Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5 Blick über die Grenzen

5 Blick über die Grenzen – Vor allem bei langfristig wiederkehrendem Bedarf, wie er z. B. für die Denkmalpflege typisch ist, ist es bes- Naturwerksteinvorkommen ser, bewährte Naturwerksteinlagerstätten zu nutzen, die keine überlangen Transportwege erfordern und die in den Nachbarländern aufgrund der geologischen, aber auch der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse langfristige Liefer- 5.1 Vorbemerkungen zuverlässigkeit garantieren. Die nachhaltige Nutzung heimischer Lagerstätten oder jener aus den benach- Seit Jahrtausenden werden hochwertige Naturwerkstei- barten Ländern, über die nachfolgend berichtet wird, ne über große Distanzen gehandelt. Bei uns fingen die Rö- garantiert gleichbleibende Qualität und eine langfristig mer damit an, die für ihre Villen (im Gebiet des heutigen gesicherte Verfügbarkeit schon früher genutzter Ge- Baden-Württemberg) neben verschiedenfarbigen Gestei- steine. Die in diesem Zusammenhang bedeutsamen nen aus dem Oberrhein- und Alpengebiet auch Marmore Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit wurden in Kap. und Vulkanite aus Griechenland, Kleinasien oder Persi- 1.3.2 erörtert. en verwendeten1. Der hohe wirtschaftliche Wert dieser Naturmaterialien ermöglicht sehr weite Transporte, wo- Nachfolgend sind Informationen zu wichtigen Natur- durch sie sich ganz wesentlich von den Baumassenroh- werksteinlagerstätten zusammengestellt, die in den stoffen unterscheiden, die aus Kostengründen nur ge- angrenzenden Regionen der Nachbarländer Frank- ringe Transportdistanzen vertragen. Bei Kiesen, Sanden reich, Rheinland-Pfalz, Hessen, Bayern, Österreich und gebrochenen Natursteinen, die vor allem für den und Schweiz gewonnen und für Bauwerke in Südwest- Verkehrswegebau und für Baustoffe verwendet werden, deutschland seit langer Zeit – oft seit vielen Hundert betragen die wirtschaftlich vertretbaren Entfernungen Jahren – in großem Umfang verwendet wurden und heute 30–50 km, bei Zementrohstoffen 200–300 km. weiterhin werden (Abb. 5.1-1). Diese Gesteine prägen, Die Preise für Kies- oder Natursteinkörnungen liegen ebenso wie die im heutigen Baden-Württemberg gele- meist zwischen 5 und 10 € je Tonne. Naturwerkstein- genen Werksteinlagerstätten, das Bild unserer histori- Rohblöcke hingegen kosten zwischen 500 und 1300 € schen und modernen Gebäude. pro Kubikmeter2 je nach Gesteinsart, Qualität und Nach- frage. Sägeware liegt i. d. R. zwischen 1500 und 3500 € Das vorliegende Buch wäre unvollständig, würde pro Kubikmeter. Spitzenpreise bis 10 000 € erzielen sehr man diese Vorkommen unbeachtet lassen. Weil es hochwertige und begehrte Sorten wie der reinweiße den Rahmen des Buches aber sprengen würde, wollte Marmor aus Carrara3 im toskanischen Apennin, der seit man wirklich alle aus den Nachbarländern importier- römischer Zeit in großem Umfang über und unter Tage ten Gesteinssorten und ihre Lagerstätten darstellen4, gewonnen wird. Über die gegenwärtig importierten Ge- werden nachfolgend vor allem die besonders häufig steine und ihre Herkunftsländer informiert der Beitrag genutzten Gesteine aus der näheren Umgebung von von K.-J. Stein (Kap. 1.3.5.3, Textkasten S. 69 ff.), Baden-Württemberg und ihre wichtigsten Lager- über den Handelswert von Naturwerksteinblöcken gibt stätten anhand von Beispielen betrachtet. Mit dem Kap. 3.3. Auskunft. Odenwälder Pseudomorphosenquarz und dem Suevit aus dem Nördlinger Ries wurden zwei weniger häufig Heute ermöglichen große Schiffsflotten mit enormem genutzte, aber besonders ungewöhnliche Werkstein- Ladevermögen und gut ausgebaute Verkehrswege Ge- vorkommen aufgenommen, welche in unmittelbarer steinstransporte rund um den Globus in einem noch Grenznähe liegen. nie zuvor erreichten Umfang. Der Fernhandel von Ge- steinsmassen wird in diesem Ausmaß wohl so lange Die Kurzbeschreibung der Lagerstätten der Nachbar- fortgesetzt werden, wie es Treibstoffpreise, Lohnkos- länder erfolgt „im Uhrzeigersinn“, beginnend im El- ten und minimale bis fehlende Umweltschutzauflagen sass. Folgende Naturwerksteinlagerstätten werden in den Herkunftsländern erlauben. behandelt: –– Rouffacher Kalksandstein – Elsass – Elsässer Sandstein in roten und gelblichweißen 1 In der Antike waren Gesteinstransporte über viele Hun- – dert, oft sogar über mehrere Tausend Kilometer üblich. Varietäten – Elsass Die Rohblöcke besonders begehrter Gesteinssorten –– Buntsandstein aus dem Pfälzerwald in roten und wurden – genauso wie heute – von Lastschiffen als gelblichweißen Varietäten – Rheinland-Pfalz Beiladung aufgenommen. Auch für die römischen Villen, –– Udelfanger Sandstein – Rheinland-Pfalz Bäder und Paläste im heutigen Baden-Württemberg wur- den zahlreiche Gesteinssorten für Statuen, Wand- und –– -Quarz – Hessen Bodenmosaike verwendet, die aus dem ganzen Mittel- –– Roter Mainsandstein – Bayern meerraum und Kleinasien stammten. Die römischen –– Kirchheimer Muschelkalk – Bayern Bauherren waren auch Meister in der Nutzung einheimi- scher Naturwerksteinvorkommen; bei den meisten der in –– Juramarmor (Dickbankkalke) und Solnhofener Kap. 4 beschriebenen Naturwerksteinen waren sie die Plattenkalke – Bayern ersten, die sie für Bau- und Gestaltungszwecke aller Art –– Suevit aus dem Nördlinger Ries – Bayern und erfolgreich einsetzten (Werner 2005: Begleitband zur Baden-Württemberg Großen Landesausstellung 2005 „Imperium Romanum“ und Landesrohstoffbericht 2006 – Werner et al. 2006, S. 40 f.). 2 1 m3 Werkstein entspricht – je nach Gesteinsart und 4 Einen knappen Überblick ermöglicht die Monographie Porosität – zumeist 2,2–2,8 t. der Steine und Erden der Bundesrepublik Deutschland 3 Carrara = keltisches Wort für Steinbruch. (Börner et al. 2012).

609 5.1 Vorbemerkung Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

–– Schwarzachtobler Quarzsandstein – Österreich, Vorarlberg 5.2 Rouffacher Kalksandstein –– Rorschacher und Bollinger Molassesandstein – [Frankreich, Elsass] Schweiz, Kanton St. Gallen.

Alle vorgestellten Gesteine spielen auch heute für die – Wolfgang Werner – Renovierungen denkmalgeschützter Gebäude oder für moderne Bauten und Gartenanlagen eine Rolle. Die Übersicht: Etwa 15 km südwestlich von Colmar, nachfolgenden Darstellungen basieren auf Bereisun- nahe der Orte Rouffach und Westhalten (Départe- gen in den Jahren 2008–2011 und auf aktuellen Da- ment Haut-Rhin, Arrondissement Guebwiller, Kanton ten, die von den Firmen und Staatlichen Geologischen Rouffach), befindet sich das Abbaugebiet eines gelb- Diensten der Länder zur Verfügung gestellt wurden. lichbraunen Kalksandsteins, der für zahlreiche her- ausragende Bauwerke verwendet wurde. Nach dem Nachfolgend nicht beschriebene, aber auch häufig Städtchen Rouffach, früher auch Rufach, wird dieses verbaute und für Renovierungen wichtige Gesteine entlang des Vogesenrandes an mehreren Stellen ab- sind z. B. der Lothringer Savonnière Kalkstein, der gebaute, tertiärzeitliche Sedimentgestein als Rouffa- Obernkirchener Kreidesandstein aus den Bückeber- cher Sandstein bezeichnet. In Rouffach selbst liefert gen westlich von Hannover, Keupersandsteine aus das zwischen dem 11. und 19. Jh. erbaute Liebfrau- dem unter- und mittelfränkischen Raum oder die, auch enmünster, die Eglise Notre Dame de L´ Assompti- schon seit römischer Zeit genutzte, sehr widerstands- on, ein schönes Beispiel für die Qualität dieses Werk- fähige Mayener Basaltlava aus der Eifel und ebenso steins (Abb. 5.2-1 und -2). Eine neben dem Münster der Odenwälder Granodiorit (Abb. 4.24-51). zur Stele aufgerichtete Gesteinsplatte mit schönen

Der Obernkirchener Kreidesandstein wurde z. B. am Hauptturm des Ulmer Münsters in der Ausbauphase von 1844–1890 gemeinsam mit Stubensandstein aus dem Gebiet um Schlaitdorf in großem Umfang ver- baut, der Savonnière Kalkstein am südlichen Chorturm dieser Kathedrale (Rommel 2006, Werner & Helm- Rommel 2011). Die Mayener Basaltlava wird stets dort eingesetzt, wo besonders hohe Witterungsbeständig- keit gefordert wird, wie beispielsweise für die Sockel- quader großer Bauwerke (Beispiel: Erzbischöfliches Ordinariat, Freiburg).

Informationen über weitere Naturwerksteine aus an- deren deutschen Bundesländern sind im „Bildatlas wichtiger Denkmalgesteine“ (Grimm, Hrsg., 1990), in der Buchreihe „Bausandsteine in Deutschland“ (Ehling 2010, Ehling & Siedel 2011, weitere in Vorb.) und der Monographie der Steine- und Erden-Rohstoffe in der Bundesrepublik Deutschland (Börner et al. 2012) zu finden. Eine knappe Übersicht über die in den Formati- onen der Trias zur Werksteingewinnung genutzten Ein- heiten geben Katzschmann & Lepper (in: Hauschke et al., in Vorb.) in ihrem Beitrag „Naturwerksteine der Ger- manischen Trias“. Zusätzliche Informationen bieten die Internetauftritte der Staatlichen Geologischen Dienste Deutschlands; ihre aktuellen Adressen sind im gemein- samen Geoportal http://www.infogeo.de zu finden.

Die Naturwerksteinvorkommen der Schweiz werden in „Die nutzbaren Gesteine der Schweiz“ und „Die mi- neralischen Rohstoffe der Schweiz“ dargestellt (Quer- vain 1969, Schweiz. Geotech. Komm. 1997). Die Internetseite www.pronaturstein.at der Vereinigung österreichischer Natursteinwerke liefert eine aktuelle Übersicht über die in Abbau befindlichen Naturwerk- steinsorten Österreichs. Eine – allerdings unvollstän- dige – Liste über Naturwerksteinbrüche in Frankreich bietet die Internetplattform Wikipedia5.

Abb. 5.2-1: Aus Rouffacher Kalksandstein im Zeitraum 5 http://fr.wikipedia.org/wiki/Liste _ des _ 11. bis 19. Jh. errichtetes Liebfrauenmünster in Rouffach, carri%C3%A8res _ de _ pierre _ en _ France Département Haut Rhin. (Stand: Febr. 2012)

610 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.2 Rouffacher Kalksandstein

Abb. 5.2-2: Kalksandstein im Mauerwerk des Rouffacher Abb. 5.2-3: Zur Stele aufgerichtete Kalksandsteinplatte auf Münsters in leicht unterschiedlichen Varietäten; gut erkenn- dem Rouffacher Marktplatz mit gut erhaltenen Oszillations- bar sind Schalenreste und grobkörniger Kalkdetritus (Bild- rippeln. breite ca. 60 cm).

(A) (B)

Abb. 5.2-4: Steinbruch am Strangenberg zwischen Westhalden und Rouffach (2012): (A) Blick auf das renaturierte Gelände mit der Westwand. (B) Ausschnitt der Westwand mit 1,2 m mächtiger Werksteinbank und überlagernden Plattenkalken. Aus diesem Steinbruch stammen die von der Fa. Scherberich 1999 gewonnenen Kalksandsteine für Renovierungsarbeiten in Thann und Straßbourg.

­Rippelmarken veranschaulicht, wie dieses viel ver- Entstehung: Die genutzte Gesamtmächtigkeit betrug wendete Bau- und Bildhauermaterial entstanden ist am Strangenberg bei Rouffach 20–25 m. Von der (Abb. 5.2-3). Der Rouffacher ist dem Pfaffenweiler Schichtenfolge sind heute in den Zufahrtswegen und Kalksandstein in geologischem Alter, Entstehung und dem westlichen Steinbruchrand noch etwa 12 m zu- Aussehen sehr ähnlich (Kap. 4.17). Beim Rouffacher gänglich (Abb. 5.2-4 und -6). Die sedimentologischen Kalksandstein handelt sich um einen mittel- bis grob- Aufnahmen von Duringer (1995) zeigen, dass die im körnigen, quarzsandführenden Kalkarenit, der aber Steinbruch aufgeschlossenen Gesteine auf sandige im Unterschied zum Kalksandstein aus Pfaffenweiler Ablagerungen in einem Flusssystem zurückgehen, auch bankweise gut gerundete Quarzgerölle führt; vor welche sich in Form von Deltafächern in einen großen allem im mittleren Teil des Profils treten geröllreiche See ergossen. Im Gezeitenbereich entstanden auf den Kalkarenite auf (Abb. 5.2-5 und -6). Sandfächern zahlreiche Algenmatten.

611 5.2 Rouffacher Kalksandstein Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.2-5: Konglomeratischer Kalksandsteinblock im Stbr. am Strangenberg; Größe der Quarzgerölle 0,5–1 cm.

Abb. 5.2-7: Madonnenstatue aus Kalksandstein am Militär- friedhof bei der Kirche St. Croix, Kaysersberg, Elsass. Durch die beginnende Rückwitterung werden die klastischen Kom- ponenten sichtbar.

Die häufig anzutreffenden Oszillationsrippeln (Abb. 5.2‑3) gehen vornehmlich auf Sturmereignisse zurück, bei de- nen auch Pflanzenreste und Tongerölle verdriftet wur- den. Wie in Pfaffenweiler ist dieser alttertiäre Kalksand- stein vor allem durch Abtragung des Hauptrogensteins (Braunjura) entstanden, dessen zum Oberrheingraben hin einfallenden Schichten er aufliegt. Gleichermaßen besteht er aus einer groben, konglomeratischen und ei- ner feinkörnigen Varietät, die von den Steinhauern als „wilder“ und „milder“ Stein bezeichnet wurden.

Gewinnung: Der Rouffacher Kalksandstein wurde vor allem am Bollenberg und Strangenberg bei Westhalten in mehreren Steinbrüchen abgebaut1, von denen einer noch gut zugänglich ist (Abb. 5.2-4). Die benachbar- ten Brüche mit ihren großen Abraumhalden sind z. T. verfüllt, andere so stark verwachsen oder verbrochen, dass die einstigen Abbaubereiche kaum mehr zu erken- nen sind.

Schon die Römer sollen hier beim Ort Rubeaquum Steinbrüche betrieben haben (Duringer 1995). Spä- testens im 11. Jh. waren die Brüche am Strangenberg Abb. 5.2-6: Geologisches Säulenprofil für die Schichtenfol- ge im Steinbruch am Strangenberg nach Aufschlussarbeiten 1 TK 25 Colmar, série bleue Nr. 3719 ouest; Koordinaten: im Jahr 1999 (nach: Duringer & Rousse 2004). x = 968,75, y = 2340,75; Geologische Karte 1 : 50 000 Nr. 378 Neuf-Brisach, Nr. 379 Obersaasheim (BRGM 1978)

612 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.2 Rouffacher Kalksandstein

Abb. 5.2-8: Westportal des Straßburger Münsters – heraus- Ab. 5.2-9: Thanner Münster, im 14. Jahrhundert erstelltes ragendes Beispiel gotischer Baukunst; besonders für filigrane figurengeschmücktes Westportal. Bildhauerarbeiten wurde Rouffacher Kalksandstein verwen- det. Die roten Buntsandsteinquader sollen vor allem aus dem westlich von Straßburg gelegenen Marlenheim stammen.

in vollem Betrieb, da sowohl viel haltbares Bau- als gleich Verwaltungssitz des Kantons ist, ist deshalb eine auch hochwertiges Bildhauermaterial für das Liebfrau- Wiederaufnahme des Abbaus derzeit nur im Zusam- enmünster in Rouffach benötigt wurde. Nach Aus- menhang mit Denkmalschutzmaßnahmen denkbar. kunft Einheimischer wurden am Strangenberg dann fast durchgehend bis ins frühe 19. Jh. Kalksandsteine Verwendung: Aus dem Kalksandstein vom Typus gebrochen. In Sebastian Münsters „Cosmographia“ Rouffach wurden große Teile des Straßburger und des von 1553 wird südwestlich der Stadt Rufach ein Stein- Thanner Münsters (Unterelsass) errichtet, daneben bruch mit einem großen Werk- oder Verwaltungsge- viele andere Kirchen und große Repräsentativbauten, bäude dargestellt, was wohl als Symbol wirtschaftli- zahlreiche Portale und Statuen (Abb. 5.2-7 und -8). cher Bedeutung zu werten ist. Wie auf der deutschen Rheinseite wurden tertiärzeit- liche Kalksandsteine oft und gerne zur Gestaltung fili- Als der billigere rote Elsässer Buntsandstein aus dem graner Kunstwerke genutzt. Ein beeindruckendes Bei- Ort Phalsbourg (Pfalsburg), westlich von Straßburg, spiel für die Eignung als haltbarer Bildhauerstein sind in großen Mengen verfügbar wurde, gingen die Stein- die über 500 Figuren, die die Fassade des Münsters brüche im Kalksandsteinvorkommen bei Rouffach in Thann schmücken (Abb. 5.2‑9). Viele Dorfkirchen, langsam ein. Im Jahr 1903 wurde der Bruch auf dem Figuren und Brunnen in den malerischen Orten des El- Bergrücken des Strangenbergs aber wiedereröffnet, sass wurden ebenfalls aus dem gut zu bearbeitenden, da große Mengen von Werksteinen für die Heil- und an der Luft rasch aushärtenden Kalksandstein gefer- Pflegeanstalt und die Landwirtschaftsschule in Rouf- tigt, der viele Jahrhunderte überdauert. fach benötigt wurden. Um 1999 wurde dann der letz- te Bruch vorrangig wegen Nutzungskonflikten mit Ob der berühmte Lettner im Breisacher Münster dem Naturschutz stillgelegt. Über 30 Jahre lang hatte (Abb. 5.2-10) aus Kalksandstein von Pfaffenweiler die Fa. L. Scherberich, heute im Industriegebiet von oder aus dem von Rouffach erstellt wurde, lässt sich Colmar ansässig, den Bruch betrieben. nicht mit Bestimmtheit sagen. Die im Mauerwerk der Basilika erhaltenen Quader mit den für das Rouffacher Der Bruch liegt heute in einem NATURA 2000-Gebiet. Vorkommen charakteristischen Milchquarzgeröllen­ Nach Auskunft der Stadtverwaltung Rouffach, die zu- (Abb. 5.2-11) sprechen dafür, dass Kalksandstein aus

613 5.2 Rouffacher Kalksandstein Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

dem Elsass über den Wasserweg nach Breisach ge- in geringen Mengen im freien Handel verfügbar, da liefert wurde. Auch aus dem bauhistorischen Zusam- die Steinbrüche bei Rouffach ebenfalls, wie eingangs menhang heraus ist dies recht wahrscheinlich: Erst dargelegt, stillgelegt und die meisten Blöcke für Re- 2010 ist erkannt worden, dass das Thanner Münster, novierungsarbeiten an Bauwerken wie dem Straß- die Westfassade des Straßburger Münsters und der burger Münster reserviert sind. Breisacher Münsterchor in der zweiten Hälfte des 14. Jh. von demselben Baumeister geplant wurden: Bezugsmöglichkeiten: Geringe Mengen können ggf. Erwin von Steinbach (Münsterbauverein Breisach von der Fa. L. Scherberich S. A., 62, Rue du Ladhof, 2010). Auch den Freiburger Münsterturm hat er wohl 68000 Colmar (Tél. 03 89 20 81 10) bezogen wer- entworfen. den. Diese Firma führt seit vielen Jahren Renovie- rungsarbeiten am Straßburger Münster, der Stiftskir- Mangels Verfügbarkeit von frischem Pfaffenweiler che Saint-Thiébaut de Thann (Thanner Münster) und Kalksandstein wird der Rouffacher auch auf der deut- dem Tempel Saint-Mathieu in Colmar unter Verwen- schen Rheinseite verwendet; selbst in Pfaffenweiler dung von heimischem Sandstein aus den Vogesen und werden Grabsteine und Bauelemente aus dem Rouf- aus Rouffach durch. Die Fa. Scherberich greift derzeit facher gefertigt, wenn den deutschen Steinmetzfir- noch auf Material zurück, das sie am Strangenberg ab- men keine Blöcke aus Material von alten Bauwerken gebaut hat. Der Kubikmeterpreis (sechsseitig gesägt) aus dem Markgräflerland zur Verfügung stehen. Al- lag 2011 bei 2500 €, auch für Rohblöcke betrugen die lerdings ist auch der Rouffacher Kalksandstein nur Preise nur selten weniger als 1800 €.

Abb. 5.2-11: Mauerquader aus konglomeratischem Kalk- sandstein, Breisacher Münster, Westwerk aus dem 14. Jh. Die zahlreichen Milchquarzgerölle machen wahrscheinlich, dass der hier verbaute Kalksandstein aus dem Gebiet um Rouffach stammt und wie der Degerfelder Buntsandstein mit Schiffen antransportiert wurde.

Kurzfassung: Der Rouffacher Sandstein ist ein gelblicher Kalksandstein tertiärzeitlichen Alters, der sowohl als langfristig stabiler Baustein als auch als hervorragender Bildhauerstein im ganzen Elsass seit dem Hochmittelalter verwendet wurde. Er ist mit dem Pfaffenweiler Sandstein des Mark- gräflerlands geologisch und lithologisch verwandt (Kap. 4.17). Der Abbauschwerpunkt lag bei Rouf- fach und Westhalten (Département Haut-Rhin). Durch Renovierungsarbeiten an herausragenden Abb. 5.2-10: Lettner aus Kalksandstein im Breisacher Müns- Bauwerken wurde ein Stbr. am Strangenberg re- ter von 1497 (Münsterpfarrei 2005). Es ist nicht geklärt, aktiviert. Wichtige Bauwerke: Liebfrauenmüns- woher der hierfür verwendete Kalksandstein stammt – ob ter in Rouffach, Thanner Münster, Straßburger aus dem Gebiet um Pfaffenweiler oder aus Rouffach. Die Münster, vermutlich auch: Lettner im Breisacher Quader im Mauerwerk, die eindeutig aus Rouffach stam- Münster. men, sprechen für den letztgenannten Herkunftsort.

614 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.3 Elsässer Sandstein (Vogesen-Sandstein)

5.3 Elsässer Sandstein (Vogesen- Sandstein) [Frankreich, Elsass]

– Wolgang Werner –

Übersicht: Der noch in einer Reihe von Steinbrüchen in Abbau befindliche Elsässer oder Vogesen-Sand- stein1 ist an Bauwerken des Oberrheins besonders häufig zu finden. Auf den mächtigen Schichtpake- ten des Elsässer Sandsteins (Abb. 5.3-1) thronen entlang der Vogesen-Vorberge zahlreiche Burgen. Erdgeschichtlich wird der Elsässer Sandstein dem Mittleren Buntsandstein zugeordnet (Diagramm der Abb. 5.4-2). Neben dem weit verbreiteten, kräftig roten Sandstein treten auch hellgelbliche und rot/ gelb gebänderte Varietäten auf. Besonders bekannt für seine weißlichgelben Sandsteine ist das alte Ab- baugebiet von Wissembourg bzw. Weißenburg an der Grenze zu Rheinland-Pfalz, südlich von Bad Berg­ zabern (Abb. 5.3-10). Bedeutende Gewinnungsstellen für den roten Elsässer bzw. Vogesen-Sandstein lie- gen bei Rothbach und Adamswiller. Nachfolgend sol- len drei typische Abbaugebiete vorgestellt werden: (1) Rothbach, (2) Adamswiller und (3) Steinseltz bei Wissembourg.

Exkurs: Ein weiterer, für Baden-Württemberg histo- risch wichtiger Naturwerkstein aus dem Elsass ist der goldgelbe Pierre de Jaumont. Dieser Kalkstein wird im Département Moselle bei F-57361 Malan- court-la-Montagne nordwestlich von Metz abge- baut; berühmtestes architektonisches Beispiel ist die Kathedrale von Metz. Er ist lithologisch und geo- logisch mit dem Hauptrogenstein des Markgräfler- Abb. 5.3-1: Château du Haut-Koenigsbourg (Hohkönigs- burg), eine ursprünglich aus dem 12. Jh. stammende und lands verwandt und wird deshalb in Kap. 4.10 kurz zu Beginn des 20. Jahrhunderts rekonstruierte Burg bei Or- beschrieben. schwiller im Elsass (Département Bas-Rhin), errichtet aus rotem Elsässer Sandstein auf den Felsen des Mittleren Bunt- (1) Rothbach sandsteins, aus denen auch das Baumaterial stammt.

Die 1,5 km nordwestlich von Rothbach bei Haguenau de Roth­bach gegründet. Die Eigentümerfamilie Loegel betriebenen Steinbrüche im Rothbacher Sandstein beschäftigt etwa 25 Angestellte im Steinbruch und bzw. im Grès de Rothbach gehören zu den größten im zugehörigen Werk. traditionellen Abbaustellen von rotem Buntsandstein des Oberrheingebietes (Abb. 5.3-2 und -3). Dieser Gesteinsbeschreibung: Beim Rothbacher Sandstein überwiegend rote Sandstein wird von der Industrie handelt es sich um einen mittel- bis grobkörnigen, z. T. oft auch „Vogesensandstein aus Rothbach“ oder als auch fein- bis mittelkörnigen, hellroten bis bräunlichro- „roter Vogesensandstein“ bezeichnet. Stratigraphisch ten Sandstein. Das Gestein zeigt oft nur undeutliche wird er in die Einheit Grès Vosgien supérieur, den Schichtung oder wirkt aufgrund der gleichmäßigen oberen Vogesen-Sandstein (Mittlerer Buntsandstein), Verteilung der Eisenoxide/-hydroxide fast ungeschich- eingestuft. Der nachfolgend beispielhaft beschriebe- tet; gelblich braune Flecken und eine schichtungspar- ne Steinbruch der Fa. Loegel wurde im frühen 19. Jh. allele Farbstreifung sind aber nicht selten (Abb. 5.3-2). zur Gewinnung von Mauersteinen angelegt. Anfang Quarzgerölle sind sporadisch eingestreut, dunkelrote des 20. Jh. kam die Produktion von Schleifsteinen für Tonsteinklasten relativ selten, in einigen Abschnitten die Industrie als wichtiger Produktionszweig hinzu. aber schichtig angereichert. Schrägschichtung ist häu- Nach dem zweiten Weltkrieg lag der Bruch zunächst fig. Auffälligerweise sind die gelblich-bräunlichen Lagen still, bis Charles Loegel ihn 1964 wieder in Betrieb meist feinkörnig und weisen im Vergleich zum umge- nahm. Im Jahr 1975 wurde die Gesellschaft Carrière benden Stein geringere Porositäten auf. Im Wechsel von fein- zu grobkörnigen Lagen (verbunden mit starken Porositätswechseln) können nach der Gewinnung Ab- 1 Durch stratigraphische Kommissionen wurde der Begriff lösungsfugen entstehen. Das Gestein ist dem in Lahr- auch auf die gleich alten Schichten in Baden-Württem- berg übertragen; im Kontext dieses Buches sind damit Kuhbach gewonnenen Sandstein (Kap. 4.5.3.7) farblich aber ausschließlich die Sandsteine des Buntsandsteins ähnlich, jedoch ist die dunkelbraune Sprenkelung durch der Vogesen und nicht des Schwarzwalds oder des Manganoxide (Wad) im Werksteinlager, das aktuell in Odenwalds gemeint. Rothbach genutzt wird, seltener zu beobachten.

615 5.3 Elsässer Sandstein (Vogesen-Sandstein) Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Der Rothbacher Sandstein besteht vornehmlich aus (A) Quarzkörnern (62–76 Vol.‑%). Nebengemengteile sind nach einer Analyse von F. Häfner (LGB Mainz) an ei- nem feinkörnigen Sandstein ca. 10 % Feldspat, ca. 5 % kleine Gesteinsbruchstücke und etwa 7 % Tonmi- nerale. Die farbgebenden Eisenoxide und -hydroxide treten an den Korngrenzen oder in kleinen Erzkörnchen auf. Die Quarzkörner sind teilweise verzahnt oder mit Quarzanwachssäumen verkittet. Die Kornbindung ist überwiegend tonig-hämatitisch und nur schwach kie- selig, was die Gewinnungsmethode mit dem Hoch- druckwasserstrahl (mit 1100 bar Druck) erlaubt. Der offene Porenraum beträgt im fein- bis mittelkörnigen Sandstein (Korngrößen von 0,07–0,5 mm, im Mittel 0,2 mm) etwa 11 %, im mittel- bis grobkörnigen Sand- (B) stein 16–17 %. Technische Eigenschaften: (1) Nach Angaben der Firma Loegel aus Rothbach: Rohdichte: 2,16–2,24 ­g/­cm3; Porosität: 11–17 %, Mittel- wert 14 %; Druckfestigkeit: 64–67 MPa; Biegezugfestig- keit: 9,3–10,5 MPa. Der genutzte Rothbacher Sandstein ist frostsicher im Frost-/Tauwechselversuch (mit 240 Zyklen). Wegen des Fehlens von karbonatischem Bindemittel ist der Sandstein säurebeständig (keine Änderung nach 28 Tagen Versuchsdauer). Bei der Messung der Schallgeschwindig- keit wurden Werte von 2700–3000 m/s ermittelt. (2) Die Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck wurde im LGRB- Labor mit 4,75 M.‑% bestimmt.

(C) Gewinnung: Der Abbau erfolgt mit Hochdruckwasser- strahl-Systemen, Schwertsägen, Baggern, Radladern und Dumpern. Die 8–10 m mächtige Nutzschicht wird in vertikaler Richtung mittels Schrämsäge und für ho- rizontale Schnitte mittels Hochdruckwasserstrahl in gleichmäßige Quader zerteilt (Abb. 5.3-3). Die obers- te Blockreihe wird danach durch senkrechte Loch-an- Loch-Bohrungen zum Abbau vorbereitet. Nach dem Lösen des obersten Blocks aus dem Schichtverband mittels Bagger werden durch das Gewicht des absa- ckenden Blocks die darunter folgenden 9 bis 10 Blö- cke von der Wand gelöst.

Im aktuellen Abbau wird das Werksteinlager bereits von 25–30 m mächtigen nicht oder nur teilweise ver- wertbaren, relativ lockeren, z. T. stark tonigen Sand- steinschichten überlagert; da die Abraummächtigkeit in Erweiterungsrichtung ansteigt, begann die Firma 2009 mit der Anlage von untertägigen Abbaukam- mern (Abb. 5.3-4). Nach Firmenunterlagen müssen derzeit zur Gewinnung von 4000 m3 Werksteinblö- cken etwa 30000 m3 Abraummaterial bewegt werden. Beim Sandsteinabbau unter Tage hingegen brauchen keine Abraumschichten entfernt werden, jedoch ist aus Gründen der Standsicherheit das Ausbringen aus dem Werksteinlager auf etwa 50–60 % der bisherigen Menge beschränkt. Jährlich werden zwischen 7000 und 9000 m3 aus dem sehr gleichmäßigen Werkstein- lager gelöst (Abb. 5.3-3 und -4), wovon beachtliche 5000 bis 6000 m3 zur Weiterverarbeitung verwertet Abb. 5.3-2: Elsässer Sandstein, in der Natursteinindustrie werden können. Rund die Hälfte der Produktionsmen- auch als Vogesen-Sandstein bezeichnet, aus einem Stein- ge geht in den Export vor allem nach Deutschland, bruch bei Rothbach (daher auch: „Rothbacher Sandstein“) Luxemburg, Belgien und in die Schweiz. in drei Varietäten: (A) Kräftig rote, monotone, fein- und mit- telkörnige Lagen im Wechsel mit feinstreifigen, wechselnd rot und beige gefärbtem Sandstein, (B) schräg geschichte- Verwendung: Häufig nachgefragte Produkte aus ter, dunkelroter Sandstein mit breiteren gebleichten Lagen, Rothbacher Vogesen-Sandstein sind bruchraue, ge- (C) gefleckte Varietät, Platte in der Schichtung gesägt. spaltene, bossierte oder gesägte Schichtensteine

616 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.3 Elsässer Sandstein (Vogesen-Sandstein)

Abb. 5.3-3: Buntsandsteinbruch der Fa. Loegel bei Rothbach (Département Bas-Rhin). Gleichmäßig geschichtete Pakete des tonig gebundenen Sandsteins können mittels Hochdruckwasserstrahl-Verfahren gewonnen werden. Abgebaut wird derzeit eine ca. 10 m mächtige, in Körnung und Bindemittel sehr gleichmäßige Schicht, die von 25–30 m mächtigen, stärker tonigen und daher nicht verwendbaren Sandsteinen überlagert wird (Aufnahme 2010).

für den Mauerbau bzw. die Verblendung von Mauern delsüblichen Bezeichnung „Roter Vogesen-Buntsand- (Abb. 5.3-7), Tranchen bis 2,75 x 1,75 m, Boden-, stein“, „Grauroter Vogesen-Sandstein“ oder „Fester Abdeck- und Fassadenplatten, Blockstufen, Pfeiler, Elsässer Sandstein“. Es gibt einheitlich rote und rot ge- Fensterbänke, Türen- und Fensterumrahmungen, Ka- flammte, gelblichbraune, graurote und grünlichgraue mine, Wasser- und Blumentröge, Brunnen und Grab- Varietäten. steine sowie Rohblöcke in zwei Qualitätsklassen. Be- sonders gefragt sind aktuell gesägte Quader (bis 0,5 Technische Eigenschaften (Angaben aus: http://www. x 0,5 x 1,15 m) für Schwergewichtstrockenmauern, rauscher.fr, Stand: 2010): Rohdichte: 2,05 g/cm3; Po- die an der Ober- und Unterseite gesägt sind. Wich- rosität: 18–23 Vol.‑%; Wasseraufnahmekoeffizient: tigstes beliefertes Renovierungsprojekt war lange 0,63; Druckfestigkeit: 45–65 MPa; Schallgeschwindig- Jahre das Straßburger Münster. Große Bauprojekte keit: 2155 m/s; Abriebfestigkeit: 35–45 mm; Frostemp- in Baden-Württemberg, die mit Vogesen-Sandstein findlichkeit: bei > 240 Zyklen stabil. aus Rothbach realisiert wurden, sind z. B. das Be- rufsförderungswerk in Heidelberg, das Stadttheater und die Fachhochschule in Pforzheim, die Papierma- cherschule in Gernsbach und das Hotel Grundig in Bühlerhöhe. Das Kloster in Hornbach und das Zeug- haus in Germersheim wurden mit diesem Sandstein restauriert.

(2) Adamswiller

Ein weiteres wichtiges Abbaugebiet von rotem Voge- sen-Sandstein liegt bei Adamswiller, einem kleinen Ort nahe Drulingen, etwa auf halber Strecke zwi- schen Straßburg und Saarbrücken. Brüche und Werke werden von der G. R. Rauscher SA, 3 rue de la gare, F-67320 Adamsviller betrieben (www.rauscher.fr), die außer bei Adamswiller, Lohr und Volksberg auch Brüche im Buntsandstein bei Rothbach und Steinseltz betreibt. Die Angebotspalette entspricht weitgehend jener der Fa. Loegel aus dem zuvor beschriebenen Abb. 5.3-4: Abbau im Rothbacher Sandstein. Wegen der zu- Stbr. Rothbach. Es handelt sich um einen hellroten bis nehmenden Überlagerungsmächtigkeiten wird der Übergang bräunlich-roten Fein- bis Mittelsandstein mit der han- in den untertägigen Abbau erwogen (Foto 2010).

617 5.3 Elsässer Sandstein (Vogesen-Sandstein) Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.3-5: Mächtiger Bündelpfeiler aus wechselnd rotem Abb. 5.3-6: Im 18. Jh. errichtete Festungsanlage von Neuf- und gelblichem Elsässer Sandstein im Straßburger Münster. Brisach, Department Haut-Rhin. Torgebäude und Festungs- mauer sind aus rotem Elsässer Sandstein, Schmuckelemen- te aus Rouffacher Sandstein (Kap. 5.2).

Exkurs: Zwei Beispiele für die Verwendung des Elsäs- ­Sandstein aus dem südlichen Pfälzerwald (Kap. 5.4) ser Sandsteins in Baden-Württemberg: und Adamswiller Sandstein (s. o.) verwendet. Auch wenn man mit geringer Witterungsbeständigkeit des (A) In Karlsruhe wurde die überwiegende Zahl der roten Sandsteins aus Adamswiller rechnet (Behrens historischen Gebäude vor allem im 19. und 20. Jh. 2006), so wurde aus denkmalpflegerischen Über- aus gelblichweißen und oft hell gefleckten, mittelro- legungen doch jeweils auf die dem Originalmaterial ten Sandsteinen des Buntsandsteins aus dem Elsass ähnlichsten Gesteine gesetzt. Die reichliche Verfüg- und dem Pfälzerwald erbaut. Ein schönes Beispiel barkeit des vergleichsweise billigeren Vogesen-Sand- bietet die mächtige Kirche St. Bernhard an der Dur- steins ist auch heute noch ein wichtiger Faktor da- lacher Allee, die im Zeitraum 1895–1901 im neugo- für, dass der Schwarzwälder Buntsandstein, z. B. aus tischen Stil errichtet wurde (Abb. 5.4-6). Über ei- Lahr-Kuhbach, seltener bei Bau- oder Sanierungskos- nem Sockel aus Granit erhebt sich ein 80 m langes ten zum Zuge kommt, wie die in Kap. 4.5.3 genann- Kirchenschiff mit einem 80 m hohen Westturm. Die ten Firmen übereinstimmend berichten. Kirche wurde sowohl aus Weidenthäler Sandstein aus den etwa 16 m hohen Brüchen der Pfälzer Eisen- (B) In Neustadt im Schwarzwald, heute Teil von bahn bei Weidenthal (ca 15 km NW von Neustadt a. Titisee-Neustadt (Landkreis Breisgau-Hochschwarz- d. Weinstraße) als auch aus Pfalzburger Vogesen- wald), steht das bekannte Münster St. Jakobus, das Sandstein (Phalsbourg, Bezirk Lothringen) errichtet; innerhalb von wenigen Jahren, nämlich von 1897 bis für die Kreuzblume wurde Mainsandstein verwendet 1901 aus Buntsandstein erbaut wurde. Es handelt (Behrens 2006). Bei den Sanierungsarbeiten 2006– sich um eine der am meisten beachteten Kirchenbau- 2010 (Kostenumfang 4,7 Mio. €) stellte sich heraus, ten dieser Zeit in Südwestdeutschland. Planung und dass besonders der Elsässer Vogesen-Sandstein Bauleitung oblagen dem Erzbischöflichen Bauamt in aufgrund seiner hohen Wasseraufnahme und lagiger Freiburg. Die Steine für die Architekturteile wurden Tonmineralanreicherungen starke Schäden aufwies. zum größten Teil aus dem im Zeitraum 1871–1918 Für die Austauschmaßnahmen wurde Schweinstäler zum deutschen Reich gehörigen Elsass auf dem

618 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.3 Elsässer Sandstein (Vogesen-Sandstein)

Abb. 5.3-7: Trockenmauer am Fuß des Freiburger Loretto- Abb. 5.3-8: Sandsteinbruch der Fa. Rauscher bei Steinseltz bergs, 2008 errichtet aus Elsässer Buntsandstein. Der Lo- im Nordelsass (Zustand 2011). Die Bänke des weißlich– rettoberg war früher selbst ein bedeutender Abbauort von gelblichen Sandsteins fallen zum Oberrheingraben hin ein. Buntsandstein (Kap. 4.5.3.9).

Schienenweg angeliefert, da die heimischen Stein- sandsteingebiet nördlich von Pforzheim (vermutlich brüche – wohl vor allem aus lagerstättengeologi- aus Maulbronn) und aus dem Elsass. Ein General- schen Gründen – in so kurzer Bauzeit nicht genügend unternehmer aus Bad Godesberg mit Niederlassung Baumaterial liefern konnten. Buntsandstein aus den in Straßburg lieferte schließlich einen konkurrenzlos Brüchen bei Neustadt wurde noch bis zur Brüstung, billigen Stein aus dem Elsass, wo zahlreiche große für die Pfeilermauersteine und auch als Füllsteine des Buntsandsteinbrüche in Abbau standen. Schnell ver- Mauerwerks verwendet2. mutet, dass die meisten Steine aus den Brüchen bei Drullingen oder Lohr stammten, die Steine für die Kir- Die Kapazität der Schwarzwälder Steinbrüche bei che in Bühl-Vimbuch aus einem Bruch bei Bust. Die Friedenweiler, Röthenbach und Oberbränd, 6–8 km hellgrauen Feinsandsteine, die im Neustädter Münster östlich bzw. nordöstlich von Neustadt, reichte für für Taufbecken, Kanzel und Seitenaltäre verwendet das ehrgeizige Projekt nicht aus. Die Beschreibungen wurden, stammen nach seinen Aussagen wahrschein- zur geologischen Karte machen außerdem deutlich, lich auch aus Bust (ggf. Steinbruch Schneider), Weis- dass es sich in diesem Gebiet um geringmächtige lingen oder Waldhambach im Elsass. und stark wechselhafte Buntsandsteinvorkommen handelt. Der Oberbränder Mühlsteinbruch baute Die in den Jahren 2004–2008 zur Restaurierung des auf eine nur 3 m mächtige Werksteinzone mit drei St. Jakobus Münsters benötigten Blöcke wurden, um je 0,6–0,8 m dicken Bausteinbänken aus mangan- möglichst dem Originalmaterial ähnliches Gestein zu schüssigen, violettgestreiften Mittelsandsteinen und verwenden, ebenfalls aus dem Elsass beschafft. Die Fa. einer darunter folgenden 1,75 m mächtigen „Mühl- Schnell konnte Blöcke aus einem Buntsandsteinbruch steinbank“ aus hellrötlich-weißlichem, kieselig ge- der Fa. Metzger bei F-57565 Brouderdorff, SE von Sar- bundenem Grobsandstein mit kleinen Geröllen, das rebourg (Region Lothringen), besorgen. Originalgestei- Schalch (1903) zum Hauptkonglomerat zählt. Die ne vom Münster und die Sandsteine aus Brouderdorff Steinbrüche bei Röthenbach und Friedenweiler liegen wurden petrographischen Vergleichs- und Qualitätsun- in einer max. 10 m mächtigen Folge von fein- bis mit- tersuchungen unterzogen. Der nach 2004 eingebaute telkörnigen, hellrötlichen Sandsteinen des Mittleren Sandstein aus Brouderdorff besteht demnach aus etwa Buntsandsteins. Wegen des Mangels an mächtigeren 50 % Quarz, 13 % Feldspat, 6,5 % Gesteinsbruchstü- Buntsandsteinvorkommen, so wie sie aus dem Nord- cken, 2,6 % Tonmineralen/Glimmern, 7 % Quarzze- schwarzwald oder den Lahr-Emmendinger Vorbergen ment und beachtlichen 7,9 % Hämatit; die Porosität bekannt sind (Kap. 4.5), hat man schon im Mittelalter beträgt fast 8 % (Mitt. E. Schnell, 21.10.2009). Es regelmäßig auf die im Hangschutt reichlich vorhan- handelt sich also um einen silikatisch und ferritisch ge- denen Buntsandsteinblöcke zurückgegriffen, wie das bundenen, feldspatreichen Quarzsandstein. Scheibenkreuz von Rudenberg (bei Titisee-Neustadt) exemplarisch belegt. (3) Steinseltz bei Wissembourg [Weißenburg an der Lauter] Nach Mitteilung von E. Schnell (Fridingen a. d. D.) konkurrierten nach seinen Aktenrecherchen im Neu- Westlich von Wissembourg im Nordelsass (Départe- städter Kirchenarchiv Unternehmer aus mehreren ment Bas-Rhin) befindet sich das Abbaugebiet des Abbaugebieten um den Großauftrag am Neustädter bekannten Weißenburger Sandsteins bzw. Grès de Münster, nämlich Firmen aus dem Maintal, dem Schilf- Wis­sembourg (Abb. 5.3-8 bis -10). Es handelt sich um einen weißlichgelben, bräunlichgelben, blass­ orangegelben bis graugelben, mittelkörnigen und 2 Mitteilung von Eduard Schnell, Steinmetz- und Bildhau- feldspatführenden Sandstein mit überwiegend kiese- erwerkstatt, Fridingen a. d. Donau liger Bindung. Braune Limonitbänder und „Wolken“

619 5.3 Elsässer Sandstein (Vogesen-Sandstein) Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.3-9: Durch hydrothermale Prozesse gebleichter, ty- Abb. 5.3-10: Grès de Wissembourg / Weißenburger Sand- pisch bräunlichgelber Sandstein von Wissembourg, Carrière stein, Gestaltungselement auf einem Straßenkreisel in Wis- de Steinseltz. sembourg, Nordelsass.

(Liesegang´sche Ringe) sind häufig anzutreffen. Die Climbach, erschließt wieder den weiter verbreiteten, Sandsteine im Steinbruch Steinseltz sind überwiegend tiefroten Sandstein. Auffällig ist, dass die Entfärbung gelblichbraun bis braungelb, z. T. fast weiß, z. T. noch – also die Umwandlung eines roten in einen gelben rosa oder kräftig rot/hellgelb gestreift. Braune Strei- bis bräunlichen gelben Sandstein – im grobkörnigen fen und ringförmige Strukturen sind nicht selten und Sandstein am weitesten fortgeschritten ist; fein- bis geben besonders den weißlichgelben Varietäten ein mittelkörnige Bänke oder Lagen sind oft noch rot oder abwechslungsreiches Aussehen (Abb. 5.3-9 und -10). rosa gefärbt. Offensichtlich besteht ein kausaler Zu- sammenhang zwischen Porosität und Entfärbung. Der Sandstein von Wissembourg ist Teil der als „Voge- sen-Sandstein“ bezeichneten Abfolge. Stratigraphisch Wie im angrenzenden Pfälzerwald wurde der rote gehören die Sandsteine dem tieferen Abschnitt des Buntsandstein entlang der westlichen Hauptverwer- Mittleren Buntsandsteins an. „Der mittlere Buntsand- fung des Oberrheingrabens durch aufsteigende hydro- stein ist das Hauptgestein der nördlichen Vogesen, thermale Lösungen gebleicht. Vermutlich wurde diese auf ihn bezieht sich die häufig angewendete Bezeich- Bleichung aber weniger durch CO2-reiche Lösungen nung Vogesen-Sandstein. Auch der Hauptbuntsand- verursacht, wie von Andreae et al. (1883) vermutet, stein Gümbel´s entspricht ziemlich genau unserem sondern vielmehr durch stark reduzierend wirkende mittleren Buntsandstein“ (Andreae et al. 1883: 41). kohlenwasserstoffreiche Lösungen. Durch die Unter- Der Mittlere Buntsandstein wird hier gegliedert in den suchung von Flüssigkeitseinschlüssen in den Minera- geröllführenden und Pseudomorphosen-Sandstein len der ebenfalls auf Hydrothermen zurückzuführen- (unten), den geröllfreien und tonarmen Sandstein und den Erz- und Mineralgänge des Schwarzwald stellte das Hauptkonglomerat (oben). Der Sandstein dieses sich heraus, dass hier häufig kleinste Erdöltröpfchen Gebiets ist überwiegend kräftig rot gefärbt, aber eingeschlossen wurden (Germann et al. 1994; Werner eben am Ostabhang des Hochwalds tritt der bekannte et al. 2002), was belegt, dass die aus dem Graben gelbliche und gelblichweiße Sandstein auf, „der auf aufsteigenden warmen Wässer Kohlenwasserstoffe weissem Grunde rothe Streifen und wolkige Zeich- enthalten. Derartige Lösungen wirken stark reduzie- nungen zeigt. Diese ungewöhnlichen Färbungen sind rend und sind prädestiniert, um kräftig rote Sandsteine beschränkt auf den unmittelbar an die Hauptspalten zu bleichen. stossenden Sandstein“ (Andreae et al. 1883: 18). In der Tat tritt diese Bleichung nur an der Südostseite Technische Eigenschaften: des Hochwalds auf; schon der Steinbruch unmittelbar Beim gelblichweißen Sandstein von Wissembourg bzw. westlich des Luxenkopfs, direkt an der Straße nach Steinseltz handelt es sich um einen überwiegend festen,

620 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald

leicht absandenden Mittel- bis Grobsandstein. In stark ge- bleichten Partien kann die Kornbindung auch relativ locker 5.4 Buntsandstein aus dem sein. Für die besten Werksteinqualitäten der Handelsvarie- täten „Vogesen-Sandstein gelb Wissembourg“ und „gelb- Pfälzerwald [Rheinland-Pfalz] weiß Wissembourg“ gibt die Fa. Rauscher SA3 folgende Werte an: Rohdichte: 2,14 ­g/­cm3; Porosität: 15–21 Vol.‑%; 4 Wasseraufnahmekoeffizient: 0,60; Druckfestigkeit: 50– – Wolfgang Werner – 70 MPa; Schallgeschwindigkeit: 2615 m/s; Abriebfestig- keit: 35–45 mm; Frostempfindlichkeit: nach > 240 Zyklen stabil. Übersicht: In Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Nordbayern (Mainfranken) findet aufgrund der Gewinnung: Die meisten Sandsteinbrüche befinden günstigen geologischen Situation die umfangreichste sich zwischen Wissembourg, Rott und Climbach auf Gewinnung von Naturwerksteinen aus den Schichten einem parallel zum Grabenrand verlaufenden Bergrü- des Buntsandsteins (Untertrias) und des Rotliegen- cken mit der Bezeichnung „Hochwald“ (früher auch den (Unterperm) statt. Die Sandsteine beider erdge- „Staatswald Weißenburg“) mit den Höhen Scherhol, schichtlicher Abschnitte werden nachfolgend, wie Luxenkopf und Klimbacher Berg. Auf diesem Rücken, auch in Architektur, Denkmalpflege und Naturstein- zwischen Weiler im Nordosten und Cleebourg im industrie üblich, zusammenfassend als „Buntsand- Südwesten, befinden sich 10 heute noch zugängli- stein“ bezeichnet. In Rheinland-Pfalz sind in diesem che Steinbrüche im Buntsandstein. In Betrieb ist der Buntsandstein beider erdgeschichtlicher Formationen Steinbruch der Fa. Rauscher im Waldgebiet unmittel- zusammen 21 Steinbrüche in Betrieb; vier davon nut- bar nördlich von Cleebourg. Weil er auf Gemarkung zen Rotliegend-Sandsteine, 17 liegen in Schichten der Steinseltz liegt, trägt er den Namen Carrière de Stein- Untertrias. Von den einstmals sehr zahlreichen Sand- seltz (s. u.). steinbrüchen im Pfälzerwald werden nur noch sieben betrieben (LGB 2007). Dennoch stellt der Pfälzerwald Dieser Steinbruch, der im Gegensatz zu allen ande- eines der bedeutendsten Abbaugebiete von hochwer- ren heute meist auflässigen Brüchen im Gebiet auf tigen und verschiedenfarbigen Naturwerksteinen aus der geologischen Karte von 1882 noch nicht einge- dem Buntsandstein Deutschlands dar. Zum Pfälzer- zeichnet war, erschließt einen rd. 25 m mächtigen wald wird nachfolgend auch der an das Elsass angren- Abschnitt im unteren mittel- bis grobkörnigen Voge- zende Wasgau und der bei Neustadt a. d. Weinstraße sen-Sandstein, etwa zwischen 305 und 330 m NN. gelegene Höhenzug der Haardt mit ihren typischen ge- Die Schichten fallen mit 12–15° nach Südosten, also bleichten Sandsteinen gerechnet. zum Oberrheingraben hin ein (Schichtflächen = 130– 135°/12–15°) (Abb. 5.3-8). Die Bankmächtigkeiten Schon in der Spätantike wurde der Buntsandstein aus variieren zwischen 2 und 4 m. Im aktuellen Abbau- dem Pfälzerwald genutzt. Am sog. Kriemhildenstuhl bereich beträgt die Nutzschichtmächtigkeit rd. 20 m am Südosthang des Kästenbergs bei Bad Dürkheim bei 4–5 m Abraum. Der Abbau erfolgt überwiegend wurde während der römischen Zeit um ca. 200 n. Chr. mit Bohren und Keilen, der Transport mit Radlader. Buntsandstein im Niveau der Rehberg-Schichten Die Weiterverarbeitung wird in Adamswiller vorge- (Holzwarth 1996) abgebaut. Viele bedeutende Kul- nommen. turdenkmale wurden seit dem Hochmittelalter aus dem Sandstein des Pfälzerwalds errichtet; berühmte Bezugsmöglichkeit: Rauscher S.A., 3 Rue de la Gare, Beispiele sind der Kaiserdom zu Speyer und das Klos- 67320 Adamswiller, Internet: www.rauscher.fr ter Limburg, beide aus dem 11. Jh. (Abb. 5.4-5), der Wormser Dom (11. Jh.) und die Abteikirche Otter- Kurzfassung: Der Elsässer oder Vogesen-Sand- berg (12./13. Jh.) sowie zahlreiche Burgruinen (11.– stein, ein roter, oft auch hellgelblicher bis fast 13. Jh.). Vor allem im 19. und frühen 20. Jh. wurden weißer Sandstein des Mittleren Buntsandsteins, entlang des Oberrheins zahlreiche Kirchen und öffent- ist das historisch wichtigste Baumaterial im El- liche Bauten aus dem hell- bis dunkelroten, z. T. gelb- sass. Die am meisten verwendeten Sandsteine lich gestreiften oder bräunlichgrauen Fein- bis Mittel- sind kräftig rot und zeichnen sich durch gleichmä- sandstein des Pfälzerwalds errichtet, so in Karlsruhe ßiges Korn, toniges-kieseliges Bindemittel, gute und Freiburg (Abb. 5.4-6 und -7). Bearbeitbarkeit, z. T. aber auch relativ hohe Was- seraufnahmefähigkeit aus. Durch Eisenbahntrans- Der Pfälzerwald bildet geologisch und landschaftlich porte begünstigt wurde er ab dem 19. Jh. auch die nördliche Fortsetzung der zuvor beschriebenen auf der deutschen Rheinseite und im Schwarzwald Buntsandsteingebiete im Nordelsass. Für die Werk- viel verwendet. Bedeutende, heute noch intensiv steingewinnung wichtig sind hier besonders die rund genutzte Gewinnungsstellen liegen bei Rothbach, 100–140 m mächtigen Karlstal-Schichten, in diesem vor Adamswiller und Steinseltz bei Wissembourg. allem die 20–30 m umfassende Karlstal-Felszone (Basis Beispiele für Bauwerke: Höhenburgen der Voge- Mittlerer Buntsandstein), und die rund 100 m mächtigen sen, Straßburger Münster, Festung Neuf-Brisach, Trifels-Schichten (Unterer Buntsandstein). Letztgenann- Münster St. Jakobus in Neustadt/Schwarzwald, te und die Felsen im Wasgau sind durch ihre beeindru- viele Kirchen und öffentliche Bauten in Karlsruhe ckenden Felsformationen am Ostabbruch des Pfälzer- (z. B. der Kirche St. Bernhard). walds bei Wanderern, Kletterern und Burgenfreunden berühmt (Abb. 5.4-1). Eine Korrelation der einzelnen 3 http://www.rauscher.fr/public/106-TuR--UND- FENSTERGEWaNDE-AUS-VOGESEN- 4 mit Ergänzungen von Friedrich Häfner, LGB Rheinland- NATURSANDSTEIN.html, Stand März 2011 Pfalz

621 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Schichtglieder des Pfälzer Buntsandsteins mit denen in rechtsrheinischen Gebieten ist wegen der Fossilarmut und den vielen Schichtlücken (= Zeiten in denen keine Ablagerung stattfand) schwierig. Einen aktuellen strati- graphischen Korrelationsversuch zeigt Abb. 5.4-2.

Entstehung: Vom Perm bis zum Beginn des Muschel- kalks (296–251 Mio. Jahre) wurden im Gebiet der heutigen Westpfalz überwiegend klastische Sedimen- te abgelagert, die als rund 3500 m mächtige Schichten erhalten sind (davon ca. 500 m Buntsandstein). Die Sedimentation erfolgte unter Wüstenbedingungen in zeitweise sehr wasserreichen Flusslandschaften, die mit heutigen Wadis zu vergleichen sind (vgl. Ausfüh- rungen in Kap. 4.5.2). Die Flüsse lieferten das Mate- rial vornehmlich aus südwestlicher Richtung aus dem Gebiet der sog. Gallischen Schwelle an, zu dem das heutige französische Zentralmassiv gehört. In Folge der lateritischen Verwitterung der Buntsandstein-Zeit entstanden die typischen roten Ablagerungen; die Far- be geht vor allem auf dünne Beläge des Eisenoxids

Hämatit Fe2O3 um die Quarzkörner zurück. Die in die Sandsteinbänke eingelagerten sog. Dünnschichten werden auf Windeinwehungen aus östlichen Richtun- gen zurückgeführt (Häfner 2008b).

Im Pfälzerwald treten wie im Nordelsass (vgl. Grès de Wissembourg) neben den typisch kräftig roten bis rosafarbenen auch gelbe bis ockergelbe Sandsteine in großer Mächtigkeit auf. Besonders nahe der west- lichen Randstörung des Oberrheingrabens sind solche „gebleichten“ Sandsteine häufig. Diese Bleichung, bei der die ursprünglich roten Sandsteine eine gelb- Abb. 5.4-1: Pfälzer Buntsandstein, Felstürme am Trifels am liche bis gelblich-graue Färbung erhielten, wird wie östlichen Rand des Pfälzerwalds. im Nord­elsass auf die Einwirkung kohlendioxidrei- cher Wässer zurückgeführt, die im sog. Bergzabener Bruchfeld des westlichen Oberrheingrabens während der Karlstal-Felszone je einen Steinbruch, die wegen des Tertiärs über Störungen und Kluftsysteme aufge- der großen Blockformate und der guten Kornbindung stiegen sind (Schürmeister 1990). Recht wahrschein- sehr geschätzt sind (Abb. 5.4-3). Die Farbenvielfalt im lich ist, dass dabei auch kohlenwasserstoffreiche Lö- Schweinstaler oder Schopper Sandstein macht bei- sungen eine Rolle spielten. spielhaft deutlich, warum die Formation den Namen „Buntsandstein“ trägt: hellrote, ziegelrote, hellviolette, Wichtige Abbaugebiete im Pfälzerwald weißliche bis hellgraue, hellgelbe und bräunlich-gelbe Sandsteine treten in vertikalem wie lateralem Wechsel Bedeutende Steinbruchgebiete, aus denen häufig in gleichmäßigen, gemaserten oder gestreiften Textu- Sandsteine nach Baden-Württemberg geliefert wurden ren nebeneinander auf (Abb. 5.4-4). Die blassrote Va- und werden, sind das Schweinstal bei Krickenbach, rietät gilt als die mit der größten Witterungsbeständig- Oberschlettenbach westlich von Bad Berg­zabern, keit (Schürmeister 1990). Neustadt a. d. Weinstraße/Ortsteil Haardt und Lei- stadt nördlich von Bad Dürkheim. Diese Abbaugebiete Genutzt werden zwei Werksteinbänke (Abb. 5.4-3). und ihre Gesteine werden nachfolgend kurz beschrie- Die untere ist max. 6 m mächtig und besteht über- ben. Die jährliche Abbaurate an Sandsteinen dürfte in wiegend aus einem hell- bis dunkelroten Sandstein. diesen Gebieten bei ca. 4000–5000 m3 liegen (Mitt. In der 3–4,5 m dicken oberen Bank dominieren die F. Häfner 2010). gelblich-weißen Farbtöne. Beide Lager werden von ei- nem ca. 2 m mächtigen Horizont aus Feinsandstein (1) Schweinstal und Schluffstein voneinander getrennt. Die gesam- te genutzte Schichthöhe liegt derzeit bei 10–12 m, Zu den bekanntesten Abbaugebieten von Pfälzischem die überlagernden Abraumschichten sind zwischen Buntsandstein gehört das Schweinstal bei den Orten 15 und 20 m mächtig. Günstig sind auch die weiten Krickenbach und Schopp im Landkreis Kaiserslautern Kluftabstände in einem tektonisch geschonten Be- im westlichen Pfälzerwald, neben der Strecke von reich, weshalb Blöcke bis über 10 m Länge gewonnen Kaiserslautern nach Pirmasens gelegen. Die hier min- werden können. destens seit dem Jahr 1837 gewonnenen Sandsteine (Häfner 2008b) werden als Schweinstaler, früher auch Gesteinsbeschreibung: Es handelt sich um einen als Schopper Sandstein bezeichnet. Im Schweins­tal überwiegend mittelkörnigen, lagenweise grobkörni- betreiben die Firmen Carl Picard und Konrad­ Müller in gen, glimmerarmen, karbonatfreien Quarzsandstein

622 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald

mit Horizontal-­ und Schrägschichtung, einzelnen den erdgeschichtlich ins terrestrische Zechstein (frü- Quarzgerölllagen und Tongallen. Die Korngrößen lie- her Unterer Buntsandstein) gestellt. Die im zweisöh- gen meist zwischen 0,2 und 0,7 mm. Als minerali- ligen Abbau genutzten Lager sind 4 m (unten) bzw. sche Komponenten wurden 48 % Quarzkörner, 45 % 2–3 m (oben) mächtig. Charakteristisch sind eine Gesteinsbruchstücke (vornehmlich aus Quarz), 6 % schwach grünliche, gelbliche oder bräunliche Spren- Feldspat und 1 % Akzessorien wie Biotit, Turmalin und kelung und die rotbraunen Schlieren im sonst einheitli- Zirkon ermittelt (Schürmeister 1990). Als chemische chen Sandstein, dessen Schichtung nur undeutlich ist. Zusammensetzung geben Wenzel & Häfner (2003) Der Sandstein ist gleichkörnig, schwach hellglimmer-

97 % SiO2, 1,45 % Al2O3, 1,45 % Fe2O3, 0,7 % K2O führend und relativ weich bei der Bearbeitung, wes- und 0,02 % CaO an, die Bindung ist nach diesen Au- halb er auch gerne als Ornamentstein für Skulpturen­ toren wechselnd tonig, tonig-kaolinitisch, tonig-ferri- tisch und kieselig. Schürmeister (1990) stellte eine dominant kaolinitisch-kieselige Bindung mit häufigem Quarzzement um die detritischen roten Quarzkörner fest. Bei sehr ausgeprägter Sekundärquarzbildung kam es zur Bildung eines „Kristallsandsteins“.

Technische Eigenschaften (nach Schürmeister 1990, Wen- zel & Häfner 2003 und Prüfzeugnis der TU Kaiserslautern von 2005): Rohdichte: 2,09–2,14 ­g/­cm3, Mittelwert 2,1 ­g/­cm3; Rein- dichte: 2,65 ­g/­cm3; Porosität: 19,7–20,85 Vol.‑%; Was- seraufnahme unter Atmosphärendruck: 5,6–6,14 M.‑%; Wasseraufnahme unter Vakuum: 8,7–9,9 M.‑%; Sättigungsgrad/s-Wert: 0,64–0,65; Druckfestigkeit, ein- axial (senkrecht zur Schichtung): 53–73 MPa, Mittelwert 66,5 MPa; Biegefestigkeit: 1,9–3,3 MPa; Ausbruchlast am Ankerdornloch: 851 N. Das Gestein ist überwiegend frost- sicher.

Verwendung: Die traditionsreiche Firma Carl Picard (gegründet 1906) produziert vor allem Platten für Fassaden, Innenwände, Bodenbeläge, Abdeckungen, Treppen und Fensterbänke, Quader für Mauerwerk und Brunnenanlagen, Tranchen sowie Rohblöcke mit Standardblockmaß von circa 2,3 m in der Länge, bis zu 1,20 m in der Lagerhöhe und bis 1,4 m in der Tiefe. Viele Eisenbahn- oder Autobahnbrücken (z. B. Frank- furt–Aschaffenburg) wurden zwischen 1938 und 1957 aus Schweinstaler Sandstein errichtet. In den Jahren 1915–1968 wurden in den Schweinstaler Brü- chen Schleifsteine in großem Umfang produziert und in die Stahl-, Glas- und Edelsteinindustrie ins Ruhrge- biet, nach Idar-Oberstein sowie nach Italien und Un- garn geliefert.

Historische Bauwerke aus Schweinstaler Sandstein sind z. B. das Schloss in Trippstadt und die Benedik- tinerabtei in Tholey. Steine aus den Schweinstaler Brüchen wurden z. B. zur Renovierung der Alten Na- tionalgalerie in Berlin, der Sicherung der Burgruinen Drachenfels, Nanstein in Landstuhl, des Hambacher Schlosses und der Staatskanzlei in Saarbrücken ver- wendet, unter den Neubauten ist als Beispiel aus Baden-Württemberg die IHK in Heilbronn zu nennen. Wegen der großen Ähnlichkeit der hellroten Sand- steinvarietät mit dem Sandstein aus den Lahr-Emmen- dinger Vorbergen werden von hier regelmäßig auch Blöcke in das Gebiet Freiburg–Offenburg geliefert.

(2) Oberschlettenbach

Im südöstlichen Pfälzerwald, westlich von Bergzabern (Lkr. Südliche Weinstraße), liegt bei Oberschletten- Abb. 5.4-2: Diagramm zur zeitlichen Korrelation des Bunt- bach der Steinbruch der Fa. Uhrig im Annweiler Sand- sandsteins in den Vogesen, im Schwarzwald, im Pfälzer- stein. Die hier gewonnenen violettroten, dunkelroten wald und im Odenwald (nach: LGB 2005, Geyer et al. 2011, bis dunkelbraunroten Fein- bis Mittelsandsteine wer- mit Ergänzungen von E. Nitsch, LGRB).

623 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

schen 0,1 und 0,15 mm. Das Intergranularvolumen be- stimmte Holzwarth (1996) mit 19,3 %. Das Bindemittel dieses Arkosesandsteins be- steht überwiegend aus Eisen­ oxiden und untergeordnet aus authigenen Tonmineralen und Quarz. Wenzel & Häf- ner (2003) geben folgende chemische Zusammenset-

zung an: SiO2: 83,0 %; Al2O3: 7,0 %; Fe2O3: 1,3 %; Na2O:

0,1 %; K2O: 4,3 %; CaO: 0,8 %; MgO: 0,9 %; Glühver- lust: 2 %.

Technische Eigenschaften nach Angaben von Holzwarth (1996) sowie Wenzel & Häfner (2003): Rohdichte: 1,9–2,05 ­g/­cm3; effek- Abb. 5.4-3: Sandsteinbruch der Fa. Carl Picard im Schweinstal nahe der Orte Kricken- tive Poro­­sität: 13,3–18,2 Vol.‑%; bach und Schopp im westlichen Pfälzerwald: Abbaufront in der Karlstal-Felszone (Mitt- Wasseraufnahme unter Atmo- lerer Buntsandstein) mit dem 5–6 m mächtigen unteren Lager und dem 4–5 m mächtigen sphärendruck: 7,1–9,3 M.‑%; oberen Lager; beide werden von einer tonigen-schluffigen Sandsteinschicht getrennt Wasseraufnahme unter Vakuum: (2010). 7,91–12,65 M.‑%; Sättigungszahl/s-Wert: 0,7–0,9; thermische Dehnung (Mittel- wert): 0,13–0,36 mm/m; hy­ grische Dehnung (DIN EN 13009): 0,5–0,64 mm/m; Druckfestig- keit, einaxial (senkrecht zur Schichtung): 41,0–63,65 MPa; Ultraschallgeschwindigkeit (Mit- telwert): 1795–2280 m/s. Das Gestein ist frostsicher (Frost- Tau-Verlust bis 0,5 %).

Als Verwendungsbeispiele für den kräftig roten bis vio­ lettdunkelroten Sandstein aus Oberschlettenbach wer- den das Amtsgericht in Bad Bergzabern, das Verwal- tungsgebäude der Stadtwer- ke in Landau und zahlreiche Privathäuser am West- und Nordring in Landau i. d. Pfalz angegeben (Wenzel & Häf- ner 2003).

(3) Neustadt a. d. Weinstraße, Ortsteil Haardt Abb. 5.4-4: Gesägter Block von Schweinstaler Sandstein mit dem charakteristischen Farbwechsel von Fleischrot zu Rosarot und Rotbraun (Bildbreite entspricht ca. 1 m). Bei Haardt, am Ostrand des Pfälzerwalds, wird der be- kannte und besonders seit und Schriftzüge verwendet wird. Häufige Durchfeuch- dem 19. Jh. sehr beliebte hellbräunlichgelbe Bunt- tung oder Staunässe verträgt der Sandstein aller- sandstein, bekannt als Haardter bzw. Neustädter dings nicht. An vielen Gebäuden in Landau oder Bad Sandstein abgebaut (Abb. 5.4-8). Viele prunkvolle Bergzabern ist dieser dunkelrote Sandstein besonders Villen im Gründerzeitstil und große Weingüter an den in Form von Mauerquadern, Gesimsen und Fensterge- Hängen des Pfälzerwalds sind aus diesem Sandstein wänden verbaut. Der Abbau erfolgt mit Bohren und errichtet worden. Hier betreibt die Fa. Leonhard Han- Sprengen mit der Sprengschnur. buch & Söhne, Neustadt (Hauptsitz in Mannheim), seit rd. 100 Jahren einen großen Steinbruch mit ange- Nach Wenzel & Häfner (2003) besteht der Sandstein schlossenem Verarbeitungsbetrieb im gelben Haardter im Wesentlichen aus Quarz, Alkalifeldspat, Hellglim- Sandstein. Stratigraphisch erschließt der tiefere Teil mern und Eisenoxiden, die Korngröße liegt meist zwi- des Steinbruchs die dickbankigen Trifels-Schichten

624 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald

Abb. 5.4-5: Ruine des ab dem 11. Jahrhundert im roma- Abb. 5.4-6: Westportal der Kirche St. Bernhard in Karls- nischen Baustil errichteten Benediktinerklosters Limburg, ruhe, Durlacher Allee. Die Kirche wurde 1895–1901 aus dunkelroter Pfälzer Sandstein. Buntsandstein von Weidenthal im Pfälzerwald und von Phalsbourg in den Vogesen errichtet; Phalsbourg/Pfalzburg liegt WNW von Straßburg, daher auch Pfalzburger Vogesen- Sandstein.

(auch „Pfälzer Sandstein“, Abb. 5.4-1 und -2), der obe- Glimmer und 0,3 % Opakminerale sowie zu 21 % aus re Teil die dünnschichtigen Rehberg-Schichten; beide Gesteinsbruchstücken folgender Art: 11 % Polyquarze gehören dem Unteren Buntsandstein an. und Kieselschiefer, 8 % Quarz-Feldspat-Gesteine, ca. 1 % Vulkanite, ca. 1 % Tonsteinklasten (Rest: Poren- Genutzt wird ein rund 30 m mächtiges Sandsteinpa- raum und Bindemittel). Die Größe der Porenhohlräume ket im Niveau der Trifels-Schichten, das fünf dicke wird mit 0,2–0,4 mm, max. 3 mm angegeben (INSK), Werksteinbänke aufweist. Es handelt sich um einen das Intergranularvolumen wurde von Holzwart zu fein- bis mittelkörnigen (Korngrößen 0,2–0,6 mm), 14,0 % bestimmt. Die Kornbindung ist tonig-kaolini- beigegelben bis grauweißen Sandstein mit braunen tisch, ferritisch und seltener kieselig. Bändern und Schlieren aus Limonit. Besonders bei Sägeschnitten parallel zur Schichtung treten vielge- Technische Eigenschaften: staltige Farbmaserungen auf (Abb. 5.1-1). Es handelt (1) Prüfwerte nach TU Karlsruhe in INSK, Grimm (1990) und sich um gebleichte Sandsteine der sog. Haardt-Rand- Holzwarth (1996): Rohdichte: 2,21–2,32 ­g/­cm3; Reindichte: 2,65 ­g/­cm3; Porosi- fazies, die der westlichen Oberrheingraben-Haupt- tät, effektive: 6,3–12,4 Vol.‑%; Wasseraufnahme unter At- verwerfung in einem 1–4 km breiten Streifen folgt; mosphärendruck: 3,57–4,4 M.‑%; Wasseraufnahme unter weiter nach Westen gehen die hellgelblich-weißen, Vakuum: 5,34 M.‑%; Sättigungsgrad/s-Wert: 0,67; Druckfe- gebleichten Sandsteine wieder in die braunrote Nor- stigkeit, einaxial (senkrecht zur Schichtung): 55,3–75 MPa; malausbildung des Buntsandstein über (Weidenfeller Biegezugfestigkeit: 6,3 MPa. Das Gestein ist frostsicher. & Daichendt 2002). (2) Prüfwerte nach Landesamt für Geologie und Bergbau Gesteinsbeschreibung: Die klastischen Hauptkompo- Rheinland-Pfalz (Mitt. F. Häfner, LGB, vom 15.1.2010): Rohdichte: 2,21 ­g/­cm3; Wasseraufnahme unter Atmosphä- nenten sind Quarz (Anteil ca. 54 %), Gesteinsbruch- rendruck: 4,44 M.‑%; Druckfestigkeit: 79,5 MPa; Bie- chürmeister stücke (ca. 40 %) und 5 % Feldspat (S gefestigkeit: 7,0 MPa; Verschleißprüfung nach Böhme: 1990). Milchquarzgerölle sind lagenweise häufig. Die Massenverlust: 61,4 g; Volumenverlust: 27,6 cm3/50 cm2; von Holzwarth (1996) untersuchten Proben bestan- frostbeständig nach 48 Frost-Tau-Wechseln (nur leichtes den aus 48,5 % Quarz, 13 % Kalifeldspat, bis 0,3 % Absanden).

625 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

an zahlreichen steinsichtigen Bürgerhäusern, Villen, Weingütern und Kirchen zu betrachten. Auch Burgen und Schlösser, wie das berühmte Schloss Hambach, wurden aus ihm errichtet.

Gesteinsbeschreibung: Es handelt sich um einen hell- gelben, hellbraunen bis grauweißen, recht einheit- lichen Fein- bis Mittelsandstein mit Horizontal- und Schrägschichtung. Die mittlere Korngröße liegt bei 0,2 mm. Die genutzte Mächtigkeit beträgt 25–30 m, die Abraummächtigkeiten meist 3–5 m. Die Bankstär- ken betragen im genutzten Bereich meist 2–3 m, die Rohblockgrößen variieren zwischen 1,5 und 8 m3. Es herrschen zwei etwa senkrecht stehende Hauptkluft- richtungen vor, einmal parallel zur Randstörung des Abb. 5.4-7: Massivmauer aus vielfarbigem Buntsandstein, Pfälzerwalds (Oberrheingrabenrichtung), zum anderen wie er typisch ist für den Raum der Nordvogesen und des etwa senkrecht dazu. südlichen Pfälzerwalds; Gesundheitsamt Freiburg i. Br., Sautierstraße 30. Der gleichmäßige, fein- bis mittelkörnige Quarzsand- stein sandet im Anbruch leicht ab. Limonitbänder und Gewinnung und Verwendung: Der Abbau erfolgt mit Eisen-Mangan-Fleckung sind häufig, Hellglimmer da- Bohren und Schießen mit der Sprengschnur. Ver- gegen selten. Das Intergranularvolumen bestimmte suchsweise wurde auch die Hochdruckwasserstrahl- Holzwarth (1996) mit 14,2 %. Das darin enthaltene methode (wie in Rothbach, vgl. Kap. 5.3) einge- Bindemittel besteht überwiegend aus Tonmineralen, setzt, aber wegen unerwünschter Nebenwirkungen daneben aus authigenem Quarz und aus Limonit. Die eingestellt. Die gewinnbare Rohblockgröße liegt um Kornbindung ist bei guten Werksteinbänken überwie- 6–7 m3. Verwendet wird dieser weißlichgelbe Sand- gend kieselig (INSK). stein vor allem für den Massivbau, für Mauersteine, Bossensteine, Platten, Treppen, Brunnen, Säulen und Technische Eigenschaften (nach: Holzwarth 1996): vielgestaltige Ornamentsteine sowie für Maßwerke Rohdichte: 2,1 ­g/­cm3; Porosität, effektive: 10,8 Vol.‑%; zur Renovierung historischer Gebäude; auch Rohblö- Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck: 5,8 M.‑%; Was- cke für Bildhauerarbeiten werden ausgeliefert. Zahl- seraufnahme unter Vakuum: 6,3 M.‑%; Sättigungszahl/s- Wert: 0,91; Druckfestigkeit, einaxial (senkrecht zur Schich- reiche historische Gebäude beiderseits der deutsch- tung): 56,4 MPa. Das Gestein ist frostsicher. französischen Grenze wurden aus diesem Sandstein errichtet. Besonders an Gebäuden aus dem 19. und 20. Jahrhundert z. B. in Neustadt, Mainz, Ludwigs- hafen, Mannheim und Karlsruhe sind sie zu finden. Auch in der Freiburger Innenstadt gibt es schmucke Fassaden und große Gebäude aus gelbem Sandstein vom Typus Haardt und aus weißlichgelbem bis hellro- tem Sandstein aus dem nordwestlich anschließenden Pfälzerwald bei Landstuhl (Abb. 5.4-11 und -12). Der Landstuhler Sandstein wird schon seit den 1970er Jahren nicht mehr abgebaut (Mitt. F. Häfner, LGB Mainz). Die Brüche lagen am Steilhangl zum sog. Landstuhler Bruch. Stratigraphisch handelt es sich um die Karlstal-Felszone der Karlstalschichten (Basis Mittlerer Buntsandstein).

Als Referenzobjekte für neuere Arbeiten gibt die Fa. Hanbuch Natursteinwerk z. B. die Ev. Kirche in 67251 Freinsheim, die Stadtvilla in der Räuberhöhle, Mann- heim, die Stadtvilla in Heidelberg (Fassade) sowie die Gedächtniskirche in Speyer als Restaurierungsobjekte an.

(4) Leistadt

Im Weilachtal bei Leistadt-Annaberg, nordwestlich von Bad Dürkheim bzw. südlich von Leistadt, befinden sich traditionsreiche Steinbrüche im gelben Haardt- Sandstein (Abb. 5.4-9 und -10), der geologisch dem Unteren Buntsandstein zugerechnet wird. Dieser Sandstein wurde entlang des Ostrandes des Pfälzer- walds bei Neustadt a. d. Weinstraße und Bad Dürk- Abb. 5.4-8: Sandsteinbruch Haardt bei Neustadt a. d. Wein- heim in vielen großen Steinbrüchen gewonnen und ist straße, Abbau durch die Fa. Leonhard Hanbuch & Söhne.

626 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald

Abb. 5.4-10: Gelblicher Leistädter Sandstein gewonnen mittels engständigem Bohren und Schwarzpulver-Sprengen (2011).

D-67433 Neustadt, Internet: www.hanbuch.de. (3) Fa. Konrad Müller Natursteinwerk, Eselsfürth 2, D-67657 Kaiserslautern. (4) Fa. T. & P. Uhrig Stein- bruchbetrieb, Hinterm Esel 12B, D-67346 Speyer.

Kurzfassung: In Rheinland-Pfalz werden die über- wiegend roten Sandsteine des Perms (Rotliegend, Abb. 5.4-9: Gewinnung von gelbem Leistädter Sandstein Zechstein) und der Untertrias seit dem Hochmit- (2010) bei Leistadt im Sandsteinbruch der Fa. Göbel GmbH telalter in großem Umfang genutzt. Die Abbauhori- aus Bad Dürkheim (früher Zeidler & Wimmel, Kirchheim/ zonte in der insgesamt mehr als 500 m mächtigen Ufr.). Abfolge verteilen sich auf die Annweiler Schichten (Zechstein), die Trifels-Schichten, die Rehberg- Gewinnung und Verwendung: In beiden betriebenen Schichten und die Karlstal-Felszone (alle Buntsand- Steinbrüchen wird der Sandstein mit Bohren und stein) sowie vier Steinbrüche in unterschiedlichen Sprengen mit Sprengschnur in großen Blöcken gelöst Horizonten des ca. 3000 m mächtigen Rotliegend. (Abb. 5.4-9 und -10). Die Abbausohlen sind überwie- gend 2–3 m hoch und orientieren sich an den Lager- Rund 20 Sandsteinbrüche sind in Rheinland-Pfalz klüften der Hauptbänke des söhlig gelagerten Sand- noch in Betrieb, sieben davon im Buntsandstein steins. Die Fa. Zeidler & Wimmel aus Kirchheim/ des Pfälzerwalds. Wie im Elsass gibt es im Pfäl- Unterfranken, eine der traditionsreichsten deutschen zerwald neben den vorherrschenden roten Sand- Naturwerkstein-Firmen (Gründung 1776), betrieb den steinen auch durch Bleichung entstandene hell- großen Bruch südlich der Talstraße (Abb. 5.4-9) bis gelbliche bis fast weiße Sandsteine. Wichtige, 2011. Jetziger Besitzer ist die Fa. Göbel GmbH aus heute noch genutzte Steinbrüche des Zechsteins Bad Dürkheim, die aber den Abbau bisher (2012) nicht und Buntsandsteins liegen nahe Bad Bergzabern wieder aufgenommen hat. Gegenüber, auf der nörd- bei Oberschlettenbach im dunkelroten Annweiler lichen Talseite, liegt der Bruch der Fa. Vetter (Sitz Sandstein, im Schweinstal bei Krickenbach, Land- Eltmann) (Abb. 5-4-10). In beiden Brüchen wird seit kreis Kaiserslautern, wo ein hellroter, hellgrauer einigen Jahren der Abbau durch Subunternehmer bis bräunlich-gelber Sandstein gewonnen wird, so- übernommen. Genutzt werden sieben bis neun ver- wie nordwestlich von Bad Dürkheim bzw. in Neu- schiedene Werksteinbänke. stadt a. d. Weinstraße, Ortsteil Haardt; hier liegen traditionsreiche Steinbrüche im gelben Haardt- Der Sandstein wird für Massivbauten und Fassaden Sandstein. Buntsandstein aus dem Pfälzerwald ebenso verwendet wie für Steinmetzarbeiten, Skulp- ist in Baden-Württemberg an zahlreichen Bau- turen, Renovierungen oder für den Garten- und Land- werken vor allem des 19. und 20. Jh. zu finden. schaftsbau. Die gelben Sandsteine aus dem Weilachtal Die genannten Sandsteine sind in allen Städten sind im ganzen Umland sowie z. B. in Worms, Mainz, im mittleren und nördlichen Oberrheingebiet von Mannheim und Karlsruhe verbaut worden. Karlsruhe, über Mannheim, Speyer und Mainz bis a. M. an zahlreichen Kirchen, Schlössern Bezugsmöglichkeiten für roten und gelben Pfälzer und Villen zu sehen. Berühmte Beispiele sind der Buntsandstein: (1) Fa. Natursteinwerk Carl Picard, Kaiserdom zu Speyer und das Kloster Limburg. Schweinstal, D-67706 Schopp/Krickenbach, ­Internet: Der Dom zu Mainz wurde u. a. aus Haardter Sand- www.natursteinwerk-picard.de. (2) Fa. Naturstein- stein und rotem Spessart-Sandstein errichtet. werk Leonhard Hanbuch & Söhne, Eichkehle 62–66,

627 5.4 Buntsandstein aus dem Pfälzerwald Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.4-11: Im Gründerzeitstil errichtete Fassade aus gelbem Leistädter oder Haardter Sandstein, Kaiser-Joseph-Straße, Ecke Holzmarkt, Freiburg i. Br.

Abb. 5.4-12: Erzbischöfliches Ordinariat in Freiburg i. Br., Schoferstraße, 1905 erbaut aus hellem Buntsandstein aus dem Pfälzerwald südlich von Landstuhl und Kaiserslautern. Der Landstuhler Sandstein wird stratigraphisch der Karlstal-Felszone der Karlstalschichten (Basis Mittlerer Buntsandstein) zugeordnet.

628 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.5 Udelfanger Sandstein

tembergs. Die Udelfangen-Formation ist in Baden- 5.5 Udelfanger Sandstein Württemberg vornehmlich durch Bohrungen erschlos- [Rheinland-Pfalz] sen; ab Emmendingen, nördlich von Freiburg, lassen sich Äquivalente nachweisen (Geyer et al. 2011). Die durchschnittliche Mächtigkeit dieser fossilführenden, – Wolfgang Werner – marinen Sandsteine und Dolomitsandsteine liegt im Oberrheingraben bei etwa 5 m. Übersicht: Nahe der Grenze zu Luxemburg wird bei Udelfangen im Landkreis Trier-Saarburg ein gleich- Geologie: Die werksteinführenden Sandsteinvorkom- körniger, gelblichbrauner, hellbraungrauer bis grün- men von Udelfangen treten in einer SW–NE strei- lichgrauer Feinsandstein gewonnen und unter der Be- chenden tektonischen Hochscholle zutage. Das Stein- zeichnung Udelfanger Sandstein, Kerscher Sandstein bruchprofil umfasst eine rd. 13 m mächtige Abfolge oder Muschelsandstein vertrieben (Abb. 5.5-1 bis -3). von etwa 10° einfallenden Sandsteinbänken, jeweils Die Udelfangen-Formation besteht aus einer Abfolge 0,1 bis 2 m mächtig, und grüngrauen bis gelblich- von sandigen Dolomitsteinen, Tonsteinen, sandigen braunen Tonsteinen (Beyer 1996); nur die untersten Tonmergelsteinen und karbonatischen, glimmerfüh- beiden mächtigen Sandsteinbänke werden genutzt renden Sandsteinen. (Abb. 5.5-1). Die Steinhauer bezeichnen die untere, bis 2 m mächtige Bank auch als Kernbank oder Udelfan- ger Bank, die obere, ca. 1 m dicke und meist nicht so homogene Schicht hingegen als Kerscher Bank (Sin- gewald 1992). In Richtung des Flusses Sauer nehmen die Mächtigkeiten auf unter 0,5 m ab.

Trotz der geringen Lagerstättenmächtigkeit und der zunehmenden Abraumüberlagerung ist der Abbau wirtschaftlich, was vor allem auf den hohen verwert- baren Anteil, d. h. die große Anzahl verwertbarer Blöcke zurückzuführen ist. Die Abstände senkrecht stehender Klüfte betragen oft 5–10 m. Singewald (1992) ermittelte für den Kernbereich der Lager- stätte eine Rohblockhöffigkeit von 73 % bei durch- schnittlichen Blockgrößen von 1,2 m3. Nach Angabe von Singewald produzierte der Betrieb Anfang der 1990er Jahre jährlich etwa 4000 m3 verwertbare Rohblöcke. Abb. 5.5-1: Abbau von Udelfanger Sandstein.

In großem Umfang genutzt wird dieser Feinsandstein aus dem Gebiet um Udelfangen schon seit römischer Zeit. Brüche liegen außer bei Udelfangen und Ralin- gen-Kersch in der Nähe von Herresthal, Metzdorf, Born und Bollendorf. Wegen seiner überwiegend gu- ten, aber nicht-kieseligen Bindung sowie der Gleich- und Feinkörnigkeit ist er seit jeher bei Bildhauern sehr beliebt. Aufgrund seiner Ähnlichkeit mit dem gelben Schilfsandstein Württembergs wird „der Udelfanger“ seit Jahren auch zur Renovierung von Schilfsand- steinbauwerken in Südwestdeutschland verwendet – meist dann, wenn er billiger als heimisches Material angeboten wird oder wenn größere Schichtstärken für Werkstücke gefordert werden, als aus den gelben Sandsteinbrüchen in der Schilfsandstein-Formation Württembergs zur Verfügung stehen.

Entstehung: Der Udelfanger Sandstein ist am Rande der Ardennen unter flachmarinen bzw. litoralen Bedin- gungen entstanden. Es handelt sich um einen gut sor- tierten Küstensand (Koch & Sobott 2008), weshalb er auch als „Muschelsandstein“ bezeichnet wird. Die Udelfangen-Formation (muU, mu1) wird heute strati- graphisch an die Basis des Unteren Muschelkalks ge- stellt, in der älteren geowissenschaftlichen Literatur findet man ihn noch oft dem Oberen Buntsandstein zugeordnet. Er ist also das zeitliche Äquivalent des Abb. 5.5-2: Udelfanger Sandstein an einem Gebäude in St. Wellenkalks im Unteren Muschelkalk Baden-Würt- Goarshausen.

629 5.5 Udelfanger Sandstein Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

cm große braungraue Karbonatnester auf. Petrographisch handelt es sich um einen sehr homogenen, gut sortierten, offenpori- gen und schwach glimmerführenden Sand- stein mit tonig-kaolinitischer, ferritischer und karbonatischer Grundmasse (Calcit, etwas Dolomit), kieselige Bindung ist sel- ten. Das Gestein ist daher, besonders im feuchten Zustand, gut zu bearbeiten und zeigt eine leicht ritzbare Oberfläche. In ge- sägten Werkstücken ist die Schichtung i. d. R. nicht erkennbar. Die mittlere Korngröße des Sandsteins liegt bei etwa 0,1 mm.

Nach Schliffanalysen von Beyer (1996) bestehen die detritischen Körner aus 36– Abb. 5.5-3: Udelfanger Sandstein bei der Bearbeitung im Werk der Fa. 50 % Quarz, 8–14 % Kalifeldspat, max. Jens Reimold, Mühlbach; Udelfanger wird hier im Ersatz gegen den im 2 % Biotit, 1–2 % Hellglimmer, bis 1 % eigenen Bruch gewonnenen, in Farbe und Struktur ähnlichen Mühlbacher Opakminerale (Erze, Schwerminerale) und Sandstein verwendet, wenn Werkstücke von deutlich über 0,5 m Schicht- höhe gefordert werden. 1–3 % Gesteinsbruchstücken (Verwach- sungen aus Quarz, Feldspat, Karbonat etc.). Die authigenen Minerale der Matrix Gesteinsbeschreibung: Die Werksteinbänke bestehen bestehen vor allem aus Karbonaten (stark schwan- aus einem gelblichgrauen bis gelblichbraunen bzw. kend von 2–21 %), 2–6 % Hämatit/Limonit, bis max. ockerbraunen, auch hell olivgrauen, massigen, nahe- 2,3 % Illit sowie 1–2 % Quarz und Feldspat. Es handelt zu ungeschichteten Feinsandstein mit einer häufigen sich also um einen tonig und karbonatisch gebunde- feinen, sprossenartigen Fleckung durch Limonit und nen, feldspatreichen Quarzsandstein. In der INSK wer- Manganoxide (Abb. 5.5-2 bis -4). Eine feine Durchstäu- den hingegen angegeben: 35 % Quarz, 30 % Feldspat, bung mit Hellglimmer ist die Regel, selten treten bis 20 % Limonit und jeweils 6 % Calcit und Muskovit.

(A) (B)

Abb. 5.5-4: Platten aus Udelfanger Sandstein mit unterschiedlicher Oberflächenbearbeitung: (A) Zahngeflächte Oberfläche, (B) bahngespitzte Oberfläche (Musterplatten Fa. E. Schnell, Fridingen a. d. Donau), lange Seite entspricht 25 cm.

630 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.6 Odenwald-Quarz

Technische Eigenschaften: (1) Nach Schürmeister (in: Grimm 1990) sowie FH Trier 5.6 Odenwald-Quarz (INSK): (Reichenbacher Rohdichte: 2,05–2,13 ­g/­cm3; Reindichte: 2,67 ­g/­cm3; Poro- sität: 20,3 Vol.‑%; Wasseraufnahme unter Atmosphären- Pseudomorphosenquarzit) druck: 6,02–8,08 M.‑%; Wasseraufnahme unter Vakuum: 9,55 M.‑%; Sättigungsgrad/s-Wert: 0,63; Druckfestigkeit: [Hessen] 59 MPa; Biegefestigkeit: 7,1 MPa. Das Gestein ist beständig gegen Frost. – Wolfgang Werner – (2) Nach Beyer (1996): Rohdichte: 1,9–2,22 ­g/­cm3; Gesamtporosität: 19– 25 Vol.‑%; Porosität, effektive: 11–18 %; Wasseraufnahme Vorbemerkungen: Zu den wichtigen Herkunftsgebieten unter Atmosphärendruck: 5–9,5 M.‑%; hygrische Dehnung von Naturwerksteinen aus Hessen zählt der kristalline 4,2–9,4 M.‑%; Druckfestigkeit: 46–88 MPa. Odenwald, in dem verschiedene Migmatite, Granite, (3) Nach Firmenangabe der Schubert-Natursteingruppe Quarzdiorite, Granodiorite und Quarzporphyre vor allem (www.schubert-natursteingruppe.de): für den Verkehrswegebau gewonnen werden. Nahe der Rohdichte: 2,3 ­g/­cm3; Wasseraufnahme unter Atmosphären- Landesgrenze befinden sich z. B. die Steinbrüche der druck: 4,18 M.‑%; Druckfestigkeit: 77 MPa; Biegezugfestig- Fa. Röhrig Granit GmbH im Sonderbacher Granodiorit keit: 7,14 MPa. (Beschreibung in: Grimm 1990, Tafel 018), der auch in den baden-württembergischen Odenwald reicht und Verwendung: Verwendet wird der Udelfanger heute hier ab der Wende vom 19. zum 20. Jh., als die tech- vor allem zur Herstellung von Abdeck-, Boden- und nischen Möglichkeiten zur Gewinnung und Bearbeitung Fassadenplatten, Massivsteinen und Ornamentstei- dieses harten, massigen Gesteins gegeben waren, in nen. Aufgrund seiner Homogenität in Farbe, Körnung mehreren Steinbrüchen für die Herstellung von Mau- und tonig-karbonatischer Bindung ist er ein beliebter ersteinen, Sockeln und Fundamentsteinen gewonnen und gut zu bearbeitender Bildhauerstein. Wegen sei- wurde (Kleinschnitz 2012). Der in den Brüchen der Fa. ner Ähnlichkeit und guten Witterungsbeständigkeit Röhrig bei Heppenheim-Sonderbach abgebaute Grano- wird er als Austauschmaterial an Bauwerken ver- diorit, als „Granit grau“ gehandelt, wird nicht nur für wendet, die aus grünlichgelben und gelblichbraunen Körnungen für den Straßen- oder Betonbau sondern Schilfsandstein erbaut wurden. Er steht somit in Kon- auch für Pflaster, Mauersteine, Verblendungen und kurrenz zu den Schilfsandsteinbrüchen in Heilbronn, Stelenbau verwendet. Im hessischen Buntsandstein- Mühlbach und Niederhofen (Kap. 4.23). Berühmte Odenwald wird bei Gras-Ellenbach der als „Odenwäl- Bauwerke aus Udelfanger sind der Aachener Dom, die der Buntsandstein rot“ bezeichnete Werksandstein Liebfrauenkirche in Trier, der Chor des Kölner Doms abgebaut, welcher mit dem Neckartäler Hartsandstein (geweiht 1322), die Kirche St. Victor in Xanten, das aus dem Gebiet im Odenwald unmittelbar Reichstagsgebäude in Berlin, das Justizgebäude in vergleichbar ist; auf ihn wird deshalb in Kap. 4.5.3.1 Den Haag, Bahnhöfe in Osnabrück und Amsterdam. kurz eingegangen. Fast ausschließlich als Werkstein Filigrane Kunstwerke aus diesem Gestein sind u. a. die wird der nachfolgend beschriebene Odenwald-Quarz Mariensäule (1858) und Reliefs am Ruprechtsbau des genutzt. Auch im badischen Odenwald wurden bis in Heidelberger Schlosses. die 1980er Jahre verkieselte Schwerspatgänge für die Werksteingewinnung abgebaut, so bei Ursenbach und Bezugsmöglichkeiten: (1) Fa. Natursteinwerk Schu- Balzenbach. Auf dieses Ganggestein wird eingegangen, bert, Inh. B. Schubert e. K., Industriestraße 12, um die genetische und petrographische Vielfalt der in D-96120 Bischberg-Trosdorf. (2) Fa. Anton Schmitz, Baden-Württemberg und seinen Nachbarländern ver- Kerscher Bach 10, D-54310 Ralingen (Ortsteil Kersch). wendeten Werksteine zu würdigen.

Übersicht: Zu den ungewöhnlichsten Gesteinen angrenzender Regionen gehört der als Odenwald- Quarz oder Reichenbacher Pseudomorphosenquar- zit bezeichnete, hellrötlich/weiß bis gelblichbraun/ Kurzfassung: Der unweit von Trier seit römischer weiß gebänderte Gangquarz. Er tritt in hydrother- Zeit gewonnene Udelfanger oder Kerscher Sand- malen Gängen innerhalb der kristallinen Gesteine stein ist ein gleichkörniger, meist gelblichbrauner des südlichen Odenwalds im Umfeld von Lautertal- Feinsandstein, der erdgeschichtlich dem Unteren Reichenbach auf (Abb. 5.6-1). Der Gangquarz wird Muschelkalk zugeordnet wird. Aktuell werden heute noch am Borstein westlich von Reichen- bei Udelfangen zwei homogene Werksteinbänke bach in schmalen und tiefen Tagebauen gewonnen mit 1–2 m Mächtigkeit genutzt. Der Udelfanger (Abb. 5.6‑2 und -3). Bekannt wurden die generell ist wegen seiner Homogenität in Farbe, Körnung WNW–ESE streichenden Quarzgänge durch den und tonig-karbonatischer Bindung ein beliebter Blei- und Kupferbergbau, der ver­mutlich im 16. Jh. Bildhauerstein mit guter Witterungsbeständig- einsetzte; Reichenbach war eines der bedeutends- keit. In Baden-Württemberg wird er z. T. als Aus- ten Bergbaureviere im Odenwald (Striegler et al. tauschmaterial an Bauwerken verwendet, die aus 2006). Erzbergbau ging überwiegend östlich der Schilfsandstein vom Typus Heilbronn, Mühlbach Ortschaft im Feld Reichenbach am Hohenstein im und Niederhofen erbaut wurden. Berühmte Bau- Zeitraum 1840 bis 1944 um (­Fettel 1975). werke aus Udelfanger sind z. B. der Aachener Dom, die Liebfrauenkirche in Trier und das Reichs- Etwa seit den 1970er Jahren wird dieses auffälli- tagsgebäude in Berlin. ge Gestein aus den Reichenbacher Steinbrüchen in großem Umfang besonders in polierter Form für

631 5.6 Odenwald-Quarz Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Hydrothermaltätigkeit im oberrheingrabennahen Kristallin des Odenwalds entstanden sind. Jüngere, kieselsäurereiche Lösun- gen haben den Schwer- spat in mehreren Phasen völlig verdrängt, jedoch blieben bei diesem Vor- gang die Strukturen der tafeligen Schwerspatkris- talle weitgehend erhalten (Abb. 5.6-1 und -4). Quarz hat den grobspätigen und blättrigen Baryt pseudo- morph, d. h. unter Erhal- tung der Kristallform des Schwerspats, verdrängt; daher die Bezeichnung „Pseudomorphosen- quarz“. Farbgebend sind rote und rotbraune Eisen- Mangan-Oxide und -Hy­ droxide. Trotz seiner Po- Abb. 5.6-1: Rötliche Varietät des Odenwald-Quarzes im Steinbruch am Borstein bei Reichen- bach. Gut zu erkennen sind die strahlig erscheinenden Quarzpseudomorphosen nach Schwer- rosität ist das Gestein gut spat. polierfähig. Die kieselsäu- rereichen Lösungen, die zur Verquarzung führten, ­Grabdenkmale verwendet, von denen auch zahlrei- enthielten auch geringe Mengen an Metallen, weshalb che in alle Gebiete Baden-Württembergs verkauft die Gänge auch Nester von Bleiglanz, Kupferkies, Kup- wurden. Bis in die 1990er Jahre waren sie beson- ferglanz und Fahlerz führen können. Nebengesteine ders stark nachgefragt, weshalb es kaum einen sind Granit und Quarzdiorite mit eingelagerten Meta- Friedhof in Deutschland gibt, auf dem diese haltba- morphitschollen. ren Grabsteine und Grabeinfassungen nicht zu fin- den sind. Seither ist die Nachfrage zurückgegangen, Der am Borstein in Abbau stehende Gang besteht zu vor allem weil zunehmend andere, „exotische“ und 98 % aus Quarz, der Rest aus oxidischen Eisen- und facettenreiche Gesteine unterschiedlicher Farben Manganmineralen, in Spuren treten die o. g. Kupfer- aus aller Welt angeboten werden. Verkauft wird und Bleisulfide und ihre Verwitterungsbildungen auf der Odenwald-Quarzit vor allem in den Varietäten (nur in der Grube Reichenbach erreichte der Kupfer- rot-weiß gebändert und gelbbraun-weiß gebändert gehalt rund 1,3 %, s. Fettel 1975). Die meisten Gang­ (Abb. ­5.6-1, -4 und -5). linsen schwanken in ihrer Mächtigkeit zwischen 5 und 20 m. Der Quarzgang am Borstein ist maximal 50 m Entstehung: Es handelte sich ursprünglich um grobspäti- mächtig, die Abbaubreite ist mit 3–25 m je nach Gang- ge Schwerspatgänge, die in Folge von tertiärzeitlicher mächtigkeit und -qualität stark schwankend.

Weitere derartige Gänge mit Pseudomorphosenquarz treten im hessischen Odenwald südlich vom Auerba- cher Schloss bei Bensheim, bei Nieder-Mumbach und bei Erbach im Odenwald sowie im badischen Odenwald bei Ursenbach östlich von Schriesheim auf (Klemm & Fazakas 1975). Auch bei Hemsbach-Balzenbach wurde ein Quarzgang abgebaut (Kleinschnitz 2012). Früher wurde der Odenwald-Quarz für Mühlsteine ver- wendet, heute fast ausschließlich für Zier- und Grab- steine, Verkleidungen, bisweilen Bodenbeläge und Ge- denktafeln (HLUG 2006). Die Vorräte der Vorkommen bei Reichenbach werden vom HLUG als ausreichend für die nächsten Jahrzehnte eingestuft.

Technische Eigenschaften (nach: Grimm 1990 und HLUG 2006): Rohdichte: 2,4–2,8 ­g/­cm3; Reindichte: 2,65 ­g/­cm3; Porosi- Abb. 5.6-2: Ein steil stehender, 5–6 m breiter, rötlicher tät, effektive: 2–6 Vol.‑%; Wasseraufnahme unter Atmo- Quarzgang im Steinbruch am Borstein. Die magmatischen sphärendruck: 0,3–1,3 M.‑%; Wasseraufnahme unter Vaku- Nebengesteine sind durch die tertiärzeitlichen Hydrother- um: 1,73 M.‑%; Sättigungsgrad/s-Wert: 0,23. Das Gestein mallösungen stark zersetzt und vertont. ist frostsicher.

632 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.6 Odenwald-Quarz

Abb. 5.6-3: Abbau im Steinbruch am Borstein. Das alterierte, mürbe Nebengestein und die starke Zerklüftung des Quarz- gangs ermöglichen einen Abbau mit Baggerfahrzeugen.

Abb. 5.6-4: Limonitreiche braune Varietät des Pseudomor- Abb. 5.6-5: Grabstein aus Odenwald-Quarzit auf einem phosen-Quarzes. Friedhof bei Bollschweil, Markgräflerland.

Kurzfassung: Das als Odenwald-Quarz oder Reichen- die Gänge Ziel des Kupfer- und Bleibergbaus, spä- bacher Pseudomorphosenquarzit bezeichnete, hell- ter dienten sie der Herstellung von besonders harten rötlich/weiß bis gelblichbraun/weiß gebänderte Ge- Mühlsteinen. Seit den 1970er Jahren werden kom- stein wird in steil stehenden Gängen im kristallinen pakte Blöcke aus Pseudomorphosenquarz vor allem Odenwald bei Lautertal-Reichenbach abgebaut. Es zu polierten Tranchen für Dekorationszwecke oder handelt sich um während des Tertiärs entstandene für Grabmale verarbeitet. Das ungewöhnliche Werk- Hydrothermalgänge. Ursprünglich bestanden sie aus steinmaterial wird noch in einem Tagebau am Bor- erzführenden Barytgängen; nach der weitgehenden stein bei Reichenbach gewonnen; gleichartige Vor- bis vollständigen Verdrängung durch kieselsäure- kommen bei Ursenbach und Hemsbach-Balzenbach reiche Lösungen werden sie heute aus Milchquarz im badischen Odenwald werden seit den 1980er Jah- mit Hämatit und Limonit aufgebaut. Zuerst waren ren nicht mehr genutzt.

633 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler) Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

bach. Die Sandsteine werden mit den entsprechen- 5.7 Roter Mainsandstein den Ortsnamen gehandelt (Kap. 5.7.2). Für den Roten (Roter Maintäler) und den Rotweißen Mainsandstein wird hinsichtlich der grenzüberschreitend gültigen Beschreibungen zu [Bayern, Mainfranken] Verbreitung, geologischer Übersicht, Bildungsbedin- gungen und historischer Nutzung auf die Ausführun- – Helmut Bock – gen in Kapitel 4.5.1 verwiesen.

Übersicht: Die Bezeichnung „Roter Mainsandstein“ Der seit der Mainkorrektion in der Mitte des 19. Jh. oder „Roter Maintäler“ ist als Handelsname ein grenz- mögliche Schiffstransport erleichterte den Handel mit übergreifender Sammelbegriff, mit dem sowohl Sand- dem Roten Maintäler ins europäische Ausland ganz steine aus dem Unteren als auch aus dem Oberen wesentlich. Ende des 19. Jh. wurden Steinmetzarbei- Buntsandstein bezeichnet werden. Im Unteren Bunt- ten sogar bis in die USA und nach Moskau geliefert sandstein sind dies die Sandsteine aus der - (Jacob 1906). In Baden-Württemberg wird der Rote Formation, im Oberen Buntsandstein kennzeichnet Mainsandstein aus dem Oberen Buntsandstein (Plat- dieser Name die Werksandsteine aus der Plattensand- tensandstein) seit Jahrzehnten zur Renovierung vie- stein-Formation (vgl. Abb. 5.4-2). Die nachfolgenden ler historischer Bauwerke verwendet, vor allem weil Beschreibungen beziehen sich ausschließlich auf die – bis zur Intensivierung der Gewinnung von Neckar- bayerischen Lagerstätten. täler Hartsandstein im badischen Odenwald seit 2007 (Kap. 4.5.3.1) – in den Buntsandsteingebieten Baden- Der Rote Mainsandstein1 gehört zu den häufigsten in Württembergs nur wenige Steinbrüche gleichmäßig Deutschland verbauten Naturwerksteinen. Für fein rotes Material zeitnah und in großen Blöcken liefern profilierte Werkstücke und Bildhauerarbeiten ist seit konnten. Der Rote Mainsandstein steht in beachtli- jeher vor allem die kräftig rote, fein- und gleichkörnige, chen Mengen und zu günstigen Preisen zur Verfügung, vorwiegend tonig-ferritisch gebundene Varietät aus die Buntsandsteinbrüche Baden-Württembergs hatten der Plattensandstein-Formation geschätzt; die 5–10 m hingegen oft mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen. mächtige Werksteinzone liegt am Top der ca. 30 m Dies könnte sich nun ändern (Kap. 4.5.3.2). mächtigen Plattensandstein-Formation (Abb. 5.7‑8). Die rot/weißlichgelb gestreiften, teilweise etwas grö- 5.7.1 Miltenberger Sandstein beren und partienweise „kieselig“ gebundenen Va- rietäten aus dem Unteren Buntsandstein, also der Miltenberger und der Kirschfurter Sandstein, liefern Die gleichmäßig dickbankig entwickelten Sandsteine vorwiegend hervorragende Bausteine. Gleichmäßig des Miltenberger Sandsteins treten im unteren und feinkörnige und tonig-ferritisch gebundene Sandsteine mittleren Abschnitt der Miltenberg-Formation im Un- aus dem Unteren Buntsandstein werden aber auch für teren Buntsandstein auf (Abb. 5.7-1 bis -3). Sie wer- Bildhauerarbeiten genutzt. Die dickbankigen bis mas- den derzeit in Miltenberg von der Fa. Wassum (1) und sigen Werksteinlager kommen in mehreren Niveaus nordwestlich von Kirschfurt („Kirschfurter Sandstein“) des unteren und mittleren Teils der Miltenberg-For- von der in Neunkirchen-Umpfenbach ansässigen Fa. mation vor (Unterer Miltenberg-Sandstein („Dickbank- Zeller (2) gewonnen. Sandstein“), ca. 75–85 m mächtig. Oberer Miltenberg- Sandstein, 25–35 m mächtig). Gesteinsbeschreibung: Der Miltenberger Sandstein ist durch eine warme, leuchtende, braunrote Farbe Der in den zurückliegenden Jahrhunderten allge- mit weißgrauer Streifung gekennzeichnet. Es handelt mein sehr geschätzte Miltenberger Sandstein, auch sich zumeist um dickbankige bis massige Fein- bis als Stadtprozeltener oder Dorfprozeltener Sandstein Mittelsandsteine. Farblich und strukturell ist er dem bezeichnet, wird derzeit im Maintal noch in zwei etwa gleichalten Neckartäler Hartsandstein (Kap. Steinbrüchen, nämlich in Miltenberg (Handelsname 4.5.3.1) recht ähnlich, vor allem die lebhafte, schicht- „Miltenberger Sandstein“) und nordwestlich von parallele Streifung mit dem Wechsel kräftiger roter Kirschfurt (Handelsname „Kirschfurter Sandstein“) und weißlichgelber Farben ist in beiden gleich häufig abgebaut (Kap. 5.7.1). Der Werksandsteinabbau aus zu finden (Abb. 5.7-4). Die vorherrschende Kompo- der Plattensandstein-Formation geht derzeit in fünf nenten des Miltenberger Sandsteins sind Quarzkörner Steinbrüchen um, nämlich bei Eichenbühl (zwei Ge- (72 %), daneben treten Gesteinsbruchstücke (21 %) winnungsstellen), Wüstenzell, Remlingen und Rött- und untergeordnet Feldspäte auf (4 %, teilweise ver- wittert und serizitisiert) (Niehaus 1990). Partienweise ist ein merklicher Hellglimmergehalt zu verzeichnen. 1 Der Namenszusatz Roter Mainsandstein ist insofern wichtig, als auch der Weiße und der Grüne Main- Das Bindemittel wird meist als „kieselig“ bezeichnet. sandstein in Abbau stehen. Letztgenannte sind aber Die Kornbindung erfolgt überwiegend durch direkten Bildungen des Sandstein-Keupers. Der Weiße Mainsand- Kontakt der sich verzahnenden, suturierten Quarz- stein, der auch als Coburger Bausandstein bezeichnet körner, selten durch Quarzanwachssäume. Teilweise wird, wird vor allem bei Bamberg im Itztal, in den Haß- ist die Bindung auch tonig-ferritisch; die Kornbindung bergen bei Schönbrunn, Breitbrunn und Neubrunn und wird hier durch dünne, durch Eisenoxid rot gefärbte bei Coburg abgebaut. Er entspricht stratigraphisch dem Tonhüllen beeinflusst (Niehaus 1990). Die kieselig ge- Oberen Kieselsandstein in Baden-Württemberg. Der bundenen Sandsteine zeichnen sich durch hohe Fes- Grüne Mainsandstein, der auch die Bezeichnung „Sander Schilfsandstein“ trägt (weil er im Gebiet des Ortes Sand tigkeitswerte, sehr gute Widerstandsfähigkeit gegen abgebaut wird), steht im Gebiet der Haßberge in Abbau; Aggressorien (ehem. Verwendung für Säuretröge) er gehört zur Stuttgart- bzw. Schilfsandstein-Formation. und eine gute Witterungsbeständigkeit aus.

634 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler)

Abb. 5.7-1: Roter Mainsandstein im Unteren Buntsandstein, Steinbruch der Fa. Zeller bei Kirschfurt nordöstlich von Milten- berg (Unterfranken). Im Steinbruch sind 60 m mächtige, bankige und plattige Sandsteine aufgeschlossen. Derzeit abgebaut werden die dickbankigen Sandsteine auf der unteren Sohle (Foto 2009).

Die vielfach auftretenden, großmaßstäblichen Schräg- auf einen kompakten Sandsteinblock, der sich nach und Kreuzschichtungen werden von der weißgrauen Lösung aus dem Gesteinsverband an den Kluftflächen Streifung, die durch eine sekundäre Entfärbung durch für die Werksteinverarbeitung als geeignet erwies (sog. Reduktion entstand, nachgezeichnet und ergeben so „Kernstein“). Der Betrieb wurde daraufhin im Jahre ein lebhaftes Schichtungsbild. Der Sandstein ist in 1904 auf die Werksteingewinnung umgestellt (Bock unterschiedlichem Maß durchsetzt von einzelnen un- et al. 2005). Die großformatigen Rohblöcke eigneten auffälligen, wenige Millimeter bis maximal etwa 6 mm sich von ihren Dimensionen und der Sandsteinqualität großen, hellgelblichbraunen Pigmentflecken aus Ei- her besonders zur Herstellung von Säuretrögen, die senhydroxid (“Pseudomorphosen“, vgl. Kap. 4.5.1). damals von Pferdefuhrwerken zum nahe gelegenen Bahnhof transportiert und von dort weiter verfrach- Lagenweise treten in der abgebauten Gesteinsfolge tet wurden. Zu den Empfängern zählten die BASF in Anreicherungen von dunkelroten Tonsteingeröllen auf. Ludwigshafen, Bayer Leverkusen, und die Farbwerke Diese tongallenreichen Sandsteine sind generell als Hoechst – eine weitere Ähnlichkeit mit dem Neckartä- Werkstein ungeeignet, da die Tonsteingerölle leicht ler Hartsandstein. Dazu kamen bald auch Aufträge zur herauswittern und somit Löcher und wabenförmige Anfertigung von Sandsteinmauern und Massivarbei- Flächen entstehen, die nicht an Fassaden toleriert ten, die auf dem Wasserweg vor allem nach Frankfurt werden. Abschnittsweise schalten sich in die Sand- am Main und Mainz transportiert wurden. steinfolge einige cm bis mehre dm mächtige Ton- und Schluffsteinlagen ein, z. T. wechsellagernd mit Fein- In den 1930er Jahren, als alle Arbeitsvorgänge noch sandsteinen. Diese Bereiche stellen prominente Ablö- von Hand ausgeführt werden mussten, waren 60 Leu- seflächen dar und erleichtern die Anlage von Abbau- te im Steinbruch und in der Verarbeitung beschäftigt. sohlen. Nachfolgend werden die beiden in Nutzung In dieser Zeit wurden vor allem Quader und Verblend- stehenden Lagerstätten und die aus diesen erzeugten mauerwerk für Autobahnbrücken angefertigt. 1944 Werksteinprodukte eingehender betrachtet. kam die Produktion kriegsbedingt zum Erliegen. Für den Wiederaufbau der noch kurz vor Kriegsende ge- (1) Fa. Wassum, Miltenberg: Der 1904 eröffnete sprengten Miltenberger Mainbrücke lieferte die Fa. Steinbruch der Fa. Wassum liegt am nördlichen Orts- Wassum eine größere Menge Verblendquader und war rand von Miltenberg. Der Firmengründer F. Wassum maßgeblich am Wiederaufbau der Brücke beteiligt. erwarb 1901 zunächst ein Grundstück im Südteil des heutigen Firmengeländes, um hier Auffüllmaterial für Gewinnung: Die durch den Abbau erschlossene Ge- seinen Straßenbaubetrieb abzubauen. Schon in einer steinsfolge im Steinbruch Wassum ist knapp 28 m geringen Tiefe von nur zwei Metern stieß man damals mächtig (Abb. 5.7-3). Die 2–5 m mächtigen Deck-

635 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler) Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Für diese mit Spreng- schnur oder Schwarz- pulver durchgeführten Spaltsprengungen wer- den mit einem Lafet- tenbohrgerät bis etwa 5 m tiefe Bohrlochreihen ausgeführt. Die Roh- blockhöffigkeit beträgt 43 % im Verhältnis zum insgesamt zu lösenden Abbauvolumen und die Durchschnittsblockgrö- ße kann mit 0,76 m3 an- gegeben werden2.

Technische Eigenschaften nach Angaben der Fa. Was- sum (Bock et al. 2005): Rohdichte: 2,28 ­g/­cm3; Wasseraufnahme un- ter Atmosphärendruck: 3,87 M.‑%, entspricht 8,84 Vol.‑%; Druckfe- stigkeit: 83,4 MPa; zur Prüfung der Frostbestän- digkeit ermittelte Wasser- Abb. 5.7-2: Westliche Abbauwand im Steinbruch Wassum bei Miltenberg, Roter Mainsand- aufnahme: 3,8 M.‑%, Mas- stein im Unteren Buntsandstein. Gut erkennbar sind die großen Kluftabstände (bis 8 m) und senverlust < 0,1 M.‑%. die Hauptwerksteinbänke „Unterer Kern“ (am Radlader) und „Oberer Kern“, vgl. geologisches Profil der Abb. 5.7-3. Verarbeitung: Der Fa- milienbetrieb beschäf- schichten bestehen von oben nach unten aus gering- tigte in den vergangenen Jahren zwischen 20 und mächtigen quartärzeitlichen, mit Lösslehm durchsetz- 25 Mitarbeiter. Die Maschinenhalle und das Büro- ten Lockergesteinsdeckschichten (im dargestellten gebäude der Firma befinden sich heute auf der ehe- Profil bereits abgeschoben), einer steinig–blockig maligen Steinbruchsohle älterer Abbauabschnitte. zerfallenden Zersatzzone, die als Füllmaterial und zum Jährlich werden etwa 5000 m3 Rohblöcke gewonnen Wegebau Verwendung finden kann, und angewitter- und im eigenen Betrieb verarbeitet. Dafür stehen im ten Sandstein-Bänken, die zusammen mit den darun- Werk ein Vollgatter auf Stahlsandbasis mit bis zu ter folgenden, z. T. unregelmäßig zerklüfteten Bänken 60 Blatt, zwei Diamant-Gattersägen mit vier Blatt, vorwiegend als sog. „Findlinge“ oder Gestaltungsstei- ein Diamant-Schnellgatter mit einem Blatt und eine ne im Garten- und Landschaftsbau, daneben auch für Blockkreissäge zur Verfügung. Fräsarbeiten werden Hangsicherungs- und Uferstabilisierungsmaßnahmen mit fünf Brückensägen ausgeführt, die frei über dem Verwendung finden. Tisch gelagert um mehrere Achsen verstellbar sind. Weiterhin kommen noch mehrere Spalt- und Bossier- Darunter folgt der sog. Spälter (Abb. 5.7-3). Diese geräte zum Einsatz. ebenschichtige, parallel laminierte, ca. 1 m mächtige Sandsteinbank mit einem auffallenden, weißgrau ent- Verwendung: Der Miltenberger Sandstein wird etwa färbten Reduktionsband an der Basis und zahlreichen seit dem 17. Jh. in größerem Umfang für Bau- und Sohlmarken ist ein besonders hochwertiges Werk- Bildhauerzwecke eingesetzt. Wichtige Bauwerke aus steinmaterial, das sowohl als „Sägefels“ wie auch diesem Sandstein sind das Aschaffenburger Schloss, für Bildhauerarbeiten Verwendung findet. Darunter das Amorbacher Kloster, die Residenz in Würzburg, stehen nochmals zwei weitere, ebenfalls weitstän- die Paulskirche in Frankfurt und das Senckenberg Mu- dig geklüftete Werksteinbänke an, die großformatige seum in Frankfurt a. M. (Abb. 5.7-5). Hergestellt wer- Rohblöcke liefern, nämlich der „Obere Kern“ und der den von der Fa. Wassum Blockstufen für Restaurie- „Untere Kern“, womit betriebsintern die beste Quali- rungs- und Bildhauerarbeiten, Platten für Fassaden, tät bezeichnet wird. Der „Obere Kern“ ist ca. 2,5 m Fußbodenbeläge und Treppen, Bossenverblender für mächtig, der „Untere Kern“ ca. 5–5,5 m. In die Lager Ufermauern und Haussockel, Mauersteine, Brunnen zwischengeschaltet finden sich jeweils nur 0,5–2 m und andere Steinmetzarbeiten für die Gartengestal- mächtige Abraumlagen. tung (Abb. 5.7‑6). Etwa ein Drittel des Rohmateri- als findet als sog. „Findlinge“ zur Hangsicherung Die Kluftabstände betragen im Unteren und Oberen und Uferbefestigung sowie als Gestaltungssteine im Kern 2–8 m, was die Gewinnung sehr großer Roh- GaLa-Bereich Verwendung. Neben Privatkunden be- blöcke ermöglicht (Abb. 5.7-2). Die steil stehenden

Hauptklüfte streichen im Mittel etwa 180º ± 20 º 2 Rohblockhöffigkeit = prozentualer Anteil auszubrin-

und 70º ± 20 º. Infolge des weitständigen Kluft- gender Rohblöcke, die sowohl ein Mindestblockvolumen systems müssen die Rohblöcke mittels Spaltspren- von 0,4 m³ haben, als auch in jeder Richtung Mindest- gungen aus dem Felsverband herausgelöst werden. kantenlängen von 0,4 m aufweisen

636 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler)

liefert die Fa. Wassum auch Natursteinbetrie- be mit Fertigprodukten, wobei vor allem kleine- re bis mittelgroße Vor- haben im Vordergrund stehen, welche die Ka- pazitäten des eigenen Betriebes jeweils nur für eine begrenzte Zeit bin- den sollen.

Wichtige Referenzobjek- te aus der Produktion der Fa. Wassum sind die Obermainbrücke und der Eiserne Steg in Frankfurt am Main, die Erfbrücke in Riedern, Fassadenver- kleidungen für den Bahn- hof Schöllkrippen, das Bürohaus der Fa. Nukem und eine Geschäftspas- sage in Alzenau. Für Renovierungsarbeiten an diversen Denkmal- objekten wie z. B. das Schloss Meisenhausen und die Weiße Villa in Gelnhausen, verschie- dene Urnengrab- und Brunnenanlagen, Stütz- mauer-Verkleidungen u. a. in Gelnhausen und Heimbuchenthal sowie eine größere Zahl von Kirchen, vor allem in der Umgebung von Mil- tenberg, aber auch in Frankfurt am Main.

Gegenüber dem ers- ten Abbauabschnitt von 1904 ist die Abbauf- ront inzwischen um ca. 300 m weiter nach Nor- den vorgerückt; dennoch befinden sich im Erweite- rungsgebiet genehmigte Vorräte für viele Jahre. 0 Für die weitere Zukunft stehen der Firma aus- Abb. 5.7-3: Geologisches Profil der Abbauwand im Steinbruch Wassum bei Miltenberg, Mil- reichend Reserveflächen tenberger Sandstein, Unterer Buntsandstein. Farblich herausgehoben sind die Hauptwerk- als Grundeigentum zur steinbänke (Profil verändert nach: Bock et al. 2005). Verfügung.

(2) Steinbruch Kirschfurt: Eine weitere wichtige, net, die seit Mitte der 1930er Jahre an verschiede- in Betrieb befindliche Abbaustelle für Miltenberger nen, teils bereits wieder rekultivierten Abbaustellen Sandstein ist ein Steinbruch nordwestlich von Kirsch- im Maintal eine intensive Kies- und Sandförderung furt, in der die Fa. Zeller aus Neunkirchen-Umpfen- betreibt. Die im Kirschfurter Steinbruch von MIW in bach großformatige Werksandsteinblöcke gewinnt einer Mächtigkeit von max. ca. 50–60 m abgebau- (Handelsname „Kirschfurter Sandstein“). Die Blöcke ten Sandsteine (Abb. 5.7‑7) konnten infolge Ihrer teil- werden im Werk in Umpfenbach weiterverarbeitet. weise sehr festen Kornbindung als Gleisbauschotter Dieser Steinbruch wurde Mitte der 1950er Jahre von abgesetzt werden; oftmals sind die Sandsteine stark der in Bürgstadt ansässigen Firma F. Weber GmbH kieselig gebunden, was zu hohen Druckfestigkeiten & Co. Miltenberger Industriewerk KG (MIW) eröff- führt. Infolge schwankender Kornbindungen und

637 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler) Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Gewinnung: Für die Werksteingewinnung werden von der Fa. Zel- ler im Nordteil des Stein- bruchs Kirschfurt zwei massige und homoge- ne Sandsteinbänke von 3,3 m (Bank I) und 4 m (Bank II) Mächtigkeit genutzt (Abb. 5.7-7). Im unteren Meter der Bank II treten dunkelrote Ton- steingerölle mit einem Durchmesser bis 20 cm auf. Die beiden Bänke sind durch eine ca. 0,4 m mächtige Feinsandstein- und Tonschluffsteinlage getrennt, welche die An- lage einer Zwischensohle erleichtert. Die genutzte Mächtigkeit beträgt in- Abb. 5.7-4: Tranchen aus rotem Miltenberger Sandstein mit typischer heller Streifung entlang der Schichtflächen. klusive einer überlagern- den, noch mit abgebau- ten ca. 1 m mächtigen Sandsteinbank etwas über 9 m. Der maximal ca. 3 m mächtige Ab- raum besteht aus ei- ner Wechselfolge von vorwiegend mittel- und dünnbankigen, teilweise stark geklüfteten Fein- sandsteinen und dunkel- roten Tonschluffsteinen. Die Hauptkluftrichtungen streichen etwa 85º und 165–170º; sie entspre- chen damit denjenigen im Steinbruch der Fa. Wassum. Die Kluftab- stände in der 165–170º Richtung betragen im östlichen Abbaubereich zwischen 3 und 4 m, im Westteil geht der Ab- Abb. 5.7-5: Naturkundemuseum Senckenberg in Franfurt am Main, erbaut 1904–1907, Trep- stand auf Werte vorwie- penhaus aus Miltenberger Sandstein. gend zwischen 1–2 m, stellenweise auch darun- ter, zurück. Die Kluftab- Druckfestigkeiten in der genutzten Schichtenfolge stände in der 85º-Richtung liegen im aufgeschlossenen und damit verbundener Probleme mit der Güteüber- Abbauabschnitt ziemlich einheitlich bei 1,20–1,40 m. wachung für Straßenbaustoffe wurde die diesbezüg- Dieses Kluftmuster erlaubt somit die Gewinnung großer liche Verarbeitung jedoch aufgegeben. Blöcke, welche durch kluftparalleles Reihenbohren und Spaltsprengen erfolgt (Abb. 5.7-7). Erwähnenswert ist, dass im aktuellen Regionalplan der Region Bayerischer Untermain das Gebiet um Technische Eigenschaften nach Angaben der Fa. Zeller nach diesen Steinbruch als Vorranggebiet für die Gewin- Prüfzeugnis der LGA Bautechnik GmbH, Würzburg vom nung von Buntsandstein ausgewiesen ist. Ein Ziel ist 28.03.2008: 3 die künftige, zumindest teilweise Substitution der im Rohdichte: 2,25 ­g/­cm (Mittelwert aus 6 Proben); Porosität: Maintal zur Neige gehenden Kies- und Sandvorräte 14,8 % (Mittelwert aus 6 Proben); Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck: 4,72 M.‑% (Mittelwert aus 6 Proben); durch gebrochene Sandsteine des Unteren Bunt- Druckfestigkeit: 74,0 MPa (Mittelwert aus 10 Proben); Bie- sandsteins. Infolge der genannten schwankenden gezugfestigkeit: 5,5 MPa (Mittelwert aus 10 Proben); zur Gesteinsqualität werden hierfür jedoch nach entspre- Prüfung der Frostbeständigkeit ermittelte Wasseraufnahme: chenden Voruntersuchungen nur einzelne Bereiche in 4,68 M.‑%, Massenverlust < 0,1 M.‑% (Durchschnitt aus Betracht kommen. 5 Proben).

638 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler)

Verwendung: Sandsteine aus dem Steinbruch Kirsch- furt wurden in den letzten Jahren z. B. für den Wie- (A) deraufbau des Schlosses Thurn & Taxis in Frankfurt und für die Neugestaltung der Sandsteinkuppel der Messe in Frankfurt eingesetzt. Im September 2009 wurden die Sandsteine zur Restaurierung der St.-Bar- tholomäus-Kirche (Dom) in Frankfurt verwendet. Das jüngste repräsentative Projekt unter Verwendung von Kirschfurter Sandstein ist nach Angaben der Fa. Zeller eine neue Spitze des Westturms des Mainzer Doms; der Austausch der Turmspitze soll voraussichtlich im Sommer 2013 erfolgen.

Bezugsmöglichkeiten: Der Miltenberger Sandstein kann von den Firmen Wassum in Miltenberg und Zel- ler in Umpfenbach bezogen werden: (1) Miltenberger (B) Natursteinwerk, Peter Wassum GmbH, Im Söhlig 20, 63897 Miltenberg (Nord), Telefon: 09371-2781, Tele- fax: 09371-8898, Internet: www.wassum-online.de. (2) Natursteinwerke Franz Zeller KG, Eichenbühler Str. 11, 63930 Umpfenbach, Tel.: 09378-777+778, Fax: 09378-779, Internet: www.mainsandstein.de, www. zeller-naturstein.de. 5.7.2 Plattensandstein

Auch im bayerischen Teil des östlichen Mainvierecks wurde der leicht zu bearbeitende Plattensandstein in obner zahlreichen Steinbrüchen gewonnen (D 1984). Abb. 5.7-6: Verarbeitung von Rotem Mainsandstein im Heute sind die meisten aufgelassen. Große Abbau- Werk der Fa. Wassum bei Miltenberg: (A) Bearbeitung einer stellen lagen im Gebiet Miltenberg–Amorbach und Tranche, (B) Verkaufslager mit verschiedenen Mauerstein- im Raum Marktheidenfeld, d. h. im Dreieck zwischen und Plattenformaten. Rothenfels, Windheim und Hafenlohr, weiter nördlich von Zimmern, nordwestlich von Lengfurt, westlich von Röttbach sowie im Gebiet Remlingen–Holzkir- chen–Wüstenzell. Auch am Main bei Gemünden und Gössenheim bestanden größere Steinbrüche. Abge- baut wurde, wie in Baden-Württemberg, in der Regel die 5–10 m mächtige Werksteinzone im oberen Teil der Plattensandstein-Formation und somit im Liegenden der Unteren Röttonsteine (Schwarzmeier 1978, 1979). Nur selten wurden auch die massigen Sandsteine an der Basis der Plattensandstein-Formation zur Werk- steingewinnung genutzt (Schwarzmeier 1978, 1979). Die Gesteinsbeschreibung und die Bildungsbedingun- gen entsprechen ganz der für Baden-Württemberg ge- geben Beschreibung (vgl. Kap. 4.5.2).

Der Werksandsteinabbau aus der Plattensandstein-For- mation geht derzeit in fünf Steinbrüchen um, nämlich in zwei Gewinnungsstellen bei Eichenbühl (Fa. Zeid- Abb. 5.7-7: Die beiden Hauptwerksteinbänke im Milten- berger Sandstein (Unterer Buntsandstein) im Steinbruch ler & Wimmel und Fa. Zeller), Wüstenzell (Fa. Hof- Kirschfurt der Fa. Zeller (Foto 2009). Die untere Hauptwerk- mann), Remlingen (Fa. Seidenspinner) und Röttbach steinbank I ist 3,3 m, die darüber folgende Bank II 4 m mäch- (Fa. ­Graser). Die genutzten Mächtigkeiten betragen tig. Gut erkennbar sind die engständigen Bohrlöcher, die für zwischen 5 und ca. 10 m. In Eichenbühl und Röttbach das Lösen der Blöcke mittels traditioneller Holzkeilspaltung sind nur wenige Meter Abraum zu bewältigen, wäh- gebohrt wurden; hierfür werden gewässerte Holzkeile, sog. rend die Überdeckung der Werksteinzone durch die Quellkeile, verwendet. Unteren Röttonsteine und den folgenden Rötquarzit so- wohl in Wüstenzell (Abb. 5.7-8) als auch in Remlingen 25–30 m beträgt. Die weitständige Klüftung gestattet Im Steinbruch Wüstenzell (Abb. 5.7-8) wird der obe- in allen Steinbrüchen die Gewinnung großer Blöcke. In re, ca. 8 m mächtige Abschnitt des Plattensandsteins Röttbach können bis zu 10 m3 große Blöcke gelöst wer- zur Werksteingewinnung genutzt (Bock et al. 2005). den. Charakteristisch sind die farblichen Unterschiede Nach Grimm (1990) hat er folgende durchschnittliche der verschiedenen Sandsteine: Eichenbühl: rosagrau bis Komponentenzusammensetzung: Quarz: 69 %; Ge- blassrot; Wüstenzell: rot; Remlingen: rot und blassrot; steinsbruchstücke: 20 %; Muskovit: 4 %; Feldspat: Röttbach: blassrot und graurot. 3 %; opakes Erz: 2 %; Akzessorien: 2 %.

639 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler) Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.7-8: Steinbruch Wüstenzell der Fa. Hofmann im Plat- Abb. 5.7-9: Typischer mainfränkischer Brückenheiliger, her- tensandstein (Oberer Buntsandstein). Abbau in der Werk- gestellt aus Plattensandstein; Tauberbrücke bei Bronnbach steinzone im oberen Teil des Plattensandsteins mit Bohren, nahe der berühmten Zisterzienserabtei. drückendem Sprengen mittels Schwarzpulver oder Spreng- schnur und Bagger (Foto 2005). Darüber anstehend die 25–30 m mächtigen Abraumschichten aus roten Ton- und Schluffsteinen der Rötton-Formation.

In den letzten Jahren wurde im Westteil des Abbaus der Unteren Röttonsteine aus einer 2–2,5 m mächtigen im obersten Teil des Sandsteins ein Bereich mit bis Lage als Zuschlagstoff an die Ziegelindustrie abgege- einige dm-dicken Tonsteinlagen und inhomogenen ben werden. Derzeit erfolgt dies nicht. Sandsteinbänken mit vielen Tonstein-Intraklasten und dünnen, tonigen, die Aufspaltung begünstigenden Technische Eigenschaften: Nach ihren technischen Ei- Vorschüttungsblättern angefahren. Dieser Abschnitt genschaften lassen sich die heute im Ostteil des bay- liefert nur wenige brauchbare Werksteinblöcke. Nach erischen Mainvierecks genutzten Plattensand­steine Firmenangaben beträgt die Rohsteinförderung im zwei Gebieten zuordnen (Dobner 1985, S. 247): „Die oberen Teil des Plattensandsteins nur 8 % der gelös- mehr tonig-ferritisch gebundenen Sandsteine aus der ten Massen, d. h. jährlich gehen im Schnitt nur etwa Gegend um Miltenberg-Amorbach (Eichenbühl) errei- 1600–1700 m3 verwertbare Rohblöcke in die Verarbei- chen eine durchschnittliche Druckfestigkeit von 50– tung im ca. 11 km entfernten Gamburg. Die an diesem 85 MPa … Die Biegezugfestigkeit liegt bei 6 MPa und Standort anhand des Trennflächengefüges ermittel- die Rohdichte bei 2,1–2,2 ­g/­cm3. Bei einer Wasser- te Rohblockhöffigkeit beträgt ca. 35 % (Singewald aufnahme von ca. 5–6 Gew.‑% sind die Sandsteine 1992). Etwa 27 % der gelösten großformatigen Roh- frostbeständig aber nicht tausalzbeständig. Die mehr blöcke (Durchschnittsblockgröße 0,70 m3) sind wegen kieselig gebundenen Sandsteine südlich Marktheiden- qualitativer Einschränkungen, z. B. der Einlagerung feld erreichen Druckfestigkeiten von 80–100 MPa, in von Tongallen oder Fehlfarben bzw. Verfärbungen, Ausnahmefällen auch von 120 MPa. Entsprechend nicht für Fassadenplatten u. ä. verwertbar. Die Firma hoch ist die Biegezugfestigkeit mit ca. 10 MPa. Die verfügt nach eigenen Angaben am Standort Wüsten- Rohdichte liegt bei 2,3 ­g/­cm3. Die geringe Wasser- zell langfristig über genehmigte Vorräte. aufnahme von nur 3–4 Gew.‑% schlägt sich in der Frostbeständigkeit nieder. Dagegen sind auch diese Der ca. 30 m mächtige Abraum im Steinbruch Wüsten- Sandsteine nicht tausalzbeständig.“ zell (Abb. 5.7-8) besteht aus den ca. 25 m mächtigen Unteren Röttonsteinen, im oberen Teil ebenfalls mit Für den oben genannten Wüstenzeller Sandstein sind teilweise kieselig gebundenen Feinsandsteineinschal- nach Niehaus (1990) folgende gesteinstechnische tungen (vgl. Freudenberger 1990: 31, Abb. 11) und Kennwerte zu nennen: Rohdichte: 2,38 ­g/­cm3; Poro- dem darüber folgenden, ca. 5 m mächtigen Rötquarzit. sität: 11,05 %; Wasseraufnahme unter Atmosphären- In früheren Jahren konnten karbonatarme Tonsteine druck: 3,08 M.‑%.

640 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.7 Roter Mainsandstein (Roter Maintäler)

verkleidungen im Vordergrund. Als reiner Baustein wird dieser Sandstein wenig verwendet (Gartenmau- ern, Bossensteine). Die Herstellung von Säuretrögen und Schleifsteinen hat heute, im Gegensatz zu früher, keine Bedeutung mehr (Dobner 1984). Für den Wüs- tenzeller Sandstein sind folgende prominente Beispie- le zu nennen: Winterpalais Leningrad, Union League Philadelphia, Weltausstellungsgebäude in Brüssel, Schloss in Mannheim, Pompejanum in Aschaffenburg (Niehaus 1990). Eichenbühler Sandstein wurde z. B. beim Bau des Museums für Moderne Kunst in Frank- furt am Main und für das Gebäude der Grundkredit- bank in Berlin verwendet. Aktuelle Referenzobjekte für den Röttbacher Sandstein sind die Fischerinsel in Berlin und die Mary’s Abbey in Dublin.

Bezugsmöglichkeiten: Eichenbühler Sandstein: (1) Zeidler & Wimmel GmbH & Co. KG, Konsul-Metzing-Straße 7–9, 97268 Kirch- heim, Tel. 09366-9069-0, Fax 09366-1329, Internet: www.zeidler-wimmel.de. (2) Natursteinwerke Franz Zeller KG, Eichenbühler Str. 11, 63930 Umpfenbach, Tel.: 09378-777+778, Fax: 09378-779, Internet: www.mainsandstein.de, www.zeller-naturstein.de. Wüstenzeller Sandstein: Hofmann Naturstein GmbH & Co. KG, Anton-Hofmann-Allee 2, 97956 Werbach- Gamburg, Internet: www.hofmann-naturstein.de. Roter Remlinger Hartquarzsandstein: Seidenspinner Abb. 5.7-10: Treppenaufgang an der Schlosskirche in Amor- Natursteinwerk GmbH, Mainzer Straße 2, 97277 Neu- bach, südlich von Miltenberg, erstellt und renoviert mit Plat- tensandstein. brunn, Internet: www.natursteinwerk-seidenspinner.de. Röttbacher Sandstein: Bamberger Natursteinwerk Hermann Graser GmbH, Dr. Robert-Pfleger-Straße 25, 96052 Bamberg, Internet: www.bamberger-natur- steinwerk.de

Kurzfassung: Als „Roter Mainsandstein“ oder „Ro- ter Maintäler“ werden grenzübergreifend sowohl Sandsteine aus dem Unteren als auch aus dem Oberen Buntsandstein bezeichnet. Die rot/weiß- lichgelb gestreiften und geflammten, feinkörnigen Sandsteine aus dem Unteren Buntsandstein wer- den derzeit im Maintal noch in zwei Steinbrüchen, nämlich in Miltenberg (Handelsname „Miltenber- ger Sandstein“) und nordwestlich von Kirschfurt (Handelsname „Kirschfurter Sandstein“) unter Abb. 5.7-11: Neugestaltung des Altarraums im Freiburger Nutzung mehrerer dickbankiger Lager abgebaut. Münster mit Miltenberger Sandstein (2006); gewünscht wa- Sie liefern vorwiegend hervorragende Bausteine; ren widerstandsfähige, farblich und strukturell einheitliche Sandsteine. gleichmäßig feinkörnige und tonig-ferritisch ge- bundene Sandsteine werden aber auch für Bild- hauerarbeiten genutzt. Der Sandsteinabbau in der Für den stärker kieselig gebundenen Röttbacher Plattensandstein-Formation geht derzeit in fünf Sandstein sind nach Firmenangaben folgende ge- Steinbrüchen um, bei Eichenbühl, Wüstenzell, steinstechnischen Angaben zu nennen: Rohdichte: Remlingen und Röttbach. Die 5–10 m mächtige 2,27 ­g/­cm3; Wasseraufnahme unter Atmosphären- Werksteinzone liegt am Top der ca. 30 m mächti- druck: 3,52 M.‑%; Druckfestigkeit: 98 MPa; Biegezug- gen Plattensandstein-Formation. Diese meist rein festigkeit: 7,2 MPa. Das Gestein ist frostbeständig. roten, untergeordnet auch grauroten und grauen, fein- und gleichkörnigen sowie vorwiegend tonig- Verarbeitung und Verwendung: Aufgrund ihrer leich- ferritisch gebundenen Sandsteine sind insbeson- ten Bearbeitbarkeit finden die Plattensandsteine seit dere für fein profilierte Werkstücke und Bildhau- Jahrhunderten Verwendung für Bildhauer- und Stein- erarbeiten geschätzt. Sie werden aber auch für metzarbeiten (Abb. 5.7-9). Heute steht neben Renovie- Fenster- und Türeinfassungen, Fassadenverklei- rungsarbeiten an historischen Gebäuden (Abb. 5.7-10 dungen oder Restaurierungsarbeiten an histori- und 5.7-11) die Produktion von Platten und Blockstu- schen Gebäuden eingesetzt. fen für Fenster- und Türeinfassungen und Fassaden-

641 5.8 Kirchheimer Muschelkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Übersicht: Der Kirchheimer Muschelkalk wird hier 5.8 Kirchheimer Muschelkalk stellvertretend für die vielen werksteintauglichen, ins- [Bayern, Unterfranken] gesamt aber sehr ähnlichen Vorkommen im unterfrän- kischen Verbreitungsgebiet des Oberen Muschelkalks betrachtet. Es handelt sich um einen mittelgrauen, oft – Wolfgang Werner – bräunlich gefleckten, stets fossilschuttreichen, oft grobkristallinen, gut schleif- und polierfähigen und sehr widerstandsfähigen Kalkstein aus dem obersten Mu- schelkalk Unterfrankens (Abb. 5.8-1, -3 und -4). Aufgrund seiner regel- mäßigen quaderförmigen Absonderung entlang steil stehender Klüfte erhielt er von den Stein- hauern die Bezeichnung „Quaderkalk“ (Abb. 5.8- 5). Dieser Steinhauerbe- griff wurde von Geisler (1939) für die dickban- kige, fossilschuttreiche Fazies des Muschelkalks der Germanischen Trias in die geowissenschaft- liche Literatur einge- führt. Der Kirchheimer Muschelkalk stellt eine dickbankige Fazies im obersten Hauptmuschel- kalk dar (Abb. 5.8‑2). Er ist petrographisch eng verwandt mit den Fos- silschuttkalken des unte- ren Hauptmuschelkalks aus Crailsheim bzw. Sat- teldorf und den Schill- kalksteinen des oberen Hauptmuschelkalks von Krensheim und Grüns- feld sowie von Kirch- berg und Bölgental (Kap. 4.16.3). Die Schillkalk- steine vom Typ des Qua- derkalks sind auf einer submarinen Untiefe des Triasmeeres, der sog. Gammesfelder Barre, entstanden. Hier kam es im wellenbeeinflussten Bereich bei Wassertiefen von nur wenigen Metern zur Ablagerung von Kar- bonatsandkörpern, wie man sie heute im Persi- schen Golf antrifft (Hag- dorn & ­Aigner 2005).

Diese Schillkalksteine werden schon seit vie- len Jahrhunderten für Bauzwecke, vor allem für das Aufrichten der Mauern von Häusern, Abb. 5.8-1: Kirchheimer Muschelkalk in typischer Farbe, Struktur und Verarbeitung: Fassa- Kirchen, Brücken, Bur- denplatten aus Quaderkalk, in der Schichtung gesägt, dann geschliffen bzw. gestockt. Gebäu- gen und Schlössern, de der Fa. Borst in Kirchheim/Ufr. verwendet. Ihr Einsatz

642 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.8 Kirchheimer Muschelkalk

Abb. 5.8-2: Schematischer geologischer Nord–Süd-Schnitt durch den Oberen Muschelkalk von württembergisch Franken und Unterfranken (Bayern) (Graphik erstellt in Anlehnung an: Geyer 2002 und Hagdorn 1991). Farblich herausgehoben sind die für die Werksteingewinnung besonders wichtigen Abschnitte des Quaderkalks und des Crailsheimer Muschelkalks.

in Bau und Architektur außerhalb Unterfrankens ist der Quaderkalkfazies nach, wobei die ältere im sog. aber relativ jung. Jacob (1906: 51) schreibt: „Die Zentralgebiet um Sommerhausen, Ochsenfurt und wachsende Vorliebe für helle Baustoffe hat auch der Rothenburg o. d. T. verbreitet ist (beginnend ab der unterfränkischen Muschelkalkindustrie zum Aufblü- nodosus-Zone), die Quaderkalke aus dem Gebiet hen verholfen, nachdem es den Architekten gelungen Krensheim – Kirchheim – Kleinrinderfeld – Rotten- war, den Stein mit dem richtigen Verhältnis seiner bauer rechnet er zum Randgebiet, in dem die Werk- Eigenarten und seiner Schönheit zu verwerten. Bis steinfazies erdgeschichtlich etwas jünger ist (Niveau vor etwa vier Jahren war das Material wenig bekannt Hauptterebratelbank). und nur von kleinen Unternehmern wurde es zu unter- geordneten Arbeiten wie Randsteine, Einfriedungen, In Thüringen, Sachsen-Anhalt und Niedersachsen wer- Sockelsteine, Treppenstufen verwendet. (…) Heute den auch fossilschuttreiche „Quaderkalke“ genutzt, nimmt der Muschelkalk eine der ersten Stellen unter die aber der Schaumkalkfazies des Unteren Muschel- den Werksteinen Deutschlands ein.“ Die meisten der kalks zugehörig sind, so z. B. in Neustadt a. d. Saale heute noch betriebenen Steinbrüche stammen daher (hier ist es meist ein feinporöser, dunkler Schaumkalk), auch aus der Zeit zwischen 1900 und 1930. in Oberdorla bei Mühlhausen in Thüringen, bei Jena und Freyburg in Sachen-Anhalt sowie bei Königslutter Verbreitung: In einem etwa 25 km langen, SW–NE in Niedersachsen (hier häufig oolithisch). Wegen der gerichteten Streifen von Grünsfeld und Krensheim großen Ähnlichkeit der Fertigprodukte (bes. der ge- (Württemberg), über Gaubüttelbrunn, Kirchheim, schliffenen Platten) werden diese Muschelkalksorten Moos, Kleinrinderfeld bis an den Main bei Randers­ oft nebeneinander verbaut1. acker und Sommerhausen, südöstlich von Würzburg, und bis Rottendorf sind weit über Hundert Steinbrü- Gesteinsbeschreibung: In Kirchheim treten drei Werk- che zu finden, in denen die dickbankigen Schillkalk- steinlager auf, die sich nicht nur im Erscheinungsbild steine gewonnen wurden. Heute sind noch ein gutes sondern auch in den technischen Eigenschaften un- Dutzend Brüche in Betrieb. Weiter im Osten zieht ein terscheiden (von oben nach unten): Oberbank, Kern- weiteres Band von Quaderkalkvorkommen von Rot- stein und Blau- oder Goldbank. Die nutzbare Mächtig- tendorf im Norden über Ochsenfurt und Marktbreit, Langensteinach und Steinsfeld bis fast nach Rothen- burg ob der Tauber im Süden (vgl. Schuster 1936). 1 Weitere Informationen zu Quaderkalksteinbrüchen unter Geisler (1939) wies unterschiedlich alte Bildungen­ http://www.baufachinformationen.de

643 5.8 Kirchheimer Muschelkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

bis graubrauner, poröser Scha­lentrümmerkalk aus Muschel- und Brachiopo- denschill; er enthält keine Tonfugen und weist enge Kornverzahnungen auf. Charakteristisch für diese recht reinen Kalksteine sind auch Lösungssutu- ren, sog. Stylolithen.

Bei den als Gold- und Blaubank bezeichneten Werksteinsorten han- delt es sich um dich- tere, weniger poröse Schalentrümmerkalke. Sie bestehen aus einem cm weisen Wechsel von braunem, fein- und mit- telkörnigem Kalkdetritus (gelblich/bräunlich, im Abb. 5.8-3: Platten von Kirchheimer Muschelkalk, in der Schichtung gesägt, geschliffen und polierten Zustand „gold- poliert bzw. unpoliert (im Angebot der Fa. Zeidler & Wimmel, Kirchheim/Ufr.). gelb“) und grobem, po- rösem Fossilschutt (im polierten Zustand bläu- keit dieser Bänke variiert jeweils zwischen 0,5 und lichgrau). Bekannt sind auch die Varietäten Mooser 0,9 m. Der besonders begehrte Kernstein zeichnet und Sellenberger Muschelkalk (Abb. 5.8-3 und -4). sich durch grobfleckige Textur aus mittelgrauem Fos- Beim Mooser Muschelkalk werden die Varietäten silschutt und gelblichbrauner Calcitzwickelfüllung aus „Bläulichgraue Kernbank“ und „Rot- oder Oberbank“ (Abb. 5.8-3). Der Kirchheimer Muschelkalk vom Typus unterschieden. Es handelt sich um einen grauen bis „Kernbank“ enthält rund 70 % Komponenten aus Mu- graubraunen, muschel- und brachiopodenschillrei- schel- und Brachiopodenschalen sowie Peloiden und chen Kalkstein mit geringem Matrixanteil aus Kalk- ca. 30 % Bindemittel aus Calcit und etwas Eisenhydro- spat. In manchen Bänken treten auch rötlichbraune xiden (vgl. Niehaus 1990). Der Kernstein ist ein grauer Varietäten auf.

Bei allen Varietäten, be- sonders aber beim Kern- stein, sind Fossilien und Fossilienbruchstücke mit dem bloßen Auge gut er- kennbar. Neben den bis 5 mm dicken Schalen- resten treten Peloide mit einer Korngröße von 0,1 bis 0,2 Millimeter auf. Der größte Teil des Gesteins (70–75 %) besteht aus Fossilschutt und Peloiden, der Rest aus calcitischem, meist mikritischem bis mikrosparitischem Bin- demittel (Niehaus 1990). Kleine Drusen sind i. d. R. mit weißem Calcit verfüllt. In der Goldbank-Varietät sind gelblichbraune bis rostbraune Eisenoxidver- bindungen partienweise angereichert. In der Varie- tät Blaubank tritt lokal eine erhöhte Sekundärporosität Abb. 5.8-4: Platten von Sellenberger Muschelkalk aus der Nähe von Kleinrinderfeld (Un- auf, die auf das Auftreten terfranken), Quaderkalkplatten diamantgeschliffen (im Angebot der Fa. Lauster Steinbau, von Dedolomit zurückzu- Stuttgart). Durch die verschiedenen Arten der Oberflächenbearbeitung können sehr unter- führen ist (feines Netz- schiedliche Farb- und Lichteffekte am Gebäude erzielt werden. werk, bräunliche Flecken).

644 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.8 Kirchheimer Muschelkalk

Abb. 5.8-5: Typischer Steinbruch im Quaderkalk bei Kirchheim (Unterfranken), 2010. Durch das orthogonale Kluftsystem wird der Quaderkalk in relativ einheitliche „Quader“ zerlegt – daher der Name. Bankmächtigkeit ca. 3 m.

Als typisches Lagerstättenbeispiel können die Stein- brüche in unmittelbarer Nähe von Kirchheim ange- führt werden, die vor allem von den traditionsrei- chen Firmen Zeidler & Wimmel2 und Borst betrieben werden. Die Mächtigkeiten des Quader- bzw. Schill- kalksteins in den Steinbrüchen um Kirchheim/Ufr. (Abb. 5.8-5 und -6) liegen bei durchschnittlich 4,5 m, die Mächtigkeit der nicht nutzbaren plattigen und to- nig-mergeligen Schichten liegt derzeit (Herbst 2009) bei maximal 10–12 m. Der Kirchheimer Muschelkalk aus dem „Blauen Loch“ zeigt eine wolkige, schwach blaugraue Färbung im Wechsel mit hellgrauen und rostbraunen Partien. Die einzelnen Werksteinbänke sind meist zwischen 0,4 und 1 m mächtig. Abgebaut wird das Werksteinlager hier, wie in den meisten Brü- chen der Umgebung, auf zwei Teilsohlen (Abb. ­5.8-6), hier jeweils von etwa 2,2 m Höhe. In benachbarten Brüchen variiert die nutzbare Mächtigkeit zwischen 1,5 und 5 m, die Überlagerungsmächtigkeit zwi- schen 5 und 10 m. Einzelne, weitständig ­auftretende

2 Die Fa. Zeidler & Wimmel betrieb bis 2005 auch Werk- steingewinnung in Baden-Württemberg (Zwiefalten- Gauingen, zuvor Langenenslingen, s. Kap. 3.1). Sie wurde 1776 in Berlin gegründet, verlegte ihren Hauptfir- mensitz 1911 nach Kirchheim/Ufr., gehörte im Zeitraum 1984–2004 zur Holzmann-Gruppe, seit 2004 ist sie Teil der Geiger-Gruppe. Derzeit sind etwa 40 Mitarbeiter in der Verarbeitung und Verwaltung in Kirchheim tätig. Aus den Werkstätten der Fa. Zeidler & Wimmel stammen die Werksteine für so berühmte Bauten wie das Brandenbur- ger Tor (1788–1791) und das Reichstagsgebäude (1884– 1894) in Berlin, heute Sitz des Deutschen Bundestags. Abb. 5.8-6: Steinbruch „Blaues Loch“ in Kirchheim/Unter- Informationen zu Bauprojekten dieser Firma sind zu franken. In diesem Bruch stehen zwei, jeweils 2 m mächtige finden unter http://de.wikipedia.org/wiki/Zeidler _ & _ Quaderkalkbänke in Abbau. Abraummächtigkeiten bis 30 m Wimmel werden akzeptiert.

645 5.8 Kirchheimer Muschelkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

(A) (B)

Abb. 5.8-7: Olympiastadion in Berlin, erbaut 1934–36 vor allem aus Fränkischem Muschelkalk. (A) Außenansicht; (B) Außenumgang im Oberring, bahngespitzte Muschelkalkmauerquader.

­Flexuren mit wenigen Metern Vertikalversatz queren stein frostbeständig (sogar als Sockel geeignet). Blaubank die Steinbrüche, verursachen aber meist nur geringe und Goldbank sind wegen geringer Tonmineralgehalte nicht Wertminderung. Das steil stehende, meist weitstän- oder nur bedingt frostbeständig. dige Kluftsystem verläuft überwiegend orthogonal, so dass annährend kubische Blöcke in Größen von (2) Die Fa. F. Kögel Natursteine (97337 Dettelbach) gibt für etwa 2–16 m3 gewonnen werden können (im Mittel den Mooser Kernstein und die Mooser Rotbank noch fol- 3 gende Werte an (www.stonecenter.eu): etwa bei 4–5 m , Abb. 5.8-5). Rohdichte: 2,45–2,55 g/cm³; Wasseraufnahme unter At- mosphärendruck: 1,6 M.‑%; Druckfestigkeit: 50–60 MPa; Technische Eigenschaften: Vor allem seit Anfang des Biegezugfestigkeit: 6,4–11,3 MPa; politurbeständig nur im 20. Jh. ist der Fränkische Muschelkalk wegen seines Innenbereich. Erscheinungsbildes und seiner günstigen Gesteins- eigenschaften ein deutschlandweit begehrter Werk- (3) Für die Blaubank gibt diese Firma folgende Werte an: stein. Jacob (1906: 51) lobte das Material mit den Rohdichte: 2,69 ­g/­cm³; Wasseraufnahme: 0,3 M.‑%; Porosi- Worten: „Die Härte des Materials und seine Druck- tät: ca. 0,9 Vol.-%; Druckfestigkeit: 113 MPa; Biegezugfe- festigkeit kommen der des Granits gleich, sind vielem stigkeit: 8–12 MPa mit dem Lager; Frostbeständigkeit: nur bedingt frostbeständig. Granit sogar überlegen. Dabei lässt er sich im Gegen- satz zum Granit auch für reich profilierte und Bildhau- Gewinnung: Die Gewinnung erfolgt durch engstän- erarbeiten verwenden.“ diges Bohren und hydraulisches Keilen sowie durch Abheben mit Radlader oder Druckkissen. Bei großen (1) Nach Niehaus (1990) weist der Kirchheimer Muschelkalk Typus Kernbank folgende Werte auf: Blöcken wird auch die Gewinnung mittels Seilsäge Rohdichte: 2,64 ­g/­cm3; Reindichte: 2,72 ­g/­cm3; Porosität: angewendet. Nach Auskunft mehrerer Firmen variiert 2,93 Vol.‑% (zum Vergleich: Krensheimer und Crailsheimer der Verkaufswert eines Rohblockes zwischen 500 und Muschelkalk mit 13,8 bzw. 11,04–11,2 %); Wasseraufnah- 1000 € je Kubikmeter (je nach Bank), jedoch werden me unter Atmosphärendruck: 0,76 M.‑%, Wasseraufnahme die gewonnenen Blöcke überwiegend von den Stein- unter Vakuum: 1,11 M.‑%; Sättigungsgrad/s-Wert: 0,68. bruchbetreibern in angeschlossenen Betrieben zu den Niehaus (1990) gibt an, dass die Druckfestigkeitswerte für geforderten Endprodukten weiterverarbeitet, wodurch die matrixreicheren Quaderkalke vom Typus Blaubank und bei gleichzeitiger Auslastung der installierten Bear- Goldbank mit 110–190 MPa deutlich über den des ma- trixärmeren, also komponentenbetonten Kernsteins (unter beitungstechnik deutlich höhere Preise zu erzielen 100 MPa) liegen. sind. In der Endverarbeitung sind überwiegend große Frostbeständigkeit: Aufgrund der Porosität, die eine völlige Gattersägen (Vortrieb im Quaderkalk etwa 20 cm/h), Wassersättigung verhindert, sind Schaumkalk und Kern- Kreissägen und Fertigungsstraßen mit verschiedenen

646 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.8 Kirchheimer Muschelkalk

Abb. 5.8-8: Zum Abschluss der Flurbereinigung 1976 er- Abb. 5.8-9: Verschiedene Bodenplatten und Pflastersteine richtetes Flurdenkmal „Die Schnecke“ in den Weinbergen aus Kirchheimer Muschelkalk; Ausstellung auf dem Firmen- oberhalb von Sommerhausen, ca. 2,5 m hoch und unter Ver- gelände der Fa. Borst Natursteinwerk, Kirchheim. wendung von zwei Blöcken aus Kirchheimer Muschelkalk erstellt (2010).

Schleif- und Poliermaschinen im Einsatz. Größere Ver- Botanischen Garten, das Zoologische Institut der Uni- arbeitungsbetriebe haben im Kirchheimer Raum in der versität und die U-Bahn-Station Theresienstraße in Regel zwischen 30 und 50 Mitarbeiter. Je nach Nach- München sowie die Deutsche Bank in Düsseldorf ge- frage, Lagerstättenqualität und Betreiberfirma werden nannt werden. Aus dem o. g. Betrieb der Fa. Zeidler & pro Steinbruch etwa 1000–1500 m³ jährlich abgebaut. Wimmel stammen nach Angabe der Firma z. B. die Bo- 35–40 % der gelösten Menge können aufgrund der denbeläge im Außenbereich der Staatsgalerie und des ausreichenden Blockgrößen und Stabilität zu hochwer- Kammertheaters in Stuttgart, die Natursteinelemente tigen Produkten verarbeitet werden. für die Innengestaltung der L-Bank in Karlsruhe, aus dem o. g. Steinbruch „Blaues Loch“ die Werksteine Verwendung: Seit Jahrhunderten wird der fränkische für die Spanische Botschaft in Berlin, das Händlerzen- Quaderkalk in großem Umfang für Mauern aller Art, trum der Deutschen Bank in Frankfurt und die Würt- Pflastersteine und zur Befestigung von Hängen und tembergische Lebensversicherung am Leipziger Platz Ufern verwendet. Zu den berühmten Beispielen zählt in Berlin. die im 15. und 16. Jh. errichtete Alte Mainbrücke in Würzburg und die darüber thronende Feste Marien- Heute werden dickbankige Quaderkalksteine vor al- berg. Die Dörfer im genannten Verbreitungsgebiet lem zu hochwertigen Fertigprodukten wie Boden- und dieses Werksteins sind durch die steinsichtige Mas- Fassadenplatten, für Gliederungselemente an Fassa- sivbauweise zahlreicher Privathäuser und Hofgebäu- den und zu Mauerquadern im Außenbereich verarbei- de charakterisiert. Für Massiv- und Monumentalbau tet, in der Innenarchitektur werden sie als Wand- und wurde er besonders in den 1930er und 40er Jahren Bodenplatten, Treppenstufen sowie Fensterbänke verwendet; in dieser Zeit erlebte die Natursteinindus- eingesetzt (Abb. 5.8-1 und -7). Dünnbankiges Ma- trie dieses Gebiets eine besonders große Nachfrage terial wird im Garten- und Landschaftsbau oder für (Abb. 5.8-7). Als bekannte Verwendungsbeispiele die Herstellung von Pflastersteinen usw. verwendet von Kirchheimer Muschelkalk in der städtischen Ar- (Abb. 5.8-9). Beste Blöcke gehen in die Bildhauerei; chitektur können das Brandenburger Tor, das Reichs- aufgrund der massiven Blockgrößen und der guten tagsgebäude und das Olympiastadion in Berlin, die Kornbindung ist die Anfertigung auch großformatiger Münchner Isarbrücken, der Neptunbrunnen im Alten Bildhauerarbeiten möglich (Abb. 5.8-8).

647 5.8 Kirchheimer Muschelkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Angeboten wird der Kirchheimer Muschelkalk und berg, nämlich bei Grünsfeld-Krensheim (Kreis Tauber- verwandte Muschelkalksorten in verschiedenen Bear- bischofsheim); hier wird der Kirchheimer Muschelkalk beitungsvarietäten, die durch unterschiedliche Säge- als Krensheimer Quaderkalk bezeichnet (siehe Kapitel richtung und Oberflächenbearbeitung zustande kom- 4.16). Die Verarbeitung findet in den o. g. Werken in men: Im Lager und gegen das Lager geschnitten und und um Kirchheim/Ufr. statt. poliert (d. h. parallel und senkrecht zur Schichtung), geschliffen und poliert, maschinell geriffelt, fein oder Kurzfassung: Der Kirchheimer Muschelkalk ist ein grob gerollt, sandgestrahlt, fein oder grob gestockt, mittelgrauer, auf Grund des hohen Fossilschutt- scharriert, gekrönelt, gespitzt usw. (Abb. 5.8-1, -3, -4 anteils oft grobkristalliner, gut schleif- und polier- und -7). fähiger, widerstandsfähiger Kalkstein, der wegen seiner regelmäßigen quaderförmigen Absonderung Bezugsmöglichkeiten: traditionell als „Quaderkalk“ bezeichnet wird. Die (1) Zeidler & Wimmel GmbH & Co. KG, Konsul-Metzig- genutzten Werksteinlager sind meist 4–5 m mäch- Str. 7–9, 97268 Kirchheim, www.zeidler-wimmel.de. tig. Seit Jahrhunderten wird er für den Haus-, Mau- (2) Kirchheimer Kalksteinwerke GmbH, Egensburger er-, Brücken- und Festungsbau verwendet, wie Straße 15, 97268 Kirchheim, Internet: www.muschel- die Alte Mainbrücke in Würzburg und die darüber kalk-franken.de oder www.kkw-stein.de. (3) Hemm thronende Feste Marienberg eindrucksvoll belegen. Stone GmbH, Mergentheimer Straße, 97268 Kirch- Um 1900, als neue technische Hilfsmittel eine in- heim, Internet: www.hemmstone.de. (4) Naturstein- dustrielle Verarbeitung (Schneiden, Schleifen, Po- werk Scheuermann GmbH u. Co., Maisenbacher Str. 3, lieren) ermöglichten, erlebte er einen enormen An- 97271 Kleinrinderfeld, Internet: www.scheuermann-na- stieg der Nachfrage. Von den einst über Hundert turstein.de. (5) Natursteinwerk Borst e. K., Röckertstr. Steinbrüchen dieser Zeit sind heute noch ein gutes 6, 97271 Kleinrinderfeld, Internet: www.naturstein- Dutzend in Betrieb. In den 1930er und 40er Jah- werkborst.de. (6) F. Kögel Naturstein & Chem. Produk- ren erlebten die Betriebe kurzzeitig einen besonders te, Haschenweg 1+3, 97337 Dettelbach/Mainsond- rasanten Aufschwung im Zusammenhang mit den heim, Internet: www.stonecenter.eu. (7) Erich Seubert vielen Monumentalbauten dieser Zeit wie z. B. das GmbH, Rohblöcke, Gestaltungssteine, 97271 Kleinrin- Berliner Olympiastadion. Heute werden der Kirch- derfeld, Internet: www.erich-seubert.de. (8) Klaus Göt- heimer Muschelkalk und die vielen anderen witte- zelmann, Klaus Nadler Natursteinwerke, Konsul-Metzig- rungsbeständigen, gut polierfähigen Varietäten aus Str. 1, 97268 Kirchheim. der näheren und weiteren Umgebung, wie der Sel- lenberger oder Mooser Muschelkalk, besonders für Hinweis: Die Firmen Kirchheimer Kalksteinwerke, Boden-, Wand- und Fassadenplatten,Treppenstufen Hemm Stone, Natursteinwerk Scheuermann und Erich usw. sowie den Garten- und Landschaftsbau ver- Seubert aus Kirchheim/Unterfranken bzw. Kleinrin- wendet. derfeld besitzen auch Steinbrüche in Baden-Württem-

Abb. 5.8-10: Quaderkalksteine aus dem Oberen Muschelkalk waren Jahrhunderte lang das wichtigste Baumaterial entlang des Mains zwischen Würzburg und Ochsenfurt, im Bild das renaissancezeitliche Rathaus von Sommerhausen.

648 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk

– auch Malm oder Weißjura bezeichnet – an. In die- 5.9 Juramarmor (Dickbank­kalke) ser insgesamt über 500 m mächtigen Sedimentge- und Solnhofener Plattenkalk steinsabfolge des Oberjuras nimmt der Kalkgehalt der Schichten diskontinuierlich vom Älteren zum Jünge- [Bayern, Fränkische Alb] ren, also vom Oxfordium zum Tithonium, von durch-

schnittlich etwa 80 % bis max. 99,9 % CaCO3 zu, der – Wolfgang Werner – Tongehalt parallel dazu ab, wie durch die chemische Untersuchung zahlreicher Kernbohrungen aus dem Rohstoffsicherungskonzept ermittelt wurde (Giese & Werner 1997). Die werksteinhöffigen Oberjura- 5.9.1 Übersicht, Geologie, Entstehung Schichten der Schwäbisch-Fränkischen Alb befinden sich alle in den Einheiten mit besonders hohen Kalkge- Auf der südlichen Fränkischen Alb, im Gebiet um die halten; je geringer der Tongehalt, desto besser ist die Orte Weißenburg, Treuchtlingen, Pappenheim, Langen- für die Verbandsfestigkeit und Polierfähigkeit grundle- altheim, Solnhofen, Eichstätt, Kaldorf und Petersbuch gende Verzahnung der Karbonatkörner. (nördlich von Eichstätt) und somit innerhalb des heutigen Naturparks Altmühltal, befindet sich eines der bedeu- Der im Mittel ca. 40 m mächtige „Juramarmor“ (Dick- tendsten Zentren der Naturwerksteinindustrie Deutsch- bankkalk) wird erdgeschichtlich in den unteren Weißjura lands. Nirgends sonst in Deutschland haben die Werk- delta (Kimmeridge) gestellt, der Abbau der Solnhofener steinbrüche größere Ausdehnung erreicht als auf der Plattenkalke konzentriert sich auf die 20–50 m mächti- Fränkischen Alb und hier besonders im Gebiet zwischen gen Oberen Solnhofener Schichten des Weißjura zeta 2 Treuchtlingen im Westen und Eichstätt im Osten. Seit (Untertithon). Diese Schichten sind ca. 150–140 Mio. Jahrhunderten werden hier einerseits dickbankige und Jahre alt. Das Säulenprofil der Abb. 5.9-4 verdeutlicht andererseits plattige, ebenschichtige Kalksteine gewon- die Zeitstellung und zeigt die über- und unterlagernden nen. Die einen werden als Dickbankkalke oder wegen Schichten. ihrer guten Polierfähigkeit als „Juramarmor“ bezeichnet, die anderen als Solnhofener Plattenkalke, Schieferkalke, Das zeitliche Äquivalent auf der Schwäbischen Alb ist Solnhofener „Schiefer“ oder „lithographische Schiefer die Zementmergel-Formation, die z. B. bei Steinweiler von Solnhofen“ (Abb. 5.9-1 bis -3). Während früher vor nahe Neresheim ebenfalls wirtschaftlich gewinnba- allem die Plattenkalke gewonnen wurden, steht heute re Plattenkalkvorkommen enthält (Kap. 4.18.3). Die hinsichtlich Produktionsmenge und wirtschaftlicher Be- Plattenkalkvorkommen in Baden-Württemberg sind im deutung der Juramarmor im Vordergrund. Vergleich zu denen der Frankenalb klein, und die zahl- reichen und oft mächtigen Bankkalkvorkommen des Geologie: Die Dickbank- und Plattenkalke der Fränki- Kimmeridge und Tithon der Schwäbischen Alb eignen schen Alb gehören, analog den zeitgleichen Bildungen sich nur bereichsweise zur Naturwerksteingewinnung, der benachbarten Schwäbischen Alb, dem Oberjura weil sie geringe Bankmächtigkeiten und meist höhere

(A) (B)

Abb. 5.9-1: Oberjura-Kalksteine aus dem Raum Eichstätt–Solnhofen: (A) Mattpolierter Dickbankkalk aus Eichstätt („Eich- stätter Marmor“) mit angeschnittenem Ammoniten; (B) Solnhofener Plattenkalk mit perfekt erhaltenem Schildkrötenfossil der Art Eurysternum, Fundort: Steinbruch Painten.

649 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.9-2: Jura-Dickbank­ (A) kalke: (A) Nach der Ge- winnung im Steinbruch, Schichthöhe 80–90 cm; (B) Detail einer Tranche.

tonigen Kalksteinen über (Abb. 5.9-4). Bei den Massen- (B) kalkvorkommen handelt es sich nicht um große Riffe vom Typus Great Barrier Reef sondern um zahlreiche kleinere Bioherme („Schwammriffe“) und randlich an- geordnete Säume von Partikelkalksteinen mit Ooiden. Ob die Differenzierung Massenkalk/Bankkalk Ausdruck einer morphologischen Gliederung in aufragende Riff- körper bzw. Schwellen und tiefer gelegene Sedimenta- tionsbecken mit höherem Tonanteil ist oder ob es sich um primär durch submarine Strömungsverhältnisse ge- steuerte Faziesunterschiede auf einer Karbonatrampe handelt, ist umstritten; detaillierte Untersuchungen in den vielen Steinbrüchen der Schwäbisch-Fränkischen Alb und den vom LGRB durchgeführten Rohstofferkun- Tonanteile aufweisen. Einige Gebiete auf der Schwä- dungsbohrungen auf der Schwäbischen Alb (Werner bischen Alb enthalten allerdings sehr schöne Vorkom- 2000) liefern Belege für beide Modelle (z. B. Pawellek men von polierfähigen Jurakalksteinen, weshalb sie 2001; Pawellek & Aigner 2002, Koch et al. 2003, von Industrie und Handel ebenfalls als „Juramarmor“ Bock et al. 2011). bezeichnet werden (Kap. 4.26). Generell aber sind die Oberjura-Karbonatgesteine Ab- Entstehung: Die Karbonatgesteinsfolge des Schwä- lagerungen einer Karbonatplattform, die leicht nach SE bisch-Fränkischen Juras ist geologisch gut unter- geneigt war und Teil eines von Rumänien über Polen, sucht, wobei vor allem die großen, über die ganze Süddeutschland, Portugal bis Florida reichenden Gür- Stratigraphie verteilten Aufschlüsse in den zahlrei- tels darstellt. Diese Karbonatplattform lag am Nordrand chen Steinbrüchen die detaillierte geologische, sedi- eines Randmeeres der Tethys. Die Plattenkalke entstan- mentologische und paläontologische Erforschung er- den innerhalb der sog. Fränkischen Fazies dieses Rand- möglichten. Viele berühmte Museen verdanken ihre meeres, welche sich in eine Schwammriff-Plattform Fossilienschätze den Gewinnungsarbeiten in diesen und eine Flachwasserkarbonatplattform mit Korallenrif- Steinbrüchen. Die Kalksteine in massiger oder ge- fen gliedern lässt (vgl. Abb. 4.18-9 in Kap. 4.18). bankter Ausbildung, die tonigen Kalksteine oder Kalk- mergelsteine entstanden alle aus Sedimenten, die in Entstehung der Plattenkalke: Bei den ebenschichtigen einem flachen Schelfmeer in Tiefen zwischen 50 und Solnhofener Plattenkalken (Abb. 5.9-1 B, -3 A und -9) 150 m im Zeitraum vor 152–135 Millionen Jahren ab- mit ihrer ungewöhnlich guten Fossilerhaltung handelt gelagert wurden und danach einer Reihe von tekto- es sich hingegen um eine besondere Bildung. Trotz der nischen und stofflichen Veränderungen unterworfen vielen geowissenschaftlichen Arbeiten liegt ein allge- waren (z. B. Ziegler 1978, Geyer & Gwinner 1986; mein akzeptiertes Genesemodell bislang noch nicht vor. Meyer & Schmidt-Kaler 1990, 1991, Selg & Wagen- Durch die kartierbare und in Bohrungen angetroffene plast 1990, Schweigert 1995, Giese & Werner 1997, Verteilung der Gesteine ist aber klar, dass der Abla- Koch 2000a, Villinger 2011). gerungsraum in eine Vielzahl von größeren und kleine- ren Wannen mit dazwischen liegenden Riffgürteln und Die Kalksteine der sog. Bioherm- oder Massenkalkfa- Karbonatplattformen mit Ooidsanden untergliedert war zies gehen lateral und vertikal an vielen Stellen in die (Meyer & Schmidt-Kaler 1990, 1991). Die klassischen sog. Biostrom-Fazies mit geschichteten, meist schwach Solnhofener Platten dürften im zentralen, besonders

650 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk

ruhigen Bereich der Wannen entstanden sein. Im Nord- westen und Osten gab es größere Landgebiete (Rheini- (A) sche Insel, Böhmische Insel).

Nach Meyer & Schmidt-Kaler (1991) und Viohl (1998) lässt sich die Bildung der Solnhofener Plattenkalke mög- licherweise so beschreiben1: Zur Plattenkalkzeit herrsch- te ein heißes, trockenes Klima. Die nördlich und östlich des Ablagerungsraumes gelegenen großen Festlandsge- biete enthielten Buschland und Süßwasserseen. In den von Riffen umschlossenen Plattenkalkwannen war nur eingeschränkter Wasseraustausch mit dem südlich gele- genen offenen Meer, der Tethys, möglich. In den Wan- nen kam es durch rasche Verdunstung zur Anreicherung von stark salzhaltigem Wasser, zu Sauerstoffmangel und zur Ausbildung einer Salz- und Dichteschichtung des Wassers. Die Bodenzone war besonders übersal- zen, zugleich stagnierend und sauerstoffarm und somit lebensfeindlich. Die oberen sauerstoffreichen Wasser- schichten hingegen wurden von zahlreichen Meeres- organismen belebt. Untermeerische Riffkuppen boten sowohl Hartgründe, auf denen Tange, Schwämme, Korallen, Seelilien und Stachelhäuter siedelten. Stürme sorgten für zeitweise Zufuhr von frischem Meerwasser über die Riffschranken hinweg; mit dem Frischwasser wurden auch Kalkpartikel eingetragen. Durch Abgleiten von Kalkschlämmen an submarinen Hängen kam es zeit- weise zur Bildung von Trübeströmen.

Für die ungewöhnlich gute Erhaltungsqualität der Fos- silien scheinen vor allem folgende Faktoren verantwort- lich zu sein: (1) Einbettung in einer lebensfeindlichen (B) und daher von Aasfressern weitgehend freien Boden- zone, (2) Umhüllung durch einen schützenden Mikro- benfilm und Einbettung in feinstkörnigem Kalksediment sowie (3) das Fehlen strukturzerstörender Verände- rungen während der Diagenese aufgrund der geringen Sedimentationsrate. Diskutiert wird derzeit, ob die Feinschichtung (Abb. 5.9-3 A) auf jahreszeitliche Tem- peraturschwankungen und größere Klimazyklen, die Zeiträume von 20 000 bis 100 000 Jahre umfassten, zurückzuführen ist.

Gewinnung, Abbaugebiete: Der wohl älteste heute Abb. 5.9-3: Solnhofener Plattenkalke: (A) Frisch abgehobe- noch betriebene Bruch liegt westlich von Solnhofen im ne Kalksteinplatten im großen Steinbruch auf der Lagenalt- Gebiet der Langenaltheimer Haardt; hier geht der Abbau heimer Haardt; (B) Detail einer 7 cm dicken Platte; Dicke der mindestens seit dem Jahr 1640 um (Abb. 5.9-10). Im einzelnen Schichten: 0,1–0,9 cm. Jahr 1674 erließ der Fürstbischof Marquard Schenck von Castell wegen der starken Zunahme der Gewin- Im 20. Jh. eroberten vor allem die geschliffenen und nungsarbeiten eine Steinbruchordnung. Im 18. Jh. ent- polierten Platten aus Dickbankkalk bzw. „Juramarmor“ standen zahlreiche Betriebe, die bis ins 20. Jh. Bestand (Abb. 5.9-2 und 5.9-5) den europäischen Markt, und hatten oder noch haben (z. B. Fa. J. Stiegler: Gründung Jahrzehnte lang traf man bei fast jedem zweiten Neu- um 1761, Abb. 5.9-5). Die Erfindung der Lithographie bau in Süddeutschland die typischen, fossilreichen, im Jahre 1796 durch Alois Senefelder (1771–1834) beigegelben und hellgrauen Platten auf Treppen, Böden brachte zu Beginn des 19. Jh. einen regen Aufschwung und Fenstergesimsen an (Abb. 5.9-6). Um 1950/60 für die Betriebe auf der sonst nicht mit Reichtümern wurden besonders im Juramarmor aufgrund der star- gesegneten Frankenalb mit sich. Der Steindruck ermög- ken Nachfrage viele neue Betriebe gegründet, so z. B. lichte bis zur Erfindung des daraus entwickelten Off- bei Kaldorf. Wie in allen traditionellen deutschen Ab- setdrucks als einziges Druckverfahren die Erstellung bau- und Verarbeitungszentren von Naturwerksteinen großer Stückzahlen von Farbdrucken. Seit dieser Zeit macht sich aber heute auch auf der südlichen Franken- werden die Solnhofener Plattenkalke auch als „lithogra- alb die ausländische Billigkonkurrenz negativ bemerk- phische Schiefer“ bezeichnet. bar, jedoch ist der Rückgang – vermutlich wegen des in Süddeutschland noch ausgeprägten Bewusstseins für 1 Siehe auch Informationen über die Solnhofener Platten- landschaftstypisches Bauen mit hellem Jurakalkstein – kalke auf der Internetseite: http://www.fossilien-online. nicht so stark wie in anderen Naturwerksteinabbauge- de/index.htm (Stand März 2011). bieten Deutschlands.

651 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

In den Jahren 2010/2011 wurden insgesamt noch 35 Steinbrüche zur Gewinnung von Solnhofener Platten und von Juramarmor betrieben. Solnhofener Platten werden im Gebiet Solnhofen–Lan- genaltheim in zehn und bei Eichstätt in sechs Steinbrü- chen abgebaut (davon sind 11 ständig in Betrieb). Jura- marmore bzw. Dickbankkal- ke werden im Gebiet Wei- ßenburg–Treuchtlingen–Ro- thenstein in acht und im Bereich Erkertshofen–Peters­ buch–Kaldorf in 11 Brüchen (meist mit mehreren Bruch- teilen) gewonnen, ständig betrieben werden 14 (Mitt. T. Kroll2, Juli 2010). Die meisten heutigen Gewin- nungsbetriebe gingen aus dem Zusammenschluss meh- rerer kleinerer Firmen hervor. Die verkaufsfähige Menge an Solnhofener Platten lässt sich derzeit auf etwa 300 000 Quadratmeter pro Jahr, die an Juramarmor auf ca. 2,5 Mio. Quadratmeter pro Jahr abschätzen (Mitt. J. Stiegler, Solnhofen, Juli 2010), was einer Rohblock- menge von etwa 60 000 m³ oder 165 000 t/a entspre- chen dürfte. Im Vergleich mit der statisch erfassten Ge- samtfördermenge in Deutsch­ land (Abb. 1.3-65, Kap 1.3) wird deutlich, welche über- ragende Bedeutung das Stein­bruchrevier der südli- chen Frankenalb trotz des Rückganges der letzten Jahr- zehnte noch immer hat. Abb. 5.9-4: Säulenprofil für den Oberjura des Gebiets Solnhofen–Eichstätt mit Darstellung der Schichtenfolge vom Oxfordium bis zum Ober-Tithon. Farblich herausgehoben sind Nachfrageentwicklung: Der die für die Natursteinindustrie wichtigen stratigraphischen Abschnitte, die Solnhofener Absatz an Solnhofener Plat- Schichten mit den Plattenkalken und die Dickbankkalke, hier als „Treuchtlinger Marmor“ tenkalken geht seit dem Jahr bezeichnet. Für den Plattenkalkabbau genutzt werden heute ausschließlich die festeren 2011 weiter zurück, vor al- „Oberen Schiefer“. Profil verändert nach: Meyer & Schmidt-Kaler (1991, Abb. 5). lem weil billigere Imitate aus Keramik zunehmend auf den Um 1965 waren 176 Betriebe, davon 150 Kleinbe- Markt drängen. Wegen des hohen Anteils an händischer triebe, allein mit der Gewinnung und Verarbeitung Arbeit ist mit einem Preisnachlass für Solnhofener Natur- von Solnhofener Plattenkalken befasst (Kuhn 1966), steinplatten aber kaum zu rechnen. Im Gegensatz dazu Berichte über die Zahl der Brüche in den Dickbank- ist die Gewinnung von Jura-Dickbankkalken deutlich an- kalken liegen aus dieser Zeit nicht vor. Im Ganzen gestiegen. Grund ist vor allem die starke Nachfrage aus dürfte es im Verbreitungsgebiet des Solnhofener China. Wegen der Finanz- und Euro-Krise wird aber damit Plattenkalksteins mehr als 200 Brüche bzw. von ver- gerechnet, dass diese Entwicklung nicht anhält, vor al- schiedenen Firmen betriebene Bruchteile gegeben lem weil sich durch billigere Natursteinfertigprodukte be- haben. Rund 3000 Arbeiter waren um 1965 mit Ab- sonders aus dem osteuropäischen Markt eine wachsen- bau und Verarbeitung beschäftigt. Im Jahr 2000 gab de Konkurrenz entwickelt (Mitt. J. Stiegler, Solnhofen). es noch rund 40 Betriebe, die mit dem Abbau von Platten und Juramarmor befasst waren (Bay. Staats- ministerium f. Wirtschaft 2002). 2 Dipl.-Geol. Thorsten Kroll, Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, 91781 Weißenburg

652 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk

(A)

(B)

Abb. 5.9-5: Abbau von Dickbankkalken im Steinbruch der Fa. Stiegler bei Rothenstein, auf halber Strecke von Eichstätt nach Weißenburg gelegen (Aufnahmen 2010): (A) Übersicht über den Steinbruch mit drei Abbausohlen, Abraumhalde und Blocklager. (B) Blick auf den Abbau mit Bohrfahrzeugen und Radlader; die ebenschichtigen Dickbankkalke werden entlang der einzelnen 0,8–1,8 m mächtigen Bänke gelöst; gut erkennbar ist das weitständige, orthogonale Kluftmuster, das die Ge- winnung sehr großer Rohblöcke gestattet.

5.9.2 Juramarmor (Dickbankkalke) Auch im europäischen Ausland ist er sehr beliebt. Die dickbankigen Oberjura-Kalksteine wurden schon im Dieser fossilreiche und gut polierfähige Kalkstein von Mittelalter zum Bau von Häusern, Brücken und Burgen der Frankenalb gehört zu den am meisten verkauf- genutzt, die industrielle Nutzung setzte aber erst im ten deutschen Naturwerksteinen; je nach Abbauort frühen 20. Jh. mit der Entwicklung leistungsfähiger haben sie ihre eigenen Handelsnamen erhalten, z. B. Steinsägen ein. Die Abbauhöhe der meisten Steinbrü- „Treuchtlinger Marmor“ oder „Eichstätter Marmor“3. che liegt zwischen 15 und 25 m. Die Mächtigkeit der einzelnen kompakten, durch Mergelfugen getrennten Bänke variiert zwischen 0,3 und 1,60 m, durchschnitt- 3 Wie schon erwähnt, handelt es sich auch bei diesen lich beträgt sie 0,7–0,8 m (Abb. 5.9-5). Aufgrund der Varietäten nicht um Marmore, d. h. metamorphe Karbo- weitständigen Klüftung ist das mögliche Ausbringen natgesteine, sondern um polierfähige, oft „marmorartig“ 3 texturierte Kalksteine. Es ist wichtig, dass Händler an Rohblöcken mit mehr als 0,4 m Volumen je nach neben dem traditionellen Handelsnamen die korrekte Bruch zwischen 61 und 84 % anzusetzen (Singewald petrographische Bezeichnung angeben, wie das Düssel- 1992), was die hohe Wirtschaftlichkeit der Lagerstät- dorfer Oberlandesgericht schon 2004 feststellte (OLG ten in den Dickbankkalken erklärt. Düsseldorf, Az. I-3 U 5/04).

653 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.9-6: Typischer Bodenbelag aus polierten Platten von Abb. 5.9-7: Fassadenplatten von Drosselfels-„Marmor“ an fossilreichen, grau bis braun schattierten Jura-Dickbankkal- einem 2010/11 errichteten Geschäftshaus, dem sog. Quar- ken mit den auffälligen dunkelbraunen Schwämmen. tier Unterlinden, in der Freiburger Innenstadt.

In keiner deutschen Stadt fehlen die charakteristischen schränkt, daher hauptsächlich im Innenbereich geeig- Platten aus Juramarmor mit den typischen dunkelbrau- net; Wärmeleitfähigkeit: 2,3 W/K x m. nen Becherschwämmen, Algenkrusten, gelegentlichen (2) Nach Industrieangaben: Belemnitenrostren und Ammonitengehäusen in einer (A) Die Fa. Johann Stiegler aus Solnhofen (www. hellgraubraunen, durch Foraminiferen mit weißlichen stiegler.com und Prospektunterlagen) gibt an: „Flämmchen“ punktierten Grundmasse (Abb. 5.9-1 A Rohdichte: 2,50–2,60 ­g/cm­ 3; Wasseraufnahme: 1,3– und -6). Diese Kalksteine gehen nicht auf Riffkarbonate 1,8 M.‑%; Druckfestigkeit: 130–160 MPa; Biege- zurück, vielmehr handelt es sich um schwammführende zugfestigkeit: 12 MPa; Abriebfestigkeit: 10,8 (graue Bankkalke, die in geschützten Wannen zwischen Riff- Varietät) bis 15,7 cm3/50cm2 (gelbe Varietät); Wärme- körpern unter tropischen Bedingungen zur Ablagerung leitfähigkeit: 2,3 W/m. kamen (Meyer & Schmidt-Kaler 1991). Die Industrie (B) Die Fa. ALSO Naturstein aus Eichstätt (www.jura- beschreibt die Farbtönungen der polierten Platten mit marmor.com) gibt an: gelb, gelb gebändert, graublau, rotbunt, goldgelb und rahmweiß. Im Grunde sind es in Abhängigkeit vom Eisenhydroxidgehalt­ feine Farbvariationen zwischen kräftig braun, gelblichbraun, hellbeige und fast weiß.

Chemische Zusammensetzung der Dickbankkalke (Mittelwerte von 27 Proben, Angaben in Dobner et al.

2002): SiO2:1,3 %; Al2O3: 0,4 %; Fe2O3: 0,4 %; MnO: 0,03 %; MgO: 0,8 %; CaO: 53,9 %; K2O: 0,1 %; Glüh- verlust: 43,1 %. Mineralische Zusammensetzung: Cal- cit: 94,1 %, Dolomit: 3,8 %; Rest Ton und Eisenhydro-

xide. Der CaCO3-Gehalt der Dickbankkalke liegt meist zwischen 97 und 98 %.

Technische Eigenschaften von Jura-Dickbankkalken: (1) Nach Angaben des Natursteinlabors des BayGLA (heute Bay. LfU), Mittelwerte (Dobner et al. 2002): Rohdichte: 2,5–2,7 ­g/cm­ 3; Reindichte: 2,6–2,8 ­g/­cm3; Porosität: 3,91 Vol.‑% (n = 190 Messungen); Wasser- aufnahme unter Atmosphärendruck: 1,4–5,0 M.‑%; Wasseraufnahme unter Vakuum: 1,52 M.‑%; Druck- festigkeit: meist 158–163 MPa; Biegefestigkeit, ein- axial: meist 17,0–17,4 MPa; Biegefestigkeit, biaxialer Abb. 5.9-8: Bildhauerarbeit unter Verwendung von Kelhei- Mittelwert (n=18): 16,1 MPa; Ausbruchsfestigkeit mer Auerkalkstein, ausgestellt auf der Gartenschau 2011 am Ankerdornloch: 431 N; Frostbeständigkeit: einge- in Horb a. N.

654 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk

Rohdichte: 2,61g/cm3; Wasseraufnahme: 2,2 M.‑%; Druckfestigkeit: 146 MPa; Biegefestigkeit: 13,8– 14,1 MPa; Abriebfestigkeit: 21,6 cm3/50cm2; Abnut- zung durch Schleifen (DIN 52108): 13,1 cm3/50 cm2. (C) Die Fa. Georg Bergér (www.berger-solnhofener. de) gibt für ihre beste Qualität an: Rohdichte: 2,55 ­g/cm­ 3; Wasseraufnahme unter Atmo- sphärendruck: 1,4 %; Druckfestigkeit: 215 MPa; Ab- riebfestigkeit: 14,8 cm3/50 cm2. Weitere Daten sind z. B. zu finden bei: www.max-balz.de (3) Für den nachfolgend erwähnten Massenkalkstein Typus Drosselfels, den sog. Drosselfels-Marmor, ver- öffentlichte die Fa. Grünsfelder Naturstein GmbH (Neustadt an der Donau) (aus: www.natursteineon- line.com/steinsuche): Rohdichte: 2,56 ­g/­cm³; Wasseraufnahme: 0,56 M.‑%; Druckfestigkeit: 109 MPa; Biegefestigkeit: 9,7 MPa; frostbeständig.

Gewinnung und Verwendung: Die meisten Steinbrü- che in den Dickbankkalken des fränkischen Juras liegen bei Treuchtlingen, Dietfurt, Erkertshofen–Kal- dorf, Obereichstätt und Rothenstein NE von Pappen- heim. Die Steinbrüche und Verarbeitungsbetriebe im Gebiet Kaldorf–Petersbuch–Erkertshofen (9 km nördlich von Eichstätt) und im Raum Kelheim–Mar- ching stellen aktuell weitere Zentren der Juramar- morgewinnung dar.

Der Abbau der „Juramarmor“-Bankkalke erfolgt in gro- ßen, meist 15–25 m tiefen Steinbrüchen (Abb. 5.9‑5) mittels Reihenbohren und hydraulischem Spalten, Abheben der abgebohrten und an natürlichen Klüf- Abb. 5.9-9: Aufschlusswand im Solnhofener Plattenkalk, Steinbruch Langenaltheimer Haardt, mit den typischen ten und Schichtfugen gelösten Packen mit Radladern. ebenschichtigen, meist 5–20 cm dicken Kalkplatten, die von Anschließend werden die Rohblöcke noch im Bruch den im Bild dunkler erscheinenden „Fäulen“ unterbrochen mit einem weiteren Reihenbohrgerät formatiert. Die werden. Quader werden dann mit dem LKW in die zentralen Werke gebracht und dort mit Gattersägen in die ge- Beispiele für andere Juramarmore: Der als Dietfurter wünschten Plattenstärken sowie mit Kreissägen in Kalkstein bezeichnete Dickbankkalk aus den Brüchen die dem Auftrag entsprechenden Formate gebracht. bei Treuchtlingen-Dietfurt, der von der Fa. Franken- Überwiegend werden die Blöcke zu cm dicken Platten Schotter erst seit 1975 für Naturwerksteinzwecke ge- in der Schichtung gesägt, geschliffen und poliert und wonnen wird, wird aufgrund unterschiedlicher Farb- vor allem für Bodenbeläge, Wand- und Fassadenver- tönungen und Struktur (z. T. mit Travertin-ähnlichen kleidungen, Treppenanlagen und mehrere Meter lange Kavernen) als Dietfurter Kalkstein, Dolomit und „Tra- Fensterbänke verwendet. Bodenplatten aus Juramar- vertin“ angeboten. Daneben werden auch Körnungen mor z. B. sind üblicherweise 1, 2 oder 3 cm stark und für den Verkehrswegebau erzeugt. In Architekturkrei- auf einer Seite geschliffen und poliert. sen bekannt geworden ist der Dietfurter Kalkstein durch den 2011 mit dem Deutschen Natursteinpreis Die Oberflächenbehandlung ist so vielfältig wie die ausgezeichneten Neubau der Jacob-und-Wilhelm- angebotenen Plattenformate: naturrau, gesägt, ge- Grimm-Bibliothek der Humboldt-Universität Berlin. schliffen, poliert, gestockt, scharriert, geriffelt und Die Vereinigten Marmorwerke im benachbarten Kal- sandgestrahlt. Viele Mauersteinblöcke, nach Schicht- dorf produzieren seit 1975. Im Gebiet östlich von In- höhe sortiert, gespalten oder naturrau, gehen auch golstadt werden bei Neustadt a. d. Donau, Ortsteil ohne weitere Bearbeitung direkt per LKW an zahlrei- Marching, und bei Kelheim weitere sog. polierfähige che Baustellen in Deutschland, wo sie zum Hang- und Kalksteine aus Massenkalkvorkommen abgebaut. Uferverbau bzw. im Landschafts- und Gartenbau ein- gesetzt werden. Der bei Neustadt gewonnene Drosselfels-„Marmor“, ein gelblichweißer, lebhaft strukturierter, fossilreicher Die Produktionsmengen liegen je nach Betrieb derzeit Massenkalk, ist besonders für Fassadenplatten be- zwischen 1000 und 15 000 m3 pro Jahr, inklusive der liebt. Es handelt sich um einen Korallenriffkalk des Blöcke für den Garten- und Landschaftsbau (Mitt. J. hohen Oberjuras (Malm zeta), der bei Marching nahe Stiegler, Solnhofen, 2010). Der für die Werksteinin- Neustadt a. d. Donau in einer Mächtigkeit von mehr dustrie hochwertig einsetzbare Anteil beträgt etwa als 30 m gewonnen wird. Charakteristisch ist die oft 20–25 %, das restliche Material geht teilweise in kavernöse, an Travertin erinnernde Struktur. Handels- Form von gebrochenen Körnungen in den Verkehrs- namen sind Drosselfels oder auch Trosselfels, Mar- wegebau und in den Betonbau. chinger Kalkstein und Donaukalkstein.

655 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.9-10: Blick auf den größten und ältesten Steinbruch zur Gewinnung von Solnhofener Plattenkalken auf der Langen- altheimer Haardt, westlich von Solnhofen (Foto 2010).

Ein schönes Verwendungsbeispiel aus jüngster Zeit bie- 20 cm Dicke absondern (Abb. 5.9-3, -9 und -12 B). Die tet der 2010/11 errichtete Geschäfts- und Bürokomplex Steinhauer sprechen bei Schichtstärken von 1–10 cm des sog. Quartiers Unterlinden am Fahnenbergplatz in von „Plattenkalk“ und von 0,5–1 cm von „Schiefer“. Freiburg; Fassadenplatten aus Drosselfels-Marmor prä- Als „Flinze“ werden die harten Kalkplatten mit ebenen gen wesentlich das Erscheinungsbild dieses modernen Trennflächen bezeichnet, die dazwischen liegenden Baus (Abb. 5.9-7). Westlich von Kelheim wird bei Es- blättrigen Mergelkalke als „Fäulen“ (Fesefeld 1962). sing der rötlich schattierte Kelheimer Auerkalk gewon- Die Flinze weisen einen Kalkgehalt von 94–96 %

nen (Abb. 5.9-8). Beide sind in Struktur und Eigen- CaCO3, die Fäulen von 75–90 % CaCO3 und einen hö- schaften mit dem „Schopflocher Elfenbeinmarmor“ der heren Tongehalt auf4. Schwäbischen Alb vergleichbar (Kap. 4.26.3.4). Diese „Fäulen“ ermöglichen das leichte Ablösen der Platten im Abbau (Abb. 5.9-12). Horizontweise treten 5.9.3 Solnhofener Plattenkalk „krumme Lagen“ auf; dabei handelt es sich durch sub- (Solnhofener Kalkstein) aquatische Gleitung gefaltete Flinze. Die größten ge- nutzten Mächtigkeiten erreichen die Plattenkalke auf Bei Eichstätt, Langenaltheim und Solnhofen liegen die dem Hummelberg bei Solnhofen mit 25 m, sonst be- meisten Steinbrüche in den wegen ihrer Fossilfunde tragen die nutzbaren Mächtigkeiten in den Plattenkalk- weltbekannten Solnhofener Plattenkalken (Abb. 5.9‑10 steinbrüchen meist 10–20 m. Trennende, nicht nutz- und -11). Kleinere Abbaugebiete liegen bei Pfalzpaint, bare Horizonte sind die genannten krummen Lagen. Zandt und Painten. Im Ganzen zieht sich das Verbrei- Die einzelnen, für die Steinindustrie nutzbaren dünnen tungsgebiet der Plattenkalke der Frankenalb über fast Schichten tragen traditionelle Bezeichnungen, die 100 km Länge in West–Ost-Richtung hin. Den größ- auf ihre Dicke und Eigenschaften anspielen, wie z. B. ten Umfang hat der Plattenkalkabbau in den Gebieten „Dreipflasterstein-Lage“, „Rauhe Lage“, „Fünfviertel- Solnhofen und Eichstätt. Zölliger“. Eine ausführliche Darstellung des Aufbaus der Plattenkalklagerstätte im Gebiet um Eichstätt ist Die heute von der Natursteinindustrie genutzten La- bei Meyer & Schmidt-Kaler (1991) zu finden. gerstätten befinden sich stratigraphisch ausschließ- lich in den Oberen Schiefern bzw. den Oberen Soln- Weltweit bekannt sind diese Schichten – wie der Po- hofener Plattenkalken (zeta 2b in Abb. 5.9-4) (Meyer sidonienschiefer von Holzmaden in Baden-Württem- & Schmidt-Kaler 1991). Gehandelt werden diese berg (Kap 4.19) – wegen ihres Reichtums an gut er- Gesteine oft unter den Bezeichnungen Solnhofener haltenen Fossilien; am berühmtesten sind die Funde Natursteinplatten oder einfach „Solnhofener“. Bei des „Urweltvogels“ Archaeopteryx lithographica und diesen Plattenkalken, aufgrund ihrer gleichmäßigen Archaeopteryx bavarica. Ähnliche Plattenkalke wer- Spaltbarkeit auch als „Solnhofener Schiefer“ bezeich- den zeitweise in einem allerdings sehr viel kleineren net, handelt es sich um reine, dichte und harte Kalk- steine von hellgelblich bis hellbräunlichgrauer Farbe, die in Schichten von wenigen Millimetern bis ca. 4 Internetseite: www.fossilien-online.de (Stand März 2012).

656 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk

Vorkommen bei Renquishausen im Landkreis Tuttlin- Nur 20–25 % des abgebauten Gesteins gehen, so gen abgebaut (Kap. 4.18.2). geprüft, in die Weiterverarbeitung. Noch im Stein- bruch werden die Platten dann mit speziellen For- Zusammensetzung: Korngrößen, Kornverzahnung und matierhämmern und Zangen auf die geforderten Porosität sind bei den Plattenkalken so gleichmäßig, Maße gebracht (Abb. 5.9-12 D). Dicke oder beson- dass sie sich selbst zum Steindruck eignen (s. Über- ders große Platten kommen zur Endbearbeitung in sicht); früher wurden sie daher auch als „lithogra- die Sägerei und Schleiferei. Wegen des für heutige phische Schiefer von Solnhofen“ bezeichnet. Die mi- Gewinnungsbetriebe ungewöhnlich hohen Anteils neralische Zusammensetzung besteht aus 94–95 % sorgfältiger händischer Arbeiten hat sich bei Soln- Calcit, 3–4 % Dolomit und 1–3 % Ton und Eisenhy- hofen das Handwerk der Hackstockmeister erhalten. droxiden. Als chemische Zusammensetzung konnten Es handelt sich hierbei um selbständige Kleinunter-

Dobner et al. (2002) ermitteln: SiO2: 1,32 %; Al2O3: nehmer, die auf eigene Kosten Platten abbauen, auf 0,36 %; Fe2O3: 0,35 %; MnO: 0,03 %; MgO: 0,82 %; Qualität prüfen und in vorbestellte Plattenformate

CaO: 53,85 %; K2O: 0,11 %; Glühverlust: 43,1 % (Mit- bringen (Abb. 5.9-11 und -12). Der Steinbruchbesit- telwerte aus 18 Proben). zer, von dem Teile des Bruches gepachtet sind, ver- pflichtet sich zur Abnahme bestimmter Mengen und Technische Eigenschaften: Plattenformate. (1) Nach Angaben des Natursteinlabors des BayGLA (heute Bay. LfU), Mittelwerte (Dobner et al. 2002): Jährlich werden, wie eingangs ausgeführt, rund Rohdichte: 2,58 ­g/­cm3; Reindichte: 2,69 ­g/­cm3; Poro- 300 000 m2 pro Jahr produziert, was etwa einer Ab- sität: 3,85 Vol.‑%; Wasseraufnahme unter Atmosphä- baumenge von 90–100 000 t entspricht; davon kön- rendruck: 1,44 M.‑%; Wasseraufnahme unter Vakuum: nen trotz schonender Gewinnung nur maximal 20 % 1,49 M.‑%; Sättigungswert/s-Wert: 0,96; Druckfe- als Natursteinplatten für den Verkauf verwendet wer- stigkeit: max. 181 MPa; Biegfestigkeit, einaxial: meist den (Dobner et al. 2002); die Produktionsmenge liegt 20–25 MPa (nach Industrieangaben); Biegefestigkeit, also etwa bei 15–20 000 t/a. biaxial: 22,0 MPa; Frostbeständigkeit: eingeschränkt, daher hauptsächlich im Innenbereich geeignet. Wärme- Als berühmte Bauwerke, bei denen Solnhofener Plat- leitfähigkeit: 2,3 W/K x m (nach Industrieangaben). ten verwendet wurden, werden der Stephansdom in

(2) Die Fa. Johann Stiegler, Solnhofen (www.stieg- ler.com und Prospektunterlagen), gibt für die Platten- kalke von Solnhofen an: Rohdichte: 2,7 ­g/cm­ 3; Druckfestigkeit: 215 MPa; Biege- zugfestigkeit: 28 MPa; Abriebfestigkeit: 14,0 cm3/50cm2; Wasseraufnahme (massebezogen): 1,3 %; Wärmeleitfä- higkeit: 2,3 W/m.

Gewinnung und Verwendung: Die Gewinnung und Formatierung der Plattenkalke erfolgt tradi- tionell – wie schon zu römischer Zeit – händisch (Abb. 5.9‑12). Für das Lösen der Platten wird tradi- tionell eine Spitzhacke, auch „Grubhaue“ bezeich- net, verwendet. Maschinen spielen zur Beseitigung des Abraums, zum Transport und natürlich bei der Erzeugung zugeschnittener Platten eine Rolle. Eine maschinelle Unterstützung bieten neuerdings kleine Radlader mit einer „tortenschaufelartigen“ Hebevor- richtung, mit der größere Platten abgehoben werden können (Abb. 5.9-12 B).

Die Solnhofener Natursteinindustrie beschreibt den Gewinnungsvorgang bei den Plattenkalken so5: „Nach dem Freilegen von geeigneten Schichten werden grö- ßere Plattenpakete vorsichtig mit Brechstangen und Spitzhacken herausgehebelt. Anschließend wird das Paket Lage für Lage in einzelne Platten aufgespaltet. Die erfahrenen Steinbrecher trennen dabei die für die Weiterverarbeitung geeigneten Platten mit sehr hohem Kalkanteil (die sog. Flinze) von den unbrauchbaren tonhaltigen Platten (sog. Fäulen). Anschließend wird jede einzelne Platte durch Anschlagen mit einem klei- nen Hammer auf versteckte Risse geprüft.“ Qualitativ hochwertige Platten erzeugen beim Abschlagen einen Abb. 5.9-11: Händische Gewinnung von Solnhofener Plat- tenkalken in einem Steinbruch nordwestlich von Eichstätt, hohen, klaren Ton. auch heute noch eine personalintensive Tätigkeit. Die Plat- ten werden in nur cm dicken Schichten abgehoben und so- fort in Formate und Größen sortiert (Foto 2009). 5 www.solnhofener-naturstein.de

657 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

(A) (C)

(B) (D)

Abb. 5.9-12: Gewinnung und Weiterverarbeitung von Plattenkalken im Steinbruch der Fa. Johann Stiegler in Solnhofen: (A) Lösen der Platten mit der „Grubhaue“ genannten Spitzhacke; (B) besonders dicke Platten werden mit einem kleinen Radlader mit tortenschaufelartiger Vorrichtung abgehoben; (C) Abnehmen von zu dünnen oder zu mergeligen Kalklagen, den sog. Fäulen, bis auf die kompakte Platte ausreichender Stärke mit Hammer und Meißel; (D) Zurichten der Platten in die gewünschten, mit Schablonen vorgezeichneten Formate durch den Hackstockmeister; als Werkzeug wird ein langstieliger Formatierhammer, der sog. Hackhammer, verwendet.

658 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.9 Juramarmor und Solnhofener Plattenkalk

Wien oder die Hagia Sophia in Istanbul (Bodenbelag aus dem 15. Jh.) genannt. Na- türlich wurden im weiten Umfeld der Abbaustätten zahlreiche Gebäude mitsamt ihren Dächern aus Platten- kalken errichtet; mit Plat- tenkalken gedeckte Dächer werden „Legschieferdächer“ bezeichnet. Die Solnhofener Plattenkalke werden heute fast ausschließlich als Wand- und Bodenplatten verkauft. Der früher wichtige Einsatz für die Lithographie oder zum Decken von Dächern ist fast ausgestorben (nur noch zur Renovierung).

Die angebotenen Stärken für Wandplatten liegen zumeist zwischen 7 und 9 mm, für Bo- Abb. 5.9-13: Nach Auftrag formatierte Solnhofener Platten verschiedener Schichtstär- denplatten zwischen 10 und ken für Boden- und Wandbeläge. 30 mm, Stufen und Abdeck- platten sind meist 30–50 mm stark (Abb. 5.9-13). Di- Bezugsmöglichkeiten von Produkten aus und Rohma- ckere Schichten werden aufgesägt und geschliffen. Die terial von Solnhofener Plattenkalken und Jura-Dick- Formate für quadratische Bodenplatten bewegen sich im bankkalken aus Gewinnungsbetrieben auf der Fränki- Dezimeterbereich bis max. etwa 60 x 60 cm, Polygonal- schen Alb (Beispiele): platten mit Naturkluftflächen können mehrere Quadrat- (1) Johann Stiegler KG, Frauenberger Weg 1, 91807 meter groß sein. Die Produktionsabfälle werden teilwei- Solnhofen, Internet: www.stiegler.com. (2) Fa. Georg se in der Zementindustrie oder beim nicht qualifizierten Bergér GmbH, Postfach 1116, 85065 Eichstätt, Gut Wegebau eingesetzt. Harthof, 85072 Eichstätt, Internet: www.berger-soln- hofener.de. (3) SSG Solnhofen Stone Group (Firmen Naturkundliche Museen: Vier großartige Museen infor- Solnhofener Aktienverein, Henle Plattenwerk, Gun- mieren über den Fossilreichtum, den Stand der palä- delsheimer Marmorwerk), Maxberg 1, 91807 Soln- ontologischen Erkenntnisse und über den Steindruck: hofen, Internet: www.gm-solnhofen.de. (4) ALSO Na- Das Jura-Museum auf der Willibaldsburg in Eichstätt, turstein GmbH (früher A. Schöpfel GmbH), Postweg das Bürgermeister-Müller-Museum im Rathaus von 4, 85132 Schernfeld bei Eichstätt, Internet: www. Solnhofen, das Museum Bergér in Eichstätt-Harthof juramarmor.com. (5) JUMA GmbH & Co. KG, Kipfen- sowie das Fossilien- und Steindruck-Museum in Gun- berger Str. 22, 85137 Walting-Gungolding, Internet: zenhausen, Sonnenstraße (Exponate aus dem ehema- www.juma.com. (6) Vereinigte Marmorwerke Kaldorf ligen Museum auf dem Maxberg). Zahlreiche Buch- GmbH, Auweg 6, 85135 Kaldorf, Internet: www. publikationen befassen sich mit dem Fossilreichtum vm-kaldorf.de. (7) Franken-Schotter GmbH & Co. der Schichten um Solnhofen und Eichstätt, z. B. Kuhn KG, Hungerbachtal 1, 91757 Treuchtlingen-Dietfurt; (1966), Mayr (1967), Leich (1968), Barthel (1978), Internet: www.franken-schotter.de. (8) Grünsfelder Meyer & Schmidt-Kaler (1990, 1991). Rund 650 Tier- Naturstein GmbH & Co., Leuchtenbergstr. 31, 97947 und 25 Pflanzenarten wurden in den Solnhofener Plat- Neustadt an der Donau, Internet: www.scheuermann- tenkalken identifiziert. naturstein.de.

Kurzfassung: Im zwischen Treuchtlingen und Eich- kalke gewonnen. Die Dickbankkalke, wegen ihrer stätt gelegenen größten deutschen Revier von Na- guten Polierfähigkeit als „Juramarmor“ bezeichnet, turwerksteinbrüchen werden aus den Schichten des werden mit moderner Technik aus etwa 30–35 m Oberjuras einerseits Dickbankkalke und andererseits mächtigen Lagerstätten gelöst und überwiegend zu Solnhofener Plattenkalke gewonnen. Diese sehr polierten Platten für Bodenbeläge, Wand- und Fas- gleichkörnigen, ebenschichtigen Kalksteine entstan- sadenverkleidungen und Treppenanlagen verarbei- den in besonders ruhigen, durch Barren vom offenen tet. Die in einer Mächtigkeit von 10–25 m genutzten Meer abgetrennten Wannen, was vor allem bei den Solnhofener Plattenkalke werden heute noch fast Solnhofener „Schiefern“ zur ungewöhnlich guten Er- ausschließlich händisch abgebaut und von einem haltung von Fossilien beigetragen hat. Noch um 1965 „Hackstockmeister“ zu den gewünschten Formaten waren 176 meist kleine Betriebe mit der Gewinnung verarbeitet. Verwendet werden sie heute fast aus- und Verarbeitung von Solnhofener Plattenkalken be- schließlich als Wand- und Bodenplatten; der früher fasst. Heute sind insgesamt 35 Jurasteinbrüche in so wichtige Einsatz im Steindruck (Lithographie) oder Betrieb; in 16 werden Plattenkalke, in 19 Dickbank- für den Hausbau ist Geschichte.

659 5.10 Ries-Suevit Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Gute Aufschlüsse existieren an der Altenbürg süd- 5.10 Ries-Suevit [Bayern und lich von Utzmemmingen in Baden-Württemberg so- Baden-Württemberg] wie in den bayerischen Steinbrüchen an der Aumühle nordwestlich von Oettingen, südwestlich von Polsin- gen, bei Otting nördlich des Schlosses, südlich von – Wolfgang Werner – Amerdingen-Bollstadt und besonders nördlich von Seelbronn. Der Stbr. Seelbronn, in dem ein ca. 6 m Übersicht, Bezeichnung: Der Suevit des Nördlinger mächtiger, besonders kristallinreicher Suevit ansteht Ries wird auch als Schwabenstein, Nördlinger oder (Abb. 5.10-2), wird seit 1989 von der Fa. Schwenk Bayerischer Trass, Ries-Tuff oder Ries-Trass bezeich- zur Gewinnung von Trass betrieben; oft fallen beim net. Makroskopisch ähnelt der Suevit vulkanischen Abbau mit dem Bagger bis 1 m3 große Blöcke an, die Tuffbrekzien (Abb. 5.10-1 und -2), weshalb man ihn auch für Renovierungszwecke verwendet werden noch bis in die 1960er Jahre für ein vulkanisches Ge- können. Der Steinbruch Altenbürg lieferte vermut- stein hielt1. Der Begriff „Suevit“ geht auf Adolf Sau- lich das meiste Baumaterial für die St. Georgskirche er zurück, der das ungewöhnliche Gestein nach dem in Nördlingen, das Rathaus und die noch fast voll- lateinischen Wort für den Volksstamm der Schwaben ständig erhaltene Stadtmauer. Im heute als Geotop Suevia benannte. Nach Sachs (2009, 2011) erschien ausgewiesenen Steinbruch Altenbürg grenzt ge- die Bezeichnung Suevit erstmals 1919 in einem Be- schichteter Suevit an Bank- und Massenkalke des gleitwort von Adolf Sauer zur Geognostischen Spe- Oberjuras (Abb. 5.10-5). Der von der Fa. Märker zur zialkarte von Württemberg, Blatt Bopfingen, sowie Trassgewinnung betriebene Steinbruch bei Otting ist

auf der zugehörigen Legende der Karte als „Suevit durch den Nachweis der SiO2-Hochdruckmodifikation (vulk. Tuffe)“. Sauer hielt also wie seine Zeitgenossen den Suevit für ein vulkanisches Gestein, er erkann- te aber die ungewöhnliche Zusammensetzung des Gesteins, das er aus basischen Schmelzen ableitete, welche mit „granitisch-gneisartigem Material“ ver- mischt worden waren. Daher gab er ihm einen eige- nen Namen. Um 1900 wurde der „Tuffstein“ aus dem Ries auch als „Trachyttuff des bayerischen Rieses“ bezeichnet und als stabiler, gut zu bearbeitender Bau- stein angepriesen (Staub 1907). Es darf daher nicht verwundern, wenn z. B. in der Beschreibung2 zur Ju- gendstilkirche von Stuttgart-Gaisburg das einmalige ­Suevit-Ensemble aus mittelalterlichem Taufstein und moderner Kanzel (Abb. 5.10-11) als aus „Trachyt-Tuff“ erstellt beschrieben wird.

Heute steht der Begriff Suevit für alle Impaktite, die bei größeren Meteoriteneinschlägen auf der Erde entstan- den, welche genügend Energie besaßen, um Gesteine der Erdkruste aufzuschmelzen (Buchner & Schmieder 2009). Solche dem Nördlinger Suevit makroskopisch oft ähnlichen Gesteine treten z. B. in Westfrankreich, Schweden, Finnland, Norwegen, Russland, den USA und Kanada auf. Zu den ältesten gehören der Suevit von Rochechouart in Westfrankreich mit einem Alter von ca. 200 Mio. Jahren und der des Manicouagan- Kraters in Quebec mit 215 Mio. Jahren (vgl. Buchner & Schmieder 2009).

Die meisten Vorkommen von Ries-Suevit liegen auf Bayerischem Staatsgebiet, doch westlich und süd- westlich von Nördlingen, Richtung Bopfingen und Neresheim, treten Suevitvorkommen auch auf baden- württembergischem Territorium auf. Die Karte der Abb. 5.10-1: Der Ries-Suevit, ein durch den Einschlag eines Abb. 5.10-3 zeigt, dass vor allem im nördlichen Vor- Meteoriten vor rd. 14,5 Mio. Jahren entstandenes, durch land von Oettingen und südwestlich von Nördlingen Gesteinsglas verkittetes Gestein. Dieses Impaktgestein zahlreiche kleine Suevitvorkommen bekannt sind; grö- wurde früher häufig als Bau- und Werkstein verwendet, heu- ßere Vorkommen befinden sich auf den Bunten Trüm- te ist es wegen seiner auf den hohen Glasanteil zurückzu- mermassen am Südrand des Rieskraters. führenden Puzzolanität als Rohstoff für die Portlandzement- Industrie gefragt. Die zahlreichen Einschlüsse bestehen zum einen aus Fetzen von schwarzem Glas (sog. Flädle), zum 1 Umfangreiche Information über Gestein, aktuelle Auf- anderen aus Grundgebirgsbruchstücken. Mit bloßem Auge schlüsse und geologische Entstehung sind z. B. unter erkennbar sind helle granitische Gesteine, dunkelgrüne Am- www.geopark-ries.de zu finden. phibolite sowie rötlichbraune Metamorphite (größte, rund- 2 http://www.gaisburger-kirche.de/html/kirche.htm (Stand liche Komponente, Größe: 2 cm). Herkunft: Stbr. Aumühle Juni 2013) der Fa. Märker, NW von Oettingen.

660 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.10 Ries-Suevit

& Wagner 1969). Es handelt sich also um ein Im- paktgestein (Impaktit), das aus einer Glutwolke ent- standen ist. Der Wassergehalt der mesozoischen Ton- und Sandsteine, die unterhalb der Oberjura-Kalk- steine in großer Mächtigkeit anstanden, führte durch das schlagartige Verdampfen des Wassers zu einer ­„phreatomagmatischen Eruptionssäule“ (Baier 2012: 55), was nach Baier auch die Ignimbrit-ähnliche Struk- tur des Suevits erklärt.

Die silikatischen Gläser gehen nach seiner Überzeu- gung vor allem auf aufgeschmolzene, wasserreiche Sedimente zurück. Die festen und geschmolzenen Bestandteile kamen kurz nach den ausgeworfenen Bunten Trümmermassen innerhalb des Kraters und im Abb. 5.10-2: Varietät des Ries-Suevits aus dem in Betrieb Gebiet der südlichen Umrandung des Einschlagskra- befindlichen Steinbruch Seelbronn mit großen, hellen Kris- ters in heißem Zustand zur Ablagerung (Abb. 5.10-4). tallinkomponenten und schwarzen Glas-„Flädle“. Dieser Bruch dient der Fa. Schwenk Zement vor allem zur Gewin- Hüttner (1977) stellte fest, dass der Suevit zahlreiche nung von Trass für die Herstellung von Puzzolanzementen; isolierte Körper mit 10 m bis mehrere 100 m Ausdeh- große Blöcke werden zur Renovierung historischer Bauten nung und mit Mächtigkeiten meist zwischen 10 und verwendet. 30 m bildet. Hierbei handelt es sich um Erosionsreste, die meist in kleinen Senken erhalten blieben. Die ur- Coesit durch Chao et al. (1960) und den Besuch der sprüngliche Mächtigkeit des Suevits war sicher deut- US-Astronauten im Jahr 1970 berühmt geworden; licher höher; Bohrungen im Krater wiesen nach, dass die hier entnommenen Proben lieferten den Beweis, der Suevit unterhalb der Seesedimente Mächtigkeiten dass der Rieskrater nicht vulkanischen Ursprungs bis 400 m erreicht (Villinger 2011). Die Verbreitung ist, sondern durch einen Meteoritenimpakt entstan- der Erosionsreste von Suevit an der Oberfläche ist in den ist. Im alten Steinbruch bei Bissingen-Ober- Abb. 5.10-3 dargestellt. ringingen (Abb. 5.10-6), südlich des Kraterrands, sind die fast orthogonalen Kluftmuster zu erkennen, die in den nur wenige Me- ter mächtigen Suevitabla- gerungen die Gewinnung von Werksteinquadern er- möglichten. Der Bruch an der Aumühle (Abb. 5.10-7) bei Oettingen, nahe der Straße nach Westheim, wird heute noch von der Fa. Märker zur Trassge- winnung genutzt. Als Teil eines Geotoplehrpfades bietet er gut erläuterte Ein- blicke in die Erdgeschichte des Rieses.

Entstehung: Der Ries- Suevit geht auf den Ein- schlag eines mehrere Hun- dert Meter, vielleicht sogar 1 km großen Meteoriten im mittleren Miozän und die dabei entstandenen stark erhitzten Gesteins- bruchstücke aus dem beim Einschlag zertrümmerten Deck- und Grundgebirge zu- rück (Abb. 5.10-4). Radio- metrische Altersdatierun- gen lieferten Alterszahlen, die überwiegend zwischen Abb. 5-10-3: Übersichtskarte mit Darstellung der Ausdehnung des Nördlinger Rieskraters 14,4 und 14,8 Mio. Jah- mit Verbreitung von Suevit-Vorkommen und Bunten Riestrümmermassen außerhalb des ren schwanken (­Buchner & Kraters (nach: Hüttner 1977, verändert). Eingetragen sind wichtige, im Text erwähnte Schmieder 2009, G­entner Steinbrüche: (1) Altenbürg, (2) Seelbronn, (3) Otting, (4) Aumühle.

661 5.10 Ries-Suevit Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Abb. 5.10-4: Modell zur Entstehung des Ries-Suevits (Rückfall- und Auswurfssuevit) nach dem Kollaps der durch den Ein- schlag entstandenen Glutwolke (nach: Erläuterungstafel von D. Stöffler et al. am Geopark-Wanderweg, Station bei den Ofnethöhlen am Riegelberg, verändert).

Gesteinsbeschreibung: Es handelt sich beim Su- feinkörnigen Grundmasse auf. Besonders auffallend evit um eine mäßig verfestigte, aber zähe, graue sind die bis handtellergroßen, schwarzen Glasfla- bis braungraue, tuffartige und glasreiche polymikte den (Abb. 5.10-2). Der mit bloßem Auge erkennba- Brekzie. Erkennbar sind vor allem Kristallinbruch- re Glasanteil liegt bei durchschnittlich etwa 15 % stücke, seltener Sedimentgesteine (Abb. 5.10-1 (Poschlod 1990). Mikroskopisch lässt sich oftmals und -2); im Stbr. Seelbronn erreichen die Kristallin- ein Glasanteil von über 50 % nachweisen (Weinig in: bruchstücke 20 cm Größe, meist liegen sie im mm- Dobner et al.1987). Komponenten (incl. Glasfladen), bis cm-Bereich. Die Bestandteile der mesozoischen feinkörniges bis dichtes Bindemittel und Porenraum Sedimentgesteine, die das kristalline Grundgebirge machen jeweils ein Drittel in der Gesteinszusammen- ursprünglich überlagerten, treten vornehmlich in der setzung aus. Der Suevit liegt überwiegend direkt den Bunten Trümmermassen auf. Besonders gute Aufschlüsse, die Einblicke in frisches Gestein und in die Verbandsverhältnisse erlauben, existieren durch die betriebenen Steinbrüche Seelbronn und Aumühle (Abb. 5.10-7).

Technische Eigenschaften des in der Zusammenset- zung stark schwankenden Impaktgesteins nach An- gaben von Poschlod (1990) und unveröff. Laborbe- richten von K. Poschlod (Naturwerksteinlabor der LfU Bayern): Rohdichte: 1,55–1,95 g/cm3; Reindichte: 2,56– 2,6 ­g/­ cm­ 3; Porosität: 15–40 Vol.‑%; Wasseraufnahme unter Atmosphärendruck: 8–22 M.‑%; Wasserauf­ nahme unter Vakuum: 10–26 M.‑%; Sättigungsgrad/ s-Wert: 0,7–0,84; Druckfestigkeit: bis max. 40 MPa. Die Witterungsbeständigkeit des Gesteins ist gut, wenn es nicht dauernder oder häufiger Durchfeuch- tung ausgesetzt wird. Liebl & Heuschkel (2009) er- mittelten, dass das hochporöse, bruchfrische Gestein Abb. 5.10-5: Suevit-Steinbruch Altenbürg südlich von ein spez. Gewicht von 1,86–1,90 ­g/­cm3, nach dem Utzmemmingen (Baden-Württemberg); der Suevit grenzt Trocknen aber nur noch 1,51–1,56 ­g/­cm3 aufweist. an gebankte Oberjura-Kalksteine (Lacunosa-Mergel). Aus diesem Steinbruch soll im 15./16. Jh. viel Baumaterial für Die Granite und Gneise des Grundgebirges, die in den Nördlingen, z. B. für die St. Georgskirche, gewonnen wor- zahlreichen Komponenten zu finden sind, weisen ein den sein. Der Steinbruch ist heute ein viel besuchtes Geo- spez. Gewicht von 2,9–3,0 ­g/­cm3 auf. top (Foto 2010).

662 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.10 Ries-Suevit

Abb. 5.10-6: Alter Suevit-Steinbruch bei Oberringingen, Abb. 5.10-7: In Betrieb befindlicher Suevit-Trass-Steinbruch Wandhöhe ca. 3 m (Foto 1997). an der Aumühle bei Oettingen (Foto 2010). Der komponen- tenreiche, graue Suevit überlagert die hier vor allem aus tonigen Gesteinen bestehende Bunte Brekzie. Dicke der zum Steinbruch hin einfallenden, nicht abgebauten Suevit- schicht: ca. 2 m.

(A) (B)

Abb. 5.10-8: Die im Zeitraum 1427–1505 errichtete St. Georgskirche in Nördlingen, bekanntestes Beispiel für die Verwen- dung von Suevit als Bau- und Werkstein: (A) St. Georg mit dem Kirchturm „Daniel“; (B) Portalgewände und Mauer aus Suevit, bauzeitliche und renovierte Elemente.

663 5.10 Ries-Suevit Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

des Trasszements erreicht der Beton höhere Elastizität, geringere Rissanfälligkeit und Wasserdurchlässigkeit sowie höhere Stabilität gegenüber Säuren und Umweltschad- stoffen (Liebl & Heuschkel 2009).

Suevitmächtigkeiten ab etwa 6–7 m sind heute für die Ze- mentindustrie wirtschaftlich interessant. Abgebaut wird der Suevit derzeit als Trass- rohstoff für die Portlandze- mentherstellung noch in den Steinbrüchen Aumühle bei Oettingen bzw. Hainsfarth und bei Otting (Märker Ze- ment, Harburg) sowie bei Seelbronn (Schwenk Zement, Ulm). Im Stbr. Seelbronn, am südwestlichen Riesrand und ca. 1,5 km südlich von Abb. 5.10-9: Aus Suevitquadern errichtetes Portal zum Eisenbahnbundesamt in Mün- chen, Außenstelle, Arnulfstr. 9–11 (Foto 2009). Aufhausen gelegen, werden auch gelegentlich Blöcke für die Naturwerksteinbearbei- tung, vorrangig für Restaurie- rungszwecke, gewonnen. Ein umfangreiches Erkundungs- bohrprogramm wurde vom damaligen Bayerischen Geo- logischen Landesamt (heute Landesamt für Umwelt) in den Jahren 1996/1997 auf noch nicht erschlossene Suevit- vorkommen im Ries durchge- führt. Die Suevitvorkommen auf baden-württembergischer Seite sind Gegenstand der laufenden Erkundungsarbei- ten des LGRB für die KMR 50, Blatt L 7128 Nördlingen.

Verwendung als Naturwerk- stein: Der Suevit war lange Zeit ein geschätzter, weil leicht zu gewinnender und zu bearbeitender Baustein. Abb. 5.10-10: Reich ornamentiertes Portalgewände am ehemaligen Reichsbankgebäude Dies führte zur Anlage vieler in Esslingen a. N., errichtet 1909 aus Ries-Suevit (Foto 2010). Steinbrüche und somit zur Schaffung wichtiger Auf- schlüsse für die Erforschung Verwendung: Das industrielle Interesse an diesem zu des Rieses. Die ersten waren wieder die Römer. Sie den Trassrohstoffen zählenden Gestein liegt derzeit verwendeten das Gestein für das Kastell in Munnigen ausschließlich im Bereich der Zementindustrie, da (Paa 2009). Das berühmteste Bauwerk aus diesem sich der Suevit zur Herstellung von Puzzolan-Zemen- exotischen Material ist die im Zeitraum 1427–1505 ten eignet. Diese Eigenschaften wurden schon 1784 errichtete gotische St. Georgskirche in Nördlingen vom Ingenieur Carl von Caspers für den Festungs- (Abb. 5.10-8). Weitere Bauwerksbeispiele sind das bau in Ingolstadt entdeckt (Liebl & Heuschkel 2009). Rathaus sowie die Tortürme und Wehrmauern in Die Firmen Schwenk und Märker bauen den Suevit Nördlingen, der Bergfried der Burg Hohentrüdingen noch heute als Zementzuschlagstoff ab. Durch das (12. Jh.), die Stauferburg Niederhaus bei Hürnheim in den Glaskomponenten (Fladen) enthaltene, leicht (12. Jh.), die Schlösser in Dillingen, Dischingen, Har- reaktive Siliziumoxid, kann der gemahlene Trass mit burg und Höchstädt, Schloss und Kirche in Reimlin- Kalk wasserbeständige Zementverbindungen einge- gen, die in der Mitte des 12. Jh. erbaute romanische hen. Durch das langsame und gleichmäßige Abbinden Klosterkirche in Heidenheim (Lkr. Weißenburg-Gun-

664 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.10 Ries-Suevit

zenhausen, Mittelfranken), die St. Martinskirche in Ornamentstein wurde der Impaktit verwendet, wie Deinigen (14. Jh.), Kloster und Kirche in Kaisheim am Taufstein der Dreifaltigkeitskirche in Haunstein (Grimm 1990, Mattmüller 1994, Paa 2009), Verwal- oder den Portalen der St. Georgskirche zu sehen ist tungsbauten in Augsburg und München, das Deut- (Abb. 5.10-8 B). Besonders bemerkenswert ist das sche Museum und das Bundesbahn-Zentralamt in Ensemble von Altar, Kanzel und Taufstein aus Sue- München (Abb. 5.10-9). Im 18. Jh. wurde der Suevit vit in der evangelischen Kirche in Stuttgart-Gaisburg, wegen seiner Feuerbeständigkeit auch für den Bau Faberstraße 17 (Abb. 5.10-11), das zwischen 1911 von Backöfen verwendet (Sachs 2011). und 1913 entstanden ist (Paa 2009). Der in das En- semble integrierte Taufstein stammt aus der Zeit vor Weniger bekannt ist, dass für das alte Reichsbank- 1584 (http://www.ev-ki-stu.de/gemeinden/stuttgart- gebäude in Esslingen a. N. – ein zweigeschossiger mitte/gaisburg/). Walmdachbau von 1909 – ebenfalls Suevit aus dem Nördlinger Ries verwendet wurde (Abb. 5.10‑10). Weil der Suevit heute zur Trasszementherstellung In der Denkmaltopographie der Bundesrepublik mittels Sprengung gewonnen wird, ist die Verwen- Deutschland (Kulturdenkmale in Baden-Württem- dung des Gesteins als Werkstein aufgrund der meist berg, Band I.2.1, 207 f.) ist zu finden: „Der blockhaft geringen Größe rissfreier Blöcke schwierig. Der Sue- wirkende Bau vermittelt nicht zuletzt durch die ro- vit wird daher künftig wohl hauptsächlich für Reno- buste Tuffsteinverkleidung der Schauseiten den für vierungen des historischen Gebäudebestandes und Bankgebäude wünschenswerten Eindruck von Soli- nicht für neue Bauten nachgefragt sein. Für diesen dität, Dauerhaftigkeit und Verlässlichkeit“. Auch als Zweck darf er nur mittels engständigem Bohren und Keilen oder Seilsägen bzw. Schrämen gewonnen werden.

Aufgrund des oberflächennahen Auftretens und der gut schneidfähigen Beschaffenheit des Suevits soll- te es aber unter Verwendung der Erkundungsdaten des früheren Bayerischen Geologischen Landesamts (heute LfU Bayern) leicht möglich sein, einen eige- nen kleinen Steinbruch für Renovierungszwecke zu eröffnen.

Hinweis: Über die Bezugsmöglichkeit und aktuelle Nutzung von Suevit als Werksteinmaterial sind In- formationen bei der St. Georgs-Bauhütte Nördlingen Michael Scherbaum GmbH, Industriestr. 10, 86720 Nördlingen zu erhalten.

Kurzfassung: Der Ries-Suevit, bis 1960 für ein vulkanisches Gestein gehalten und von der Na- tursteinindustrie als „Trachyttuff“ vertrieben, ist ein vor ca. 14,5 Mio. Jahren beim Einschlag eines großen Meteoriten entstandenes, polymiktes Ge- stein aus Kristallin- und Sedimentgesteinsbruch- stücken, die durch eine poröse Gesteinsglasmat- rix verkittet werden. Charakteristisches Merkmal sind die schwarzen, mm bis mehrere cm großen Glasfladen. Der Suevit aus dem Nördlinger Ries ist heute namensgebend für alle ähnlichen Impaktge- steine weltweit. Während der auch als Ries-Trass bezeichnete Suevit wegen seines hohen Glasan- teils derzeit fast ausschließlich als Puzzolan-Roh- stoff für die Zementindustrie verwendet wird, war er vor allem in Mittelalter und früher Neuzeit ein wichtiger Bau- und Werkstein; eine Renaissance erlebte er als Werkstein im frühen 20. Jahrhundert, wie zahlreiche Jugendstil- oder neoklassizistische Abb. 5.10-11: Taufstein, Kanzel und Altar aus Suevit in der Bauwerke belegen. Zu Renovierungszwecken kann ev. Kirche von Stuttgart-Gaisburg, Faberstraße 17. Die im der Ries-Suevit aus einem der Steinbrüche der Ze- Jugendstil um 1911–1913 errichtete Kirche weist ein be- mentindustrie oder durch Neuaufschluss in einem merkenswertes Ensemble von mittelalterlichem Taufstein der zahlreich nachgewiesenen kleinen Vorkommen und modernem Altar und Kanzel aus Suevit (fälschlich als im und um das Ries gewonnen werden. Trachyttuff bezeichnet) auf.

665 5.11 Schwarzachtobler Quarzsandstein Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

5.11 Schwarzachtobler Quarzsandstein [Österreich, Vorarlberg]

– Wolfgang Werner –

Übersicht: Der südöstlich von Bregenz abgebau- te Schwarzachtobler Quarzsandstein ist der einzi- ge derzeit gewonnene Werksandstein Österreichs (Abb. 5.11-1). Er gehört in die Gruppe der Molasse- sandsteine, die im nachfolgenden Kapitel an den bis- lang bekannteren Beispielen aus Rorschach am Bo- densee und Bollingen am Zürichsee näher erläutert werden. Der Schwarzachtobler Molassesandstein kann für die Erhaltung denkmalgeschützter, aus Mo- lassesandstein errichteter Bauten auch in Deutsch- land an Bedeutung gewinnen, weil er besonders wit- terungsbeständig ist. Für Neubauten wird er aktuell besonders in Form von Bodenplatten im Innen- und Außenbereich nachgefragt, was seinen Abbau wie- der lohnend macht.

Exkurs: Auf dem Sektor der Naturwerksteine ist Ös- terreich ansonsten besonders für seine zahlreichen Granite (Nieder- und Oberösterreich), Marmore und werksteinfähigen Metamorphite bekannt, die hier Abb. 5.11-1: Molassesandstein aus dem Steinbruch am nicht besprochen werden können. Für moderne Bau- Schwarzachtobel, Bregenzerwald; auf den Schichtflächen werke werden seit Jahrzehnten besonders die vielen treten bisweilen inkohlte, miozänzeitliche Pflanzenreste auf. verschiedenen Marmore (Sölker, Wachauer, Adne- Kurze Bildseite entspricht 20 cm. ter, Schwarzenseer, St. Margarethener und Unters- berger Marmor, Rauchkristall) sowie Serpentinite, Chloritschiefer und Diabase aus Kärnten und Tirol (Dorfergrün, Tauerngrün usw.) verwendet. Ein schö- nes Beispiel für einen echten Marmor, also einen bei der Gebirgsbildung umgewandelten Kalkstein, zeigt Abb. 5.11-2 aus einem Steinbruch bei Sölk, Steier- mark. Wie in Kap. 1.3.5.2 beschrieben, betreibt die Fa. Lauster Steinbau, Stuttgart, mehrere Steinbrü- che in metamorphen Gesteinen der österreichischen Zentralalpen. Nähere Informationen zu alpinen Na- turwerksteinen bietet die Vereinigung Österreichi- scher Natursteinwerke1.

Gesteinsbeschreibung, technische Eigenschaften: Beim Schwarzachtobler Quarzsandstein (Abb. 5.11‑1) handelt es sich nach dem Prüfzeugnis (4.6.2010) der Prüf- und Überwachungsgesellschaft Arbeitsgemein- schaft ARP/ECV aus Leoben um einen mittelgrauen, gut sortierten und sehr homogenen Feinsandstein der oberoligozänen Bausteinschichten. Vorherrschende Minerale sind Quarz, Karbonate (Fossilbruchstücke) und Feldspäte in einem dichten Karbonatzement. Hellglimmer und Glaukonit sind selten, akzessorisch treten die Schwerminerale Granat, Zirkon und Turma- lin auf. Der Quarzgehalt beträgt 57 %. Die Korngröße liegt durchweg unter 0,3 mm. Wegen seiner guten Kornbindung und Gleichmäßigkeit im Aufbau ist er polierfähig („matt polierfähig“). Bemerkenswert sind die hohe Druckfestigkeit von über 240 MPa und die sehr geringe Wasseraufnahme von unter 0,4 %.

Abb. 5.11-2: Der intensiv verfaltete Sölker Marmor (Steier- 1 Internetseite: http://www.naturstein.at/natursteine/ mark) als weiteres Beispiel für die Vielfalt der Naturwerk- schwarzachtobler-quarzsandstein.htm steinvorkommen Österreichs (Foto 2005).

666 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.11 Schwarzachtobler Quarzsandstein

Technische Eigenschaften nach Angabe der Fa. ABSW Rheintal- stein GmbH gemäß Prüf- und Über- wachungsgesellschaft Arbeits­ ge­ ­ meinschaft ARP/ECV, Leoben: Rohdichte: 2,65 ­g/­cm³; Rein­dich­ te: 2,77 ­g/­cm³; Porosität: 4,38%; Wasseraufnahme: 0,37%; Druck- festigkeit: 244,8 MPa; Biegezugfes­ tigkeit: 15,6 MPa; Verschleißwert: 5,89 cm³/50cm²; Frost­be­stän­dig­ keit: Ja, Tausalzbeständigkeit: Ja.

Gewinnung, Verwendung: Der Schwarzachtobler Quarz­ sandstein war über Jahrhun- derte hinweg vor allem im Zusammenhang mit der Er- zeugung von Schleifsteinen berühmt, die auch nach Über- see geliefert wurden. Der Abbau ist seit dem 17. Jh. belegt. Nach Angaben der Betreiberfirma Rheintalstein2 in Schwarzach wurde der Abbau in den verfalteten Schichten der Molasse im Bereich des Schwarzach­ tobels und die Verarbeitung der Feinsandsteine von sog. Steinbauern vorgenommen: „Schwarzacher Naturwetz- steine waren ein gefragtes Qualitätsprodukt, das bereits Anfang 1800 bis nach Frank- reich, den Niederlanden, Preußen und Sachsen ver- kauft wurde. Mit der Erfin- dung des Schleifzirkels durch den Schwarzacher Mühlen­ Abb. 5.11-3: Abbau von Schwarzachtobler Molassesandstein (2011) im Steinbruch der bauer Gebhard Dietrich wur- Fa. Rheintal-Stein im Bregenzerwald. Die beiden mit 40° einfallenden Sandsteinlager de der Erzeugungsprozess werden engständig abgebohrt. Das Lösen der Blöcke erfolgt durch in die Bohrlöcher durch das Unternehmen Troll, eingegebene Quellzemente und damit auf eine besonders schonende Art. Hefel & Cie. entscheidend mechanisiert und somit die Produktion wesentlich erhöht. Allmählich gewann der Ex- port auch zunehmend an Bedeutung. Im besten Ge- schäftsjahr 1926/27 wur- den 1,62 Millionen Stück Wetzsteine produziert. Ne- ben Ös­terreich, Deutschland, Un­garn, Jugoslawien, Rumä- nien, Frankreich und Italien fanden die Steine Absatz bis nach Persien, Süd- und Nord- amerika sowie Japan. Mit der aufkommenden Mecha- nisierung der Landwirtschaft und der vermehrten Erzeu- gung von Kunstwetzsteinen ging auch die Bedeutung der Schwarzacher Wetzsteine

Abb. 5.11-4: Mit hydraulischen Bohrlafetten werden die Sandsteinlager in zwei Rich- 2 Internetseite: http://www.rhein- tungen abgebohrt. Im Hintergrund die in den Bregenzerwald führende Talstraße am talstein.at/geschichte.html Schwarzach­tobel.

667 5.11 Schwarzachtobler Quarzsandstein Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

(A) (B)

Abb. 5.11-5: Typische Produkte für den Außenbereich aus Schwarzachtobler Molassesandstein: (A) Mauer­steine, Sichtflä- che bossiert; (B) schmale Verblendsteine, sog. Riemchen; Höhe der Riemchen: 3 cm.

allmählich zurück.“ Die Pfarrkirche Hl. Sebastian in viele historische Bauten in Vorarlberg aus diesem Schwarzach ist 1901/03 aus Molassesandsteinen Sandstein errichtet wurden und dieses Material auch der Bausteinschichten aus dem Schwarzachtobel er- für die Renovierung der sehr zahlreichen Bauwerke richtet worden. Um 1950 wurden die letzten Brüche rings um den Bodensee geeignet ist. am Schwarzachtobel aus Rentabilitätsgründen still- gelegt. Bezugsmöglichkeit: ABSW Rhein­talstein GmbH, Verwaltung: Schwefel 81, A-6850 Dornbirn, Inter- Im Jahr 2009 aber wurde aufgrund der gestiegenen net: www.rheintalstein.at; Steinbruch: Tobelstraße Nachfrage nach heimischem Natursteinmaterial ein 419, A-6858 Bildstein, Alte Schwarzachtobelstraße alter Bruch am Schwarzachtobel südlich von (Fahrtrichtung Alberschwende). Büro: ABSW Rhein- Schwarzach wiedereröffnet. Der Steinbruch befindet talstein GmbH, Hof­steigstr. 63, A-6858 Schwarz- sich östlich der Ortschaft Schwarzach, die zwischen ach, Internetseite (mit Angabe von Prüfzeugnissen): Bregenz und Dornbirn gelegen ist, an der Tobelstra- www.rheintalstein.at/natursteinhandel. ße (Abb. 5.11-4). Betreiber ist die Fa. Rheintalstein aus Dornbirn. Der Abbau konzentriert sich auf eine ­insgesamt­ 6 m mächtige Feinsandsteinschicht, die aus einem unteren 4 m mächtigen und einem direkt überlagernden 2 m mächtigen Lager besteht. Über- Kurzfassung: Der Schwarzachtobler Quarzsand- und unterlagert werden diese Lager von tonig-merge­ stein, benannt nach dem im Bregenzerwald nahe ­li­gen Schichten mit zahlrei­chen geringmächtigen Schwarzach gelegenen Wildbach, ist ein hellgrauer,­ Fein­sand­stein­bänken. Im Steinbruch fallen Lagen mit karbonatisch gebundener Molasse-Sandstein. inkohlten Pflanzenresten und sogar mit einzelnen Kennzeichnend sind seine sehr hohe Druckfestig- Baumstämmen auf, weiße und graue Quarzgerölle keit, geringe Wasseraufnahme und die für einen treten partienweise auf. Die Schichtenfolge fällt mit Sandstein ungewöhnliche Polierfähigkeit. Zwi- 30–45° nach SSW ein, weshalb die Gewinnung in schen dem 17. Jh. und der Mitte des 20. Jh. war einem steilen Hangabbau erfolgen muss (Abb. 5.11-3 dieser harte, sehr gleichmäßige Quarzfeinsandstein und -4). Gelöst werden die großen Rohblöcke (bis vor allem in Form von Schleifsteinen aller Art ein über 150 t) mittels engständigem Reihenbohren und Verkaufsschlager; die Produkte wurden bis nach Sprengen mittels Quellzement. Die mit schweren Nordamerika und Japan geliefert. Nach einem hal- Baggerfahrzeugen bewegten Blöcke werden dann ben Jahrhundert Stillstand wurde der alte Bruch vor Ort in 10–25 t schwere Blöcke zerteilt. am Schwarzachtobel mit seinem 6 m mächtigen, mit rd. 40° einfallenden Werksteinlager 2009 wie- Der Schwarzachtobler Sand­stein eignet sich als stra- der für die Werksteingewinnung reaktiviert, weil pazierfähiger, sehr gleichmäßiger Sandstein z. B. für die Nachfrage nach hochwertigem heimischem Mauersteine, Treppen, Küchenarbeitsplatten, Bo- Sandstein deutlich angestiegen ist. Beim Vorkom- denbeläge, Wandverkleidungen (Abb. 5.11-5), Ofen- men von Schwarzachtobler Quarzsandstein han- verkleidungen, Massivarbeiten wie Grab- und Denk- delt es sich um die einzige in Abbau befindliche male, Skulpturen usw. Wachsende Nachfrage ist aus Werksandsteinlagerstätte Österreichs. dem Bereich der Denkmalpflege zu erwarten, weil

668 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.12 Rorschacher und Bollinger Molassesandstein

5.12 Rorschacher und Bollinger Molassesand­stein [Schweiz, Kanton St. Gallen]

– Wolfgang Werner –

5.12.1 Übersicht

Die Molassesandsteine der Schweiz sind seit Jahrhun- derten bedeutende Bau- und Werksteine für die Schweiz und das deutsche Gebiet rings um den Bodensee. Meh- Abb. 5.12-2: Unweit des Bodensees gelegener Steinbruch rere traditionsreiche Firmen gewinnen diese gleichkörni- der Fa. Bärlocher im Rorschacher Molassesandstein (2010), gen, hell- bis mittelgrauen, z. T. grünlich oder bräunlich Kanton St. Gallen. Die mit ca. 20° zum See hin einfallenden getönten Feinsandsteine aus unterschiedlich gelagerten Sandsteinpakete der Oberen Meeresmolasse werden mittels Seilsäge in etwa 6 m hohe Segmente zerteilt und dann ent- Molasseschichten, wobei nicht selten die Anlage tiefer lang der Schichtung gespalten. Mit engständigem Bohren Steinbrüche erforderlich ist (Abb. 5.12-1 und -4). Seit und hydraulischem Keilen werden die Blöcke weiter zerteilt langem werden sie als Werk- und Ornamentsteine nach (s. Abb. 5.12-3 A). Südwestdeutschland eingeführt, seit über 1000 Jahren sind sie von großer Bedeutung bei der Errichtung und nennen. Beim Konstanzer Münster (Abb. 5.12-5 A–C) Erhaltung bedeutender Bauwerke vor allem sakraler Art. handelt es sich um eine 1089 geweihte, romanische, drei- schiffige Säulenbasilika. Der gotische Westturm stammt Als berühmte Beispiele für große Bauwerke oder Bau- aus dem 12. bis 15. Jahrhundert, die Seitenkapellen aus werksensemble aus Molassesandsteinen sind die seit dem 15. Jahrhundert, die neugotische Turmspitze aus dem Jahr 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören- dem 19. Jahrhundert (Abb. 5.12-5 A). Die aus jeweils den Klosteranlagen auf der Insel Reichenau, das Schloss 16 Säulen bestehenden Säulenreihen im Langschiff wur- Salem, die St. Nikolaus-Kirche in Friedrichshafen, das den im 11. Jahrhundert aufgerichtet; jede Säule wurde Konstanzer Münster und die Altstadt von Überlingen zu aus einem einzigen Block von Rorschacher Sandstein ge- fertigt. Auch die übrigen verbauten Gesteine stammen überwiegend aus dem Gebiet um Rorschach1.

Molassesedimente sind klastische Sedimente, die in ei- nem vorwiegend terrestrischen oder flachmarinen Mili- eu zur Ablagerung kamen. Diese Sedimente der alpinen Molasse entstanden im nördlichen Vorland der aufstei- genden Alpenkette (zur Gliederung der Molassesedimen- te vgl. Kap. 4.20). Ein guter Aufschluss im Molasse- sandstein auf der deutschen Seite des Bodensees ist im Stadtgarten von Überlingen zu finden (Abb. 4.20-15).

Von den vielen Vorkommen von fein- bis mittelkörnigen Sandsteinen der tertiärzeitlichen alpinen Molasse in der Schweiz sind hier besonders jene hervorzuheben, die bei Rorschach am Bodensee und Neuhaus am Zürichsee in Abbau stehen. Der Rorschacher Sandstein wird geolo- gisch der Oberen Meeresmolasse (Miozän) zugeordnet, der Bollinger Sandstein von Neuhaus u. U. der Unteren Süßwassermolasse (Oligozän–Miozän); letzterer wird in der Schweiz oft als „granitischer Sandstein“ bezeichnet. Diese hellgrauen bis grünlich grauen, meist fein- und gleichkörnigen, feldspatreichen Sandsteine sind seit vie- len Jahrhunderten für Bauzwecke und Bildhauerarbeiten sehr beliebt, da sie sich bruchfrisch sowohl vom Stein- metz als auch vom Bildhauer hervorragend bearbeiten lassen und durch anschließendes Aushärten an der Luft langfristige Stabilität erhalten. Abb. 5.12-1: Steinbruch im Bollinger Sandstein bei Neuhaus am oberen Zürichsee (Foto 2010). Die steil einfallenden Schichten der Unteren Süßwassermolasse erfordern eine 1 Mitteilung v. Münsterbaumeister A. Arnold. Die Mün- schachtartige Abbauweise. Nach Abschluss der Arbeiten in sterbauhütte Konstanz hat zur Außeninstandsetzung in einem Tagebau wird dieser mit Gesteinsmaterial wiederver- den 1960er Jahren vielfach Guntliweider Hartsandstein füllt. Im Schichtstreichen wird dann ein neuer Steinbruch (Molasse) eingesetzt, für den Turm wurden in den letzten angelegt, der durch große Blöcke oder eine schmale Feste Jahren aber vor allem Rorschacher und für besonders vom alten Bruch getrennt wird. exponierte Bereiche, wie die Turmplattform, Bollinger Sandstein verwendet (Abb. 5.12-5 B).

669 5.12 Rorschacher und Bollinger Molassesandstein Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

(A) (B)

Abb. 5.12-3: Rorschacher Sandstein in typischer parallelstreifiger Ausbildung und dem charakteristischen Farbwechsel ent- lang schichtungsparalleler Bewegungsbahnen: (A) Stapel von Rohblöcken, max. 0,8 m stark. (B) Detail einer Tranche; der Farbwechsel markiert mit Harnischen belegte Bewegungsbahnen, an denen die Rohblöcke plattenartig aufspalten.

Näher eingegangen wird nachfolgend auf die nah zu Alpenvorland, aus denen früher viele Bau- und Orna- Baden-Württemberg gelegenen Abbaugebiete bei Ror- mentsteine für zahlreiche bedeutende Bauten geliefert schach am Bodensee und bei Bollingen. Auf den Ber- wurden, sind seit langem stillgelegt (vgl. Kap. 4.20), ner Molassesandstein wird hingewiesen: Er wird bei wodurch den Steinbrüchen in der Schweizer Molasse Ostermundigen und Köniz-Gurten abgebaut, ist aktuell für den Erhalt historischer Bauten in Baden-Württem- für Renovierungen an deutschen Bauten aber weniger berg langfristig Bedeutung zukommt. bedeutsam. Es handelt sich um einen olivgrünen, grau- grünen bis blaugrünen Feinsandstein mit Korngrößen Noch um 1900 waren bei Rorschach und den Nachbar- zwischen 0,08 und 0,5 mm. Die detritischen Körner orten rund 40 Steinbrüche in Betrieb (Quervain 1969), bestehen aus 55–65% Quarz, 10–20% Feldspat, 20– in denen über 500 Arbeiter beschäftigt waren. Einer 25% Gesteinsbruchstücke und 2–4% Schwerminerali- der größten, heute noch produzierenden Betriebe ist die en. Weitere Informationen über die Naturwerksteine der 1890 gegründete Fa. Bärlocher mit derzeit rund 40 Be- Schweiz liefert das empfehlenswerte Buch „Die minera- schäftigten (2010), die in ihrem unmittelbar oberhalb lischen Rohstoffe der Schweiz“. des Werkes gelegenen Steinbruch in Buchen-Staad, am Ostausläufer einer Hügelkette südlich von Rorschach, 5.12.2 Rorschacher Sandstein entlang einer über 300 m langen Abbaufront den Sand- stein mittels Seilsägen und Loch-an-Loch-Bohrungen mit einem großen Bohrwagen löst (Abb. 5.12-2). Dieser fein- und gleichkörnige, hellgraue bis grünlichgraue, karbonatisch gebundene Molassesandstein wird bei Staad Nach Auskunft von Hans-Jakob Bärlocher werden und Rorschach (Kanton St. Gallen) am südlichen Boden- pro Jahr 12 000 bis 15 000 m3 Sandstein gelöst, wo- see seit dem Mittelalter abgebaut (Abb. 5.12‑2 und -3). von fast 95 % verwertbar sind. Der obere Abschnitt Das Gebiet galt lange als das „Carrara der Schweiz“. des im Steinbruch Bärlocher aufgeschlossenen Sand- Dieser Sandstein wird erdgeschichtlich in die untermio- steinlagers ist vor allem für Mauersteine verwendbar, zäne Obere Meeresmolasse gestellt und aufgrund seiner der mittlere für Bodenplatten, der untere liefert auch gleichmäßig plattigen bis dünnbankigen Beschaffenheit hochwertigen Bildhauerstein (Koch 2006). Große Be- auch als Plattensandstein bezeichnet (Quervain 1969, deutung hat neben der Erzeugung von Boden- und Schweiz. Geotech. Komm. 1997). Fassadenplatten die Produktsparte Garten- und Land- schaftsbau, für die vor allem Mauerplatten, bossierte Der Rorschacher Sandstein findet seit vielen Jahrzehn- Mauersteine, Treppenstufen, Brunnen, Gartenmöbel, ten Verwendung zur Renovierung historischer Bauten aber auch großformatige Platten und Blöcke (z. B. Uni- rund um den Bodensee und darüber hinaus. Als bedeu- versitätspark in Zürich) erzeugt werden. Aus dem Stein- tende Bauwerke Baden-Württembergs, die in den letzten bruch der Fa. Bärlocher können Platten in der Größe Jahrzehnten mit „Rorschacher“ renoviert wurden, sind von mehreren Quadratmetern geliefert werden (z. B. für nach Angaben der Betreiber z. B. das Konstanzer Müns- Sichtschutz oder Gebäudeverkleidungen), was mit der ter (Abb. 5.12-5 C) und das nahe gelegene Schnetztor geologischen Entstehung des Werksteinlagers zu tun (Stadtturm aus dem 14. Jh.), das Kloster Birnau bei hat (s. u.). Daneben werden großformatige Werkstein- Überlingen, die Stadtmauer in Überlingen, das Schloss blöcke für Ornamentsteine und Gebäuderenovierungen Salem und das Schloss Monfort (von 1863) in Langen- ausgeliefert. Als Verwendungsbeispiele für Rorschacher argen zu erwähnen. Die Brüche im oberschwäbischen Sandstein können die Kuppel des Bundeshauses in Bern,

670 Naturwerksteine aus Baden-Württemberg 5.12 Rorschacher und Bollinger Molassesandstein

das Gebäude der UBS-Bank in St. Gallen, die Kathedrale St. Gallen und die Parkanlage der DG-Bank in Hannover 5.12.3 Bollinger Sandstein genannt werden. Bei der Gesteinsbearbeitung anfallen- de Reststücke werden für Gabionen verwendet. Der Bollinger Sandstein, auch als Bollinger Hartsandstein bezeichnet, wird z. B. von den Firmen Müller in Neuhaus Geologie: Der Rorschacher Sandstein ist im Gegensatz und Kuster in Bollingen gewonnen; vergleichbare Mo- zum bei Überlingen aufgeschlossenen Molassesand- lassesandsteine baut die Firma J. & A. Kuster (Sitz in stein gleicher Zeitstellung (Kap. 4.20.4, Abb. 4.20-15) Bäch) auch in Guntliweid bei Nuolen und in Bäch ab. Der in einem ruhigen Ablagerungsmilieu unterhalb der Wel- Bollinger Molassesandstein vom Zürichsee ist ein homo- lenbasis abgelagert worden, wie die mächtigen und ho- gener, hellgrauer bis aschgrauer, bisweilen leicht grün- mogenen Sandsteinbänke mit feiner Parallelschichtung lich oder rötlich grauer, fein- bis mittelkörniger, selten belegen (Koch 2006). Die o. g. unterschiedliche Ver- grobkörniger, feldspatreicher Sandstein (Abb. 5.12‑4). wendbarkeit des Rorschacher Sandsteins geht nach den Im Vergleich zum Rorschacher ist er etwas gröber, ent- petrographischen Untersuchungen von R. Koch auf die hält mit dem bloßen Auge noch erkennbare weißliche Zunahme von in die Schichtung eingeregelten Glimmern bis hellrosa Feldspäte, weshalb er auch als „granitischer vom Liegenden zum Hangenden zurück. Daher zeigen Sandstein“ bezeichnet wird. Innerhalb der Werkstein- die jüngeren Sandsteinbänke ein ausgeprägtes schicht- bänke ist er strukturlos, also „massig“ ausgebildet. Er paralleles Aufspalten (Mauerstein- und Plattenqualität). wird stratigraphisch der Unteren Süßwassermolasse zu- Die Feinsandsteine sind von hellockerbraunen, schicht- geordnet (Alter Oligozän/Aquitan). parallelen Bändern durchzogen (Abb. 5.12-2 und -3). Das Gestein wird schon seit römischer Zeit genutzt. An- Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass die fang des 20. Jh. standen noch 40 Steinbrüche bei St. Schichtfugen bei der tektonischen Aufrichtung des Margarethen, bei Jona, Bollingen, Schmerikon, Neuhaus Gesteinsstapels in unregelmäßigen Abständen zu Har- und Uznaberg in Betrieb (Quervain 1969). Der aktuelle nischflächen mit gleichmäßigen Harnischstriemungen Abbau des Bollinger Sandsteins erfolgt auf dem bewal- umgebildet wurden. Entlang dieser Gleitflächen konnte deten Hügelzug zwischen Schmerikon und Eschenbach Schichtwasser eindringen und die im Gestein enthalte- nördlich des oberen Zürichsees. Die Fa. Müller2 in Neu- nen eisenhaltigen Minerale (Karbonate, Erze, Chlorit) zu haus am Zürichsee (nahe Rapperswil) baut den Bollinger Limonit oxidieren. Die klastischen, im Mittel zwischen Sandstein im Steinbruch Brand seit Generationen ab. 0,1 und 0,3 mm großen Körner bestehen überwiegend Genutzt wird hier eine 70° nach Norden einfallende, aus Quarz, untergeordnet Feldspat, Calcit und Dolo- etwa 20 m mächtige Sandsteinschicht, die durch ein mit. Das Bindemittel besteht aus feinkristallinem Calcit Zwischenmittel mit Tonlinsen in ein nördliches und ein und Tonmineralen. Die mit etwa 15–30° nach Norden, südliches Lager geteilt wird (Abb. 5.12-1). Der Abbau d. h. zum Bodensee hin einfallende Gesteinsschicht von erfolgt im Schachtabbauverfahren bis in eine Tiefe von Meeresmolasse-Sandsteinen ist zwischen 8 und 12 m fast 60 Metern. Darunter treten nach Auskunft des Be- mächtig, im Durchschnitt etwa 10 m. treibers zunehmend eisenhaltige Karbonatkonkretionen auf, die sich mit der Zeit braun fleckenartig verfärben Technische Eigenschaften (nach Quervain 1969, INSK und und daher am steinsichtigen Bauwerk ein unerwünsch- Callwey Steinkartei, K. Fuchs von 1998; weitere Daten siehe tes Bild abgeben können. www.baerlocher-natursteine.ch): 3 3 Rohdichte: 2,45–2,65 ­g/­cm ; Reindichte: 2,64–2,72 ­g/­cm ; Po- Nach einem Gutachten der Schweizerischen Geotechni- rosität, absolute: 4–8 Vol.‑%; Porosität, effektive: 3–5 Vol.‑% (nach Callwey 0,5–2,5 Vol.‑%); Wasseraufnahme: 1–2,5 %; schen Kommission (R. Kündig, 1991) handelt es sich bei Druckfestigkeit: 74 MPa (nach Callwey 30–180 MPa); Bieg- den klastischen Komponenten des Sandsteins vor allem zugfestigkeit: 6,9 MPa (nach Callwey 3–15 MPa); thermische um Quarz, Feldspäte und wenig Schichtsilikate. Der An- Dehnung: 0,2–0,8 mm/m bei 100 °C; Frostbeständigkeit: gut. teil ist wie folgt: Quarz: 35 %; rötlicher Kalifeldspat: 19 %; Plagioklas: 9 %; Chlorit: 3 %; Glimmer: 2 %; Erzminerale: 1 %. Das Bindemittel ist Kalkspat. Es handelt sich also um einen karbonatisch gebundenen Arkosesandstein. Der Sandstein enthält etwa 13 % Poren, die aber nur teil- weise miteinander in Verbindung stehen. Die klastischen Komponenten sind 0,05–0,6 mm groß und schlecht sor- tiert. Mangels schichtiger Einregelung der Minerale ist im Handstückbereich keine Bänderung erkennbar.

Technische Eigenschaften: (1) Vorkommen Neuhaus, Steinbruch Brand (nach INSK und Firmenangaben): Rohdichte: 2,4–2,5 ­g/­cm3; Porosität, absolute: 6–11 Vol.‑%; Porosität, scheinbare: 5,5–9 Vol.‑%; Wasseraufnahme: 2,2– 3,5 M.‑%; Druckfestigkeit: (A) Südliches Lager, senkrecht zur Schichtung: 109,5 MPa, parallel zur Schichtung: 92,6 MPa; (B) Nördliches Lager, senkrecht zur Schichtung: 87,2 MPa, parallel zur Schichtung 72,0 MPa; Biegezugfestigkeit 7,2–7,3 MPa. (2) Vorkommen Leholz, Gemeinde Johna (St. Gallen) (LPM AG Abb. 5.12-4: Bollinger Sandstein vom Zürichsee, ein fein- bis Baustoffprüfinstitut): mittelkörniger, homogener, massig wirkender, karbonatisch gebundener Arkosesandstein. Wegen seiner weißen Feldspat- 2 www.muellernatursteinwerk.ch, Adresse: Alte Uzna- körner wird er auch als „granitischer Sandstein“ bezeichnet. bergstrasse, CH-8732 Neuhaus

671 5.12 Rorschacher und Bollinger Molassesandstein Naturwerksteine aus Baden-Württemberg

Rohdichte: 2,38–2,44 ­g/­cm3; Porosität, absolute: 6–11 (A) Vol.‑%; Porosität, scheinbare: 5,5–9 Vol.‑%; Druckfestigkeit (Mittelwert): 69 +/- 8,7 MPa; Biegezugfestig- keit: 4,9 +/- 0,8 MPa; Frostbeständigkeit: hoch.

Die Druckfestigkeitswerte zeigen bereits, dass es sich um einen recht homogenen, fast massigen Sandstein mit guter calcitischer Kornbindung handelt. Die Schich- tung ist am Rohblock nur schwer zu erkennen, im Stein- bruch wird sie durch weitständige Lagerfugen und die gelegentliche Einschaltung von Mergellagen erkennbar (Abb. 5.12-1). Die Frostbeständigkeit ist in Bereichen ohne Staunässe gut. Feinkörnige Lagen zeigen wegen des etwas höheren Tongehalts etwas mehr Neigung zum hygrischen Quellen und somit zur Schalenbildung. Die La- ger weisen geringfügig unterschiedliche Zusammenset- zung und daher auch gesteinsphysikalische Eigenschaf- ten auf. Günstiger sind die etwas gröberen Sandsteine des nördlichen Lagers. Die in Abbau stehenden Sand- steinlager ermöglichen die Gewinnung von Rohblöcken von mehreren Kubikmetern Größe; die größten Blöcke erreichen 25 t Gewicht. Die besten, massigen Bänke sind frostbeständig, die feinporigen, kalkig gebundenen Sand- steine sind jedoch sulfatempfindlich (Quervain 1969).

Als Beispiele für die Verwendung von Bollinger Sand- stein sind zu nennen: Stiftskirche in Einsiedeln, Groß- münster und Frauenmünster in Zürich, Stiftskirche St. Gallen, Großbauten in Zürich besonders aus der Zeit von (B) 1860–1910. Als Beispiele für Neubauten, bei denen Mo- lassesandsteine aus dem Gebiet Neuhaus am Zürichsee verwendet wurde, sind nach Angaben der Fa. Gebr. Mül- ler (Neuhaus) das Forstamt in Radolfzell, das Vincentius Krankenhaus und die Gaststätte Central in Konstanz so- wie das Zollhaus in Ludwigshafen anzuführen. Heute wird der Bollinger Molassesandstein vor allem für Fassaden-, Boden- und Gartenplatten, Brunnen, Mauersteine, Innen- architektur, Tische, Kamine, aber auch für Säulen, Balust- raden, Figuren und vielfältige Ornamentsteine verwendet. (C) Bezugsmöglichkeiten: (1) Rorschacher Sandstein: Bär- locher Steinbruch und Steinhauerei AG, Postfach 13, CH-9422 Buchen-Staad, Internet: www.baerlocher- natursteine.ch. (2) Bollinger Sandstein / Bollinger Hartsandstein: Müller Natursteinwerk AG, Steinbruch- strasse 5, CH-8732 Neuhaus, Internet: www.mueller- natursteinwerk.ch.

Kurzfassung: Die hell- bis mittelgrauen, im frischen Zustand oft grünlichgrauen, feinkörnigen und rein karbonatisch gebundenen Molassesandsteine werden im Bodenseeraum seit über Tausend Jahren in gro- ßem Umfang verbaut. Weltberühmte Bauwerke oder Bauwerksensemble­ wie das Kloster Reichenau, das Konstanzer Münster, die Altstadt von Überlingen oder das Schloss in Salem sind aus diesem Gestein errich- tet worden. Während in Baden-Württemberg nirgends mehr Molassesandsteine gewonnen werden, werden in der Schweiz noch zahlreiche Steinbrüche in dieser For- Abb. 5.12-5: Das Konstanzer Münster, zwischen dem 11. und mation betrieben. Als Musterbeispiele werden in die- 19. Jh. vollständig aus Molassesandstein errichteter bedeu- sem Kapitel der (1) bankig–plattige Rorschacher Sand- tender Sakralbau am Bodensee: (A) Neogotische, im 19. Jh. stein der Oberen Meeresmolasse (Miozän) und der (2) aufgerichtete Turmspitze; (B) Brüstung der Turmplattform, neu Bollinger Sandstein von Neuhaus am Oberen Zürichsee erstellt aus Bollinger Molassesandstein; (C) der weiche, kar- der Unteren Süßwassermolasse (Oligozän–Miozän) bonatisch gebundene Molassesandstein macht seit Jahrhun- aufgeführt. Der Bollinger Sandstein wird wegen seiner derten Renovierungsmaßnahmen erforderlich: neue, noch helle Feldspatkörner und dem massigem Erscheinungsbild und alte, mit gelblichbrauner Patina überzogene Quader aus auch als „granitischer Sandstein“ bezeichnet. Rorschacher Sandstein an der Basis des Hauptturms, Südseite.

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