Diedrich Diederichsen Und Johanna Schaffer
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Diedrich Diederichsen, JS Was machst Du mit dem Begriff gehabt, sondern deutlich vorher, bereits konfrontiert war. Man war ja zu diesem Johanna Schaffer künstlerischer Forschung, was bringt er Ende der 1990er-Jahre an der Merz Zeitpunkt stark auf internationale Debat- Dir? Bringt er Dir überhaupt was? Akademie in Stuttgart. An dieser Hoch- ten zurückgeworfen, wie sie in Organi- Gespräch vom 29.1.2011 schule waren wir an der Durchsetzung sationen wie ELIA geführt wurden, und DD Auf zwei Ebenen habe ich zumin- einer bestimmten Theoriebeschäftigung musste sich, wenn man an Gelder und Das Gespräch ist Teil einer Reihe von dest mal gehofft, dass er mir was brin- und generell des Genres des Diskutie- Support kommen wollte, an dem Begriff Interviews, die Johanna Schaffer mit gen würde. Die eine Ebene betrifft das rens interessiert, an noch nicht zu Fak- von Artistic Research orientieren, den Projektpartner_innen des transdiszipli- ganz normale Geschäft der Kunstkri- ten Geronnenem, daran, dass es nicht es in Brüssel gab. nären Projektes »Troubling Research. tik und des Argumentierens über Kunst. nur um einen Table-of-Contents und Performing Knowledge in the Arts« Da haben diese neuen etikettartigen bereits konfektioniertes Wissen geht, JS Wann war das? der Akademie der bildenden Künste Begriffe womöglich den Vorteil, dass sie sondern darum, an der Herstellung Wien führte. Es wurde in englischer bestimmte Entwicklungsstände benenn- dieses Wissens selbst beteiligt zu sein. DD So um 2000 oder 2002. Die Merz Sprache publiziert in: Troubling Research. bar machen, die dann, nach der Ver- Gleichzeitig ging es auch darum, für Akademie war ja nach deutschem Recht Performing Knowledge in the Arts, abschiedung solcher Kategorien, zwar all dies zu werben, und zwar nicht nur nur eine Fachhochschule, bot aber hg. von Carola Dertnig u.a., weiterhin angreifbar sind, aber nicht in Diskussionen unter Kollegen_innen zugleich in einem europäischen Verbund Sternberg Press, Wien 2014. mehr als vollkommen voraussetzungs- und mit Studierenden, sondern eben einen Master an. Die EU-Regelung war los diskutiert werden können. Das spart auch im Hinblick auf externe Finanzie- damals, wenn eine der Hochschulen in Energien und ist für die Nahdiskussi- rung. An der Merz Akademie, einer teils einem solchen Verbund einen Master onsgemeinschaft hilfreich, auch wenn priva ten Hochschule, die aber auch und im selben Bereich auch eine Pro- es immer wieder dazu führt, dass die auf Unterstützung durch öffentliche motion anbieten kann, können das die Namen bestimmter Dinge allgemein Gelder angewiesen war, war dieser anderen Hochschulen in Verbindung mit als granted gelten und das, was dann Begriff extrem nützlich. Er entsprach dieser Hochschule auch tun. So boten jeweils als granted gilt, verschiedene auch der Arbeitsweise dort sehr gut, wir dann auch einen Master an, und ich Dinge sind. Aber ich hatte gedacht, dass viel besser als der einer Kunstakademie, hab an dieser Hochschule auch PhDs dieser Begriff so etwas bezeichnen weil die Leute dort ohnehin alle sehr betreut, die formal von der University kann – nämlich einen Stand, von dem viel etappenziel-orientierter arbeiten, of Portsmouth, die auch immer daran sich während der 1990er-Jahre abzeich- da sie halt entweder Filmer_innen oder beteiligt sein musste, ausgegeben wur- nete, dass er gegessen sei: dass eben Grafikdesigner_innen oder sogenannte den. Daher war diese Hochschule aber künstlerische Arbeiten die eigenen Rah- Neue-Medien-Leute sind. Diese drei auch immer sehr eng verbunden mit menbedingungen mitthematisieren oder, Bereiche haben ja alle viel stärker mit der britischen Hochschullandschaft wenn nicht, diese eben gezielt ignorie- Zwischenergebnissen oder relativ kurz- und hatte so diese spezifisch britische, ren. Die Hoffnung war, dass künstleri- fristig gesteckten Projektzielen zu tun, oft sehr bürokratisch geführte Version sche Forschung gerade dadurch, dass oder auch einfach nur der Idee davon. der Debatte schon sehr früh am Hals. sie institutionelle Begehrlichkeiten Und da ist eine Arbeitsweise, die einer Aber man erlebte natürlich auch damals erweckte und Institutionen damit auch konventionellen Idee von Forschung schon die Widerstände, die in UK dage- etwas aufbauen wollten, geeignet sein ähnelt, viel naheliegender. Dass der gen entstanden waren. Und dann gab könnte, um diesen Stand der 90er- Begriff der Forschung auch einen ande- es auch diesen Kongress über künst- Jahre-Kunst wie auch deren Fehler und ren Anspruch und damit auch ein ande- lerische Forschung – meinen ersten shortcomings zu benennen. Die andere res Niveau versprach, war auch nicht Kongress dieser Art. Und ich war ent- Hoffnung hat direkt damit zu tun, was schlecht. Das war aber auch die Zeit, setzt, was die mit «research« meinten … in Institutionen geschieht. Ich habe ja als ich zum ersten Mal mit der bildungs- Sie meinten einfach, wenn man künst- 76 mit dem Begriff nicht erst in Wien zu tun politischen Realität dieses Begriffs lerische Arbeiten macht, dann recher- chiert man einfach auch ein bisschen Produkte analog im Bereich der Kunst- so guckt, was für Leute nirgendwo wirk- und so … (lacht) Das war niederschmet- und Geisteswissenschaften gar nicht, lich reinpassen in die Fächer, die dann ternd. Bei diesem ersten Kongress, bei aber vielleicht wird es dann auch keine irgendwo in solchen Aktivitäten landen, dem ich mitgemischt habe, waren so künstlerische Forschung geben. Jeden- das sind ja dann immer auch solche, die Leute, wie wir sie auch aus Wien ken- falls weist dieser Kontext in eine ganz die unterschiedlichsten Dinge machen, nen, die einfach antiintellektualistisch andere Richtung als meine einstige die durch diese Fächerlogik nicht abge- drauf waren. Und dann gab es auch sol- jugendlich naive Idee, mit »künstleri- deckt sind. Das sind meistens entweder che, die schon ihren Frieden mit dieser scher Forschung« die avancierteren politische Leute oder es sind eigen- Idee gemacht hatten, aber der Frieden Praktiken, die es an den meisten Hoch- sinnige Spinner oder beides … bestand eben in einem niederschmet- schulen ja bereits gibt, zu adeln; oder ternden Pragmatismus, etwa wenn was heißt adeln, man institutionalisiert JS Aber so ungefähr jede Kunstuni Leute von Musikhochschulen meinten, sie damit ganz einfach. Man verteidigt behauptet heutzutage, sie hätte eine dass man, wenn man ein Violinenstück sie, gibt ihnen ein gewisses Recht inner- Struktur, in der die Leute sich frei bewe- aus dem 18. Jahrhundert aufführen will, halb der Hochschule, sodass sie anstelle gen und zum Beispiel projektorientiert sich ja auch damit beschäftigen muss, dessen, was sie bis dahin waren, näm- arbeiten könnten. Und andere Leute, wie das damals war, im 18. Jahrhun- lich Außenseiter, plötzlich unverzichtbar die an Kunstunis unterrichten, finden dert. Das ist dann Recherche. Das war für die Hochschule sind. Das wäre ja sowieso, sie bringen den Leuten vor die zweite Erfahrung mit dem Begriff. an sich eine interessante Chance, aber allem bei, Künstler zu sein. Was aber Und dann gibt es noch eine dritte, als es gibt natürlich innerhalb der Hoch- geschieht, wenn man diese Positionen, mir klar wurde, wieweit Artistic Research schulsysteme ganz andere Kräfte, und die Du jetzt beschreibst, also zum einen ein Bestandteil des Bologna-Prozesses deswegen ist es meistens nicht dazu inhaltlich und zum anderen einfach so ist; dass also »künstlerische Forschung« gekommen. eigensinnig sein, also als politisch oder ein Begriff ist, der im Zuge der Verein- als sehr eigensinnig … heitlichung der Hochschulen entstan- JS Was meinst Du mit avancierten den ist, die bestimmte Mittel nur noch Praktiken? DD Politisch ist für mich in diesem Fall bekommen, wenn sie Forschung nach- auch noch nicht inhaltlich. weisen können – und das ist natürlich DD Also banal gesagt alles, was nicht eine Kategorie, die die Verbindung der durch die kanonisierten Fächer – JS Ok. Aber produziert man über diese Hochschulen zu den Bedürfnissen der Malerei, Bildhauerei und Neue Medien – Art von Bestimmung und Beschreibung Privatwirtschaft mitmeint. Nun mussten abgedeckt ist. Wobei Neue Medien nicht auch wieder ein neues Genre die Kunstakademien die künstlerische sogar zum Großteil mit dazu gehören (und ich frage mich, ob das in unserem Forschung entwickeln, und sie ahnen könnte. Alles, was nicht von einerseits PhD in Practice auch gerade passiert)? noch gar nicht, in welchem Maße sie da Handwerksideologie und andererseits Ich will darauf hinaus, dass es ab zumindest begrifflich am Diskurs der Künstlertum geprägt ist, also alles, was einem bestimmten Punkt vielleicht ein- Utilitarisierung und Ökonomisierung der jenseits der Kriterien Originalität und fach auch wichtiger ist, diesen Begriff Hochschulbildung partizipieren. Unser- Handwerk passiert. Das kann projektori- der Forschung rein taktisch zu verste- eins denkt immer: Forschung ist doch entierte Arbeit im Raum sein, aber auch hen und möglichst offenzuhalten. Aber ein ganz brauchbarer Begriff und blen- ästhetische Forschung, die bei den Sin- Dein Argument ist ja tatsächlich auch det so den hochschulpolitischen Kontext nesorganen anfängt, oder Politik oder ein taktisches, oder? Du hast ja gesagt, aus. Denn Forschung heißt in den Natur- Psychedelia. Irgendwie es geht ja auch Dich hat der Begriff interessiert, weil Du wissenschaften in der Regel Produktent- gerade um Dinge, die bei einem dann geglaubt hast, man könnte bestimmte wicklung – zum Glück gibt es solche immer wieder stranden … Also wenn man Formen der Arbeit, die in Kunsthoch- 79 schulen strukturell