunden. durch Raum und Zeit über weites I.and hindeutet: vom Atlan• Nun war es Michael Cimino, wie schon im Fall seines mit mehre• tik bis in den Westen, über das Schicksal von Menschen, die ren Oscars ausgezeichneten Anti-Kriegsfilm The Deer Hunter dieses Land nur besiedeln können, indem sie sich — gleichsam keineswegs darum zu tun, exakt recherchierte Geschichtsabläufe ein Fluch, der über der den Sioux-Indianem entrissenen Land• nachzustellen und abzubilden. HEAVEN'S GATE baut vielmehr schaft liegt — bekämpfen, und schließlich über die Entstehung in phantastischer Treue zum Detail auf eine erzählerische Kraft eines Staates, auf dem der Blick des einstmals optimistisch Auf• innerhalb eines historisch belegbaren Geschehnisses, das indessen gebrochenen in der Rückbesinnung melancholisch ruht. nicht in der Richtigkeit seiner historischen Elemente, sondern als rn. in: Neue Zürcher Zeitung Nr. 238, 15. 10. 1981 Quintessenz dieser Ereignisse aufgefaßt und interpretiert wird: nicht Geschichtsstunde also, sondern eine Geschichtslektion künst• lerischer Freiheit und Inspiration. Das Werk zählt zu jenen Filmen, die in der Vergangenheit parabelhaft nach den Wurzeln eines bes• HEAVEN'S GATE erwies sich als ein Fall von besonderer Ver• seren Gegenwartsverständnisses suchen: eines Menschen, eines bissenheit des Stanregisseurs, denn es handelte sich um ein al• Landes, einer Nation. tes Lieblingsprojekt.Cimino, der, bevor er selbst FUme drehte, Wiederum, wie bereits in The Deer Hunter, untersucht Cimino Dreh buch- Autor war, hatte das Buch mit dem ursprünglichen die Auswirkungen gewalttätiger Auseinandersetzungen im politi• Titel 'The ' vor zehn Jahren geschrieben schen und persönlichen Umfeld der Menschen, die schicksalhaften und es vergeblich allen größeren Studios angeboten. Nachdem Veränderungen, welche die Gewalttätigkeit im menschlichen All• er 1978 mit einem Oscar für The Deer Hunter ausgezeichnet tag bewirkt, die Frage nach den Zusammenhängen zwischen Ag• worden war, hatte sich United Artists schließlich zu der Ver• gression und Selbstzerstörung. Ehese Untersuchung ist Teil seiner filmung entschlossen. BeurteUung amerikanischer Geschichte, die er mit kritischem (.-) Bück betrachtet. Indem er die Landnahme an der stets weiter nach Cimino hat sechs Monate lang in Montana gedreht. Pedantisch Westen vorgetriebenen, als 'frontier* bezeichneten Zivilisations• auf Authentizität bedacht, ließ er eine ganze Stadt einschließ• grenze nicht zuletzt als eine Art von Klassenkampf interpretiert, lich einer Eisbahn aufbauen, auf der er 250 Komparsen, stilecht als nicht nur romantisch-abenteuerlichen, sondern vor allem auch kostümiert, auf echten alten Schlittschuhen schlittern ließ. Er politischen Vorgang, schöpft er aus dieser Geschichtsauffassung erstand alte Eisenbahnen und Waggons, heuerte weitere tau• seine Parabel über Gesetz und Moral, über den Mißbrauch von send Statisten an und drehte jede Szene zwanzig- bis dreißig• Legalität und den Widerspruch dazu zu jener ursprünglich hinter mal ... Dann verbrachte Cimino fast ein Jahr im Studio beim der Gesetzgebung stehenden Ethik: aus dieser Konfrontation be• Schneiden in so strenger Klausur, daß nicht einmal die Studio• zieht schließlich der Widerstand der Siedler seine Legitimation. chefs die fertige Kopie zu sehen bekamen. Anlaß zu den ... erwähnten Unstimmigkeiten finanzieller und Sabina Lietzmann in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, künstlerischer Art bot nun aber Michael Ciminos fanatische Au- Nr. 274, 25. 11. 1980 thentizitätssucht in der Rekonstruierung der historischen Kulisse. Ähnlich wie bereits Jahrzehnte zuvor Erich von Stroheim glaubt auch der jetzt 38-jährige ehemalige Architekturstudent Cimino an den entscheidenden Einfluß des Dekors auf das Spiel ... Diese ... Publikum und Kritik werfen Cimino seinen Naturalismus Detailbesssenheit, gepaart mit einem fast manischen Hang zur vor. Die von ihm angestrebte Wiederherstellung einer authen• Perfektion, hat zu einem optischen Reichtum geführt, der tat• tischen Realität im Film wird vom Publikum nicht angenom• sächlich verschwenderisch ist, da er zumindest in der heutigen men, das, an filmische Repräsentation gewöhnt, nach dem ästhe• Fassung des Films den Aufwand nicht mehr in jedem Fall sinn• tischen Surrogat verlangt. Man hat es verlernt, in dem 'schizo• voll erscheinen läßt. Ciminos künstlerisches Temperament als das• phrenen System Kino/Kino' (Wim Wenders) noch Realismus jenige eines Epikers, der mit der Kamera vom Detail auf die Fülle und DetaUgenauigkeit, die einmal zum guten Fümhandwcrk ge• zu schwenken pflegt und in diesem ständig den Bewegungen der hörten, zu erwarten oder gar wiederzuerkennen. Ciminos An• Veränderung unterzogenen Ganzen die Psychologie der handeln• sprüche an die 'Sehfähigkeit des Publikums' und an den Glcich- den Menschen erklär- und verstehbar zu machen sucht, vertragt klangim Bedürfnis nach Wahrheitssuche, Harmonie, Identität keine wie auch immer gearteten Beschncidungen. Cimino charak• zielen auf Bewahrung und Fortführung der guten alten Tradi• terisiert seine Menschen weniger durch die Dialoge denn durch tionen und wenden sich von der cinephüen Regression und genaue, lange Einstellungen erfordernde Beobachtung. Nostalgie ab. Die zentrale Rolle von Landschaft und Natur, der noch zu er• man hervorragende Werke wie Greed von Erich von Stroheim schließende Raum, stellen Cimino in die Nachfolge der epischen machte — einem anderen berühmten Opfer eines schweigenden Tradition des amerikanischen Erzählkinos. Diktats, das verbietet, den klimatisierten Alptraum Hollywoods Marli Feldvoß in: Frankfurter Rundschau, 12. 2. 1983 durch List zu überwinden. Louis Marcorelles in: Le Monde, Paris, 8. 12. 1982

... Die von Gmino auf zweieinhalb Stunden verkürzte Fassung Aus einem Gespräch mit Michael Cimino des Films ... läßt mehr die Outline des großen historischen Stof• Frage: Welches sind die dramatischen Elemente der Neunziger fes ahnen als seine Entfaltung nach vollziehen. Unklar bleibt ei• Jahre, der Zeit, in der der Hauptteil des Films spielt, der in nem, ob HEAVEN'S GATE eine geborene Ruine war - der Re• Montana gedreht wurde? gisseur also von Anfang an und an seinen Stoffausfaltungen ge• scheitert war — oder ob die imponierende plastische Wucht sei• Cimino: Das letzte Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts ist ner Massenszenen, die delirierende Bewegung seiner großen Tanz- eine Zeit, mit der die Dramatiker sich nicht viel beschäftigt ha• tableaux in sich geschlossene, völlig zu Ende und ausgemalte Fres• ben. Und doch glaube ich, daß es interessante Jahre sind. Es wa• ken sind, die von einer GerölJhaJde liegengelassener, unausgeführ• ren die Jahre unmittelbar nach dem Bürgerkrieg, sie waren reich ter, zerstörter Bild- und Themenmotive umgeben und zersetzt an neuen Fermenten. Fast alle Reden zur Einweihung von Uni• werden. Denn die dramaturgischen Schwächen des FUms springen versitäten hatten etwas über den Wiederaufbau zu sagen, über ins Auge. Da verknäulen sich massenhaft abgeschnittene Hand• die Versöhnung, über das Bedürfnis, voranzukommen, um etwas Neues und Lebendiges zu schaffen. Sie hatten einen ziemlich idea• lungsfäden, 4 und die Dreiecksgeschichte zwischen dem Killer, der sich das Schreiben beibringt, der Hure, die zwischen den Klassen listischen, verantwortungsbewußten Tonfall. Ihr Geist mußte je• liegt, der Hure und dem Reichen, der sich auf die Seite der Ar• nem ziemlich ähneln, den wir mit der Geburt der pazifistischen men schlägt, huscht im Mittelteil des Füms wie ein Gespenster• Bewegung kennengelernt haben, als man auch in einer Art von reigen vorbei, der von irritierenden Lichtreflexen zerhackt wird ... Idealismus schwelgte, der auf einem großen Vertrauen auf das Leben gründete, auf die Möglichkeiten, die soziale Ordnung des Seine Angriffsflächen bietet er nicht nur durch seine ästhetischen Landes zu verbessern. Ich glaube, daß das Vertrauen auf die Zu• Mängel dar; viel tiefer könnte die einhellige Animosität, die er er• kunft für das 19. Jahrhundert typisch ist, und ich glaube, daß weckt hat, in seinem *unpatriotischen' Charakter liegen. Wann je HEAVEN'S GATE in vieler Hinsicht das nachzeichnet, was sich wurde das *Go West*, das 'Pionier-Bewußtsein', das 'freieste Land abspielte, als wir verzweifelt darum kämpften, Amerikaner zu auf Gottes Erden* in einem US-Film entschiedener dementiert und werden. zurückgenommen, wann je der interne Klassenkampf der Besitzen• Ein Teil der Bevölkerung war schon integriert, ein anderer noch den gegen die Betrogenen, Armen, Fremden derart offen ausge• nicht, und wir setzten alles daran, es zu werden. Ich würde sagen, sprochen wie in HEAVEN'S GATE? Daß er an verdrängte Tabus dies ist ein Film über Amerika, das versucht, Amenka zu werden. rührt, macht ihn gleichwohl nicht zu einem gelungenen Film. Aber es könnte die Hetzjagd erklären, die gegen Cimino und seinen Füm Frage: Welches sind die wichtigsten Sequenzen im Hinblick auf in den USA eröffnet worden ist. die Regie des Füms?

Wolfram Schütte in: Frankfurter Rundschau Nr. 120, 25.5.1981 Cimino: Ich glaube, alle sind es. Ich kann mir schwer vorstellen, daß irgendetwas nicht wichtig sei. Alles war wichtig. Einige Din• ge brauchten mehr Zeit als andere. Zum Beispiel die Szenen in Wallace, in Idaho, in denen wir mehr als 1000 Komparsen auf ....Michael Cimino findet zum Schwung der großen epischen Er• der Straße hatten, 80 oder 90 Paar Pferde und eine Dekoration, zähler zurück: der Bewunderer von John Ford, mit dem Epos des deren Errichtung 3 Monate gedauert hatte, und wohin wir einen amerikanischen Westens untrennbar verbunden, kehrt die Valeurs Zug brachten, der fünf Staaten durchqueren mußte. Allein diese des Westens total um. Die Schönheit der Landschaft, der ausge• Menschen zu verteilen, die Mengen zu lenken, die Gesichter so zu prägte Gemeinschaftssinn — das hat für ihn nur Wert, um umso plazieren, daß wir die gewünschten Effekte erhielten, verschlang heftiger den unbarmherzigen Lebenskampf anzuprangern, dem eine Unmenge an Zeit. Ich denke an die Zeit, die wir brauchten, der 'amerikanische Traum* als Hintergrund dient. Der Filmema• um die Einwanderer auszusuchen, die sich auf das Dach des Zu• cher verjagt alles Pittoreske und scheut keine Mühe, um dies ad• ges statt auf die Trittbretter setzen sollten, und um diese wieder• äquat umzusetzen. Wie in seinem vorausgegangenen Füm über um von den Personen zu unterscheiden, die schon längere Zeit Vietnam (und Pennsylvania), The Deer Hunter, entzündet sich da waren und sich auf der Straße befanden; eine Komposition hier ein sozialer Brennstoff, die Wahrheit über die trügerischen von Gesichtern zu erschaffen, so daß sich ohne jeden verbalen menschlichen Beziehungen behauptet sich, das nackte Amerika, Kommentar der Eindruck einer sozialen Struktur ergab; die Vor• in seinen Wurzeln schwer erschüttert, beginnt zu schwanken. gänge so zu inszenieren, daß nur die Bewegung auf der Straße die Existenz sozialer Unterschiede zwischen Arm und Reich, Altein• Man versteht besser, daß unsere Mitbrüder, die Ulustren Spitzen• gesessenen, Neuankömmlingen und Durchreisenden deutlich mach kritiker New Yorks, zutiefst schockiert angesichts dieses Epos, te ... All das auf natürliche und spontane Weise darzustellen, er• zu dessen Mißerfolg beigetragen haben, eines Films, der sicher forderte natürlich viel Zeit. und klar angelegt, aber schwierig für ein Publikum ist, das ewig mit Mythologien wie Vom Winde verweht gefüttert wurde. Die Aus einem Interview in 'American Cinematographer*, November primäre Bezugnahme, das sind in Wirklichkeit Glauber Rocha 1980, Nr. 11, zit. nach Festival-Katalog Venedig 1982 und Miklos Janeso, die konfliktreiche Geschichte,Menschen, die von ihren Leidenschatten gequält und hier in einem SchmtL- Hegel zermalmt werden, für eine Lebensauffassung,dieauf Werten gründet, wie sie Hollywood nicht mehr widersprechen können. Biofilmographie

Isabelle Huppert, die den Film kurz vorstellte, in dem sie, in der Michael Gmino, geb. 3. 2. 1946 in New York. Kunst- und Archi• Rolle einer französischen Prostituierten, ihre bisher zweifellos tekturstudium an der New York University, Abschluß 1963. beste Darstellung gibt, spricht von einem 'Justizirrtum', einem Schauspieler-AusbÜdung bei John Lehne, in dessen Schule schon pervertierten Urteü, das die Nachwelt eines Tages richtigstellen Dustin Hoffman und Al Pacino gingen. Gleichzeitig Debüt als Re• wird. Vor allem kommt es darauf an, die vollständige Version gisseur von Werbefilmen für das Femsehen und als Autor von Do• von HEAVEN'S GATE in den regulären kommerziellen Verleih kumentarfilmen. zu bringen, auf den der Füm ein Anrecht hat. Es ist Frankreichs Filme: Aufgabe, das unglückliche Fehlurteil einer amerikanischen Presse, 1974 Thunderbolt and Liçhtfoot die damals einer schlechten Inspiration folgte, umzustoßen; einer 1978 The Deer Hunter Presse, die es nicht vermochte, den Stoff zu erkennen, aus dem 1981 HEAVEN'S GATE