17. Wahlperiode Plenarprotokoll 17/99

99. Sitzung

Donnerstag, den 30.01.2020

Mainz in der Steinhalle des Landesmuseums

Mitteilungen des Präsidenten ...... 6601 Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz: 6615, 6617 Fragestunde ...... 6618, 6619 – Drucksache 17/11129–...... 6601 Abg. Christof Reichert, CDU: ...... 6615 Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abg. Alexander Schweitzer, SPD: . . . . 6601, 6602 NEN: ...... 6617 ...... 6603 Abg. Ellen Demuth, CDU: ...... 6618 Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: . . 6601, 6602 AKTUELLE DEBATTE ...... 6619 ...... 6603, 6612 ...... 6613, 6614 Aufstiegsbonus verdoppelt – Mehr Wert- ...... 6615 schätzung für Handwerk und Mittelstand Abg. Dr. Helmut Martin, CDU: ...... 6602, 6613 auf Antrag der Fraktion der FDP – Drucksache 17/11136–...... 6619 ...... 6614 Abg. Benedikt Oster, SPD: ...... 6602, 6603 Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: . . . . . 6620, 6626 Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: ...... 6603, 6613 Abg. Steven Wink, FDP: ...... 6620, 6625 Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Abg. Thomas Weiner, CDU: ...... 6621, 6627 Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demogra- Abg. Joachim Paul, AfD: ...... 6622, 6627 fie: ...... 6604, 6605 Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS ...... 6606, 6607 90/DIE GRÜNEN: ...... 6623, 6627 ...... 6608 Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Abg. Michael Wäschenbach, CDU: . . . . 6604, 6605 Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: . . 6624 ...... 6607, 6613 ...... 6615 Erneuerbare Energien als Grundlage für Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: . . . . 6605, 6608 eine zukunftsfähige Industrie und Ar- Abg. Hedi Thelen, CDU: ...... 6605, 6607 beitsplätze in Rheinland-Pfalz Abg. Sven Teuber, SPD: ...... 6606 auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: ...... 6606 GRÜNEN Abg. Jürgen Klein, AfD: ...... 6608, 6609 – Drucksache 17/11139–...... 6628 ...... 6611 Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Ener- GRÜNEN: ...... 6628, 6629 gie, Ernährung und Forsten: ...... 6608, 6609 ...... 6636 ...... 6610, 6611 Abg. Andreas Rahm, SPD: ...... 6629, 6636 Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE Abg. Martin Brandl, CDU: ...... 6630, 6637 GRÜNEN: ...... 6610, 6618 Abg. Matthias Joa, AfD: ...... 6632, 6637 Abg. Arnold Schmitt, CDU: ...... 6610, 6611 Abg. Marco Weber, FDP: ...... 6633 Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Ener- 90/DIE GRÜNEN: ...... 6610, 6614 gie, Ernährung und Forsten: ...... 6634, 6635 ...... 6615, 6617 ...... 6619 Grundlagen der Bildung sichern – Lesen, Abg. Nico Steinbach, SPD: ...... 6611 Schreiben und Rechnen müssen endlich Abg. Steven Wink, FDP: ...... 6612 Chefsache für die Landesregierung werden Abg. Alexander Licht, CDU: ...... 6614 auf Antrag der Fraktion der CDU

6597 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

– Drucksache 17/11143–...... 6638 Familie, Jugend, Integration und Verbraucher- schutz Abg. Christian Baldauf, CDU: ...... 6638, 6645 – Drucksache 17/11093– Abg. Bettina Brück, SPD: ...... 6639, 6646 Abg. Michael Frisch, AfD: ...... 6640 Unseriösen Schlüsselnotdiensten in Abg. Marco Weber, FDP: ...... 6642 Rheinland-Pfalz das Handwerk legen Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU NEN: ...... 6643 – Drucksache 17/11135– Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: 6644 Abg. Joachim Paul, AfD: ...... 6647 Verbraucher effektiv vor Betrug schützen und seriöse Schlüsselnotdienstanbieter Die Aktuelle Debatte wird dreigeteilt. .... 6647 stärken – Qualitätssiegel einführen und Aufklärung zielgenau verbessern Jeweils Aussprache gemäß § 101 GOLT. .. 6647 Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der AfD Landesgesetz zur Änderung des Kom- – Drucksache 17/11137–...... 6661 munalabgabengesetzes und des Landesfi- Abg. Anke Simon, SPD: ...... 6661 nanzausgleichsgesetzes Abg. Matthias Lammert, CDU: ...... 6662 Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP Abg. Michael Frisch, AfD: ...... 6663, 6667 und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Thomas Roth, FDP: ...... 6664 – Drucksache 17/11094– Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Erste Beratung ...... 6647 Jugend, Integration und Verbraucherschutz: 6666, 6668 Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: ...... 6647 Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abg. Gordon Schnieder, CDU: ...... 6648, 6649 NEN: ...... 6666 Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: ...... 6650, 6655 Abg. Monika Becker, FDP: ...... 6651 Mehrheitliche Annahme des Antrags – Druck- Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE sache 17/9798 –...... 6668 GRÜNEN: ...... 6653 Randolf Stich, Staatssekretär: ...... 6654 Mehrheitliche Ablehnung des Alternativantrags – Drucksache 17/11135 –...... 6668 Überweisung des Gesetzentwurfs – Druck- sache 17/11094 – an den Innenausschuss – Mehrheitliche Ablehnung des Alternativantrags federführend – und an den Rechtsausschuss. 6655 – Drucksache 17/11137 –...... 6668

...tes Landesgesetz zur Änderung des Lan- Einsatz von Lehrkräften in Rheinland-Pfalz deswaldgesetzes Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP der CDU und der Antwort der Landesregierung und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/11100– – Drucksachen 17/10175/10519/11106 – . . 6669 Erste Beratung ...... 6655 Abg. Anke Beilstein, CDU: ...... 6669 Abg. Nico Steinbach, SPD: ...... 6655 Abg. Bettina Brück, SPD: ...... 6670 Abg. Matthias Lammert, CDU: ...... 6656 Abg. Joachim Paul, AfD: ...... 6672 Abg. Marco Weber, FDP: ...... 6658 Abg. Marco Weber, FDP: ...... 6673 Abg. Jürgen Klein, AfD: ...... 6658 Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE NEN: ...... 6674 GRÜNEN: ...... 6659 Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: 6675 Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Ener- gie, Ernährung und Forsten: ...... 6660 Tagesordnungspunkt mit Besprechung erledigt. 6677

Überweisung des Gesetzentwurfs – Drucksa- Gutachten zur erforderlichen Höhe der che 17/11100 – an den Ausschuss für Umwelt, Investitionskostenförderung der Kranken- Energie, Ernährung und Forsten – federfüh- häuser in Rheinland-Pfalz rend – und an den Rechtsausschuss. .... 6660 Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/11117– Verbraucherinnen und Verbraucher schüt- zen – seriöse Schlüsselnotdienstanbieter dazu: stärken Bessere Krankenhausversorgung durch Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und bessere Krankenhausförderung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 17/9798– – Drucksache 17/11149–...... 6677 dazu: Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: ...... 6677, 6682 Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: ...... 6678 Beschlussempfehlung des Ausschusses für Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: . . . . 6679

6598 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Abg. Alexander Fuhr, SPD: ...... 6698, 6700 Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demogra- Abg. Thomas Barth, CDU: ...... 6700 fie: ...... 6681, 6682 Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: 6701

Mehrheitliche Ablehnung des Antrags – Druck- Mehrheitliche Ablehnung des Antrags – Druck- sache 17/11117 –...... 6683 sache 17/11118 –...... 6703

Mehrheitliche Ablehnung des Alternativantrags Kulturförderbericht des Landes Rheinland- – Drucksache 17/11149 –...... 6683 Pfalz 2018 Besprechung des Berichts der Landesregie- Opfer des Nationalsozialismus: Gedenken rung (Drucksache 17/11095) auf Antrag der aufrechterhalten – Verantwortung leben – Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS Homosexuellenverfolgung weiter aufarbei- 90/DIE GRÜNEN ten – Drucksache 17/11102–...... 6703 Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: . . . . 6703 – Drucksache 17/11116–...... 6683 Abg. Marion Schneid, CDU: ...... 6704 Abg. Martin Louis Schmidt, AfD: . . . . . 6705 Abg. Nina Klinkel, SPD: ...... 6683 Abg. Monika Becker, FDP: ...... 6706 Abg. Ellen Demuth, CDU: ...... 6684 Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abg. Uwe Junge, AfD: ...... 6685 NEN: ...... 6707 Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE Dr. Denis Alt, Staatssekretär: ...... 6708 GRÜNEN: ...... 6686 Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: . . . 6686 Tagesordnungspunkt mit Besprechung erledigt. 6709 Abg. Gabriele Bublies-Leifert, fraktionslos: 6687 Landschaftsschutz umsetzen, gesetzliche Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Privilegierung von Windindustrieanlagen Jugend, Integration und Verbraucherschutz: 6688 im Außenbereich aufheben Mehrheitliche Annahme des Antrags – Druck- Antrag der Fraktion der AfD sache 17/11116 –...... 6689 – Drucksache 17/11119–...... 6709 Der Tagesordnungspunkt wird abgesetzt. .. 6709 Den Verkehr von Morgen schon heute den- ken – Gesamtkonzept von Worms bis Spey- Zehn Jahre UN-Behindertenrechtskonvention – er eine Bilanz der Umsetzung in Rheinland- Antrag der Fraktion der CDU Pfalz – Drucksache 17/11115–...... 6689 Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Antwort Abg. Christian Baldauf, CDU: ...... 6689, 6696 der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen Abg. Benedikt Oster, SPD: ...... 6690 der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: ...... 6691, 6697 – Drucksachen 17/10346/10728/11071 – . . 6709 Abg. Steven Wink, FDP: ...... 6692 Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS Der Tagesordnungspunkt wird abgesetzt. .. 6709 90/DIE GRÜNEN: ...... 6693 Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Forcierter Umstieg auf Batteriefahrzeuge Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: . . 6694, 6697 und dadurch induzierter Strukturwandel in der Autoindustrie Mehrheitliche Ablehnung des Antrag der Frakti- Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion on der AfD auf Ausschussüberweisung. .. 6697 der AfD und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktion der AfD Mehrheitliche Ablehnung des Antrags – Druck- – Drucksachen 17/9820/10207/11099 – . . . 6709 sache 17/11115 –...... 6697 Der Tagesordnungspunkt wird abgesetzt. .. 6709 Bildungswende 2021: Zu frühe Einschu- lung gefährdet Bildungserfolg unserer Kin- Internationaler Schüleraustausch der – Elternwillen stärken, mehr Flexibilität Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion ermöglichen der FDP und der Antwort der Landesregierung Antrag der Fraktion der AfD auf Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und – Drucksache 17/11118–...... 6697 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksachen 17/10345/10732/11070 – . . 6709 Abg. Michael Frisch, AfD: ...... 6697, 6699 ...... 6702 Der Tagesordnungspunkt wird abgesetzt. .. 6709

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6599 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

Präsidium:

Präsident Hendrik Hering, Vizepräsidentin Astrid Schmitt, Vizepräsident Hans-Josef Bracht.

Anwesenheit Regierungstisch:

Malu Dreyer, Ministerpräsidentin; Doris Ahnen, Minsterin der Finanzen, Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten, Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung, Roger Lewentz, Minister des Innern und für Sport, Herbert Mertin, Minister der Justiz, Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau; Randolf Stich, Staatssekretär, Dr. Denis Alt, Staatssekretär.

Entschuldigt:

Abg. Guido Ernst, CDU, Abg. Michael Wagner, CDU, Abg. Jessica Weller, CDU; Prof. Dr. Konrad Wolf, Minister für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur; Clemens Hoch, Staatssekretär, Heike Raab, Staatssekretärin.

6600 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

99. Plenarsitzung des Landtags Rheinland-Pfalz Landwirtschaft und Weinbau: am 30.01.2020 Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kolle- ge Schweitzer, Rheinland-Pfalz lebt die konstruktive und Beginn der Sitzung: 09:32 Uhr freundschaftliche Zusammenarbeit mit seinen Nachbarn über die Landesgrenzen. Das ist Teil der Identität unseres Bundeslandes im Herzen Europas. Präsident Hendrik Hering: Die Landesregierung wirkt bei einer breiten Palette von Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf Sie recht herz- Politikfeldern auf entsprechende Kooperationen hin. Grenz- lich zur heutigen Plenarsitzung begrüßen! überschreitende Verkehrsverbindungen erfahren eine ste- tig wachsende Bedeutung, nicht zuletzt auch in wirtschaft- Schriftführende Abgeordnete sind die Kolleginnen Frau licher und touristischer Hinsicht. Im Einzelnen beantworte Groß und Frau Dr. Rehak-Nitsche, die auch die Redeliste ich Ihre Fragen wie folgt: führen wird. Zur ersten Frage: Die Länder Rheinland-Pfalz, Saarland Entschuldigt fehlen heute die Abgeordneten Ernst und und Baden-Württemberg sowie auf französischer Seite die Wagner sowie die Abgeordnete Weller, außerdem Staats- Région Grand Est haben nach intensiven Gesprächen eine minister Professor Dr. Wolf sowie die Staatssekretäre Hoch Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Diese hat zum und Raab. Ziel, ab Dezember 2024 tägliche, getaktete und umsteige- freie Zugverbindungen zwischen den Ländern anbieten zu Wir fahren fort mit Punkt 11 der Tagesordnung: können.

Fragestunde Das hierdurch verbesserte Zugangebot wird für Rheinland- – Drucksache 17/11129– Pfalz folgende Linien betreffen: Trier–Perl–Metz, Neustadt– Landau–Wissembourg–Strasbourg, Karlsruhe–Wörth– Wir beginnen mit der Mündlichen Anfrage der Abgeord- Lauterbourg–Strasbourg. neten Benedikt Oster, Alexander Schweitzer, Giorgina Kazungu-Haß, Dr. Katrin Rehak-Nitsche, Lothar Rom- Weitere Linien unter anderem zur Verbesserung der Verbin- melfanger, Ingeborg Sahler-Fesel, Wolfgang Schwarz dungen zwischen Saarbrücken und Metz bzw. Strasbourg und Sven Teuber (SPD), Stärkung des deutsch- oder zwischen Offenburg und Strasbourg sind Vertrags- französischen Grenzverkehrs – Nummer 1 der Druck- gegenstand. Geregelt ist die gemeinsame Vergabe eines sache 17/11129 – betreffend. Streckennetzes mit grenzüberschreitenden Verkehrsdienst- leistungen. Dazu ist eine Kooperations- und Finanzierungs- Vortragen wird der Abgeordnete Schweitzer. vereinbarung geschlossen worden.

Für die geplanten Zugangebote werden Fahrzeuge benö- Abg. Alexander Schweitzer, SPD: tigt, die sowohl auf dem französischen als auch auf dem Vielen Dank, Herr Präsident. – Guten Morgen, meine Da- deutschen Streckennetz uneingeschränkt zugelassen und men und Herren! Ich hätte gern mal eine Frage. mit dem vorhandenen französischen Zugmaterial, dem Al- stom Régiolis, kuppelbar sind. (Heiterkeit und Zuruf der Abg. Anke Beilstein, CDU: „Ich hätte gern mal eine Die Rahmenbedingungen zur Fahrzeugbeschaffung sind Frage“! Ich hätte auch gern eine Frage!) Teil des Vertrags. Dabei werden die Fahrzeuge durch die Région Grand Est beschafft und dann dem Betreiber der Es geht um die Stärkung des deutsch-französischen Verkehre auf Grundlage eines Beistellungsvertrags zur Grenzverkehrs. Ich frage die Landesregierung: Verfügung gestellt.

1. Welchen Inhalt hat die jüngst unterzeichnete Verein- Für den vorliegenden Vertrag ist eine Förderung durch das barung? europäische Förderprogramm „Interreg A“ zur Unterstüt- 2. Wie bewertet die Landesregierung die bisher in die- zung grenzüberschreitender Projekte möglich, da durch sem Kontext unternommenen Maßnahmen zur Stär- die beteiligten Vertragspartner die Gebiete sowohl des kung des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Frank- Programms „Großregion“ als auch des Programms „Ober- reich? rhein“ tangiert sind. 3. Welche Details zur konkreten Ausgestaltung der Ver- kehre sind bekannt, und wie sollen diese sich per- Zur Bewertung: Alle beteiligten Partner arbeiten intensiv spektivisch weiterentwickeln? miteinander, um das komplexe Projekt zügig voranzubrin- gen. Neben dem Bereich der Fahrzeuge gibt es regelmäßig Arbeitsgruppen im Bereich der Infrastruktur, die für das Präsident Hendrik Hering: vorgesehene Betriebsprogramm benötigt wird. Ein Beispiel Für die Landesregierung antwortet Staatsminister Dr. Wis- sind die anstehenden Maßnahmen im Bahnhof Wissem- sing. bourg.

Weiterhin ist die Betriebsplanung im vollen Gange, um die Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, zukünftig umsteigefreien und angebotsorientierten Fahr-

6601 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 pläne zu erstellen. Auch was die Frage eines einheitlichen Abg. Benedikt Oster, SPD: Fahrscheins anbelangt, arbeiten wir derzeit an einer Lö- Herr Minister, wir wissen alle, dass gerade bei Schienen- sung. fahrzeugen die Ausschreibungen sehr, sehr lange dauern. Von daher die Frage – Sie haben es angesprochen – zu Mit Blick auf all diese Maßnahmen bewertet die Landesre- den gemeinsamen Schienenfahrzeugen zwischen den Län- gierung die zukünftige Stärkung des grenzüberschreiten- dern, zu den Kooperationen. Wie muss ich mir das jetzt den Verkehrs äußerst positiv. Das Betriebsangebot und die genau vorstellen zwischen den Zweckverbänden? Tarife werden für die Kundinnen und Kunden des Schie- nenpersonennahverkehrs im Sinne eines zusammenwach- senden Europas deutlich verbessert. Zudem dient das Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Projekt der Vernetzung der Wirtschaftsräume und trägt Landwirtschaft und Weinbau: nicht zuletzt zu einer besseren Umweltverträglichkeit der Verkehrsströme bei. Was das Rollmaterial, also die Züge, angeht, ist es so, dass für die grenzüberschreitenden Verkehrsleistungen spezielle Fahrzeuge erforderlich sind, da sich das franzö- Ich komme zur letzten Frage: Wie bereits ausgeführt, hat sische und das deutsche Bahnnetz in Bezug auf die Leit- der Vertrag zum Ziel, getaktete, umsteigefreie und ange- und Sicherungstechnik unterscheiden. botsorientierte Verbindungen ab Dezember 2024 für die Fahrgäste herzustellen. Die Vorbereitungen sind aufgrund Die Région Grand Est verfügt über einen Rahmenvertrag des großen Verkehrsraums sehr komplex und befinden mit der Firma Alstom France. Auf dieser Basis kann man sich derzeit in der Planungsphase. Im Bedarfsfall soll auch für die Région Grand Est Schienenfahrzeuge ohne euro- während der Betriebslaufzeit, so sind sich die Vertrags- paweite Vergabe bestellen. Der Fahrzeugtyp, der bei den partner einig, eine Anpassung von Kapazitäten oder des grenzüberschreitenden Verkehren eingesetzt werden soll, Betriebsangebots möglich bleiben. ist der sogenannte Alstom Polivalente.

Mit diesem Konzept sehen wir uns für die künftigen Ent- Dieses Fahrzeug soll eine Sitzplatzkapazität von etwa wicklungen in unseren grenzüberschreitenden Regionen 200 Plätzen haben, muss aber wegen der Netzproblematik gut gerüstet. Es ist ein Stück gelebtes Europa. besondere Eigenschaften erfüllen. Das heißt, wir brauchen eine Kuppelbarkeit auf den bereits vorhandenen Alstom Régiolis. Wir brauchen einen Betrieb, der im deutschen Präsident Hendrik Hering: und französischen Bahnnetz möglich ist, und der Antrieb muss mit französischem und deutschem Bahnstrom erfol- Vielen Dank. – Eine Zusatzfrage des Abgeordneten gen können. Schweitzer. Daran sieht man schon, dass es bei aller Integration, die es in Europa gibt, eben auch noch Unterschiede gibt, vor Abg. Alexander Schweitzer, SPD: allen Dingen in den Bereichen, die bisher nicht europaweit Herr Minister, vielen Dank für die Antwort der Landesre- oder grenzüberschreitend gedacht waren. Aber mit diesem gierung. Sie haben den Zeithorizont schon ein bisschen ehrgeizigen Projekt machen wir uns daran, Lösungen zu skizziert. Können Sie aber noch einmal, vielleicht auch in finden, um die Unterschiedlichkeiten etwa beim Bahnstrom einer Abfolge der jeweiligen Schritte, darstellen, was wann oder auch bei der Streckensituation zu überwinden. Inso- passieren wird, und ab welchem Zeitpunkt wir von einer fern ist das ein Projekt, das von der Gesamtbedeutung her vollkommenen Durchtaktung dieser grenzüberschreiten- zweifellos eine hohe Bedeutung für ganz Europa hat. den Verkehre sprechen können? Präsident Hendrik Hering: Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Martin. Landwirtschaft und Weinbau:

Wir planen ab 2020, jetzt in diesem Jahr, die Erarbeitung Abg. Dr. Helmut Martin, CDU: des Lastenheftes und ein gemeinsames Vergabeverfah- Herr Minister, Sie haben eindrücklich die Komplexität ge- ren. Ab 2022/2023 wollen wir dann Aufträge vergeben und schildert. Ich möchte noch einmal nach den zu erwarten- einen Verkehrsvertrag unterzeichnen. Ab Dezember 2024 den Kosten auf deutscher Seite fragen und danach, wer soll das Ganze in Betrieb gehen. Das ist der geplante Pro- mit welchen Kosten belastet werden wird, soweit man das jektablauf. derzeit abschätzen kann. Man sieht daran schon, wenn man die sonstigen Planungs- zeiten kennt und auch den Aufwand in einem Ausschrei- Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, bungsverfahren, dass das mit großem Engagement und Landwirtschaft und Weinbau: Ehrgeiz von beiden Seiten vorangetrieben wird. Was die Kosten angeht, so sind die vorlaufenden Entwick- lungskosten der grenzüberschreitenden Fahrzeuge nach Präsident Hendrik Hering: derzeitigem Verhandlungsstand auf einen Betrag von et- wa 40 Millionen Euro zu beziffern. Die Région Grand Est Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Oster. übernimmt diese Kosten zu 50 %.

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Zwischen den deutschen Aufgabenträgern wurde abge- Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, stimmt, dass die Aufteilung der Kosten anhand der Grenz- Landwirtschaft und Weinbau: übertritte erfolgt, sodass sich daraus folgende Aufteilung ergibt: Der SPNV Nord wird 7,14 % übernehmen, der Davon gehen wir aus. Natürlich wollen wir mit dem ZSPNV Süd 28,57 %, das Saarland 35,7 % und Baden- Schienenpersonennahverkehrsangebot, mit dem ÖPNV- Württemberg 28,57 %. Angebot in diesem Bereich unseren Wirtschaftsraum tat- sächlich vergrößern. Wir wollen, dass das, was die Men- schen bereits begonnen haben, nämlich sich auf beiden Präsident Hendrik Hering: Seiten der Mitgliedstaatsgrenze beruflich und privat zu be- wegen – das war vor 30 Jahren noch ganz anders –, jetzt Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bollinger. auch im ÖPNV-Angebot nachvollzogen wird.

Das Ziel der Landesregierung ist es, ein klimafreundliches, Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: komfortables, attraktives ÖPNV-Angebot zu machen, da- Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, danke für Ihre mit die Grenzen, die heute kaum mehr sichtbar sind, auch Ausführungen. Es besteht ja noch ein gewisser Planungs- vom ÖPNV-Angebot dauerhaft überwunden werden. horizont, aber können Sie uns sagen, welche konkreten Fahrplanverbesserungen im Rahmen dieses Projekts vor- Präsident Hendrik Hering: gesehen sind? Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Oster.

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: Abg. Benedikt Oster, SPD:

Herr Kollege, wie ich bereits ausgeführt habe, geht es Herr Minister, noch einmal eine Frage hinsichtlich der Infra- darum, dass wir möglichst umsteigefreie, grenzüberschrei- struktur. Wir haben es ja erlebt – gerade im vergangenen tende Verkehre organisieren wollen. Das Ziel ist, dass Jahr –, dass man sich selbst innerhalb von Deutschland man über die Mitgliedstaatsgrenzen hinweg künftig in den über die Bahnsteighöhen nicht einig war. Deshalb hier Regionen genauso bequem den Schienenpersonennah- noch einmal die explizite Frage: Wie sieht das im grenz- verkehr nutzen kann, wie man das innerhalb des Landes überschreitenden Verkehr aus? oder in den Metropolregionen wie etwa Rhein-Neckar heu- te tun kann. Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, (Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD) Landwirtschaft und Weinbau:

– Ich bitte um Verständnis, dass ich den Fahrplan heute Wie ich bereits erwähnt habe, gibt es natürlich Unterschie- noch nicht vorlegen kann. de, was die Infrastruktursituationen angeht. Aber die Ver- einbarung, die unterzeichnet worden ist, ist vom Geist ge- (Heiterkeit des Abg. Dr. Bollinger, AfD: prägt, dass man diese Dinge überwinden möchte. Das ist Was? Unglaublich!) ein gutes Zeichen. Wir sind auch mit diesem ehrgeizigen Zeitplan unterwegs, weil wir ein Signal senden wollen, um Das wäre, glaube ich, auch nicht erwartbar. Es ist üblich, zu sagen, diese Unterschiede, die es gibt, auch was Infra- dass man bei solchen Projekten – ich habe die Heraus- strukturfragen angeht, wollen wir nicht als Hürde begreifen, forderungen geschildert – nicht mit der Erarbeitung eines sondern als Herausforderung, und wir wollen schnell ein Fahrplans beginnt, sondern erst einmal mit der Lösung der Angebot schaffen, sodass diese Unterschiede für die Men- großen technischen Fragen, der Beschaffung der Fahrzeu- schen nicht sichtbar und nicht als Problem vorhanden sind. ge und der Bereitstellung der erforderlichen Infrastruktur.

Präsident Hendrik Hering: Präsident Hendrik Hering: Es liegen keine weiteren Zusatzfragen vor. Damit ist die Eine weitere Zusatzfrage des Abgeordneten Schweitzer. Mündliche Anfrage beantwortet, vielen Dank.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Abg. Alexander Schweitzer, SPD: GRÜNEN) Herr Minister, vielen Dank für die Antworten bisher. Ich will Sie doch noch einmal auf das Thema „Wirtschaft und Präsident Hendrik Hering: Arbeit im grenzüberschreitenden Bereich“ bringen. Wir ha- ben in unserer gemeinsamen Heimat Südpfalz die Erfah- Wir kommen damit zur Mündlichen Anfrage der Ab- rung gemacht, dass es einen gemeinsamen Arbeitsmarkt geordneten Michael Wäschenbach und Hedi The- und viele Pendler von „hibbe un dribbe“ gibt. Glauben Sie, len (CDU), Weniger Absolventinnen und Absolven- dass es an der Stelle auch Auswirkungen hat auf den Um- ten in den Pflegeberufen – Nummer 2 der Drucksa- stieg insbesondere der französischen und elsässischen che 17/11129 – betreffend. Kolleginnen und Kollegen, die in der südpfälzischen und pfälzischen Industrie arbeiten? Wer trägt vor? – Herr Abgeordneter Wäschenbach, bitte.

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Abg. Michael Wäschenbach, CDU: Die Landesregierung hat diese Entwicklung bereits früh- zeitig erkannt. Im Rahmen der Fachkräfteinitiative gibt Wir fragen die Landesregierung: es ein Teilhandlungsfeld „Senkung von Abbruch- und Be- 1. Wie bewertet sie den vom Statistischen Landesamt rufsausstiegsquoten“. Hier erarbeitet die Landesarbeits- jetzt gemeldeten Rückgang der Zahl der Absolventin- gemeinschaft der Lehrerinnen und Lehrer für Pflegeberu- nen und Absolventen in den Pflegeberufen hinsicht- fe Rheinland-Pfalz zum einen ein Modellprojekt „Stress- lich ihrer Bedeutung für die zukünftige Personalsitua- level Auszubildende“. Mittels Präventivmaßnahmen sollen tion in der Pflege? Ausbildungsabbrüche rechtzeitig erkannt und soll ihnen 2. Inwieweit ist eine Entwicklung zu befürchten, die entgegengesteuert werden. einen Zuwachs der Schülerzahlen in der Pflege künf- Zum anderen hat die Landesregierung ein Konzept für tig infrage stellt? das Modellprojekt „Assistierte Ausbildung für die Kran- 3. Inwieweit hält die Landesregierung vor diesem Hin- kenpflegehilfe“ erarbeitet, um die Abbruchquoten in der tergrund ihre Aussage aufrecht, das Land sei bei Krankenpflegehilfe zu reduzieren. Das Projekt richtet sich „der Fachkräftesicherung und der Stärkung der Pfle- an sozial benachteiligte und individuell beeinträchtigte jun- geberufe (...) gut aufgestellt“ (Plenarprotokoll 17/89 ge Menschen mit einem besonderen Förderbedarf. vom 19. September 2019)? 4. Wie viele Absolventinnen und Absolventen für die Darüber hinaus ist die Praxisanleitung im Pflegeberufege- Pflegeberufe werden gegenüber den aktuellen Zah- setz des Bundes neu geregelt worden. 10 % der Praxiszeit len gebraucht, um eine bedarfsgerechte Pflegever- ist nun Anleitung. Durch mehr Weiterbildungszeit der Pra- sorgung sicherzustellen? xisanleiter ist in der Generalistik die Qualität der Praxisan- leiter verbessert worden. So gibt es künftig 300 Stunden Präsident Hendrik Hering: Grundweiterbildung und 24 Stunden Fortbildung pro Jahr. Für die Landesregierung antwortet Staatsministerin Darüber hinaus werden wir gemeinsam mit der Bundes- Bätzing-Lichtenthäler. agentur für Arbeit prüfen, inwieweit die bestehenden Instru- mente zur Berufsorientierung und zur Ausbildungsbeglei- tung im Bereich der Pflege noch weiter gestärkt werden Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, können. Fakt ist auch, dass den gesunkenen Absolventen- Arbeit, Gesundheit und Demografie: zahlen für das Jahr 2019 wieder steigende Schülerzahlen Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolle- gegenüberstehen. Das ist eine gute Nachricht, die uns ginnen und Kollegen! Die Mündliche Anfrage der Abgeord- anspornt, unsere Arbeit in der Fachkräfteinitiative intensiv neten Michael Wäschenbach und Hedi Thelen beantworte fortzuführen. ich namens der Landesregierung wie folgt: Die vorliegenden Absolventenzahlen zeigen uns aber auch, Zu Frage 1: Allgemein von einem Rückgang der Absolven- dass wir in der Ausbildung das Hauptaugenmerk stärker tenzahlen zu sprechen, verallgemeinert die differenzierte als zuvor auf die ausbildungsbegleitende Unterstützung Situation. der Pflegeschüler richten müssen.

So gibt es mit Blick auf die Schülerzahlen bei den Pflege- Zu Frage 2: Wir erwarten keinen Rückgang der Schülerzah- berufen wie auch in anderen Ausbildungsberufen jährliche len. Die Umsetzung des Pflegeberufegesetzes schreitet Schwankungen. voran. Wir arbeiten an der Umsetzung der generalistischen Ausbildung in den Pflegeschulen und gehen zudem davon Auch wenn die Absolventenzahlen in der Gesundheits- und aus, dass die neue Pflegeausbildung zu einer Steigerung Krankenpflege und in der Altenpflege seit dem Jahr 2018 der Ausbildungszahlen führt. gesunken sind, gibt es gleichzeitig auch positive Entwick- lungen. In der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege Angesichts der insgesamt steigenden Nachfrage an Pfle- ist im Jahr 2019 ein Anstieg der Absolventenzahlen in gekräften ist es Aufgabe der Landesregierung, die Rah- Rheinland-Pfalz zu verzeichnen. Auch in der Krankenpfle- menbedingungen für die Ausbildung in der Pflege zu schaf- gehilfe sind sowohl die Schüler- als auch die Absolventen- fen, um den steigenden Fachkräftebedarf zu decken. Das zahlen gestiegen. haben wir getan. Im Mai 2019 wurde der Ausbildungsstät- tenplan 2019 – 2022 verabschiedet. Die Ursachen für das Sinken der Absolventenzahlen ge- stalten sich vielschichtig. Ein Anstieg der nicht bestande- Die Zahl der Ausbildungsplätze in den Pflegefachberufen nen Prüfungen und steigende Abbruchquoten führen zu soll bis zum Schuljahr 2021/2022 deutlich von insgesamt sinkenden Absolventenzahlen. 6.760 im Schuljahr 2016/2017 um mehr als 1.030 auf min- destens 7.790 erhöht werden. Die Landesregierung führt Ergebnisse einer Studie des Instituts für sozialökonomi- ihr Landesprojekt „Nachwuchssicherung in den Pflegebe- sche Strukturanalysen aus Berlin beleuchten die Gründe rufen“ fort. Eine Öffentlichkeitskampagne zur generalisti- detailliert. Es sind vor allem die Arbeitsbelastung, eine schen Ausbildung ist darüber hinaus aktuell in der Planung. Überforderung mit dem Lehrstoff und andere Berufsvor- stellungen, die zu einem Abbruch führen. Das bestätigen Zu Frage 3: Die Fachkräftesituation zeigt eine positive auch unsere vielen Gespräche mit der Praxis im Rahmen Entwicklung. Laut der Beschäftigungsstatistik der Bundes- der Umsetzung der Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiati- agentur für Arbeit arbeiteten im Juni 2019 45.714 Personen ve. in der Gesundheits- und Krankenpflege und 25.169 Per-

6604 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 sonen in der Altenpflege in Rheinland-Pfalz. Im Vergleich bei uns! zum Vorjahr ist das ein Plus von 356 Beschäftigten in der Krankenpflege und 942 Beschäftigten in der Alten- (Beifall im Hause) pflege. Die vielfältigen Maßnahmen zeigen Wirkung. Wir werden auch weiterhin gezielt daran arbeiten, dass es in Weiter dürfen wir Vereinsvertreter aus Rülzheim begrüßen. Rheinland-Pfalz ausreichend und gut ausgebildete Pflege- Herzlich willkommen bei uns! fachkräfte gibt. (Beifall im Hause) Zu Frage 4: Die Vorausberechnung zukünftiger Entwicklun- gen auf den regionalen Arbeitsmärkten wird über das Ar- Jetzt hat die Abgeordnete Thelen das Wort für eine Zu- beitsmarktinstrument „Branchenmonitoring“ gesteuert. Auf satzfrage. Grundlage dieser Ergebnisse wurden der Ausbildungsstät- tenplan berechnet und die Ausbildungsplatzkapazitäten Abg. Hedi Thelen, CDU: bedarfsgerecht von 6.760 auf 7.790 über alle Pflegeberufe hinweg erhöht. Das bedeutet ein Plus von ca. 15 %. Der Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für die Angaben, Fokus liegt hier auf der Erhöhung der Ausbildungszahlen, die Sie gemacht haben. Ich sehe hier eine Diskrepanz, die damit die Zahl der Absolventen wieder steigt. Sie sicherlich erklären können.

Vielen Dank. Sie haben mitgeteilt, dass 2016/2017 insgesamt 6.760 Aus- bildungsplätze für die Pflegeausbildung zur Verfügung standen. Wir haben aus den Mitteilungen des Statisti- Präsident Hendrik Hering: schen Landesamts erfahren, dass im Jahr 2019 lediglich Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wäschenbach. 1.700 Menschen eine Pflegeausbildung beendet haben, was einen Rückgang um 5,6 % bedeutet. Ich vermute, das liegt an der Aufteilung der 6.760 Ausbildungsplätze auf Abg. Michael Wäschenbach, CDU: die verschiedenen Jahrgänge. Könnten Sie diese Ausbil- dungszahlen nach Jahrgängen nennen, damit man diese Frau Ministerin, Sie haben gerade den Zuwachs von 1.700 Menschen zuordnen kann? 1.030 Ausbildungsstellen genannt. Ist bei dieser Berech- nung, die, wie Sie sagen, auch durch das Branchenmoni- toring hinterlegt ist, berücksichtigt, wie künftig die Perso- Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, nalbemessungsergebnisse aussehen werden? Das heißt, Arbeit, Gesundheit und Demografie: ist zu erwarten, dass bei der Personalbemessungsberech- nung ein zusätzlicher Mehrbedarf besteht? Vielen Dank, Frau Thelen. Sie haben das genau richtig erklärt. Ich würde Ihnen diese Zahlen gerne nachliefern, damit Sie die aufgeteilt nach den entsprechenden Jahren Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, verfolgen können. Arbeit, Gesundheit und Demografie:

Vielen Dank für die Frage, Herr Wäschenbach. Uns war Präsident Hendrik Hering: es sehr wichtig, gerade den Ausbildungsstättenplan an die aktuellen Herausforderungen anzupassen. Eine der aktu- Eine Zusatzfrage der Kollegin Anklam-Trapp. ellen Herausforderungen ist natürlich der demografische Wandel und darüber hinaus die Arbeitsbelastung in den Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Krankenhäuser, in den Altenpflegeeinrichtungen, in der Pflege insgesamt, zu der wir uns gemeinsam dafür einge- Sehr geehrte Frau Ministerin, die Fachkräfte- und Qualifi- setzt haben, dass es Pflegepersonaluntergrenzen gibt und zierungsinitiative Pflege 2.0 für die Jahre 2018 bis 2022 künftig noch mehr Personal in der Pflege eingesetzt wird, wurde bereits im letzten Jahr in regionalen Pflegedialogen damit die Belastung für die Kolleginnen und Kollegen ge- landesweit vorgestellt. Welches Feedback konnte die Lan- ringer wird, wodurch der Beruf wieder mehr an Attraktivität desregierung von der Basis aus ihrer Veranstaltungsreihe gewinnt. Daher ist auch dies mit berücksichtigt worden. mitnehmen?

Es ist unser Ziel, diesen Ausbildungsstättenplan so deut- lich mit dieser erhöhten Kapazität auszuweisen, dass es Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, jetzt darum gehen muss, diese Ausbildungsplätze tatsäch- Arbeit, Gesundheit und Demografie: lich zu besetzen und es vor allen Dingen mit den von mir Vielen Dank für die Frage, Frau Abgeordnete. Wir haben in aufgeführten Maßnahmen gelingt, dass die Schüler, die der Tat die zweite Fachkräfte- und Qualifizierungsinitiative ihre Ausbildung beginnen, nachher erfolgreiche Absolven- gestartet, nachdem die erste so erfolgreich war, dass wir tinnen und Absolventen sind. die uns prognostizierte Fachkräftelücke um 65 % reduzie- ren konnten. Wir waren dann sehr dankbar, dass unsere Präsident Hendrik Hering: Partnerinnen und Partner gesagt haben: Ja, wir machen weiter und starten diese zweite Initiative. Wir dürfen Gäste im rheinland-pfälzischen Land begrüßen, und zwar Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe Wir haben die verschiedenen Handlungsfelder aufgemacht des Gymnasiums -Oberstadt. Herzlich willkommen und dort Maßnahmen formuliert. Es war uns dann sehr

6605 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 wichtig, mit diesen gerade von Ihnen nachgefragten regio- schen für den Pflegeberuf zu gewinnen. Das ist eine nalen Pflegedialogen in die Praxis vor Ort, in die Regionen wunderbare Ergänzung zu unseren bisherigen Ansätzen zu gehen, um dort die Themen zu diskutieren, die der Pra- zur Nachwuchssicherung. Ich erinnere sehr gerne an die xis auf den Nägeln brennen. große Kinokampagne aus dem letzten Jahr, die wir ge- meinsam mit der Pflegegesellschaft durchgeführt haben, Wir sind sehr froh, dass aus unseren dort vorgestellten in der wir auch in einem anderen Setting und mit einem Maßnahmen und den Diskussionen vor Ort weitere Ideen anderen Ansatz junge Menschen sehr authentisch erreicht entstanden sind, weil es darum geht, dass alle gemeinsam haben. Ich glaube, es lässt sich an den Zahlen der Schü- alle möglichen Maßnahmen ergreifen, um die Fachkräftesi- ler, die sich bereit erklärt haben, in die Pflege zu gehen, cherung voranzutreiben. So sind vor Ort über diese regio- ablesen, dass diese Bemühungen erfolgreich sind. nalen Pflegedialoge, über die Debatte über die Fachkraftini- tiative regionale Aktivitäten entstanden, wie beispielsweise Pflegeaktionstage und die regionalen Schulkooperationen, Präsident Hendrik Hering: die sehr wichtig sind, nicht nur um junge Menschen früh- Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Dr. Groß. zeitig an die Pflege heranzuführen, sondern gerade auch vor dem Hintergrund – wonach gefragt wurde –, um die Absolventenzahlen zu erhöhen. Wenn nämlich die jungen Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Menschen eine richtige Vorstellung, eine realitätsnahe Vor- stellung von ihrem Beruf haben, dann fällt es ihnen auch Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen. Verste- leichter, die Ausbildung bis zum Schluss zu absolvieren. hen Sie mich nicht falsch, die Erhöhung von Ausbildungs- plätzen ist immer gut, solange die Nachfrage das erfordert. Eine wertvolle Maßnahme sind Schulkooperationen, die Bis zum Schuljahr 2021/2022 wollen Sie die Plätze um auch daraus entstanden sind. Als Beispiel nenne ich noch 586 aufstocken, obwohl im Schuljahr 2018/2019 858 Aus- die Pflegekita, die natürlich ebenfalls zur Steigerung der bildungsplätze nicht besetzt werden konnten. Würde man Attraktivität deutlich beigetragen hat. nicht denken, zuerst muss man einmal die besetzen, bevor man neue installiert?

Präsident Hendrik Hering: Danke schön. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Teuber.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Abg. Sven Teuber, SPD: Arbeit, Gesundheit und Demografie: Sehr geehrte Frau Ministerin, die Landesregierung führt Frau Dr. Groß, vielen Dank für die Nachfrage, die mir die ihr Landesprojekt „Nachwuchssicherung in den Pflegebe- Gelegenheit gibt, noch einmal auf das einzugehen, was rufen“ weiter fort. Für Frühjahr dieses Jahres ist unter dem Herr Wäschenbach vorhin auch schon gefragt hat. Nein, Hashtag „WerPflegtBewegt“ eine Werbetour geplant. Wel- ich glaube, wir sind hier gefordert, das eine zu tun, aber che Resonanz und Ergebnisse erhofft sich die Landesre- das andere nicht zu lassen. gierung davon? Natürlich geht es zunächst darum, die Plätze, die man zur Verfügung stellt, zu besetzen. Das ist zweifelsohne der Fall. Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Wir müssen aber auch im Hinblick darauf, dass eine soche Arbeit, Gesundheit und Demografie: Ausbildung drei Jahre dauert, die Zukunft in den Blick neh- Vielen Dank, Herr Teuber. Ich sagte eben, es ist auch ei- men. Wenn wir die neuen bundesgesetzlichen Vorgaben ne sehr große Chance, dass jetzt auch die Generalistik sehen, die kommen werden – Pflegepersonaluntergren- sozusagen in Kraft getreten ist. Zum 1. April starten die zen –, und wenn wir unsere demografische Entwicklung ersten fünf Pflegeschulen und dann im Laufe des Jahres sehen, die einen viel größeren Bedarf an Pflegekräften alle Pflegeschulen mit der Generalistik. Dadurch erhoffen mit sich bringen wird, dann ist es sehr vorausschauend, wir uns natürlich noch einmal ein Mehr an Attraktivität. Es langfristig gedacht und in die Zukunft schauend zu sagen: geht darum, hier auch Nachwuchs zu gewinnen. Ja, wir stellen jetzt schon mehr Ausbildungsplätze zur Ver- fügung. Wir sind mit der Werbetour „Wer pflegt, bewegt!“ unterwegs. Wir starten am 5. Mai. Wir wollen mit einem Pflegemobil in Wir müssen alle gemeinsam – damit meine ich auch die zehn Städten vor Ort auf Schulhöfen in allgemeinbildenden Einrichtungen, die Pflegegesellschaft, unsere Partner in Schulen Station machen. Hierbei sollen Auszubildende, die der Fachkraftinitiative – dafür sorgen, dass diese Ausbil- jetzt in der Pflege tätig sind, und Arbeitgeber, die diese Aus- dungsplätze natürlich dann auch in der Realität besetzt bildungsplätze anbieten, den Schülerinnen und Schülern werden und die Ausbildung erfolgreich absolviert werden vor Ort Rede und Antwort stehen. Sie sollen vor Ort den kann. Pflegeberuf vorstellen, sich den Fragen der Schülerinnen und Schüler stellen und über die generalistische Pflege- Beim letzten Punkt kommt für mich wirklich dieser ausbil- ausbildung informieren, weil das natürlich etwas Neues ist, dungsbegleitenden Unterstützung noch einmal ein ganz zu dem es zunächst viele Fragen vor Ort gibt. besonderes Augenmerk zu. Das habe ich gerade eben in meinen Ausführungen erwähnt. Wir müssen uns noch Diese Werbetour soll dazu dienen, mehr zu informieren, stärker darauf fokussieren, dass die jungen Menschen, die Attraktivität zu steigern und noch mehr junge Men- wenn sie sich für den Pflegeberuf interessieren, während

6606 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 ihrer Ausbildung die Unterstützung bekommen, sodass sie Schülern, die in der Vergangenheit ihre Ausbildung begon- dann auch die Ausbildung erfolgreich beenden können. nen haben – auch das steht in der Pressemitteilung des Statistischen Landesamts –, vor allen Dingen die Zahl der Abiturientinnen und Abiturienten zugenommen hat. Wenn Präsident Hendrik Hering: die nun in die Krankenpflege gehen und ihre Ausbildung beginnen und dann bietet sich die Möglichkeit, einen Stu- Es liegen noch drei weitere Zusatzfragen vor. Danach be- dienplatz zu finden, dann brechen diese die Ausbildung trachte ich die Anfrage als beantwortet. ab. Zunächst der Kollege Wäschenbach. Auch das ist also ein möglicher Grund für den Abbruch der Ausbildung. Das muss nicht immer etwas mit Überforde- Abg. Michael Wäschenbach, CDU: rung zu tun haben.

Frau Ministerin, Sie haben die steigenden Abbruchquoten Hinsichtlich der ausbildungsbegleitenden Hilfen als Grund dafür genannt, dass nicht alle Ausbildungsplätze besetzt werden konnten. In welchem Fachberufebereich (Unruhe im Hause – – Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege und Kinder- Glocke des Präsidenten) krankenpflege – waren diese Abbruchquoten besonders hoch? Haben Sie dazu Zahlen? ist unser Eindruck, dass diese Möglichkeiten, die vonsei- ten der Bundesagentur für Arbeit gegeben sind, von den Sie haben dann auch gerade noch einmal von der ausbil- Pflegeschulen noch nicht in hinreichendem Maße genutzt dungsbegleitenden Unterstützung gesprochen. Sie haben werden. Wir sind derzeit auch mit der Regionaldirektion in diesem Kontext die Praxisanleitung als einen Punkt der Bundesagentur für Arbeit im Gespräch, um zu schau- erwähnt. Welche weiteren konkreten ausbildungsbeglei- en, welche Möglichkeiten es darüber hinaus gibt, um die tenden Unterstützungen stellen Sie sich noch vor? Schülerinnen und Schüler während ihrer Ausbildung noch gezielter zu unterstützen.

Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie: Präsident Hendrik Hering: Vielen Dank, Herr Wäschenbach. Es ist in der Tat so, dass Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Thelen. wir in der Kinderkrankenpflege immer noch eine gute Absol- ventenzahl und keinen Rückgang der Absolventenzahlen haben, ebenso ist es in der Pflegehilfe. In den Bereichen Abg. Hedi Thelen, CDU: der Gesundheits- und Krankenpflege und im Bereich der Sehr geehrte Frau Ministerin, tatsächlich müssen wir in Altenpflege sinken die Absolventenzahlen aber. der Pflege in den nächsten fünf Jahren noch mit einer Fachkraftlücke von 4.400 Stellen rechnen. Deshalb ist jede Da stellt man sich natürlich die Frage, warum es diese Maßnahme wichtig, die diese reduziert und schließt. Des- Diskrepanz gibt. Warum gelingt es der Kinderkrankenpfle- halb stelle ich auch meine Frage. ge, mehr erfolgreiche Absolventinnen und Absolventen auf den Weg zu bringen? Das habe ich mich selbst auch ge- Sie haben eben ausgeführt, dass wir nach wie vor gute fragt. Wir haben, wie gesagt, eine Studie und haben auch Ausbildungszahlen in der Pflegehilfe haben. Wir haben mit der Praxis gesprochen. langjährige Berufstätige in der Pflegehilfe, die vielleicht schon einmal eine Fachkraftausbildung gemacht haben, Es ist zum einen so, dass die Absolventinnen und Absol- die sie jetzt nachholen wollen. Dafür gibt es das Mittel der venten, die in die Kinderkrankenpflege gehen, noch einmal Anpassungsqualifizierung. andere Vorstellungen von ihrem Beruf haben und sich noch intensiver mit dem Beruf auseinandergesetzt haben. Deshalb lautet meine Frage: Wie hoch ist denn der An- Diese jungen Menschen, die in die Kinderkrankenpflege teil an den hier vom Statistischen Landesamt genannten gehen – das sind die Rückmeldungen, die wir bekommen Absolventinnen und Absolventen, die aus diesen Anpas- haben –, erklären sich auch weniger oft dazu bereit, ein sungsqualifizierungsmaßnahmen kommen? Wie hat sich Studium zu machen und dann abzubrechen. das entwickelt? Wie sieht die Perspektive aus? Auch das ist nämlich ein Grund für die Abbruchquoten. Es ist nicht immer so, dass die Schülerinnen und Schüler es Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, schulisch nicht schaffen oder das Berufsumfeld nicht ih- Arbeit, Gesundheit und Demografie: ren Erwartungen entspricht. Wir haben auch die Situation, dass beispielsweise die Ausbildung zur Gesundheits- und Frau Thelen, danke schön, dass Sie das noch einmal nach- Krankenpflegerin begonnen wird und man dann aber – das fragen. In der Tat ist es wirklich eine Chance, aus der Thema hatten wir gestern – einen Studienplatz bekommt, Pflegehilfe kommend eine Anpassungsqualifizierung zu die Ausbildung abbricht und dann zum Studium geht. Wie machen, um danach in die Krankenpflege einzusteigen. gesagt, auch das ist ein Grund für Abbruchquoten. Das sind so diese Übergänge, die wir haben. Da besteht sicherlich noch einmal eine Chance generell, den Fach- Auch da lässt sich vielleicht eine Korrelation erkennen, kräftebedarf damit noch ein Stück weit zu stillen und noch wenn wir nämlich sehen, dass bei den Schülerinnen und mehr Fachkräfte zu generieren.

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Die konkreten Zahlen, wie viele Personen aus der An- Wir haben das Projekt im Oktober 2019 gestartet. Es dau- passungsqualifizierung sich dann bei diesen Absolventen ert bis Juli 2020. Wir investieren als Land 185.000 Euro. wiederfinden, die es nicht geschafft oder die es geschafft haben, müsste ich Ihnen leider auch nachliefern. Wir wür- Darüber hinaus erhalten die Pflegeschulen Unterstützung. den Ihnen zusagen, die Zahlen noch einmal zu ermitteln, Der Bund gibt Fördermittel für die Schulen vor Ort, und wir damit man noch einmal genau schauen kann, wer von als Land haben dafür die größtmögliche Summe, nämlich denen es geschafft hat und wer nicht. 275.000 Euro in den Jahren 2020 und 2021, ausgeschöpft.

Ansonsten ist gerade die Anpassungsqualifizierung wirk- Dieses Geld soll von den Pflegeschulen verwendet wer- lich eine gute Möglichkeit. Ich glaube, wir sehen sehr moti- den, um vor Ort Kooperationsvereinbarungen zu schließen vierte Krankenpflegehilfe- und Altenpflegehilfekräfte und Kooperationsbeziehungen aufzubauen; denn wenn wir nachher über die Generalistik bzw. eine erfolgreiche Gene- (Abg. Hedi Thelen, CDU: Und erfahrene!) ralistik sprechen, dann ist die Kooperation das A und O.

– erfahrene –, die man auf diesem Weg, wenn sie sagen, Darüber hinaus kommen noch weitere Fördermittel in Hö- ja, ich möchte jetzt in die Krankenpflege, die Altenpflege he von 641.000 Euro zur Unterstützung der Einrichtungen oder künftig in die Generalistik, unterstützen sollte. der praktischen Ausbildung und von den Hochschulen im Rahmen der hochschulischen Pflegeausbildung dazu.

Präsident Hendrik Hering: Last not least – das möchte ich auch erwähnen – fließen Eine abschließende Frage der Kollegin Anklam-Trapp. natürlich auch die Fördermittel des DigitalPakts an die Pflegeschulen, weil wir uns auch dort auf das Thema „4.0“ einstellen müssen. Auch dort müssen die Gesundheits- Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: fachberufe fit gemacht werden, und das bedeutet natürlich an erster Stelle, dass die Rahmenbedingungen in den Sehr geehrte Frau Ministerin, in Rheinland-Pfalz gibt es Schulen entsprechend stimmen. Hier haben wir uns sehr 78 Krankenpflegeschulen, die gerade im Sinne der Ausbil- dafür eingesetzt, dass die Mittel aus dem DigitalPakt den dung eine ganz besondere Arbeit leisten. Gibt es Möglich- Pflegeschulen zugute kommen. keiten seitens des Landes, diese Krankenpflegeschulen zu unterstützen, und welche wären das? Präsident Hendrik Hering: Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Vielen Dank. Damit ist die Anfrage beantwortet. Arbeit, Gesundheit und Demografie: (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS Vielen Dank, Frau Anklam-Trapp. In der Tat sind es 78 Pfle- 90/DIE GRÜNEN) geschulen, die jetzt alle vor der Herausforderung der Ge- neralistik stehen. Auf der anderen Seite haben wir die Ich rufe die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Jür- Herausforderung, den Fachkräftebedarf für die Zukunft zu gen Klein (AfD), Nitratmessstellen – Nummer 3 der decken. Drucksache 17/11129 – betreffend, auf.

Da ist es uns als Landesregierung natürlich ein Herzens- anliegen, diese Schulen zu unterstützen. So haben wir mit Abg. Jürgen Klein, AfD: dem Experten Professor Weidner ein eigenes Programm 1. Von wie vielen Nitratmessstellen übermittelt das zur Schulung auf den Weg gebracht, ein Landesprojekt „In- Land Rheinland-Pfalz die Werte an die EU- formation, Schulung und Beratung der Pflegeschulen zur Kommission? Einführung und Umsetzung des Pflegeberufegesetzes“, in 2. Von wie vielen Nitratmessstellen übermittelt das dem wir diesen 78 Schulen wirklich konkrete Unterstüt- Land Rheinland-Pfalz die Werte an die EU- zung anbieten, damit sie den Sprung in die neue Zeit vor Umweltagentur? dem Hintergrund dieser Herausforderung schaffen und gut 3. In welchen Tiefen werden die Werte ermittelt? gestalten können. 4. Haben Bundesbehörden einen Einfluss auf die Mess- stellenverteilung in Rheinland-Pfalz? Wir bieten den Pflegeschulen, weil sie sehr unterschied- lich sind, bei diesem Projekt fünf verschiedene Module zur Beratung und vor allen Dingen zur Fortbildung – auch das Präsident Hendrik Hering: ist ganz wichtig – an. Wir müssen die Pflegeschulen fit für die Zukunft machen und sie bei dem, was das Thema Für die Landesregierung antwortet Staatsministerin Höf- „Generalistik“ angeht, unterstützen. ken.

So umfassen diese Module zum Beispiel theoretische und Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- konzeptionelle Grundlegungen zur Generalistik. Es geht rung und Forsten: aber auch – ich glaube, das ist für diese 78 Pflegeschulen ganz wichtig für ihren Alltag – um Hilfe bei der Entwicklung Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und und Implementierung von schulinternen Curricula. Auch Kollegen! Ja, die Messstellen sind wieder schuld, wie im- da müssen sich die Pflegeschulen auf einen neuen Weg mer, ob es jetzt um Luftreinhaltung und Diesel oder um machen. Auch hier erhalten sie Unterstützung. Ultrafeinstaub und Kerosin geht.

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Tatsächlich muss man aber sagen, natürlich muss es an nisterium für Ernährung und Landwirtschaft herausgegebe- die Ursachen dieser Probleme gehen. Da müssen wir ein- nen Nitratbericht der Bundesregierung, der alle vier Jahre fach sehen, dass wir im Land Rheinland-Pfalz durchaus der Kommission vorzulegen ist. eine Problematik haben. Die nächste Frage richtet sich auf die Messtiefe. Die Mess- Unser Trinkwasser gewinnen wir zu 95 % aus dem Grund- stellen erschließen in der Regel den oberflächennahen wasser, und wenn das Rohwasser einen Nitratgehalt von Grundwasserleiter. Dazu werden auch 30 Quellen beprobt. mehr als 50 mg/l hat, müssen die Wasserwerke einschrei- Es handelt sich da um den natürlichen Austritt des Grund- ten. Dem muss dann mit kostenaufwändigen Maßnahmen wassers an die Oberfläche. wie der Verschneidung von unbelastetem Wasser begeg- net werden. Durch teure Pumpkosten, tiefere Brunnen, Von den übrigen Messstellen weisen fünf eine Tiefe von Erschließungs- und Betriebskosten oder sogar technische weniger als 5 m unter Messpunkthöhe, elf eine Tiefe zwi- Stickstoffentfernung, die sehr teuer ist, nimmt die Gebüh- schen 10 m und 20 m und 23 eine Tiefe von mehr als renbelastung häufig um etwa 1 Euro pro Kubikmeter zu. 20 m auf. Vor der Entnahme der Grundwasserprobe wer- den die Messstellen nach definierten Kriterien – Hydraulik, Das können wir alle nicht wollen. Das wollen auch die Bau- Beschaffenheit – abgepumpt, sodass es sich um eine re- ern selbstverständlich nicht, und deswegen ist der Erhalt präsentative Mischprobe handelt. des Wassers unsere Verantwortung und unsere Aufgabe. Zu Frage 4: Die Einrichtung der Messstellen geht Natürlich hat das auch etwas mit Landwirtschaft zu tun; auf eine Handlungsanweisung der Bund/Länder- denn Stickstoffüberschüsse konnten in den letzten Jahren Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) zurück, die zwischen trotz der Anstrengungen, die auch bei uns unternommen dem Bund und den Ländern abgestimmt ist. Da setzt kein worden sind, nicht verringert werden. Insofern ist es wich- Land irgendwo willkürlich etwas hin, sondern maßgeblich tig, dass es hier zu einer guten Einhaltung der europäi- für die Standortauswahl ist der Grundwasserstrom – das schen Gesetze kommt. heißt das Einzugsgebiet der Messstelle –, der auf die jeweilige Messstelle zuläuft. Frau Klöckner, die Bundesministerin, wollte in Montabaur

(Unruhe im Hause – Präsident Hendrik Hering: Glocke des Präsidenten) Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klein. dafür gelobt werden, dass die Bauern wegen der Gesetzes- verstöße der Bundesregierung einen Wettbewerbsvorteil Abg. Jürgen Klein, AfD: gegenüber ihren europäischen Kollegen hatten. Die Bau- ern haben nicht geklatscht; denn das ist natürlich keine Danke, Frau Ministerin. – Eine weitere Frage: Sind bei der verantwortungsvolle Politik. Wir wollen Lösungen gemein- Messstellenverteilung die verschiedenen Eigenarten und sam mit der Landwirtschaft. Raumordnungsplanungen von Rheinland-Pfalz berücksich- tigt worden? Es gibt heute die „Bauernmilliarde“. Das hat das Bundes- (Staatsministerin Ulrike Höfken geht kurz kabinett beschlossen. Damit ist wahrscheinlich die Zustim- zu ihrem Platz und zurück zum Redepult – mung der CDU/CSU zur Düngeverordnung verbunden. Ich Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Soll er das sage einmal, das ist so eine Art Schmerzensgeld. noch einmal wiederholen?) (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ja!) Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- Ganz klar ist aber auch, dass wir natürlich hier die Unter- rung und Forsten: stützung brauchen. Wir brauchen sie übrigens auch bei der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). – Entschuldigung! Nein, schon gut, ich habe das schon verstanden. Also, wir wollen gemeinsame Lösungen haben. Wir sehen (Abg. Alexander Licht, CDU: Sie hat die hier bessere Möglichkeiten – sowohl für das Trinkwasser Frage erwartet!) als auch für die Landwirtschaft selbst – als die praxisfernen Vorschläge der Bundesregierung. Die Raumordnungsplanung ist eigentlich nicht so relevant. Es geht um die Geologie und den Standort, den Boden Nach meiner Vorbemerkung komme ich zu Frage 1 bzw. und die Grundwasserströme. Ich kann sagen, was zu den darf ich die Fragen 1 und 2 zusammen beantworten. Das Kriterien für die EUA-Messstellen – ich glaube, danach Landesamt für Umwelt sendet jährlich die Ergebnisse von haben Sie gefragt – gemeldet wird. 69 Messstellen der Europäischen Umweltagentur (EUA), sogenannten EUA-Messstellen, an das Umweltbundesamt. Bisher wurde das bis 2014 von der Bund-Länder- Die Daten werden jährlich an die Europäische Umwelt- Arbeitsgemeinschaft festgelegt. Das neue, seit 2015 gel- agentur weitergeleitet. tende Messnetz besteht aus den – bis 2014 – alten EUA- Nitratmessstellen, sofern in deren Einzugsgebiet landwirt- Andererseits ist eine Teilmenge dieser Daten Grundlage schaftliche Bodennutzung vorherrscht, entsprechend der für den gemeinsam vom Bundesministerium für Umwelt, Hauptnutzflächenverteilung im Land repräsentativ aus- Naturschutz und nukleare Sicherheit und dem Bundesmi- gewählten Zusatzmessstellen und möglichst nah an der

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Grundwasseroberfläche verfilterten Messstellen in nicht Das ist auch mit ein Grund, warum unser Wald stirbt. Wir abgedeckten Grundwasserleitern sowie Messstellen, die müssen schauen, dass wir die Grundwasserneubildung anteilig für Bereiche mit reduziertem Grundwassermilieu auch befördern, indem wir die Klimaveränderung bekämp- stehen, und Messstellen, deren Beobachtungen zumindest fen. Aber wir müssen unser Wasser rein halten. Darum bis zum Jahr 2008 zurückreichen. sind alle Anstrengungen erforderlich, um diese Wasser- reinhaltung zu erzielen.

Präsident Hendrik Hering: Wir sind überzeugt, dass wir dies gemeinsam mit der Land- Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Schmitt. wirtschaft schaffen können.

Abg. Arnold Schmitt, CDU: Präsident Hendrik Hering:

Frau Ministerin, Sie haben eben die Bauernmilliarde, die Mir liegen jetzt noch vier weitere Zusatzfragen vor, danach der Bund jetzt den betroffenen Bauern zur Verfügung stellt, betrachte ich die Frage als beantwortet. lobend erwähnt. Denkt das Land Rheinland-Pfalz auch daran, den Bauern, die in ihrer Bewirtschaftung stark ein- Zunächst die Kollegin Blatzheim-Roegler. geschränkt werden, Hilfe zukommen zu lassen?

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- NEN: rung und Forsten: Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrte Frau Minis- Herr Schmitt, Sie wissen, dass wir seit vielen Jahren terin, die Düngeverordnung wird allgemein als große Her- – auch dank der Mittel des Wasserscents – in Rheinland- ausforderung für die Landwirtschaft angesehen. Welche Pfalz das Programm „Gewässerschonende Landwirtschaft“ Lösungsansätze schlagen Sie vor? fahren. Das ist mit vielen Millionen Euro ausgestattet, mit denen wir die Bauern darin unterstützen, gewässerscho- nend zu arbeiten. Das ist ein Programm, das sehr gut Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- angenommen wird. Ich gehe davon aus, dass dieses Geld rung und Forsten: über die GAK ausgezahlt wird. Wir wissen es nicht. Natürlich ist es nötig, dass die Düngung auf den Bedarf Trotzdem will ich darauf hinweisen, dass die Schäden auch der Pflanzen reduziert wird. Das war der Ansatz, den wir bei den Wasserversorgern und Gebührenzahlern liegen. immer versucht haben zu befördern Auch dafür müsste man dann entsprechende Unterstüt- zung verlangen. (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Richtig!)

Präsident Hendrik Hering: und gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium um- Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Hartenfels. setzen, indem wir das Modell der Binnendifferenzierung, also der Modellierung, angehen und umsetzen.

Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das heißt, man muss nicht nur die Imissionen betrachten – die Situation der Grundwasserkörper, die übrigens in lan- Frau Ministerin, könnten Sie noch einmal etwas zur Bedeu- gen Jahrzehnten auch vorher entstanden ist –, sondern wir tung des Nitrateintrags für die Qualität unseres Grundwas- müssen uns stärker auf die Emissionen beziehen. Diesen sers und damit unseres Trinkwassers sagen? Weg zu gehen ist der Ansatz, den auch andere Länder vorschlagen. Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- rung und Forsten: Nun ist es so, dass die Bundesregierung morgen endgültig ihre Vorschläge bei der EU-Kommission einreicht. Ich weiß Das ist für uns ein wichtiger Parameter für die Qualität nicht, ob unsere Vorschläge Gehör finden. Auf jeden Fall unseres Trinkwassers. Ich sage einmal, auch vor dem Hin- werden wir weiterhin daran arbeiten, dass wir angepass- tergrund der Klimaveränderung und der mangelnden und te Lösungen und eine Unterstützung der Landwirtschaft stark zurückgehenden Grundwasserneubildung müssen bekommen. Wir wollen auf jeden Fall die Erzeugung, bei- wir umso stärker darauf achten, dass unser Grundwasser spielsweise im Gemüseanbau, in Rheinland-Pfalz erhalten. geschützt wird. Wir möchten unsere bäuerliche Landwirtschaft erhalten.

Ich denke, das muss unser Anliegen in den Kommunen Das Infame ist, dass die Vorschläge von Frau Klöckner aus- sein, das der Bürgerinnen und Bürger und auch für die gerechnet unsere bäuerliche Landwirtschaft in Rheinland- nächste Generation. Die Grundwasserneubildung ist in Pfalz besonders treffen. Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren massiv zurückgegan- gen, im Durchschnitt um 20 %, also von im Mittel 100 mm/a auf 80 mm/a. In den trockenen Gebieten in Rheinhessen, Präsident Hendrik Hering: im Westerwald beispielsweise, ging sie sogar kleinräumig um über 40 % zurück. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Klein.

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Abg. Jürgen Klein, AfD: Landwirtschaft und die liegen übrigens auch in den Mög- lichkeiten der Sortenwahl. Ich glaube, dass vieles noch Sind bei den Messstellen hinsichtlich der geologischen For- nicht ausgeschöpft ist. Die Minderungspotenziale werden mationen verschiedene Untersuchungen gemacht worden, wir in Rheinland-Pfalz mit unseren Programmen unterstüt- wie stark die Nitratwerte beeinflusst werden? zen. Das werden die DLR unterstützen, und ich erwarte auch von der Bundesregierung, dass sie in der Forschung und Entwicklung dazu beiträgt. Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- rung und Forsten: Ich habe das Argument schon öfter gehört. Ich habe eben Präsident Hendrik Hering: gesagt, dass die Geologie natürlich ein Parameter ist. Es Eine abschließende Zusatzfrage des Abgeordneten gibt immer wieder die Argumentation – auch in den vielen Schmitt. Diskussionen, die ich mit den Vertretern der Landwirtschaft führe –, es gebe nitrathaltiges Gestein oder so etwas und alle möglichen Verunreinigungen, die auch durch Abwas- Abg. Arnold Schmitt, CDU: serleitungen oder so etwas kommen. Frau Ministerin, wie konnte es denn dazu kommen, dass Tatsächlich gibt es das. Es spielt aber flächenmäßig über- bei den wenigen Messstellen, die wir haben, nur die Mess- haupt keine Rolle und ist nicht relevant. In Rheinland-Pfalz stellen gemeldet werden, die hohe Nitratwerte haben, haben wir keine nitrathaltigen Gesteine. (Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!) Präsident Hendrik Hering: und nicht wie im Vergleich zu anderen EU-Ländern ganz Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Steinbach. andere Dinge gemeldet wurden?

(Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS Abg. Nico Steinbach, SPD: 90/DIE GRÜNEN: Fake News!) Frau Ministerin, Sie sprachen eben in Ihren Ausführungen von hydraulischen Überprüfungen vor Probenentnahmen. Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- Es kursieren momentan, gerade im landwirtschaftlichem rung und Forsten: Bereich, viele Verschwörungstheorien, was die Qualität bzw. die technische Qualität der Messstellen angeht. Kön- Der Vergleich zu EU-Ländern ist an dieser Stelle ein nen wir davon ausgehen, dass die Messstellen vor jeder schlechter Vergleich, weil wir das Land sind, das die Ge- Probenentnahme auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft wer- setze und EU-Verordnungen nicht einhält. den und sie dann ordnungsgemäße Werte produzieren? Die haben vielleicht das Ganze besser eingehalten

Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- (Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS rung und Forsten: 90/DIE GRÜNEN: Ja!)

Es läuft alles genau nach Vorschrift ab. Es hat zwei Über- und sich schon viel länger auf eine – ich sage einmal – prüfungen vonseiten der EU gegeben, die alles in einem weniger belastende Vorgehensweise eingestellt. Aber na- guten Zustand gesehen hat. Natürlich haben wir zugesagt türlich ist das eine Unterstellung – übrigens nicht erst seit gestern –, dass wir allen Hinwei- sen nachgehen. (Unruhe im Hause – Glocke des Präsidenten) Ich muss allerdings sagen, im Moment gibt es so viele Anfragen, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sagen, da werden nur die belasteten Messstellen ge- derart überflutet sind von Nachfragen zu einzelnen Mess- meldet. Das ist natürlich völliger Quatsch. Es wird das stellen, dass sie kaum hinterherkommen und vor allem die gemeldet, was da ist. wichtige Arbeit, die sie für die Modellierung leisten müssen, gar nicht hinbekommen. Insgesamt haben wir übrigens 1.600 Messstellen. Wir kön- nen noch das Doppelte hinzu tun, dadurch wird sich die Wir haben ein FAQ verfasst, das auf unserer Homepage Belastung des Wassers nicht reduzieren. Wir werden dafür nachzulesen ist und viele Antworten gibt. Vielleicht ist das sorgen, dass wir mit der Modellierung auch die Einträge eine Anregung, da hineinzusehen. Es ist wirklich unser betrachten. Ich halte das für den besseren und schnelleren Ansinnen, die Fragen zu beantworten und, wenn es Pro- Weg, um auf die Belastungen reagieren zu können. bleme zu Messstellen gibt, diese auch zu lösen. Dann spielt übrigens auch die Messstellenfrage keine so Ich sage aber noch einmal: Die Belastung des Grundwas- besondere Rolle mehr. sers ist kein Problem der Messstellen, sondern letztendlich eines, das tatsächlich vorhanden ist, das wir nicht wegre- Präsident Hendrik Hering: den können und wofür wir Lösungswege brauchen. Die liegen in der Landtechnik, in der gewässerschonenden Vielen Dank, damit ist die Anfrage beantwortet.

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(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, 438,7 Millionen Euro an Bundesautobahnen und Bundes- der SPD und der FDP – straßen verbauen. Damit konnten wir 7 Millionen Euro Unruhe im Hause) mehr an Bundesmitteln in den Erhalt und Ausbau der Bun- desfernstraßen in Rheinland-Pfalz investieren als ursprüng- Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Lärmpegel ist zu lich vorgesehen. hoch. Verehrter Herr Kollege Licht, sich über sechs Bänke hinweg zu unterhalten, ist einfach zu laut. Zu Frage 2: Der Landesbetrieb Mobilität beobachtet bei der Auftragsvergabe und Auftragsentwicklung durch die (Abg. Alexander Licht, CDU: Es sind nur Baufirmen, dass die im Bundesfernstraßenbau umzuset- drei! – zenden größeren Baulose von den Baufirmen in der Regel Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU – gut bedient und meist zügig umgesetzt werden. Etwas an- Abg. Martin Haller, SPD: Das muss man ders verhält es sich bei den in der Regel eher kleinteiligen aber erst einmal hinkriegen!) Baumaßnahmen im Landes- und Kreisstraßenbau. – Nein, Sie haben auch mit Herrn Dr. Braun gesprochen, Sowohl die bereits laufenden als auch die im vergangenen da waren es schon fünf. Jahr vom LBM auf den Markt gebrachten und betreuten (Heiterkeit im Hause) Baumaßnahmen im Bundesfernstraßenbau verliefen so positiv, dass mehr Mittel verbaut werden konnten als vor- Wir kommen damit zur Mündlichen Anfrage der Ab- gesehen waren. Dafür gehört auch der Bauwirtschaft und geordneten Steven Wink und Cornelia Willius-Senzer den Ingenieurbüros entsprechender Dank. (FDP), Investitionen in den Fernstraßenbau – Num- Zu Frage 3: Im aktuellen Haushalt wurden 35 Stellen im mer 4 der Drucksache 17/11129 – betreffend. technischen Bereich geschaffen, von denen 20 bereits be- setzt werden konnten. An Ingenieurinnen und Ingenieuren Wer trägt vor? – Der Abgeordnete Wink trägt die Fragen konnten im Rahmen der neu geschaffenen Stellen bislang vor. 17 Neueinstellungen gewonnen werden. Die etwa aufgrund altersbedingten Ausscheidens derzeit noch offenen rund Abg. Steven Wink, FDP: 60 Planstellen sind zur Besetzung ausgeschrieben.

Vielen Dank. – Wir fragen die Landesregierung: Die Leistungen des Landesbetriebs Mobilität in den ver- gangenen Jahren waren wirklich herausragend, insbeson- 1. Wie hoch waren Summen der geplanten bzw. re- dere wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass das neue al verbauten Mittel für den Fernstraßenbau im Jahr Personal auch eingearbeitet werden muss, was die be- 2019? reits vorhandenen Kapazitäten eher belastet, als sie gleich 2. Aus welchen Gründen konnten mehr Mittel investiert zu entlasten. Hinzu kommt, dass beim LBM unterjährig werden als vorgesehen? neu eingestellte Kräfte zunächst eine gewisse Einarbei- 3. Konnten alle beim Landesbetrieb Mobilität im Rah- tungszeit benötigen, bis sie die in den Personalbedarfsbe- men des aktuellen Landeshaushalts geschaffenen rechnungen unterstellte volle Arbeitsleistung tatsächlich Stellen für Ingenieurinnen und Ingenieure besetzt erbringen können. werden, und falls ja, welche Auswirkungen hat dies auf die Planungs- und Investitionsmöglichkeiten des Dieses Ergebnis konnte nur durch das große Engagement Verkehrsministeriums? der Beschäftigten erzielt werden. Der LBM ist mit viel En- 4. Welche Projekte konnten durch die höheren Investi- gagement dabei, neues Personal zu gewinnen, um das tionen realisiert werden? hohe Leistungsniveau auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.

Zu Frage 4: Von den insgesamt verbauten 438,7 Millionen Präsident Hendrik Hering: Euro flossen 287,5 Millionen Euro in den Erhalt der Bun- desstraßen und Autobahnen, 112 Millionen Euro in den Für die Landesregierung antwortet Verkehrsminister Neubau, 34,1 Millionen Euro in den Um- und Ausbau sowie Dr. Wissing. weitere 5,1 Millionen Euro in Radwege an Bundesstraßen.

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Zu den großen Projekten im vergangenen Jahr gehörten Landwirtschaft und Weinbau: der im November eröffnete Hochmoselübergang, der vier- streifige Ausbau der B 10 und die sechsstreifigen Ausbau- Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kol- maßnahmen an der A 6 bei Kaiserslautern und der A 61 lege Wink, die Mündliche Anfrage nehme ich gerne zum im Hunsrück. Anlass, hier im Plenum die hohe Leistungsfähigkeit des Landesbetriebs Mobilität im Bundesfernstraßenbau im ver- Darüber hinaus wurden auch die vier Ortsumgehungen gangenen Jahr aufzuzeigen. in Impflingen, Hochstetten-Dhaun, Imsweiler, Bad Berg- zabern, die Südumgehung Worms und der Tunnel in Diez Im Einzelnen beantworte ich die Fragen wie folgt: weiter baulich umgesetzt.

Zu Frage 1: Im Bundesfernstraßenbau waren im vergan- Ich möchte die Gelegenheit nutzen, die Bauleistungen genen Jahr Mittel in Höhe von 431,7 Millionen Euro einge- an den Bundesautobahnen in den Blick zu nehmen. Das plant. Tatsächlich konnte der Landesbetrieb Mobilität rund Autobahnamt in Montabaur ist ein Garant für die engagier-

6612 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 te Umsetzung der Baumittel in die rheinland-pfälzischen Landwirtschaft und Weinbau: Autobahnen. Ihnen ist bekannt, dass die Verwaltung der Die großen Infrastrukturprojekte, die insbesondere im Bun- Bundesautobahnen zum 1. Januar kommenden Jahres an desfernstraßenbau anstehen, haben natürlich gewisse In- die Autobahn GmbH wechseln wird. vestitionszyklen. Wenn Sie sich den Hochmoselübergang anschauen, dann können Sie nicht davon ausgehen, dass Auch wenn für uns in Rheinland-Pfalz der Standort Monta- Sie in jedem Jahr bei einem solchen Infrastrukturprojekt baur bleibt, wird das Jahr 2020 gleichwohl von einer Viel- die gleiche Summe verbauen können. Sie haben bestimm- zahl von Maßnahmen und Strukturanpassungen für den te Planungsphasen, auch bestimmte Phasen, in denen Sie einzuleitenden Wechsel geprägt sein, damit dieser mög- Spezialmaterial beschaffen müssen. Deswegen kann man lichst effizient verlaufen kann. Wir sind in guten Gesprä- diese Zweijahreszeiträume nicht vergleichen. chen mit den Verantwortlichen bei der Autobahn GmbH und leisten selbstverständlich alle denkbare Unterstützung, Diese Projekte sind, wenn ich noch einmal die Brücke in damit dieser Wechsel so reibungslos wie möglich vollzo- Erinnerung rufe, nichts anderes als die Herstellung von gen werden kann. Unikaten. Das sind einmalige Bauwerke, die sehr spezi- elle ingenieurtechnische Anforderungen erfüllen müssen. Präsident Hendrik Hering: Insofern ist dieser Jahresvergleich nicht aussagekräftig. Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Martin. Präsident Hendrik Hering:

Abg. Dr. Helmut Martin, CDU: Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Wäschenbach. Herr Minister, die Tatsache, dass das zur Verfügung ge- stellte Budget sogar überschritten wurde, ist jetzt Grund Abg. Michael Wäschenbach, CDU: für diverse Pressemitteilungen. Vor dem Hintergrund frage Herr Minister, seit 27 Jahren wird der Lückenschluss der ich mich Folgendes: Sie hatten, als sich die Situation im Ortsumgehung Rennerod B 54 neu zwischen Nordrhein- Jahr 2017 noch andersherum darstellte, in einer Presse- Westfalen und Hessen geplant. Wie hoch schätzen Sie mitteilung gesagt, dass es sinnvoll wäre, die Bundesmittel den Anteil der Wiederholungsplanungen bei einem solch möglichst hoch anzusetzen und lieber zu riskieren, dass langen Zeitraum ein, bei dem immer wieder, zum Beispiel nicht alle Mittel verbaut werden. Jetzt könnte man die Fra- auch aufgrund naturschutzfachlicher Belange, der LBM ge stellen: Haben Sie diesmal die Mittel einfach nicht hoch seine Planungen erneuern und wiederholen muss? genug beantragt, auch vor dem Hintergrund des Volumens, das im Jahr 2018 verbaut wurde? Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: Ich habe in diesem Hohen Hause schon öfter betont, dass ich die Planungsvorschriften für mehr als problematisch Diese Unterstellung ist unzutreffend. Wir haben selbst- halte, weil wir in Deutschland zu lange Planungsphasen verständlich die Mittel auch im vergangenen Jahr wieder haben. Im vergangenen Dezember war ich bei der EU- hoch angesetzt. Wir machen eine prognostische Berech- Kommission und habe dort noch einmal die Probleme erör- nung, was wir an Mitteln verbauen können, und setzen tert, vor denen wir stehen. Das ist ein deutsches Problem. das hoch an. Weil wir so leistungsfähig sind und der LBM Wir haben in Deutschland auf der gleichen Grundlage so stark von der Landesregierung ertüchtigt worden ist, der europäischen Vorschriften längere Planungsphasen konnte selbst dieser hohe Ansatz im vergangenen Jahr aufgrund der Bundesgesetzgebung. Wir sind als Landes- überschritten werden. regierung entschlossen, einen Beitrag im Bundesrat dazu zu leisten, dass es zu Planungsbeschleunigungen kommt. Präsident Hendrik Hering: Dazu müsste die Bundesregierung einen engagierten Vor- Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Dr. Bollinger. stoß machen. Es soll in dieser Woche ein kleines Pla- nungsbeschleunigungsgesetz geben. Das löst noch nicht alle Probleme in diesem Bereich. Insofern ist es in der Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Tat so, dass es zu lange Planungsphasen in Deutschland gibt, die weitaus länger sind als in anderen europäischen Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Minister, im Jahr 2018 Mitgliedstaaten. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf wurden 450 Millionen Euro für den Bau von Bundesfern- Projekte, wie Sie sie eben genannt haben. straßen angemeldet und davon 444 Millionen Euro umge- setzt. Das bedeutet, die Umsetzungsquote ist im Vergleich Insofern setze ich mich dafür ein, dass wir in den nächsten des Jahres 2019 zum Jahr 2018 besser geworden, was ich Jahren eine Planungsbeschleunigungsregelung bekom- lobe, aber der Umfang der Mittel ist insgesamt gesunken. men. Ich hoffe, dass ich auch viel Unterstützung von der Können Sie mir erklären, woran das angesichts durchaus Bundesregierung dazu habe. vorhandenen Baubedarfs auch auf rheinland-pfälzischen Bundesstraßen liegt? Präsident Hendrik Hering: Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Eine Zusatzfrage des Abgeordneten Licht.

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Abg. Alexander Licht, CDU: auch mehr Mittel verbauen, als wir uns selbst vorstellen konnten. Herr Minister, Sie haben in Ihren Antworten eben Teile aus der Personalplanung genauer skizziert. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, sprachen Sie von 35 ausgeschrie- Präsident Hendrik Hering: benen Stellen, von denen 20 besetzt sind, und darüber hinaus von 60 offenen Planstellen. Mir liegen noch vier Zusatzfragen vor. Danach betrachte ich die Anfrage als beantwortet. Zunächst Abgeordneter Können Sie sagen, was die Ursache dafür ist und was die Dr. Martin. Folge dieser sehr schwierigen Situation beim LBM ist, was die personelle Situation angeht? Abg. Dr. Helmut Martin, CDU: Vielen Dank. – Herr Minister, Sie haben vor einem Jahr Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, in der Antwort auf eine Kleine Anfrage gesagt, die Ausga- Landwirtschaft und Weinbau: benentwicklung hängt wesentlich von der Witterung, den Ich habe vorhin darauf hingewiesen, es gibt Mitarbeiterin- Kapazitäten der Bauwirtschaft und der Rechnungsstellung nen und Mitarbeiter, die altersbedingt aus dem Landesbe- der Baufirmen ab. Abweichungen bis zu 5 % des Zielwerts trieb Mobilität ausscheiden. Es ist eine große Herausfor- sind daher üblich. derung sowohl für die öffentliche Hand als auch für jedes Ich frage Sie: Bewegt sich die Abweichung von 7 Millionen Wirtschaftsunternehmen, vor dem Hintergrund des gegen- Euro, die Sie jetzt festgestellt haben, im Rahmen des Übli- wärtigen Fachkräftemangels die Stellen wiederzubesetzen, chen? Ja oder nein? die durch altersbedingtes Ausscheiden frei werden. Vor dieser Herausforderung stehen wir alle. Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Gleichwohl sind wir gut vorangekommen. Ich habe seit Landwirtschaft und Weinbau: dem Jahr 2016 beim Landesbetrieb Mobilität insgesamt 187 Stellen im technischen Bereich für die Umsetzung der Ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, was es genau für eine zusätzlichen Mittel und für andere zugewachsene Ausga- Situation war. Aber diese Zahlen sprechen für sich. Der ben geschaffen. Landesbetrieb konnte – das ist seit vielen Jahren nicht möglich gewesen – mehr an Bundesmitteln abrufen, als Anfangs hatten wir noch eine gute Quote, was die Beset- die Berechnungen zu Beginn des Jahres uns vorgegeben zung dieser Stellen angeht. In der Tat tun wir uns aus haben. Vor dem Hintergrund kann ich mich nur darauf Gründen des Fachkräftemangels gegenwärtig schwer, die beziehen, dass diese verbauten Mittel ein deutliches In- Stellen, die durch altersbedingtes Ausscheiden frei ge- diz dafür sind, dass der Landesbetrieb Mobilität personell worden sind, kurzfristig neu zu besetzen. Dieses Problem stark ausgestattet und in seiner Leistungsfähigkeit deutlich haben alle Verkehrsminister in Deutschland und auch alle, ertüchtigt worden ist. die am Wirtschaftsleben teilnehmen.

(Abg. Alexander Licht, CDU: Die Folgen!) Präsident Hendrik Hering: Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Jutta Blatzheim- Roegler. Präsident Hendrik Hering: Es liegen noch vier Zusatzfragen vor. Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Vielen Dank. – Herr Minister, im Neubau von Fernstraßen, Landwirtschaft und Weinbau: wie zum Beispiel der B 50 neu, ist der Bund Baulastträger. Entschuldigen Sie, Herr Präsident, wenn ich Sie unterbre- Inwieweit ist er auch verantwortlich und zuständig für die che. Herr Licht wollte noch etwas zu den Folgen wissen. begleitende Mobilfunkausstattung?

In der Regionalzeitung war zu lesen, dass sich ein regiona- Präsident Hendrik Hering: ler Abgeordneter vom Funkloch getroffen gefühlt hat und eine entsprechende Anfrage an die Landesregierung stel- Bitte schön. len will. Meines Wissens ist die Abdeckung des Mobilfunks Bundessache. Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau: Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Die Folgen sind natürlich die, dass jemand, der nicht ein- Landwirtschaft und Weinbau: gestellt ist, beim LBM nicht arbeiten kann. Das ist vollkommen richtig. Die Zuständigkeit liegt hierfür beim Bund. Insofern wäre die Anfrage dann an die Bun- Wenn Sie sich die Situation anschauen, so haben wir 187 desregierung zu richten. zusätzlich geschaffene Stellen. Wir sind heute wesentlich schlagkräftiger beim LBM, als dies 2016 der Fall war. Des- (Abg. Alexander Licht, CDU: So ein wegen konnten wir beispielsweise im vergangenen Jahr Quatsch!)

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Präsident Hendrik Hering: (Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dann haben wir das jetzt auch geklärt. Ich rufe die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Jut- Zu einer Zusatzfrage hat der Abgeordnete Reichert das ta Blatzheim-Roegler und Pia Schellhammer (BÜND- Wort. NIS 90/DIE GRÜNEN), Medizinische Soforthilfe nach einer Vergewaltigung – Nummer 5 der Drucksache 17/11129 – betreffend, auf. Wer trägt vor? – Bitte schön, Abg. Christof Reichert, CDU: Frau Blatzheim-Roegler. Herr Minister, liegt der Grund für die mehr verausgabten Mittel darin, dass mehr Projekte als ursprünglich geplant gebaut werden konnten, oder basieren die Mehrausgaben Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- auf Preissteigerungen im Baubereich? Konkret: Wurden NEN: tatsächlich mehr Projekte abgewickelt? 1. Wie wird das Angebot der medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung bisher in Mainz und in Worms angenommen? Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, 2. Gibt es weitere geplante Projektstandorte in Landwirtschaft und Weinbau: Rheinland-Pfalz? Wir haben natürlich generell eine Preissteigerung. Das ist 3. Was unterscheidet das Konzept der „Medizinischen so. Gleichwohl ist natürlich bei der Prognose, die wir zu Soforthilfe nach Vergewaltigung“ von den Angeboten Beginn des Jahres abgeben, die zu erwartende Preisstei- in anderen Ländern, Spuren nach Vergewaltigung zu gerung mit einberechnet, sodass in der Meldung der Zahl sichern? beim Bund – es waren ursprünglich nicht diese 438,7 Mil- 4. Wie ist der Sachstand hinsichtlich der Ankündigung lionen Euro, sondern 431,7 Millionen Euro – die zu erwar- des Bundes, in die Finanzierung der vertraulichen tenden Preissteigerungen schon enthalten sind. Spurensicherung einzusteigen?

Präsident Hendrik Hering: Präsident Hendrik Hering: Eine abschließende Frage des Abgeordneten Wäschen- Für die Landesregierung antwortet Staatsministerin Spie- bach. gel.

Abg. Michael Wäschenbach, CDU: Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Herr Minister, warum nutzt die Landesregierung zur Inves- Integration und Verbraucherschutz: titionsbeschleunigung nicht mehr das Mittel der externen Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Planungsvergabe an Ingenieurbüros? Ich beantworte die Mündliche Anfrage Nummer 5 seitens der Landesregierung wie folgt:

Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Vergewaltigung ist ein Verbrechen, das immer noch stark Landwirtschaft und Weinbau: tabuisiert ist und die Opfer immer noch stark stigmatisiert. Herr Kollege, diese Frage wird immer wieder an mich her- Vergewaltigung ist ein Verbrechen, das überhaupt nichts angetragen und immer wieder von mir beantwortet. mit Liebe und Zärtlichkeit zu tun hat, sondern mit Macht. Vergewaltigung ist ein Verbrechen, das viele Frauen nicht Das Land nutzt die externen Ingenieurkapazitäten, und nur einmal überleben müssen, sondern jeden Tag aufs zwar in steigendem Maße. Neue.

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wie Das größte Risiko, Opfer einer Vergewaltigung zu werden, kann man so eine Frage stellen! – stellt der eigene Partner bzw. Expartner oder das engste Unruhe im Hause – familiäre und soziale Umfeld dar. Glocke des Präsidenten) Als ich 2016 Frauenministerin wurde, hat mir der Frauen- Es ist allerdings so, dass auch bei den privaten Ingenieur- notruf von einem beeindruckenden Projekt in Frankfurt am büros eingeschränkte Kapazitäten vorhanden sind. Wenn Main erzählt, das mich sofort begeistert hat, weil es eine freie Kapazitäten da sind, rufen wir diese selbstverständ- Lücke schließt, und das ich unbedingt nach Rheinland- lich ab. Ich habe dem Landtag auch schon mehrfach mit- Pfalz holen wollte. geteilt, wie sich die Mittel, die wir in diesem Bereich inves- tieren, gesteigert haben. Insofern ist die These, die in Ihrer Das Projekt „Medizinische Soforthilfe nach Vergewaltigung“ Frage mitschwingt, dass dort freie Kapazitäten vorhanden konnte dann dank der intensiven und großartigen Vorarbeit seien, die es uns ermöglichen würden, noch mehr zu ver- der Frauenotrufe in Mainz und Worms im Februar 2018 bauen, nicht zutreffend. offiziell gestartet werden.

Frauen und Mädchen, die Opfer von sexualisierter Ge- Präsident Hendrik Hering: walt geworden sind, brauchen umgehend eine umfassen- Vielen Dank. Damit ist die Anfrage beantwortet. de medizinische und psychologische Betreuung sowie auf

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Wunsch das Angebot einer vertraulichen Spurensicherung. punkt bieten, wenn sie in Not sind. Nicht zuletzt auch der Rechtsmedizin, ohne deren Expertise das Projekt gar nicht Jede Frau sollte sich nach einer Vergewaltigung durch möglich gewesen wäre. eine Gynäkologin oder einen Gynäkologen untersuchen lassen, sei es in einer Praxis oder der Notaufnahme eines Ich freue mich, feststellen zu können, dass sich die Mühe Krankenhauses. Alle Ärztinnen und Ärzte sind durch ihre aller Beteiligten gelohnt hat. Schon im ersten Jahr 2018 Schweigepflicht gebunden. haben rund 20 Frauen von der medizinischen Soforthilfe nach Vergewaltigung profitiert und eine vertrauliche medizi- Der große Vorteil des Projekts ist, dass die beteiligten Kli- nische Versorgung erhalten. Die Hälfte von ihnen hat auch niken und ihre Ärztinnen und Ärzte besondere Schulungen das Angebot der vertraulichen Spurensicherung genutzt. erhalten haben und besonders sensibel im Umgang mit den Opfern sind. Außerhalb des Projekts hängt die Ver- Im zweiten Projektjahr war bereits ein deutlicher Anstieg sorgung der Frauen sehr davon ab, ob die behandelnden festzustellen. Im Jahr 2019 ließen sich 30 Frauen im Rah- Ärztinnen oder Ärzte bereits Erfahrungen in der Versor- men des Projekts medizinisch versorgen. Am Standort gung von Vergewaltigungsopfern haben. Ärztinnen und Worms haben acht Frauen und am Standort Mainz 22 Frau- Ärzte der beteiligten Kliniken haben hingegen durch den en das Angebot in Anspruch genommen. In Mainz ließen Untersuchungsbogen einen Leitfaden, um Verletzungen sich zehn Frauen ausschließlich medizinisch versorgen, besonders gut und damit auch gerichtsfest dokumentie- und 12 Frauen, also über die Hälfte, nutzten auch die ver- ren zu können, und sind entsprechend rechtsmedizinisch trauliche Spurensicherung. geschult. Zudem besteht auch das Angebot der Spurensi- cherung und -lagerung. Allein an diesen beiden Standorten wurden also seit Pro- jektbeginn insgesamt 50 Frauen nach Vergewaltigung ver- Frauen können sich also sicher sein, dass sie an den Pro- traulich medizinisch und auf Wunsch auch rechtsmedizi- jektstandorten eine sehr gute medizinische Versorgung nisch versorgt und betreut. erhalten und auf Wunsch eine Spurensicherung stattfindet, die gerichtsfest ist. Entscheidend ist, dass die gewaltbetroffene Frau zu kei- nem Zeitpunkt zur Spurensicherung oder gar zu einer An- Die Gynäkologinnen und Gynäkologen der Universitäts- zeige gedrängt wird. Die medizinische Soforthilfe steht bei klinik Mainz und des Klinikums Worms haben sich um- dem Projekt klar im Vordergrund. fassend zu den rechtsmedizinischen Aspekten schulen lassen. Sie führen seither nach einem erprobten standardi- Darüber hinaus haben die Frauennotrufe Anrufe von meh- sierten Verfahren die medizinische Versorgung und – auf reren Frauen erhalten, deren Vergewaltigung schon län- Wunsch der betroffenen Frauen – auch die vertrauliche ger zurückliegt. Durch die gute Öffentlichkeitsarbeit der Spurensicherung durch. Alle beteiligten Kliniken benutzen Frauennotrufe sind diese Frauen auch später noch ermu- die gleichen Untersuchungskids und die gleichen standar- tigt worden, Gesundheitsfragen wie beispielsweise sexu- disierten Dokumentationsbögen. ell übertragbare Krankheiten abzuklären und sich bei der Traumabewältigung unterstützen zu lassen. Dieser Aspekt des Projekts ist sehr wichtig. Bisher können sich Frauen zwar nach einer Vergewaltigung auch bei ihrer Auch das ist ein sehr wichtiger Punkt: Die geleistete Öf- Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt oder einer Klinik un- fentlichkeitsarbeit hat hier Wirkung gezeigt. Es geht um tersuchen und versorgen und auch Spuren sichern lassen. die Grundaussage des Projekts: kein Grund, sich zu schä- Das passiert dann aber nicht anonym, obwohl natürlich die men, sondern sich helfen zu lassen. – Diese Hilfe soll in ärztliche Schweigepflicht gilt. Auch die Spurensicherung Rheinland-Pfalz jede Frau bekommen, egal ob sie den geschieht sehr unterschiedlich, sodass Spuren möglicher- Täter anzeigen möchte oder nicht. weise vielleicht später als nicht gerichtsfest gelten. Zu Frage 2: Die Erfahrungen zeigen, dass sich Frauen und Die Rechtsmedizin bietet bereits seit einiger Zeit in ihrer Mädchen, die sexuelle Übergriffe erlebt haben, nur selten forensischen Ambulanz eine Spurensicherung an und ist jemandem anvertrauen oder Hilfe in Anspruch nehmen. die unumstrittene Expertin, wenn es um die gerichtsfeste Das Erleben sexueller Gewalt ist in der Regel stark mit Sicherung von Spuren bei Gewaltverbrechen geht. Daher Scham besetzt, was es Betroffenen sehr schwer macht, bin ich sehr froh, dass die Rechtsmedizin der Universitäts- sich mitzuteilen. Viele haben zudem Angst, dass die sexu- klinik Mainz nicht nur die Spuren für beide Standorte des ellen Übergriffe ohne ihr Einverständnis polizeiliche Ermitt- Projekts asserviert, sondern auch die beteiligten Ärztinnen lungen nach sich ziehen, wenn die Tat bekannt wird. und Ärzte schult. Mit diesem umfassenden Konzept ist ein hoher Aufwand für alle Beteiligten verbunden. Ich möch- Das Angebot der medizinischen Versorgung und anony- te daher die Gelegenheit nutzen, allen Projektbeteiligten men Spurensicherung nimmt dem Opfer den Entschei- herzlich zu danken. dungsdruck unmittelbar nach dem traumatischen Erleb- nis. Die Betroffene gewinnt die notwendige Zeit, sich zu (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, entscheiden, ohne dass die Spuren durch körperliche der SPD und der FDP) Heilungs- oder Abbauprozesse verloren gehen.

Zuallererst natürlich den Frauennotrufen, die den Impuls Es ist daher mein erklärtes Ziel, ein möglichst flächende- gegeben haben und die Projektträgerinnen sind. Dann ckendes Angebot in Rheinland-Pfalz sicherzustellen. Des- aber auch den Kliniken, die bereit sind, ihre Ärztinnen halb hatten wir von Anfang die schrittweise Ausweitung und Ärzte schulen zu lassen und Frauen einen Anlauf- des Projekts auf weitere Standorte geplant. Ich freue mich

6616 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 deshalb, dass kürzlich, genauer gesagt am 17. Januar, Präsident Hendrik Hering: der Frauennotruf Trier zusammen mit dem Klinikum der Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Blatzheim-Roegler. Borromäerinnen in Trier in unser Projekt eingestiegen ist. Im April steht nun der Projektstart des Frauennotrufs Ko- blenz in Zusammenarbeit mit der Klinik Kemperhof an. Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN: Ich bin mir sicher, dass weitere Standorte folgen werden; denn nur durch eine flächendeckende Ausweitung können Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben gesagt, dass wir allen betroffenen Frauen die Unterstützung bieten, die demnächst an vier Standorten – Mainz, Worms, Koblenz sie in dieser Situation benötigen und sie ohne Angst und und Trier – das Angebot vorgehalten wird. Wie wird ent- Scham annehmen können. schieden, ob ein neuer Projektstandort in Rheinland-Pfalz starten kann? Welche Voraussetzungen müssen vielleicht Krankenhäuser mitbringen, die sich an dem Projekt beteili- Zu Frage 3: Viele Bundesländer haben sich der Thema- gen wollen? Das würde mich noch interessieren. tik ebenfalls angenommen. Das zeigt einmal mehr, dass hier eine grundsätzliche Versorgungslücke für vergewaltig- te Frauen und Mädchen besteht, die es zu schließen gilt. Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Auch die Istanbul-Konvention mahnt genau dies an. Integration und Verbraucherschutz: Frau Abgeordnete Blatzheim-Roegler, zunächst einmal ist Es gibt in anderen Bundesländern auch Konzepte, die aus- entscheidend, dass sich der Frauennotruf vor Ort auf den schließlich auf die vertrauliche Spurensicherung fokussiert Weg macht, Interesse an diesem Projekt zeigt und der sind. Aus der langjährigen Erfahrung der Frauennotrufe jeweilige Notruf vor Ort entscheidet, die Projektverantwor- wissen wir jedoch, dass es betroffenen Frauen unmittelbar tung zu übernehmen. nach dem traumatischen Ereignis häufig in erster Linie dar- um geht, medizinisch umfassend versorgt zu werden und In einem zweiten Schritt muss dann von den Frauennotru- so bald wie nur möglich erst einmal zur Ruhe zu kommen. fen eine Klinik gefunden werden, die bereit ist, in dieses Projekt einzusteigen. Die notwendigen Schulungen der Deshalb haben wir uns in Rheinland-Pfalz auch mit dem Gynäkologinnen und Gynäkologen müssen dem Projekt- landesweiten Runden Tisch für Gewalt in engen sozialen start vorgeschaltet sein. Dann geht es auch darum, dass Beziehungen (RIGG) für ein Konzept entschieden, bei dem natürlich die Rechtsmedizin in Mainz involviert wird, weil eben die qualifizierte und umfassende medizinische Ver- sie mit ihrer Expertise die Spurensicherung für die anderen sorgung im Vordergrund steht. Dieses Konzept wurde vom Standorte vornimmt, sodass man auch hier den Kontakt Frauennotruf Frankfurt entwickelt und wird beispielsweise herstellen muss. auch in Hessen und Baden-Württemberg angewendet und auch dort schrittweise ausgebaut. In diesem Sinne hoffe ich, dass sich weitere Tandems im Land finden, also Frauennotrufe initial zusammen mit einer Zu Frage 4: Im Rahmen der Verabschiedung des soge- Klinik, die sich dann vor Ort auf den Weg machen, um das nannten Masernschutzgesetzes hat der Bundestag auch Projekt durchführen zu wollen. die Regelungen zur vertraulichen Spurensicherung in das Gesetz aufgenommen und die Möglichkeiten zur Kosten- erstattung erweitert. So bekommen Versicherte, die Opfer Präsident Hendrik Hering: einer Vergewaltigung wurden, einen Anspruch auf Kosten- Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Binz. übernahme durch die Krankenkassen für eine vertrauliche medizinische Spurensicherung am Körper. Die Spurensi- cherung kann dokumentiert werden, um in etwaigen spä- Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: teren Gerichtsverfahren zur Verfügung zu stehen. Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie haben bezogen auf den Standort Mainz von ungefähr 50 % der Fälle gesprochen, Das Abrechnungsverfahren soll so gestaltet werden, dass von denen die Spurensicherung in Anspruch genommen die Anonymität der Frauen gewährleistet ist. Daher darf in wurde. Sollte nicht bei dem Projekt im Vordergrund stehen, den Abrechnungsunterlagen kein konkreter Bezug zu der dass die Spuren der Vergewaltigung gesichert werden, da- versicherten Person hergestellt werden. mit die Täter – eventuell auch später – angeklagt werden können? Liegen Ihnen also Erkenntnisse vor, wie man die- Grundsätzlich begrüße ich es sehr, dass der Bund bei se Quote erhöhen könnte, oder woran es liegt, dass nur diesem wichtigen Thema endlich aktiv wird. Meines Erach- die Hälfte der Frauen das in Anspruch nimmt? tens hätte er schon viel früher in die Thematik einsteigen können. Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Wie die Ausgestaltung in den Ländern genau sein wird, ist Integration und Verbraucherschutz: noch zu klären. Hierzu sind wir auf Fachebene sowohl mit Sehr geehrte Frau Abgeordnete Binz, ich denke, nach dem Gesundheitsministerium als auch mit den anderen unser aller Gerechtigkeitsempfinden hat man den Impuls, Ländern im Gespräch. dass die Täter natürlich zur Verantwortung gezogen wer- den. In diesem Sinne ist es natürlich zu begrüßen, wenn Herzlichen Dank. gerichtsfeste Spuren gesichert wurden, die in der späteren

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Gerichtsverhandlung dabei helfen, den Täter zu verurtei- die Öffentlichkeit und die Anpassung der Informationsmate- len. rialien auf die jeweiligen Standorte. Wenn dann das Projekt ins Laufen gekommen ist, gibt es pro Jahr 5.000 Euro für Für uns steht aber im Vordergrund, dass sich kein Opfer jeden Frauennotruf, der sich daran beteiligt. Für die Lage- unter Druck gesetzt fühlen muss, eine Anzeige zu erstatten. rung der Asservate bei der Rechtsmedizin gibt es 100 Euro Für uns steht die medizinische Versorgung im Vordergrund, pro Asservat. Diese Kosten erstatten wir den Frauennotru- aber im Rahmen der medizinischen Versorgung werden fen in Höhe von bis zu 1.000 Euro jährlich. die Gynäkologinnen und Gynäkologen darin geschult, ei- nerseits darauf hinzuweisen, dass es die Möglichkeit einer vertraulichen Spurensicherung gibt, und wie die anderer- Präsident Hendrik Hering: seits gut vorgenommen werden kann. Eine Zusatzfrage der Abgeordneten Demuth.

Die langjährige Erfahrung der Frauennotrufe zeigt aber, in einer solch extremen Ausnahmesituation, in einer solch Abg. Ellen Demuth, CDU: traumatischen Situation ist es den Frauen am allerwich- Frau Ministerin, es ist sehr erfreulich, dass versucht wird, tigsten, zunächst einmal medizinisch versorgt zu werden diese Versorgungslücke zu schließen. Nichtsdestotrotz und abklären zu lassen: Bin ich verletzt worden? Habe sagt die Polizeiliche Kriminalstatistik des Jahres 2018, ich dadurch eine sexuell übertragbare Krankheit bekom- dass die Gewaltzahlen gegen Frauen eklatant in die Höhe men? Habe ich andere Folgen, die ich durch die Vergewal- gegangen sind. Es gab eine weitere Steigerung um 10 %, tigung davontrage? Dann möchten sie aber auch möglichst nämlich 23 versuchte Tötungen, fünf davon waren leider schnell zur Ruhe kommen. erfolgreich. Meine Frage vor diesem Hintergrund lautet: Sehen Sie weitere Versorgungslücken in der Hilfestruktur Ich glaube, deshalb ist unser Projekt der richtige Ansatz, für von Gewalt betroffene Frauen in Rheinland-Pfalz? keinen Druck auszuüben. In dem Moment, in dem die Spu- ren gesichert sind, kann aber die Frau auch Monate später noch eine Anzeige erstatten, wenn sie zur Ruhe gekom- Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, men ist und die entsprechende psychologische Begleitung Integration und Verbraucherschutz: gehabt hat, sodass sie sich selbst stark genug fühlt, die- se Anzeige zu erstatten. Das ist genau der Weg, den wir Frau Abgeordnete Demuth, für mich steht ganz klar im damit verfolgen. Vordergrund, dass wir bei allen Versorgungslücken, die wir noch zu schließen haben – gerade schließen wir eine sehr wichtige –, beim Problem der Gewalt – Sie hatten die Präsident Hendrik Hering: Zahlen genannt – ansetzen – insbesondere betrifft das die Gewalt in den engen sozialen Beziehungen – und diese Es liegen noch drei weitere Wortmeldungen für Zusatz- Gewalt natürlich zurückgehen muss. fragen vor. Danach betrachte ich die Mündliche Anfrage als beantwortet. Zunächst hat der Abgeordnete Hartenfels Ich hatte eingangs gesagt, wichtig ist zu wissen, dass eine das Wort. solche Gewalt insbesondere dann ausgeübt wird, wenn ein ungleiches Machtgefälle vorhanden ist. Deshalb müs- sen wir meines Erachtens die Rahmenbedingungen so Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: gestalten, dass es gar nicht erst zu dieser Gewalt kommt.

Frau Ministerin, wie sieht denn die konkrete Förderung für (Unruhe im Hause – das Projekt aus? Glocke des Präsidenten)

Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Präsident Hendrik Hering: Integration und Verbraucherschutz: Das galt nicht Ihnen. Bitte reden Sie weiter. Das war we- Herr Abgeordneter Hartenfels, es gibt unterschiedliche För- gen der Unruhe. derstränge, die damit zusammenhängen.

Wir hatten zunächst mit der Universitätsklinik Mainz und Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, in Worms angefangen. Bevor das Projekt an den Start Integration und Verbraucherschutz: gehen konnte, haben wir zunächst einmal umfangreiche – Ach so, Unruhe, okay. Untersuchungs- und Informationsmaterialien erstellt. Wir haben die Schulungen vorgenommen, und es mussten Die Herausforderung schlechthin hinsichtlich der Gewalt in Lizenzen vom Frauennotruf in Frankfurt erworben werden, den engen sozialen Beziehungen bleibt für mich, dass wir damit wir das Projekt von dort so übernehmen konnten. durch die Rahmenbedingungen, die wir verändern, dafür Für diesen Anschub gab es zunächst einmal eine Finan- sorgen müssen, dass es erst gar nicht zu dieser Gewalt zierung in Höhe von 55.000 Euro für die Lizenzgebühren kommt. und Materialkosten. Es ist ein ungleiches Machtgefälle, aber ich glaube, es hat Bei allen neu hinzukommenden Notrufen gibt es zum Pro- schon auch etwas damit zu tun, dass dieses Thema in jekteinstieg und zur Anschubfinanzierung eine Förderung unserer Gesellschaft nach wie vor stark tabuisiert wird und in Höhe von 12.000 Euro. Das sind die Mittel für die Lizenz, sich viele Opfer nicht trauen, darüber zu sprechen.

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Sie hatten die Zahlen der Polizeilichen Kriminalstatistik der – da kann ich an die Frage von Frau Abgeordneter De- genannt, und wir wissen, dass diese im Grunde die Spit- muth anknüpfen – auch gut in unser Gesamtkonzept gegen ze des Eisbergs sind. Wir wissen aus Dunkelfeldstudien, Gewalt in engen sozialen Beziehungen passt, in dessen insbesondere im Bereich der Vergewaltigung, dass die al- Rahmen wir immer wieder schauen, welche Lücken noch lermeisten Betroffenen erst gar keine Anzeige erstatten, existieren, und vor allen Dingen auch die beteiligten Akteu- weil beispielsweise das Opfer in einem Abhängigkeitsver- rinnen und Akteure vernetzen. hältnis zum Täter steht. Rheinland-Pfalz war eines der allerersten Bundesländer, Ich glaube, es geht uns alle an, auch als Gesellschaft hin- die sich auf den Weg gemacht haben, über das „Rheinland- zuschauen, klarzumachen, dass Gewalt tabu ist, Gewalt pfälzische Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen so- immer tabu ist und es auch nicht hinnehmbar ist, wenn zialen Beziehungen (RIGG)“ zu sagen, wir holen die Poli- Menschen das verniedlichen, verharmlosend als Kavaliers- zei, die Frauennotrufe, andere Beratungsstellen, die Frau- delikt darstellen oder sagen, das sei eine Privatangelegen- enhäuser aber auch Tätereinrichtungen an einen Tisch, heit. um gemeinsam zu beraten, wie wir unsere Strukturen wei- ter verbessern können. Ich glaube, dass wir alle ein Zeichen von dieser Debatte aussenden, dass Gewalt in engen sozialen Beziehungen Das Hochrisikomanagement ist ein weiterer Aspekt, bei eine große Herausforderung ist, der wir uns alle anneh- dem wir reagiert haben und eine Lücke angegangen sind, men und an der wir alle arbeiten müssen, um das Problem um den Blick auf die Fälle zu richten, in denen eine Frau endlich in den Griff zu bekommen, damit es zu weniger in einem Hochrisikofall wirklich von Gewalt bedroht ist und Gewalt kommt. durch enge Absprachen und kurze Wege gut geschützt werden kann. Präsident Hendrik Hering: Ich glaube, es ist sehr vorbildlich, dass wir in Rheinland- Eine Frage der Kollegin Blatzheim-Roegler. Pfalz jetzt, als Teil des Gesamtpakets, die Kliniken ins Boot holen. Das zeigt, dass die Frauen im Land letztlich sehr von dieser Vernetzung und den kurzen Wegen, die daraus Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- entstehen, profitieren. NEN: Frau Ministerin, Sie sagten, dass die Unterstützung oder Förderung 12.000 Euro plus dann noch einmal 5.000 Euro Präsident Hendrik Hering: im Jahr für die Notrufe beträgt. Gehen diese 12.000 Euro Vielen Dank. Damit ist die Anfrage beantwortet, an die Kliniken, oder welche Unterstützung bekommen die Kliniken? Welche Vorteile haben Kliniken, wenn sie sich (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, an dem Modell beteiligen? SPD und FDP)

und die Fragestunde ist insgesamt beendet. Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz: Wir dürfen weitere Gäste im Landtag begrüßen. Eine weite- Aus den Gesprächen mit den Kliniken, die sich beteiligt ha- re Klasse des Gymnasiums Mainz-Oberstadt. Eben hatten ben, weiß ich – das ist nachvollziehbar –, dass die Kliniken wir die Klasse 9 a, jetzt haben wir die Klasse 9 b. Herzlich natürlich auch ein ureigenes Interesse daran haben, dass willkommen bei uns! Frauen, die vergewaltigt wurden, gut versorgt werden kön- nen, und sie diesbezüglich ein gutes Angebot bereitstellen (Beifall im Hause) wollen. Außerdem dürfen wir Teilnehmer des Landtagsseminars Tatsächlich ist es so, dass uns viele Gynäkologinnen und begrüßen. Das sind Schülerinnen und Schüler des Gym- Gynäkologen die Rückmeldung geben: Wunderbar, dass nasiums Theresianum in Mainz, Grundkurs Sozialkunde, es diese Schulungen gibt. Wunderbar, dass es diesen stan- 10. Jahrgangsstufe. Herzlich willkommen bei uns! dardisierten Fragebogen gibt. Damit haben wir erstmals einen Leitfaden, wie wir in diesen Fällen mit den Opfern (Beifall im Hause) umgehen und gegebenenfalls auch die Spuren sichern können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zu Punkt 12 der Tagesordnung mit dem ersten Thema: Insofern merke ich, dass die Kliniken – auch im Sinne ei- ner Win-win-Situation – ein großes Interesse daran haben, AKTUELLE DEBATTE an diesem Projekt teilzunehmen. Auch die Kliniken wollen gut aufgestellt sein und betroffenen Frauen, die eine Kli- nik aufsuchen, eine gute medizinische Versorgung geben Aufstiegsbonus verdoppelt – Mehr Wertschätzung können. für Handwerk und Mittelstand auf Antrag der Fraktion der FDP Ich glaube, vor dem Hintergrund, dass wir auch die Kon- – Drucksache 17/11136– takte zur Rechtsmedizin nach Mainz und zu den Frauen- notrufen anbieten, ist es ein weiterer wichtiger Baustein, Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Wink.

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Abg. Steven Wink, FDP: arbeiten, aber aus irgendwelchen Gründen ihre Meister- prüfung außerhalb von Rheinland-Pfalz abgelegt haben, Verehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kolle- diese finanzielle Anerkennung in unserem Land ebenfalls gen! Ich kann es nur immer wieder und möchte es auch erhalten. Dieser Zusatz fördert die Selbstbestimmung je- immer wieder erwähnen: Auch für uns Freie Demokraten des Einzelnen und lässt individuellere Ausbildungen zu. ist die Stärkung der Berufsausbildung seit vielen Jahren eines der Herzensthemen. Ein Meister muss so viel wert Es macht mich stolz festzustellen, dass sich unser Land sein wie ein Master. durch die Verdopplung des Aufstiegsbonus im bundes- Genau diese gesellschaftliche Bedeutung der Meisterprü- weiten Vergleich für ähnliche Anerkennungsprämien im fung muss weiter etabliert werden. In Zeiten von Fachkräf- Spitzenbereich bewegt. Wir können auf die Förderung in temangel darf es nicht sein, dass gesellschaftliche Vorein- unserem Land für unsere Meister und Fachwirte stolz sein; genommenheit unsere jungen Menschen vom Handwerk denn nur so kann langfristig einem Fachkräftemangel ent- wegtreibt. gegengewirkt werden.

Unsere mittelständischen Unternehmen suchen händerin- Vielen Dank. gend nach Fachkräften. Medien aller Art berichten in der gesamten Bundesrepublik von einem Fachkräftemangel, (Beifall bei FDP und SPD) während viele die wichtigen Stellschrauben außer Acht lassen. Präsident Hendrik Hering:

Im Jahr 2017 konnte in Rheinland-Pfalz der Aufstiegsbo- Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Dr. Köbber- nus I – umgangssprachlich Meisterbonus – erfolgreich ling. eingeführt werden. Das Ziel hierbei ist es, die gesellschaft- liche Gleichwertigkeit zwischen beruflicher und akademi- scher Ausbildung zu betonen und zu fördern. Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD:

Bisher haben Personen mit erfolgreich abgelegter Meister- Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle- prüfung eine Bonuszahlung von 1.000 Euro erhalten. gen! Vor ein paar Monaten – es war im August – haben wir den Mittelstandsbericht debattiert, der für das Jahr 2018 Für die Wahrnehmung dieser Wertschätzung lassen Sie ein wirklich sehr gutes Bild vom Mittelstand in unserem mich ein paar Zahlen nennen. In den Jahren 2017 bis 2019 Land gezeichnet hat. konnten fast 5.000 Meisterabschlüsse mit dem Aufstiegs- bonus I finanziell gewürdigt werden. Das Wachstum lag im Jahr 2018, das Gegenstand des Berichts war, über dem Bundesdurchschnitt, und wir hat- Darüber hinaus fördert das Land mit dem Aufstiegsbonus II ten einen Beschäftigungsrekord. Das gilt im Grunde auch den Weg in die Selbstständigkeit mit einmalig 2.500 Eu- für das Handwerk, das etwa 18 % der mittelständischen ro. Im zuvor genannten Zeitraum konnten auf diese Art Betriebe stellt. Allerdings ist das Bild hier ein bisschen ca. 800 Wege in die Selbstständigkeit unterstützt werden. heterogener, vor allem im Blick auf die Kleinstbetriebe. In diesem Bereich haben wir es leider mit einem Rückgang Es freut uns als Freie Demokraten deshalb umso mehr, zu tun, der aber vor allem an der kleinen Betriebsgröße dass sich das Wirtschaftsministerium unter Dr. Volker Wis- liegt. sing für eine Erhöhung des Meisterbonus starkgemacht hat. Es kam aber nicht zu einer Erhöhung, sondern es kam Insgesamt ist das Bild nach wie vor sehr, sehr gut. Wir zu einer Verdopplung. Es kam zu einer Verdopplung des haben uns als SPD-Fraktion auch aus erster Hand erkun- Aufstiegsbonus I. digt. Wir hatten im Dezember letzten Jahres eine ganz interessante Veranstaltung zusammen mit der Handwerks- (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE kammer Koblenz und haben mit etwa 30 Meisterinnen und GRÜNEN – Meistern und Obermeistern über die Lage diskutiert und Zurufe der Abg. Joachim Paul und Michael aus erster Hand erfahren, dass es insgesamt als sehr gut Frisch, AfD) beschrieben wird. So bekommen erfolgreiche Prüflinge rückwirkend ab dem 1. Januar 2020 zukünftig eine Bonuszahlung von 2.000 Eu- Wir haben aber auch über Themen wie Fachkräftegewin- ro. nung, Betriebsübergaben und Gleichwertigkeit von berufli- cher und akademischer Bildung gesprochen. Ein Thema Auf diese Art wird klar betont, dass es noch immer sehr ist dabei der Rückgang der Ausbildungsverträge. wichtig ist, attraktive Anreize zur Ausbildung von Fachkräf- ten zu schaffen. Die Erhöhung des Meisterbonus ist eine Auch da haben wir aber ein sehr differenziertes Bild; denn zielgerichtete Investition in die Zukunft. Die Qualifizierung in einigen Gewerken, wie zum Beispiel im Hoch- und Tief- der Fachkräfte von morgen kann so ein Stück mehr gesi- bau, im Innenausbau und bei den Malerinnen und Malern chert werden. und Fliesenlegerinnen und Fliesenlegern, gehen die Zah- len der Ausbildungsverträge stark zurück, aber in anderen Neben der finanziellen Verbesserung konnte aber auch Gewerken, zum Beispiel im Bereich der Mechatronik, bei der Kreis der Antragsberechtigten erweitert werden. So den Zimmerleuten oder der Gebäudetechnik, sieht das können nun Personen, die in Rheinland-Pfalz leben und Bild ganz anders aus.

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Vergleicht man die Zahl der Ausbildungsverhältnisse mit (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS der Zahl der jungen Menschen insgesamt, dann können 90/DIE GRÜNEN – wir sehen, dass die Zahl der Ausbildungsverhältnisse vom Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!) Jahr 2012 bis zum Jahr 2018 nur von 5,6 % auf 5,5 % zu- rückgegangen ist. Wir sehen also, dass der demografische Präsident Hendrik Hering: Faktor dabei eine ganz große Rolle spielt. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Weiner. Wir müssen aber schon aufpassen, dass der Handwerks- beruf weiter attraktiv bleibt, junge Menschen ihren Ab- Abg. Thomas Weiner, CDU: schluss als Meister oder Meisterin oder – wie man heute sagt – den Bachelor Professional machen und damit später Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! auch wieder ausbilden. Dafür wollen wir Anreize setzen. In den letzten 15 Jahren hat sich die Zahl der Studierenden um rund 50 % nach oben bewegt. Im gleichen Zeitraum Ein wichtiger Schritt – das hat der Kollege bereits gesagt – ist die Zahl der Auszubildenden um 50 % nach unten ge- war die Einführung des Meisterbonus I und II als eines gangen. Diese Schieflage in unserer Wirtschaft gilt es, der ersten Bundesländer. Der Meisterbonus I konnte zu irgendwo wieder auszugleichen. Beginn dieses Jahres von 1.000 Euro auf 2.000 Euro ver- doppelt werden. Der Facharbeitermangel ist längst evident und wird für die mittelständische Wirtschaft – auch das haben die Regie- rungsvertreter nicht verschwiegen – in unserem Land zu Damit liegen wir im Vergleich der Bundesländer ganz deut- einem immer größeren Problem. Umso wichtiger ist es, lich im oberen Bereich. Nur zwei Länder – Niedersachsen dass wir jetzt genauer hinschauen und die Anreize für die und Bremen – zahlen mehr als wir. Zwei weitere Länder Zukunft richtig setzen. – Mecklenburg-Vorpommern und Bayern – zahlen genauso viel wie Rheinland-Pfalz, und alle anderen Länder liegen Auf der einen Seite müssen wir dies bei der akademischen deutlich darunter. Drei Länder haben überhaupt keinen Ausbildung tun: kostenlose Schule, kostenloses Studium, Meisterbonus eingeführt. Erhöhung der BAföG-Sätze, kostenloses Semesterticket. Eine akademische Laufbahn steht inzwischen allen Bevöl- Damit haben wir das gehalten, was wir in mehreren Debat- kerungskreisen offen und wird deshalb auch überdurch- ten im Laufe des Jahres 2019 versprochen haben: dass wir schnittlich genutzt. den Meisterbonus im Rahmen der verfügbaren Haushalts- mittel noch einmal aufstocken wollen. Jetzt ist dabei nicht Auf der anderen Seite wird die berufliche Bildung seit vie- nur eine Aufstockung herausgekommen, sondern sogar len Jahren eher vernachlässigt. Der Lehrermangel und eine Verdopplung. Darauf sind wir wirklich stolz. Unterrichtsausfall an berufsbildenden Schulen ist seit vie- len Jahren deutlich höher als bei anderen Schulformen. (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Beifall der CDU)

Wir haben dies in diesem Hause – ich selbst schon vor Bei dieser Gelegenheit geht auch einmal ein Dank an un- über 20 Jahren – kritisiert, doch geschehen ist zu wenig. sere Finanzministerin. Die kostenlose Benutzung des ÖPNV ist Lehrlingen immer noch nicht eingeräumt. Die CDU-Fraktion ist sich mit der Auf Bundesebene sind wir aber leider noch nicht am Ziel Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern darin einig, angelangt; denn das Aufstiegsfortbildungsförderungsge- setz, das der Bundestag am 13. Dezember 2019 in erster (Abg. Michael Frisch, AfD: Das haben wir Lesung beraten hat, enthält zwar viele Punkte, die wir beantragt, das haben Sie abgelehnt! – so unterschreiben würden oder für die wir uns starkge- Abg. Joachim Paul, AfD: Genau!) macht haben, zum Beispiel, dass der Unterhalt zu einem Vollzuschuss und der Kinderbetreuungszuschlag für Allein- dass solche Mobilitäts- und Einstellungshemmnisse besei- erziehende von 130 Euro auf 150 Euro erhöht wird oder tigt werden müssen. dass man – was auch ganz wichtig ist – jetzt mehrfach, (Beifall der CDU) – also in allen Fortbildungsstufen, vom Gesellen zum Tech- Abg. Michael Frisch, AfD: Das ist ein Witz!) niker, vom Techniker zum Meister und vom Meister zum Betriebswirt, von dem Zuschuss profitieren kann. Meine Damen und Herren, wenn Sie der CDU zustimmen, dass die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademi- Der Kostenbeteiligungsschlüssel von 78 % Bund und 22 % scher Bildung richtig und wichtig ist, dann müssen wir Länder stellt die Länder aber vor eine riesige Herausforde- mehr tun. rung und wird eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung (Abg. Joachim Paul, AfD: Dann müsste darstellen. Es wäre schön, wenn der Bund dem Hand- man auch in Kauf nehmen, dass die werk und der beruflichen Bildung die gleiche Wertschät- Studentenzahlen zurückgehen! Das zung entgegenbringen würde, wie es die Ampelkoalition in machen Sie nicht!) Rheinland-Pfalz tut. Früher konnte man erst nach mehreren Gesellenjahren Alle weiteren Punkte folgen dann in der nächsten Runde. einen Meisterkurs belegen. Das hatte damals gute Grün-

6621 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 de. Mehrjährige Berufserfahrung ist durchaus von Vorteil. Abg. Joachim Paul, AfD: Die mittelständische Wirtschaft sucht inzwischen aber hän- Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Dass wir heu- deringend nach Meistern und Fachwirten. Daher wurden te im Plenum über die Wertschätzung für Handwerk und – ebenfalls aus guten Gründen – die Eingangsvorausset- Mittelstand reden, das ist insbesondere ein Verdienst der zungen geändert, und man kann sofort nach der Gesellen- AfD-Fraktion. prüfung weiter bis zum Meister oder Fachwirt gehen, wenn man die entsprechenden Rücklagen hat. (Beifall der AfD – Unruhe im Hause – (Abg. Hedi Thelen, CDU: Das ist eine Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ja, ja ja!) Theoretisierung!) Dass der Aufstiegsbonus I verdoppelt wurde, ist ebenfalls Wie man an den immer noch zu geringen Zahlen nicht ein Verdienst unserer AfD-Fraktion. Ich stelle einmal mehr akademischer Abschlüsse sieht, reicht dies offenbar nicht. fest: AfD wirkt. Es braucht also mehr Anreize. Die CDU fordert deshalb erneut als Pendant zu einem kostenlosen Studium, dass (Beifall der AfD – auch die Meisterausbildung kostenlos wird. Heiterkeit im Hause)

(Beifall der CDU – Wir haben mit unserer Beharrlichkeit dafür gesorgt, dass Abg. Dr. Bernhard Braun und Jutta die Landesregierung das Thema wieder auf die Agenda Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE gesetzt hat, GRÜNEN: Gute Forderung!) (Unruhe im Hause) Der Fingerzeig auf den Bund oder sonstige Rechtsfragen ist da nur eine Ausrede. Meine Damen und Herren, wenn ja setzen musste, und wieder Bewegung in die Debatte Sie in der Regierung den Willen dazu haben, dieses Ziel gekommen ist. Ich kann das belegen. mit uns zusammen zu erreichen, dann fordern wir Sie auf, (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wir schaffen Sie in Verhandlungen mit dem Bund und den können auch einiges belegen, was Sie anderen Bundesländern den dafür notwendigen Rechts- angeht!) rahmen. Am 7. März 2019 hat die AfD eine Große Anfrage mit dem (Beifall bei der CDU) Titel „Hürden für eine kostenfreie Meisterausbildung“ ein- gereicht, Die CDU hält an dem Ziel der kostenlosen Meisterausbil- dung fest. Der sogenannte Aufstiegsbonus war und ist für (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Belegen dieses Ziel nur eine erste Stufe. Sie doch mal, dass Sie nicht für dieses Blatt geschrieben haben!) (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was macht denn die um letzte Informationen für den geplanten Antrag abzufra- CDU dazu in Rheinland-Pfalz? – gen. Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Nix! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Belegen GRÜNEN: Ah, aber danke für die Antwort!) Sie doch mal, dass Sie nicht für Rechtsaußenblätter schreiben, Herr Sand!) Wir begrüßen es, dass mit einer Verdoppelung von 1.000 Euro auf 2.000 Euro – um in diesem Bild zu blei- Daraufhin forderte die CDU drei Wochen später im Plenum ben – die zweite Stufe genommen ist. An der Treppe oben im Rahmen der Regierungserklärung von Wirtschaftsmi- angekommen sind wir deshalb noch lange nicht. Wir ste- nister Wissing die kostenfreie Meisterausbildung. hen erst auf der zweituntersten Stufe. Das ist also noch kein Grund zu feiern; denn letztendlich ist für die mittel- (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: ständische Wirtschaft, insbesondere für das Handwerk, Abgeordneter Sand! – entscheidend, dass oben an der Treppe mehr ankommen Unruhe im Hause – und die Meisterprüfung absolvieren. Glocke des Präsidenten)

Mehr dazu in der zweiten Runde. – Vielen Dank, dass Sie für Ordnung sorgen. (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS Danke schön. 90/DIE GRÜNEN: Was ist eigentlich mit (Beifall der CDU – dem Gauland heute?) Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wieder nichts gesagt zu Annweiler! – Am 16. Mai 2019 wurden dann im Plenum ein AfD- und ein Abg. Martin Haller, SPD: Da muss jetzt mal CDU-Antrag besprochen. Die Ampelfraktionen hechelten was kommen! Wir kriegen viele Briefe!) mit einem Alternativantrag hinterher: (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ach Präsident Hendrik Hering: ja! – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ja, wir Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Paul. haben gehandelt!)

6622 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 bezeichnend für das fehlende Interesse der Altparteien an terstellen Sie Mitnahmeeffekte. lösungsorientierten und vertiefenden Gesprächen. (Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Der ist Unser Antrag, der die meiste Substanz hatte, wurde bei Ihnen in der Partei?) nicht in den Wirtschaftsausschuss überwiesen, dafür der Warum? Ich sage Ihnen, Sie sparen hier an der falschen handwerklich schlecht gemachte CDU-Antrag sowie der Stelle. Sie setzen falsche Haushaltsprioritäten. schwammige Ampelantrag. Das zeugt von wenig Respekt vor dem Bürger und vor demokratischen Wahlergebnissen. (Zuruf der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP) (Abg. Christian Baldauf, CDU: Fake News!) Es gibt durchaus Felder, die der Zukunftsfähigkeit unseres Im Wirtschaftsausschuss einigten sich CDU und Ampelpar- Landes schaden, und trotzdem spielt die Haushaltspolitik teien – sie kumpelten regelrecht miteinander – erst einmal keine Rolle. Ich kann Ihnen viele nennen. Mitnahmeanrei- auf eine Absetzung für das Juni-Plenum. So wurde wei- ze werden in gewissen Bereichen permanent produziert, terhin wertvolle Zeit verschwendet, anstatt ein dringendes Stichworte „illegale Masseneinwanderung“, Problem anzugehen. (Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, (Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – SPD) Zuruf des Abg. Sven Teuber, SPD) Am 4. September 2019 erklärte die Landesregierung im mit der wir es nach wie vor zu tun haben, oder „Einwande- Wirtschaftsausschuss, dass eine Kostenfreiheit der Meis- rung in die Sozialsysteme“. terausbildung den Haushaltsrahmen angeblich sprengen würde. Weitere vier Monate später, am 10. Januar 2020, (Beifall der AfD) gab Wirtschaftsminister Wissing bekannt, dass der Auf- stiegsbonus immerhin von 1.000 Euro auf 2.000 Euro er- Im Vergleich zu diesen immensen Kosten geht es hier um höht wird. Peanuts, um einen einstelligen Millionenbetrag. Ich gebe außerdem zu bedenken, eine Beeinträchtigung unserer Aber das ist das Ende der Chronologie, die wir hier aufge- Wirtschaft durch fehlende Fachkräfte mit der Folge ein- zeichnet haben. So ganz konnte sich die Landesregierung brechender Steuereinnahmen wird uns wesentlich teurer den AfD-Forderungen dann doch nicht entziehen. zu stehen kommen als die geforderte vollständige Kosten- übernahme für Meisterausbildungen und Aufstiegsfortbil- Zweifellos, die neue Regelung, die rückwirkend zum 1. Ja- dungen. nuar 2020 in Kraft tritt, stellt eine Verbesserung dar. Wir begrüßen das ausdrücklich; auch die Ausweitung der Emp- Insofern schadet die halbherzige Maßnahme von Minister fänger und der Landesbestenpreis sind sinnvoll, weil sie Wissing durchaus der wirtschaftlichen Entwicklung unse- damit zur Aufwertung der beruflichen Bildung im Allgemei- res Bundeslandes. Wir halten also an unseren Forderun- nen beitragen. gen fest, und sie sind chronologisch gedeckt durch parla- Mit einer Verdopplung geben wir uns aber nicht zufrieden; mentarische Initiativen. Das nenne ich sauberes Arbeiten. denn die Lücke wird damit nicht geschlossen. Wir wol- Das zeichnet eine Opposition aus. len eine Gleichstellung von beruflicher und akademischer (Beifall der AfD – Bildung. Um diese zu verwirklichen, müssen Meisterausbil- Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, dung und Aufstiegsfortbildung vollständig kostenfrei sein. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und Unsinn Nur das ist die Gleichwertigkeit, nur das. reden zeichnet die AfD aus! – (Beifall der AfD – Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Mal besser Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: So ist es, zuhören, als hier dummes Zeug zu genau so!) plappern! – Abg. Michael Frisch, AfD: Außer Pöbeln Deshalb haben wir in unserem Antrag die Erhöhung des haben Sie nichts zu antworten! – Aufstiegsbonus I auf 4.000 Euro gefordert, so wie das in Unruhe bei der AfD) Bremen und Niedersachsen bereits umgesetzt ist. An die- ser Forderung halten wir nach wie vor fest. Präsident Hendrik Hering: Herr Minister Wissing, im Ausschuss haben Sie darauf Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die hingewiesen, dass die Landesregierung eine haushaltspo- Abgeordnete Blatzheim-Roegler. litische Verantwortung habe und keine Mitnahmeeffekte entstehen sollten. Diese Aussage ist bemerkenswert. Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Wenn es um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes geht, NEN: führen Sie haushaltspolitische Bedenken an. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und (Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!) Herren! Nur ein Wort zu meinem Vorredner und der Selbst- beweihräucherung: Stellen Sie sich einmal vor, die Welt Wenn es um fleißige und steuerzahlende Bürger geht, un- hat sich tatsächlich schon vor 2016 gedreht.

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(Abg. Joachim Paul, AfD: Ja, in die falsche tenzen für digitale und computergesteuerte Prozesse und Richtung!) neue Verfahren sind Voraussetzung.

Wenn Sie Plenarprotokolle aus den letzten zehn Jahren Ich glaube, dass die regierungstragenden Fraktionen und lesen – Sie werden es nicht glauben –, Themen wie „Meis- die Landesregierung mit diesen Maßnahmen, die sie jetzt terbonus“ oder die Unterstützung von Menschen, die im eingeführt haben, auf dem richtigen Weg sind. Diese pau- Handwerk arbeiten oder das lernen wollen, gab es auch schale Forderung der CDU, sich hinzustellen und zu sagen, schon vorher. alles umsonst,

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Abg. Thomas Weiner, CDU: Ne, ne, ne! der SPD und der FDP – Das habe ich nicht gesagt!) Abg. Michael Frisch, AfD: Sie haben es nicht hingekriegt in all den Jahren! – da sage ich mir, es gäbe zum Beispiel ein gutes Mittel, Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD) wie auch Sie dazu beitragen könnten – in Berlin –, damit das Leben für Auszubildende günstiger wird, wenn Herr Wir Grüne sind überzeugt, die Gleichwertigkeit von beruf- Scheuer sagen würde, er führt die kostenfreie Beförderung licher Qualifikation als Alternative zum ersten akademi- von Auszubildenden ein. Das kann er, indem er § 45 des schen Abschluss ist ein entscheidendes Element für die Personenbeförderungsgesetzes ändert. Dann bräuchten Sicherung einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Zukunft wir uns hier auch keine Gedanken um ein kostenfreies oder unseres Bundeslandes. Von daher begrüßen wir sehr, dass ein 365 Euro-Ticket für Auszubildende und Schülerinnen die Ampellandesregierung vor drei Jahren den Aufstiegs- und Schüler zu machen. bonus eingeführt hat. (Abg. Thomas Weiner, CDU: Das ist Mit dem Aufstiegsbonus I in Höhe von damals 1.000 Euro Verhandlungssache zwischen Land und wurden berufliche Fortbildungen finanziell gewürdigt. Der Bund!) Aufstiegsbonus II in Höhe von 2.500 Euro belohnt im An- schluss an eine erfolgreiche Weiterbildung den Weg in die Der Bundesverkehrsminister könnte es mit einer Änderung Selbstständigkeit. Dieses Angebot wurde in den letzten des § 45 a. drei Jahren tatsächlich sehr gut angenommen. Laut Minis- (Glocke des Präsidenten) terium im Wirtschaftsausschuss vor ungefähr einer Woche wurden fast 5.000 Fortbildungsabschlüsse finanziell mit Gehen Sie doch einmal zu ihm hin. diesem Programm unterstützt. Den Aufstiegsbonus II konn- ten fast 800 Interessierte in Anspruch nehmen. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD) Aber es ist gut, und wir begrüßen es ausdrücklich, dass sich nicht auf diesen Zahlen ausgeruht wird, sondern die- ses Instrument im weiteren Dialog mit Kammern und Ver- Präsident Hendrik Hering: bänden, aber auch in den Beratungen, die wir im Wirt- Für die Landesregierung spricht Staatsminister Dr. Wis- schaftsausschuss regelmäßig führen, weiterentwickelt wur- sing. de.

Inzwischen gibt es eine neue Verwaltungsvorschrift. Diese Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, umfasst auf der einen Seite die Erhöhung des Aufstiegs- Landwirtschaft und Weinbau: bonus I um das Doppelte. Das wurde schon gesagt. Sehr gut ist auf der anderen Seite auch, dass die Ausweitung Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die des Kreises der Zuwendungsberechtigten beim Aufstiegs- wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Landesregie- bonus I verbessert wurde. Es gab in den letzten Jahren, in rung dazu führen, dass die Opposition sagt: „Das war denen das Programm lief, immer wieder Kritik, dass man- unsere Idee, das war unsere Idee“, dann ist es ein guter che Leute, die hier wohnen und arbeiten, ihre Abschlüsse Tag für den Wirtschaftsminister. aber nicht hier gemacht haben, benachteiligt wurden. (Heiterkeit bei der SPD) Das heißt, in Zukunft werden auch diejenigen, die zum Faktisch ist es allerdings so, dass die Idee bereits im Ko- Zeitpunkt der Antragstellung in Rheinland-Pfalz wohnen alitionsvertrag dieser Regierung angelegt ist. Da konnten und arbeiten, in den Genuss einer finanziellen Unterstüt- Sie noch gar keine Anträge einbringen, Herr Kollege. zung bei der beruflichen Fortbildung kommen. (Beifall der FDP, der SPD und des Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bil- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – dung – ich habe das gesagt – ist uns ein hohes Gut. Ehrlich Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sehr gesagt, viele Ausbildungsberufe, gerade im elektronischen richtig! So ist es! – Bereich, Mechatroniker, Elektroniker, Betriebstechniker, Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Vorher stand es Gebäudetechniker, und alle Berufe um die erneuerbaren schon in unserem Landtagswahlprogramm!) Energien herum, die immer mehr nachgefragt werden, sind gekennzeichnet von einer hohen Spezialisierung. Immer Nachdem wir damit die urheberrechtliche Frage geklärt wieder neue technische Gegebenheiten müssen in der haben, will ich zur Sache sprechen. Der Aufstiegsbonus Aus- und Fortbildung berücksichtigt werden. Die Kompe- ist ein wichtiger Bestandteil unserer Wirtschaftspolitik. Wir

6624 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 sehen natürlich die Problematik im Bereich des Fachkräf- mich, diesen Weg zu gehen. temangels, und wir wollen, dass die berufliche Bildung aufgewertet wird. Das ist das Ziel, das wir haben. Die Ausarbeitung der Änderungen war geprägt von einem intensiven Austausch mit der Praxis. Ich danke ausdrück- Man muss Folgendes sehen: Der Aufstiegsbonus ist nicht lich den beteiligten Kammern für die gute Zusammenar- statisch angelegt, sondern es ist ein dynamisches Instru- beit. Wir haben mit der Einführung des Aufstiegsbonus von ment. Wir haben deswegen auch wichtige Veränderungen Anfang an evaluiert, wie wir in welchen Schritten weiter vorgenommen. Die Verdoppelung ist schon erwähnt wor- vorgehen. Ich bin sehr dankbar, dass diese Kommunikati- den, auch die Erweiterung des Kreises der Förderberech- on sehr gut funktioniert. Die parlamentarische Befassung tigten. Auch jene, die aus unterschiedlichsten Gründen ihre im vergangenen Jahr hat deutlich gemacht, welch hohen Prüfung nicht in Rheinland-Pfalz ablegen können, aber hier Stellenwert in allen Fraktionen die Gleichwertigkeit von wohnen und arbeiten, werden künftig die finanzielle Aner- beruflicher und akademischer Bildung hat. Die Landesre- kennung des Landes in Anspruch nehmen können. Damit gierung begrüßt das ausdrücklich. schließen wir eine Lücke. (Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt Es ist nicht Aufgabe der Politik, Menschen Wege vorzuge- den Vorsitz) ben. Es ist allerdings die Aufgabe der Politik, die Menschen auf ihrem selbst gewählten Weg zu unterstützen. Vor allen Wir werden auch Verwaltungsvereinfachungen sowie einen Dingen müssen wir dafür sorgen – das tun wir mit einem Landesbestenpreis einführen. Das ist ein wichtiger Aspekt ganzen Strauß an Maßnahmen –, dass die Chancen und der Anerkennung. auch die Möglichkeiten und die Vielfalt der beruflichen Bil- dung von jungen Menschen nicht übersehen werden. Nur Ich möchte zu den Vergleichen mit anderen Bundeslän- wenn man wahrnimmt, was es alles an Möglichkeiten gibt, dern sagen, ja, es gibt vielleicht Bundesländer, die noch trifft man eine wirklich freie Entscheidung. Darauf kommt mehr als Rheinland Pfalz zahlen, obwohl wir wirklich im es uns an. ganz oberen Bereich liegen. Man muss aber immer das Gesamtpaket vergleichen. Rheinland-Pfalz macht noch Es ist auch klar, dass der Aufstieg im Bereich der beruf- sehr viel zusätzlich zu diesem Instrument. Wir reizen un- lichen Bildung niemals an den finanziellen Möglichkeiten sere Möglichkeiten aus. Wir strengen uns enorm an. Wir des Einzelnen scheitern darf. Deswegen unterstützen wir haben Ausbildungslotsen eingeführt. Wir haben Coaches das gerne und honorieren auch diese besondere Leis- für betriebliche Ausbildung eingeführt. tung. Uns ist die berufliche Bildung gleich viel wert wie Man darf eines nicht vergessen: So wichtig die Qualifikati- die akademische Bildung. Mit den Verbesserungen beim on im Bereich der beruflichen Bildung ist, so wichtig ist es Aufstiegsbonus bringen wir das auch in finanzieller Art und auch, Menschen dazu zu bringen, sich überhaupt auf den Weise zum Ausdruck. Weg der beruflichen Bildung zu machen. Deswegen wäre es nicht richtig, wenn wir alles nur auf den Meisterbonus Herzlichen Dank. setzen würden. Wir müssen parallel dafür sorgen, dass wir (Beifall der FDP, der SPD und des mit vielen anderen Maßnahmen erst einmal den Weg in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die berufliche Bildung ebnen.

(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP) Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Meine Damen und Herren, das gelingt in Rheinland-Pfalz Für die FDP-Fraktion spricht noch einmal der Abgeordnete sehr gut. Deswegen bin ich sehr zuversichtlich, dass wir Steven Wink. angemessen, aber auch sehr engagiert auf dem richtigen Weg sind. Abg. Steven Wink, FDP: Ich finde den Preis auch besonders wichtig, weil es eine Anerkennung für die Leistungen ist, die Menschen auf sich Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kolle- nehmen. Es erfordert viel Durchhaltevermögen, wenn man gen! Ich möchte eine kurze Aussage zum Kollegen Weiner schon mit beiden Beinen im Leben steht. Es kostet auch machen. Es gibt rechtliche Voraussetzungen, mit denen es viel Kraft, seine Qualifikationen weiter zu stärken. Wir sind der Bund jetzt auch im Rahmen des Aufstiegsfortbildungs- gemeinsam mit den Kammern richtig positioniert, um mit förderungsgesetzes zu tun hat. Wenn man sich an diese dem Landesbestenpreis auch diese Wertschätzung für die Gesetzgebung hält und diese hier als Ausrede vorgewor- berufliche Bildung und die Qualifikation zum Ausdruck zu fen wird, dann finde ich das schon etwas daneben. bringen. Zum Kollegen Herr Paul: Es ist beachtlich, wie Sie sich als Mit dem Preis zeichnen wir gemeinsam mit den Kammern die Retter des Handwerks darstellen, als die, die einzig die außerordentlichen Leistungen der Jahrgangsbesten und allein wissen, wie das Handwerk funktioniert, wie es aus. Wir wollen sichtbar machen, dass uns diese Leistun- klappt, und die das Wissen mit dem Löffel gegessen haben, gen etwas wert sind. Wir wollen auch Nachahmer damit wobei doch die AfD-Fraktion nahezu komplett ihr Recht produzieren, die sagen, Mensch, wenn das so dargestellt genutzt hat, sich rein auf die akademische Ausbildung zu wird und so viel Anerkennung erfährt, dann interessiere konzentrieren, und der Kollege Klein, der Abwassermeister ich mich auch für die berufliche Qualifikation und motiviere ist, hier noch nicht einmal zu dem Thema reden darf.

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(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ich glaube, Sie GRÜNEN – haben Halluzinationen! – Abg. Joachim Paul, AfD: Was hat es damit Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Vorsicht zu tun? Ihr müsst gerade reden!) da drüben!)

Der eine war von der AfD. Sie wollten den Meisterbonus Es gibt in Rheinland-Pfalz ein klares Bekenntnis zum Meis- vervierfachen. Wir haben gehört, bei unseren 5.000 Absol- ter und zur dualen Ausbildung. Rheinland-Pfalz unterstützt ventinnen und Absolventen wären das 15 Millionen Euro. Innovationen und Digitalisierung. Das einfach einmal aus dem laufenden Haushalt zu neh- (Unruhe im Hause – men, ist schlichtweg nicht möglich. Glocke der Präsidentin) (Abg. Joachim Paul, AfD: Für andere Sachen ist Geld da! Das Argument ist – Sie können jetzt weiter schreien. Ich würde Ihnen emp- lächerlich!) fehlen, in der Zeit draußen weiter zu schreien, vielleicht während Sie den Böschungshobel holen gehen. Der Antrag der CDU war handwerklich schlecht gemacht. Das haben wir mindestens drei- bis viermal ausgeführt. Wir (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Versuchen Sie haben immer das Gleiche gesagt. Genau das haben wir einmal, sinnvolle Sätze zu formulieren! – eben auch eingehalten. Wir haben gesagt, gemäß der ver- Zurufe von der AfD – fügbaren Haushaltsmittel erhöhen wird den Meisterbonus. Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, Das ist passiert. Wir haben ihn verdoppelt. Wir haben als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Zweites auch immer gesagt, wir werden auf Bundesebe- ne auf Verbesserungen hinwirken. Da sind wir momentan – Ja, genau. Dann hören Sie besser zu. massiv dran.

Wir haben noch ein gesellschaftliches Problem, das zu Ich möchte an dieser Stelle aber noch einmal sagen, dass lösen ist. Das haben Sie mit der Handwerkskammer auch, es uns nicht nur wichtig ist, sozusagen an der Spitze der wenn Sie das diskutieren. Früher waren viele Menschen na- beruflichen Bildung Anreize zu setzen. Das ist auf jeden turgegeben mit dem Handwerk verbunden, Maurer, Land- Fall sehr wichtig, aber wir wollen durchgängig die gesamte wirte usw. Durch den gesellschaftlichen Wandel, der auch Ausbildungszeit fördern. viel Gutes mit sich bringt, kam die Zeit, dass sich viele vom Handwerk – bildlich gesprochen – wegbewegt haben. Wir machen auch noch eine ganze Menge mehr, vor allem Umso länger dies dauert, umso weiter entfernen sich die mit der überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung in den Menschen vom Handwerk, somit auch die Kinder und Ju- Ausbildungszentren der Handwerkskammern, die wir mit gendlichen. Da müssen wir ansetzen und den Stolz und jährlich 4,5 Millionen Euro unterstützen. das Gefühl vermitteln, (Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, (Glocke der Präsidentin) FDP) – Danke schön. Das ist eine Zahl, die man sich auch ein- selbst etwas geschaffen zu haben, selbst etwas erreicht mal auf der Zunge zergehen lassen darf. Es waren die zu haben. Wenn wir das schaffen – es zeigt auch der Welt- Ampelfraktionen im Plenum, die in den Haushaltsberatun- meister Alexander Bruns aus der Pfalz, dass so etwas gen noch einmal eine halbe Millionen Euro draufgelegt weltweit funktioniert –, dann schaffen wir auch solche Din- haben. Wir sind jetzt, wie gesagt, bei 4,5 Millionen Euro. ge. Die Themen darüber, was wir sonst noch so tun, also (Beifall der FDP, der SPD und des die Ausbildungsbotschafter, die Ausbildungscoaches und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ähnliches, hat der Minister schon erwähnt. Wir wollen die jungen Leute in der gesamten Ausbildungsphase an die Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Hand nehmen und gut unterstützen. Dass das Früchte trägt, zeigt der DGB-Ausbildungsreport, Für die SPD-Fraktion spricht noch einmal die Abgeordnete (Glocke der Präsidentin) Anna Köbberling. der gerade erschienen ist und nach dem die ganz überwie- gende Zahl der Befragten mit der Qualität ihrer Ausbildung Abg. Dr. Anna Köbberling, SPD: zufrieden bzw. sehr zufrieden ist. Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich habe nicht verstan- Vielen Dank. den, warum die AfD-Leute alle würgen müssen, Herr Paul. Aber Sie können sicher sein, uns geht das manchmal auch (Beifall der SPD, der FDP und des nicht anders, wenn wir wie heute Ihre Geschichtsklitterung BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) hören müssen.

Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Ich möchte noch einmal klarstellen, es gab zwei Anträge der Opposition im Plenum. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Weiner.

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Abg. Thomas Weiner, CDU: nur wir konsequent. Wir wollen ganz konsequent diesen Bereich des Handwerk, Industrie und duale Ausbildung Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! stärken. Niemand stellt in Abrede, dass viel getan worden ist. Es ist viel getan worden, aber offenbar reicht das noch nicht, Eine Meisterausbildung für Friseure und Friseurinnen be- um das Missverhältnis in unserer Gesellschaft wieder ins ginnt bei ungefähr 4.000 Euro. Das kann sich je nach Lot zu bringen. Ich habe vorhin das Beispiel genannt. Branche und je nach Gewerk bis zu 15.000 Euro steigern. Das sind enorme Kosten. Gleichstellung bedeutet für uns Es fehlt immer noch an Facharbeitern im Handwerk. Ich – Sie sind so stolz darauf, dass Rheinland-Pfalz eine ge- will nicht von einer Akademikerschwemme sprechen – ich bührenfreie Bildung gewährleistet –, dass dann auch die möchte nicht die Gruppen gegeneinander ausspielen –, Anschlussqualifikation, die mit dem Studium gleichgestellt aber wir müssen in dem Bereich ein paar Schwerpunkte ist, kostenfrei sein muss. umbalancieren. (Abg. Joachim Paul, AfD: Da muss man In der Realität ist es so, dass die Auszubildenden schon konsequent sein!) vom ersten Ausbildungstag an Steuern bezahlen, Steuern, die dafür genommen werden, dass wir keine Studienge- Dazu gehört nach unserer Auffassung die kostenlose Meis- bühren haben. Sie zahlen im Grunde genommen mit. Das terausbildung. Gerade weil die Gesellen nach der Gesel- kann so nicht weitergehen. Das ist keine Gleichstellung. lenprüfung direkt in den Meisterkurs gehen können, haben Die Gleichstellung ist die tatsächlich finanzielle Gleichstel- sie keine Ersparnisse. Da müssen wir ansetzen. lung. Deswegen werden wir an dem Thema noch dranblei- ben. Wer den Meister gepackt hat, der hat keine Ersparnis- se mehr aus dieser Zeit, erst recht, wenn er noch Fami- (Beifall der AfD) lie hat. Wie soll er die enormen Kosten für steuerliche Beratung, rechtliche Beratung, für die Gründungskosten Frau Dr. Köbberling, noch einen Kommentar. Sie haben beim Notar, Grundbuch usw., Anmietung oder Übernahme eben eigentlich eine Falschaussage gemacht; denn wir von Geschäftsräumen, Einrichtung mit Geräten, Werkzeug, reden von drei Jahren bei den Absolventen, die wir abge- Maschinen, Fuhrpark, Büro, Personalfinanzierung und die fragt haben. Herr Dr. Wissing hat im Ausschuss gesagt, es eigenen Lebenshaltungskosten für die Anfangsmonate, in handelt sich um 5.000 Absolventen in den Jahren 2017 bis denen die Einnahmen noch nicht fließen, decken? Das 2019. Das ist ein Zeitraum von drei Jahren. Da kommen sind mittlere fünfstellige Beträge oder mehr. nicht diese Kosten auf uns zu, die Sie eben skizziert haben. Tatsächlich werden es etwa 5 Millionen Euro sein. Der Aufstiegsbonus II ist in dem Punkt wirklich nur ein (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Aha! Das ist Bonus, aber er ist noch nicht die Lösung. Klitterung!)

(Beifall der CDU) Das ist leistbar und machbar. So sieht der Haushalt aus. Die Bürger haben kein Verständnis dafür, dass Sie so viel Immerhin – das erkennen wir an – ist es ein Zeichen der Geld für andere Dinge ausgeben, für teure Werbeagentu- Wertschätzung. Dafür danken wir ausdrücklich im Namen ren, der Betroffenen. Aber nach wie vor müssen wir an dem Thema dranbleiben, damit wir die gesellschaftliche Balan- (Glocke der Präsidentin) ce wiederherstellen, dass mehr Menschen als Fachwirte, als Meister oben an der Treppe ankommen und wir den und das Geld soll nicht vorhanden sein. Das machen die Facharbeitermangel wirksam bekämpfen und nicht wieder Bürger nicht mit. Da sind wir die ersten Ansprechpartner zwei oder drei Monate auf die Handwerker warten müssen. in dieser Sache.

(Glocke der Präsidentin) Vielen Dank.

Danke schön. (Beifall der AfD)

(Beifall der CDU) Vizepräsidentin Astrid Schmitt:

Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Jutta Blatzheim-Roegler. Für die Fraktion der AfD spricht der Abgeordnete Paul.

Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Abg. Joachim Paul, AfD: NEN: Kurz zur CDU: Konsequent wäre es in dieser wichtigen Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich halte es für ein Ge- Sache der Zukunft der dualen Ausbildung – teilweise auch rücht, dass ausgerechnet die AfD die erste Ansprechpart- versus Studium –, dass man sagt, wir riskieren bei der nerin der Bürgerinnen und Bürger ist, nicht nur in dem Stärkung der dualen Ausbildung, dass es weniger Ein- Bereich. schreibungen an den Universitäten gibt. Das wollen Sie nicht. Sie wollen beides. Das ist nicht konsequent. Da sind Ich möchte noch einmal kurz auf den Aspekt zurückkom-

6627 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 men, dass es für uns in Rheinland-Pfalz als einem Land, Wir freuen uns genauso über die Schülerinnen und Schüler das von vielen mittelständischen Betrieben und Hand- der Anne-Frank-Realschule plus und des Theodor-Heuss- werksbetrieben geprägt ist, aber auch anderen Betrieben, Gymnasiums , 9., 10. und 11. Jahrgangsstu- elementar ist, guten Nachwuchs zu bekommen. Guter fe. Auch Ihnen ein ganz herzliches Willkommen bei uns! Nachwuchs wächst nicht auf den Bäumen. Ein Land wie Rheinland-Pfalz, das geprägt von einem innovativen Mittel- (Beifall im Hause) stand ist, von vielen Hidden Champions, braucht qualifizier- te Fachkräfte. Deswegen ist es ein besonderes Anliegen Wir kommen nun zum zweiten Thema der der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, insbesondere im ländlichen Raum diejenigen zu unterstützen, die tolle AKTUELLEN DEBATTE Firmen haben und interessante Arbeitsplätze bieten. Erneuerbare Energien als Grundlage für eine (Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD) zukunftsfähige Industrie und Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz Ich möchte mit einer Mär aufräumen, dass nämlich Akade- auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN miker, die einen Bachelor in BWL haben, hinten heraus ein – Drucksache 17/11139– höheres Gehalt haben als jemand, der eine qualifizierte berufliche Ausbildung, einen Meister, der vielleicht einen Techniker gemacht hat. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Fraktionsvorsitzende Dr. Braun. Ich habe diese Beispiele in der Familie und weiß, wovon ich rede. Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: (Abg. Joachim Paul, AfD: Genau das ist es!) Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Unser Titel dreht sich um erneuerbare Energien. Ich will Stillstand ist Rückschritt, Fortbildung und lebenslanges Ler- die Gelegenheit wahrnehmen, darauf hinzuweisen, dass nen sind die Grundlage auch des wirtschaftlichen Erfolgs. auch die Mainzer Zugente dieses Jahr zum ersten Mal Die Unternehmen wissen längst, dass nur der ökologische elektrisch fahren wird Umbau in vielen Prozess- und Produktionsbereichen ih- (Beifall der Ministerpräsidentin Malu Dreyer: re Wettbewerbsfähigkeit erhalten und die Kosten im Griff Jawohl! – halten kann. Vereinzelt Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Genau deswegen ist es so wichtig und richtig, dass die re- gierungstragenden Fraktionen und diese Landesregierung und sich da die Transformation auf jeden Fall schon ein- ein besonderes Augenmerk darauf legen, die Fortbildung mal niederschlägt. Ich weiß nicht, ob es eine Zugente in in verschiedenen Berufen, auch in den handwerklichen Koblenz gibt, aber das ist bestimmt zu überlegen. Berufen weiter zu unterstützen. (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) (Glocke der Präsidentin) – Das kann die Präsidentin dann klären, Herr Baldauf, wer Vielen Dank. wo applaudieren darf.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Zurufe im Hause – und bei SPD und FDP) Glocke der Präsidentin)

Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Damit sind Kolleginnen und Kollegen, der Fraktionsvorsitzende hat wir am Ende des ersten Teils der Aktuellen Debatte. das Wort.

Bevor ich das nächste Thema aufrufe, freue ich mich, dass wir weitere Gäste bei uns im Landtag begrüßen dürfen. Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Zum einen haben wir die Mitglieder der Koblenzer Karne- – Danke schön. valsgesellschaft Funken Rot-Weiß-Gold 1946 e.V. zu Gast. (Zurufe der Abg. Christian Baldauf, CDU, (Beifall im Hause) und Alexander Schweitzer, SPD)

– Sie haben mir durch Ihren Applaus die Möglichkeit ge- – Sie müssen sagen, welche Fraktion, sonst ist Herr Bald- nommen, auch den zweiten Teil der Gruppe zu begrüßen, auf anscheinend immer noch verwirrt. und zwar den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Koblenzer Karneval e.V. (AKK). Die Uniformen sprechen für sich. Es (Heiterkeit bei der CDU) ist ein schönes Bild dort oben auf der Tribüne, finde ich. Herzlich willkommen! Vizepräsidentin Astrid Schmitt: (Beifall im Hause) – Ja, das stimmt. Ich konkretisiere das.

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Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: ben und in Rheinland-Pfalz diese Chancen wahrnehmen, meine Damen und Herren. Meine Damen und Herren, der Klimawandel und seine Konsequenzen werden das Wirtschaften auf unserem Glo- (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bus grundsätzlich ändern. Wir haben bei den Gesprächen bei SPD und FDP) in Davos von der Kanzlerin gehört, es sei eine existenzi- elle Frage, dass alle Produkte in der Industrie, also die Natürlich ist es richtig, was heute Nacht in der Koalitionssit- industriellen Produkte, aber auch der Verkehr in Zukunft zung beschlossen worden ist in Berlin, nämlich dass diese klimaneutral umgestellt werden müssen. Wir haben nicht Transformation abgefedert werden, sie sozial verträglich mehr viel Zeit dazu. sein muss, dass Menschen von dem einen Beruf und der einen Ausbildung in einen anderen Beruf, in eine andere Weil wir nicht mehr viel Zeit dazu haben, müssen wir natür- Ausbildung überführt werden müssen, lich handeln und müssen bald handeln. Das sagen nicht die Grünen allein; denn wir sagen das schon seit 30 oder (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Richtig!) 40 Jahren, das sagen jetzt viele, die Industrieunternehmen, viele, die Staaten führen. Man hat sich in Paris darauf ge- damit man den Menschen die Angst nimmt vor dieser Transformation. einigt, dass man den CO2-Eintrag in die Umwelt stark begrenzen will. (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ja!) Wenn man diese Dinge und die Gutachten ernst nimmt, Wir als Grüne wollen noch einmal deutlich machen, diese die heutzutage erstellt werden – – – Ich weiß nicht, ob Transformation hat gerade für den Standort Rheinland- Sie es heute gelesen haben, aber Boston Consulting hat Pfalz mit der Autoindustrie, mit der Chemieindustrie unge- ein Gutachten vorgelegt, das klarmacht, dass wir schnell heure Chancen. Diese Chancen müssen wir wahrnehmen, umsteuern müssen, wir umsteuern können, es aber einige indem wir, wenn wir neue Arbeitsplätze ansiedeln wollen, Hundert und Tausend Milliarden Euro kosten wird. Das diese Bedingungen zur Verfügung stellen. Die Bedingun- ist tragbar für unsere Industrie, das ist tragbar für unsere gen sind CO -freie Produktion. Das muss aus Strom, aus Systeme. 2 Energie in diesem Land genutzt werden. (Abg. Michael Frisch, AfD: Ja natürlich, (Glocke der Präsidentin) alles tragbar!)

Es muss angegangen werden, meine Damen und Herren. Das müssen wir vorbereiten, meine Damen und Herren. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Im SPIEGEL war zu lesen, dass McKinsey – McKinsey bei SPD und FDP) ist kein grünes Unternehmen, ich will es nur noch einmal dazusagen – zusammengefasst hat: Falls nichts geschehe, könne der Klimawandel – ich zitiere – „Hunderte Millionen Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Menschenleben, Billionen von Dollar an Wirtschaftskraft Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Rahm. sowie das physische und natürliche Kapital der Welt ge- fährden“. Das sind eindringliche Worte. Wir wissen, dass sie nicht aus der Luft gegriffen sind, sondern auf Tatsachen Abg. Andreas Rahm, SPD: beruhen. Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Meine Damen und Herren, die EU hat nun in ihrem Green Herren! Erneuerbare Energien sind nicht nur ein Gewinn Deal für die nächsten Jahre 1 Billion Euro, das heißt in ökologischen Belangen, sondern sorgen auch für eine 1.000 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, damit wir Grundlage für erhebliche positive ökonomische Effekte, diesen Green Deal, damit wir die Transformation unserer wie etwa neue Arbeitsplätze, das Thema der Aktuellen Wirtschaft schaffen. Rheinland-Pfalz muss teilnehmen an Debatte. dieser Transformation, und wir werden auch teilnehmen. Zurzeit arbeiten in der erneuerbaren Energie-Branche in Wir werden eine Batteriefabrik in Kaiserslautern, wir wer- Deutschland über 350.000 Mitarbeitende, eine Zahl, die den bei der BASF eine neue Energiestrategie, wir werden sich sehen lassen kann. Ich bin überzeugt, dass gerade bei Daimler beispielsweise eine Forschung zu den Lkw, die erneuerbaren Energien eine Chance für den Arbeits- wie sie elektrisch oder mit anderen Antrieben betrieben markt darstellen. werden können, haben. Wir haben bei Werner & Mertz in (Beifall der SPD und bei FDP und Mainz eine Nachhaltigkeitsstrategie, die klarmacht, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nur noch aus Recyclingprodukten neue Produkte gewon- nen werden. Wir haben bei den Pfalzwerken ein Anbieten Beschäftigungspotenziale liegen in Rheinland-Pfalz aber von Ökostrom ohne EEG-Umlage. nicht nur im Kernbereich des Ausbaus erneuerbarer Ener- gien, also bei Errichten, Betrieb und Wartung von Anlagen, Das, was wir alles haben in Rheinland-Pfalz, müssen wir insbesondere das Handwerk und damit alle Klein- und Mit- zusammenfassen und damit Werbung machen. Wir müs- telbetriebe gehören bereits heute zu den Profiteuren der sen klarmachen, dass wir keine Angst vor der Transformati- Energiewende. on haben, sondern wir uns auf diese Transformation freuen, wir begeistert davon sind, dass wir in Zukunft Chancen ha- Letztendlich ist die Energiewende ohne das Handwerk und

6629 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 seine Fachkräfte nicht zu meistern. So ist das Handwerk Meine Damen und Herren, ein großes Problem – das muss beispielsweise bei der Installation und Wartung von Photo- man erwähnen – stellt allerdings der Rückgang der Ar- voltaikanlagen, bei Energieeinsparung, Energieeffizienz, beitsplätze in der Windindustrie dar. Die Windkraft soll der Errichtung intelligenter Netze, intelligenter Messsyste- entscheidend zur Energiewende beitragen. Doch nun zeigt me oder dem Ausbau der E-Mobilität involviert. Um hier sich, dass die Branche stattdessen drastisch Personal ab- Beschäftigung aufzubauen und zu sichern, ist vor allem bauen musste. Das ist die falsche Entwicklung. Es ist die die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften unerlässlich. Aufgabe der Bundesregierung,

(Beifall der SPD, der FDP und des (Zuruf des Abg. Matthias Joa, AfD) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) diese Abwärtsentwicklung sofort zu stoppen Meine Damen und Herren, viele Unternehmen setzen auf Photovoltaikanlagen oder Blockheizkraftwerke als innova- (Beifall bei der SPD) tive Energieversorgung. Damit werden intelligente Mess- systeme auf der Erzeuger- sowie auf der Verbraucherseite und gute Rahmenbedingungen vonseiten des Wirtschafts- zum Baustein der Energiewende. Am Ende steht ein intelli- ministeriums für die Windenergie zu schaffen sowie für gentes Stromnetz, in dem eine kommunikative Vernetzung Akzeptanz durch Beteiligung vor Ort zu sorgen. und Steuerung aller Akteure des Strommarkts möglich ist: Smart Grid – das Internet der Energie. (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, gerade unsere Stadtwerke und Energieversorger stehen hier vor großen Herausforderun- Meine Damen und Herren, gerade der Aufbau einer si- gen. Sie sind durch wachsende Qualitätsansprüche zuneh- cheren Kommunikationsplattform, die Digitalisierung der mend mit komplexen Technologien rund um Smart Home, Energiewende, all dies ist entscheidend. Wir müssen hier Smart City-Apps für Energiedienstleistung, automatisier- vorankommen. Wir müssen in Rheinland-Pfalz die Unter- ten Stromhandel oder virtuelle Kraftwerke konfrontiert. Hier nehmen unterstützen bei der Digitalisierung der Energie- entstehen aber auch neue Arbeitsplätze. wende. Ganz oben auf der Agenda der Landesregierung steht das Thema „Qualifizierung und Weiterbildung“, um Die Aufgaben und Veränderungen sind sehr komplex, auch gerade die kleinen und mittleren Unternehmen in der digi- bei Industrieunternehmen – Dr. Braun hat es schon er- talen Transformation im Land zu unterstützen. wähnt – wie BASF und Daimler. Gestatten Sie mir aber als Beispiel heute das neue Batteriewerk von Opel in Kaisers- Dafür hat die Ministerpräsidentin als nächsten Schritt einen lautern explizit hervorzuheben, Transformationsrat eingerichtet, der alle Akteure zusam- menbringt. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!) (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Gute Frau!) ein wichtiger Baustein für unsere Mobilitäts- und Energie- wende. Ein erstes Zusammentreffen der Akteure ist bereits in Pla- nung. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Richtig!) (Glocke der Präsidentin) Hier entstehen ebenso ganz neue Arbeitsplätze. Es ist zum großen Teil Malu Dreyer und der Landesregierung Wir in Rheinland-Pfalz wollen und werden auf die Bedürf- und ihrem engagierten Einsatz zu verdanken, nisse der rheinland-pfälzischen Unternehmen zugeschnit- tene Maßnahmen weiterentwickeln und an neuen Heraus- (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS forderungen anpassen. 90/DIE GRÜNEN – Zurufe der Abg. Martin Haller, SPD, und Dr. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Adolf Weiland, CDU) (Beifall der SPD, der FDP und des dass diese Arbeitsplätze in Rheinland-Pfalz entstehen, und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – dies in einer Region wie Kaiserslautern – Herr Dr. Wei- Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!) land –, dies in einer Region wie Kaiserslautern – da sind wir dankbar –, die bereits so viele Arbeitsplätze in der In- dustrie verloren hat. Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Martin Um sich mit neuen, erfolgreichen Produkten oder Dienst- Brandl. leistungen als Lösungsanbieter auf dem Markt zu positio- nieren, bedarf es der passenden Mitarbeitenden und der digitalen Kompetenz. Smarte Fabriken brauchen smarte Abg. Martin Brandl, CDU: Mitarbeiter. Die zu finden und für sich zu gewinnen oder gar auszubilden, ist eine Mammutaufgabe, aber in deutschen Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist Großunternehmen fehlen nach einer aktuellen Studie die hier heute Morgen ein Stück weit eine bemerkenswerte Fachkräfte für eine digitale Transformation. Da muss sich Debatte, weil sie sich sehr stark auf der übergeordneten etwas ändern. Metaebene abspielt.

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(Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, um sodann auch deutlicher von den ökonomischen Effek- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ten dieser Transformation profitieren zu können. – Und dort, Herr Dr. Braun, ist Rheinland-Pfalz auf dem letzten Der Kollege Rahm hat konkret das Thema „Fachkräfteman- Platz im Ländervergleich. gel“ aufgegriffen. Dazu werde ich später noch einmal zwei Sätze sagen. (Beifall der CDU)

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das Batteriewerk Das heißt, ich negiere nicht die Erfolge; aber wenn man Kaiserslautern ist für die CDU Metaebene!) eine seriöse deutsche Studie des DIW ernst nimmt – da- zu brauche ich jetzt nicht Boston Consulting zu zitieren –, – Herr Dr. Braun, bevor Sie jetzt dazwischenrufen, will die nach vorne schaut und die Fragen untersucht, ob die ich sagen, ja, auf der Metaebene sind wir beisammen; Grundlagen für diese Transformation gelegt sind, wir tat- denn genau dieser Transformationsprozess, der Green sächlich in der Lage sind, innovativ diesen Herausforderun- New Deal ist das große Projekt der EU-Kommission mit gen zu begegnen, die Rahmenbedingungen in Rheinland- ihrer Vorsitzenden von der Leyen. Pfalz dafür geschaffen sind, um auch weiter diesen Weg zu gehen, dann kommt das DIW zu dem Schluss: Nein, (Zuruf des Abg. Dr. Bernhard Braun, Rheinland-Pfalz ist auf dem letzten Platz in dieser Hinsicht, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und dann müssen wir uns fragen, warum das so ist und was wir daran ändern müssen. Deshalb unterstützen wir selbstverständlich diesen großen Transformationsprozess. Er ist das große Projekt in Euro- (Beifall der CDU) pa,

(Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, Ich glaube, es ist der falsche Weg, den Frau Lemke in der SPD) letzten Legislaturperiode gegangen ist, die gesagt hat, wir brauchen auf jeden Fall neue Cluster im Bereich Umwelt um dem Klimawandel weiter zu begegnen. und erneuerbare Energien, egal, woher sie kommen. Die Wirtschaftsstruktur – das zeigt das DIW ganz klar – ist in (Beifall der CDU) Rheinland-Pfalz gar nicht vorhanden. Wir sind auch hier im Bundesländervergleich eines der schwächsten Länder, Wenn wir aber von der Metaebene ein Stück weit runter- wir haben mit den geringsten prozentualen Anteil an Un- scrollen nach Rheinland-Pfalz, da müssen wir uns natür- ternehmen in diesem Sektor im ganzen Ländervergleich. lich schon die Frage stellen, wie weit wir sind. Ihre Über- schrift lautet „Erneuerbare Energien als Grundlage für eine (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS zukunftsfähige Industrie (...)“. Da muss man sich schon 90/DIE GRÜNEN: Gar keine Ahnung! fragen: Wie sieht denn diese Grundlage aus? Überhaupt keine Ahnung! Geht Ihr nicht mal in Firmen und informiert Euch Sie sind jetzt mittlerweile fast zehn Jahre an der Regie- irgendwo? Völlig frei von Wissen!) rung beteiligt, und da kann man sich doch auch einmal anschauen, wie es sich mit den erneuerbaren Energien entwickelt hat. – Herr Dr. Braun, das sind Fakten. Jetzt sind wir eben nicht auf der Metaebene, jetzt sind wir auf der ganz konkreten An der Stelle zitiere ich die Studie des Deutschen Instituts Ebene, und da zählen die Fakten und nicht die Schönrede- für Wirtschaftsforschung (DIW) aus dem Jahr 2019. – Ja, rei. das hat sich gut entwickelt. Rheinland-Pfalz steht im Bun- (Beifall der CDU – desländervergleich im Bereich der erneuerbaren Energien Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) gut da mit entsprechenden Zuwächsen, da hat sich viel getan. Deshalb will ich zwei konkrete Punkte ansprechen. Das ei- (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS ne ist, wir brauchen eben nicht aus dem Boden gestampfte 90/DIE GRÜNEN: Trotz der CDU und ihres Cluster, sondern wir müssen das, was wir in Rheinland- Fraktionsvorsitzenden!) Pfalz schon gut können, das, was ausreichend vorhanden ist, dort, wo die BASF schon in Segmenten drin ist, wo es Das ist keine Frage. Chemiefirmen gibt, (Zuruf der Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, Aber an der Stelle müssen wir uns auch fragen, wie es wei- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tergeht. Sind wir gewappnet? – Auch darauf gibt die DIW- Studie entsprechende Antworten. Ich darf an dieser Stelle meinen Fraktionsvorsitzenden zitieren, der schon Mitte die tatsächlich diesen Transformationsprozess aktiv an- letzten Jahres diese Studie bemüht hat. Die DIW-Studie steuern, das müssen wir stärken, diese Forschung müssen sagt nämlich: Deutliches Verbesserungspotenzial besteht wir auch entsprechend unterstützen. Dort müssen wir mit beim technologisch-wirtschaftlichen Wandel. Rheinland- innovativen Möglichkeiten hineingehen, um diese vorhan- Pfalz sollte sowohl seine Anstrengungen und Angebote in denen Kräfte zu stärken, und müssen nicht etwas komplett diesem Bereich ausbauen als auch die Entwicklung klima- Neues aus dem Boden stampfen. Das ist doch die Stärke schonender Versorgungsstrukturen verstärkt unterstützen, von Rheinland-Pfalz.

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(Beifall der CDU – wie viel eine vierköpfige Familie hierfür in den letzten Jah- Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS ren an Investoren bezahlt hat. 90/DIE GRÜNEN: Sprechen Sie doch mal mit der BASF! Wir waren da!) Andere Studien sprechen von Gesamtkosten in Höhe von 1 Billion Euro bis in die 2030er-Jahre. – Haben Sie über- Ich bin dem Kollegen Rahm sehr dankbar für seine Aus- haupt eine Vorstellung, was wir mit diesem Geld an sozia- führungen zum Fachkräftemangel, und damit komme ich ler Sicherung, Infrastruktur, Forschung, Entwicklung und zu meinem zweiten Punkt, den ich ansprechen möchte. Technologien alles hätten erreichen können? Es geht natürlich auch wieder um das Thema „Bildung“. Natürlich geht es um das Thema „Bildung“. Sie, liebe Grünen-Fraktion, haben wirklich Nerven, hier ei- ne solche Debatte in der Form einzubringen. Dabei haben (Glocke der Präsidentin) wegen Ihnen Zehntausende Menschen bereits ihren Job verloren, und Hunderttausenden Menschen und Familien Wenn wir diesen Transformationsprozess erfolgreich be- wird die Existenzgrundlage genommen, und das gerade streiten wollen, dann brauchen wir genau die Schülerinnen von Ihnen. und Schüler, die Lehrkräfte von morgen, die Studenten von morgen, die in der Lage sind, dieses Feld zu durchdringen (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das ist ja und diese Dinge tatsächlich auch sachlich und fachlich gut gerade absolut unverschämt!) zu bearbeiten. Diese Energiewende ist sozial ungerecht und volkswirt- (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das schaftlich enorm schädlich. Die CO2-und die Mobilitäts- stimmt! – wende wird es noch viel mehr sein. Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Die lernen dann mit dem Unterrichtsausfall!) Erst vor ein paar Tagen hat die Bild-Zeitung getitelt: „Der große Armuts-Check: So läuft die Umverteilung von un- Wenn aber dann ein Drittel der Kinder nicht richtig lesen ten nach oben.“ Und genau hier zeigt sich ein weiterer und schreiben kann, wenn sie aus der Grundschule kom- Aspekt Ihrer kurzsichtigen Politik. Sie sind eben nicht die men, sind das denkbar schlechte Voraussetzungen für Ökö-Robin-Hoods, sondern Sie nehmen den Armen, und diesen transformatorischen Wandel. Sie geben den Reichen.

(Beifall der CDU) (Beifall der AfD)

Wir exportieren Strom, den wir nicht brauchen, und wir zah- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: len auch noch dafür. Wir importieren Strom aus unsicheren Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Joa. französischen Atomkraftwerken und aus osteuropäischer Kohlekraft

Abg. Matthias Joa, AfD: (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das stimmt doch nicht! Sehr geehrte Präsidentin, liebe Kollegen! Auch heute wird Das ist doch falsch! – wieder das Hohelied auf die Erneuerbaren gesungen. Nun Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS soll gar der große Erfolg der Energiewende als Basis und 90/DIE GRÜNEN: Das ist falsch!) Leitmotiv für unsere gesamte Industrie dienen. und schalten unsere eigenen Kernkraftwerke ab. Doch Sicherlich: Die Reduzierung des Einsatzes fossiler Energie- Hauptsache, der Strom wird erneuerbar erzeugt; ob er träger ist ein richtiges und nachvollziehbares Ziel. Leider benötigt wird oder nicht, ist vollkommen egal. bleiben im links-grünen Energiewendewahn aber wesentli- che entscheidende Punkte völlig außer Betracht, und ohne Und während man so den ausländischen Kohlestrom im- das böse Atom, wie Herr Braun es einmal in einer Schul- portiert, sollen die Bürger selbst auf Haustüre, Kamin oder debatte ausgedrückt hat, ohne schmutzige Kohle wären am besten noch auf ihre Gebäudeheizung verzichten. die Lichter hier im Land schon lange ausgegangen. (Beifall der AfD – (Beifall der AfD) Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ah!) Es gibt bis heute keine praxistaugliche Lösung, um Ener- gie aus den Erneuerbaren auf breiter Basis zu speichern. Aber lassen wir das, betrachten wir die Fakten. Schafft der links-grüne Sozialismus zumindest Arbeitsplätze? Beispiel Tatsächlich kommt diese Energiewende unsere Bürger teu- Windenergie: Die Beschäftigung im Bereich der Windener- er zu stehen. gie ist binnen eines Jahres um 26.000 Jobs eingebrochen. Nach einer zukunftsfähigen Branche sieht die Windener- (Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS giebranche nicht wirklich aus, und schon minimale markt- 90/DIE GRÜNEN: Sie haben auch nicht mit wirtschaftliche Elemente haben ausgereicht, um den Zu- der BASF geredet, man merkt es!) bau um 80 % einzubremsen.

Nach einer Studie der„ Initiative Neue Soziale Marktwirt- (Beifall der AfD) schaft“ betragen die Kosten der Energiewende bis 2025 etwa 520 Milliarden Euro. – Rechnen Sie sich einmal aus, Nehmen Sie die Photovoltaik: 2011 noch 140.000 Ar-

6632 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 beitsplätze, große Unternehmen wie Conergy. Jetzt sind Ich muss Ihnen sagen, ich persönlich bin stolz darauf, dass noch 36.000 Arbeitsplätze übrig geblieben, nahezu al- wir unseren landwirtschaftlichen Betrieb zu 50 % aus er- le namhaften Unternehmen sind abgewandert, und das neuerbarer Energie, nämlich aus Solarenergie, versorgen nimmt uns etwas das Vertrauen in Ihre Ideen und in Ihre können. Pläne. (Abg. Uwe Junge, AfD: Weil Sie es sich Glauben Sie denn ernsthaft, dass dauersubventionierte Ar- leisten können!) beitsplätze gleich zukunftsfähige Arbeitsplätze sind? Dies Ich bin stolz darauf, dass unser landwirtschaftlicher Be- scheint nicht so, und damit kommen wir zur großen Stärke trieb zu 100 % seine Wärmeleistung aus nachwachsenden von SPD und Grünen, nämlich der Glaube; aber nicht der Rohstoffen, nämlich aus Holz, gewinnt und viele andere Glaube an Gott, sondern an die eigene überlegene Ideolo- auch im Privatbereich in Rheinland-Pfalz, aber auch in gie des Sozialismus! Deutschland diesen Weg in den letzten Jahren mitgehen (Beifall der AfD – und auch zukünftig mitgehen werden, auch aufgrund Ihrer Zurufe von der SPD) Rede, die Sie heute gehalten haben, weil die Menschen über die Zukunft nachdenken und sich ihrer Verantwortung Was ist nun also die Antwort der Grünen und der SPD? bewusst sind.

(Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS (Vereinzelt Beifall bei FDP, SPD und dem 90/DIE GRÜNEN: Das ist wirklich zum BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – fremdschämen, Herr Joa! – Zurufe der Abg. Uwe Junge und Michael Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Keine Frisch, AfD) Vorstellung! – Sie können leugnen und tun und machen, was Sie wollen: Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) Die Menschen sind in ihrem Denken viel weiter. Sie sind Sie fordern natürlich noch höhere Subventionen. Dabei sich der Verantwortung bewusst, dass zum Umwelt- und könnte man schon ins Grübeln kommen. So wurden im Klimadenken auch beigetragen werden muss. Jahr 2018 etwa 27 Milliarden Euro EEG-Umlage von Verbrauchern und Industrie an die Subventionsempfän- Die Technologien, die in Rheinland-Pfalz und in Deutsch- ger umverteilt. Dies macht 80.000 Euro für jeden dieser land entwickelt wurden und auch fortlaufend entwickelt 300.000 Arbeitsplätze, nur durch Subventionen, und selbst werden, wurden und werden entwickelt, weil wir Top- dann funktioniert es nicht. Ingenieure in Deutschland haben und unsere Innovations- kraft in den letzten 70 Jahren – ebenso wie unsere Wirt- Doch dies alles ficht die Wohlstandsvernichter in der Re- schaftskraft und unsere Technologiefreiheit und -offenheit – gierungskoalition nicht im Geringsten an. Man will jetzt dazu beigetragen hat, moderne Innovation zu entwickeln, erst richtig loslegen. Dieser missratenen Energiewende (Abg. Uwe Junge, AfD: Das ist doch falsch!) folgt nun Besseres: Es soll nun gleich das ganze Klima gewendet werden. und dazu beigetragen hat, dass wir auch zukünftig mo- derne Innovationen in unseren Haushalten und in den Und wie nicht anders zu erwarten, wissen die staatlichen Betrieben haben, um Arbeitsplätze zu sichern. Planer schon jetzt ganz genau, (Beifall der FDP, der SPD und des (Glocke der Präsidentin) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) welche Technologie die Kunden wollen. – Mehr dazu in der Wir haben in den Reden vorher zum einen die Seite der zweiten Runde. Unternehmen gehört. Es sind die BASF, Boehringer Ingel- heim und auch Mercks angesprochen worden. Vielen Dank. Wenn wir aber über die Arbeitnehmer im ländlichen Raum (Beifall der AfD) reden – und Rheinland-Pfalz ist ländlicher Raum –, müs- sen wir auch über die Versorgung – – – Vizepräsidentin Astrid Schmitt: (Zurufe der Abg. Dr. Timo Böhme, AfD, und Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Marco We- Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE ber. GRÜNEN)

– Gut, vielen Dank. Abg. Marco Weber, FDP: Wenn wir über den ländlichen Raum und dessen Bürger Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da- sprechen, dann müssen wir auch darüber sprechen, wel- men und Herren! Sie hörten gerade die Fraktion der Atom- che Kosten bzw. welche Energieformen diesen Bürgern fans Deutschlands. zur Verfügung stehen. Wenn wir uns dann überlegen, wel- (Beifall der FDP, der SPD und des che Rohstoffe und technischen Möglichkeiten wir haben, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – dann haben wir zum einen die Solarenergie, wir haben die Heiterkeit bei der SPD – Windenergie, wir haben Rohstoffe aus dem Holzmarkt zur Abg. Uwe Junge, AfD: Ja, durchaus!) Verfügung. Wir haben aber auch die Biogastechnologie

6633 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 zur Verfügung, deren Kapazitäten in den letzten Jahren (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS in Rheinland-Pfalz, aber auch deutschlandweit aufgebaut 90/DIE GRÜNEN: Aber die CDU auch!) worden sind. den Zusammenbruch von Arbeitsplätzen feiert, Darüber müssen wir uns zukünftig unterhalten; denn gera- (Zurufe von der AfD: Was? – de die Biogastechnologie stellt eine Energieform dar, die Unruhe bei der AfD) 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr Strom und Energie lie- fern kann. Diese braucht auch eine Zukunftsperspektive in die wir – sage ich einmal – auch den Hemmnissen von der bundespolitischen Diskussion, weil momentan gerade Bundesminister Altmaier zu verdanken haben. Übrigens die Biogastechnologie neben der Solar- und der Windener- noch zu Ihrer Information: gie keine Zukunft hat. Wir müssen uns Gedanken darüber machen, dass diese Technologie in Deutschland eine Zu- (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Sie haben kunft hat, und das gehört zur politischen Diskussion dazu. diese Arbeitsplätze vernichtet!) Die Biogasanlagen stellen neben der Photovoltaik und der Windkraft eine Energieversorgung dar, die es uns ermög- Die Subventionierung der Kohle kostet auch heute noch licht, die erneuerbaren Energien auszubauen und auch etwa 50 Milliarden Euro pro Jahr. Im Saarland, unserem dem Arbeitnehmer zu Hause zur Verfügung zu stellen. Nachbarland, haben die Menschen nicht etwa die Kohle- politik beendet, weil sie irgendwie davon überzeugt waren, (Beifall der FDP, der SPD und des dass der Ausstieg eine tolle Sache ist, sondern weil die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Folgeschäden so hoch sind, dass sie schon jetzt nicht Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD) mehr zu ertragen und zu verantworten sind.

Ich war ein bisschen überrascht, als der Kollege Brandl den Wie so oft in der Geschichte, die Notwendigkeit und die Green Deal angesprochen hat. Weil wir als FDP-Fraktion Möglichkeit zu Veränderungen ist immer gegeben und sie ja immer der Zeit voraus sind, werden wir im nächsten sind auch immer passiert. Wir wohnen nicht mehr in den Umweltausschuss diesen Green Deal thematisieren. Ich Keltensiedlungen. Wir haben auch das Mittelalter und die bin mir nicht ganz sicher, ob der Kollege Brandl diese Vor- mechanischen Webstühle inzwischen hinter uns gelassen, schläge wirklich alle durchgelesen hat, die der Green Deal oft mit starken Brüchen für die ärmeren Teile der Bevölke- mit sich bringt. Ich bin einmal über Ihre Landwirtschafts- rung. Wir haben aber heute die Möglichkeit, solche Verän- abgeordneten gespannt, welche Passagen und welche derungsprozesse zu gestalten. Die Klimaveränderung und Auswirkungen dieser Green Deal für die Landwirtschaft der Zusammenbruch der Ökosysteme setzen unserem bis- mitbringt. Die Landwirtschaft ist sich ihrer Verantwortung herigen Wirtschaften Grenzen. Wir brauchen Innovationen, bewusst, bei erneuerbaren Energien mitzumachen und um in die Zukunft zu gehen. Es geht nicht um Auflagen und auch Treibhausgase einzusparen; aber was dort im Green Bevormundungen. Es geht um die gemeinsame Sicherung Deal zur Landwirtschaft bzw. zur Agrarwirtschaft formuliert der Lebensgrundlagen. ist, stellt uns vor große Herausforderungen und wird uns auch in der politischen Diskussion in den nächsten Mona- (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ten noch sehr intensiv begleiten. und vereinzelt bei der SPD)

Ich sage noch einmal zum Abschluss: Wir haben in Unser Wald ist ein Indikator für das Ausmaß des Klimawan- Rheinland-Pfalz eine erneuerbare Technologie, die weiter- dels und zeigt uns, wie stark diese Notwendigkeit ist, aus entwickelt wird und Arbeitsplätze schafft. Die Unternehmen den fossilen Energien, die die Entwicklung des Waldster- stellen sich den Herausforderungen, die Arbeitnehmer, die bens bewirken, auszusteigen. Wir haben alle die Verant- Bürger gehen diesen Weg in großer Mehrheit mit. wortung, die Verwendung der fossilen Energien zu stoppen. Wir haben heute das Wissen. Wir haben die Verantwor- Wir werden dies als FDP-Fraktion politisch begleiten, um tung, die notwendigen Veränderungen herbeizuführen, ab- diese Transformation in den vielfältigen Wirtschaftsformen zufedern, zu gestalten und dabei genauso die soziale wie und in den Arbeitswelten mit hinzubekommen. die ökologische Seite zu beachten.

Vielen Dank. Statt in den Untergang zu stürzen wie frühere Bevölke- rungsgruppen, beispielsweise bei der Übernutzung des (Beifall bei FDP und SPD) Waldes, haben wir die Möglichkeit, die Chancen zu nutzen. „Transformation“ ist tatsächlich der Begriff, den wir nutzen, um den Veränderungsprozess abzubilden. Der Green New Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Deal, heute von Frau von der Leyen wörtlich übernommen, war übrigens, das kann ich Ihnen nicht ersparen, Motto Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Ulrike unseres Wahlprogramms im Jahr 2009. Natürlich sind wir Höfken. eigentlich ganz stolz darauf, dass solche Gedanken dann doch in die Politik gelangen. Dazu brauchte es doch auch Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- die Grünen. Das sage ich einmal so nebenbei. rung und Forsten: (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Häme Aber wir haben den Kohleausstieg und seit gestern die die AfD Beschlüsse. Auch wenn die Lobby viel Geld abbekommt,

6634 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 sage ich einmal: Wir haben das Klimapaket. Wir haben die dung ist. CO2-Bepreisung. Wir haben die Verträge von Paris. Also statt durch sehr teures Nichtstun in die Katastrophe zu (Unruhe im Hause – laufen, zu Gurus und zu Göttern zu beten, müssen wir die Glocke der Präsidentin) notwendigen Rahmenbedingungen für den Ausstieg aus Reden wir nicht von Tesla oder von anderen, die alle ganz der Kohleverstromung gestalten. klar die erneuerbaren Energien zur weiteren Entwicklung brauchen. Das haben viele erkannt. Dahinter steht auch eine enorme Wertschöpfung. Wenn wir sehen, dass wir Energieerzeu- (Unruhe im Hause – gung nach der Kohle wieder nach Deutschland zurückho- Glocke der Präsidentin) len können, dann ist das auch mit Wertschöpfung, gerade in ländlichen Regionen, verbunden. Wenn in Rheinland- Pfalz jede zweite Kilowattstunde Strom aus erneuerba- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: ren Energien stammt, dann ist das auch Erzeugung in Liebe Kolleginnen und Kollegen, einen kleinen Moment, Rheinland-Pfalz. Frau Ministerin. Der Geräuschpegel ist einfach zu hoch. Ich bitte Sie, Ihre Gespräche einzustellen und die Zwischen- Wir müssen nur auf unsere Kommunen oder die schon rufe zu reduzieren, damit wir Frau Ministerin verstehen erwähnten Stadtwerke sehen, um zu sehen, was wir für können. Ich spreche alle Abgeordneten an. Das gilt für innovative Kräfte, auch im Land, haben. Wenn wir einmal alle. Ich schaue jetzt einmal zu meiner Fraktion. Entschul- annehmen, auch in den Dörfern, also in einem Dorf mit digung, aber ich habe um Ruhe gebeten. 500, 600 Autos, was bei uns keine Seltenheit ist, würden einmal alle einen preiswerten E-Wagen fahren und den Frau Ministerin, Sie haben das Wort. Strom mit eigener Solaranlage erzeugen, dann können wir einmal sehen: Es würden etwa 400.000 Euro, 500.000 Eu- ro für Diesel und Benzin erspart werden. Die Investitionen, Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- die nötig wären – etwa 4 Millionen Euro bis 6 Millionen Eu- rung und Forsten: ro –, würden direkt ins Handwerk fließen und sogar nach Ja, ich weiß, das tut ein bisschen weh. 10 bis 14 Jahren schon amortisiert sein. Das heißt, etwa eine halbe Million Euro pro Jahr würde in diesem Dorf, im Aber ganz klar ist, wir müssen diese Hemmnisse abbauen. Land und in der Region bleiben. Das ist eine sehr positive Das gilt für die ganzen Hemmnisse bei den erneuerbaren Entwicklung. Energien: Weg mit den Deckeln, die Möglichkeit der Ei- genstromnutzung müssen wir öffnen, die den regionalen (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bonus hat, um nur einige Hemmnisse zu nennen, oder Zurufe der Abg. Dr. Timo Böhme, AfD, und auch die Planungsbeschleunigung in diesem Punkt umset- Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE zen. Wir brauchen natürlich auch die soziale Abfederung. GRÜNEN) Das heißt, wir müssen die Bürger und Bürgerinnen mit den Viele Arbeitsplätze, über 10.000 Arbeitsplätze, sind in Einnahmen aus der CO2-Bepreisung mitnehmen und sie Rheinland-Pfalz durch die Energiewende schon geschaf- unterstützen. Wir brauchen Innovation und Forschungs- fen. Die Umsätze in der Umwelttechnologie, auch in unterstützung. Wir brauchen Investitionen bei Gebäuden, Rheinland-Pfalz, sind sehr hoch. Aber sehen wir uns doch beim Verkehr und bei der Landwirtschaft. Wir brauchen die schon erwähnte BASF an, die ganz klar sagt: Wachs- übrigens auch eine Handelspolitik, die eine solche Ent- tum nur noch CO2-neutral. Herr Böhme, so sagt es die wicklung stützt. Ich bin ganz bei Frau von der Leyen, die BASF. Wir sehen zu Boehringer, wir sehen zu Schott, wir sagt, wir brauchen auch eine CO2-Bepreisung an den Au- sehen zu VW. ßengrenzen der EU.

(Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD) (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr gut!) Herr Diess, der VW-Chef, sagt: Die CO2-Bepreisung ist mir noch zu niedrig. – Wir haben die Zielsetzung, faire und soziale Bedingungen zu schaffen und die ökologische Zukunft mit einzuleiten. Ich denke, nachdem die CDU die Landwirtschaft als Un- Ich denke, wir haben in Rheinland-Pfalz viele innovative terstützung verloren hat, verliert sie jetzt auch die Indus- Programme, die diese Entwicklung unterstützen. Wir müs- trie. Wir sehen nämlich, dass die Hemmnisse dieser Ent- sen auch mit dem Transformationsrat die Zukunft möglich wicklung von Ihrer Bundeswirtschaftspolitik stammen. Das machen. Daran werden wir weiter arbeiten. kann ich Ihnen auch nicht ersparen. Danke. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD) Nach dem Ausstieg erfolgt kein Einstieg, sondern eine Wirtschaftsverweigerungshaltung. Wie uns die BASF auch Vizepräsidentin Astrid Schmitt: im Ministerrat sagt, in China ist es möglich, CO2-neutrale Werke zu errichten. Hier gibt es die Möglichkeit nicht. Ja, Aufgrund der etwas verlängerten Redezeit der Landesre- dann sehen wir, dass das eine wichtige Standortentschei- gierung haben alle Fraktionen theoretisch noch zusätzlich

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30 Sekunden. Wir legen die 2 Minuten in der zweiten Run- (Abg. Martin Brandl, CDU: Das hat nichts de großzügig aus. damit zu tun, was Sie gesagt haben! – Unruhe bei CDU und AfD) Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat sich Frak- tionsvorsitzender Dr. Braun noch einmal gemeldet. Sie müssen sich doch dort informieren, wo die Menschen tatsächlich diese neuen Ideen entwickeln und können nicht sagen, diese Transformation in eine neue Welt würde wahr- Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: scheinlich Ihre Befindlichkeit und Arbeitsplätze gefährden.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Her- Nein, wir haben die Chancen. Meine Damen und Herren, ren! Ich hatte gar nicht erwartet, dass es zu einer solchen Sie müssen die Chancen sehen. Dazu fordere ich Sie auf. heftigen Debatte kommt. Wenn beispielsweise in der EU Ich lade Sie ein, an dieser Diskussion konstruktiv teilzu- Frau von der Leyen die Maßzahlen vorgibt, dass wir in eine nehmen und nicht nur nach hinten zu schauen, sondern innovative Welt starten wollen, und wenn wir wissen, dass auch Zukunft zu wagen, meine Damen und Herren. Das BlackRock an die Firmen in Davos geschrieben hat, es ist jetzt angesagt. wird Finanzierungen am Weltfinanzmarkt nur noch geben, wenn man CO -neutral produziert, dann dachte ich, wir 2 Vielen Dank. setzen uns darüber auseinander, was der beste Weg in die neue Welt ist. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD) Aber es ist eine ganz andere Auseinandersetzung: Der Fraktionsvorsitzende der CDU will in einer alten Welt blei- ben, weil er die neue gar nicht versteht. Er hat anscheinend Vizepräsidentin Astrid Schmitt: nicht mit der BASF und anderen, die in der neuen Welt sind, gesprochen. Für die SPD-Fraktion spricht noch einmal Abgeordneter Andreas Rahm. (Abg. Johannes Zehfuß, CDU: Das ist eine Unverschämtheit! – Unruhe bei der CDU) Abg. Andreas Rahm, SPD:

Wir waren letztens bei der BASF und haben dort erfahren, Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Her- dass sie 30 % erneuerbare Energien brauchen. Das sind ren! Herr Kollege Joa, Sie brauchen mir nicht zu erklären, 300 MW. Herr Baldauf, Sie wissen nicht, was ein Megawatt an was ich zu glauben habe. Aber manchmal kann ich ist, aber das ist viel, und das kann man nicht angehen wie mir wirklich nicht vorstellen, dass Sie alles glauben, was Sie. Sie hier von sich geben. Sie als bekennender Atomfreund bringen immer wieder nur dieselbe Leier: die Kosten der (Abg. Christian Baldauf, CDU: Fake News! – erneuerbaren Energien. Ich bitte Sie, bringen Sie doch Unruhe bei der CDU) auch einmal in einer Ihrer Reden die Kosten für die Endla- gerung von Atommüll. Das wäre einmal hochinteressant. Anscheinend diskutieren wir im Moment darüber, ob man in der alten Welt verbleiben soll oder nicht. Das ist die (Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE falsche Diskussion, meine Damen und Herren. GRÜNEN – Unruhe bei der AfD) (Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) Ich glaube, die Zahlen, was die erneuerbaren Energien Es geht um die Geschwindigkeit der Transformation, die angeht, würden ganz klein werden. Das wissen Sie auch, soziale Abfederung und um das, was in dieser neuen Welt aber Sie wollen es einfach nicht. Ich verstehe es ja: Atom- passieren wird. Das haben die Ampelfraktionen verstan- freunde unter sich. den. Offensichtlich hat es die CDU nicht verstanden. Über die AfD muss ich nicht sprechen. Das ist klar. (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Die versteht nämlich nichts, genau!) Wir haben über die Transformation in der Industrie gespro- chen. Wir haben als Beispiel BASF gebracht. Die BASF Aber die CDU als Volkspartei kann sich doch nicht hinset- setzt auf die erneuerbaren Energien. Sie hat die strategi- zen und sagen, was die EU macht, ist uns egal, und was sche Bedeutung der erneuerbaren Energien erkannt. Sie die Bundesregierung macht, ist uns egal: Wir verbleiben hat die Chancen der Nachhaltigkeit erkannt. Sie hat die in Rheinland-Pfalz bei unseren alten Meinungen, schau- Chancen des Klimaschutzes für sich als Unternehmen en nur zurück und versuchen, irgendwie über die Zeit zu erkannt. Meine Damen und Herren, die BASF ist somit kommen, weil wir uns der Innovation verschließen. offensichtlich viel weiter als die CDU-Fraktion. (Zuruf des Abg. Martin Brandl, CDU) Vielen Dank.

Meine Damen und Herren, das geht doch nicht. Sie müs- (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS sen doch in diese neue Welt mitgehen. 90/DIE GRÜNEN)

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Vizepräsidentin Astrid Schmitt: (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Quatsch! – Für die CDU-Fraktion spricht noch einmal Abgeordneter Abg. Christian Baldauf, CDU: Eine Martin Brandl. Tankstelle in Rheinland-Pfalz! – Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Quatsch!) Abg. Martin Brandl, CDU: Liebe Kollegen Braun und Rahm, wenn Sie noch einmal Sehen Sie, das sind doch die Herausforderungen, denen Blätter dabei gehabt und abgelesen hätten, hätte ich ge- wir uns stellen müssen. Sie müssen doch überlegen, was sagt, Sie haben Ihre Rede gestern aufgeschrieben und wir in Rheinland-Pfalz genau dazu beitragen können. haben schlicht und ergreifend abgelesen, was Sie gestern Und wenn das DIW genau zu dem Schluss kommt, dass dachten. wir im Bereich Forschung und Entwicklung und im Bereich der Innovation schlichtweg im letzten Drittel von Deutsch- An der Stelle muss ich aber sagen, Sie haben mir schlicht land zu finden sind im Bundesländervergleich, dann müs- und ergreifend bei keinem Wort zugehört, bleiben in Ihren sen Sie sich genau mit diesen Dingen auseinandersetzen Stereotypen und gehen zu null Prozent darauf ein, was ich und nicht auf der Metaebene wild auf uns einkloppen. gesagt habe. (Beifall der CDU) (Beifall bei der CDU) Noch ein letzter Satz zur AfD. Wissen Sie, ich glaube, ein Ich möchte es noch einmal zum Nachschreiben betonen. Punkt ist wichtig: Herr Dr. Braun, vielleicht sparen Sie sich jetzt die Zwischen- rufe. Diese haben Sie in der ersten Runde laufend getätigt (Glocke der Präsidentin) und mir deshalb in dem Gespräch mit der Fraktionsvorsit- zenden nicht zugehört. Ich habe gesagt, selbstverständlich Die jungen Menschen von heute sind die Fachkräfte von ist diese Transformation für uns prioritär. morgen. Die interessieren sich genau für diese Technologi- en. Die interessieren sich dafür, wie dieser Wandel, diese (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS Transformation gemacht werden kann. Genau deshalb ist 90/DIE GRÜNEN: Dann macht doch mit!) es wichtig und richtig, dass wir darauf setzen.

Ich habe auch die Vorhaben von Frau von der Leyen auf- Sie ignorieren mit Ihrer Politik und Ihrer Leugnung dieses geführt und gesagt, ich lobe die BASF, und genau darauf notwendigen Transformationsprozesses müssen wir aufbauen. (Glocke der Präsidentin) Das heißt, auf dieser Metaebene sind wir absolut zusam- men. Aber ich habe dann gesagt: Was sind die Hausauf- die Anliegen der jungen Generation und der Fachkräfte gaben, die wir in Rheinland-Pfalz machen müssen? von morgen.

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Ja, die (Beifall der CDU) kriegen sie nicht gemacht!)

Das hat Ihnen nicht geschmeckt, weil die Fakten nicht weg- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: zuleugnen sind. Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Joa. Ich zitiere einmal. Forschungs- und Entwicklungsausgaben für erneuerbare Energien bezogen auf das Bruttoinlands- Abg. Matthias Joa, AfD: produkt: Rheinland-Pfalz Drittletzter im Bundesvergleich. Ich möchte nur einmal kurz zusammenfassen: Wir haben (Zurufe von der CDU: Ah!) gigantische Kosten, subventionierte Jobs sind nicht dauer- haft, die Solarbranche ist nahezu implodiert, und der Staat Gesamtzahl an Studiengängen: Zweitletzter im Bundesver- kann am Ende die Pferde auch nicht zum Saufen zwingen. gleich. Direkte und indirekte Beschäftigte für erneuerbare Energien bezogen auf die Gesamtzahl der Beschäftigten: (Heiterkeit der AfD) Fünftletzter. Ein ganz wichtiger und relevanter Punkt unserer Wirt- Bruttoinlandsprodukt in dem Bereich: Viertletzter. schaftsordnung mittlerweile: Die Autohersteller werden faktisch gezwungen, nach bestimmter Art und Weise zu Und dann, wenn wir über Wasserstoff reden – Wasserstoff, produzieren. Wir haben einen Eingriff in die Produktpalet- ja, absolute Zukunftstechnologie –: te.

(Abg. Christian Baldauf, CDU: Eine Da finde ich die Strategie der Robert Bosch GmbH ganz Tankstelle in Rheinland-Pfalz, eine einzige!) interessant. Kennen Sie vielleicht, knapp 400.000 Mitar- beiter weltweit. Sie sagt ganz klar, sie ist technologieoffen: Letzter in ganz Deutschland in Bezug auf die Wasser- Brennstoffzelle, Elektroauto, aber auch und gerade der stofftankstellen. Verbrennungsmotor.

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Bosch beklagt, dass gerade die E-Fuels politisch verhin- AKTUELLEN DEBATTE dert werden sollen, da sie sich auf den Verbrennungsmo- tor beziehen. Doch was weiß schon Bosch? Die Landes- Grundlagen der Bildung sichern – Lesen, Schreiben regierung kann das mit Sicherheit besser beurteilen im und Rechnen müssen endlich Chefsache für die Fahrzeugbereich, siehe Nürburgring. Da hat man ja schon Landesregierung werden großartige Erfahrungen gesammelt. auf Antrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/11143– (Beifall der AfD – Abg. Joachim Paul, AfD: Jawohl, sehr gut!) Für die CDU-Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende Zu den Arbeitsplätzen: 11.000 Arbeitsplätze in Rheinland- Baldauf. Pfalz hängen an den Erneuerbaren, am Auto direkt 60.000, indirekt über 100.000. Gerade Frau Dreyer hat sich von Abg. Christian Baldauf, CDU: Beginn an für höhere CO2-Steuern eingesetzt, um dem Bürger noch mehr das Geld aus der Tasche zu ziehen, Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! übrigens gerade den Pendlern und sozial Schwächeren. Wir haben in diesem Hause gestern über eine Kampagne gegen Hass und Hetze in Rheinland-Pfalz gesprochen, (Zuruf der Ministerpräsidentin Malu Dreyer) über „Miteinander Gut Leben“, den Dialog in der Demokra- tie. Das bringt mich zum Ergebnis, dass die SPD in ihrer kon- kreten Politik mittlerweile eine zutiefst unsoziale Partei ist, Politische Haltungen sind auch eine Frage der Identität eines Menschen. Wie sehe ich die Welt? Bin ich sicher? (Beifall der AfD) Gehöre ich dazu? Fragen, die wir uns zuallererst in Kind- heit und dann zunehmend in der Jugend stellen. die die Fleißigen bestraft, die Faulen belohnt und die wirk- lich Bedürftigen durchs Raster fallen lässt. Junge Menschen werden dann selbstbewusst, wenn sie in ihrer Kindheit das vorfinden, was ihre Persönlichkeit, Die FDP trägt dies wider besseren Wissens mit. Es ist ihre Fähigkeiten fördert und zur bestmöglichen Entfaltung Schlimmes zu befürchten für unsere Unternehmen und bringt. Dafür legen Eltern und Familien die Grundlage. unsere Arbeitnehmer. Wenn die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende nun Vorbild sein soll, dann wird es kein Aber auch die Gesellschaft, die Politik, steht hier in beson- gutes Ende nehmen. derer Verantwortung.

Sozialisten, Sozialromantiker und Utopisten ohne nennens- (Beifall der CDU) werte Fachkenntnis oder Berufserfahrung sind eine Gefahr für unseren Standort Deutschland. Von Kindertagesstätte bis Schule, hier werden entschei- dende Weichen gestellt, hier erhalten junge Menschen (Beifall der AfD) Grundlagen für ihr Leben, damit sie einen sicheren Stand aufbauen können und als Erwachsene gerne etwas in die Je schneller Ihnen das nicht beherrschte Regierungs- Gesellschaft zurückgeben. handwerk gelegt wird, desto besser für die Menschen in Rheinland-Pfalz, und desto besser für unser Land. Sehr geehrte Damen und Herren, all das ist auch eine Voraussetzung dafür, dass Demokratie in unserem Land Zur FDP: Herr Weber, kennen Sie noch Begriffe wie „So- lebendig bleibt und wir gut miteinander leben können. ziale Marktwirtschaft“, oder steht die FDP mittlerweile für Vor diesem Hintergrund ist das Versagen der rheinland- subventionierte Jobs? Steht die FDP für Vorgaben in den pfälzischen Landesregierung in der Bildungspolitik so fatal. Produktpaletten? Steht die FDP am Ende für eine staatli- che Technologiefixierung? Steht die FDP für den freiheitli- Die Schulen im Land sind in Not, und die Bildungsministe- chen oder für den sozialistischen Ansatz? rin duckt sich weg. Es darf nicht sein, dass unsere Kinder (Heiterkeit des Abg. Dr. Bernhard Braun, darunter leiden, dass im Bildungsressort Chaos herrscht, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meine sehr geehrten Damen und Herren.

Sie müssen sich endlich entscheiden. (Beifall der CDU)

(Glocke der Präsidentin) Kein Tag, an dem nicht neue Hiobsbotschaften zur Situa- tion an unseren Schulen zu vermelden sind: Brandbriefe Vielen Dank. von Schulleitern, von besorgten Eltern, Überlastungsan- zeigen, schlechte Ergebnisse bei IQB-Studien im Bereich (Beifall der AfD) Schreiben, Lesen und Naturwissenschaften, hoher Unter- richtsausfall, Lehrermangel, Kritik der Bildungs- und Leh- rergewerkschaften, pädagogische Versuche an Kindern, Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Verzicht auf einheitliche Handschrift, Schreiben nach Ge- Weitere Wortmeldungen liegen uns nicht vor. Damit haben hör. wir auch den zweiten Teil der Aktuellen Debatte beendet. All das füllt die Spalten, und das zu Recht. Es ist ein Dau- Ich rufe auf das dritte Thema der erthema im Landtag geworden. Die CDU-Fraktion räumt

6638 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 der Bildungspolitik höchsten Stellenwert ein. Wir erwarten, (Beifall der CDU) dass dies auch die Landesregierung tut. Es bedarf dringend flächendeckender Fördermaßnahmen, (Beifall der CDU) um die Lese- und Schreibfähigkeiten der Grundschüler zu verbessern. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es reicht eben nicht, Rheinland-Pfalz im Ampel-Schönsprech-Jargon „Bil- (Glocke der Präsidentin) dungsland“ zu nennen. Das ist ein Etikett, mehr nicht. Wir wollen, dass Rheinland-Pfalz endlich wieder zum Land der – Ich komme zum Schluss. besten Bildung wird, welches wir einmal waren. Dazu brauchen wir endlich dringend mehr Lehrer in Das ist unser Anspruch als CDU-Fraktion. Wir geben uns Rheinland-Pfalz, und es braucht verbindliche Deutschtests nicht mit dem Zustand der Schulen im Land zufrieden. für Vorschulkinder, damit wir frühzeitig denen helfen kön- nen, die Schwächen haben. (Beifall der CDU) Danke. Bemerkenswert, Frau Ministerin Hubig, ist Ihre kürzliche selbstbewusste Kritik an Baden-Württembergs Ministerprä- (Beifall der CDU) sident Kretschmann, den Sie zu Recht darauf hinwiesen, wie wichtig es doch sei, dass – ich zitiere – „unsere Schü- lerinnen und Schüler richtig rechnen, lesen und schreiben Vizepräsidentin Astrid Schmitt: lernen. Das ist die Grundlage für alles Weitere. Dazu ge- Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Bettina hört vor allem auch die Rechtschreibung.“ Brück. (Beifall der Abg. Hedi Thelen, CDU: Richtig! – Abg. Bettina Brück, SPD: Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das ist doch richtig!) Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Ja, das ist das dann Frau Ministerin – ja, das ist richtig, Frau Ministerpräsiden- wohl mit den Stereotypen, Herr Kollege Baldauf. tin –, sind Sie aber sicher, dass ausgerechnet Sie dafür geeignet sind, bildungspolitische Ratschläge zu erteilen? (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Sie wissen doch gar nicht, was Stereotype sind!) (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Sie ist KMK-Vorsitzende!) Sie machen nichts anderes, als wieder die Welt ganz schwarzzumalen. Das möchte ich ganz konkret und Erledigen Sie doch erst einmal die eigenen Hausaufgaben. ganz kritisch zurückweisen. Ich kann für die rheinland- 2,7 Millionen Unterrichtsstunden fallen in Rheinland-Pfalz pfälzischen Ampelfraktionen nur sagen, dass Bildung für aus. Es fehlen 3.000 Vollzeitstellen, was 4.000 Lehrerinnen uns allerhöchsten Stellenwert hat. Das können wir auch und Lehrern entspricht – keine Zahlen von uns, das haben beweisen. die Elternbeiräte in Rheinland-Pfalz ausgeführt. Denen müssen Sie einmal zuhören, meine sehr geehrten Damen (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS und Herren, und nicht immer alles besser wissen. 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall der CDU) Wir weisen Ihre Zahlen zurück. Es ist falsch, dass 3.000 Lehrer fehlen. Bei uns können alle Planstellen mit Dazu auch einige Fakten aus aktuellen Studien, die Sie ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden. kennen. Die Leistungen unserer Schüler in Rheinland- Pfalz sind in den vergangenen Jahren SPD-geführter Re- (Abg. Elfriede Meurer, CDU: Zu wenig!) gierungen rapide gesunken. Die IQB-Studie zeigt, dass 36,2 % der Schüler – ein Drittel – in Rheinland-Pfalz die Wir haben darüber hinaus noch weitere Lehrkräfte einge- Grundschule ohne ausreichende Lesekenntnisse verlas- stellt, obwohl die Schülerzahlen zurückgehen, in dieser sen. Wahlperiode 660 zusätzliche Lehrkräfte. (Vereinzelt Beifall bei SPD, FDP und Im Bereich der Rechtschreibung gehen sogar 48,4 % der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Schüler – die Hälfte – von der Grundschule, ohne ausrei- chende Kenntnisse der Orthographie erworben zu haben. Wie war das denn früher, als die CDU regierte? Da hat- Das heißt, fast jeder zweite Schüler, der in Rheinland-Pfalz ten wir ungefähr 160.000 Schülerinnen und Schüler mehr die Grundschule verlässt, beherrscht nicht den Regelstan- und – jetzt hören Sie gut zu, Herr Baldauf – ungefähr dard der deutschen Rechtschreibung. 10.000 Lehrerinnen und Lehrer weniger als heute.

Frau Ministerin Hubig, ich rufe Sie auf, kümmern Sie sich (Beifall bei SPD und FDP – endlich um unsere Schulen im Land und darum, dass Kin- Zuruf des Abg. Michael Hüttner, SPD – der ordentlich schreiben, lesen und rechnen lernen! Und Unruhe im Hause) Frau Ministerpräsidentin Dreyer, machen Sie das endlich einmal zu Ihrer Chefsache. Wir haben heute eine sehr gute Unterrichtsversorgung.

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(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) wusst verkehrt. Das ist bewusst falsch. Es ist nicht ein Drittel der Grundschüler, die nicht richtig lesen und schrei- Wir haben heute kleine Klassen, die kleinsten Klassen bun- ben können. Das ist absolut falsch. desweit im Grundschulbereich, mit einer Klassenmesszahl von 24 Kindern. (Abg. Alexander Licht, CDU: Es sind sogar mehr!) (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Wann war das? Zur Zeit der Konfessionsschule?) Im IQB-Bildungstrend ist ganz klar zu lesen, dass ein Sieb- tel der Grundschülerinnen und Grundschüler den Mindest- Bei uns wird jeder vierte Euro des Landeshaushalts in standard im Lesen nicht erreichen. Bildung investiert, fast 5 Milliarden Euro sind das. Das ist ein deutliches Zeichen für Chancenvielfalt und Bildungsge- (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) rechtigkeit. Klar, daran muss man arbeiten. Das stimmt uns nicht zufrie- (Beifall der SPD und des Abg. Thomas den. Aber diese Erhebungen werden doch auch deshalb Roth, FDP) gemacht, damit man sieht, wo die Herausforderungen lie- gen und was verbessert werden muss. Sonst bräuchten Wenn ich dann sehe, dass in Baden-Württemberg wir solche Erhebungen gar nicht. zu Schuljahresbeginn 800 Lehrer fehlen, in Nordrhein- Westfalen sogar 4.000 Stellen unbesetzt sind, also in den Da lehnt sich auch niemand zurück, niemand im Ministeri- CDU-regierten Ländern, dann brauchen Sie uns nichts zu um und auch niemand sonst. Es gab eine Expertengruppe erzählen. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. aus Verbänden, Personalräten, Eltern und weiteren Exper- ten, die einen Maßnahmenplan erarbeitet hat, damit sich (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS weiter Verbesserungen darstellen, die immer notwendig 90/DIE GRÜNEN) sind. Noch ein Beweis dafür, dass Bildung in Rheinland-Pfalz höchsten Stellenwert hat, ist die verbesserte Schüler- Ein Bildungssystem, das sich nicht stetig selbst verbessert, Lehrer-Relation, die sich in den letzten allein zehn Jahren führt sich selbst ad absurdum. Deshalb ist es ja Bildung, deutlich verbessert hat. die sich ständig selbst hinterfragt und selbst verbessert. Es bedarf dabei eines ganzen Straußes an Maßnahmen. Bei uns kommen in den Grundschulen ungefähr 14,8 Kin- der auf eine Lehrkraft. In den Realschulen plus sind (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS es 13,1. In den Integrierten Gesamtschulen liegt das Ver- 90/DIE GRÜNEN) hältnis bei 13 Kindern pro Lehrkraft. In den Gymnasien Zu den Maßnahmen gehören zum Beispiel „Lesen macht bei 14,4. Bei den Förderschulen ist auch eine Verbesse- stark“, „Mathe macht stark“, „Ohrenspitzer“-Projekte, die rung eingetreten, auf 5,9. Einführung des verbindlichen Grundwortschatzes, um nur einige zu nennen. Die Zahlen zeigen ganz klar und deutlich, dass wir die Grundlagen für eine gute Bildung ganz bewusst legen und (Abg. Michael Frisch, AfD: Aktionismus!) die Rahmenbedingungen im Dialog mit allen Beteiligten stetig weiter verbessern. Dabei darf das Üben nicht zu kurz kommen. Perspektivisch müssen auch multiprofessionelle Teams weiter ausgebaut Dazu gehören nicht nur Lehrkräfte, Herr Baldauf. Zu guten werden. Rahmenbedingungen gehören auch andere Maßnahmen wie zum Beispiel Schulsozialarbeit, wie Schulpsychologie. Eines ist ganz klar: Für die SPD-Fraktion ist Rechtschrei- (Abg. Michael Hüttner, SPD: Vernünftige bung ein wichtiger Aspekt. Schulen!) (Glocke der Präsidentin) Wir haben die meisten Ganztagsschulen in Deutschland. Wir haben eine ganze Reihe von Fortbildungs- und Wei- Richtige Rechtschreibung ist die grundlegende Kulturtech- terbildungsmöglichkeiten für unsere Lehrkräfte. Wir ha- nik, die an unseren Schulen gelernt werden muss. Das ist ben Schulentwicklungsprojekte, zuletzt das Projekt „Schu- in den Lehrplänen auch so angelegt. Alles Weitere in der le stärken – Starke Schule“. Man könnte noch viele weitere nächsten Runde. Maßnahmen nennen. Sie werden gemacht, damit individu- (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS elle Förderung möglich ist. 90/DIE GRÜNEN) Und ja, im IQB-Bildungstrend 2016, also vor vier Jahren, gab es im Grundschulbereich auch Befunde, die uns nicht Vizepräsidentin Astrid Schmitt: zufrieden stimmen. Eine eingesetzte Arbeitsgruppe hat sie analysiert, und es sind Maßnahmen zur Verbesserung der Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch. Unterrichtsqualität eingeleitet worden. Diese müssen dann auch erst einmal wirken. Seitdem ist ganz, ganz, ganz viel Abg. Michael Frisch, AfD: passiert. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Was Sie immer wieder behaupten, Ihre Zahlen sind be- „Grundlagen der Bildung sichern – Lesen, Schreiben und

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Rechnen (...)“. Ja, das ist in der Tat die zentrale Aufgabe Selbst über die Realschule plus in Betzdorf, an der auf- einer zukunftsorientierten Bildungspolitik. Es ist schon be- grund der katastrophalen Rahmenbedingungen nun wirk- merkenswert, ja erschreckend, dass wir heute über eine lich alles aus dem Ruder gelaufen ist, sagte Ministerin solche Forderung überhaupt diskutieren müssen. Hubig in der gestrigen Plenarsitzung – ich zitiere –: Ich bin stolz auf diese Schule. – Da fehlen einem wirklich die Wor- (Abg. Uwe Junge, AfD: Ja!) te, und man fragt sich, ob eine solche Bildungsministerin in ihrem Amt überhaupt noch tragbar ist, meine Damen Es wirft kein gutes Licht auf unser Bildungssystem, wenn und Herren. das Erlernen grundlegender Kulturtechniken offensicht- lich nicht mehr zu den Selbstverständlichkeiten in unseren (Beifall der AfD) Schulen gehört. Aber auch die Haltung der Unionsfraktion kann uns nicht (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Hier bei wirklich überzeugen. So sehr wir gestern die Rede von uns schon!) Frau Beilstein mit Zustimmung begleitet haben, so sehr fragen wir uns doch, welche Konsequenzen sich daraus Nichtsdestotrotz freue ich mich sehr, neben der Debatte ergeben. Mit wem wollen Sie denn, liebe Kollegen von der zur kostenfreien Meisterausbildung mit diesem Punkt ein CDU, weiteres Kernanliegen der AfD auf der Tagesordnung zu sehen. Dass die CDU Themen entdeckt, die wir schon (Abg. Joachim Paul, AfD: Ja!) länger bearbeiten, ist nichts Neues. das, was Ihre bildungspolitische Sprecherin hier vorgetra- (Beifall bei der AfD – gen und von dem sie angekündigt hat, es zum Wahlkampft- Heiterkeit der Abg. Anke Beilstein, CDU) hema zu machen, durchsetzen?

Ebenso ist es nicht das erste Mal, dass sie nur eine Ak- (Abg. Joachim Paul, AfD: Ja! – tuelle Debatte führt, anstatt mit einem Antrag konkret zu Abg. Martin Brandl, CDU: Mit wem wollen werden. Wieder einmal sind wir hier einen Schritt voraus. Sie Ihre Politik durchsetzen? Mit gar niemandem!) (Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) Dass die SPD kein geeigneter Partner für eine Bildungs- Ich zitiere aus unserem Antrag „Konsequenzen aus dem wende ist, dürfte angesichts der verheerenden Bilanz ins- IQB-Bildungstrend 2016“ vom November 2017: „Es muss besondere der letzten Jahre klar sein. Die FDP ist gera- wieder zur Aufgabe der Grundschule werden, die entschei- de dabei, sich von den Resten ihrer bildungspolitischen denden Kulturtechniken zu vermitteln: Lesen, Schreiben, Kompetenz zu verabschieden, weil der Machterhalt in der Rechnen. Wenn diese Techniken nicht mehr hinreichend Koalition für sie an erster Stelle steht. vermittelt werden, müssen andere, vielleicht wünschens- werte, aber zweitrangige Lernziele zurückstehen. Deshalb (Beifall der AfD – muss die von vielen Lehrern beklagte Überfrachtung der Abg. Joachim Paul, AfD: Sehr gut!) Grundschulen mit fragwürdigen Inhalten beendet werden.“ Bleiben die Grünen. Aber glauben Sie wirklich, Herr Bald- auf, Sie könnten 2021 in einer schwarz-grünen Regierungs- Diesen Antrag haben Sie, verehrte Kollegen von der CDU, koalition auch nur ansatzweise das umsetzen, was Frau damals genauso abgelehnt, wie unsere Forderung nach Beilstein hier vorgetragen hat? Wiedereinführung der Diktatpflicht kurz zuvor. Immerhin zeigt die heutige Debatte, dass das Problem inzwischen (Abg. Joachim Paul, AfD: Nichts, gar bei Ihnen angekommen ist. nichts!)

(Abg. Uwe Junge, AfD: Lebenslanges Wenn die Erfahrungen der Vergangenheit eines gezeigt Lernen!) haben, dann dies: Grüne können keine Bildungspolitik.

Die Landesregierung dagegen hat außer vielen runden Ti- (Beifall der AfD – schen und der Einführung eines Grundwortschatzes, eben- Abg. Joachim Paul, AfD: Jawohl!) falls von uns gefordert, der Fehlentwicklung tatenlos zuge- sehen. Schlimmer noch, sie heizt die Überfrachtung mit Da, wo sie in der Verantwortung standen, ging es mit Gender Mainstreaming als Querschnittsthema noch weiter der Bildung in schöner Regelmäßigkeit bergab, wurden an. Anstatt die Lage in unseren Schulen kritisch zu ana- Standards abgesenkt, Schulleistungen verschlechterten lysieren und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, sich, Ideologie trat an die Stelle von Wissensvermittlung. flüchtet man sich in Schönfärberei und das Herunterbeten In Baden-Württemberg regiert die CDU mit einem grü- der ewig gleichen Textbausteine. nen Ministerpräsidenten, der es für nebensächlich hält, dass unsere Kinder die Rechtschreibung beherrschen. In Während Eltern und Lehrer Alarm schlagen und Studien Hessen wurde unter Schwarz-Grün die Notenpflicht ab- dramatische Qualitätsverluste zutage fördern, imaginiert geschafft. Dafür wurde ein Bildungsplan eingeführt, der die Landesregierung Rheinland-Pfalz als Vorzeigebildungs- Eltern in Sorge um eine übergriffige Sexualerziehung an land. Nichts ist weiter von der Realität entfernt als das, den Grundschulen auf die Barrikaden trieb. meine Damen und Herren. Wollen Sie ernsthaft mit solchen Leuten eine Wende in der (Beifall der AfD) rheinland-pfälzischen Bildungspolitik herbeiführen?

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(Heiterkeit der Ministerpräsidentin Malu Alter an. Im Bereich der frühkindlichen Bildung sind wir bun- Dreyer) desweit Vorbild und Vorreiter. Damit wir weiterhin die beste Bildung bereits im frühkindlichen Alter anbieten können, Wollen Sie mit Frau Spiegel, Frau Schellhammer und Herrn haben wir das Kita-Zukunftsgesetz auf den Weg gebracht. Köbler die Missstände an unseren Schulen beseitigen, Mit dem Kita-Zukunftsgesetz bieten wir einen sehr guten Personalschlüssel, die Gebührenfreiheit und ein hohes Be- (Heiterkeit bei der AfD) treuungsangebot für alle Altersklassen, für die die grüne Fraktion in diesem Parlament die volle (Unruhe im Hause – Mitverantwortung trägt? Glocke der Präsidentin)

(Beifall der AfD – und das alles bei einer hohen Qualität. Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: Bravo!) (Beifall der FDP, bei dem BÜNDNIS 90/DIE Nein, meine Damen und Herren von der Union, so wird kein GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD) Schuh draus. Man kann nicht Bildungsreformen fordern und gleichzeitig den Schulterschluss mit jenen suchen, de- Wir schreiben seit Jahren eine Erfolgsgeschichte im Bil- nen die bisherigen Irrwege noch lange nicht weit genug dungsbereich. So haben wir vor 11 Jahren in Rheinland- gehen. Pfalz das Modell der Realschule plus etabliert, das sich als ein Erfolgsmodell erwiesen hat. Die Realschule plus gilt als (Glocke der Präsidentin) einzigartig deutschlandweit und stellt eine wichtige Säule des Bildungssystems dar. Die Schulform der Realschule Der Bürger muss wissen, wer im nächsten Jahr die CDU plus stellt für uns eine Schule der Chancen dar. wählt, der wird eine grüne Bildungspolitik bekommen, und dann werden die Reden, die wir jetzt hier im Plenum noch (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei SPD von Ihnen hören, nicht mehr sein als längst verbrauchte und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) heiße Luft. Das erklärt sich vor allem damit, dass sie viele Möglich- keiten anbietet, die die Schülerinnen und Schüler auf das Vielen Dank. Leben und Arbeiten vorbereitet. (Beifall der AfD – Abg. Uwe Junge, AfD: Jawohl!) (Zuruf aus dem Hause: Oh!)

Letztes Jahr haben wir einen neuen Meilenstein gesetzt, in- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: dem der Digitalpakt umgesetzt wurde. Schulträger können seitdem Anträge für digitale Geräte und bessere digitale Bil- Für die FDP-Fraktion spricht der Abgeordnete Marco We- dung stellen. Unseren Schulen stehen für die Umsetzung ber. dieses Digitalkonzepts 241 Millionen Euro zur Verfügung. Mit dem „Digitalpakt Schule“ können wir unsere Kinder auf die künftigen Herausforderungen in der Ausbildung, im Abg. Marco Weber, FDP: Studium sowie am Arbeitsplatz vorbereiten. Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da- men und Herren! Ich hatte vorhin schon bei der Aktuellen (Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE Debatte der Kollegen der Grünen den Eindruck, die AfD GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD) ist heute auf einem kleinen Ego-Trip bzw. hat das Plenum mit einer Parteitagsveranstaltung verwechselt, aber jetzt Im Schuljahr 2018/2019 hat an unseren Schulen das Pro- hat Herr Frisch mir die Bestätigung gegeben. Ist das jetzt gramm „Mathe macht stark“ gestartet. An 52 rheinland- Wahlkampferöffnung, oder haben Sie eine Profilierungs- pfälzischen Grundschulen werden Schülerinnen und Schü- sucht innerhalb Ihrer Partei, ler im Matheunterricht individuell gefördert. Zudem wird das Programm „Lesen macht stark“ angeboten, das die (Beifall bei der SPD – Lesekompetenz von Schülerinnen und Schüler der 1. bis Abg. Uwe Junge, AfD: Reden Sie doch zum 4. Klassenstufen fördert. Thema!) Rheinland-Pfalz schreibt ebenfalls eine Erfolgsgeschichte als Landesvorsitzender irgendeine Schlagzeile zu produ- mit seinen Ganztagsschulen. Unser Bundesland hat als zieren, um Geltung in der Landespresse zu bekommen? erstes Land im Jahr 2002 mit dem systematischen Ausbau einer Ganztagsschule mit einem pädagogischen Angebot (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) von 8:00 bis 16:00 Uhr begonnen. Aufgrund ihres Zeit- konzepts wird die Ganztagsschule in Angebotsform vor Meine sehr geehrten Damen und Herren, Rheinland-Pfalz allem von Eltern hoch geschätzt. Aus diesem Grund wird hat alle Grundlagen für die beste Bildung geschaffen. die Ganztagsschule ab diesem Schuljahr an fünf weiteren Grundschulen und einem Gymnasium eingerichtet. (Heiterkeit bei der AfD – Zuruf von der AfD) (Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der SPD) Dafür spricht alles, was wir in den letzten Jahren erreicht haben. Die beste Bildung fängt bei uns im frühkindlichen Nicht zuletzt hat im August 2019 die Initiative Neue Soziale

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Marktwirtschaft den Bildungsmonitor 2019 veröffentlicht. (Beifall der Abg. Pia Schellhammer, Aus den Daten geht hervor, dass sich Rheinland-Pfalz in BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei FDP und den vergangenen fünf Jahren vom 10. auf den 7. Platz der SPD – Bundesländer verbessert hat. Aus dieser Studie geht auch Heiterkeit der Abg. Kathrin Anklam-Trapp, hervor, dass sich die soziale Herkunft eines Kindes nur SPD) gering auf seinen Bildungserfolg auswirkt. Herr Baldauf, für einen Wahlkampfauftakt heute hier war Ihre Rede ein bildungspolitischer Offenbarungseid. In Rheinland-Pfalz können sich alle Eltern darauf verlas- sen, dass ihre Kinder optimal gefördert werden. Wir setzen (Abg. Christian Baldauf, CDU: 34 % ist ein auf Gebührenfreiheit, hohe Qualität und beste Entwick- Viertel!) lungschancen. Das ist unser Erfolgskonzept. Mit diesem Erfolgskonzept haben wir die Grundlage der Bildung gesi- Wir haben im Prinzip immer nur die alte Leier gehört und chert. nicht wirklich neue Vorschläge darüber, wie wir die Bildung bei uns im Land besser machen können. Vielen Dank. Ein Thema haben Sie überhaupt nicht angesprochen, näm- (Beifall der FDP, bei SPD und BÜNDNIS lich die Frage, wie wir unsere Bildung angesichts immer 90/DIE GRÜNEN) neuer gesellschaftlicher Herausforderungen weiterentwi- ckeln können, die nun einmal da sind. Eine gute Bildung zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Kinder und Jugend- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: lichen auf die Welt von heute und von morgen vorbereitet Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der und nicht auf die Welt von gestern. Abgeordnete Daniel Köbler. (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dazu gehört eben auch, dass wir zu den bisherigen Kul- turkompetenzen anerkennen müssen, dass beispielsweise Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da- digitale Medienkompetenz eine der Schlüsselkulturkompe- men und Herren! Bildung ist der Schlüssel zur Gesell- tenzen der Zukunft sein wird. Deswegen geht es nicht dar- schaft, und deswegen ist Bildung auch entscheidend für um zu sagen, Rechtschreibung oder digitale Kompetenz, die Chancen auf soziale Teilhabe und kulturelle Teilhabe. sondern die Herausforderung ist doch zu sagen, Recht- Dazu gehört selbstverständlich auch, dass alle Kinder, alle schreibung und digitale Kompetenz. jungen Menschen bei uns in den Schulen die elementaren Kulturtechniken erlernen sollen. (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP) Den Satz „Jeder Mensch braucht ein Grundgerüst an Rechtschreibkenntnissen, das ist gar keine Frage“, glaube Das ist genau der Weg, den wir gehen. ich, den würde hier jeder unterschreiben. Ich will diesen Satz von noch ergänzen, dass es Herr Baldauf, ich habe bei Ihnen auch konkrete Vorschläge auch darum geht, dass alle Kinder lesen, rechnen und vermisst, wie Sie mit Herausforderungen, die in der Dis- auch zuhören lernen müssen. Ja, all diese Kompetenzen kussion stehen, umgehen wollen. Wie ist es denn konkret sind wichtig. mit der Entlastung von Lehrerinnen und Lehrern? (Abg. Hedi Thelen, CDU: Wenn man mehr Herr Baldauf, wenn Sie wiederholt behaupten, ein Drit- hat, ist das ganz schnell erledigt!) tel unserer Grundschülerinnen und Grundschüler in Rheinland-Pfalz könnte am Ende nicht richtig lesen und Wenn man schon einige Jahre in der Debatte dabei ist, schreiben, dann möchte ich Ihnen noch zwei Dinge ent- weiß man, die CDU hat immer nur gesagt, wir brauchen gegenhalten. Erstens: Welches Zeugnis stellen Sie damit mehr Lehrer. Das hat Frau Klöckner 2010 gemacht, das unseren unheimlich engagierten Grundschullehrerinnen hat Frau Klöckner 2015 gemacht, das macht Herr Baldauf und Grundschullehrern aus? 2020. (Beifall der Abg. Pia Schellhammer, (Abg. Hedi Thelen, CDU: Ihr lernt es ja BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, und bei FDP nicht!) und SPD) Wenn mehr Lehrerstellen geschaffen werden, wie wir es Zweitens: Wenn Sie sich die Ergebnisse der schon er- getan haben, dann sagen Sie, es hätten noch ein paar wähnten IQB-Bildungsstudie anschauen – keine Frage, die mehr sein können. Das mag alles gut sein, aber Sie haben haben wir uns ganz genau angeschaut, die müssen wir nichts konkret gesagt, wie Sie Lehrkräfte konkret im Arbeit- uns auch ganz genau anschauen –, dann ist zwar nicht salltag entlasten wollen, wie Sie multiprofessionelle Teams alles gut, aber dann sehen Sie, dass selbst bei der Or- aufbauen, Sozialarbeit an den Schulen verankern wollen, thographie, bei der die Werte am alarmierendsten sind, wie wir inklusive Lehrkräfteausbildung verstärken und vor 24 % der Kinder nicht die Standards erreichen. Das ist allem auch, wie wir nicht nur die digitale Kompetenz der natürlich zu viel, aber sehr geehrter Herr Baldauf, 24 % Kinder und Jugendlichen verstärken können, sondern vor sind knapp ein Viertel und eben nicht ein Drittel. So viel zur allem auch die Lehrkräfte die digitalen Kompetenzen be- Rechenkompetenz der CDU, meine Damen und Herren. kommen.

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(Abg. Hedi Thelen, CDU: Indem Sie mehr Herr Baldauf, Sie haben die IQB-Bildungstrends von 2016 Vertretungslehrer und Förderlehrer angesprochen, und ich würde Sie bitten, auch einmal einsetzen!) zur Kenntnis zu nehmen, die Ergebnisse dieser IQB- Bildungstrends, auf die Sie sich immer beziehen – ich Wir sind überall auf dem Weg. Ich sage auch, dass das komme gleich noch einmal auf die Zahlen zu sprechen, einen Moment dauert und nicht jede Herausforderung von die Sie immer nennen –, liegen dreieinhalb Jahre zurück, heute auf morgen zu lösen ist. und seitdem ist jede Menge passiert in Rheinland-Pfalz.

Aber ich finde, dass die bildungspolitische Debatte viel zu (Abg. Martin Haller, SPD: Gut wichtig ist für die Zukunft unseres Landes, um sie hier mit abgehangen!) plumpem Wahlkampfgetöse abzutun. Herr Baldauf, eine solche Rede können Sie vielleicht auf einem Ortsverband- Wir haben einen 6-Punkte-Plan erarbeitet, der abgestimmt sparteitag halten, ist mit Praktikerinnen und Praktikern. Dies ist in einem Fachgespräch erfolgt. Wir haben breite Zustimmung, und (Abg. Michael Frisch, AfD: Das hätten Sie wir haben im letzten Schuljahr angefangen, damit zu star- wohl gern!) ten und die Dinge umzusetzen, die wir vereinbart haben. Die Rückmeldungen aus der Schule sind positiv: Die Pro- aber das ist für den Landtag und auch für Ihre Ambitionen, gramme „Lesen macht stark“ und „Mathe macht stark“ sind die Sie haben, bildungspolitisch und für Rheinland-Pfalz beide schon mehrfach erwähnt worden. einfach zu wenig. Aber das ist nicht alles. Wir haben einen Aufgabenpool, Herzlichen Dank. mit dem Lehrerinnen und Lehrer die Aufgaben zur Ver- fügung haben, mit denen sie die Bildungsstandards mit (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, ihren Schülerinnen und Schülern einüben können. Wir der SPD und der FDP) haben „Ohrenspitzer“, dabei geht es um Zuhören, viel- leicht auch eine Fähigkeit, die ganz wichtig ist, nicht nur Vizepräsidentin Astrid Schmitt: für Grundschüler, auch für ältere Menschen. Wir haben die Qualitätsoffensive Deutsch als Zweitsprache. Hier geht es Für die Landesregierung spricht Bildungsministerin Dr. Ste- darum, Lehrerinnen und Lehrer zu professionalisieren und fanie Hubig. sie dabei zu unterstützen, dass sie Kinder, die die deutsche Sprache nicht als Muttersprache haben, gut und erfolgreich unterrichten. Schließlich haben wir den Grundwortschatz Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: mit 800 Wörtern eingeführt und eine Handreichung, die Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Her- wir von Hessen mit übernommen haben. ren! Ich finde es schon bemerkenswert, dass Sie heute eine Aktuelle Debatte zum Lesen, Schreiben und Rechnen Wir sind nicht so, dass wir sagen, nur weil die AfD zufällig machen. Ich nehme an, dass es Sie gestört hat, dass ich einmal etwas fordert, was wir schon lange beschlossen mich als KMK-Präsidentin zu Herrn Kretschmann äußere. haben, sehen wir davon ab. Wenn Dinge sinnvoll sind, Sie haben das als Fraktionsvorsitzender getan, und ich dann tun wir das auch, und so ist das in diesem Fall auch finde, das ist Ihr gutes Recht. gewesen.

(Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) (Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist aber gnädig!) Sie haben es vielleicht auch als Bundesvorstandsmitglied Das sind die Maßnahmen, die wir schon ergriffen haben, getan, aber ich finde, es ist Ihr gutes Recht genauso wie und weitere Maßnahmen folgen, und daran arbeiten wir. mein gutes Recht, und wir sind in der Sache nicht aus- Dies sind Maßnahmen, die unsere Lehrkräfte unterstützen einander. Ich glaube, das ist es, was Sie eigentlich in und sie nicht bei ihrer wichtigen Arbeit zusätzlich belasten. Wirklichkeit stört, dass ich etwas sage, gegen das Sie ausnahmsweise einmal nicht unmittelbar schießen kön- nen. – Das kann passieren, es wird aber nicht allzu häufig Zu diesen Maßnahmen gehören natürlich auch die Rah- passieren. menbedingungen, die wir haben müssen, und die Unter- richtsversorgung. Die Grundschule ist die Schulart, die am besten mit Unterricht versorgt ist. Eine strukturelle Un- Lesen, Schreiben, Rechnen, das ist die Grundlage für den terrichtsversorgung von über 100 % haben wir auch in Bildungserfolg, und wir wissen das. Wir wissen das alle, diesem Jahr geschafft. wie wir hier sitzen, und wir wissen das als Landesregie- rung. Deshalb hat es für uns höchste Priorität, dass Kinder in der Grundschule gut lesen, schreiben, rechnen lernen; Wir haben einen Vertretungspool mit 900 verbeamteten denn dort legen sie die Basis für alles das, was folgt. Lehrkräften, und 80 Feuerwehrlehrkräfte gab es zusätzlich in diesem und im letzten Jahr, denn wir wollen, dass kein (Vizepräsident Hans-Josef Bracht Unterricht ausfällt. übernimmt den Vorsitz) Wir haben die kleinsten Klassen deutschlandweit, eine For- Wir wissen das, und wir wissen auch, dass unsere Lehr- derung, die immer von Ihnen gestellt wird: kleinere Klassen. kräfte das engagiert tun, sie das ernst nehmen und dabei Wir haben die kleinsten Klassen im Grundschulbereich, erfolgreich sind. und wir ordnen auch keine Mehrarbeit an wie in den uni-

6644 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 onsregierten Ländern Bayern und Baden-Württemberg, (Beifall der SPD, der FDP und des wo übrigens zahllose Grundschullehrerplanstellen nicht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – besetzt sind. Abg. Martin Haller, SPD: Das ist gar keine Grundlage! Keinerlei Grundlage ist das!) Frau Thelen sagt immer, stellen Sie doch einfach einmal Sie nehmen das jetzt noch als Grundlage, um zu sagen, ein paar Lehrkräfte ein. dass 3.000 Lehrkräfte fehlen, und 3.000 Lehrkräfte seien (Abg. Hedi Thelen, CDU: Förderschullehrer, 4.000 Menschen. Das ist Ihre Arithmetik, und das ist die wir brauchen sehr viele!) Art und Weise, wie Sie Politik machen. (Beifall der SPD, der FDP und des Vielleicht haben Sie nicht wahrgenommen, wie die Situati- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – on in den 15 anderen Bundesländern und wie die Situation Zuruf von der SPD: So ist es!) bundesweit ist. Wir stellen unsere Grundschullehrkräfte auf Planstellen ein, und wir besetzen auch alle Planstellen. Damit dies auch in Zukunft gelingt, haben wir einen zu- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: sätzlichen Lehrerstudiengang für die Grundschule in Trier eröffnet, der jetzt an den Start geht. Wir steigen in die zweite Runde ein. Ich erteile dem Abge- ordneten und Fraktionsvorsitzenden Baldauf das Wort. Nun würde ich gern noch etwas zum Lesen, zum Rechnen und zum Zuhören sagen. Herr Baldauf, Sie sprechen wie- Abg. Christian Baldauf, CDU: derholt davon, was die Kinder noch nicht können, und nun ist aus einem Drittel derer, die etwas noch nicht können, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! irgendwie schon die Hälfte geworden. Aber ich würde Sie Ich kann jetzt nur eines feststellen: Wir haben zwischen- bitten, mir heute wenigstens kurz zuzuhören und einmal zeitlich in diesem Land fast 29 Jahre Bildungspolitik der zur Kenntnis zu nehmen, dass die Regelstandards nach Sozialdemokratie. dem IQB-Test aus 2016 dreieinhalb Jahre alt sind. Zwi- (Beifall der SPD – schendrin ist viel passiert, ich habe gerade schon alles Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!) erwähnt. Und dazu kommt der Erfolg, dass wir heute feststellen Ich bitte Sie, zur Kenntnis zu nehmen, dass 86,2 % der können, da sind ganz viele extrem beratungsresistent, und Kinder die Standards insgesamt erreichen, und bei der es interessiert Sie schlichtweg überhaupt nicht mehr, was Orthografie erreichen die Standards 76,6 %. Ich rechne Eltern, Lehrer und Kinder vor Ort sagen. es Ihnen auch gern um: Das heißt, die Mindeststandards haben 13,8 % nicht erreicht und bei der Orthografie 23,4 %. (Beifall der CDU) Nach Adam Riese – und der gilt, glaube ich, auch für die CDU-Fraktion – ist das jedenfalls kein Drittel und auch Heute steht in der Zeitung, es fehlen mehr als 175 Vertre- nicht die Hälfte. tungslehrer, und dann sagen Sie mir, die Grundschullehrer bringen eine hervorragende Leistung. – Ja, das stimmt; (Beifall der SPD, der FDP und des aber sie würden noch eine bessere Leistung bringen kön- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nen, wenn die Vertretungslehrer, so wie es hier auch ge- fordert ist, da wären. Herr Baldauf, wenn Sie dann bitte noch so nett wären, zur Kenntnis zu nehmen, dass in der 3. Klasse die Standards Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie verschließen der 4. Klasse abgeprüft werden und die Kinder nach dem sich vor der Realität. Es ist wirklich aberwitzig, wie Sie die Test noch über ein Jahr in der Schule sind und sich weiter Diskussion führen bei dieser Menge an Unterrichtsausfall. verbessern und deshalb nicht, wie Sie behaupten, mit dem Stand aus der Grundschule gehen, der in der 3. Klasse (Beifall der CDU) abgeprüft wird, dann wäre ich wirklich dankbar, wenn Sie das künftig in Ihren Äußerungen berücksichtigen würden Und wenn ich dann höre – Frau Hubig, dieses Wort müs- und einfach einmal die Dinge sagen würden, die stimmen, sen Sie sich wirklich gut überlegen – „Scheinstatistik“. Ent- und nicht auf Ihrem einen Drittel beharren, von dem Sie schuldigen Sie bitte, aber wie gehen Sie denn eigentlich schon lange wissen, dass es nicht stimmt. mit den Menschen um, die vor Ort die tatsächliche Realität (Beifall der SPD, der FDP und des erfahren? BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf von der CDU: Gut miteinander Leben!) Noch ein letztes Wort: Wenn Sie sagen, 2,7 Millionen Stunden fallen aus, dann würde ich auch dort einmal um Zwischenzeitlich machen Sie Bildungspolitik wie eine Bil- präzises Lesen bitten. 2,7 Millionen Stunden werden nicht dungsfeuerwehr mit löchrigem Schlauch. Wenn es in Betz- durch die Regellehrkraft gehalten, und das sind auch keine dorf brennt, fahre ich einmal schnell nach Betzdorf. Ich bin 2,7 Millionen, sondern es sind 2,2 Millionen Stunden. Sie schon gespannt, wer in der nächsten Woche etwas sagt, führen dazu immer diese Scheinstatistik aus Koblenz an, dann werden Sie dorthin fahren. von der selbst das Bildungsbüro Trier-Saarburg, das von Ihrem Landrat eingesetzt worden ist, sagt, diese Ausarbei- Wo ist bitte, meine sehr geehrten Damen und Herren, tung ist nur sehr begrenzt Diskussionsgrundlage. das Konzept dafür, dass diese Bildungspolitik wieder nach

6645 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 vorne kommt, ohne Unterrichtsausfall und ohne die Schön- hat nichts mit der Realität zu tun, das stammt nämlich rechnerei? aus demselben Papier, das vollkommen negiert, dass wir Vertretungskonzepte in unserem Land haben, die dafür (Beifall der CDU und bei der AfD) sorgen, dass Unterricht, der – aus welchen Gründen auch immer – nicht von der entsprechenden Lehrkraft gehalten Wenn man sich einmal überlegt, wie Sie die Unterrichts- wird, vertreten wird. Die Schulen in unserem Land haben ausfallzahlen kreieren, dann muss ich Ihnen sagen, es sehr gute Vertretungskonzepte, aber wenn man einfach gibt Fälle, da wird die Tür aufgelassen, wenn jemand als irgendetwas zusammenzählt, kommen halt wilde Zahlen Lehrer nicht im Unterricht ist, und das gilt nicht als Unter- dabei heraus. Aber das entspricht nicht der Realität. richtsausfall. Was ist denn das für eine Rechnerei? Selbstverständlich werden Unterrichtsstatistiken auch nicht (Beifall der CDU) kreiert. Diesen Vorwurf weise ich aufs Schärfste zurück. Sie versuchen immer wieder zu unterstellen, das Land Seien Sie doch einmal bitte so gut und machen sich ehrlich. würde falsche Zahlen liefern, tricksen oder sonst etwas. Ich glaube, jeder von uns Abgeordneten aus den Wahlkrei- sen kann Ihnen mindestens einen Fall nennen, (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Glocke des Präsidenten – Staatsminister Roger Lewentz: Das ist Das ist zurückzuweisen. Die Zahlen sind ganz genau nach- wieder eine Ihrer Märchenstunden!) vollziehbar und errechnen sich aus den Daten, die die Schulen der ADD liefern, und daraus errechnet sich das in dem es nicht in Ordnung ist, und es wäre doch ganz gut, Soll und das Ist der Unterrichtsstatistik. wenn Sie sich damit befassen würden. (Abg. Alexander Licht, CDU: Mit Ihren Verehrte Frau Ministerpräsidentin, Sie sind ja im Moment Vorgaben, die Sie liefern! – auch eine Leidtragende, weil Sie das ertragen müssen, Weitere Zurufe der Abg. Alexander Licht was Ihnen Ihre Ministerin hingibt. und Hedi Thelen, CDU)

(Zurufe von der SPD: Jetzt aber Vorsicht! – Das ist doch vollkommener Unsinn, was Sie sagen. Seien Sie vorsichtig! – Abg. Alexander Fuhr, SPD: Das Einzige, (Abg. Hedi Thelen, CDU: Nein, das ist die was man hier ertragen muss, sind Sie!) Realität!)

Seien Sie doch bitte so gut und nehmen es selbst in die Es gibt Vertretungskonzepte, und wir reden nur über den Hand, für unsere Kinder, für die Eltern, für die Lehrer. Tun temporären Unterrichtsausfall. Wir reden nicht über den Sie etwas fürs Land, darüber würde ich mich freuen. strukturellen Ausfall. Die Unterrichtsstatistik gibt die struk- turelle Unterrichtsversorgung wieder. Herzlichen Dank. (Glocke des Präsidenten) (Beifall der CDU) Für den temporären Unterrichtsausfall, wenn kurzfristig Lehrer fehlen, haben wir Vertretungslehrkräfte, PES-Mittel Vizepräsident Hans-Josef Bracht: für Vertretungskonzepte und Feuerwehrlehrkräfte für den Grundschulbereich. Die nächste Rednerin ist die Abgeordnete Brück für die Fraktion der SPD. (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Abg. Bettina Brück, SPD: Es gibt eine Reihe von Vertretungskonzepten, Herr Kollege Baldauf, Ihnen scheinen die Themen ausge- (Glocke des Präsidenten) gangen zu sein; sonst hätten Sie nicht auf so etwas Kunter- buntes aus der Kruschtschublade zurückgreifen müssen. und das lassen wir uns nicht schlechtreden. Unsere en- (Beifall bei der SPD) gagierten Lehrerinnen und Lehrer leisten jeden Tag einen ganz hervorragenden Job, und das ist gute Bildungspolitik Ich glaube, es ärgert Sie ziemlich, dass wir 29 Jahre gu- in Rheinland-Pfalz. te, erfolgreiche und zukunftsgerichtete Bildungspolitik ma- (Beifall der SPD, der FDP und des chen. Das ärgert Sie. Aber es wird Sie auch weiter ärgern; BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – denn es wird so bleiben, Herr Baldauf. Abg. Alexander Licht, CDU: Da werden die Klassen nach Hause geschickt, und dann (Beifall der SPD, der FDP und des ist das gute Bildungspolitik!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie schon wieder Zahlen in die Welt setzen, wie aus Vizepräsident Hans-Josef Bracht: dem Zeitungsartikel, den Sie heute Morgen zitiert haben, dass 175 Vertretungslehrer fehlen, dann sollten Sie sich Liebe Kolleginnen und Kollegen, der nächste Redner ist vielleicht auch mit der Thematik auseinandersetzen. Das der Abgeordnete Paul für die Fraktion der AfD.

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Abg. Joachim Paul, AfD: Landesgesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes und des Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Herr Baldauf hat Landesfinanzausgleichsgesetzes es schon angesprochen: Die Folgen und Effekte der Bil- Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP und dungspolitik, die wir zu vergegenwärtigen haben, sind nicht BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dem launenhaften Schicksal geschuldet, sondern 30 Jahre – Drucksache 17/11094– roter Bildungspolitik, und die werden jetzt offensichtlich. Erste Beratung Dieser Niedergang unserer einstmals herausragenden Ele- mentarbildung hat viele Ursachen. Eine dieser Ursachen, Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten die Sie verschuldet haben, ist die vielfach romantisierte vereinbart. Ich darf zunächst einem Mitglied der antragstel- Vielfalt und Buntheit unserer Schulklassen als in der Ge- lenden Fraktionen das Wort zur Begründung erteilen. stalt von oben verordneter Heterogenität. Herr Abgeordneter Noss, bitte schön, Sie haben das Wort (Abg. Martin Haller, SPD: Ah, wie für die Fraktion der SPD. furchtbar!)

So stellte Erwin Lenz, der Sprecher des Regionaleltern- Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: beirats Koblenz und Mitglied im Vorstand des Landesel- ternbeirats, in der vergangenen Woche fest, das Thema Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kollegin- „Migration und Inklusion“ ist aus unserer Sicht in den Schu- nen, liebe Kollegen! Mit diesem Gesetzentwurf der drei len überhaupt nicht zufriedenstellend gelöst. Koalitionsfraktionen wird die zukünftige Erhebung von Stra- ßenausbaubeiträgen neu geregelt: ein Thema, das in den (Zuruf des Abg. Michael Hüttner, SPD) letzten beiden Jahren im Landtag mehrfach Gegenstand von Diskussionen war. Eine Lehrerin von Integrationskursen forderte jüngst in der Rhein-Zeitung „homogenere Gruppen, damit sich weder Vorweg hierzu eine kleine Chronologie: Der erste Auf- eine Über- noch eine Unterforderung einstellt.“ Das sind schlag gelang der CDU und speziell deren Abgeordnetem Bildungsexperten. Reichert, der in der Plenarsitzung am 24. August 2018 ausführte: Diese Baustellen sind nicht nur an den Grundschulen, son- (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das war eine dern vor allem an den Realschulen plus zu besichtigen. Große Anfrage der AfD!) Faktisch wurde durch Ihre Schulreform eine gut funktio- nierende Realschule beseitigt und eine neue Hauptschule „Für die CDU wäre der Verzicht auf Straßenausbaubeiträ- mit den gleichen Problemen geschaffen. Wenn noch nicht ge das falsche Signal.“ Weiter: „Die Forderung nach einer einmal am Ende einer solchen weiterführenden Schule Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist reiner Populis- Grundlagen der Bildung vermittelt werden konnten, dann mus.“ spricht das für sich. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Was!) Ich wiederhole deshalb noch einmal die Forderungen der Recht hat Herr Reichert. Das Protokoll verzeichnet an die- AfD: Wir brauchen dringend eine Bildungswende 2021. ser Stelle übrigens „Beifall der CDU“. Das bedeutet konkret erstens die Wiederherstellung des dreigliedrigen Schulsystems. Dabei soll nicht die Haupt- (Beifall bei der SPD und des Abg. schule wieder eingeführt werden. Vielmehr geht es um Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS 90/DIE eine Differenzierung zwischen Realschule plus in eine Re- GRÜNEN) alschule sowie in eine Handwerks- und Gewerbeschule, die sich auf ihren Branchenweg konzentrieren kann. Der Aufschlag erfolgte durch die AfD – jetzt kommen Sie –, die in der Plenarsitzung im Dezember 2018 einen Gesetz- (Beifall bei der AfD – entwurf einbrachte, demzufolge die Straßenausbaubeiträ- Glocke des Präsidenten) ge abgeschafft werden sollten und durch vom Land zu zahlende pauschalierte Zuweisungen an die Gemeinden Zweitens keine ideologisch motivierte Inklusion um jeden ersetzt werden. Preis und die Abschaffung des Schreibens nach Gehör: Wir brauchen Vorrang für Rechnen, Lesen und Schreiben: (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das haben wir keine Mätzchen mehr, sondern Konzentration auf Kultur- auch schon vorher gefordert!) techniken und nicht Aspekte, wie Sie das genannt haben. Da keine zuverlässige Schätzung bezüglich der erforderli- (Beifall der AfD) chen Mittel möglich sei, sollten aber 50 Millionen Euro pro Jahr wohl ausreichen, so die AfD. Dieser Gesetzentwurf wurde von allen anderen Parteien des Landtags auch auf- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: grund etlicher handwerklicher Fehler abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen Der dritte Aufschlag erfolgte nur rund ein halbes Jahr nach liegen mir nicht mehr vor. Wir sind damit am Ende der den erhellenden Ausführungen des Kollegen Reichert wie- Aktuellen Debatte. Ich schließe diese Debatte und rufe der durch die CDU, die in der Plenarsitzung am 29. März Punkt 13 der Tagesordnung auf: 2019 einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßen-

6647 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 ausbaubeiträge einbrachte: ein Sinneswandel der CDU, (Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD) der wohl durch die anstehenden Kommunal- und Europa- wahlen bedingt war. Die Satzungen müssen spätestens bis zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Kommunen in Bemerkenswert ist aber auch, dass die CDU die anfallen- Rheinland-Pfalz nur noch wiederkehrende Beiträge erhe- den Kosten bei Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ben. Diese fallen für die Anlieger in aller Regel erheblich mit 75 Millionen Euro nur schätzen konnte. geringer aus, als dies bei Einmalbeiträgen der Fall wäre, und vermindern so Härtefälle. (Abg. Martin Haller, SPD: Die können halt nicht rechnen! Das ist ja bekannt!) Dem Gemeinde- und Städtebund wird in den Jahren 2021 und 2023 für die Beratung und Unterstützung der Kommu- Sollte aber dieser geschätzte Beitrag, den das Land wohl nen bei der Erstellung der Beitragssatzungen insgesamt aufwenden müsse, nicht ausreichen, so die CDU, müsste ein Betrag bis zu 600.000 Euro ausgezahlt. Bei kleinen im Haushalt nachgesteuert werden: einfacher Weg, aber Ortschaften, bei denen es keinen Unterschied macht, ob meine Kolleginnen und Kollegen bei der CDU, so sieht einmalige oder wiederkehrende Beiträge Anwendung fin- keine nachvollziehbare und seriöse Haushaltspolitik aus. den, können weiterhin einmalige Beiträge erhoben werden.

(Abg. Martin Haller, SPD: Unseriös wie Die bisherige Verschonungsregel von bis zu 20 Jahren für immer!) Grundstücke, die vor der Systemänderung mit Einmalbei- trägen belastet wurden, gilt weiter. Dass dieser Gesetzentwurf von den Koalitionsparteien auch unter Berücksichtigung der erfolgten Expertenanhö- Es wäre sicherlich noch mehr aufzuführen, aber ich freue rung im Innenausschuss abgelehnt wurde, ist nachvollzieh- mich bereits jetzt auf die Diskussion im Innenausschuss bar und folgerichtig. und bei der zweiten Lesung. Es würde mich aber unwahr- scheinlich interessieren, ob es vielleicht irgendwo eine (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehe ich Aufstellung gibt, auch so!) (Glocke des Präsidenten) Aber vergessen wir die Vergangenheit und wenden uns der Zukunft zu. in der alle finanziellen Forderungen der CDU und der AfD nach Geld für mehr Polizisten, Lehrer, Straßen, Brücken, Mit dem Einbringen des vorliegenden Gesetzentwurfs do- Schulen, Kindergärten und vieles mehr aufgeführt wird. kumentiert die Regierungskoalition ihre Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit und hat eine Regelung vorgeschla- (Glocke des Präsidenten – gen, welche für die Grundstückseigentümer eine finanziell Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: deutlich verbesserte und sozialverträgliche Lösung bei der Haushaltsberatungen!) Erhebung der Beiträge bedeutet. Ich glaube, wir bräuchten uns nicht zu überlegen, wie viel Nachdem heute schon mehr als 40 % der Gemeinden wie- wir im Überschuss haben, sondern wir hätten wahrschein- derkehrende Beiträge erheben, soll dies ab dem Jahr 2024 lich Etliches mehr. generell für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gelten. (Glocke des Präsidenten)

(Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) Von daher machen Sie weiter so. Sie werden es schon irgendwie schaffen, dort an die Grenze zu kommen. Unterstützt werden wir in unserer Meinung vom Gemeinde- (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS und Städtebund, 90/DIE GRÜNEN) (Zuruf des Abg. Arnold Schmitt, CDU) Vizepräsident Hans-Josef Bracht: der bezüglich der Straßenausbaubeiträge betonte, man solle ein bewährtes System nicht ohne Not wegwerfen, Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Schnieder für sondern fortentwickeln. Der Städtetag begrüßt die Ge- die Fraktion der CDU. setzesinitiative der Koalitionsparteien ausdrücklich und betonte, dass wiederkehrende Beiträge sozial gerecht sind Abg. Gordon Schnieder, CDU: und den Städten finanzielle Sicherheit bieten. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr Dass zu der Frage der Straßenausbaubeiträge die regie- richtig!) rungstragenden Koalitionäre etwas unternehmen würden, war abzusehen. Der vorliegende Gesetzentwurf sieht unter anderem vor, den Kommunen, deren Satzungen nach dem 1. Februar (Abg. Monika Becker, FDP: Och!) 2020 verfasst wurden, wegen des erhöhten Verwaltungs- aufwands für die Systemumstellung eine finanzielle Unter- Aber dass es schon so früh passiert und dann trotz aller stützung von einmalig fünf Euro je Einwohner der Abrech- Ankündigungen mit solch wenig Tiefgang, ist schon bemer- nungseinheit zu zahlen. kenswert.

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(Beifall bei der CDU) Dabei verkennen Sie, dass die Beitragsbelastung unverän- dert fortbesteht und auf alle Grundeigentümer ausgeweitet Die Angst vor der Landtagswahl und das Wissen, in die- wird. Damit lösen Sie den einen oder anderen existenz- ser Frage den Menschen keine wirkliche Antwort geben gefährdenden Einzelfall. Gleichzeitig aber schaffen Sie zu können, muss groß sein. Sie alle hatten angekündigt, flächendeckend neue Probleme. Eine echte Lösung stellt Sie wollten das System der wiederkehrenden Beiträge nur die endgültige Abschaffung dieses Beitragswesens dar, weiterentwickeln. Eine echte und nachvollziehbare Weiter- wie wir es gefordert entwicklung ist in Ihrem Entwurf an keiner einzigen Stelle zu erkennen. (Beifall bei der CDU)

(Abg. Alexander Licht, CDU: Das ist eine und viele Bundesländer es schon umgesetzt haben. Das neue Steuer! – erkennen auch ihre Parteigliederungen sehr schnell. So Zuruf von der SPD: Was?) hat sich bereits der Koblenzer FDP-Kreisverband für die gesamte Abschaffung der Beiträge ausgesprochen. Ich Wenn Sie es mit den existenzbedrohenden Einzelfällen sage Ihnen, viele weitere Verbände über Parteigrenzen ernst meinen würden, dann hätte man diesen Aspekt, ähn- hinweg werden folgen. lich wie Niedersachsen, durch großzügige Ratenzahlungs- regelungen und klare Zinssenkungen abmildern können. Wenn die wiederkehrenden Beiträge tatsächlich das er- Aber Sie stehen zur und bleiben bei der Beitragsbelastung folgreiche Mittel zur Lösung in der Beitragsfrage sind, wie aller. Sie es durch die Vorlage des Gesetzentwurfs glaubhaft machen wollen und es Kollege Noss eben erwähnt hat: Was Sie jetzt vorhaben, löst nicht einfach nur ein Problem, Warum haben nur 40 % der Kommunen in Rheinland-Pfalz sondern schafft eine Vielzahl neuer Probleme und ist ein bisher in über 30 Jahren hiervon Gebrauch gemacht? – klarer Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. (Zuruf des Abg. Hans Jürgen Noss, SPD) (Abg. Monika Becker, FDP: Was? – Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE Weil es für die Mehrheit der Gemeinden das falsche In- GRÜNEN: Das Gegenteil ist der Fall!) strument ist. Genau dieses falsche Instrument wird den Gemeinden jetzt durch die Koalitionäre aufgezwungen. Sie zwingen die Kommunen zur Abschaffung der Einmal- beiträge ab dem Jahr 2024. (Abg. Martin Haller, SPD: Das ist unglaublich!) (Unruhe bei SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Die Straßenausbaubeiträge sollen durch die Belastungen der Grundeigentümer einen Sondervorteil für das jeweilige Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Grundstück abgelten. Wenn Sie in diesem System blei- ben, dann ist es egal, ob Sie die Beiträge einmalig oder Liebe Kollegen, der Abgeordnete Schnieder hat das Wort. wiederkehrend erheben. Es bleibt beim behaupteten Son- Sie können dann später wieder reden. dervorteil des Grundeigentums. So wollen Sie zukünftig sämtliche Grundeigentümer in den Abrechnungseinheiten belasten. Sie unterstellen, dass damit auch alle Grund- Abg. Gordon Schnieder, CDU: stücke einen Sondervorteil haben. Meine Damen und Her- ren, das verneinen wir weiterhin vehement. Das trifft Sie. (Beifall bei der CDU) Eine Systemweiterentwicklung ist nicht erkennbar. Eine wirklich dauerhafte und rechtssichere Lösung für alle Kom- Auch der Aspekt der hohen Verwaltungskosten wird von munen und Grundstückseigentümer ist nicht erkennbar. Ihnen nicht berücksichtigt. Wir hatten im letzten Jahr ei- Deshalb wird es Ihnen mit dieser Gesetzesvorlage auch ne Anhörung. Sie hat gezeigt, dass in einem fünfjährigen nicht gelingen, das Thema aus der öffentlichen Diskussion Vergleichszeitraum die Verwaltungskosten allein in Mainz zu nehmen; bei 27 % der Beitragseinnahmen lagen. In zwei Jahren wa- (Beifall bei der CDU – ren sie sogar höher als das gesamte Beitragsaufkommen. Zurufe von der SPD) Auch hier versagt das Modell der wiederkehrenden Beiträ- ge, so wie es auch durch dauernde Rechtsunsicherheiten denn Sie entlasten die Bürger in Gänze eben nicht. Sie versagt. machen das, was Sozialdemokraten am besten können: umverteilen. Im Übrigen sehen das auch Experten wie der von der FDP berufene Anzuhörende in der letztjährigen Anhörung zu (Abg. Alexander Licht, CDU: Ja!) unserem Abschaffungsgesetz: Herr Professor Driehaus, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesverwaltungs- Sie verteilen die Kosten einfach auf alle in der Hoffnung, gerichtshof. Er führte am 19. Juni 2019 aus: „Etwas ande- durch geringere Beiträge den Menschen die Unzufrieden- res gilt allerdings – das muss man um der Wahrheit willen heit des Systems zu nehmen. hinzufügen – für die wiederkehrenden Beiträge. Bei die- sen ist der Erhebungsaufwand erheblich höher. Deswegen (Zuruf von der SPD: Sozialverträglich!) müssten sie abgeschafft (...) werden.“

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(Beifall bei der CDU) Wir werden alle genannten Aspekte des Gesetzentwurfs in einem erneuten Anhörungsverfahren, das ich bereits Genau das Gegenteil macht die FDP jetzt mit. So sieht heute ankündige, vertiefen können. also liberale Glaubwürdigkeit aus: Koalitionsfriede steht vor Bürgerinteresse. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU) (Beifall bei der CDU)

Was hat der Gesetzentwurf noch zu bieten? Sie wissen um die Rechtsunsicherheiten der wiederkehrenden Beiträ- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: ge. Sie wissen selbst allerdings nicht, wie die Städte und Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Dr. Bollinger Gemeinden die laufende Rechtsprechung, zum Beispiel für die Fraktion der AfD. im Hinblick auf die Abrechnungseinheiten, ab 3.000 Ein- wohner umsetzen wollen. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Zentrales Thema der CDU! Die Hälfte trinkt (Zuruf von der SPD: Das stimmt so nicht!) draußen Kaffee! – Abg. Gordon Schnieder, CDU: Vorhin bei Um die Rechtsunsicherheiten, die sich durch Ihr Geset- Bildung saßt Ihr auch nicht dabei!) zesvorhaben auf eine Vielzahl von Gemeinden ausweiten werden, halbwegs in den Griff zu bekommen, sollen die Der Abgeordnete Dr. Bollinger hat das Wort. Spitzenverbände, Gemeinde- und Städtebund und Städ- tetag, mit jährlichen Zuwendungen über 3,5 Jahre von insgesamt 400.000 Euro jährlich für eine rechtliche Beglei- Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: tung der Gemeinden eingekauft werden: Nicht mehr und Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! nicht weniger steht hinter diesem Angebot, meine Damen Seit eineinhalb Jahren diskutieren wir im Land über die und Herren. Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Unsere AfD- (Zurufe der Abg. Martin Haller, SPD, und Fraktion schreibt sich das Verdienst zu, mit unserer Großen Alexander Licht, CDU) Anfrage vom August 2018 und dem ersten ausgearbeiteten Gesetzentwurf zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträ- Ferner soll den Gemeinden die frühzeitige Umstellung mit ge diese Diskussion mit angestoßen und entscheidend 5 Euro je Einwohner schmackhaft gemacht werden. Das vorangetrieben zu haben. sind Beträge, die für die meisten ländlich geprägten Orts- gemeinden keine wirkliche haushalterische Auswirkung (Abg. Martin Haller, SPD: Wenn es Euch haben. Diese 5 Euro je Einwohner, die im Übrigen wie die glücklich macht, hängt es Euch an den 400.000 Euro Rechtsberatungskosten aus dem kommuna- Kühlschrank!) len Finanzausgleich entnommen werden – wir merken, die Kommunen zahlen es sich einmal wieder selbst –, Unter dem Eindruck der Zustimmung der Bürger zu un- serem Vorstoß haben die CDU-Fraktion und der Landes- (Zuruf des Abg. Hans Jürgen Noss, SPD) verband der FDP sich unserer Position angeschlossen, nachdem sie sich zunächst für die Beibehaltung der Stra- reichen noch nicht einmal als Schmerzensgeld für die an- ßenausbaubeiträge ausgesprochen hatten. stehenden Verhandlungen vor Ort. (Abg. Michael Frisch, AfD: So ist es!) Alles in allem wollen Sie den Eindruck erwecken, das Pro- blem der ungerechten Beitragsbelastung zu lösen. Das Das hat der Kollege Noss vorhin korrekt wiedergegeben. Gegenteil ist der Fall. Sie verteilen die Belastung auf alle Anlieger, wobei die Gesamtbelastung gleich bleibt. Das (Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: Danke!) System wird intransparenter. Es fördert die Rechtsunsi- cherheit im ganzen Land. Sie potenzieren bereits beste- Es gibt zahlreiche Proteste im Land gegen die Straßen- hende Probleme, statt sie aufzulösen. ausbaubeiträge. Außerdem haben viele Städte und Ge- meinden Resolutionen gegen die Straßenausbaubeiträge Unsere Haltung bleibt unverrückbar. Wir stehen für die verabschiedet, darunter Trier und Koblenz. Die Gründe für Abschaffung der Beiträge und die tatsächliche und dauer- eine Abschaffung sind überwältigend. Ich zähle hier nur hafte Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Wir stehen die wichtigsten kurz auf: damit für eine gleichwertige Infrastruktur in den Gemein- den und für einen Angleich zwischen Stadt und Dorf. Erstens sind Straßen ein öffentliches Gut, und aufgrund der fehlenden Ausschließungsmöglichkeit bei der Nutzung soll- (Glocke des Präsidenten) ten öffentliche Güter von der Allgemeinheit über Steuern finanziert werden, nicht aber über Gebühren und Beiträge Wir bleiben dabei, dass der Erhalt dieser Infrastruktur Teil für Einzelne. der gemeindlichen Daseinsvorsorge ist und damit als Ge- meinschaftsaufgabe aus Steuermitteln finanziert werden Zweitens ist ein Sondervorteil der Hauseigentümer, etwa soll. durch Wertsteigerungen der Immobilie, nach einem Stra- ßenausbau empirisch nicht belegbar, im Gegensatz zu den (Beifall bei der CDU) Erschließungsbeiträgen.

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Drittens sind die Verwaltungskosten im Vergleich zu denen stellen und zwei Stellen beim Städte- und Gemeindebund bei anderen Gebühren und Beiträgen hoch. zusätzlich finanzieren wollen, um dann in zwei, drei Jahren zu sagen, jetzt schaffen wir die Straßenausbaubeiträge ab. Viertens sind die Straßenausbaubeiträge gerichts- und fehleranfällig und belasten vor allem den ohnehin benach- (Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: Das ist teiligten ländlichen Raum. richtig!)

Alle diese Argumente sind auch den Ampelfraktionen be- Meine Damen und Herren, der große Umfaller des Jah- kannt, wurden sie doch ausführlich in einer Anhörung des res 2019 war die CDU. Im Jahr 2018 hatte sie die Straßen- Innenausschusses erläutert. Heute muss man allerdings ausbaubeiträge noch vehement verteidigt, im Jahr 2019 nüchtern feststellen, all die Proteste und all die Argumente forderte sie genauso vehement ihre Abschaffung. sind an der Indolenz der Regierenden abgeprallt. Der große Umfaller des Jahres 2020 steht nun schon im (Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: Das kann Januar fest. Er ist die FDP. Bis vor Kurzem forderte die Par- man auch anders sehen!) tei noch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Nun setzt sich ihre Landtagsfraktion für ein System ein, mit dem Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die Erhebung von erstens nicht nur die Erhebung der Straßenausbaubeiträge Straßenausbaubeiträgen zementiert werden. Zwar soll es auf Dauer zementiert werden soll, sondern zweitens auch die besonders protestanfälligen Einmalbeiträge nicht mehr die Belastung der Bürger durch Zwangsabgaben über die geben, doch dafür will man flächendeckend wiederkehren- Zeit steigen wird. de Beiträge einführen. Das, meine Damen und Herren, ist Augenwischerei. Mit ihrem Vorstoß zur flächendeckenden Einführung von wiederkehrenden Beiträgen möchten die Ampelfraktionen (Beifall der AfD) ganz offensichtlich die von unserer Fraktion angestoßene Diskussion über die Abschaffung der Straßenausbaubei- Die Belastung der Bürger insgesamt würde damit selbst träge vor der anstehenden Landtagswahl abräumen. im besten Fall kein Stück sinken, sondern nur anders ver- teilt werden. Wenn man nun aber das Urteil des Oberver- (Zuruf des Abg. Hans Jürgen Noss, SPD) waltungsgerichts zu den wiederkehrenden Beiträgen liest, muss man sogar zu dem Schluss kommen, dass die Belas- Damit aber, meine Damen und Herren, liegen sie falsch. tungen der Bürger steigen werden. Grund ist, dass man bei Wir von der AfD haben die Abschaffung der Straßenaus- wiederkehrenden Beiträgen regelmäßig einen geringeren baubeiträge auf die politische Agenda gesetzt und werden Gemeindeanteil und damit einen höheren Anliegeranteil uns weiterhin für die vollständige Abschaffung der Stra- an den Straßenausbaukosten ansetzen muss ßenausbaubeiträge in Rheinland-Pfalz einsetzen und dazu noch in diesem Jahr auch parlamentarische Initiativen ein- (Abg. Monika Becker, FDP: Wieso denn?) bringen. und der innere örtliche Durchgangsverkehr in einer Straße Vielen Dank. nach dieser Rechnung nun den Anwohnern zugerechnet werden muss. (Beifall der AfD – Zurufe von der SPD: Oho! – Das aber ist nicht der einzige Nachteil der wiederkehren- Zuruf aus dem Hause: Die AfD zahlt dann den Beiträge. Sie sind komplizierter, mit dem Geld aus der Schweiz! – Zuruf von der AfD) (Abg. Martin Haller, SPD: Für Sie vielleicht!) bürokratischer, rechtlich angreifbarer und damit streitträch- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: tiger. Auch die Verwaltungskosten sind höher. Das haben Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Becker für die Frak- uns die Experten, namentlich Professor Driehaus und Herr tion der FDP. Leyendecker, in der Anhörung des Innenausschusses be- stätigt. (Abg. Michael Frisch, AfD: Jetzt kommen die Umfaller!) Und anders als Herr Bürgermeister Beck in Mainz sehen wir einen Verwaltungskostenanteil für wiederkehrende Bei- träge von 27 % nicht als niedrig an. Bei den einmaligen Abg. Monika Becker, FDP: Erschließungsbeiträgen liegt der Verwaltungskostenanteil Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! nur bei 5,4 %. Das, meine Damen und Herren, ist niedrig. Die in den vergangenen Monaten teilweise sehr emotional geführte Diskussion um die Straßenausbaubeiträge hat So steigen die Gesamtkosten für Bürger und Kommunen vor allem eines gezeigt: Die größten Probleme, die größten weiter. Leider kann ich hier Herrn Quante vom Bund der Belastungen gab und gibt es durch die Einmalbeiträge. Steuerzahler nicht folgen, der meinte, die Umstellung auf wiederkehrende Beiträge sei ein Teilerfolg und der erste (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Schritt zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. GRÜNEN – Abg. Thomas Roth, FDP: So ist es!) Ich glaube nicht, dass die Ampelparteien jetzt 10 Millionen Euro für die Umstellung der Beiträge in den Haushalt ein- Hier kam es, wie auch die öffentliche Berichterstattung

6651 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 gezeigt hat, zu teilweise unverhältnismäßig hohen Belas- Was aber ebenfalls wichtig ist, meine Damen und Herren: tungen der Bürgerinnen und Bürger, die bis hin zu einer Es war und ist für uns keine Option – auch das sollte für Existenzbedrohung führen konnten. Deshalb, meine Da- Sie eigentlich wichtig sein –, die Bürgermeisterinnen und men und Herren, schaffen wir mit diesem Gesetzentwurf Bürgermeister zur Finanzierung ihrer Straßen als Bittstel- die Einmalzahlungen beim Ausbau kommunaler Straßen ler bei der Landesregierung in Mainz antreten zu lassen, ab. um sich dort in eine lange Liste von Antragstellern einzu- tragen. (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Richtig! – (Abg. Gordon Schnieder, CDU: Stand nie Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) drin! – Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) Ab dem 1. Januar 2024 wird es in Rheinland-Pfalz aus- schließlich wiederkehrende Beiträge zum Ausbau kom- Damit schaffen wir, wie bereits oben erwähnt, Planungs- munaler Straßen geben. Wir beseitigen damit – das war sicherheit, wahren die Eigenständigkeit der Gemeinden, uns als FDP-Fraktion in erster Linie wichtig – finanzielle zollen den größtenteils auch ehrenamtlich tätigen Bürger- Unwägbarkeiten für unsere Bürgerinnen und Bürger und meisterinnen und Bürgermeistern den gebührenden Re- schaffen Planungssicherheit sowohl für die Kommunen als spekt und vermeiden soziale Härten, von denen in der auch für die dort lebenden Menschen. Vergangenheit unter anderem Menschen im hohen Alter, aber auch junge Familien in einer entscheidenden Aufbau- Meine Damen und Herren, wir sind sicher – das werden phase ihres Lebens betroffen waren. Sie sehen –, damit insgesamt zu einer Befriedung in der Diskussion um dieses Thema beizutragen. Erste Auswer- (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Genau tungen von Äußerungen von Bürgerinnen und Bürgern und so! – auch von Bürgermeistern – auch von der CDU – Zuruf des Abg. Alexander Licht, CDU)

(Zuruf des Abg. Hans Jürgen Noss, SPD) Meine Damen und Herren, mit dieser Verlässlichkeit, die wir für die Kommunen schaffen, Herr Licht, lösen wir auch lassen übrigens den berechtigten Schluss zu, dass unser den Investitionsstau auf, der durch die Debatte um die Gesetzentwurf auf breite Akzeptanz stößt. Straßenausbaubeiträge entstanden ist.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE (Abg. Alexander Licht, CDU: Der Herr Stich GRÜNEN – würde da vehement widersprechen!) Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!) Unter diesem Investitionsstau haben übrigens auch die mittelständischen Unternehmen der Bauwirtschaft gelitten. Die Gesetzentwürfe von CDU und AfD aus dem vergange- (Abg. Alexander Licht, CDU: Er müsste nen Jahr, die Ausbaubeiträge komplett abzuschaffen und vehement widersprechen!) die Kosten für den Ausbau der Gemeindestraßen zukünftig gänzlich aus dem Landeshaushalt zu finanzieren, haben Auch sie bekommen jetzt, Herr Licht – die Unternehmen wir aus guten Gründen abgelehnt. der Bauwirtschaft, wenn Sie zugehört hätten –, (Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, (Abg. Alexander Licht, CDU: Es wird nicht FDP: Jawoll!) besser!) Insbesondere die im Verfahren durchgeführte Expertenan- bedingt durch das klare jährliche Budget, hörung, die jetzt schon mehrfach genannt wurde, hat deut- lich gemacht, dass auch keine annähernd valide Ermittlung (Zuruf des Abg. Gordon Schnieder, CDU) der diesbezüglich zu erwartenden finanziellen Belastun- gen für den Landeshaushalt möglich gewesen wäre. das die Kommunen nun für den Straßenausbau zur Verfü- (Abg. Christian Baldauf, CDU: So wie bei gung haben, größere Planungssicherheit. den Krankenhäusern!) (Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD) Die Schätzungen lagen, das wissen Sie, zwischen 50 Mil- lionen und 200 Millionen Euro pro Jahr. Gleichzeitig – das war uns Freien Demokraten besonders wichtig – lassen wir die Kommunen bei der Umstellung auf (Abg. Gordon Schnieder, CDU: wiederkehrende Beiträge nicht im Stich, 75 Millionen!) (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Genau Ein seriöser Vorschlag so ist es!)

(Abg. Gordon Schnieder, CDU: Lag vor!) und wir unterstützen die kommunalen Verwaltungen durch Ausgleichszahlungen von insgesamt mehr als 10 Millionen – Herr Schnieder – für eine Gegenfinanzierung aus dem Euro. Zudem fließen jährlich etwa 200.000 Euro an den Landeshaushalt war demzufolge auch überhaupt nicht Gemeinde- und Städtebund sowie an den Städtetag, die möglich. ihre Verbandsmitglieder bei der Umstellung beraten.

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(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, für uns auf der Hand. Wiederkehrende Beiträge sind sozial FDP: Jawoll!) verträglich, sie sind fair und für alle Beteiligten gut planbar. Für uns war und ist es wichtig, dass die Kommunen bei Auf diese Art und Weise gewähren wir eine reibungslose dieser Umstellung auf wiederkehrende Beiträge auch un- und rechtssichere Umstellung und schützen zugleich das terstützt werden. 40 % der Kommunen in Rheinland-Pfalz kommunale Selbstverwaltungsrecht. Das sollte Ihnen wich- erheben bereits die Ausbaubeiträge wiederkehrend. Wir tig sein. kennen die Erfahrungen dieser Kommunen bei der Um- stellung. Diese Erfahrungen werden wertvoll sein für die (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Kommunen, die jetzt umstellen müssen. GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, es wird Sie also nicht Kernfrage dieser Debatte – das wurde vorhin auch von wundern, wenn ich sehr zufrieden mit diesem vorliegenden der CDU aufgeworfen – ist die Frage der „Umverteilung“. Gesetzentwurf bin. Dazu möchte ich einmal sagen, die Kernfrage ist: Wol- len wir, dass der kommunale Straßenausbau durch die (Abg. Gordon Schnieder, CDU: Ihnen bleibt Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer ja nichts anderes übrig! – finanziert wird, oder wollen wir, dass der kommunale Stra- Heiterkeit des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: ßenausbau, der vor Ort entschieden wird, durch alle Steu- Das wundert mich!) erzahlerinnen und alle Steuerzahler finanziert wird? Wir haben damit bewiesen – nicht zum ersten Mal, und es (Abg. Gordon Schnieder, CDU: Genau so! wird auch nicht das letzte Mal sein –, dass wir lösungsori- Wie bei den Kreisstraßen!) entiert und effizient arbeiten, Da sind wir ganz klar, es ist eine kommunale Aufgabe, hier (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: die Straßen zu ertüchtigen, und das soll auch kommunal Jawohl!) finanziert werden. Das halten wir für sozial verträglich, fair und planbar. handlungsfähig sind und unserem Anspruch als Regie- rungskoalition gerecht werden, (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP) (Zuruf des Abg. Gordon Schnieder, CDU) beste Politik für Stadt und Land zum Wohl von Rheinland- Welche Änderungen werden im vorliegenden Gesetzent- Pfalz und seinen Bürgerinnen und Bürgern zu machen. wurf angestrebt? Wir haben es bereits gehört, auf einmali- ge Straßenausbaubeiträge wird mit Wirkung vom 1. Janu- Ich danke Ihnen. ar 2024 verzichtet, und grundsätzlich wird auf die wieder- kehrenden Beiträge umgestellt. Die Kommunen müssen (Beifall der FDP, der SPD und des also vor Ort eine dementsprechende Satzung erlassen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Dass das die Kommunen vor rechtliche Schwierigkeiten Vizepräsident Hans-Josef Bracht: stellt, weiß ich aus Gesprächen mit der Praxis. Deswegen ist es wichtig, dass wir die Kommunalverwaltungen dabei Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Schellhammer für unterstützen, dass sie eine rechtssichere Satzung vorle- die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. gen, und das werden wir auch tun, indem wir mit 5 Euro je Einwohnerin und Einwohner die Kommunen dabei un- terstützen und zusätzlich die juristische Beratung bei den Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: kommunalen Spitzenverbänden vorsehen. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die Straßenanbindung ist Teil der kommunalen Es sind hoch juristische Fragen, die die Grundlage für die- Daseinsvorsorge und wichtig für die dauerhafte Entwick- se Satzung sind. Es ist gut, dass wir die Kommunen dabei lung einer Gemeinde. Wir sind der Meinung, dass Stra- unterstützen, dass sie rechtssicher diesen wichtigen Weg ßenausbaubeiträge, bei denen Bürgerinnen und Bürger in gehen können. angemessenem Maß am Um- und Ausbau ihrer kommu- nalen Straßen beteiligt sind, wirklich ein geeignetes Mittel (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: sind. Genau!)

Das wurde auch von verschiedenen Experten in der schon Die Vorteile der wiederkehrenden Beiträge sind – wir ha- erwähnten Anhörung im Innenausschuss sehr deutlich. ben es an dieser Stelle schon häufig wiederholt, aber ich Wir Grüne haben uns klar für die Stärkung der wieder- mache es sehr, sehr gerne –: Die kommunale Selbstver- kehrenden Ausbaubeiträge eingesetzt, beispielsweise in waltung bleibt in vollem Umfang erhalten. Es wird vor Ort einem einstimmigen Beschluss auf unserem Parteitag im festgelegt, welche Straße saniert wird, und sie wird auch Frühjahr 2019. Daher ist es umso erfreulicher, dass wir vor Ort finanziert. nun gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern diesen Weg gehen können: Straßenausbaubeiträge werden nun Durch die Umstellung auf wiederkehrende Beiträge kön- grundsätzlich wiederkehrend erhoben. nen wir nämlich das vermeiden, was wir als Abgeordnete auch aus Zuschriften kennen, nämlich vereinzelte soziale Die Vorteile dieses umfassenden Systemwechsels liegen Härten, die durch die Einmalbeiträge entstanden sind.

6653 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

Das wird künftig Geschichte sein – das ist gut so –, und Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, künftig haben wir ein planbares System. spätestens seit der Expertenanhörung am 19. Juni 2019 hätte eigentlich jedem klar sein müssen, dass eine voll- Die beitragsfähigen Kosten für den Umbau und die Sanie- ständige Abschaffung der Erhebung von Straßenausbau- rung werden nicht mehr auf einzelne Anlieger umgelegt, beiträgen keine Lösung ist. Die Experten haben mehrfach sondern auf viele starke Schultern verteilt. vorgetragen, dass die Kosten des Straßenausbaus im Fal- le einer vollständigen Abschaffung über Steuern finanziert Natürlich gilt, je größer die Abrechnungseinheit, desto grö- werden müssten. Vorrangig ginge es dann wohl um ei- ßer die Anzahl der zahlenden Anlieger und desto geringer ne Erhöhung der Grundsteuer. Selbst wenn das Land die der wiederkehrende individuelle jährliche Beitrag. Auch Finanzierung übernehmen würde, müssten Leistungskür- das haben wir in der Anhörung an dem Beispiel in Mainz zungen an anderer Stelle erfolgen. Wir haben eben auch gehört. Wir wissen aber auch von vielen anderen Kommu- über Rechnen gesprochen, jeder Euro kann eben nur ein- nen, wie zufrieden sie mit dem System sind. mal ausgegeben werden.

Insgesamt kann man sagen, dass wir grundsätzlich durch Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, mit die Umstellung des Systems auf wiederkehrende Beiträge dem vorliegenden Gesetzentwurf bleibt der Straßenaus- die sozialen Härten entschärfen und die Kosten fair und bau eine kommunale Aufgabe. Sehr geehrter Herr Abge- sozial gerecht auf viele Schultern verteilen können. Wir ordneter Schnieder, die Abschaffung wäre gerade eben ein stellen dabei auch eine Finanzierung der Kommunen si- Eingriff in die Selbstverwaltung der Kommunen gewesen. cher, damit sie bei der Verwaltungsaufgabe, die jetzt vor Durch den nunmehr vorgelegten Gesetzentwurf bleiben die ihnen liegt, unterstützt werden. Eigenständigkeit der Gemeinden und ihre Finanzierungs- und Planungshoheit unverändert gewahrt, und sie können Dadurch wird aber auch die Selbstverantwortung unserer nach wie vor schnell und bedarfsgerecht nach ihren Wün- Städte und Dörfer gestärkt. Deshalb begrüßen wir Grüne schen agieren. es sehr, dass wir diesen Gesetzentwurf mit unseren Koali- tionspartnern heute vorlegen durften. (Abg. Christian Baldauf, CDU: Das Kleingedruckte!) (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der FDP) Entgegen der Behauptung, wiederkehrende Beiträge wür- den zu einer Klageflut und zu einem unermesslichen Ver- waltungsaufwand führen, kann man nur sagen, dass bei Vizepräsident Hans-Josef Bracht: den Gemeinden, die heute schon wiederkehrende Beiträ- ge erheben, eine hohe Zufriedenheit besteht und die Zahl Für die Landesregierung erteile ich das Wort nun dem der klagenden Bürgerinnen und Bürger gering ist. Staatssekretär Stich. (Vereinzelt Beifall der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Randolf Stich, Staatssekretär: Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Da- Aufgrund des hohen Grades an Automatismus entsteht im men und Herren Abgeordnete! Die andauernde Diskussion laufenden Betrieb auch kein wirklich höherer Verwaltungs- um die Zukunft der Straßenausbaubeiträge hat zu einer aufwand. Dagegen kann es natürlich durch die Systemum- Verunsicherung der Betroffenen und der Kommunen vor stellung einmalig einen zusätzlichen Verwaltungsaufwand Ort geführt. Deswegen begrüße ich ganz ausdrücklich den geben. Aus diesem Grund sieht der Gesetzentwurf auch Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen. Nicht nur, weil er vor, dass die Gemeinden, die ihre Satzung ab dem 1. Fe- inhaltlich die richtigen Punkte setzt, sondern auch, weil er bruar 2020 entsprechend ändern, in den kommenden drei jetzt Klarheit und Planungssicherheit schafft. Jahren die Möglichkeit eines finanziellen Ausgleichs in Höhe von pauschal 5 Euro je Einwohner pro Abrechnungs- (Abg. Martin Haller, SPD: Danke, Randolf!) einheit aus dem kommunalen Finanzausgleich erhalten.

Die Erhebung von einmaligen Straßenausbaubeiträgen Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, kann in Einzelfällen dazu führen, die im Gesetzentwurf angelegte Regelung – man kann es eigentlich nur so zusammenfassen – ist für alle Beteiligten (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) ein Gewinn. Die Kommunen haben weiterhin eine siche- re Finanzierung für notwendige Straßenausbauprojekte. dass sich beitragspflichtige Grundstückseigentümer und Auch die Hoheit über die Entscheidung, welche Straße Grundstückseigentümerinnen mit hohen, grundsätzlich auf wie ausgebaut werden soll, verbleibt dort, wo sie hinge- einmal zu zahlenden Ausbaubeiträgen konfrontiert sehen. hört, nämlich in der Eigenverantwortung der Kommune. Herr Schnieder, diese können natürlich jetzt schon durch Die Regelung gibt allen Beteiligten Planungs- und Rechts- Ratenzahlung und Stundung abgemildert werden. Diese sicherheit; denn wiederkehrende Beiträge – das muss man Möglichkeiten gibt es heute schon gesetzlich. Besser ist an dieser Stelle auch einmal festhalten – haben sich be- es jedoch – darauf haben wir schon immer hingewiesen –, währt und sind eben rechtssicher. Das hat die Anhörung dass wiederkehrende Beiträge der Weg sind, der die Be- gezeigt. troffenen langfristig und zukunftssicher entlastet. Genau das – die Umstellung auf wiederkehrende Beiträge – sieht Die Bildung von Abrechnungseinheiten unter Beachtung der vorliegende Gesetzentwurf nun vor. der örtlichen Gegebenheiten wird auf der Grundlage der

6654 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 bisherigen Erfahrungen und einer fundierten Beratung Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf Gäste auf unserer durch Fachleute, insbesondere die des Gemeinde- und Besuchertribüne willkommen heißen. Wir freuen uns über Städtebunds und des Städtetags, ganz klar gelingen, und die Anwesenheit des Oberbürgermeisters von Lahnstein, – das sollen wir auch einmal sehen – nicht zuletzt profi- Herrn Peter Labonte. Er befindet sich in Begleitung von tieren davon auch die Anwohnerinnen und Anwohner. Sie Herrn Cremer, dem ehemaligen Forstamtsleiter, und Herrn haben weiterhin in der Kommune die Möglichkeit, vor Ort Dr. Henning, dem jetzigen Direktor der Klinik Lahnhöhe in über geplante Projekte mitzureden, und sie werden vor Lahnstein. hohen, einmaligen Beiträgen geschützt. (Beifall im Hause) Die Lösung ist – das muss ich zugeben – sicher nicht so populär wie eine Abschaffung, aber sie täuscht eben keine Schön, dass Sie anwesend sind. Ich nehme an, Sie sind Entlastung der Bürgerinnen und Bürger vor, wo es keine insbesondere wegen des nachfolgenden Tagesordnungs- geben kann. Sie ist aber sachgerecht, sie ist finanzierbar, punkts anwesend. sie ist rechtssicher, und sie ist gut umsetzbar. Daher hat der Gesetzentwurf die volle Unterstützung der Landesre- Diesen Tagesordnungspunkt darf ich jetzt aufrufen, und gierung. zwar Punkt 14 der Tagesordnung:

Vielen Dank dafür. ...tes Landesgesetz zur Änderung des Landeswaldgesetzes (Beifall der SPD, der FDP und des Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) – Drucksache 17/11100– Erste Beratung

Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten Nächster Redner ist Abgeordneter Dr. Bollinger. – Sie ha- vereinbart. Gemeldet hat sich der Kollege Steinbach von ben noch 40 Sekunden Redezeit. der Fraktion der SPD. – Bitte schön!

Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Abg. Nico Steinbach, SPD: Vielen Dank, Herr Präsident. – Ich will es kurz machen. Die Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle- wiederkehrenden Beiträge sind keinesfalls sinnvoll oder gen! Wir sprechen heute über einen Gesetzentwurf der Ko- sozial, sondern sie steigern die Gesamtkosten für Bürger alitionsfraktionen zur Änderung des Landeswaldgesetzes. und für Kommunen. Konkret geht es um drei Änderungen und Ergänzungen. Ich möchte beginnen mit der ersten, mit der Einfügung (Zuruf aus dem Hause: Wo denn?) einer Option zur Einführung von Heil- und Kurwäldern.

Sie sind auch nicht rechtssicher. Das hat die Expertenan- In § 1 des Landeswaldgesetzes verfolgt man das Ziel, hörung ergeben. Selbst der Experte Driehaus, der von der den Wald in seiner Gesamtheit dauerhaft zu erhalten, und Ampel selbst benannt worden ist und gegen die Abschaf- nennt als Wirkungen neben der Nutz- und Schutzfunkti- fung ist, hat die wiederkehrenden Beiträge abgelehnt. on insbesondere auch die Erholungswirkung. Das Gesetz sieht bisher jedoch noch keine Möglichkeit vor, auf Antrag Die Abschaffung ist finanzierbar. Wir haben in den Haus- von Waldbesitzenden einen Kur- und Heilwald einzurich- haltsberatungen dargelegt, wie man sehr wohl Einspa- ten. rungen auf Landesebene vornehmen und trotzdem eine Heilwald – zur Definition für diejenigen, die sich vielleicht Pauschale für die Kommunen zum Ersatz für die Straßen- erstmals damit beschäftigen – dient in der Natur als Be- ausbaubeiträge einführen kann. Damit – ich komme zum handlungsraum für therapeutische Nutzung bei speziellen letzten Punkt – wäre es auch für die Kommunen planbar, Indikationen. Als „Therapie unter Bäumen“ möchte man und unser Gesetzentwurf, der besser war als der der CDU, beispielsweise in Lahnstein diese Option in Zukunft nutzen. hätte die kommunale Selbstverwaltung nicht beeinträch- Deshalb sind sicherlich auch der Oberbürgermeister, Herr tigt. Labonte, und der Vertreter des Forstamts anwesend; denn sie wollen als zweite Kommune überhaupt in Deutschland Vielen Dank. eine solche Option nutzen. Dort soll nämlich ein offizieller (Beifall der AfD) Heil- und Kurwald eingerichtet werden. (Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Ich denke, dies auch zur Freude unseres Innenministers, Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind wir der in seiner Heimatregion als Schirmherr für dieses Pro- am Ende der ersten Beratung dieses Gesetzentwurfs an- jekt fungiert und sich maßgeblich für diese Gesetzesän- gelangt. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf zur ver- derung eingesetzt hat. Auf der Lahnhöhe sollen nämlich tieften Beratung federführend an den Innenausschuss und in alten Buchenwäldern in Zukunft kranke Menschen be- mitberatend an den Rechtsausschuss zu überweisen. – handelt werden können. Ich denke, das ist eine gute, eine Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist dies beschlossen. sinnvolle Einrichtung. Das Ganze ist medizinisch fundiert

6655 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 und ohne Esoterik. Das muss man an dieser Stelle noch Vielen Dank. einmal sagen.

Das ist eine ganz besondere Änderung des Landeswald- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: gesetzes; denn dadurch werden die Voraussetzungen ge- Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Lammert für schaffen, um durch anschließende Rechtsverordnung des die Fraktion der CDU. zuständigen Ministeriums, Frau Ministerin Höfken, einen klaren Rechtsrahmen schaffen zu können, der insbeson- dere für die Voraussetzungen, aber auch für die Qualitäts- Abg. Matthias Lammert, CDU: anforderungen wichtig ist, damit ein klares Qualitätsbild geschaffen wird, sodass dieser Heilwald klaren Bedingun- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! gen folgen kann. Wir sprechen heute über die Änderung des Waldgesetzes. Ich will es vorneweg sagen: Die CDU steht den Ände- Das ist sicherlich auch für andere Kommunen interessant, rungen sehr positiv gegenüber. Es handelt sich, wie der die einen Schwerpunkt im Reha- und Gesundheitsbereich Kollege Steinbach schon ausgeführt hat, im Grunde ge- haben. Daher ist das eine sinnvolle Ergänzung. nommen um drei große Gebiete, nämlich den Kur- und Heilwald, die Waldpädagogik und die kostendeckenden Die zweite Änderung ist in § 25 des Landeswaldgesetzes Gebührensätze. vorgesehen. Dort wird die Waldpädagogik einen weiteren Schwerpunkt einnehmen. Waldpädagogik umfasst waldbe- Ich darf mit dem ersten Gebiet beginnen. Wir haben mit der zogene Umweltbildung. Alle Lernenden werden hier in die Aufnahme eines sogenannten Kur- und Heilwaldes, den Lage versetzt, verantwortungsvoll die Ökosystemleistun- man ausweisen kann, etwas ganz Neues in Rheinland- gen des Waldes zu erfahren und zukunftsfähig zu denken Pfalz. Ich denke, das ist schon etwas Besonderes. Bislang und zu handeln. Wir kennen alle das Stichwort „Nach- besteht für Waldbesitzende nicht die Möglichkeit, soge- haltigkeit“ aus dem Wald. Hier kann natürlich mit einer nannte Heil- und Kurwälder auszuweisen. umfassenden Waldpädagogik gerade in Zeiten des Klima- wandels und dessen Folgen darauf praktisch geantwortet Der Kurwald – das ist schon beschrieben worden – dient werden. der gesundheitsfördernden Breitenwirkung, wie im Gesetz beschrieben, während der Heilwald als Behandlungsraum Die dritte Änderung ist gerade aus kommunaler Perspekti- für therapeutische Nutzungen dienen soll. ve auch eine sehr wichtige Änderung. Hier geht es um die Entlastung der körperschaftlichen Forstbetriebe von Be- Das ganze ist im Übrigen in der Tat – wer sich da ein biss- försterungskosten, also von Kosten für die Revierleitung. chen schlau macht – medizinisch absolut fundiert, und es Kommunale Betriebe, welche in ihrer mittelfristigen Be- ist, wie der eine oder andere vielleicht auf den ersten Blick triebsplanung – sprich in der Forsteinrichtung – einen Hieb- zu meinen scheint, keine Esoterik. satz von weniger als drei Festmetern je Hektar Holzboden- fläche aufweisen, werden in Zukunft um die pauschalen Nein, dahinter steckt schon etwas Grundsätzliches; denn Beförsterungskosten entlastet. Sie werden stattdessen die ein offizieller Heilwald muss auch ganz spezielle Kriterien Dienste der staatlichen Beförsterung über kostendeckende erfüllen. Das kann man nicht einfach so werden, sondern Gebührensätze erstatten. Sie werden also nur noch dann, es bedarf einer bestimmten Luftqualität, bestimmter Ruhe- wenn ein Hieb stattfindet und nicht mehr pauschal, wie zonen, eines unebenen Geländes und der entsprechenden das in den allermeisten Gemeinden der Fall ist, an den passenden Baumarten. Es gilt also, eine ganze Vielfalt an Personalkosten beteiligt. Damit wird, was bisher nur Ge- Kriterien zu erfüllen, um überhaupt einen Kur- und Heilwald meinden mit weniger als 50 ha Betriebsfläche möglich war, – ich habe mich damit ein bisschen beschäftigt – einzurich- eine wesentlich größere Schar an Gemeinden in diesen ten. Das ist also etwas wirklich Positives. Genuss kommen. So etwas gibt es aktuell in der Tat in Deutschland und Wir sind sehr stolz darauf, eine praktische Unterstützung sogar in Europa im Grunde genommen nur auf der Insel für die kommunalen Waldbesitzer anbieten zu können. Das Usedom. ist insbesondere für die Betriebe von großer Wichtigkeit, (Abg. Marco Weber, FDP: Ja!) die sich im letzten und vorletzten Jahr aufgrund der Kama- litäten mit ihren Forstbetrieben in einer sehr, sehr schwie- Die hatten den ersten. rigen finanziellen Lage befanden. Hier wird es teilweise keine Holzerlöse geben. Hier wird es teilweise keine Er- (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Und in träge, sondern nur Kosten geben. Deshalb ist das eine Lahnstein!) deutliche Entlastung, die – das muss man auch erwäh- nen – das Land einen deutlich einstelligen Millionenbetrag – Jetzt, genau. In Usedom wurde es vom Land kosten wird. Ich denke, das ist aber eine wichtige prak- Mecklenburg-Vorpommern intensiv unterstützt und lief un- tische Maßnahme, um die Nachhaltigkeit – sprich den ter anderem als Wirtschaftsförderung. Wiederaufbau des Waldes – Da gibt es sehr, sehr viele Gäste. Ich darf einfach einmal (Glocke des Präsidenten) zitieren, was man auf der Homepage von Usedom über den Heilwald lesen kann: „Naturliebhaber jeden Alters, Kur- zu unterstützen, sich darauf konzentrieren zu können und gäste an der Ostsee und gestresste Manager aus Politik die finanziellen Möglichkeiten dafür zu schaffen. und Wirtschaft

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(Heiterkeit bei der FDP) (Heiterkeit bei der CDU) nutzen die natürliche Heilkraft der Bäume zur Waldtherapie aber vielleicht finden wir ja noch eine kleine Lücke, in der oder zur Meditation.“ kein Netz ist,

(Zurufe der Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS (Beifall des Abg. Thomas Weiner, CDU – 90/DIE GRÜNEN, und Nico Steinbach, Staatsminister Roger Lewentz: Das muss SPD) ins Protokoll!)

Ja, also Sie sehen, wenn Sie einmal irgendwann der Politik damit die Kinder sich wirklich die Bäume ansehen und überdrüssig sind, werden wir dort dann irgendwann geheilt nicht nur aufs Handy schauen. und vielleicht auf einen guten Weg gebracht.

(Beifall des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) Das sage ich schon ernsthaft. Es ist ab und zu auch einmal schön, einen Baum zu umarmen. Mein Hund macht das Das ist also etwas Positives für uns. auch täglich.

(Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich will das schon ernsthaft sagen. Warum soll das, was dort im Norden der Republik gerade auch für den Touris- Ja, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch der drit- mus gut funktioniert, nicht auch in Rheinland-Pfalz funktio- te Punkt im Gesetz ist durchaus sinnvoll. Aktuell ist es so, nieren? Deswegen begrüßen wir das ausdrücklich. dass die Kommunen unter bestimmten Voraussetzungen entscheiden können, ob die Revierleitung durch staatliche Die Stadt Lahnstein und ihre Vertreter mit Oberbürgermeis- Bedienstete oder eigene Bedienstete durchgeführt werden ter Peter Labonte sind oben auf der Tribüne anwesend. Sie kann. Beim Revierdienst durch staatliche Bedienstete er- haben das schon seit längerer Zeit betrieben und auch statten die Kommunen dem Land für die Durchführung der Roger Lewentz und mich – das will ich sagen – mit einge- forstbetrieblichen Aufgaben anteilige Personalkosten, und bunden. Ich freue mich daher und glaube, dass wir jetzt Gebührensätze werden dann immer an den Holzumsatz miteinander das eine oder andere auf den Weg bringen angepasst. können, und kann sagen, dass wir dieses Projekt auch gerne fördern. Bis jetzt war das nur bei Körperschaften mit weniger als 50 ha produzierter Holzbodenfläche möglich. Zukünftig soll In Lahnstein soll dann ein Mischwald, eine schon etwas das bei drei Festmetern pro Jahr pro Hektar berücksichtigt, größere Fläche in der Größe von etwa 30 Fußballfeldern, also durchaus auf etwas größere Bereiche ausgeweitet genutzt werden. Das Projekt würde sich dort perfekt an- werden. bieten, gerade auch für psychische oder Herz-Kreislauf- Erkrankungen, die dort behandelt werden können. Es wer- Ich denke, das ist eine finanzielle Entlastung gerade der den derzeit entsprechende medizinische aber auch forst- körperschaftlichen Forstbetriebe bei geringerem Holzer- gutachtliche Dinge erstellt, um dieses Projekt überhaupt trag, unabhängig von der Fläche. Das ist aufgrund der anschieben zu können. Situation im Wald und der schlechteren Erträge durchaus eine sinnvolle Geschichte. Ich freue mich – das will ich schon deutlich sagen – ebenso wie Herr Roger Lewentz, dass der erste Heil- und Kurwald Klar, wir haben dann vielleicht ein kleines Ungleichgewicht vielleicht in meinem Heimatlandkreis Rhein-Lahn-Kreis ent- zwischen staatlichen und kommunalen Förstern, aber der steht. Ich denke, das ist auf jeden Fall etwas Schönes. Status quo bei den kommunalen bleibt zumindest erhalten. Da ändert sich nichts. Deswegen ist auch das sicherlich Von dieser Seite wünsche ich auch den Initiatoren viel Er- grundsätzlich zu begrüßen. folg. Da steckt noch viel Arbeit dahinter, aber dort hat sich ein gutes Team gebildet. Ich bin sicher, dass wir auf einem tollen Weg sind, und wünsche viel, viel Erfolg. Ich habe noch eine Frage, zu der die Ministerin nachher sicherlich noch etwas sagen wird. Vielleicht können Sie (Beifall bei der CDU und des noch einmal etwas zu der Kostenabschätzung sagen. Da Staatsministers Roger Lewentz) steht etwas von einem niedrigen einstelligen Millionenbe- trag. Das umfasst eine Bandbreite von 1 Million Euro bis Der zweite Punkt im Gesetz beschäftigt sich mit der Mög- 9 Millionen Euro. Vielleicht können Sie das ein bisschen lichkeit der Waldpädagogik. Auch das ist absolut zu be- einordnen. Das wäre schön. grüßen. Es ist gut, Bildung und Lernprozesse zu fördern. Ich sage meinen Kindern auch immer, sie sollen ab und Insgesamt begrüßen wir die Regelungen insbesondere zu einmal das Handy wegstecken und in den Wald gehen. zum Heil- und Kurwald, das ist gar keine Frage. Wir freuen Das täte vielen Kindern gut. uns auf die Ausschussberatungen. Waldpädagogik wäre vielleicht am besten dort aufgeho- Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. ben, wo kein WLAN-Empfang und kein Netz ist. Ich weiß, das Netz ist in Rheinland-Pfalz eigentlich flächendeckend (Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS vorhanden, 90/DIE GRÜNEN)

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Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Konzept. Dies wäre der zweite Kur- und Heilwald in ganz Deutschland. Ja, bis wir den Heilwald dann gemeinsam zum Stressab- bau nach der Plenarsitzung nutzen können, dauert es noch Ein Kur- und Heilwald kann positive Wirkungen auf den ein bisschen. Tourismus vor Ort haben. Aus diesem Grund sind wir opti- (Heiterkeit der Abg. Helga Lerch, FDP) mistisch, dass noch weitere Kommunen in Rheinland-Pfalz diese Chance ergreifen werden. Dieses Vorhaben unter- Vorher geht die Beratung hier und anschließend in den stützen wir als FDP-Landtagsfraktion ausdrücklich. Ausschüssen weiter. Dann folgt noch die zweite Beratung. Neben der Rechtsgrundlage für einen Kur- und Heilwald Deshalb erteile ich das Wort jetzt dem Abgeordneten Klein beinhaltet der vorliegende Gesetzentwurf noch eine wich- für die Fraktion der AfD. tige Änderung bei den Revierdienstkosten. Diese Geset- zesänderung wurde bereits in der gemeinsamen Wald- erklärung der Landesregierung angekündigt und ist ein Abg. Jürgen Klein, AfD: weiterer Baustein, um unseren Wald und die Forstbetriebe zukunftsfest aufzustellen. Verehrter Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Ich möchte mich natürlich auch für den Kur- und Heilwald aus- sprechen. In Japan gibt es mit dem Waldbaden bereits die Das aktuelle Landeswaldgesetz sieht beim Revierdienst Vorreiter. Für uns in Rheinland-Pfalz ist das ein absolutes durch staatliche Bestellte bislang nur für Körperschaften Highlight. Ich denke, das wird auch für die Region im nörd- mit einem Waldbesitz unter der 50 ha-Grenze eine Ab- lichen Rheinland-Pfalz wieder ein Sprung in die richtige rechnung über Gebührensätze vor. Durch die Extremwet- Richtung sein. terereignisse haben sich die Holzeinschlagsmöglichkeiten regional deutlich reduziert. Dies hat negative Auswirkun- Deswegen sollten wir die Ausschussberatungen für diesen gen insbesondere auf die größeren Forstbetriebe, die über Gesetzentwurf positiv angehen, und wir hoffen, dass wir der 50 ha-Grenze liegen. im Ausschuss gute Beratungen haben werden. Mit der aktuellen Regelung kann auf die geringere Be- Danke. triebsintensität nicht reagiert werden. Aus diesem Grund besteht hier Änderungsbedarf, den die Ampelkoalition heu- (Beifall der AfD) te umsetzt. Wir führen ein neues Abrechnungssystem ein, das im Durchschnitt eine Entlastung für die Gemeindewald- betriebe mit sich bringt und die Solidarität steigert. Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Nun hat der Abgeordnete Weber für die Fraktion der FDP Gemeindewaldbetriebe mit einem Forsteinrichtungshieb- das Wort. satz unter drei Festmetern pro Hektar pro Jahr werden ab jetzt betriebsindividuell über eine Ergänzung der Gebüh- renregelung abgerechnet. Abg. Marco Weber, FDP: Meine sehr geehrten Damen und Herren, mit dem Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Da- vorliegenden Gesetzentwurf stärken wir den rheinland- men und Herren! Unser Wald erfüllt vielfältige und wichtige pfälzischen Tourismus durch die neue Option des Kur- und Aufgaben. Er ist Klimaschützer, bietet Lebensraum, ist ein Heilwaldes und entlasten im Durchschnitt die Gemeinde- wichtiger Wirtschaftsfaktor, aber vor allem ein Erholungs- waldbetriebe durch Anpassung der Abrechnungssystema- ort. Der Aufenthalt im Wald kann bei Beschwerden der tik. Diese Einzelmaßnahmen sind Teil eines gelungenen Atemwege, Herz-Kreislauf-Problemen oder psychosomati- Gesamtbündels, welches wir als FDP-Landtagsfraktion schen Erkrankungen helfen. Die gesundheitsfördernden ausdrücklich begrüßen. Wirkungen des Waldes sind durch medizinische Studien und Gutachten belegt. Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann Ihnen Wie eben schon angesprochen wurde, gibt es auf Usedom nur aus eigener Erfahrung berichten, im Wald zu entspan- bereits seit dem Jahr 2016 den ersten europäischen Kur- nen und Heilwald. Dieses Konzept ist sehr erfolgreich. Nun wol- len wir diese Möglichkeit auch in Rheinland-Pfalz schaffen; (Abg. Helga Lerch, FDP: Endlich mal!) denn gerade Rheinland-Pfalz als waldreichstes Bundes- land misst dem Wald und seinen Funktionen eine ganz und die Einzigartigkeit eines Waldes einfach einmal auf besondere Bedeutung und Stellung zu. sich einwirken zu lassen, kann nur gesundheitsfördernd sein. Ich mache das jede Woche. Mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zur Änderung (Abg. Michael Frisch, AfD: Aber nicht mit des Landeswaldgesetzes wollen wir vor Ort die Möglichkeit dem Quad!) schaffen, bestimmte Waldgebiete zu einem Kur- und Heil- wald zu erklären und auszuweisen. Die Stadt Lahnstein Vielen Dank. hat bereits großes Interesse bekundet, den ersten Kur- und Heilwald in Rheinland-Pfalz zu eröffnen. Gemeinsam (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE mit der Kurklinik vor Ort arbeitet die Stadt aktuell an einem GRÜNEN)

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Vizepräsident Hans-Josef Bracht: und Sie haben sich gemeinsam mit den medizinischen Abteilungen vor Ort schon sehr konkret überlegt, wie das Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Hartenfels für aussehen kann. Exemplarisch nenne ich vielleicht das die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Stichwort Orthopädie. Die Möglichkeiten, bezüglich der Bewegungsabläufe den therapeutischen Ansatz im Wald Abg. Andreas Hartenfels, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: zu nutzen, sind vielfältig, ebenso wie die Möglichkeiten, auch bei psychosomatischen Beschwerden begleitend the- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! rapeutisch tätig zu sein. Ich muss zugeben, ich habe mich heute auf diesen Ta- gesordnungspunkt schon sehr gefreut. Es ist schön, dass Ich kann also nur sagen: Das ist eine super Idee. Es war schon ein Konsens in Bezug auf die Initiative, die aus Lahn- sehr überzeugend, wie Sie da aufgetreten sind. Insofern stein kommt – der Ortsbürgermeister, Stadtbürgermeister, bin ich, wie gesagt, auch sehr, sehr froh, dass wir heute beginnen, das umzusetzen. (Abg. Matthias Lammert, CDU: Oberbürgermeister!) Ich bin auch froh, dass wir noch einmal eine Rechtsver- – Oberbürgermeister Herr Labonte ist mit den Kollegen aus ordnung dazu erlassen werden, da es auch darum geht, der Region oben vertreten – angekündigt worden ist. diesen hohen medizinischen Ansatz und die Qualität so durchzusetzen, dass die Ausweisung von Kur- und Heil- Es war schon ein beeindruckender Waldspaziergang am wäldern nicht beliebig wird. Damit soll tatsächlich ein an- 28. August. Dieser Spaziergang war eher als eine kleine spruchsvolles Konzept verbunden sein. Es soll nicht so wie Runde angedacht, war dann aber zu einer sehr großen in den 1970er-Jahren sein, als man Trimm-dich-Pfade an Runde geworden. Es war beeindruckend zu sehen, dass allen Ecken angelegt hat. Ihr Gedanke hingegen ist wirk- in der Tat nicht nur die Kommune diese Initiative ganz stark lich der eines Alleinstellungsmerkmals. Das wird man nicht fördert und voranbringen will, sondern auch die Ärzteschaft an allen Standorten in Rheinland-Pfalz umsetzen können. bei dem Spaziergang vertreten war. Ich will das Klinikum Lahnhöhe, das Bruker-Haus, aber auch die klinischen Ak- Insofern würde ich mich freuen, wenn Sie tatsächlich bun- tivitäten im Koblenzer Bereich ansprechen. desweit der zweite Kur- und Heilwald neben der Insel Use- dom wären, im Rennen auf dem zweiten Platz hinter Use- Die Medizinerschaft vor Ort unterstützt das Projekt also dom landen würden und das wirklich als Alleinstellungs- auch, die Forstwirtschaft und die Forstpartie sowieso. Ich merkmal für Ihre Region nutzen könnten. Ich glaube, es glaube, insofern ist das Triumvirat dort oben gut ausge- hat sich herumgesprochen, dass Sie touristisch schon ei- wählt, ne sehr begehrenswerte Region sind – ich mache immer mal wieder Urlaub in Ihrer Region –, aber das wäre noch (Abg. Alexander Licht, CDU: Triumvirat!) einmal ein i-Tüpfelchen mehr, das es umzusetzen gilt. Von daher ist es also hoffentlich ein sehr erfolgreiches Projekt. um das heute hier mit zu verfolgen. Ich möchte einen zweiten Aspekt ansprechen. Die Kolle- Es hat mir sehr imponiert, wie detailgetreu Sie das schon gen haben schon darauf hingewiesen, dass wir noch einen in die Umsetzung und in die Vorplanung gebracht haben. weiteren Anspruch formuliert haben. Wir wollen die Re- Sie haben uns mit auf den Weg gegeben, im Prinzip lie- vierkosten in den Forstbereichen, in denen wir nur sehr ge es jetzt ganz stark an uns, überhaupt den Rahmen zu geringe Erträge aus dem Wald erzielen wollen, senken. schaffen, damit Sie das, was Sie schon an vorbereitenden Die Details wurden schon angesprochen. Arbeiten geleistet haben, auch in die Umsetzung bringen können. Mir ist wichtig, heute schon einmal zu thematisieren, dass das eine der ersten Stellschrauben ist, die wir vor dem Insofern spreche ich auch noch einmal einen ganz, ganz Hintergrund der Umstrukturierung der Finanzierung unse- herzlichen Dank für diese Initiative aus, die wir wirklich rer Wälder verändern müssen. Wir haben die Situation, nur aufgreifen und möglichst zeitnah umsetzen müssen. dass wir, aufgrund des Klimawandels und der Klimaerhit- Ich weiß, Sie scharren mit den Füßen, und heute findet zung, zukünftig nur noch deutlich geringere Erträge aus die erste Lesung statt. Es wird jetzt also zügig zu einem den Wäldern erzielen werden. Das werden wir kompensie- Abschluss gebracht, und das ist auch wirklich gut so. ren müssen. Das werden wir ganz stark über öffentliche Mittel dann auch für öffentliche Leistungen kompensieren In der Tat beschreiben die beiden Begriffe Kur- und Heil- müssen. wald schon, um was es geht. Beim Kurwald geht es tat- sächlich um vorbeugende Maßnahmen. Wir kennen die Das ist ein erstes Beispiel dafür, dass wir diesbezüglich heilende Wirkung der Bäume, die durch Studien sehr gut umsteuern und denen beispringen müssen, die die Wälder dokumentiert und erfasst ist. Dabei geht es nicht nur um die pflegen, bewirtschaften und dort auch Erträge erzielen wol- Luftreinhaltung, sondern natürlich auch um Herz-Kreislauf- len. Das wird aber nicht das Ende der Fahnenstange sein, Erkrankungen, den sehr, sehr guten Abbau von Stresshor- sondern wir werden uns grundsätzlich überlegen müssen, monen dort und um niedrigeren Blutdruck. Die gesund- wie wir die Forstpartie auf neue finanzielle Mittel umstel- heitsfördernde Wirkung von Waldspaziergängen ist sehr, len können, damit wir den Herausforderungen in diesem sehr gut erfasst. Bereich in der Zukunft gerecht werden können.

Sie legen aber noch eine Schippe drauf und sagen, wir wol- Insofern begrüßt natürlich auch meine Fraktion den Teil len diesen Wald auch therapeutisch-medizinisch nutzen, der gesetzlichen Änderung, die wir in erster Lesung be-

6659 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 raten. Ich hoffe, dass wir die zweite Lesung ebenfalls so pädagogisch betreuten Waldferienzeit – auf eine solche einstimmig über die Bühne bringen, Grundlage gestellt. Damit wird auch dem – übrigens wach- senden – Engagement ehrenamtlicher, neben- oder frei- (Glocke des Präsidenten) beruflicher zertifizierter Waldpädagoginnen und Waldpäd- agogen Rechnung getragen. damit wir dann, insbesondere für den Kur- und Heilwald – ich komme zum Schluss, Herr Präsident –, den Rahmen Ganz klar, die Waldpädagogik leistet einen wirkungsvollen so gesetzt haben, dass Sie vor Ort loslegen können. Beitrag zur Zukunftsbildung, einer Bildung für nachhaltige Entwicklung zur Bewältigung der Klimakrise und auch zur Vielen Dank. Wertschätzung unseres Waldes. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Der dritte Punkt ist der Höhepunkt des Tages. Herr Labonte der SPD und der FDP) und liebe Besucherinnen und Besucher aus Lahnstein, die vorgesehene Änderung und Erweiterung des § 20 Wald- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: gesetz schafft in Rheinland-Pfalz erstmals die Möglichkeit, auf Antrag der Waldbesitzenden hierfür geeignete Wälder Für die Landesregierung spricht nun Frau Staatsministerin als Kur- und Heilwälder auszuweisen. Höfken. Ich glaube, es ist von meinen Kolleginnen und Kollegen schon sehr deutlich beschrieben worden, wie sehr das Ulrike Höfken, Ministerin für Umwelt, Energie, Ernäh- begrüßt wird. Die Absicherung eines Qualitätsprozesses rung und Forsten: ist ein sehr wichtiger Bestandteil, der in meinem Haus, Herr Präsident, verehrte Damen und Herren! Auch ich be- aber unter Beteiligung der für Gesundheit und Tourismus grüße die Initiative zur Änderung des Landeswaldgesetzes zuständigen Ministerien, erarbeitet wird. Ein solcher, quali- sehr. Ich freue mich auch über die große Einigkeit hier im tätsgesicherter Prozess soll die Anerkennung und Auswei- Hause und will noch einmal einen anderen Aspekt an die sung gewährleisten. erste Stelle stellen. Ganz klar ist – Sie haben eben gesagt, Alleinstellungs- Es geht um die Umsetzung der Walderklärung, die wir merkmal –, dass eine Anerkennung nötig ist, damit Wälder, gemeinsam mit der Ministerpräsidentin unterzeichnet ha- die tatsächlich eine therapeutische Wirkung erzielen, als ben. Dies geschah mit der Zielsetzung, unseren Wald zu Heil- und Kurwald ausgewiesen werden können und nicht unterstützen, indem wir im Rahmen der Klimakrise auf der jeder Wald. einen Seite die notwendigen Anpassungen unterstützen und auf der anderen Seite den Klimaschutz voranbringen. Damit werden die kommunalen Waldbesitzenden unter- Mit 42 % Waldanteil haben wir in Rheinland-Pfalz eine stützt, die ein solches Angebot schaffen wollen. Herr We- besondere Bedeutung und eine besondere Verantwortung ber, vielleicht ist das auch einmal etwas für den Ausschuss, für unseren Wald. ein solcher Besuch: Dann mit mir, ich war noch nicht da. Auf jeden Fall würde ich diese Gelegenheit auch einmal Deswegen möchte ich noch einmal sagen, die Änderung wahrnehmen wollen. des Landeswaldgesetzes ist die Umsetzung dieser Wald- erklärung. Wir haben Aufgaben übernommen und setzen Ich denke, für Lahnstein ist das eine tolle Möglichkeit. Ich sie um, auf der einen Seite auf der Bundesebene, auf der freue mich auf die weitere Diskussion und den Abschluss anderen Seite aber eben auch vor Ort. dieses Verfahrens.

Auf der Bundesebene setzen wir uns im Moment massiv Danke. für die Honorierung der Waldleistungen aus einem Waldkli- mafonds ein. Es geht genau um die von Herrn Hartenfels (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, angesprochenen öffentlichen Gelder für öffentliche Leis- der SPD und der FDP) tungen. Ich denke, das muss auch beim Wald verstärkt eine Rolle spielen, weil wir sehen, dass diese Leistungen Vizepräsident Hans-Josef Bracht: bisher aus dem Holzverkauf finanziert wurden, der über absehbare oder eben nicht absehbare Zeit nicht mehr zu Weitere Wortmeldungen liegen mir zu diesem Tagesord- erbringen ist. nungspunkt nicht mehr vor. Ich schlage daher vor, dass wir den Gesetzentwurf zur vertieften Beratung an den Aus- Für Rheinland-Pfalz möchte ich die Entlastung bei den schuss für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten – fe- Revierkosten ansprechen. Sie haben gefragt, in welcher derführend – sowie an den Rechtsausschuss mitberatend Höhe das etwa sein muss. Das ist etwa eine Mindereinnah- überweisen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Damit ist das me von 1 Million Euro bis 1,5 Millionen Euro, aber eben so beschlossen. Vielleicht gelingt es uns, aufgrund der zur Entlastung der Waldbesitzenden. einvernehmlichen Haltung des Parlaments, schon in der nächsten Plenarsitzung zu einer Verabschiedung des Ge- Das Zweite ist die Waldpädagogik. Auch dazu gab es ei- setzes zu kommen. ne lange Diskussion, und auch ich bin sehr froh, dass es nun möglich ist, die Waldpädagogik auf eine sichere Meine Damen und Herren, ich darf weitere Gäste auf unse- gesetzliche Grundlage zu stellen. Damit wird das breite rer Besuchertribüne willkommen heißen, und zwar Mitglie- Angebot von Landesforsten – Waldjugendspiele bis zur der der AfD des Rhein-Pfalz-Kreises sowie Mitglieder der

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AfD aus Stadt und Land. Außerdem freuen wir uns über die (Abg. Matthias Lammert, CDU, betritt den Anwesenheit von Schülerinnen und Schülern der 10. Jahr- Saal und geht zu seinem Platz) gangsstufe des Göttenbach-Gymnasiums Idar-Oberstein. Die erste Gruppe ist in dieser Stunde da. Von 15:00 Uhr – Ah, er kommt. bis 16:00 Uhr kommt dann die zweite Gruppe der Schüle- (Abg. Matthias Lammert, CDU: Natürlich!) rinnen und Schüler. Schön, dass Sie alle da sind. Herzlich willkommen! – Haben Sie nicht daran gedacht, dass Sie noch einmal reden müssen? Sehr geehrter Herr Lammert, Sie waren (Beifall im Hause) zwar Ende Februar 2019 sehr fleißig mit Kleinen Anfra- gen, aber der Eindruck, den Sie vermitteln wollen, dass Wir kommen zu Punkt 15 der Tagesordnung: ohne die CDU das Thema nicht aufgegriffen worden sei, ist schlichtweg falsch. Verbraucherinnen und Verbraucher schützen – seriöse Schlüsselnotdienstanbieter stärken (Zurufe von der CDU) Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Ich habe gerade zitiert, dass die FDP den Antrag bereits – Drucksache 17/9798– im Januar gestellt hat.

dazu: Besonders irritiert mich, dass zwei Alternativanträge ge- stellt wurden, es der Opposition aber nicht gelungen ist, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, auch nur einen einzigen Anzuhörenden zu benennen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz – Drucksache 17/11093– (Abg. Matthias Lammert, CDU: Was?)

Unseriösen Schlüsselnotdiensten in Rheinland-Pfalz außer der Verbraucherzentrale, die bereits benannt war. das Handwerk legen Hätten Sie mich gefragt, hätten wir zum Beispiel noch die Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU Handwerkskammer oder auch die Innung einladen kön- – Drucksache 17/11135– nen. Hier hechelt auch die AfD hinterher, Herr Paul. Sie hatten vorhin gesagt, mit Alternativanträgen hechelt man Verbraucher effektiv vor Betrug schützen und seriöse hinterher. Das kam jetzt von der AfD genauso. Schlüsselnotdienstanbieter stärken – Qualitätssiegel (Abg. Michael Frisch, AfD: Formelkram, einführen und Aufklärung zielgenau verbessern kommen Sie zum Inhalt! – Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der AfD Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Inhaltlich ist – Drucksache 17/11137– gemeint!)

Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten Bei der Anhörung wurde die Ist-Situation noch einmal sehr vereinbart. deutlich. Die Menschen befinden sich in einer Notsituation und suchen dann meist Hilfe über das Internet, und es soll Ich darf Sie über das bisherige Ausschussverfahren zu schnell gehen. Dort tummeln sich aber auch Abzocker und dem Antrag – Drucksache 17/9798 – informieren. Wir Betrüger. Es ist dort schlecht möglich, zwischen seriösen hatten den Antrag in der 87. Plenarsitzung am 23. Au- und unseriösen Anbietern zu unterscheiden, da Betrüger gust 2019 auf der Tagesordnung. Er wurde an den Aus- durch vielfältige Tricks Seriosität vortäuschen. schuss für Familie, Jugend, Integration und Verbraucher- schutz überwiesen. Dieser Ausschuss hat ein Anhörverfah- Zu diesen Tricks gehören die Vortäuschung von Ortsansäs- ren zum Antrag durchgeführt. Die Beschlussempfehlung sigkeit, gefälschte Gütesiegel, gefälschte Bewertungen im des Ausschusses lautet auf unveränderte Annahme des Internet sowie ein gefälschtes Impressum. Man landet bei Antrags. einem bundesweiten Callcenter, das dann scheinselbst- ständige Handwerker als Subunternehmer zu den Kunden Ich darf zur Aussprache aufrufen. Erste Rednerin ist Frau schickt. Auf Nachfragen zum Preis gibt es entweder eine Abgeordnete Simon für die Fraktion der SPD. falsche oder eine ausweichende Antwort.

Ein Gerichtsverfahren in Kleve hat die organisierten mafi- Abg. Anke Simon, SPD: ösen Strukturen offengelegt. Das Callcenter erhielt 60 % und der jeweilige Monteur 40 % der Einnahmen. Der Mon- Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte teur hat entsprechenden Druck auf die Kunden aufgebaut Kolleginnen und Kollegen! Das Thema „Schlüsselnotdiens- und die Hilflosigkeit der Situation ausgenutzt. Die Kunden te“, erweitert um Handwerkernotdienste, beschäftigt uns haben trotz des Wissens, dass die Preise – teilweise über seit einem Jahr und wurde durch einen FDP-Antrag am 1.000 Euro – völlig überhöht sind, bar gezahlt, und dadurch 14. Januar 2019 in den Verbraucherschutzausschuss ein- ist das Geld weg. Das Verfahren kam dann wegen Betrugs, gebracht. Aufmerksam wurden wir durch Gespräche mit aber auch wegen Steuerhinterziehung in Gang. der Verbraucherzentrale und den Bericht über die Verbrau- cherschutzministerkonferenz im Jahr 2018. Um diese kriminellen Strukturen einzudämmen, möchten wir gerne die Aufklärung und Prävention sowie die straf- Sehr geehrter Herr Lammert! rechtliche Verfolgung in den Blick nehmen. Wir möchten

6661 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 ein Preisverzeichnis initiieren, auch für andere Handwer- einem örtlichen Schlüsselnotdienst, rufen diesen an, und kernotdienste, um den seriösen Firmen und den Kunden wenige Minuten später ist dieser vor Ort. Nach einem kurz- eine Orientierung zu geben. Wir wissen, dass dies keine en Augenblick öffnet er die Tür, und dann öffnen Sie die kriminellen Strukturen zerschlägt. Es ist ein Baustein der Augen, weil er Ihnen eine Rechnung über 800 Euro prä- Aufklärung. sentiert, teilweise sogar über 1.000 Euro. Dann stehen sie da. Wichtig ist für uns eine stärkere Einbeziehung der Bundes- netzagentur, um die Vortäuschung von Ortsansässigkeit zu (Präsident Hendrik Hering übernimmt den unterbinden. Wir möchten die gute Arbeit der Verbraucher- Vorsitz) zentrale bei der Aufklärung unterstützen. Die Menschen Dieser oder ähnliche Fälle gibt es leider häufiger in sollen sich vorher darüber Gedanken machen, was sie in Rheinland-Pfalz, aber auch in anderen Bundesländern. einer Notsituation tun können. Entweder sie legen sich Das ist schon ein großes Problem. Wie können wir unsere die Karte der Verbraucherzentralen mit den entsprechen- unbescholtenen Bürgerinnen und Bürger davor schützen? den Kontaktdaten unter die Fußmatte, oder sie hinterlegen Dieses Thema müssen wir angehen. einen Ersatzschlüssel bei Bekannten oder den Nachbarn. Jedenfalls ist uns wichtig, dass man nicht erst wartet, bis Mit dem Thema „Regulierung der Schlüsseldienste“ be- der Notfall eintritt. schäftigt sich unsere Fraktion sehr wohl schon etwas län- Wir können uns auch vorstellen, dass bei Einbruchschutz- ger, Frau Simon. messen oder ähnlichen Veranstaltungen entsprechende (Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD) Informationen gegeben werden. Ganz wichtig ist uns aber auch die strafrechtliche Verfolgung, die dann natürlich nur Wir haben auch Gespräche mit Betroffenen geführt. Ich länderübergreifend erfolgen kann, wie der Fall in Kleve hatte viele Anrufe und Anfragen, nachdem einiges in der zeigt. Herr Lammert, an dieser Stelle zitieren Sie aus un- Zeitung stand. Wir haben mit der Verbraucherzentrale eini- serer Sicht falsch aus dem Bericht der Verbraucherschutz- ge Gespräche geführt, auch mit den Handwerkskammern. ministerkonferenz. Dort heißt es, der Bund gemeinsam mit den Ländern und nicht, die Länder sollen schon einmal Meine sehr verehrten Damen und Herren, ja, es bestehen anfangen. offenbar kriminelle Strukturen bei einzelnen sogenannten Wir haben noch eine Bitte. Es gibt einen ganz aktuellen Schlüsselnotdiensten. Meist stecken sogar organisierte Fall, der mir mitgeteilt wurde, bei dem jemand in einer Gruppen hinter solchen Schlüsselnotdiensten, regelrechte Notlage war und 1.200 Euro bar gezahlt hat. Er hat an- Betrugsmaschen. Sie haben den Fall in Kleve genannt. schließend eine Strafanzeige erstattet, die aber niederge- Es gibt eine ganze Reihe von Fällen, über 1.000 Stück, schlagen wurde. An dieser Stelle geht auch die Bitte an die entsprechend abgearbeitet werden müssen, bei denen das Justizministerium, noch einmal die Staatsanwaltschaf- festzustellen ist, dass es offensichtlich ein großes organi- ten für das Thema zu sensibilisieren. Ich glaube, dadurch siertes Problem ist. könnten wir mehr erhellen. Das hat im Übrigen auch die Expertenanhörung bewie- Zum Schluss möchte ich Ihnen einen Grund nennen, sen, zu der wir die Verbraucherzentrale benannt hatten. warum wir die Alternativanträge ablehnen. Wir sehen ers- Wir haben sehr wohl jemanden benannt. Es ist doch nicht tens keine Kapazitäten bei den Verbraucherzentralen, um schlimm, wenn wir sie zusammen benannt haben. Wir ha- ein Prüfsiegel einzuführen. Zweitens sehen wir es auch ben sie auch benannt. nicht als deren Aufgabe an. Das wäre vielleicht eher mit den Kammern zu besprechen. Die Verbraucherzentrale Ich denke, die Expertise der Verbraucherzentrale war sehr hat aus unserer Sicht eine Beratungs- und Marktwächter- anschaulich und sehr gut. Frau Dr. Gerhards hat dies sehr funktion. gut und sehr anschaulich persönlich im Ausschuss vorge- tragen und noch einmal klar bestätigt, dass die Anfragen Vielen Dank. zeigen, dass wir uns mehr oder weniger im klassischen Be- tätigungsfeld Organisierter Kriminalität befinden und dies (Beifall der SPD, der FDP und des in der Schlüsseldienstbranche vorkommt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Antrag der Vizepräsident Hans-Josef Bracht: regierungstragenden Fraktionen zeigt zumindest deutlich, dass Sie von einem flächendeckenden Problem und nicht Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Lammert für nur von Einzelfällen sprechen. Ich denke, insoweit sind wir die Fraktion der CDU. uns einig.

Allerdings fallen verschiedene Antworten auf die Anfragen Abg. Matthias Lammert, CDU: von uns, was man gegen Probleme in dieser Schlüssel- Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! dienstbranche machen kann und welche Möglichkeiten es Stellen Sie sich vor, Sie kommen nach einem langen Tag gibt, vonseiten der Landesregierung sehr ernüchternd aus. nach Hause, wollen die Haustür aufschließen, aber der In der Antwort wurde mehr oder weniger auf eine konse- Schlüssel bricht ab, und Sie kommen nicht ins Haus. quente Strafverfolgung und auf die Präventionsarbeit der Verbraucherzentrale verwiesen. Das war zumindest in den Was machen Sie? Sie schauen in Ihrem Smartphone nach Antworten auf Kleinen Anfragen zu lesen – aus unserer

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Sicht etwas dünn. Wir fragen uns schon, warum nicht mehr terstützt wird, ist sicherlich eine Diskussionsfrage. Aber kam und warum in den letzten Jahren nicht mehr gemacht wir halten es für absolut sinnvoll. Es wäre zumindest eine wurde, meine sehr geehrten Damen und Herren. weitere Stärkung.

(Beifall der CDU) Wir halten grundsätzlich weitere Informationen für wich- tig. Wir halten – ich denke, das ist auch noch ein wichtiger Es sind in der Tat Bürgerinnen und Bürger betroffen. Aus Punkt – die Geschichte für wichtig, dass wir ein länderüber- der Expertenanhörung im Ausschuss ging aber auch deut- greifendes koordiniertes strafrechtliches Ermittlungsvorge- lich hervor, dass der Koalitionsvorschlag, die Schlüssel- hen zur Bekämpfung von unseriösen Betrieben durchfüh- notdienste, wie in Ihrem Antrag gefordert, zur Vorlage der ren und dies auch funktioniert. Preisverzeichnisse bei der zuständigen Aufsichtsbehörde zu verpflichten, einschließlich einer Veröffentlichung die- Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, mit denen man se Angaben im Internet, einfach nicht ausreicht, um das unmittelbar etwas machen kann, ohne nur auf die Bundes- Problem zumindest zu lösen. netzagentur zu verweisen, dass man dort eine Abfrage machen oder die Verzeichnisse entsprechend bundesweit Regeln sollte das wieder einmal der Bund. Es ist immer aufstellen kann. Das sind für uns Punkte, bei denen man das Typische. Wenn man eine eigene Verantwortung nicht unmittelbar etwas machen könnte. Deswegen haben wir übernehmen möchte, dann verweist man auf andere, in diesen Änderungsantrag eingebracht. dem Fall auf den Bund. Das geht uns ein Stück weit zu wenig in die richtige Richtung. Wir würden uns freuen, wenn Sie diesem zustimmen wür- den; denn dadurch können wir unsere Verbraucherinnen Es wurde mehrfach in den Anfragen darauf verwiesen, und Verbraucher am besten schützen. Das ist unser An- dass es sich bei den Schlüsselnotdiensten um ein soge- sinnen. Das ist das Entscheidende und Wichtige und nicht nanntes überwachungsbedürftiges Gewerbe handelt und nur, immer wieder die Verantwortung wegzuschieben. diese aufgrund der Gewerbeordnung durch entsprechende Aufsichtsbehörden überwacht werden müssen. Man kann Danke schön. diese schon prüfen. (Beifall der CDU) Es steht dort, dass die Seriosität der Unternehmen ent- sprechend zu prüfen ist. Vielleicht zu Beginn, aber dies kann auch wiederum immer wieder nachhaltig zu einer er- Präsident Hendrik Hering: neuten Prüfung führen. Das muss man dann entsprechend Für die Fraktion der AfD spricht der Abgeordnete Frisch. durchführen. Dazu brauchen die Ämter entsprechendes Personal, damit sie das durchführen können. Dann wird man schon sehen, dass man einiges machen kann. Abg. Michael Frisch, AfD: Die Verbraucherschutzministerkonferenz im Juni 2018 Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her- – Sie haben es angesprochen – hat ausdrücklich in der Tat ren! Im Juli 2018 hat die Verbraucherschutzministerkon- auf eine stärkere Beteiligung der Länder gepocht, natürlich ferenz die Bundesregierung aufgefordert, die Erbringer mit dem Bund zusammen, aber ausdrücklich auch die Län- von Schlüsseldiensten gesetzlich dazu zu verpflichten, ih- der. Es bleibt den Ländern unbenommen, frühzeitig etwas re Preisverzeichnisse den zuständigen Aufsichtsbehörden zu tun, bevor man wieder ewig wartet. Es hilft den Men- vorzulegen. schen in der Tat nichts, wenn wir vor Ort solche Probleme haben und die Verantwortung auf den Bund schieben. Darüber hinaus sollten weitere Maßnahmen geprüft wer- den, beispielsweise die Veröffentlichung einer Preisüber- Deshalb haben wir einen Alternativantrag eingebracht, den sicht für Verbraucher, wie es im Protokoll der Konferenz ich für unsere Fraktion im letzten Ausschuss angekündigt heißt. habe. In diesem Alternativantrag haben wir einige For- derungen. Diese sind sicherlich nicht alle abschließend, War es nur pure Einfallslosigkeit, bloßer Zufall oder die Er- keine Frage. Aber es sind zumindest einige Forderungen kenntnis, mal wieder einen verbraucherschutzpolitischen mehr als die, die die regierungstragenden Fraktionen in Arbeitsnachweis erbringen zu müssen, Fakt ist jedenfalls, ihrem Antrag aufgeführt haben. dass die Ampelkoalition einen weitgehend wortgleichen Forderungskatalog eingebracht hat und uns heute zur Ab- Für uns ist es einfach wichtig, dass die Landesbehörden stimmung vorlegt. personell so aufgestellt sind, dass sie die Verbraucher schützen und diese Unternehmen, die diese Schlüsselnot- Wie sehr ihr der Kampf gegen unseriöse Schlüsseldienste dienste anbieten, regelmäßig prüfen können. wahrlich unter den Nägeln brennt, beweist allein schon die Tatsache, dass es über ein Jahr gedauert hat, bis dieser Wir wollen eine Prüfung, inwieweit Verbünde seriöser Not- Copy-and-Paste-Antrag seinen Weg aus der Verbraucher- dienstanbieter gebildet werden können. Auch die Auffind- schutzministerkonferenz in den Landtag gefunden hat. barkeit für Verbraucherinnen und Verbraucher soll dadurch verbessert werden. Wir wollen die Prüfung eines Landes- Dabei sind Probleme mit unseriösen Schlüsselnotdiensten prüfsiegels. Auch das ist beispielsweise von der Verbrau- wohl genauso alt wie die Branche selbst. Wer sich ausge- cherzentrale angeregt worden. Ob das jetzt nun per se sperrt hat, befindet sich in der Regel in einer Notlage und bei der Verbraucherzentrale angesiedelt ist oder mit un- hat nicht die Zeit, verschiedene Angebote umfassend zu

6663 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 prüfen. Auch die Notwendigkeit der durchgeführten Maß- kämpfen. Dann müssen wir vielmehr dafür sorgen, dass nahmen lässt sich für die meisten Betroffenen kaum ein- nicht sie zu den Kunden gehen, sondern die, die rechts- schätzen. Unseriöse Anbieter wissen das und setzen da- konform und zu angemessenen Preisen helfen. her verschiedene Tricks ein, um die Rechnung künstlich in die Höhe zu treiben. Dazu sollten wir ein Gütesiegel einer Verbraucherschutzor- ganisation oder einer geeigneten Behörde einführen, das So wird etwa im vorliegenden Antrag die weit verbreitete nur nach einer sorgfältigen Prüfung vergeben und bei Miss- Methode angesprochen, durch eine Ortsrufnummer loka- brauch unverzüglich wieder entzogen wird. Damit könnten le Präsenz vorzutäuschen. Im Nachhinein rechnet man die zertifizierten Anbieter werben. dann aber deutlich längere Anfahrtswege ab. Gegen diese konkrete Art der Kundentäuschung geht inzwischen die Wenn man dieses Siegel im Rahmen einer Kampagne be- Bundesnetzagentur vor. Dennoch bleibt der Schwindel mit kannt macht, dann könnten sich Verbraucher mit wenigen hohen Anfahrtskosten eines der Hauptprobleme. Klicks im Internet und frühzeitig darüber informieren, bei wem sie im Falle eines Falles Hilfe bekommen können. Dass man darüber nachdenkt, die Anbieter zu transpa- renten Preisangaben zu verpflichten, ist zweifellos nahe- Langfristig würde dies das Geschäftsmodell der schwar- liegend. Allerdings – darauf hat Frau Dr. Gerhards von zen Schafe austrocknen und den seriösen Betrieben auch der Verbraucherzentrale in der Anhörung sehr deutlich bei niedrigeren Preisen ein wirtschaftliches Arbeiten er- hingewiesen – haben wir es nicht selten mit kriminellen möglichen, all das ohne großen bürokratischen oder poli- Netzwerken zu tun, deren Bereitschaft, sich an gesetzliche zeilichen Aufwand. Regeln zu halten, nun einmal nicht sehr ausgeprägt ist. Die im Ausschuss problematisierte Möglichkeit, ein sol- Deshalb – so Frau Dr. Gerhards wörtlich – sind „reine Vor- ches Siegel zu missbrauchen, sollte kein Grund sein, dar- gaben zu Preisverzeichnissen und Ähnlichem im Einzelfall auf zu verzichten; denn erstens lässt sich so etwas im Netz vielleicht ganz hilfreich“, können „das Problem aber nicht leicht identifizieren und dann mit strafrechtlichen Mitteln grundsätzlich lösen“. ahnden, und zweitens würde ein punktueller Missbrauch keineswegs die positiven Wirkungen vollständig aufheben. Gleiches gilt für den Vorschlag, von allen Schlüsselnot- Drittens gibt es tatsächlich keine bessere Alternative zu diensten die Veröffentlichung eines kompletten Preisver- dieser Lösung. zeichnisses zu verlangen, welches bei den Aufsichtsbehör- den hinterlegt und überprüft wird. Auch diese Maßnahme Dass eine solche Maßnahme funktioniert, zeigen die zahl- wird in der Praxis daran scheitern, dass unseriöse Dienste reichen Qualitäts- und Prüfsiegel, die bundesweit von den ihr problemlos nachkommen können, im Ernstfall jedoch Verbraucherzentralen oder anderen Verbraucherschutzor- nicht die geringste Absicht haben werden, sich daran zu ganisationen vergeben werden. halten. Was den CDU-Antrag betrifft, der diesen unseren Vor- Selbst ein vor der Auftragsvergabe durchgeführter Preis- schlag als einzige neue Kernforderung übernommen hat, vergleich wird daher die Verbraucher nicht wirkungsvoll vor so kann ich nur wiederholen, was wir hier an dieser Stelle Abzocke und Betrug schützen. schon häufiger sagen durften: Das Plagiat ist die höchste Form der Anerkennung. Natürlich kümmern sich auch Polizei und Staatsanwalt- schaft um dieses Problem. Hier wären bundesweite Ermitt- (Beifall der AfD) lungen notwendig, in die die Steuerfahndung einbezogen wird. Vielleicht könnten eine Einstufung solcher Delikte als Meine Damen und Herren, lassen Sie uns in diesem Sinne Betrugstatbestand und die damit verbundenen härteren gemeinsam etwas für die rheinland-pfälzischen Verbrau- Sanktionen eine gewisse abschreckende Wirkung entfal- cher tun. Stimmen Sie unserem Antrag zu! ten. Dafür ist jedoch der Bundesgesetzgeber zuständig. Vielen Dank. Angesichts der mit vielen Aufgaben ohnehin überlaste- ten Polizei dürfte ein nachhaltiger Fortschritt auch hiervon (Beifall der AfD) nicht zu erwarten sein.

Vor diesem Hintergrund bleibt vom Ampelantrag eigentlich Präsident Hendrik Hering: nichts übrig. Er beschränkt sich auf die Aufzählung bereits vorhandener, allerdings erfahrungsgemäß wenig wirkungs- Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Roth das Wort. voller Maßnahmen und erhebt zum anderen Forderungen, die die Experten der Verbraucherzentrale als ungeeignet Abg. Thomas Roth, FDP: ansehen, um das Problem wirklich zu beseitigen. Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her- Wieder einmal produziert die Ampel viel heiße Luft anstatt ren! Eines vorweg: Die meisten Schlüsselnotdienstanbie- der von den Bürgern erwarteten Lösung. ter sind mit Sicherheit seriös. Diese gilt es, mit diesem Antrag auf jeden Fall zu stärken; denn je mehr ich mich Wir dagegen bringen einen Alternativantrag ein, der die in den vergangenen zwölf Monaten mit dem Thema der Sache an der Wurzel packt. Wenn Reglementierung und Schlüsselnotdienste beschäftigt habe, umso stärker fand staatliches Vorgehen unseriöse, ja kriminelle Anbieter nicht ich bestätigt, hier haben wir in ein Wespennest hineinge- beeindrucken, macht es wenig Sinn, diese direkt zu be- stochen.

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Mit einem Berichtsantrag im Ausschuss für Verbraucher- Fünftens hat sich außerdem gezeigt, dass eine einzel- schutz haben wir vor ziemlich genau einem Jahr, nämlich ne Maßnahme nicht sinnvoll ist. Ein Gütesiegel ist viel- am 24. Januar 2019, den Stein ins Rollen gebracht. Berich- leicht auf den ersten Blick ein hilfreiches Instrument, aber te über Abzocke, Wucherei und Preistreiberei sind beileibe eben nur auf den ersten Blick. Eine rheinland-pfälzische keine Seltenheit. Sie stehen fast jeden Tag in der Zeitung. Insellösung mithilfe eines Gütesiegels bringt uns bei bun- desweiten bzw. länderübergreifenden Strukturen herzlich Allein in den vergangenen zehn Jahren gab es rund wenig. Schon jetzt arbeiten die kriminellen Gruppen mit 300.000 Fälle von unseriösen Schlüsseldienstleistungen, gefälschten Siegeln. Wie können denn Verbraucherinnen also im Schnitt rund 30.000 in Deutschland im Jahr. und Verbraucher eine Fälschung vom Original unterschei- den? Besonders dreist war für mich zum Beispiel ein Fall in Schweinfurt im Januar 2019. Hier hat ein herbeigeru- Mein persönliches Fazit lautet: Auf der einen Seite haben fener Schlüsselnotdienst trotz einer mit sich geführten wir eine Vielzahl von Notfällen, in denen sich Menschen Werkzeugtasche einfach die Wohnungstür eingetreten und unbeabsichtigt aus der eigenen Wohnung aussperren. Es 150 Euro verlangt, da die Tür ja schließlich nun offen sei. gibt also einen Markt für Notfalldienstleistungen. Auf der anderen Seite agieren zwar nicht nur, sondern auch (pro- Meine Damen und Herren, wenn Bürgerinnen und Bürger fessionell) unseriöse Anbieter, die diesen Markt nutzen, in einer Notsituation Hilfe brauchen, dann dürfen sie nicht ohne auch nur annähernd marktgerechte Preise zu ver- durch unseriöse Anbieter ausgenutzt, unter Druck gesetzt langen. Noch schlimmer, sie täuschen ihren Kunden über- und letztendlich mit horrenden Summen abkassiert wer- höhte Kosten vor und setzen sie in einer Notlage dann so den. Hier muss Abhilfe geschaffen werden. unter Druck, dass die Kunden jeden Preis bezahlen, meist ohne Rechnung und in bar. Nach einer am 26. November 2019 stattgefunden Anhö- rung im Ausschuss zeigte sich schnell, es geht hier kei- Was können wir tun? Der für Preise und Preisprüfungen neswegs nur um Einzelfälle. Vielmehr wird mit System zuständige Beamte bei der ADD, Herr Hebgen, hat be- und bandenkriminellen Strukturen betrogen. Ich danke an richtet, für öffentliche Aufträge gibt es bereits seit dem dieser Stelle nochmals Frau Dr. Gerhards von der Verbrau- Jahr 1953 eine Rechtsverordnung. Sie soll Behörden vor cherzentrale und Herrn Hebgen von der ADD, die beide überhöhten Preisforderungen von Unternehmen, Dienst- sehr beeindruckende Berichte geliefert haben. Schade nur, leistern und Handwerkern schützen. Auf dieser Grundlage dass nicht noch mehr Anzuhörende wie beispielsweise ein sollen eingehende Angebote auf ihre Angemessenheit ge- seriöser Schlüsselnotdienstler, ein Schlosser, die Hand- prüft werden. Die steht uns leider nicht zur Verfügung. werkskammer oder die Innung benannt wurden, um hier nur einige zu nennen. Nichtsdestotrotz hat die Anhörung dennoch wichtige Erkenntnisse gebracht. Ich bin aber der Überzeugung, dass trotzdem die Privat- verbraucher vor kriminellen Methoden geschützt werden Erstens handelt es sich zumindest teilweise um ein bundes- müssen. Unser erster Ansatz ist, wir brauchen unbedingt weit organisiertes und vernetztes System. Sehr geehrter ein Preisverzeichnis. Herr Lammert, somit ist es nicht nur ein länderspezifisches Problem, sondern ein bundesweites. Das hat die Anzu- Herr Hebgen hat in der Anhörung diesen Gedanken er- hörende von der Verbraucherschutzzentrale sehr deutlich weitert und vorgetragen, dass die Rechtsverordnung über gemacht. Bundesweite Callcenter sind die Drehscheibe Preise bei öffentlichen Aufträgen in die Gewerbeordnung dieses unseriösen Geschäfts. aufgenommen werden könnte. Dann hätten Anbieter näm- lich ihre Preise vom Ministerium genehmigen zu lassen Zweitens sind Schlüsseldienste zwar nach § 38 der Gewer- und müssten sie im Impressum veröffentlichen. beordnung überwachungsbedürftig. Allerdings erfordert dies nur die Vorlage eines Führungszeugnisses und ei- (Glocke des Präsidenten) ner Auskunft aus dem Gewerbezentralregister. Da es sich aber bei der Gewerbeordnung um Bundesrecht handelt, Das wäre die Transparenz, die ich mir wünsche. Die Ko- drängen wir auch deswegen auf eine Änderung auf Bun- alition fordert deshalb eine vorrangig bundesweite Lösung desebene. für das Problem.

Drittens hat die Anhörung gezeigt, dass dieses kriminelle Es freut mich, dass es dazu inzwischen in der Politik und Netzwerk extrem anpassungsfähig ist. Ein Beispiel: Die eigentlich bei allen Fraktionen eine große Einigkeit gibt. Bundesnetzagentur – Sie haben das vorhin angespro- chen – geht gegen das Vortäuschen einer geografischen Haben Sie vielen Dank. Präsenz vor Ort mithilfe von Ortsnetzrufnummern vor. Die unseriösen Schlüsselnotdienste geben jetzt nur noch Mo- (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE bilfunknummern an und bewerben das natürlich als beson- GRÜNEN) ders kundenfreundlich. Die Betroffenen werden trotzdem an das Callcenter weitergeleitet. Präsident Hendrik Hering: Viertens führt diese Anpassungsfähigkeit zu gefälschten Gütesiegeln, zu einer Fünf-Sterne-Bewertung bei Google Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete oder falschen Angaben im Impressum. Binz.

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Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: verweigerung raten möchte, wenn mitten in der Nacht ein aggressiv wirkender Notdienstmitarbeiter bei mir in der Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen Wohnung steht. und Kollegen! Die Anhörung im Verbraucherschutzaus- schuss hat uns die Dimension dieses Problems gezeigt. (Abg. Joachim Paul, AfD: Mitarbeiterin! Es liegt ein massiver Missbrauch vor. Das Problem ist auch Warum sollen das nur Männer sein?) vielschichtig. Diese Geschichten bestärken uns Grüne in unserer Forde- Es fehlt an Auffindbarkeit von seriösen Anbietern, es fehlt rung, eine bundesweit rechtliche Grundlage zu schaffen, an Preistransparenz für die Verbraucherinnen und Ver- damit sich Verbraucherinnen und Verbraucher gegen be- braucher, und es fehlt auch an rechtlichen und juristischen trügerische Forderungen zur Wehr setzen können. Möglichkeiten, sich gegen Missbrauch zur Wehr zu setzen. (Abg. Dr. Joachim Paul, AfD: Das ist Schon seit vielen Jahren gibt es betrügerische Schlüssel- sexuell! – notdienstanbieter, die die Notlage mancher Verbrauche- Glocke des Präsidenten) rinnen und Verbraucher ausnutzen und überzogen hohe Rechnungen ausstellen. Laut Frau Dr. Gerhards von der Wir brauchen auch eine Sensibilisierung bei den Staats- Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz gab es im Jahr 2018 anwaltschaften für solche Fälle. Darüber hinaus fordern in Rheinland-Pfalz 103 Beschwerden, die die Praktiken von wir, wie es im Antrag steht, dass die Anbieter zur regel- unseriösen Schlüsselnotdiensten anzeigten. 3.088 Fälle mäßigen Vorlage ihrer Preisverzeichnisse einschließlich waren es bundesweit im Jahr 2018. Die Dunkelziffer dürf- der Anfahrtskosten bei der zuständigen Aufsichtsbehörde te allerdings deutlich höher sein, da viele Vorkommnisse und zur Veröffentlichung dieser Informationen im Internet erst gar nicht gemeldet werden. Dies geschieht, wie Frau verpflichtet werden müssen. Diese Maßnahme ist kein All- Dr. Gerhards berichtete, entweder aus Scham oder um heilmittel – das ist uns vollkommen klar –, aber das hilft im mögliche Prozesskosten zu vermeiden. Nachgang gegebenenfalls den Betroffenen, wenn sie sich juristisch zur Wehr setzen wollen. Das große Verfahren gegen zwei Betreiber der „Deutschen Schlüsseldienst Zentrale“ vor dem Landgericht in Kleve Wir brauchen weiterhin eine grundsolide und gerichtsfeste hat die Dimension dieses massiven Missbrauchs deut- Basis für die Preisermittlung. Hierzu haben wir in einem lich gemacht. Es ging allein in diesem einen Prozess um sehr interessanten Vortrag vom Vertreter der ADD einen 300.000 Fälle in zehn Jahren. Das bedeutet 30.000 Fälle konstruktiven Vorschlag gehört. im Jahr. Die Branche erleidet durch solche Betrüger einen großen Ruf- und auch Vermögensschaden. Es ist aber noch einmal wichtig darauf hinzuweisen, es handelt sich teilweise um Organisierte Kriminalität. Wir Von allen Verbraucherbeschwerden über Handwerkerleis- brauchen bundesweite Ermittlungen und strafrechtliche tungen entfielen in den Jahren 2017 und 2018 bundesweit Anpassungen. 29 % auf die Schlüsseldienste. Häufig sind es Schein- selbstständige, die die Ortsansässigkeit durch die Rufnum- Frau Dr. Gerhards hat mehrmals auf die Tatsache hinge- mer vortäuschen, obwohl es in Wirklichkeit gar kein lokales wiesen, dass es sich bei den betrügerischen Schlüsselnot- Unternehmen ist, um im Anschluss überhöhte Anfahrtskos- dienstanbietern fast nie um Einzeltäter handelt, sondern ten zu berechnen. Es wird dafür auch mit gefälschten An- das eine organisierte Struktur ist. Es gibt eindeutige Indizi- gaben im Impressum gearbeitet. Sogar Gütesiegel werden en dafür, dass es weiterhin eine Vernetzung von Schein- erfunden. Dies konnte uns Frau Dr. Gerhards berichten. firmen in diesem Bereich gibt. Deswegen sagt die Ver- Sie hat das erneut festgestellt, als sie ein paar Tage vor braucherzentrale, aufsichtsbehördliche Mittel alleine sind unserer Anhörung „Schlüsselnotdienst Mainz“ im Internet nicht geeignet, unseriöse Schlüsselnotdienste wirksam zu suchte. bekämpfen. Es muss zentral, bundesweit gegen diese kri- minellen Bandenstrukturen ermittelt werden. Im Strafrecht Die bisherigen Lösungsansätze reichen also nicht aus. müssen der Wuchertatbestand sowie der Straftatbestand Frau Dr. Gerhards machte in der Anhörung deutlich, dass des Betrugs dementsprechend angepasst werden. Ich bit- die langjährige Präventionsarbeit mit den gegebenen Infor- te daher um Unterstützung für unseren Antrag. mationen nicht ausreiche, um diesen Missstand zu beseiti- gen. Vielen Dank. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Es ist zum Beispiel begrüßenswert, dass immerhin Goo- der SPD und der FDP) gle – man glaubt es kaum – seit dem letzten Mai den deutschen Schlüsseldiensten das Aufgeben von AdWords- Anzeigen mit der Begründung untersagt hat, es gäbe kei- Präsident Hendrik Hering: nen ausreichenden Schutz für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie würden diese Anzeigen erst dann wieder Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Spiegel. erlauben, wenn es rechtliche Möglichkeiten gebe, seriöse von unseriöse Anbietern zu unterscheiden. Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz: Auch Zahlungsverweigerung ist keine gute Lösung, wie Frau Dr. Gerhards sagte. Sie sagte: Ich weiß nicht, ob das Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen der klügste Rat ist und ob ich meiner Oma eine Zahlungs- und Herren! Wenn man plötzlich ohne Schlüssel vor der

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Tür steht, dann würden viele so ziemlich alles unterschrei- nachgewiesen werden. Das wäre ein weiterer zusätzlicher, ben. Ich kenne das aus eigener Erfahrung. Wenn man vor nicht unerheblicher bürokratischer Aufwand, den an dieser der Wohnungstür steht und man hört seine Haustiere an Stelle auch die Verbraucherzentrale explizit so nicht haben einem heißen Sommertag auf der anderen Seite, dann möchte. ist man bereit, tief in die Tasche zu greifen, damit die Tür schnell geöffnet wird. Natürlich kann man als Verbraucherin oder Verbraucher Anzeige erstatten oder zivilrechtlich klagen, aber nicht je- Lassen Sie mich aber eines vorwegschicken: Die meisten der überhöhte Preis ist gleich strafbar. Häufig stellen sich Schlüsselnotdienste sind seriös, sie helfen und sie stel- auch praktische Probleme, zum Beispiel die Frage, wem len eine angemessene Rechnung, aber die Beschwerden gegenüber man gezahlt hat; denn oft wissen Betroffene über schwarze Schafe sind schon lange ein Dauerbren- nicht, ob und wie viel sie zu viel gezahlt haben. Genau hier ner bei den Verbraucherzentralen. Laut eines Marktchecks informiert und berät die von meinem Ministerium geförder- im Jahr 2017 kostet in Rheinland-Pfalz die Öffnung einer te Verbraucherzentrale und verweist darauf, dass Schlüs- Tür an Werktagen im Durchschnitt 83,61 Euro und nachts seldienste Preisverzeichnisse erstellen und auf Wunsch sowie an Sonn- und Feiertagen 136,92 Euro. Unseriöse auch vorzeigen müssen. In der Regel sind Betroffene je- Unternehmen verlangen jedoch für eine einfache Türöff- doch nicht in der Lage, auf die Schnelle einen Preisver- nung zum Teil Beträge von 600 Euro und mehr. gleich vorzunehmen.

Zur Prävention verteilt unsere rheinland-pfälzische Ver- Es gibt auch keine Behörde, an die man sich in diesem braucherzentrale Aufkleber, die sich Verbraucherinnen und Fall wenden könnte; denn die Gewerbeämter – das hatten Verbraucher unter ihre Haustürfußmatte kleben können, Sie ins Spiel gebracht, Herr Lammert – prüfen als Landes- auf denen sie die Nummer eines seriösen Notdienstes vor behörde die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden. Der Ort notiert haben. Dieser Aufkleber ist so stark nachge- Sachverhalt, über den wir sprechen, hat aber im engeren fragt, dass er derzeit nachgedruckt wird. Sinne nichts mit der Zuverlässigkeit als Gewerbetreibender zu tun. Sie kontrollieren auch nicht, ob der Preis angemes- Die Verbraucherzentrale kooperiert auch eng mit dem Lan- sen ist. deskriminalamt, damit die Ermittlungsbehörden bei straf- rechtlich relevanten Vergehen sofort aktiv werden können. Meine Damen und Herren, deshalb unterstütze ich den Antrag der Koalitionsfraktionen, dass die Schlüsseldienste Zudem prüft die Bundesnetzagentur ständig Anbieter und ihre Preisverzeichnisse regelmäßig bei der zuständigen schaltet auch Rufnummern ganz gezielt ab. Doch weiterhin Aufsichtsbehörde hinterlegen sowie im Internet veröffentli- werden fast täglich neue Fälle von Abzocke gemeldet. Das chen müssen. In einem solchen Preisverzeichnis müssen darf so nicht weitergehen. alle typischerweise in Rechnung gestellten Leistungen und Auslagen dargelegt werden, auch die Anfahrtskosten. So (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, können Verbraucherinnen und Verbraucher die Preise ein- SPD und FDP) fach erkennen. Durch ein veröffentlichtes Preisverzeichnis kann man im Streitfall auch Abweichungen nachweisen, Wir sind uns im Ziel einig, aber beim Weg dorthin habe wenn man doch abgezockt wurde. ich schon Unterschiede gehört. Herr Lammert, ich muss schon sagen, es ist nun einmal ein Bundesgesetz. Das hat Ich bin mir sicher, die Pflicht zur Vorlage der Preisverzeich- überhaupt nichts damit zu tun, dass wir Verantwortung auf nisse würde zudem den Markt bereinigen und dadurch die den Bund abschieben wollen, sondern wenn man hier wirk- seriösen Schlüsseldienstanbieter auf dem Markt stärken. lich effektiv vorgehen will und es sich um ein Bundesgesetz Wir werden hierzu eine entsprechende Initiative in den handelt, dann ist nun einmal der richtige Weg, dieses Bun- Bundesrat einbringen; denn wir brauchen hierfür endlich desgesetz über den Bundesrat ändern zu wollen. auch eine bundesgesetzliche Rechtsgrundlage. Es muss gelten, nur wer sein Preisverzeichnis für Prüfung und Pu- Darüber hinaus hat sich die Verbraucherzentrale – ich war blikation im Netz öffnet, der darf weiter Türen öffnen. selbst bei der Anhörung im Ausschuss dabei –, zumindest als ich in der Ausschusssitzung bei der Anhörung war, ex- Herzlichen Dank. plizit nicht für ein Gütesiegel ausgesprochen. Warum? Weil sowohl die Verbraucherzentrale als auch ich der Meinung (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, sind, dass ein Siegel nicht weiterhelfen wird; denn unseri- der SPD und der FDP) öse Schlüsseldienste werden nicht davor zurückschrecken, mit einem gefälschten Siegel zu werben. Auch das wurde uns eindrücklich geschildert. Ich erinnere daran, dass es Präsident Hendrik Hering: Unternehmen gibt, die so viel kriminelle Energie besitzen, Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Abgeordneter dass sie mithilfe betrügerischer Technik vorgaukeln, man Frisch gemeldet. rufe im gleichen Ort an, um dann aber horrende Anfahrts- kosten abzurechnen. Abg. Michael Frisch, AfD: Zudem würden die Zertifizierungskosten für ein solches Siegel die seriösen Schlüsselunternehmen finanziell er- Frau Ministerin, ich teile Ihre Skepsis gegenüber einem heblich belasten. Ein Siegel – das war der Hauptpunkt, der Qualitäts- oder Prüfsiegel in der Form nicht. Unser Ziel von der Verbraucherzentrale vorgebracht wurde – müsste muss es doch sein, nicht nachher zu reagieren. Die Maß- von allen dauerhaft mit den entsprechenden Kontrollen nahmen, die Sie aufgezählt haben, greifen vielfach erst,

6667 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 nachdem ein solcher Vorfall passiert ist, und dann haben diejenigen, die dann mit krimineller Energie versuchen, sie in der Tat das Problem, dass die Aufgabe, sich dage- genau solche Siegel zu fälschen und zu hintergehen. gen zur Wehr zu setzen und gegebenenfalls zu klagen, beim Verbraucher liegt. (Abg. Michael Frisch, AfD: Es gibt doch Hunderte von Prüfsiegeln!) Was nützt da ein Preisverzeichnis? Er stellt dann fest, – Nein, Sie haben mir nicht richtig zugehört. Mit einem dass überhöhte Preise abgerechnet worden sind. Dann solchen Preisverzeichnis würde man doch ansetzen, bevor muss er gegebenenfalls bei den Strafverfolgungsbehörden die Verbraucherinnen und Verbraucher den Schlüsselnot- vorstellig werden und vor Gericht versuchen, das Geld zu- dienst kontaktieren, weil das im Internet einsehbar wäre. rückzubekommen. Bei kriminellen Strukturen ist das, wie wir gehört haben, vollkommen zwecklos. Das würde die seriösen Schlüsseldienstanbieter stärken und die schwarzen Schafe, die völlig überzogene Preise Genauso können sie solche Preisverzeichnisse auch fäl- anbieten, auch dahin gehend schwächen, als dass sich schen. Sie können im Ernstfall dann sagen, es sind zu- die Verbraucherinnen und Verbraucher auf diese Preisver- sätzliche Arbeiten erforderlich gewesen. Das alles hat Frau zeichnisse und den marktüblichen Wert berufen können. Dr. Gerhards sehr eindrücklich geschildert. Sie kommen Wenn der massiv überschritten ist, kann man auch recht- damit letzten Endes dem Problem nicht wirklich bei. lich viel besser dagegen vorgehen.

Wir schlagen mit unserem Prüfsiegel vor, dass man das Insofern war das auch das, was in Richtung der Verbrau- im Vorhinein regelt und dafür sorgt, dass im Einzelfall gar cherzentrale empfohlen worden ist. Es war das, was die nicht erst ein unseriöser Anbieter zu den Verbrauchern Koalitionsfraktionen wollen, und es ist das, was ich auch kommt. Natürlich kostet so etwas Geld. Aber all das, was inhaltlich unterstützen würde. Sie vorgeschlagen haben und im Nachhinein machen wol- len, kostet ebenfalls Geld. Von daher ist die Argumentation Vielen Dank. für mich in der Form nicht überzeugend. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Ebenfalls nicht überzeugend ist der Hinweis, man würde der SPD und der FDP) mit gefälschten Prüfsiegeln arbeiten. Ja, wir haben es hier in der Tat mit hoher krimineller Energie in allen Bereichen Präsident Hendrik Hering: zu tun. Es ist heute informationstechnisch aber überhaupt kein Problem, gefälschte Prüfsiegel im Netz zu identifizie- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir kommen damit zur ren und dann auch gegen die entsprechenden Kriminellen Abstimmung. Wir stimmen zunächst über den Antrag der vorzugehen. Koalitionsfraktionen „Verbraucherinnen und Verbraucher schützen“ – Drucksache 17/9798 – ab. Wer für diesen Wenn wir eine Institution hätten – egal, ob das die Verbrau- Antrag ist, den darf ich um das Handzeichen bitten! – Ge- cherschutzzentrale oder sonst jemand ist –, die bei den genstimmen? – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag Bürgern bekannt ist, dann würde ein Prüfsiegel mit einem mit den Stimmen der SPD, der FDP und des BÜNDNIS hohen Wiedererkennungswert dafür sorgen, dass sich die 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der CDU und der Menschen in der Notsituation tatsächlich direkt an diese AfD angenommen. seriösen Unternehmen wenden. Wir kommen dann zur Abstimmung über den Alternati- Danke schön. vantrag der CDU „Unseriösen Schlüsselnotdiensten in Rheinland-Pfalz das Handwerk legen“ – Drucksache (Beifall der AfD) 17/11135 –. Wer für diesen Antrag ist, den darf ich um das Handzeichen bitten!

Präsident Hendrik Hering: (Zuruf von der CDU: Unser Antrag?) Zur Erwiderung spricht Staatsministerin Spiegel. – Ja, das ist der Antrag der CDU. Gegenstimmen? – Ent- haltungen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Integration und Verbraucherschutz: gegen die Stimmen der CDU bei Stimmenthaltung der AfD abgelehnt. Herr Abgeordneter Frisch, Sie haben mir entweder nicht richtig zugehört, oder Sie haben Ihren eigenen Wider- Wir kommen dann zur Abstimmung über den Alternativan- spruch eben nicht bemerkt, oder vielleicht auch beides. trag der AfD „Verbraucher effektiv vor Betrug schützen Frau Gerhards von der Verbraucherzentrale hat im Rah- und seriöse Schlüsselnotdienstanbieter stärken – Quali- men der Anhörung eindrücklich geschildert, dass sie das tätssiegel einführen und Aufklärung zielgenau verbessern“ gerade am Tag zuvor noch einmal im Internet auf eigene – Drucksache 17/11137 –. Wer für diesen Antrag ist, den Faust nachrecherchiert hatte und auf Anhieb gefälschte darf ich um das Handzeichen bitten! – Gegenstimmen? – Prüfsiegel auffinden konnte. Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE Insofern kann man, wenn Sie auch selbst sagen, es gibt GRÜNEN gegen die Stimmen der AfD abgelehnt. gefälschte Prüfsiegel im Netz, doch nicht allen Ernstes ein Prüfsiegel fordern. Damit unterstützt man doch im Grunde Wir kommen damit zu Punkt 16 der Tagesordnung:

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Einsatz von Lehrkräften in Rheinland-Pfalz (Abg. Bettina Brück, SPD: Unsinn!) Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der vielleicht an die Personallage am Markt oder einfach nur Fraktion der CDU die Finanzlage. – Drucksachen 17/10175/10519/11106 – (Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Nein, nein, nein!) Für die antragstellende Fraktion spricht die Kollegin Beil- stein. Das kann man machen, aber das hat ganz sicherlich nichts mit einem verantwortungsvollen Plan

Abg. Anke Beilstein, CDU: (Unruhe im Hause – Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn Glocke des Präsidenten) man das Problem des Unterrichtsausfalls beheben möch- im Sinne der Schülerinnen und Schüler zu tun. te, dann geht dies nur, indem man eine belastbare Per- sonalplanung betreibt. Die CDU hat daher in der Großen (Beifall der CDU) Anfrage, die wir heute besprechen, Zahlen zur Situation der Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz abgefragt. Das betraf Erstmals im laufenden Schuljahr wurde dann auch ein die jetzige Ist-Situation ebenso wie die Beleuchtung der Punkt erreicht, an dem es kritisch wurde. Sowohl an den Anzahl von Studenten, Absolventen, Vertretungslehrern, Grundschulen als auch an den Förderschulen blieben zu Quer- und Seiteneinsteigern. Schuljahresbeginn Planstellen unbesetzt. Die Antwort, die wir erhalten haben, ist in vielen Bereichen Für uns als CDU wäre es wichtig gewesen, einmal von der erschreckend dünn und entlarvt, dass Personalplanung Landesregierung zu erfahren, wie viele Planstellen aktuell ganz offensichtlich nicht so das Ding der Landesregierung erforderlich sind, um den strukturellen und den temporären ist. Unterrichtsausfall vollständig auszugleichen. (Beifall bei der CDU – Abg. Bettina Brück, SPD: Deswegen sind Wir erinnern uns: Der Regionalelternbeirat Koblenz hatte in auch alle Planstellen besetzt!) einer sehr umfangreichen Studie die Höhe des Unterrichts- ausfalls beziffert und dies anhand der durchschnittlichen Erste Feststellung: Die Zahlen der Neueinstellungen in ein Deputate auf Stellen umgerechnet. Dauerbeschäftigungsverhältnis sinken kontinuierlich. Wa- ren es im Jahr 2014/2015 noch 1.597 Neueinstellungen, Die Landesregierung ist dazu offensichtlich nicht in der Lage. (Abg. Jochen Hartloff, SPD: Sind Sie schon einmal über die rheinland-pfälzische (Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, Grenze hinaus verreist?) SPD) so sank ihre Zahl im Schuljahr 2018/2019 auf 1.217. So führt sie in ihrer Antwort zu dieser Frage aus: „Die Errechnung einer zusätzlichen Zahl an Stellen zur Regu- Auch die Planstellen werden seit Jahren reduziert. Hatten lierung ist nicht möglich.“ Da fragen wir uns ernsthaft: wir im Schuljahr 2014/2015 noch 35.953 Vollzeitlehrerein- heiten, so stehen dort im Haushaltsjahr 2020 noch 34.653. (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) Das ist ein Abbau von 1.300 Stellen bei den Lehrern. Nicht möglich oder einfach nicht gewollt? Vor diesem Hintergrund erhält die regelmäßige Jubelaus- (Beifall bei der CDU – sage der Landesregierung, dass alle Planstellen besetzt Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD) seien, plötzlich eine ganz andere Bedeutung. Denn die erforderlichen Komponenten für eine solche Be- (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) rechnung sind doch den eigenen Statistiken zu entneh- men. Das hört sich zunächst ganz toll an, aber beim Blick hinter die Kulissen kommt man dann leider zum Ergebnis, dass Sie kennen die Zahl der aktiven Lehrer. Sie kennen die die Vollbesetzung ganz offensichtlich nur dadurch erreicht Zahl der Schüler, die Zahl der ausgefallenen Unterrichts- wurde, dass die Anzahl der Planstellen zurückgefahren stunden sowie die Zahl der sogenannten regulären Un- wurde. terrichtsstunden, die in unseren Augen keinen adäquaten (Beifall bei der CDU) Unterricht darstellen. (Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: Alle Meine sehr geehrten Damen und Herren, in Anbetracht Stunden!) der Tatsache, dass die Herausforderungen steigen – das Thema hatten wir schon öfter –, muss man sagen, die Auf dieser Grundlage wäre eine Berechnung ganz sicher- Festlegung der Planstellen erfolgt offensichtlich nicht nach lich möglich. den Bedürfnissen der Schule, sondern in Anpassung an irgendwelche anderen Konzepte, Punkte und Kriterien, (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

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Der Regionalelternbeirat jedenfalls konnte es. Die Anfrage belegt, dass ein junger Lehrer vor einer festen Planstelle an einer festen Schule regelmäßig erst einmal (Beifall bei der CDU und des Abg. Michael den Vertretungspool durchläuft. Frisch, AfD) (Abg. Bettina Brück, SPD: Falsch!) Wenn man dann allerdings die folgenden Sätze liest, fällt einem – ganz ehrlich – nichts mehr dazu ein: „Die Anzahl Rund 50 % derjenigen, der erkrankten Lehrkräfte wird nicht erfasst. Zu der Frage, wie viele Unterrichtsstunden von der Krankheit von Lehr- (Unruhe im Hause – kräften betroffen waren, liegen ebenfalls keine Daten vor.“ Glocke des Präsidenten)

(Zuruf der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, die es schon einmal bis in den Vertretungspool geschafft SPD) haben,

Wir wollten auch wissen: Welchen Blick wirft die Landesre- (Abg. Alexander Fuhr, SPD: gierung denn in die Zukunft? Denn die Zahl der ausschei- Märchenstunde hier!) denden Lehrer ist bekannt. Die müssen ersetzt werden. Auch die Zahl der Kinder, die heute geboren sind und in hatten zuvor schon mehrere befristete Verträge. sechs Jahren in die Schule gehen, ist bekannt. Deswegen haben wir nach Daten zu Studienplatzkapazitäten gefragt. (Beifall der CDU – Antwort: Sie „liegen nicht vor“. Abg. Hedi Thelen, CDU: Das sind die Zahlen der Landesregierung!) Wie hoch ist die Abbruchquote im Lehramtsstudium? Ant- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wort: „Die Zahl (...) wird (..) nicht erfasst.“ (Zuruf der Abg. Bettina Brück, SPD) Wie viele Lehramtsabsolventen wechseln nach ihrem Vor- bereitungsdienst das ist keine Zukunftsplanung, das ist eine Zumutung. (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) Wenn man sagt, ein Gut ist knapp, dann muss man alles daransetzen, dieses Gut zu erhalten. Ich glaube, nicht nur in Rheinland-Pfalz das Bundesland? Antwort: Die Daten die Überlastungsbriefe, sondern auch die Diskussionen, hierzu „werden nicht erhoben.“ die wir hier haben, zeigen, dass wir mehr Lehrer brauchen, (Abg. Bettina Brück, SPD: Ja, warum um all den Herausforderungen gerecht zu werden. auch? – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Warum So bleibt als Fazit festzuhalten: Die Landesregierung lebt auch?) im Hier und Jetzt. Ein Plan, wie die Lehrerversorgung für die Zukunft sichergestellt werden soll, liegt leider nicht vor. – Ja, warum auch? Ich glaube, diese Fragestellung ist ein- deutig, und die kann man gar nicht anders interpretieren. (Anhaltend Beifall der CDU – Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Auch das (Zurufe der Abg. Bettina Brück, SPD, und stimmt nicht!) Hedi Thelen, CDU)

Jeder, der einen Betrieb führt – als solchen sehe ich das Präsident Hendrik Hering: jetzt einmal –, muss sich Gedanken über die Zukunft ma- Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Brück. chen, und den interessieren solche Zahlen.

(Beifall der CDU – Zurufe der Abg. Giorgina Kazungu-Haß, Abg. Bettina Brück, SPD: SPD, und Hedi Thelen, CDU) Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Große Anfrage zeigt ganz klar und deutlich, die Landes- Jetzt sollte man doch meinen, dass wenigstens ein Inter- regierung setzt ihre Prioritäten auf eine dauerhafte, gute, esse dahin gehend bestünde, strukturelle Unterrichtsversorgung. (Abg. Alexander Fuhr, SPD: Wird denn auch die Schuhgröße erfasst?) Frau Beilstein, weil wir so gut und planvoll vorgehen, ha- ben wir, im Gegensatz zu anderen Bundesländern, alle sorgsam mit neuen Kräften umzugehen und diese so Planstellen im Land besetzt. Ich weiß nicht, ob Sie schon schnell wie möglich zu binden. Auch da stellen wir aber einmal etwas davon gehört haben, dass Studentinnen und fest: Fehlanzeige. Bis ein junger Lehrer eine feste Planstel- Studenten den Ort ihres Studiums und auch den Arbeits- le an einem festen Ort an einer festen Schule bekommt, platz frei wählen können um so auch privat planen zu können, vergehen Jahre. (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Genau!) (Abg. Bettina Brück, SPD: Stimmt ja gar nicht! – und Studierende Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Das stimmt überhaupt nicht!) (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU)

6670 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 keine Beschäftigten des Landes Rheinland-Pfalz sind. tems.

Sie müssen sich vielleicht einmal ein bisschen über den (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Tellerrand des Landes Rheinland-Pfalz hinaus umschauen, Genau!) und dann wissen Sie, wie es in anderen Ländern ist. Dann Wir haben den Vertretungspool seit 2011. Immer noch fragt wissen Sie, dass zum Beispiel in Baden-Württemberg die CDU, wie viele Personen davon auf Planstellen sind 800 Lehrer oder in Nordrhein-Westfalen 4.000 Lehrer feh- oder für wie viel Arbeitszeit sie zur Vertretung bereitstehen. len. Da stellt sich mir doch die Frage: Wir reden seit Jahren (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: über den Vertretungspool. Seit Jahren wird gesagt, dass Genau!) es feste Planstellen sind. Seit Jahren wird gesagt, dass die Leute drei Jahre für Vertretung zur Verfügung stehen und Ich sage das noch einmal – ich habe das jetzt schon zum dann irgendwo anders im Schuldienst eingesetzt werden. dritten Mal in diesem Plenum gesagt –, weil Sie diese Zah- Sie wissen also überhaupt gar nicht, um was es bei uns in len anscheinend einfach negieren. In Bayern und Baden- der Bildungspolitik geht. Württemberg müssen Lehrkräfte an Grundschulen künftig eine Stunde mehr arbeiten, um den Lehrermangel ab- (Beifall der SPD, der FDP und des zumildern. In Nordrhein-Westfalen helfen scharenweise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ruheständler aus. Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Genau so!) Wie sieht es bei uns aus? Alle Planstellen besetzt, zusätz- liche Lehrerstellen geschaffen, 660 in dieser Periode. Die Große Anfrage zeigt außerdem, dass wir weitere In- strumente haben, um auch den temporären Ausfall zu (Beifall der Abg. Alexander Fuhr, SPD, und minimieren. Sie ziehen immer das Papier des Regional- Cornelia Willius-Senzer, FDP) ElternBeirats (REB) heran. Das ist keine Studie, das ist eine Zusammenstellung von irgendwelchen Zahlen, die Wenn Sie sagen, man kann nicht absehen, wie viele Plan- vollkommen negiert, was tatsächlich in unserem System stellen man braucht, sage ich: Sie kennen die Verordnun- läuft. gen, wie sich Klassenbildungen zusammensetzen und wie viele Lehrer man dann braucht, doch genau. Das wissen (Abg. Joachim Paul, AfD: Eine Sie doch ganz genau. Sie tun so, als wenn das irgendwie Zusammenstellung von irgendwelchen ein frei schwebendes Verfahren wäre. Das, was Sie sagen, Zahlen!) ist schlicht und einfach falsch. Wir haben im laufenden Doppelhaushalt 80 Stellen mehr (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS für die Feuerwehrlehrkräfte geschaffen und diese auf 90/DIE GRÜNEN) 228 aufgestockt.

Ich sage Ihnen noch einmal: Wir haben eine sehr gute (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Böse Fakten!) Unterrichtsversorgung. Der Wert liegt in diesem Schuljahr bei den allgemeinbildenden Schulen bei 99,2 %. Das ist Im Vertretungspool stehen mittlerweile 1.500 Beamtenstel- nahezu an den 100 %, und die 100 % decken bei uns mehr len zur Verfügung, davon allein 720 für die Grundschulen, als nur den Pflichtunterricht in der strukturellen Versorgung 295 für die Realschulen plus, 315 für das Gymnasium, ab. 135 für die IGS und 35 für die Förderschulen. Das sind feste Beamtenstellen, die zur Vertretung zur Verfügung Bei den berufsbildenden Schulen wird seit mehreren Jah- stehen. ren der beste Wert seit Beginn der Statistikerhebung erreicht. Sie reden immer so gern von den glorreichen Wenn Sie sagen, alle unsere jungen Lehrerinnen und Leh- vergangenen Zeiten. Ich sage Ihnen einmal, wie es im rer kommen zuerst einmal in einen Vertretungsvertrag, be- Jahr 1980 unter Bernhard Vogel war. vor sie auf eine Planstelle kommen, dann ist das schlicht und einfach falsch. (Abg. Martin Brandl, CDU: Wie war es denn (Beifall der SPD, der FDP und des 1950, 1960?) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Da hatten wir bei den berufsbildenden Schulen fast 20 % Insofern zeigt die Anfrage ganz klar, dass wir deutlich al- Unterrichtsausfall; fast 20 %. le Maßnahmen ergriffen haben, um planvoll auch in der (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Wie war es Zukunft die Unterrichtsversorgung sicherzustellen. denn vor dem Krieg?) Interessant ist an der Großen Anfrage, dass sie deutlich Wir sind jetzt bei zwei Komma irgendetwas. So ist die macht, dass auch 105 % Unterrichtsversorgung kein All- Wahrheit in diesem Land. Dass bei uns Quer- und Sei- heilmittel wären; denn regionale oder temporäre Häufun- teneinsteiger so gut wie keine Rolle spielen, zeigt diese gen von Erkrankungen können damit nicht berücksichtigt Große Anfrage ganz, ganz deutlich. werden. Gerade bei kleinen Schulen machen 5 % mehr Versorgung nur wenige Stunden aus, womit der Ausfall Frau Beilstein, das haben wir gern, dass Sie den Vertre- einer Vollzeitkraft nicht kompensiert werden kann. Ganz tungspool ansprechen. Ihre Fragen zum Vertretungspool abgesehen davon, dass auch die entsprechende Fächer- zeigen übrigens eine ziemlich große Unkenntnis des Sys- kombination sozusagen vorrätig sein müsste, was unrea-

6671 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 listisch ist. So wenig Aussagekraft wie einem Großteil des Zahlen- werks zukommt, so substanzlos sind auch viele Antworten Mit den vorhandenen PES-Mitteln oder Feuerwehrlehrkräf- der Landesregierung. Einige Fragen umschifft man in ge- ten stellen sich die Schulen deshalb viel, viel besser auf, wohnt eleganter Weise; an anderen Stellen ergeht man und das System zur Reduzierung des temporären Ausfalls sich in Ausflüchten. So wird in Antwort Nummer 21 bei- ist damit viel flexibler. spielsweise die statistische Skalierung der krankheitsbe- dingten Fehltage erläutert. Die viel relevanteren Fallzahlen (Glocke des Präsidenten) selbst liefert uns das Ministerium aber nicht. Vielleicht, weil die Fragestellerin nicht explizit danach gefragt hat. Die Große Anfrage zeigt also, dass stetig alle Anstrengun- gen unternommen worden sind, um eine gute Unterrichts- Glücklicherweise habe ich mit einer Kleinen Anfrage be- versorgung zu erreichen. Ich glaube, andere Bundesländer reits vor einem Jahr für die Kollegen von der CDU vorgear- wären froh, sie hätten unsere gute Situation. beitet

(Beifall der SPD, der FDP und des (Abg. Christian Baldauf, CDU: Och!) BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Das und die Krankenstände der letzten Jahre nach Schulform stimmt!) abgefragt. Das Ergebnis ist in der Tat aufschlussreich, um nicht zu sagen erschütternd.

Präsident Hendrik Hering: An Realschulen plus stiegen die Ausfallzeiten pro Lehrkraft Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Paul. seit 2008 um satte 25 %. An den Berufsschulen waren es sogar 36 %. Diese Entwicklung ist alarmierend, aber kaum verwunderlich, angesichts der chaotischen Verhältnisse an Abg. Joachim Paul, AfD: unseren Schulen, die die SPD-geführte Landesregierung zu verantworten hat. Sehr verehrtes Präsidium, liebe Kollegen! Würde man den Ausführungen der Landesregierung in der Antwort auf die Ob Integration von Flüchtlings- oder Inklusion von Förder- vorliegende Große Anfrage der CDU-Fraktion folgen, könn- kindern, fachfremder Unterricht oder Vertretungsstunden, te man den Eindruck gewinnen, dass sowohl die Personal- Leistungsheterogenität oder Unterrichtseröffnung: Die Be- situation wie auch die Unterrichtsversorgung an rheinland- lastung für Lehrer wächst mit jedem Schuljahr, insbeson- pfälzischen Schulen vorbildlich seien. dere an den Laborschulen rot-grüner Bildungspolitik. Da sind Stress, ja Erkrankungen, fast vorprogrammiert und Seit Bekanntwerden der Zustände in Betzdorf sollte aller- nur allzu nachvollziehbar. dings jedem klar geworden sein, dass das vom Bildungs- ministerium gezeichnete Bild auch im Falle dieser Anfrage Selbst Herr Professor Krawitz, bis 2009 Leiter des Zen- eben nicht der Wirklichkeit entspricht. Dabei sind die aufge- trums für Lehrerbildung an der Universität Koblenz, konsta- führten Statistiken sicherlich richtig und wahrheitsgemäß. tierte als Fachmann der Inklusionspädagogik am 22. Janu- Entscheidend für eine Bewertung sind aber nicht die nack- ar 2020 in der Rhein-Zeitung resigniert: „die zunehmende ten Zahlen, Heterogenität stellt [unser System] vor schier unlösbare Probleme. (...) Unser System ist hier völlig überfordert.“ (Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Sondern Ihre Interpretation!) Vor diesem Hintergrund sollte man doch meinen, dass der Lehrerausbildung und zukünftigen Bedarfsplanungen sondern die Frage, welche Aussage und welcher Erkennt- in Rheinland-Pfalz besondere Aufmerksamkeit geschenkt niswert würden. Schließlich gab Bildungsministerin Hubig als Präsi- (Abg. Kathrin Anklam-Trapp, SPD: Ihre dentin der KMK in der Montagsausgabe der Süddeutschen Interpretation!) Zeitung zu Protokoll – ich zitiere –: „Natürlich haben alle Länder die Aufgabe, bedarfsgerecht auszubilden“. Das ist sich daraus ergibt. schön.

Ein Beispiel: Die Landesregierung beziffert den Grad der (Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig: Ja!) Unterrichtsversorgung an den allgemeinbildenden Schulen auf 99,1 %. Das käme also annähernd der Vollversorgung In Rheinland-Pfalz geschehe dies bereits seit vielen Jah- gleich. Wir wissen aber längst, dass in den amtlichen Sta- ren, weshalb es auch hier natürlich wieder keine Probleme tistiken nur diejenigen Unterrichtsausfälle erfasst werden, gibt. Es gibt ja keine. bei denen die Schüler nach Hause geschickt werden. Un- berücksichtigt bleibt hingegen der Ersatz regulärer Fach- Mit Blick auf die Beantwortung der Großen Anfrage stelle stunden durch sogenanntes – ich zitiere – selbstbestimm- ich mir allerdings schon die Frage, auf welcher Datengrund- tes Lernen – schön ausgedrückt – lage Ihr Ministerium eine valide Bedarfsermittlung über- haupt vornehmen möchte. In Antwort Nummer 23 heißt (Heiterkeit bei der AfD) es dazu: „Die Zahl der in den kommenden zehn Jahren erforderlichen Planstellen richtet sich nach dem Bedarf, oder Umorganisation –, denen bis zu 14 % des gesamten der insbesondere durch die Entwicklung der Schülerzahlen Unterrichts zum Opfer fallen. bestimmt wird. Die Festlegungen werden für jedes Jahr im

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Landeshaushalt getroffen.“ und Herren! Die Tatsachen sprechen dafür und belegen, dass Rheinland-Pfalz ein Bildungsland ist. Man hätte wohl genauso gut antworten können: „Da es keine langfristige Personalplanung gibt“, ohne dabei die (Heiterkeit der Abg. Dr. Adolf Weiland und Unwahrheit zu sagen. Christian Baldauf, CDU)

Müsste eine bedarfsgerechte Ausbildungsstruktur, wie sie Hohe Bildungsqualität und gute Aufstiegschancen waren die Ministerin vor anderen Ländern gerne einfordert, nicht stets und sind weiterhin lange vor dem Referendariat, also idealerweise schon beim (Zuruf des Abg. Joachim Paul, AfD – Studium ansetzen, um überhaupt eine steuernde Wirkung Glocke des Präsidenten) zu entfalten? Die Landesregierung belehrt uns auch hier eines Besseren; denn Daten zu Studienplatzkapazitäten unsere höchste Priorität. oder Abbrecherquoten würden statistisch gar nicht erho- ben. (Beifall der FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Setzt man allerdings die Zahl der Studienanfänger im Lehr- Abg. Uwe Junge, AfD: Erfolglos! – amt mit den Absolventen ins Verhältnis, so stellt man fest, Abg. Michael Frisch, AfD: Aber ohne dass mindestens 50 % während ihres Studiums sozusa- Erfolg!) gen auf der Strecke bleiben. Ein weiteres Drittel geht dann auf dem Weg ins Referendariat verloren. Wir arbeiten tatkräftig daran, unseren Kindern die besten Entwicklungschancen zu geben. Diesem Anspruch kom- (Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig: Das men wir entgegen. ist ja sehr schön, dass Sie die statistischen Zahlen vorliegen haben!) (Abg. Michael Frisch, AfD: Du arbeitest daran, jeden Tag!) So sieht offensichtlich bedarfsgerechte Ausbildung in Rheinland-Pfalz aus. Schlussendlich bleibt Zweierlei fest- Mit diesem Konzept schreiben wir die Erfolgsgeschichte zuhalten: Die dogmatische Umsetzung rot-grüner Bildungs- unseres Bundeslandes. experimente ist auf Dauer weder finanzierbar noch per- sonell realisierbar. Sie macht Lehrer krank, schadet dem (Beifall der FDP, der SPD und des Bildungserfolg unserer Kinder und stürzt ganze Schulen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) ins Chaos. Das Thema „Einsatz von Lehrkräften“ nimmt für uns in (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Oh, jetzt Rheinland-Pfalz eine besondere Stellung ein. Unsere Lehr- ist aber gut!) kräfte sind diejenigen, die unsere Kinder auf die Zukunft und die Arbeitswelt vorbereiten. Lehrerinnen und Lehrer Wir haben dazu klare Alternativen formuliert. Erstens: Inklu- übernehmen zudem die nicht leichte Aufgabe, uns bei der sion mit Augenmaß. Zweitens: Deutsch vor Regelunterricht. Erziehung unserer Kleinen zu unterstützen. Drittens: Neuaufbau eines dreigliedrigen Schulsystems.

(Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Genau! – Aus diesem Grund sind wir ihnen für den unermüdlichen Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) Einsatz dankbar.

Meine Damen und Herren, das sind Bausteine einer zu- (Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, kunftsorientierten Bildungspolitik, FDP – Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) (Abg. Martin Haller, SPD: Ja, genau! – Abg. Uwe Junge, AfD: Deutschorientiert!) Den Einsatz von qualifizierten Lehrkräften an unseren Schulen betrachten wir als Investition in die Zukunft un- die Rheinland-Pfalz heute notwendiger braucht als jemals serer Kinder. Deswegen investieren wir so viel in Bildung. zuvor. Allein im aktuell gültigen Doppelhaushalt haben wir die finanziellen Mittel für 340 zusätzliche Stellen bereitgestellt, Vielen Dank. um die Unterrichtsversorgung noch besser zu gestalten.

(Beifall der AfD) (Beifall der FDP, der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Hendrik Hering: Von dieser Aufstockung werden alle Schularten profitieren. Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Weber das Für den Einsatz von qualifizierten Lehrkräften spricht die Wort. kontinuierliche und strukturelle Unterrichtsversorgung bei uns in Rheinland-Pfalz. Mit einem Versorgungsgrad von (Abg. Christian Baldauf, CDU: Ach, jetzt 99,1 % bildungspolitischer Sprecher der FDP?) (Zuruf des Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU) Abg. Marco Weber, FDP: wurde an den allgemeinbildenden Schulen im Schuljahr Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen 2018/2019 ein sehr guter Stand erreicht.

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(Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, zu besetzen und die beste Bildung im Land zu gewährleis- FDP) ten. Belege für eine sehr gute Unterrichtsversorgung liefern (Beifall der FDP, der SPD und des zudem die öffentlichen berufsbildenden Schulen. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Abg. Christian Baldauf, CDU: Hätte lieber Die Gewinnung von qualifizierten Lehrkräften ist für uns mal die Frau Lerch gesprochen! Schön ein zentrales Anliegen. Vor diesem Hintergrund wurde das vorgelesen!) Einstellungsverfahren angepasst. Einstellungen von Lehr- kräften auf Planstellen sind in Rheinland-Pfalz nunmehr Präsident Hendrik Hering: ganzjährig möglich. Die Schulaufsicht nutzt darüber hinaus verstärkt die Möglichkeit, Bewerberinnen und Bewerber Wir dürfen weitere Gäste im Landtag begrüßen: Schülerin- aus dem Vorbereitungsdienst durch Vorabzusagen für den nen und Schüler des Göttenbach-Gymnasiums aus Idar- rheinland-pfälzischen Schuldienst zu gewinnen. Oberstein, die zweite Gruppe des 10. Jahrgangs. Herzlich willkommen bei uns! Es ist von hoher Priorität, die Schulen mit Lehrkräften zu versorgen (Beifall im Hause)

(Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Wann endet Und wir dürfen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des denn der Werbeblock?) Südpfalz-Treffens bei uns begrüßen. Herzlich willkommen im Landtag! und den Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern an unseren Schulen zu sichern. In diesem Fall wurden viele Maßnah- (Beifall im Hause) men ergriffen, um den Unterrichtsausfall zu verhindern. Damit auch in Vertretungsfällen mehr Lehrkräfte zur Verfü- Jetzt hat der Abgeordnete Köbler für die Fraktion BÜND- gung stehen, wurde in den vergangenen Jahren ein Ver- NIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. tretungspool aufgebaut, der es ermöglicht, Lehrkräfte auf Planstellen einzustellen. Der Vertretungspool soll im lau- fenden Schuljahr um 200 auf 1.500 Stellen ausgebaut Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: werden. Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Da- (Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, men und Herren! Ein berühmter Sozialdemokrat hat einmal FDP) gesagt: Politik ist die Kunst der Wiederholung. – Aber bei der Wiederholung dieser Debatte ist der Erkenntnisgewinn Schulen, die am Personalmanagement im Rahmen erwei- bisher gleich null. terter Selbstständigkeit teilnehmen, können auf zusätzliche Mittel zurückgreifen. Zu diesen Mitteln zählen die Einstel- (Heiterkeit bei der SPD) lung von Vertretungskräften oder die Bezahlung von Mehr- Das liegt tatsächlich auch an der ziemlich dünnen Großen arbeit. Im Landeshaushalt stehen hierfür finanzielle Mittel Anfrage, Frau Beilstein, weniger an den Antworten als viel- in Höhe von 15 Millionen Euro zur Verfügung. Zudem ist mehr an den Fragen, die die CDU-Fraktion gestellt hat. für Grundschulen die Möglichkeit vorgesehen, auf Feuer- wehrlehrkräfte zurückzugreifen. Die Zahl der Feuerwehr- (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, lehrkräfte wurde im Doppelhaushalt 2019/2020 jeweils um SPD und FDP – 40 zusätzliche Stellen erhöht. Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Es liegt an (Abg. Christian Baldauf, CDU: Wahnsinn! – den Fragen! Die Blödheit der Antworten Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ja! – liegt an den Fragen!) Zuruf der Abg. Anke Beilstein, CDU) Ich möchte nur einmal beispielhaft die Frage 3 nennen: Abschließend möchte ich sagen, dass der Unterricht an „Wie viele Planstellen wären aktuell erforderlich, um den den rheinland-pfälzischen Schulen weit überwiegend von strukturellen und temporären Unterrichtsausfall im Land verbeamteten oder unbefristet beschäftigten Lehrkräften vollständig auszugleichen (...)?“ Ich hätte nichts gesagt, erteilt wird. wenn wir die Diskussion nicht schon mehrfach geführt hät- ten. Aber es scheint nicht anzukommen. Sie mengen alles (Abg. Martin Haller, SPD: Kann man ja mal in einen Topf, rühren ein bisschen darin herum und wun- in andere Länder schauen, wie es da dern sich dann, dass die Antworten sozusagen nicht so aussieht! – sind, wie Sie das erwarten, weil eben die Fragen schon Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Spektakulär!) derart unpräzise sind.

Im Fall, dass diese Lehrkräfte nicht zur Verfügung stehen, Wir müssen zunächst einmal zwischen dem strukturellen zum Beispiel wegen Mutterschutz, Elternzeit oder Erkran- und dem temporären Unterrichtsausfall unterscheiden. Ich kung, werden zur Sicherung der Unterrichtsversorgung für versuche, es jetzt ganz langsam und in möglichst einfacher die benötigte Zeit Beschäftigungsverhältnisse mit Vertre- Sprache zu erklären. tungskräften abgeschlossen oder der Vertretungsbedarf auf andere Weise reguliert. Damit haben wir für den siche- (Zuruf der Abg. Anke Beilstein, CDU) ren Einsatz von Lehrkräften an unseren Schulen gesorgt. Wir haben alle Maßnahmen ergriffen, um alle Planstellen Der Kennwert für den strukturellen Unterrichtsausfall – das

6674 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 ist schon gesagt worden –, ist so, wir sind mit der Ab- die Versorgung mit Lehrkräften in unseren Schulen noch deckung von 99,1 % über alle Schulen hinweg so gut besser zu machen. Aber das, was Sie hier bringen, ist wie noch nie, was nicht heißt, dass nicht 100 %, 105 % leider immer wieder dasselbe, und es wird auch immer oder von mir aus auch 110 % noch besser wären. Das ist dünner. doch logisch. Das ist die Differenz zwischen der für den jeweiligen Unterricht an den Schulen sozusagen mögli- Herzlichen Dank. chen Höchststundenzahl und den tatsächlich mit Personal unterlegten Ist-Stundenzahlen, eben der Pflichtunterricht, (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der überall abzudecken ist, plus Arbeitsgemeinschaften, der SPD und der FDP) aber eben plus auch zusätzlicher Deputate für Förderung, Inklusion, Sprachförderung und für vieles mehr. Das ist der Präsident Hendrik Hering: eine Wert. Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Frau Diesen Wert mit wie vielen Planstellen könnte man zum Dr. Hubig. Beispiel auch dadurch auf 100 % setzen – das ist die Ehr- lichkeit, dass dies nicht getan wird –, indem man einfach diesen Bedarf herunterreguliert, indem man sagt, okay, Ar- Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung: beitsgemeinschaften finden so nicht mehr statt. Schwupp- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! diwupp hat man 100 % Unterrichtsversorgung. Nur hat Ich kann es ja verstehen, dass es bitter für Sie ist, wenn man damit an der Realität an den Schulen überhaupt nichts Sie eine Große Anfrage stellen und dann Zahlen bekom- geändert. Das ist der begrenzte Aussagewert Ihrer Frage men, die genau das nachweisen, was wir immer sagen. und damit gezwungenermaßen auch der Antwort. Wir haben eine gute Unterrichtsversorgung. Wir kümmern uns um unsere Lehrkräfte, und wir haben zahlreiche Ein- (Abg. Dr. Adolf Weiland, CDU: Klar! Die stellungen und viele Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz. Die Blödheit der Antworten hängt an der Frage! – Zahlen werden Jahr für Jahr besser. Abg. Martin Haller, SPD: Das liest sich wie Ich freue mich ja, dass der Abgeordnete Paul anerkannt ein Krimi! Da wird man ganz zittrig!) hat, dass die Zahlen richtig sind. Da sind wir schon einmal Dann kommt der temporäre Unterrichtsausfall. Beim tem- einen Schritt weiter. Bei anderen tun wir uns da noch ein porären Unterrichtsausfall geht es darum, dass dort, wo bisschen schwerer. Aber ich kann Ihnen auch sagen, die Planstellen von grundständig ausgebildeten Lehrern be- Zahlen zeichnen das richtige Bild. Wenn ich höre, was Frau setzt sind, der Unterricht aber so nicht stattfinden kann, Beilstein hier erzählt, muss ich jetzt erst einmal einiges weil – das kennen wir – die Lehrkräfte in Elternzeit gehen, klarstellen. schwanger werden, länger krank, vielleicht auch einmal auf einer Fortbildung oder anderweitig dienstlich verpflich- Erstens, wenn Sie sagen, man würde ja sehen, dass wir tet sind. Das ist natürlich ein Ärgernis. Das ist ein Ärgernis immer weniger einstellen im Schuljahr, würde ich Sie ein- für Eltern. Das ist ein Ärgernis für das Kollegium, für die fach bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir in diesem Schulleitung, auch für manche Kinder und Jugendliche. Schuljahr rund 1.400 Lehrkräfte einstellen. Sie können Für manche vielleicht nicht. Das ist doch eigentlich jeden natürlich zwei Zahlen herausgreifen und sagen, die eine Tag der Kern des Problems. Lassen Sie uns auch über ist niedriger und die andere ist höher, aber wir stellen in den reden. diesem Schuljahr 2019/2020 rund 1.400 Lehrerinnen und Lehrer neu ein. Das sind mehr, als wir zum Beispiel im Diesen werden Sie aber auch nicht dadurch aus der Welt letzten und vorletzten Jahr eingestellt haben. bekommen, dass Sie noch mehr Planstellen schaffen, ein- mal ganz davon abgesehen, dass Sie diese Planstellen (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS auch mit ausgebildeten Lehrern besetzen müssen, was 90/DIE GRÜNEN – – das wissen wir – gerade bei den Förderlehrkräften im Abg. Anke Beilstein, CDU: Ganz genau! Moment extrem schwierig ist. Die Zahl alleine sagt gar nichts aus!) Wenn Sie sagen – hören Sie mir einfach einmal zu, Frau Nein, Sie müssten die Lehrkräfte dann in dem Fall, in dem Beilstein –, wenn Sie dann noch sagen, wir hätten jetzt die Stunde genau in dem Unterrichtsfach ausfällt, zur Ver- auch noch weniger Lehrkräfte als im Jahr 2013, kann ich fügung haben. Aber wenn Sie diese Lehrkräfte einstellen, nur sagen: Richtig, wir haben nämlich auch weniger Schü- warten sie nicht darauf, dass ein Kollege krank wird oder lerinnen und Schüler als im Jahr 2013. eine Kollegin schwanger wird. Sie haben eine Unterrichts- verpflichtung. Das heißt, sie stehen gar nicht eben mal (Abg. Anke Beilstein, CDU: Und mehr ad hoc zur Verfügung. Es muss Ihnen doch irgendwann Probleme!) einmal einleuchten, dass es so nicht funktioniert. Wenn Sie einfach einmal schauen wollen, was dies denn Deswegen gibt es Instrumente, die wir geschaffen haben, bedeutet, sollten Sie vielleicht einen Schritt weitergehen. wie einen Vertretungspool auf echten Planstellen, ein Auf- wuchs auf 1.500 Stellen, Feuerwehrlehrkräfte. Ich glaube, Schüler-Lehrer-Relation – das sagt Ihnen vielleicht et- in die Richtung muss man entsprechend weitergehen und was, Frau Beilstein. Schauen Sie sich die Schüler-Lehrer- weiter miteinander arbeiten. Ich würde mir in Zukunft wirk- Relation an, und dann sehen wir, dass wir 2008/2009 lich konstruktive Vorschläge der Opposition wünschen, um auf eine Lehrkraft 17,4 Schülerinnen und Schüler hatten.

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2018/2019 kommen auf eine Lehrkraft 14,8 Schülerinnen war. Ich möchte Ihnen nur noch einmal deutlich sagen: Wir und Schüler. Das bedeutet, wir haben mehr Lehrerinnen zahlen die Lehrkräfte durch – durch die Ferien! und Lehrer für weniger Schülerinnen und Schüler im Sys- (Beifall der SPD und vereinzelt bei der tem. Mit Ihren absoluten Zahlen kommen Sie da nicht FDP – weiter. Wir können Ihnen das aber auch gerne noch ein- Zuruf aus dem Hause) mal ausführlich schriftlich erläutern. (Vereinzelt Beifall bei SPD, FDP und – Habe ich etwas Falsches gesagt? BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Staatssekretär Hans Beckmann: Sechs Der nächste Punkt: Frau Abgeordnete Brück hat ja schon Stunden!) dankenswerterweise viel dazu gesagt. Die Behauptung, – Ja genau, sechs Stunden war sein erster Vertrag. Keine jede Lehrkraft würde erst einen befristeten Vertrag be- volle Stelle, keine halbe Stelle. Sechs Stunden. kommen, müsste dann in den Vertretungspool gehen und käme dann erst in eine Planstelle – ich weiß ehrlich gesagt (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Es hat nicht, woher Sie das haben und wie Sie auf diese Idee sich aber etwas getan in der Biografie! – gekommen sind. Heiterkeit bei der SPD)

(Zuruf der Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD) – Es hat sich doch ein bisschen etwas getan. Er arbeitet jetzt auch mehr als sechs Stunden. Das kann ich definitiv – Wer auch immer. sagen.

Erstens: Der Vertretungspool besteht aus verbeamteten (Beifall der SPD – Lehrkräften. Jede Lehrkraft, die im Vertretungspool ist, hat Heiterkeit bei der SPD – eine Planstelle und ist ein Beamter oder eine Beamtin des Abg. Martin Haller, SPD: Geringfügig aber!) Landes Rheinland-Pfalz. Wir haben keine Mehrarbeit für Grundschullehrkräfte vor- Zweitens: Es gibt befristete Verträge, aber es gibt deutlich gesehen, wie in Bayern oder in Baden-Württemberg. weniger befristete Verträge, als es sie früher gab, weil wir (Abg. Michael Frisch, AfD: Es ist ja doch den Korridor abbauen. noch etwas aus ihm geworden!) (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut! – In zweieinhalb Jahren steigen die Gehälter unserer Lehre- Abg. Martin Haller, SPD: Die wird es aber rinnen und Lehrer um 11 %. Das heißt, für alle Beamtinnen immer geben müssen! Wie immer im und Beamten legen wir als Land 685 Millionen Euro in zwei- Leben!) einhalb Jahren auf den Tisch, damit sie gute Bedingungen haben. Wir haben dafür den Vertretungspool ausgebaut, von 300 Lehrkräften auf 1.500. (Vereinzelt Beifall bei der SPD)

(Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Wie Wir haben alle Planstellen besetzt, ja, wir haben sie alle im viele gibt es eigentlich in Hessen? 350?) Schuljahr besetzt. Wenn Sie jetzt sagen, nicht zum Anfang des Schuljahrs, dann reden wir über 31 Planstellen in den – Jetzt komme ich genau dazu. Was passiert eigentlich, Grundschulen, die wir jetzt zum 1. Februar besetzen, und wenn die CDU regiert, wenn die CDU Bildungspolitik 39 Planstellen in den Förderschulen, die wir zum 1. Fe- macht? bruar besetzen – bei 1.000 Einstellungen. Entschuldigung, (Abg. Joachim Paul, AfD: Das ist Frau Beilstein, so ehrlich sollten Sie dann vielleicht auch tatsächlich sehr interessant!) noch sein.

Schauen wir doch einmal, wie die CDU mit Lehrkräften (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS früher hier umgegangen ist. 90/DIE GRÜNEN – Abg. Anke Beilstein, CDU: Das habe ich (Abg. Martin Haller, SPD: Das ist eine sehr doch gesagt!) hypothetische Frage in Rheinland-Pfalz!) Baden-Württemberg konnte 800 Stellen nicht besetzen, Hier war es so, dass eine Lehrkraft in Rheinland-Pfalz Schleswig-Holstein über 250 und Nordrhein-Westfalen erst einmal unter der CDU-Regierung einen sechsmona- 4.000 Stellen. Wir haben alle Planstellen besetzt. Wir ha- tigen Vertretungsvertrag bekommen hat. Dann wurde die ben die jüngsten Kollegien, deshalb fürchten wir auch kei- Lehrkraft über den Sommer ausgestellt – wir zahlen die ne Pensionierungswelle. Wir bilden kontinuierlich aus. Wir Lehrkräfte auch im Sommer durch –, danach hat sie immer haben ein neues Studienseminar in Wallertheim für die wieder befristete Verträge erhalten, wurde immer wieder Förderschullehrkräfte eröffnet. Wir haben mittlerweile so für den Sommer ausgestellt. viele Förderschullehrkräfte im Vorbereitungsdienst, wie wir sie noch nie hatten. Darüber sind wir froh, weil wir dringend So war es, als Sie damals regiert haben. Die Lehrkraft, die Förderschullehrkräfte benötigen und im Moment noch nicht sich daran relativ gut erinnern kann, ist der Staatssekretär, so viele haben, wie wir es möchten. von dem man nicht behaupten kann, er war jemand, der kein so gutes Examen hatte, und deshalb eben befristet Wir haben Quer- und Seiteneinstieg. Vielleicht könnten

6676 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 wir auch dieses Thema einmal ansprechen – auch das Antrag der Fraktion der AfD steht in der Großen Anfrage. Andere Länder, in Hessen – Drucksache 17/11117– fast 5.000 Quer- und Seiteneinsteiger. Rheinland-Pfalz hat sieben im Schuljahr 2019/2020. Das sind solche, die nicht dazu: nur ein Studium, sondern auch noch einen 24-monatigen Bessere Krankenhausversorgung durch bessere Vorbereitungsdienst haben. Also nicht irgendwie schnell Krankenhausförderung mal qualifiziert. Antrag (Alternativantrag) der Fraktion der CDU – Drucksache 17/11149– (Abg. Anke Beilstein, CDU: PES-Kräfte!) Für die antragstellende Fraktion erteile ich der Abgeordne- Jetzt würde ich gerne noch einen Satz zu dieser Schein- ten Dr. Groß das Wort. statistik sagen, über die immer geredet wird, diese 2,7 Mil- lionen Stunden Unterrichtsausfall. Ich würde das gerne einfach noch einmal erklären. Herr Paul, es ist schon auch Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: ein bisschen bemerkenswert, was Sie als ehemaliger Leh- rer hier sagen. Sie mussten ja selbst die ganze Zeit dabei Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Damen und Her- lachen, weil Sie es irgendwie nicht ernst meinen. ren! Die Förderung der Investitionskosten der Krankenhäu- ser fällt in den Zuständigkeitsbereich des Landes. Zweck Wir haben 9 % an Stunden temporär, die nicht regulär der Förderung ist die wirtschaftliche Sicherung der Kran- gehalten werden. Von diesen 9 % regulieren wir 7 % durch kenhäuser. Die Förderung ist von grundlegender Bedeu- verschiedene Unterrichtsmethoden. tung. Hiermit soll nämlich das Land seinen Daseinsfürsor- gepflichten nachkommen, damit es eine qualitativ hoch- (Abg. Joachim Paul, AfD: Methoden sind wertige, bedarfsgerechte und wohnortnahe Versorgung das nicht!) unserer Patienten mit leistungsfähigen und eigenverant- wortlich wirtschaftenden Krankenhäusern gewährleisten Die größte Methode sind die Vertretungslehrkräfte. 2 % kann. der Stunden fallen am Ende aus. Wenn Sie jetzt so tun, als sei dies eine komische, schräge Erfindung von Rheinland- Seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode wird in unseren Pfalz, kann ich nur sagen – Herr Baldauf hat es ja vorhin Plenardebatten die Höhe der Krankenhausinvestitionsför- auch kritisiert und hat gesagt, wir hier, irgendwie alles ein derung kontrovers diskutiert. Grundlage für die kontrover- bisschen verrückt –, schauen Sie nach Schleswig-Holstein. sen Debatten ist die vom Institut für das Entgeltsystem Dort regiert die CDU, und dort gibt es eine Bildungsmi- im Krankenhaus berechnete Investitionsförderung für die nisterin von der CDU, die genau die gleiche Statistik hat – Kliniken, die jährlich bei 320 Millionen Euro läge, der aber übrigens fast vergleichbare Zahlen mit uns. Diese werden eine reale Förderhöhe von ca. 125 Millionen Euro jährlich dort aber nicht so skandalisiert, wie Sie das hier versu- gegenübersteht. chen. (Abg. Christian Baldauf, CDU: Die sind Eine Übersicht der letzten Haushaltsaufstellung der Einzel- auch nicht 30 Jahre dran! Die müssen das und Pauschalförderungen, bereinigt um die Mittel des selbst aufarbeiten!) Strukturfonds zum Einzelplan 06 Kapitel 03 „Leistungen nach dem Landeskrankenhausgesetzes“, bestätigt, dass In diesem Sinne kann ich nur sagen, vielen Dank für die die Höhe der Investitionskostenförderung innerhalb der Große Anfrage. Ich glaube, sie hat gezeigt, dass wir sehr vergangenen 18 Jahre zwischen rund 117 Millionen und gut aufgestellt sind in Rheinland-Pfalz und kontinuierlich 126 Millionen Euro lag. daran arbeiten, dass es besser wird. Sie können sicher sein, wenn Sie nächstes Jahr eine Große Anfrage stellen, Dementsprechend rügt die Krankenhausgesellschaft werden die Zahlen noch besser sein. Rheinland-Pfalz eine vollkommen unzureichende Inves- titionskostenförderung, die über die Jahre zu einem ku- Danke. mulativen Investitionsstau von beinahe 600 Millionen Euro geführt habe. Sowohl Baupreissteigerungen der letzten (Beifall der SPD, FDP und BÜNDNIS 20 Jahre als auch Inflationsraten seien unberücksichtigt 90/DIE GRÜNEN – geblieben. Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!) In einem Anhörverfahren am 7. November 2017 betonten Präsident Hendrik Hering: die Vertreter der Landeskrankenhausgesellschaft, dass die Krankenhäuser mindestens das Doppelte des bisherigen Aufgrund der Redezeit der Landesregierung hätten die Volumens benötigten, um die notwendigen Investitionen Fraktionen noch 2 Minuten Redezeit. Ich sehe, diese will finanzieren zu können. niemand nutzen. Damit ist dieser Tagesordnungspunkt er- ledigt. Das IGES Institut kommt zu einem ähnlichem Ergebnis und betont in seinem vorbereitenden Gutachten zur Er- Ich rufe Punkt 17 der Tagesordnung auf: stellung des Landeskrankenhausplans, dass über viele Jahre hinweg die Mittel für die Investitionskostenförderung Gutachten zur erforderlichen Höhe der vermindert worden seien. Diese seien seit dem Jahr 2003 Investitionskostenförderung der Krankenhäuser in nominal im Wesentlichen gleich geblieben. Auch die Kran- Rheinland-Pfalz kenkassen rügen eine zu geringe Investionskostenförde-

6677 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 rung, die natürlich dazu führt, Versichertengelder für Inves- Präsident Hendrik Hering: titionsmaßnahmen zweckentfremden zu müssen. Für die SPD-Fraktion hat Abgeordnete Dr. Machalet das Wort. Die Landesregierung, meine Damen und Herren, geht in ihrer Argumentation von einer ausreichenden Investitions- kostenförderung aus, verweist auf einen ihrerseits nicht Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: festgestellten Investitionsstau und darauf, dass in der bis- Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kol- herigen Amtszeit der Ministerin kein bewilligungsreifer För- legen! Kaum ein Thema bewegt die Menschen im Land derantrag aufgrund fehlender Mittel abgelehnt worden sei, derzeit wohl mehr als die Sicherung der medizinischen Ver- und schließlich müsse die Landesregierung davon ausge- sorgung, sowohl der ambulanten als auch der stationären. hen, dass kein förderfähiger Investitionsbedarf bestünde, Gerade in meiner Region, in der uns Anfang letzten Jahres soweit kein entsprechender Antrag gestellt worden sei. zunächst die Insolvenz der ViaSalus getroffen hat – ich bin dankbar, dass das Insolvenzverfahren mit dem Erhalt Im Übrigen berief sich die zuständige Ministerin im Rah- der Klinik in Dernbach abgeschlossen werden konnte – men der 52. Plenarsitzung am 22. Februar 2018 darauf, und wir gerade über die Zusammenlegung von zwei DRK- dass bisherige Studien zu den erforderlichen Investitions- Krankenhausstandorten an einem Ort diskutieren, um die kosten für sie nicht repräsentativ seien. Seit Beginn der Versorgung attraktiv, gut und zukunftsfest zu machen. letzten Legislaturperiode stehen sich diese Positionen diametral gegenüber. Es konnte daher hinsichtlich die- Das Thema „Krankenhausinvestitionen“ – das hat Frau ser ganz maßgeblichen Frage der erforderlichen Höhe Groß umfänglich ausgeführt – hat uns im Landtag in den der Investitionsförderung, die für eine flächendeckende, letzten Jahren häufig beschäftigt. Ja, es ist richtig, dass qualitativ hochwertige stationäre medizinische Versorgung die Zuständigkeit für die Krankenhausinvestitionen bei den ausschlaggebend ist, keinerlei Fortschritte erzielt werden, Ländern liegt. Ja, es bestreitet hier niemand, und das ha- währenddessen sich die wirtschaftliche und finanzielle La- ben wir niemals getan, ge der Krankenhäuser massiv verschärft und beinahe jede zweite Klinik rote Zahlen schreibt. (Zuruf des Abg. Alexander Schweitzer, SPD: So ist es!) Dieser Stillstand ist nicht länger hinnehmbar. Um die Fra- ge von vorhin zu beantworten, ob die von der Landesre- dass der Investitionsbedarf in der Vergangenheit höher war gierung zur Verfügung gestellten Investitionsfördermittel als die Summe, die übrigens fast alle Länder zur Verfügung ausreichend sind oder nicht, ist es sachdienlich, sowohl stellen konnten. die erforderliche Höhe der Investitionskostenförderung als Ich will jetzt auf die einzelnen Zahlen, wie viele Investi- auch das Ausmaß eines bestehenden Investitionsstaus tionen nötig sind, gar nicht eingehen; denn wenn man in feststellen zu lassen. die Anträge schaut, sieht man, dass die Zahlen ein Stück (Beifall bei der AfD) weit veraltet sind. Das eine Gutachten war von 2008, das andere bezieht sich auf das Jahr 2015. Wir haben jetzt 2020. Ich glaube, auf solche Zahlen kann und muss man Dies soll im Rahmen eines unabhängigen Gutachtens ge- sich heute nicht mehr beziehen. schehen, um die daraus notwendigen Schlüsse ziehen und erforderliche Maßnahmen entwickeln zu können. Es ist aber – das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen – falsch, dass die Investitionsförderung ursächlich Liebe CDU, Sie sind sich jetzt nicht zu schade dafür, uns dafür ist, dass gerade so viele Krankenhäuser, vor allem hier als Alternativantrag ein Plagiat Ihres eigenen Antrags die kleinen im ländlichen Raum und nicht nur in Rheinland- vom 16. Juni 2017 – Drucksache 17/3292 – vorzusetzen. Pfalz, unter enormem wirtschaftlichem Druck stehen. Nur um nicht mit der AfD-Fraktion stimmen zu müssen, ist Ihnen jedes Mittel recht. Das ist keine konstruktive Politik Lieber Herr Dr. Gensch, ich will es Ihnen gern noch einmal zum Wohle der Bürger. erläutern: Im letzten Jahr haben in Deutschland 64 Klini- ken mit Trägern aller Art einen Insolvenzantrag gestellt, (Beifall bei der AfD – davon drei in Rheinland-Pfalz. Abg. Uwe Junge, AfD: Jawohl!) (Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Ja!) Bis heute hat doch Ihr damaliges Anliegen, Krankenhäu- ser und Krankenkassen sollten einvernehmlich die Summe Alle, durchgängig alle, haben betont, dass die veränderten des Investitionsstaus beziffern, nicht funktioniert. Rahmenbedingungen durch die bundesgesetzlichen Vor- gaben und Vorgaben des G-BA zu der massiven Verschär- (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) fung der Lage geführt haben. Wenn zum Beispiel kleine Krankenhäuser genauso viele Ärzte vorhalten müssen wie Wieso soll es denn heute und künftig funktionieren? Was größere, sie sie aber aufgrund geringerer Fallzahlen nicht ist, wenn man sich nicht einigen kann? refinanziert bekommen, dann ist die Schieflage doch ziem- lich offensichtlich. Genau deshalb brauchen wir ein unabhängiges Gutachten, und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Dass mangelnde Investitionsförderung durch das Land nicht ursächlich ist, lässt sich gerade am Beispiel Dern- (Beifall bei der AfD) bach ziemlich deutlich machen.

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(Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: Das hat entwickeln. auch niemand behauptet!) Man muss auch darauf hinweisen, dass das, was jetzt Dernbach hatte eine Investitionssumme von 11,2 Millionen berücksichtigt werden muss, als die Krankenhausplanung Euro für einen neuen OP-Bereich und für die Ausstat- gemacht worden ist, so in der Form nicht absehbar war, in tung eines Eingangsbereichs. Vor Ort sieht man, dass das keiner Weise absehbar war. Krankenhaus sehr attraktiv ist und sich zunächst offen- sichtlich kein Investitionsstau finden lässt. Ich war schon Wenn das klar ist, dann können wir auch darüber reden, überrascht, der Staatssekretär ist jetzt gerade nicht da wie viele Mittel wir brauchen, und über die nötigen Mittel – wir waren Ende November 2018 zur Einweihung dieser entscheiden. Ich gehe fest davon aus, dass wir im Herbst, neuen Räumlichkeiten da, Ende November 2018 –, dass wenn wir wieder in den Haushaltsberatungen sind, über Anfang 2019 der Insolvenzantrag kam, aber nicht aufgrund dieses Thema intensiv diskutieren werden. der fehlenden Investitionsmittel des Landes. Das wird an diesem Beispiel sehr deutlich, glaube ich. (Abg. Hedi Thelen, CDU: Schauen wir mal!)

Wir haben in den letzten Jahren die Investitionsmittel für Wenn Sie als CDU, liebe Kolleginnen und Kollegen, wieder die Krankenhäuser deutlich aufgestockt. Ich nenne Ihnen Deckblätter dazu vorlegen, gerne noch einmal die Zahlen: Im Jahr 2019 waren es 147 Millionen Euro, (Glocke des Präsidenten)

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Da sind die erwarte ich aber auch, dass Sie das, im Gegensatz zum Strukturhilfemittel drin!) letzten Mal, seriös gegenfinanzieren. in 2020 werden es 161 Millionen Euro sein Noch einen Hinweis auf den Antrag der CDU, da gebe ich Frau Dr. Groß ausnahmsweise recht: Sie haben diesen (Abg. Hedi Thelen, CDU: Da sind die Antrag gestellt, damit Sie nicht dem AfD-Antrag zustimmen Strukturhilfemittel drin!) müssen, obwohl Sie das eigentlich gerne würden. Insofern – lassen Sie mich doch ausreden, Frau Thelen –, 44 Millio- werden wir auch Ihren Antrag ablehnen. nen Euro mehr als 2012, 27 %. Vielen Dank. (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU – (Beifall bei der SPD und der Abg. Pia Weitere Zurufe aus dem Hause – Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE Glocke des Präsidenten) GRÜNEN – Ja, es ist richtig, da sind die Strukturfondsmittel mit ent- Abg. Hedi Thelen, CDU: Wie halten, aber wir können doch stolz darauf sein, dass überraschend!) Rheinland-Pfalz die Strukturfonds nicht nur ausgeschöpft hat, sondern auch in höherem Maße als andere Länder Präsident Hendrik Hering: kofinanziert. Auch das bitte ich Sie, einfach noch einmal zur Kenntnis zu nehmen. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Gensch. (Beifall bei der SPD – Abg. Michael Hüttner, SPD: Das ist zu viel Abg. Dr. Christoph Gensch, CDU: verlangt!) Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, sehr ge- ehrter Herr Präsident! Am gestrigen Tag haben wir lange Fakt ist, dass in den letzten Jahren kein Antrag der Kran- über Symbole und Symbolpolitik gesprochen und disku- kenhäuser aufgrund fehlender Investitionsmittel abgelehnt tiert, dass ein Symbol – das war die erste Aktuelle Debat- worden ist. Die Krankenhäuser, die in den letzten Wochen te – im Wortsinne ein Erkennungszeichen sei, was prinzipi- durch die Presse gegangen sind, haben meist gar keine ell etwas Positives darstellt. Tatsächlich kann ein Symbol, Anträge auf Investitionsförderung gestellt. beispielsweise ein staatliches, etwas Identitätsstiftendes, durchaus etwas Positives sein. Womit wir es in Rheinland- Die Krankenhauslandschaft ist insgesamt im Umbruch. Pfalz aber überwiegend zu tun haben, ist nicht ein Symbol, Das sehen wir, und das ist unbestreitbar. Bevor wir, Frau sondern dass ist Symbolpolitik, und Symbolpolitik bezeich- Dr. Groß, über teure Gutachten sprechen, über Investi- net definitionsgemäß eine auf Gesten beruhende Politik, tionsfördermittel, müssen wir erst einmal klären, wie die die die konkrete Situation oder das konkrete Problem nicht Versorgung in Zukunft überhaupt aussehen soll, zum Bei- verändert, aber gewisse Reaktionen hervorrufen soll. spiel das Stichwort „Ambulantisierung“, bei dem wir gar nicht wissen, wie viele Betten wir in der nächsten Zeit (Beifall und Heiterkeit der Abg. Hedi Thelen, brauchen bzw. wie sich die stärkere Ambulantisierung von CDU) Leistungen auf die Anforderungen in den Krankenhäusern auswirkt. Ich halte das für eine unglaublich schöne Beschreibung Ihrer Politik, gerade auch der rheinland-pfälzischen Ge- Ich bin dankbar, dass das Ministerium mit allen Beteiligten, sundheitspolitik; denn die besteht im Wesentlichen aus mit der Krankenhausgesellschaft, mit den Krankenkassen, zwei großen Betätigungsfeldern, gerade was den Bereich mit der KV, daran arbeitet, nachhaltige Versorgungsstruk- ärztliche und stationäre Versorgung angeht. Da ist einmal turen unter diesen veränderten Rahmenbedingungen zu das erste große Betätigungsfeld, das ist die Symbolpolitik.

6679 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

(Heiterkeit der Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD) gehört leider nicht zur Kernkompetenz der Landesregie- rung; denn Frau Dr. Machalet – hier sind wir wieder beim Hier werden mit ineffektiven Kleinstmaßnahmen symbol- Krankenhausfinanzierungsgesetz –, die Investitionsförde- politisch aktionistisch große Probleme angegangen. rung der Kliniken ist Ländersache.

(Abg. Hedi Thelen, CDU: Und das (Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: Ich habe Ergebnis?) nichts anderes gesagt!)

Hier wird ein Ärztemangel, welcher in die Tausende geht, Sie kommen dieser Verantwortung seit Jahr und Tag nicht mit einem Wiedereingliederungskurs für Ärzte gekontert nach. mit 20 Teilnehmern, von denen sieben wieder in die Versor- gung gehen. Alle zwei Jahre findet ein solches Kürschen (Beifall bei der CDU) statt. Sie werden dafür nicht nur von uns, der Opposition, der (Beifall bei der CDU – man noch Motive unterstellen könnte, kritisiert, sondern Abg. Hedi Thelen, CDU: So ist das!) auch von allen Verbänden und Organisationen, auch von den Kassen, die mit dieser Problematik beschäftigt sind. Hier wird eine Landarztquote verabschiedet, dessen Aus- Die Kassen sprachen schon vor Jahren von einer jährli- wirkungen, dessen Ergebnisse wir in elf Jahren erstmalig chen Förderlücke von mindestens 100 Millionen Euro. Im spüren werden, weil man nicht in der Lage war, mit der Positionspapier der Krankenhausgesellschaft wurde das Opposition eine konstruktive Zusammenarbeit zu suchen, Doppelte des Finanzvolumens, gemessen an dem, was um die Frist auf fünf bis sechs Jahre zu kürzen. Sie zur Verfügung stellen, bestimmt. Nach Einschätzung (Beifall bei der CDU – der Kassen schon vor Jahren wurde der Investitionsstau Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD: Was hat das auf mindestens eine halbe Milliarde Euro klassifiziert. mit Krankenhausförderung zu tun? – Abg. Hedi Thelen, CDU: Das ist Globoli!) Meine Damen und Herren, nach einem Bericht der Allge- meinen Zeitung vom 7. November 2019 haben mehrere Hier werden sogar von der KV Fördergelder wieder redu- Krankenkassen in Rheinland-Pfalz mit Unverständnis auf ziert, weil sie nicht den Erfolg gebracht haben und nicht in die jüngste Forderung des Landes nach einer auskömm- ausreichendem Maße abgerufen wurden. lichen fairen Finanzierung der Betriebskosten der Kran- kenhausversorgung reagiert. Irritiert sei man vor allem vor Im Krankenhausbereich lässt man sich für einen Sicher- dem Hintergrund, dass Rheinland-Pfalz seiner eigenen stellungszuschlag feiern, den am Ende des Tages – das Verpflichtung, nämlich der einer ausreichenden Finanzie- muss man so klar formulieren, auch wenn die grundsätz- rung der Investitionskosten der Krankenhäuser, seit vielen liche Maßnahme nicht verkehrt ist – die Gesamtheit der Jahren nicht nachkommt. darbenden rheinland-pfälzischen Krankenhäuser zahlen muss, und propagiert diese Maßnahme als den vielver- (Beifall der CDU und der Abg. Dr. Sylvia sprechenden Lösungsansatz, um die Krankenhauspolitik Groß, AfD) auf eine neue Ebene zu heben. Benötigt würden etwa doppelt so viele Mittel, wie das Land (Beifall der CDU) derzeit zur Verfügung stellt.

Das zweite große Betätigungsfeld dieser Landesregierung Diese unzureichende Investitionsförderung – auch da und auch dieses Gesundheitsministeriums ist die komplet- möchte ich Ihnen entschieden widersprechen, Frau Dr. te Negierung von Verantwortung. Machalet – hat schwerwiegende Auswirkungen. Die Kran- kenhäuser veralten, die bauliche Substanz wird entwertet, (Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD) (Abg. Hedi Thelen, CDU: Eben!)

Zuständig sind wir eigentlich für nichts. Schuld sind immer die Arbeitsbedingungen werden nicht den Notwendigkeiten die anderen, der Bund aufgrund der DRG-Problematik, die und Möglichkeiten entsprechend weiterentwickelt, und weil Kassenärztlichen Vereinigungen, die Organe der ärztlichen die Investitionskostenförderung zu gering ist, stehen die Selbstverwaltung, die Kommunen, ja, eigentlich auch die Krankenhäuser unter Druck, Finanzmittel, die eigentlich für Bürger, die wahrscheinlich zu oft ins Krankenhaus gehen. die medizinische und pflegerische Versorgung vorgesehen sind, für Investitionen zu nutzen. (Zuruf der Abg. Dr. Tanja Machalet, SPD) (Beifall der Abg. Hedi Thelen, CDU: Und Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, hier hat die Zurück- dann leiden die Patienten!) weisung von Verantwortung ein Ausmaß angenommen, bei dem man sich fragen muss, wenn das alles stimmen Das steht fest. würde, worin denn eigentlich die Existenzberechtigung des rheinland-pfälzischen Gesundheitsministeriums liegt. Ich muss Sie, da wir die Debatte jetzt schon einige Male geführt haben, noch einmal mit denselben Zahlen beläs- (Beifall der CDU) tigen. Im Jahr 2001 hat die Investitionskostenförderung bei 143,8 Millionen Euro gelegen, sie ist gesunken bis auf Da muss ich Ihnen sagen, die tatsächliche Problemlösung 119,8 Millionen Euro und bis zum heutigen Tag auf ledig-

6680 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 lich 125,8 Millionen Euro wieder angestiegen. Ein Tropfen tuation dies zu tun, und dass auch generell ein solches auf dem heißen Stein, wenn man die 20 Jahre berücksich- Gutachten nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen tigt, die derweil vergangen sind. würde.

Die grundsätzliche Forderung – da bin ich bei dem AfD- Liebe Kolleginnen und Kollegen, in den nächsten Jahren Antrag – nach einer Quantifizierung des Investitionsstaus werden maßgebliche Krankenhausinvestitionsbedarfe ent- ist daher richtig. Der vorliegende Antrag der AfD knüpft stehen, das ist richtig. Aber diese können nicht objektiv hier an eine bereits vor Jahren erhobene Forderung der durch ein Gutachten festgestellt werden. Das Institut für CDU-Landtagsfraktion an, bezieht aus unserer Sicht aber das Entgeltsystem im Krankenhaus, das sogenannte InEK, Krankenhäuser und Krankenkassen nur unzureichend ein. hat beispielsweise jährlich den bundesweiten Investitions- Daher fordern wir, dass dieser Investitionsstau gemeinsam bedarf zu ermitteln, und es scheitert auch jährlich daran. mit den Krankenhäusern und den Krankenkassen ana- Es führt aufwendige Kalkulationen durch; allerdings nur lysiert und beziffert werden muss, der Investitionsbedarf 3,6 % aller Krankenhäuser beteiligen sich daran, sodass nach Umfang und Prioritäten unter besonderer Berück- diese Kalkulationen, die vom InEK veröffentlicht werden, sichtigung des ländlichen Raums in ein Gesamtkonzept absolut nicht repräsentativ sind. münden muss, das Aussagen darüber enthält, inwieweit und in welchen Zeiträumen die Landesregierung diesem Hinzu kommt auch noch, dass so eine theoretische Be- Bedarf gerecht werden will. rechnung überhaupt nichts nützt und wirklich ins Leere läuft, wenn nämlich die Krankenhäuser in der Praxis zum Wir fordern auch einen konkreten und verbindlichen Maß- Ersten gar keinen Antrag stellen oder zum Zweiten, wie nahmenkatalog. ganz aktuell, uns gegenüber äußern, dass sie doch jetzt aktuell lieber auf eine Förderzusage verzichten, weil sie (Beifall der Abg. Hedi Thelen, CDU) aufgrund der bundesgesetzlichen Rahmenbedingungen, insbesondere aufgrund der Schieflage im DRG-System, Tatsächlich haben wir das auch schon vor Jahren gefordert. Sorge haben, dass sie ihr Krankenhaus betriebswirtschaft- Das empfinde ich nicht als einen Nachteil oder als etwas lich überhaupt noch in die Zukunft führen können. zu Kritisierendes, sondern als etwas Selbstverständliches. Wir haben schon vor Jahren erkannt, dass das ein Problem Wer also diesen AfD-Antrag befürwortet, der verkennt ab- ist, das es zu lösen gilt. solut die aktuelle Situation, die wir bundesweit derzeit vor- finden, (Vizepräsidentin Astrid Schmitt übernimmt den Vorsitz) (Beifall des Abg. Alexander Schweitzer, SPD) Insofern kann ich die Welt hier nicht neu erfinden, sondern ich muss berechtigte Forderungen das eine oder andere nämlich dass die Krankenhauslandschaft sich im Umbruch Male auch in der Hoffnung wiederholen, befindet und es jetzt zunächst einmal darum geht, die- sen kalten, ungeordneten Strukturwandel, der aus Berlin (Beifall der Abg. Hedi Thelen, CDU) kommt, nicht hinzunehmen, sondern diesen Strukturwan- del aktiv zu gestalten. Das tun wir in Rheinland-Pfalz in dass steter Tropfen den Stein endlich einmal höhlt. einem einzigartigen Schulterschluss gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft, gemeinsam mit den Kranken- Vielen Dank. kassen und gemeinsam mit der Kassenärztlichen Verei- (Beifall der CDU) nigung, um zukunftsfeste Strukturen zu etablieren, insbe- sondere auch im Bereich der sektorübergreifenden Versor- gung. Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Danach, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn diese Struk- Für die Landesregierung spricht Frau Ministerin Bätzing- turen gestaltet sind, wenn man weiß, wohin die Reise geht, Lichtenthäler. ermitteln wir auch Investitionskosten, aber nicht auf der Basis von irgendwelchen nicht repräsentativen Gutachten, sondern wir werden diese Investitionskosten anhand von Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Anträgen und Gesprächen mit den Beteiligten ermitteln, Arbeit, Gesundheit und Demografie: wie ich sie gerade eben genannt habe. Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolle- ginnen und Kollegen! Ja, in der Tat, erneut beschäftigen wir Für mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist es ausge- uns mit den Krankenhausinvestitionen in Rheinland-Pfalz, schlossen, dass ein Gutachten zum Krankenhausinvesti- und heute lautet die Forderung der AfD, ein Gutachten zur tionsbedarf in der aktuellen Situation der Krankenhäuser, erforderlichen Höhe der Krankenhausinvestitionsförderung die teilweise wirklich selbst noch gar nicht wissen, wie sie in Auftrag zu geben. sich entwickeln wollen, zum jetzigen Zeitpunkt brauchbare Ergebnisse liefert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es vorwegzunehmen: Ein solches Gutachten wäre reine Steuergeldverschwen- Ich möchte auch gern die Gelegenheit nehmen – in der dung, insbesondere auch mit Blick auf die aktuelle Situati- Tat, Herr Dr. Gensch, die Hoffnung stirbt zuletzt –, Ihnen on in der Krankenhauslandschaft. Ich möchte Ihnen auch noch einmal die Investitionsförderung in Rheinland-Pfalz gern erläutern, warum es total sinnlos wäre, in dieser Si- zu erläutern. Fakt Nummer 1 ist, dass die Landesregierung

6681 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 den Koalitionsvertrag vollumfänglich umgesetzt hat und unseriös, und ich muss davon ausgehen, dass auch der wir insbesondere die pauschalen Investitionsmittel deutlich Rest, den Sie erzählen, irgendwo nicht stimmt. erhöht haben. Das ist das Erste. Fakt Nummer 2 ist, dass durch den Krankenhausstruktur- (Beifall der AfD – fonds 92 Millionen Euro zuzüglich der Kofinanzierung des Heiterkeit der Staatsministerin Sabine Landes den Krankenhäusern zur Verfügung gestellt wer- Bätzing-Lichtenthäler) den. Liebe Frau Kollegin Thelen, auf Ihren Zwischenruf sei nur zu entgegnen, dass von den bisherigen Strukturfonds- – Ja, das muss man ableiten. förderungen 44 Millionen Euro beispielsweise für bauliche Erweiterungen und Investitionen verwendet wurden, die Das Zweite ist, dass wir jetzt wegkommen müssen von der ansonsten aus den normalen KHG-Mitteln hätten finanziert Debatte „Nein, doch“, „Nein, doch“, „Ja, wir geben genug“, werden müssen. Sie sehen, das ist Krankenhausinvestiti- „Nein, Sie geben nicht genug“. Es vergeht zu viel Zeit, es on, und dafür werden diese Mittel in Rheinland-Pfalz auch vergehen zu viele Jahre. eingesetzt. Sie haben am 22. Februar 2018 erklärt, dass die bisheri- Fakt Nummer 3, den Sie auch bitte zur Kenntnis nehmen, gen Studien zum Investitionskostenbedarf nicht repräsen- ist, dass für bewilligungsreife Anträge nach wie vor Förder- tativ seien und bestritten, dass es überhaupt möglich sei, mittel bereitstehen. diesen überhaupt quantitativ zu erfassen mit Umfragen (Zuruf des Abg. Dr. Christoph Gensch, und mit Gutachten. Sie würden sich lieber auf den Dialog CDU) mit den Krankenhäusern verlassen.

– Ja, Herr Dr. Gensch, ich weiß, diese Fakten ignorieren Das ist aber jetzt auch schon zwei Jahre her, und ich frage Sie, diese Fakten verschweigen Sie, und deswegen ist Sie ganz ehrlich: Was ist das Ergebnis des Dialogs bis es nicht verwunderlich, dass Sie in Ihrem Alternativan- heute? Können Sie mir hier und heute sagen, auf wel- trag auch die positive Entwicklung verschweigen. Sie ver- chen jährlichen Investitionskostenbetrag Sie sich mit den schweigen nämlich, dass Rheinland-Pfalz laut einer Veröf- Krankenhäusern verständigt haben? Wenn Sie mir hier fentlichung der Deutschen Krankenhausgesellschaft inzwi- und heute beziffern können, wie der gemeinsame Investiti- schen bei den Fördermitteln pro Case-Mix-Punkt über dem onsbedarf aussieht, dann ziehen wir jetzt unseren Antrag Bundesdurchschnitt liegt. Sie verschweigen auch, dass die zurück. Das machen wir gerne. Fördermittel pro Bett sich positiv entwickeln. Aber wenn Sie uns nicht die Höhe beziffern können und wir Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte abschließend von einem Stillstand über zwei Jahre ausgehen müssen, nur noch einmal feststellen, die Ursache für die wirtschaft- dann würde ich Sie doch bitten, unserem Antrag zuzu- lichen Probleme der Krankenhäuser liegt nicht in den man- stimmen, damit wir endlich zu einem belastbaren Ergebnis gelnden Fördermitteln. Im Gegenteil, viele kleine Kran- kommen, das für die Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz kenhäuser sind in gutem Zustand oder haben trotz der jeweils ermittelt wird, wie sich die wirtschaftliche und fi- Förderung ihre betriebswirtschaftlichen Probleme. Vor die- nanzielle Situation darstellt, und dann haben Sie, Frau sem Hintergrund ist es übrigens sehr erstaunlich, wenn Bätzing-Lichtenthäler, auch Ihr repräsentatives Ergebnis. von der CDU kritisiert wird, dass wir uns als Land beim Bundesgesetzgeber für eine Verbesserung der Betriebs- Danke schön. kostenvergütung einsetzen. Das verwundert dann schon etwas. (Beifall der AfD)

Nun gut. Die Landesregierung hat deutlich gemacht, wir Vizepräsidentin Astrid Schmitt: übernehmen hier Verantwortung, wir stehen zu unserer Verantwortung, unsere Krankenhäuser bedarfsgerecht mit Zur Erwiderung erteile ich Staatsministerin Bätzing- den notwendigen Investitionen auszustatten. Wir werden Lichtenthäler das Wort. das auch weiterhin tun, und wir stehen an der Seite unse- rer rheinland-pfälzischen Krankenhäuser. Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, (Beifall der SPD, der FDP und des Arbeit, Gesundheit und Demografie: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Sehr geehrte Frau Dr. Groß, liebe Kolleginnen und Kol- legen! Ich erläutere es Ihnen gern noch einmal. Das Gut- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: achten des InEK war 2018 und ist auch jetzt, im Jahr 2020, nicht repräsentativ. Wenn sich lediglich 3,5 % – da- Zu einer Kurzintervention erteile ich der Abgeordneten mals waren es noch weniger, damals waren es nur um Dr. Groß das Wort. die 2 % – an dieser Umfrage beteiligen, dann hat dies keinerlei repräsentative Auswirkung auf das Thema des In- Abg. Dr. Sylvia Groß, AfD: vestitionsbedarfs der Krankenhäuser. Von daher ist dieses Gutachten nach wie vor nicht der richtige Weg. Meine Damen und Herren! Wer also die Investitionskos- tenfördermittel und die Strukturmittel in einen Topf wirft Nun fragen Sie erneut danach, wie denn der Investitions- und das hier als Investitionskostenförderung verkauft, ist bedarf in den Krankenhäusern ist. Ich glaube, ich habe

6682 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 hier hinlänglich deutlich gemacht, dass sich die Kranken- Willkommen! hauslandschaft bundesweit in einem Umbruch befindet, was auch für unsere rheinland-pfälzischen Krankenhäuser (Beifall im Hause) gilt, und viele von ihnen derzeit dabei sind, Lösungen zu suchen, wie sie ihre Strukturen zukunftssicher machen Natürlich freue ich mich auch besonders über Schülerin- und wie sie sektorübergreifende Modelle etablieren kön- nen und Schüler der 13. Jahrgangsstufe des Geschwister- nen, über die man vielleicht Möglichkeiten der Kooperation Scholl-Gymnasiums aus Daun. Seien Sie uns herzlich findet. Auf diesem Weg befinden sich derzeit die Kranken- willkommen! häuser. (Beifall im Hause) Wir sind in einem Dialog, nicht nur mit den Krankenhäu- Ich rufe nun der Tagesordnung auf: sern, sondern – wie ich es schon sagte – auch in einem Punkt 18 Schulterschluss mit den Kassen, der Kassenärztlichen Ver- einigung und den Krankenhäusern. Wir werden gemein- Opfer des Nationalsozialismus: Gedenken sam mit ihnen diese Strukturen auf den Weg bringen, und aufrechterhalten – Verantwortung leben – dann wird es möglich sein, anhand dieser neuen Struktu- Homosexuellenverfolgung weiter aufarbeiten ren auch Investitionsbedarfe zu ermitteln. Das tun wir, aber Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS nicht auf der Grundlage von Gutachten, sondern auf der 90/DIE GRÜNEN Grundlage von persönlichen Gesprächen. – Drucksache 17/11116–

(Beifall der SPD, der FDP und des Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vereinbart.

Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Klinkel. Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Aufgrund der Redezeit der Landesregierung hätten die Abg. Nina Klinkel, SPD: Fraktionen jeweils noch 1 Minute Redezeit. Weitere Wort- meldungen sehe ich aber nicht. Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Her- ren! Heute vor 87 Jahren wurde Hitler zum Reichskanzler Damit kommen wir nun zur Abstimmung über die beiden ernannt, und es dauerte keine vier Wochen, als in Weimar Anträge. Wir stimmen zunächst über den Antrag der AfD- das erste Konzentrationslager eingerichtet wurde. Fraktion – Drucksache 17/11117 – ab. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Es gibt keine Worte für Auschwitz. Es gibt keine Worte Handzeichen! – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke dafür, was Heinz Kahn aus Trier mit gerade einmal 21 Jah- schön. ren erlebt hat, selbst wenn er davon erzählt, wie er an der Rampe in Auschwitz steht, als Einziger seiner Familie (Abg. Martin Haller, SPD: Weg mit dem nach rechts gewunken wird, während seine Eltern und Dreck!) seine Schwester Trude ins Gas geschickt werden.

Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU, Man kann es sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Tote stapeln muss, weil die Nazis keine Kohle mehr zum Stimmen der AfD abgelehnt. Verbrennen der Leichen hatten, wenn man all das überlebt. Es gibt keine Sprache für die Shoah. Wir stimmen nun über den Alternativantrag der Fraktion der CDU – Drucksache 17/11149 – ab. Wer diesem Antrag Es gibt keine Worte für Hadamar, nicht für das, was mit Ka- seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich ebenfalls roline Gerlach aus Rheinhessen passiert ist, selbst wenn um das Handzeichen! – Danke schön. Gegenstimmen? – man die Briefe aus der Heil- und Pflegeanstalt liest, in de- Danke schön. nen sie anfleht, nach Hause geholt zu werden. Es gab kein (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Nein, Zuhause, wenn man 1941 von Alzey nach Weilmünster, der ist nicht gut genug!) nach Hadamar kam.

Damit ist der Antrag mit den Stimmen der SPD, der AfD, Dann gab es nur noch die Gaskammer, in die man als der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die minderwertiges Leben zur Entlastung des Volkskörpers Stimmen der CDU abgelehnt. gebracht wurde. Es gibt keine Sprache für Unmenschlich- keit. Es gibt keine Worte für Mauthausen, nicht für das, Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor ich den was Otto Scheuerbrand aus Ludwigshafen erlebte. Sie er- nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, freue ich mich, innern sich an seinen Stolperstein, der am Montag bildhaft dass wir weitere Gäste bei uns begrüßen dürfen. Ich begrü- für die Opfer der Verfolgung von Homosexuellen im Dritten ße zunächst Bürgerinnen und Bürger aus dem Wahlkreis Reich stand. 19 – Birkenfeld –. Seien Sie uns herzlich willkommen! Es fällt schwer, sich die Stationen in Ottos Leben vorzu- (Beifall im Hause) stellen: mit 17 Jahren von den Nazis zwangssterilisiert, mit 18 mehrfach wegen sogenannter Unzucht mit Männern Des Weiteren haben wir Rechtsreferendare des Amtsge- verurteilt und mit 25 „wegen der Gefährdung der öffentli- richts Mainz bei uns zu Gast. Auch Ihnen ein herzliches chen Sittlichkeit basierend auf § 175“ auf die grausame

6683 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

Odyssee durch drei Konzentrationslager geschickt. Drei (Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS Wochen vor seinem 27. Geburtstag wurde Otto in Maut- 90/DIE GRÜNEN) hausen ermordet. Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Meine Damen und Herren, die Biografien dieser Menschen, die ich Ihnen gerade vorgestellt habe, können Sie recher- Für die CDU-Fraktion spricht Abgeordnete Ellen Demuth. chieren. Diese Menschen gab es wirklich. Sie repräsentie- ren drei Opfergruppen, die von den Nationalsozialisten erst entmenschlicht und dann vernichtet wurden: Heinz jüdisch, Abg. Ellen Demuth, CDU: Caroline psychisch krank, Otto homosexuell. Überlebt hat Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da- von diesen dreien nur Heinz, der später in den Auschwitz- men und Herren! Frau Klinkel hat die Verbrechen, die in prozessen aussagte und bis zu seinem Tod im Jahr 2014 Auschwitz und während der NS-Diktatur begangen worden als Zeitzeuge vor allem auch an rheinland-pfälzischen sind, richtig genannt und angesprochen. Meine Damen Schulen berichtete. und Herren, wir als CDU unterstützen heute diesen Antrag zur Stärkung der Erinnerungskultur bei uns im Land. In der Plenarsitzung am 27. Januar 2007 stand er hier vor den Kolleginnen und Kollegen und mahnte zu erinnern. Eines ist wichtig, zu allem, was Frau Klinkel richtig ange- Das tut der Landtag jedes Jahr: erinnern. Vergangenen sprochen hat, hinzuzufügen: Auschwitz und alles, was in Montag haben wir in Osthofen den homosexuellen Op- anderen Konzentrationslagern ebenfalls passiert ist, ist fern des Nationalsozialismus gedacht. Der Historiker Pro- nicht vom Himmel gefallen. Diese Entwicklung hatte einen fessor Dr. Michael Schwartz erläuterte uns, was sie, die Vorlauf. Diesen Vorlauf sollten wir uns immer wieder ins Rosa-Winkel-Träger, in den Konzentrationslagern erleiden Gedächtnis rufen, wenn wir darüber reden, wie wir uns mussten: Sie, die als Volksfeinde von den Nazis diffamiert, heute erinnern und wie wir heute diese Geschehnisse auf- verfolgt und getötet worden. Er erläuterte auch, dass ihre arbeiten. Verfolgung weit über das Jahr 1945 hinausging. Es war Anfang der 30er-Jahre, als die Juden auf einmal Die Ergebnisse des Projekts, das sich mit der Aufarbeitung nicht mehr auf der gleichen Parkbank sitzen durften und dieser strafrechtlichen Verfolgung bis in das Jahr 1973 be- als die Juden dann auf einmal nur nach 17 Uhr einkaufen schäftigte, sind einzigartig für ein Flächenland. Es schließt durften. Das konnte man alles hinnehmen. Es gab dann ja eine Lücke in der Forschung zur Geschichte unseres Lan- noch etwas für die Juden zu kaufen. Sie konnten ja noch des und seiner Region. Von dieser Lücke gibt es noch auf einer anderen Bank sitzen. einige zu schließen. Sie zu schließen bedeutet auch, die Gegenwart zu beeinflussen. Erinnerung bedeutet mehr als Als dann aber auf einmal die Juden den Stern tragen muss- bloße Rückschau. Sie ist verbunden mit dem Auftrag, Ver- ten und gar nicht mehr ihre Geschäfte öffnen durften, als antwortung zu übernehmen: Verantwortung dafür, dass es sie zusammengetrieben und in Ghettos gesammelt wur- nie wieder geschehen darf, dass Menschen aufgrund ihrer den, da veränderte sich etwas: Viele Menschen waren Religion, ihrer Herkunft, ihrer sexuellen Orientierung und gleichgültig, hatten zu lange gezögert und hatten nicht ihrer Identität ausgegrenzt, verfolgt und getötet werden. ausreichend hingesehen. Meine Damen und Herren, das ist die Verantwortung, die uns heute auferliegt. Das darf Daher darf es, wie es Bundespräsident Frank-Walter Stein- uns nicht noch einmal passieren. meier in Yad Vashem sagte, keinen Schlussstrich unter das Erinnern geben. Zahlreiche Initiativen und Institutio- (Beifall im Hause) nen in diesem Land halten das Erinnern am Leben. Ich danke stellvertretend der Landesarbeitsgemeinschaft der In seiner Rede hat ein ehemaliger KZ-Häftling in Ausch- Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit und witz am vergangenen Montag gesagt, er möchte nicht ihrem Vorsitzenden des Sprecherrats, Dieter Burgard, der mehr über Schuld reden. Er möchte auch nicht mehr dar- auch hier ist, aber auch all den Ehrenamtlichen, die sich in über reden, was ihm geschehen ist oder was er aushalten ihren Heimatorten für Stolpersteinprojekte einsetzen und musste. Er möchte darüber reden, was wir als zukünftige die Historien und Biografien recherchieren, um die Opfer Generation mitnehmen sollen. Er sagte: Niemals dürfen in unsere Mitte zurückzuholen und sie nach Hause zurück- wir – er sagte es in Englisch – indifferent, also gleichgültig, kommen zu lassen. sein. Niemals mehr dürfen wir zu lange zögern, zu lange wegsehen und nichts unternehmen. Das ist unsere Ver- antwortung, die uns heute besonders als Deutsche in der Der Bundespräsident sagte in seiner Rede auch, dass es ganzen Welt auferliegt. ihm so scheine, als würden wir die Vergangenheit besser als die Gegenwart verstehen. Lassen Sie uns heute mit (Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS diesem Antrag die Brücke schlagen, der historischen und 90/DIE GRÜNEN) gleichzeitig der politischen Verantwortung nachkommen, nämlich auf rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Deshalb ist es wichtig, dass wir im Landtag darüber spre- Akzeptanz hinzuwirken und den Menschen in den Vorder- chen und wir für alle Gruppen, die damals in den industri- grund zu rücken, egal, wo er herkommt, egal, woran er ellen Massenmord, entmenschlicht wie Vieh in Waggons glaubt, und egal, wen er liebt. in Konzentrationslager gebracht und dort erbärmlich ab- geschlachtet wurden, darauf achten, dass das nicht noch Vielen Dank. einmal passiert und wir früh genug die Augen offen halten.

6684 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

Wir kennen alle dieses Zitat, das bei uns früher im Landtag en zwischen unserer auf dem Grundgesetz basierenden hing, im Moment in der Verwaltung hängt und uns sicher- freiheitlichen Demokratie und der verbrecherischen NS- lich bald wieder im Landtag jeden Tag vor Augen sein wird. Diktatur gezogen werden. Das erscheint unangemessen, Wir dürfen niemals vergessen, was unsere Demokratie vor allem aber relativiert es die ungeheuerlichen Verbre- wert ist und dass alle hier auf Augenhöhe leben dürfen, chen der Nazis und dürfte in dieser drastischen Zuspitzung egal welcher Gruppe, welcher Religion, welcher sexuellen keineswegs im Interesse der damals wie heute betroffenen Orientierung oder welchen sonstigen Menschengruppen, Opfer sein. wo sie herkommen, sie angehören. Es gab in den Nachkriegsjahrzehnten zweifellos problema- Meine Damen und Herren, das verbindet uns hier heu- tische personelle Kontinuitäten zum sogenannten Dritten te. Deshalb unterstützen wir als CDU-Fraktion uneinge- Reich, wie gerade die juristische Behandlung Homosexu- schränkt diesen Antrag. eller gezeigt hat. Aber auch jenseits dessen waren die seinerzeitigen gesellschaftlich-moralischen Rahmenbedin- (Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS gungen in und außerhalb Deutschlands durchaus unter- 90/DIE GRÜNEN) schiedlich zu heute und unterlagen seitdem vielfältigen Entwicklungen.

Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Insgesamt gilt es für die Bundesrepublik Deutschland je- Für die AfD-Fraktion spricht Fraktionsvorsitzender Junge. doch bitte festzuhalten, dass wir in einem Rechtsstaat leben, in dem Homosexuelle die gleichen Bürgerrechte ha- ben wie alle anderen, und das ist gut so. Letzteres gilt es Abg. Uwe Junge, AfD: auch ohne jede Einschränkungen zu verteidigen, ist doch die Situation in vielen Ländern dieser Erde völlig anders, Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen wenn man etwa an die massiven Verfolgungen von Homo- und Kollegen! Der 27. Januar ist der Gedenktag zur Be- sexuellen, beispielsweise in islamischen Staaten, denkt. freiung des KZ Auschwitz, das wie kein anderer Ort für den Zivilisationsbruch des Holocausts steht. Ein solches Auch wenn sich Geschichte niemals in Gänze wiederholt, Verbrechen darf sich nie mehr wiederholen und der Völker- so können hieraus wertvolle Lehren für die Verhinderung mord an den Juden niemals relativiert werden. von Unrecht, Leid und Verbrechen gezogen werden. Doch die Erinnerung an das geschichtlich Gewordene im Positi- Das ist zu Recht seit Langem einer der Grundsätze unse- ven wie Negativen ist nur ein unverzichtbarer Baustein rer gemeinsamen Erinnerungskultur. Dabei sind auch die zur Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Es muss anderen Opfer der Nazibarbarei nicht zu vergessen; denn auch eine Verinnerlichung unseres gemeinschaftlichen jedes Opfer verdient es, dass seines Schicksals gedacht Werte- und Normensystems geben, damit dieses aus in- wird. Ziel des Erinnerns ist es, das Schicksal aller Opfer im nerer Überzeugung von der großen Mehrheit mitgetragen Bewusstsein der Menschen wachzuhalten, ohne ein einzi- wird. Nicht zuletzt bedarf es selbstverständlich der Mei- ges zu relativieren. Diesen Formulierungen können wir als nungsfreiheit, der Toleranz und stetiger demokratischer AfD-Fraktion aus innerster Überzeugung zustimmen. Diskussionen.

Die Mahnung zur Erinnerung an die nationalsozialistische Trotz einer grundsätzlich begrüßenswerten Intention kön- Schreckensherrschaft gilt für die Deutschen ebenso wie für nen wir den vorliegenden Antrag dennoch nicht unterstüt- Polen, Russen, Franzosen und viele andere Nationalitäten. zen; denn er beschränkt sich nicht darauf, die Verbrechen Sie gilt für Frauen ebenso wie für Männer, für Homosexuel- der NS-Zeit zu benennen und eine dazu angemessene le wie für Heterosexuelle, für Arbeiter ebenso wie für Intel- Erinnerungskultur einzufordern, sondern er leitet über Ana- lektuelle sowie Angehörige anderer sozialer Schichten. Sie logien gesellschaftspolitische Implikationen ab, die wir so gilt für Sinti und Roma und auch für alle Euthanasieopfer. nicht mittragen können. Sie gilt auch für sämtliche Opfer, die wegen ihrer Weltan- schauung verfolgt wurden: für Christen, für Atheisten, für Das gilt beispielsweise für die geforderte Zustimmung zum katholische Priester wie für protestantische Pfarrer oder für Landesaktionsplan „Rheinland-Pfalz unterm Regenbogen“ Zeugen Jehovas oder Freimaurer, für Sozialdemokraten oder die Forderung nach einer vollständigen Gleichstellung und Kommunisten ebenso wie für Liberale, Konservative und Akzeptanz – meine Damen und Herren, Akzeptanz oder die Rechtsopposition um Oberst Schenk Graf von und nicht Toleranz – queerer Lebensweisen. Solche For- Stauffenberg und die Männer des 20. Juli. Wir sind ihnen derungen aufzustellen, die nicht zuletzt religiös und welt- allen Gedenken und Respekt schuldig. anschaulich begründete Überzeugungen betreffen und die deshalb bei Weitem nicht von allen Bürgern geteilt werden, Jedes Opferschicksal steht für sich, auch wenn die Opfer halten wir in einer pluralistischen Gesellschaft für nicht oft aufgrund der perfiden Ideologie des Regimes allein angemessen. aufgrund der ihnen zugeschriebenen Gruppenzugehörig- keit inhaftiert, drangsaliert oder getötet wurden. Gerade Die zweifelhafte Vermischung einseitiger ideologischer Ein- weil jedes Opfer für sich steht und ein würdiges Geden- stellungen mit den uns allen verbindenden erinnerungspo- ken verdient, verbietet sich auch die Instrumentalisierung litischen Überzeugungen bedauern wir sehr; denn damit einzelner Opfer oder Opfergruppen für gegenwärtige politi- machen Sie es uns nicht nur unmöglich, diesem Antrag sche Ziele. zuzustimmen, sondern erweisen auch, wie wir glauben, insgesamt dem wichtigen Anliegen Ihres Antrags einen Dies gilt erst recht, wenn allzu plakativ Verfolgungsanalogi- Bärendienst.

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Die AfD-Fraktion wird sich deshalb der Stimme enthalten. bemüht. Ein Teil dessen ist die Wanderausstellung „Ver- schweigen – Verurteilen“, die wir im Abgeordnetenhaus zu (Beifall der AfD) sehen bekamen.

Lassen Sie mich stellvertretend für die vielen Initiativen Vizepräsidentin Astrid Schmitt: und Projekte zur geschichtlichen Aufarbeitung jenem Bür- Für die FDP-Fraktion spricht Fraktionsvorsitzende Willius- gerrechtler danken, der unermüdlich unterwegs ist, um für Senzer. ein vielfältiges Rheinland-Pfalz zu kämpfen. Ohne Joachim Schulte wäre vieles vielleicht noch gar nicht geschehen.

Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ich bin froh, dass SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch die CDU in diesem Antrag dazu auffordern, die Frau Präsidentin, vielen Dank. – Meine Damen und Herren, Bildungs- und Gedenkarbeit fortzusetzen, die Aufarbeitung dieser Tage erinnere ich mich an ein Buch von Christopher regionalspezifisch fortzuführen und auf vollständige rechtli- Isherwood, die sogenannten Berlin Stories, ins Deutsche che Gleichstellung hinzuwirken. übersetzt: „Leb wohl, Berlin“. Das ist ein sehr berühmter Stoff. Sie waren doch auch die Grundlage des Musicals Das verbindet uns Demokratinnen und Demokraten. Wir „Cabaret“. Isherwood zeichnete in diesem im Jahr 1939 verstehen unsere Geschichte als Auftrag. Diejenigen, die erschienenen Buch ein Bild von der Stadt und deren Ge- eine „erinnerungspolitische Wende“ fordern, handeln ge- sellschaft, die er selbst von 1929 bis 1933 kennenlernte. schichtsvergessen und öffnen den Extremen Tür und Tor. Wir bieten dem die Stirn und kämpfen für die offene Ge- Dazu zählen auch die Charaktere in dem Buch, Peter und sellschaft. Otto, ein homosexuelles Paar, das vor dem Hintergrund des Erstarkens der Nationalsozialisten unter Druck gerät. Ich danke Ihnen. So selbstverständlich Peter und Otto ihren Platz in diesem Roman finden, hatten Homosexuelle auch ihren Platz im (Beifall der FDP, der SPD, des BÜNDNIS Berlin der späten 20er- und frühen 30er-Jahre. 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU)

In Berlin hielt damals eine Libertinage Einzug, die es viel- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: leicht sogar zu einem internationalen Hotspot homosexu- ellen Lebens machte. Aber wie Isherwood im Jahr 1933 Ich würde gerne noch eine Begrüßung nachholen. Ich schnell aus Berlin verschwand, so verschwand auch die freue mich, dass der Vorsitzende der Landesarbeits- Selbstverständlichkeit homosexuellen Lebens in Berlin. gemeinschaft der Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard, bei uns ist. Herzlich will- Sie schlug mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten kommen! radikal um. Die NS-Diktatur verfolgte, deportierte, entwür- digte und tötete zahlreiche Homosexuelle. Sie führte im (Beifall im Hause) September 1935 den § 175 im Reichsstrafgesetzbuch ein, und 1941 folgte ein Erlass, der Homosexualität in Polizei Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Pia und SS mit der Todesstrafe belegte, da – ich zitiere – „alle Schellhammer das Wort. Angehörigen der SS und Polizei Vorkämpfer im Kampfe um die Ausrottung der Homosexualität im deutschen Volke sein müssen“. Abg. Pia Schellhammer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Die NS-Diktatur erfasste über 100.000 Männer auf soge- Herren! Wir sprechen heute über einen Antrag, der sich nannten Rosa Listen, verurteilte etwa 50.000 nach § 175 mit dem Gedenken an die Verfolgung der Homosexuellen und steckte einige in psychiatrische Anstalten und etwa unter der NS-Diktatur befasst, aber auch das Leid thema- 10.000 in Konzentrationslager, von denen die Hälfte auch tisiert, das diese Opfergruppe im Gegensatz zu anderen dort verstarb. Opfergruppen auch noch in der Bundesrepublik erleiden musste. Im Lager mussten die Männer den sogenannten Rosa Win- kel tragen, der sie als Homosexuelle kennzeichnete. Das Um das beispielhaft zu verdeutlichen, möchte ich Ihnen war gleichbedeutend damit, dass man sich in der Lager- eine Geschichte erzählen. Eine Geschichte von Willi Heck- hierarchie ausgegrenzt und ganz unten befand. mann, einem Musiker. Er wurde im Juli 1937 nach ei- nem Auftritt verhaftet und in die Gestapo-Zentrale in Mün- Auch nach Kriegsende bestand der § 175 fort. Viele Män- chen überführt. Der Vorwurf lautete: Homosexualität. Wahr- ner wurden auf dessen Grundlage für das verurteilt, was scheinlich aufgrund einer Denunziation. sie waren. Das beschämt mich. Es beschämt mich, dass eine Rechtsnorm in der Fassung des Reichsstrafgesetz- Er wird ohne Verfahren in Schutzhaft genommen und in buchs noch viele Jahrzehnte nach Kriegsende Teil unserer das KZ Dachau eingewiesen. Später kommt er, 1939, Bundesrepublik war. in das KZ Mauthausen. Wie die meisten „Rosa-Winkel- Häftlinge“ wird er der Strafkompanie im Steinbruch zuge- Doch wir dürfen das nicht verdrängen. Es ist deshalb teilt mit dem Ziel der Umerziehung durch Schwerstarbeit. gut, dass Rheinland-Pfalz sich seiner Geschichte bewusst wird und sich mit wissenschaftlicher Hilfe um Aufarbeitung Willi Heckmann überlebte das KZ, gezeichnet von massi-

6686 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 ven körperlichen Schäden. Doch auch nach der NS-Zeit Das Gedenken an den Zivilisationsbruch aufrechtzuerhal- war das Leiden von Willi Heckmann nicht vorbei. 1960 wird ten ist unsere gemeinsame Aufgabe, und es ist unsere sein Antrag auf Wiedergutmachung abgelehnt mit der Be- gemeinsame Aufgabe, dass diejenigen, die die Erinne- gründung, er sei – ich zitiere – „nur als Homosexueller rungskultur zurückdrehen wollen, nie die Mehrheit erhalten wegen Verbrechens gegen § 175 StGB in Haft gehalten“ werden. worden. Im Bundesentschädigungsgesetz wird Homose- xualität als Verfolgungsgrund nicht anerkannt. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der An dieser Geschichte wird die Besonderheit der Opfergrup- CDU) pe der verfolgten Homosexuellen in der NS-Zeit deutlich. Wenn wir einen solchen Antrag vorlegen, müssen wir uns Sie erlitten unmenschliches Leid, wie viele andere Op- selbstverständlich auch mit dem Hier und Jetzt befassen; fer auch. Aber nach dem Krieg konnten und durften sie denn noch immer sind Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- darüber nicht sprechen, weil die Verfolgung immer noch und intersexuelle Menschen von Gewalt bedroht, von ver- anhielt. Für die Homosexuellen war das Dritte Reich im baler und körperlicher Gewalt. Homo- und Transfeindlich- Jahr 1945 nicht vorbei. keit gehören leider nicht der Geschichte an, und noch immer haben wir nicht die volle rechtliche Gleichstellung. Homofeindlichkeit und personelle Kontinuität in Polizei und Justiz führten zu einer nahtlosen Fortsetzung der Verfol- Das muss man immer wieder an dieser Stelle betonen, gung, und diese Schuld wiegt doppelt schwer. Somit kann und deswegen geht unser Engagement ich für meine Fraktion erneut die Entschuldigung ausspre- chen, die wir bereits im Jahr 2012 in diesem Hohen Hause (Glocke der Präsidentin) in einem Plenarantrag ausgedrückt haben. gegen diese Diskriminierung weiter. Das bedeutet auch, Deshalb ist es wichtig, dass wir uns die Schicksale der es ist ein Auftrag unserer Geschichte, den wir in diesem verfolgten Homosexuellen in der NS-Diktatur genau an- Antrag würdigen. Deswegen bitte ich alle, den Antrag zu schauen und sie genau aufarbeiten. Aber wir müssen uns unterstützen. auch anschauen, wie die Verfolgung danach weitergegan- gen ist. (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP und vereinzelt bei der Deshalb bin ich sehr dankbar, dass das Land Rheinland- CDU) Pfalz als allererstes Bundesland sich auch die Geschichte der verfolgten Homosexuellen nach 1945 angeschaut hat Vizepräsidentin Astrid Schmitt: und wir diese Aufarbeitung in einer Ausstellung im Foyer des Abgeordnetenhauses derzeit präsentiert bekommen. Ich erteile der fraktionslosen Abgeordneten Bublies-Leifert Wer dies noch nicht getan hat: Ich lade herzlich ein, sich das Wort. diese Ausstellung anzuschauen. Wir müssen wirklich an- erkennen, dass hier dieses Leid weitergegangen ist. Abg. Gabriele Bublies-Leifert, fraktionslos: Wir hatten am Montag eine sehr würdevolle Veranstaltung Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kol- in der Gedenkstätte Osthofen, die sich dieser Opfergruppe legen! Bevor ich mit meiner eigentlichen Rede beginne, gewidmet hat. Zum allerersten Mal, seit der Landtag die möchte ich Frau Ministerpräsidentin Dreyer, Herrn Profes- Gedenkveranstaltung zum Holocaust-Gedenktag hat, ha- sor Dr. Michael Schwartz sowie dem Landtagspräsidenten, ben wir diese Gedenkveranstaltung der Opfergruppe der Herrn Hering, für die würdige und zum Nachdenken an- Homosexuellen gewidmet. regende Gedenkveranstaltung am Montag in Osthofen danken. Solche Verbrechen dürfen auf gar keinen Fall Wie- Ich bin der absoluten Auffassung, dass diese Aufarbeitung, derholung finden. die Gedenkkultur nie zu Ende sein darf in diesem Bereich. Es läuft derzeit ein Forschungsprojekt, das sich anschaut, Mit Blick auf die Geschichte unseres Landes und unse- unter welchem Leid gerade lesbische Frauen auch noch rer Republik ist eine solche Gedenkveranstaltung bezüg- in der Bundesrepublik gelitten haben. Die Zahlen sagen, lich der im Dritten Reich ermordeten Homosexuellen nicht dass hier der Entzug des Sorgerechts von lesbischen Frau- nur ein gutes Zeichen, sondern natürlich längst überfällig. en eine erneute Schuld ist, die sich die Bundesrepublik Überfällig ist es aber auch, dass wir nicht nur bei den Lip- aufgeladen hat. penbekenntnissen bleiben, sondern auch aktive Zeichen setzen. Es sind Fälle noch von 1981 bekannt, dass lesbischen Frauen Kinder entzogen worden sind. Deswegen bin ich So richtig es ist, dass sich homosexuelle und transsexuelle sehr dankbar, dass diese Fälle wissenschaftlich fundiert Menschen inzwischen juristisch gegen Diskriminierungen aufgearbeitet werden und sie Raum finden. zur Wehr setzen können, so notwendig ist es auch, dass wir dieses bei uns hier im Hause endlich selbst beenden. Das Gedenken aufrechtzuerhalten ist unsere gemeinsame Am vergangenen Donnerstag besuchte ich eine Veranstal- Aufgabe als Demokratinnen und Demokraten, und dass es tung zum Thema des § 175 im Erbacher Hof, bei der unter nicht zu einer „180-Grad-Wende“ in der Erinnerungskultur anderem Herr Joachim Schulte, Sprecher des Netzwerks kommt, und dass nicht der Holocaust als ein „Vogelschiss“ QueerNet, sowie Herr Staatssekretär Fernis als Redner der deutschen Geschichte bezeichnet wird. vortrugen.

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Was ich dort erfahren musste, hat mich wirklich zutiefst Anne Spiegel, Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, erschüttert; denn noch immer haben wir, im Jahr 2020, in Integration und Verbraucherschutz: unserer Landesverfassung gleich zu Beginn Artikel 1, der Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, sich nach wie vor, seit Bestehen der Landesverfassung, un- meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern habe verändert auf die Verschärfung des Sittengesetzes durch ich in Neustadt an der Weinstraße einen Gedenkstein ein- die Nationalsozialisten von 1935 beruft. geweiht und am Grab eines Mädchens gestanden, das die Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin aus dem Abschnitt Nazis als Zwangsarbeiterin aus Polen verschleppt hatten „Die Einzelperson – Freiheitsrechte“: „Der Mensch ist frei. und mit nur zwölf Jahren in Rheinland-Pfalz gestorben ist. Er hat ein natürliches Recht auf die Entwicklung seiner Ein Mädchen, das sicherlich viele Hoffnungen und Träume körperlichen und geistigen Anlagen und auf die freie Ent- hatte und dessen Träume sich nie verwirklichen ließen. faltung seiner Persönlichkeit innerhalb der durch das na- Dieses Kind und die vielen weiteren Millionen Opfer, sie türliche Sittengesetz gegebenen Schranken.“ alle sind uns ein ewiges Mahnmal: Nie wieder!

Ich wiederhole: „durch das natürliche Sittengesetz gegebe- Dem Nazi-Terror sind auch Menschen zum Opfer gefal- nen Schranken“. Meine sehr geehrten Damen und Herren, len, die aufgrund ihrer sexuellen oder geschlechtlichen dieser Absatz ist nicht nur überholt, er ist auch ein Schlag Identität verachtet, geächtet, verfolgt und ermordet wurden. ins Gesicht aller homosexuellen, bi- und transsexuellen Ihrer haben wir Anfang dieser Woche in der Gedenkstätte Menschen in Rheinland-Pfalz. Auch die Unterpunkte 2 Osthofen gedacht. Wir dürfen nie vergessen, welch unbe- und 3 des Artikels 1 sind unter diesem Aspekt sehr kritisch schreibliche Grausamkeiten die Nazis damals begangen zu betrachten. haben.

Dass ich heute dieses erwähnen muss, obwohl seit dem In dem Buch „Die Männer mit dem Rosa Winkel“ schildert 21. Mai 1991, also seit fast 30 Jahren, der Ministerprä- Heinz Heger, der das KZ überlebt hat, wie ein Mann vor sident bzw. die Ministerpräsidentin von der SPD gestellt seinen Augen grausamst zu Tode gefoltert wurde, während wird, wir insgesamt mehr als 18 Jahre von der FDP mit- die betrunkenen SS-Männer über dessen Homosexualität regiert wurden sowie seit fast neun Jahren die Grünen in spotteten. Über die Zeit nach dem Krieg schreibt er – ich der Regierungskoalition vertreten sind, ist für mich ehrlich zitiere –: Ich wollte mein Studium wieder aufnehmen und gesagt absolut unbegreiflich. beenden, doch es fehlte mir an Kraft und Willen zu kon- zentriertem Lernen. Ich konnte die Grauenhaftigkeit der (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS KZ-Folterungen, die fürchterlichen und bestialischen Bru- 90/DIE GRÜNEN: Das ist die Verfassung! talitäten der SS-Schergen nicht mehr aus meinem Gehirn Dafür braucht man zwei Drittel!) verbannen und vergessen. –

Genau deswegen habe ich am 24. Januar, Herr Dr. Braun, Was uns neben der Grausamkeit heute noch immer fas- sungslos macht: Die strafrechtliche Verfolgung von schwu- (Glocke der Präsidentin) len Männern und die gesellschaftliche Diskriminierung von lesbischen Frauen gingen nach der Nazi-Diktatur nahtlos zu diesem Thema eine Kleine Anfrage an die Landesre- weiter. gierung gesandt. Ich hoffe, dass diese, wie auch meine heutige Rede, noch mehr zum Nachdenken anregen Über diese Verfolgung haben wir einen Forschungsbericht und die Ausstellung „Verschweigen – Verurteilen“ erstellen (Abg. Dr. Bernhard Braun, BÜNDNIS lassen. Sie wurde vorhin schon erwähnt. Sie ist derzeit im 90/DIE GRÜNEN: Das ist doch völlig Foyer des Abgeordnetenhauses zu sehen. verstrahlt!) und wir noch in dieser Legislatur ein deutliches Zeichen Basis war ein einstimmiger Landtagsbeschluss von 2012, setzen können. für den ich sehr dankbar bin. Der Landtagsbeschluss be- zog sich auf homosexuelle Menschen, aber auch Transi- (Glocke der Präsidentin) dente und intersexuelle Menschen wurden unter den Nazis getötet und in der Bundesrepublik geächtet. Auch an diese Wenn wir Toleranz und Akzeptanz für homo-, bi- – – – Ich müssen wir erinnern, und auch ihnen gilt die Entschuldi- komme zum Ende, Frau Präsidentin. gung der Landesregierung.

Wir müssen es auch selbst vorleben. Ändern wir die Lan- Homosexuelle Frauen wurden zwar nicht strafrechtlich ver- desverfassung, und beenden wir endlich abschließend folgt, aber gesellschaftlich ausgestoßen und galten als jahrzehntelanges Leid. Ich bin dafür bereit, und ich hoffe, asozial. Lesbische Mütter mussten um das Sorgerecht für Sie auch. Ich stimme dem Antrag zu. ihre Kinder fürchten, wenn sie ihren Ehemann verließen, um in einer Liebesbeziehung mit einer Frau zu leben. Hier- (Glocke der Präsidentin) zu werden wir im Herbst dieses Jahres einen von unserem Ministerium in Auftrag gegebenen Forschungsbericht vor- Ich danke Ihnen. stellen.

Diese Diskriminierung war mit dem Grundgesetz und den Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Menschenrechten zu keiner Zeit vereinbar. Daher ist es Für die Landesregierung spricht Staatsministerin Spiegel. gut, dass der Staat mittlerweile die Opfer rehabilitiert und

6688 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 entschädigt, auch wenn dies das Leid nicht ungeschehen AfD zugestimmt. machen kann. Wir kommen zu Punkt 19 der Tagesordnung: Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir müssen auch heute Homofeindlichkeit und Transfeindlichkeit ent- Den Verkehr von Morgen schon heute denken – schieden entgegentreten. Ich bin den Fraktionen von Gesamtkonzept von Worms bis SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und auch Antrag der Fraktion der CDU der CDU-Fraktion sehr dankbar, dass sie sich für weitere – Drucksache 17/11115– Forschungs- und Gedenkarbeit aussprechen. Für die CDU-Fraktion spricht der Fraktionsvorsitzende Ich freue mich in diesem Zusammenhang auch sehr, dass Baldauf. die Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz hier sehr aktiv ist und Projekte zu den bislang weniger berücksichtigten Opfergruppen unterstützen will. So zu Abg. Christian Baldauf, CDU: den von den Nationalsozialisten sogenannten Asozialen und Berufsverbrechern, deren Verfolgung bislang eben- Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! falls zu wenig untersucht wurde. Genauso wichtig sind Brücken und Straßen in unserem Land sind mehr als nur Informationsmaterial und pädagogische Konzepte, um die Bauwerke oder geteerte Flächen. Brücken und Straßen Erinnerung an alle Opfer wachzuhalten und der wieder sind Wirtschaftsförderer, sind Entwicklungsbeschleuniger, zunehmenden Diskriminierung und Ächtung von Minder- Versorgungsgrundlage, Tourismuswegweiser, sie sind die heiten entgegenzuwirken. Verbindung zwischen Menschen, sie sind Lebensadern für Rheinland-Pfalz. Diesen Herausforderungen stellen sich bereits jetzt in her- vorrgender Weise die Fachkräfte an den landeseigenen Doch rheinland-pfälzische Brücken und Straßen bröckeln. Gedenkstätten in Osthofen und Hinzert sowie lokale und Das bedroht die wirtschaftliche Entwicklung unseres Lan- regionale Erinnerungsinitiativen, wie beispielsweise in Neu- des. Obwohl Brücken und Straßen Grundlage unserer Wirt- stadt an der Weinstraße. schaft und unserer Wertschöpfungsketten sind, wurden sie in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt. Bislang ebenfalls eher stiefmütterlich behandelt ist die Er- forschung der Täterinnen und Täter. Wie konnte und kann (Beifall der CDU) es dazu kommen, dass aus sogenannten normalen Män- nern und Frauen Handlanger und Mörder eines Unrecht- Was passiert, wenn es in den Lebensadern nicht fließt, ver- systems werden? Vielen Dank auch an das Wissenschafts- anschaulichen uns Problembrücken im Land, in Mainz mit ministerium – an Konrad Wolf und Denis Alt –, das hierzu der Dauerbaustelle Schiersteiner Brücke, dem Nadelöhr in Projekte unterstützen wird. Richtung Wiesbaden, und der gegenwärtig für den Pkw- und Lkw-Individualverkehr gesperrten innerstädtischen Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass manche Theodor-Heuss-Brücke, in Koblenz mit Bauarbeiten und Menschen die unfassbar grausamen Naziverbrechen re- Teilsperrungen an drei wichtigen Brücken, in Speyer mit lativieren und den Nationalsozialismus als „Vogelschiss der Sperrung der Salierbrücke und in Ludwigshafen mit in über 1000 Jahre erfolgreicher deutscher Geschichte“ der Hochstraße Süd. bezeichnen, zeigt uns, wie wichtig es ist, Geschichte auf- zuarbeiten, und wie wichtig es ist, der Opfer zu gedenken; Die Folgen sind immer die gleichen: kilometerlange Staus, Verkehrschaos, lange Umwege, Zeitverlust und dadurch (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, erhöhte Kosten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig der SPD, der CDU und der FDP) zu erkennen, dass die Verkehrsprobleme von Worms bis Speyer und somit in der gesamten Metropolregion Rhein- denn wie hat Fritz Bauer, der hessische Generalstaatsan- Neckar nicht erst durch die Sperrung der Hochstraße Süd walt, der ebenfalls homosexuell war, gesagt – ich zitiere –: entstanden sind. „Nichts gehört der Vergangenheit an, alles ist noch Gegen- wart und kann [auch] wieder Zukunft werden.“ (Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. Zugleich ist aber die Hochstraße Süd das beste Beispiel dafür, dass wir unsere Verkehrspolitik grundsätzlicher an- (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, packen müssen. Selbst wenn die Hochstraße in weniger der SPD, der CDU und der FDP) als 15 Jahren wieder aufgebaut wird, sind die Probleme keinesfalls gelöst. Es folgen die Hochstraße Nord und weitere Brücken wie die Frankenthaler Brücke oder die Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Kurt-Schumacher-Brücke. Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Wir kom- men damit zur Abstimmung über den Antrag – Drucksache Doch während hier noch Bauzeitverkürzungen herbeige- 17/11116 –. Wer diesem Antrag seine Zustimmung geben wünscht werden, weiß man in der Rhein-Neckar-Region, möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. dass das Grundproblem viel tiefer liegt. Die bestehende Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Dann wurde diesem Infrastruktur und Verkehrsplanung sind nicht auf die ver- Antrag mit den Stimmen der SPD, der CDU, der FDP und änderte Nutzung moderner Mobilitätsformen ausgelegt: des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der auf eine stärkere Inanspruchnahme des öffentlichen Per-

6689 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 sonennahverkehrs, deutlich schwerere Fahrzeuge, länge- – Ja, auch in Berlin sind wir nicht so weit wie die in Finn- re Pendlerstrecken – die Ansprüche an unsere Straßen, land. Schienen und Brücken haben sich stark verändert. Was die Metropolregion jetzt braucht, ist deshalb ein neues, ein Die Umsetzung eines entsprechenden Beschlusses des ganzheitliches Verkehrskonzept. Landtags, der auf unseren Antrag zurückgeht, steht noch aus. Wir fragen uns natürlich: Wann kommt diese Platt- (Beifall der CDU) form, Herr Minister?

Statt kurzfristiger Abhilfe müssen wir Politiker eine lang- Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sprechen fristig tragbare Lösung anstreben. Wenn wir eine Mobi- in unserem Antrag vom Bereich Worms bis Speyer. Doch litätswende erreichen wollen, dürfen wir 2030 nicht den die Metropolregion Rhein-Neckar setzt dabei nur exempla- Anforderungen von 2020 gerecht werden, sondern müssen risch ein Zeichen für ganz Rheinland-Pfalz. Das Brücken- weiter in die Zukunft denken. problem kennt nämlich jede Region. Die Kolleginnen und Kollegen aus Rheinhessen und Koblenz wissen, von was Ein modernes Verkehrskonzept für die Rhein-Neckar- ich rede. Deshalb ist es auch der erste Schritt für eine ent- Region beinhaltet deshalb mehrere Elemente. Zwei davon sprechende Aufforderung an die Landesregierung, Worms möchte ich ansprechen; denn sie stehen für die ganze bis Speyer als Erstes in den Fokus zu nehmen. Bandbreite an Maßnahmen, die es braucht. Wir fordern die Landesregierung auf, einen moderierten Die CDU-Fraktion appelliert heute, dass der Landtag der Dialogprozess zu starten. Es braucht den gesellschaftli- Einschätzung vieler Experten und vor allem auch der hei- chen und politischen Rückhalt für eine weitere Querung, mischen Betriebe folgt, die Region von Worms bis Speyer ansonsten werden uns Bürgerinitiativen das Leben schwer braucht eine neue Rheinquerung. machen, wie auch Verbandsklagen und weitere Probleme.

(Beifall der CDU) (Beifall der CDU)

Zur Wahrheit gehört, dass eine zusätzliche Rheinbrücke Die Landesregierung hat dazu die Aufgabe, diesen Pro- die Probleme in Ludwigshafen natürlich nicht alleine lösen zess einzuleiten und zu moderieren. Eine zusätzliche kann, doch sie ist Teil der Lösung. Das hat die Landes- Rheinbrücke kann nur in enger Abstimmung mit den an- regierung bestätigt. Deshalb sollte die Frage nicht lauten: liegenden Kommunen, mit den Betroffenen funktionieren. Hochstraße oder Brücke, sondern Hochstraße und Brücke. Das hat uns das Beispiel von Altrip gelehrt und viele ande- re Beispiele in Deutschland auch, bei denen es mehr um (Beifall der CDU) Verhinderung als um Planung und Umsetzung geht.

Wenn wir auf die zweite Rheinbrücke bei Wörth schauen, Zum Schluss möchte ich noch einer Sache vorgreifen, sehen wir, Planungen – das ist schon fast sarkastisch – Herr Minister, bevor Sie sagen, dies seien alles kommuna- brauchen Zeit. Sie dauern sogar sehr lange. Deshalb muss le Brücken, das Land habe damit nichts zu tun, sie seien der Findungsprozess auch jetzt beginnen. Am 23. Oktober der Macher. Der Anspruch der CDU-Landtagsfraktion an haben Sie selbst, Herr Kollege Wissing, im Plenum verlau- den Verkehrsminister des Landes Rheinland-Pfalz ist ein- ten lassen – ich zitiere –: „Ich halte als Wirtschafts- und deutig: Sie müssen Ihre Kommunen nicht nur unterstützen, Verkehrsminister Rheinquerungen grundsätzlich für eine wenn eine Brücke vom Einsturz gefährdet ist, sondern Verbesserung und für sinnvoll.“ auch dann, wenn es um die Zukunft der Verkehrsinfrastruk- tur geht. Wir sind gespannt, ob es bei Worten bleibt oder Sie auch Taten folgen lassen. Heute haben Sie die Gelegenheit da- Das wünschen wir uns von einem Verkehrsminister, einem zu. Visionär, der sein Handwerk versteht, statt eines Feuer- wehrmanns, der immer dann eintrifft, wenn es schon zu (Beifall bei der CDU) spät ist. Ich meine, da haben Sie noch viel Luft nach oben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Mobilität der Herzlichen Dank. Zukunft wird aus ganz unterschiedlichen Verkehrsangebo- ten bestehen. Das wissen wir alle, und das müssen wir (Beifall der CDU) vorantreiben. Deshalb beinhaltet das von uns vorgeschla- gene Konzept auch die Inbetriebnahme einer Verbund- und länderübergreifenden Plattform. Analoge Lösungen Vizepräsidentin Astrid Schmitt: und digitaler Fortschritt sind untrennbar miteinander ver- Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Benedikt bunden. Oster. (Beifall der CDU) Abg. Benedikt Oster, SPD: In der von uns geforderten App sollen alle Verkehrsange- bote verbunden und in einem Schritt gebucht werden. Wir Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist ei- haben uns das in Finnland schon bereits vor zwei Jahren gentlich wie immer: Sie zeichnen zu Beginn ein Bild von sehr eindrücklich und interessiert zeigen lassen. der Verkehrsinfrastruktur von Rheinland-Pfalz, dass einem eigentlich bereits angst und bange werden könnte. Mei- (Zuruf aus dem Hause) ne Damen und Herren, da sage ich zu Beginn klar und

6690 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 deutlich, dem muss widersprochen werden. Wir haben in Meine Damen, meine Herren, Ihrer Forderung nach einer Rheinland-Pfalz sicher befahrbare Straßen und Brücken. einheitlichen Plattform oder auch neue Angebote im Indivi- Wir investieren so viel Geld wie noch nie zuvor. Das ist dualverkehr noch mehr zu stärken, ist im Grundsatz nicht gut so. Sie sollten nicht immer versuchen, die Bürgerinnen zu widersprechen. Ich glaube, da sind wir nahe beieinan- und Bürger zu verunsichern. der.

Lassen Sie mich zu Ihrem konkreten Antrag kommen, Herr Aber auch hier gilt, die Landesregierung setzt den Platt- Baldauf, den Sie gestellt haben. Die ersten beiden Absätze formgedanken im Verkehrsbereich schon um. Ich gebe des Antrags sind mit Blick auf die Überschrift sachfremd drei Stichworte: die Datenplattform Delphi, der Webdienst und ergeben keinen Zusammenhang. Es werden einfach im Radverkehr oder das Baustelleninformationssystem. Begriffe aus dem Verkehrssektor nebeneinandergestellt und dann noch mit der Hochstraße in Ludwigshafen ver- bunden. Meine Damen und Herren, das ist am Ende des Weiterhin erhoffe ich mir natürlich persönlich durch den Tages nicht zielführend. Mobilitätskonsens oder das Projekt „ROLPH“ noch mehr Synergieeffekte. Die Definitionen in dem Antrag, welche Region Sie jetzt genau meinen und welcher Sie helfen möchten, erschließt Abschließend ist festzuhalten: Liebe CDU, aus meiner sich mir auch bei mehrmaligem Durchlesen Ihres Antrags Sicht hätte man vielleicht, bevor man einen Schnellschuss nicht. abgibt, einfach einmal zum Hörer greifen und schauen sol- len, ob man gemeinsam etwas auf den Weg bringt; denn (Zuruf des Abg. Christian Baldauf, CDU) so ist der Region sehr wenig geholfen. (Beifall der SPD, der FDP und des Einmal sprechen Sie von Worms bis Speyer, dann spre- BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – chen Sie explizit nur von der Situation in Ludwigshafen. Abg. Christian Baldauf, CDU: Das ist (Heiterkeit des Abg. Christian Baldauf, ungefähr so wie bei dem Antrag davor!) CDU: Wo liegt denn Ludwigshafen?) Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Am Ende sprechen Sie dann in Ihrem Antrag von der Me- tropolregion. Das greift viel zu kurz. Eine seriöse Verkehrs- Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Dr. Bollinger. politik sollte in meinen Augen für das ganze Land aus einem Guss gestaltet werden. Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ihre Forderungen nach einem Gesamtkonzept für die Me- Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Her- tropolregion wird doch bereits längst umgesetzt. Die Lan- ren! Kurz zu Ihrem Vortrag, Herr Kollege Oster: Wir haben desregierungen aus Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden- erst kürzlich ausführlich im Wirtschaftsausschuss über den Württemberg arbeiten länderübergreifend eng zusammen traurigen Zustand der Brücken und Straßen in Rheinland- und eben mit den Beteiligten vor Ort. Pfalz gesprochen. Ich glaube, daran gibt es nichts zu be- schönigen, das brauchen Sie erst gar nicht zu versuchen. Kommen wir auf Ihre Forderung nach mehr Brücken zu sprechen. Mit Ihrer Festlegung, dass entlang der Rhein- (Abg. Benedikt Oster, SPD: Falsche Zahlen schiene generell einige Brücken mehr benötigt werden, ist haben Sie genannt!) der Region zwischen Worms und Speyer, die Sie explizit erwähnen, nicht geholfen. Dies einmal nur am Rande er- Aber ich komme nun zum CDU-Antrag. „Den Verkehr von wähnt. morgen schon heute denken“ ist ein schöner Leitspruch und Antragstitel. Wenn man allerdings den darunter ste- Dass wir weitere Brücken in der besagten Region brau- henden Antrag der CDU-Fraktion durchgelesen hat, muss chen, ist nicht zu bestreiten. Die Landesregierung hat dies man feststellen, dass die CDU den Verkehr von morgen im letzten Plenum deutlich gemacht, und es wird in einer heute noch nicht sehr weit gedacht hat. Da liest man Kleinen Anfrage von Ihnen auch noch dokumentiert. Selbstverständlichkeiten, etwa, die Wirtschaft unseres Lan- des und die Bürgerinnen und Bürger sind auf eine leis- Aber zu glauben, man könne eine Brücke wahllos ohne tungsfähige Infrastruktur angewiesen. Da liest man Sa- Beteiligung und Einbindung der Menschen vor Ort irgend- chen, die bereits seit Monaten bekannt sind, etwa, durch wohin bauen, entbehrt jeglicher fachlicher Vernunft. die Sperrung der Fahrbahnen sowie die nicht vorhandene Querbarkeit unterhalb der Hochstraße Süd verschlimmer- (Heiterkeit des Abg. Martin Brandl, CDU – te sich die Verkehrssituation für alle Verkehrsteilnehmer Abg. Christian Baldauf, CDU: Lesen bildet!) (inklusive ÖPNV, Radverkehr und Fußgänger).

Sie wissen genauso gut wie ich, dass es vor Ort noch Da liest man aber auch Forderungen von gestern, etwa die keine Einigkeit über den genauen Standort gibt. Forderung, eine verbund- und länderübergreifende Platt- form für den ÖPNV zu entwickeln. Inzwischen sind die Altrip haben Sie auch angesprochen. Hier liegen die Pla- Angebote aller in Rheinland-Pfalz tätigen Verkehrsverbün- nungen aufgrund regionaler Beschlüsse auf Eis. Aus die- de, zum Beispiel über die Internetpräsenz der Deutschen sem Grund wurde die Brücke nicht in den Bundesverkehrs- Bahn und über die App der Deutschen Bahn, abrufbar. wegeplan aufgenommen. Dort stehen auch Echtzeitdaten zur Verfügung. Nach letz-

6691 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 tem Stand sind die Angebote von 32 Verkehrsverbünden Rheinbrücke nun zu seinem eigenen machen. in Deutschland über die DB-Internetpräsenz und die App verfügbar. (Zurufe von der SPD: Sie haben die falsche Rede!) Ich weiß, dass sich die Verkehrsministerkonferenz mit der – Ja, wenn Sie den Plenardiskussionen keine Aufmerksam- Schaffung von Datenschnittstellen zwischen den Verkehrs- keit schenken, dann kann ich das für Sie nicht erledigen. verbünden beschäftigt hat. Eine solche Schnittstelle gibt Das tut mir leid. es nun wohl offensichtlich. Inwieweit die Landesregierung daran beteiligt war, entzieht sich meiner Kenntnis; so, wie Meine Damen und Herren, gegen ein Gesamtverkehrs- ich Herrn Staatsminister Wissing kenne, wird er es uns konzept für die Metropolregion Rhein-Neckar kann sich aber gleich sicher nicht verheimlichen, wenn die Landesre- sinnvollerweise niemand stellen. Aber aus dem Antrag wird gierung einen Beitrag dazu geleistet hat. nicht deutlich, was denn dabei das Mehr wäre gegenüber der bestehenden Regionalplanung des Verbandes Rhein- Fakt ist aber auch, dass außerhalb von Rheinland-Pfalz Neckar. viele Verkehrsverbünde offensichtlich noch nicht beteiligt sind. Auch in der Regionalplanung gibt es übrigens eine umfang- reiche Bürgerbeteiligung. Komplizierter wäre außerhalb Meine Damen und Herren, eine weitere Rheinbrücke in der der Regionalplanung auf jeden Fall die Zusammenarbeit Metropolregion Rhein-Neckar ist ein Anliegen auch unse- mit den Nachbarländern. Die Interessen aller Verkehrsteil- rer AfD-Fraktion. Eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung der nehmer zu berücksichtigen, egal, ob sich diese per Auto, IHK kam bereits 2010 zu dem Schluss, dass eine Rhein- Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß fortbewegen, wird nicht brücke im Bereich Altrip ein sehr gutes Nutzen-Kosten- nur im vorliegenden Antrag gefordert, es ist auch die Pro- Verhältnis von 5,3 habe. Eine Tunnellösung wurde damals grammatik der AfD. Es fehlt uns aber ein Hinweis darauf, übrigens ausgeschlossen. dass es insbesondere die Interessen der Autofahrer sind, die im Zuge der sogenannten Verkehrswende immer mehr Seitdem ist allerdings nichts mehr in Richtung einer wei- vernachlässigt werden. teren Rheinbrücke passiert, und auch die CDU hat das Thema erst nach dem Hochstraßendesaster wieder ent- Meine Damen und Herren, der vorliegende Antrag enthält deckt. eine richtige und wichtige Sache, nämlich die Forderung nach einer zusätzlichen Rheinbrücke bei Ludwigshafen. Die Ampel der Landesregierung blinkt hier in allen Farben Der Antrag enthält aber auch eine veraltete Forderung, gleichzeitig, und zwar in interessanten Farbkombinationen: die nach einer länderübergreifenden Plattform für den Rot gibt vor, auf Grün zu stehen. So forderte die Minister- ÖPNV. Schließlich enthält der Antrag einige Forderungen, präsidentin im September eine weitere Rheinquerung bei die noch weiter konkretisiert werden müssten. Deshalb Ludwigshafen. Freilich hat sie darüber hinaus nichts für würden wir vorschlagen, diesen Antrag im Verkehrsaus- die Umsetzung des Projekts getan. schuss weiter zu besprechen.

Grün steht auf Rot: Der Fraktionsvorsitzende Dr. Braun Vielen Dank. persönlich fährt der Ministerpräsidentin in die Parade und sagt, wir Grünen haben uns schon immer ausdrücklich (Beifall der AfD) gegen den Bau einer dritten Rheinbrücke positioniert, und es gibt keinen Anlass, das infrage zu stellen. Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Und Gelb? – Verkehrsminister Wissing gab sich diesbezüg- Für die Fraktion der FDP spricht der Abgeordnete Steven lich in der Fragestunde der 91. Plenarsitzung am 23. Ok- Wink. tober wieder einmal als Sphinx. Ja, das Projekt sei grund- sätzlich zu begrüßen, und nein, er sehe keinen Bedarf, die involvierten Akteure im Interesse des Landes Rheinland- Abg. Steven Wink, FDP: Pfalz an einen Tisch zu bringen, um es zu ermöglichen. Der Minister wird nach eigenem Bekunden bei wichtigen Verehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kolle- Angelegenheiten persönlich bei der EU-Kommission in gen! Dass eine gut funktionierende Infrastruktur für unser Brüssel vorstellig; der Weg zu seinem eigenen Koalitions- Land und für die Menschen wichtig ist, darüber sind wir partner in Ludwigshafen und im Rhein-Pfalz-Kreis ist ihm uns fraktionsübergreifend einig. Wir müssen Mobilität aber aber zu weit, wie es aussieht. ganzheitlich sehen, und dafür dürfen wir – auch wenn es in der Pfalz liegt – nicht nur von Speyer nach Worms denken. (Zuruf von der SPD: Was erzählen Sie denn da? – Die FDP steht für eine ökologische und ökonomische Lö- Abg. Martin Haller, SPD: Ich weiß sung, die Gesundheit, Arbeit und den freien Willen der überhaupt nicht, wovon Sie da gerade Menschen im Blick hat. So gestaltet man Zukunftsstrategi- reden! – en für die Mobilität in unserem Land. Zuruf von der SPD: Das weiß er selber nicht!) Die Mobilität hat viele Facetten, eine davon ist auch der Nahverkehr. Viele Menschen in unserem Land wünschen Meine Damen und Herren, im Interesse der Bürger in sich einen zentralen Verantwortlichen im Nahverkehr, eine der Rhein-Neckar-Region sollte der Landtag das Projekt Anlaufstelle für Mobilität, einen Bezugspunkt, an dem man

6692 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 sich über die Möglichkeiten, um von A nach B zu kommen, die Hauptproblematik und die Herausforderung in Baden- informieren kann. Württemberg liegt durch die Klage der Stadt Karlsruhe.

Wir haben bereits letztes Jahr eine Antwort darauf ge- Zum Ende darf ich sagen, wir gehen als Ampelkoalition geben, und diese Antwort nennt sich ROLPH. Liebe Kol- diesen Weg weiter, weil die Weichen für die Zukunft ge- leginnen und Kollegen, bei ROLPH gibt es übrigens die stellt wurden, und das ist gut so. Möglichkeit der Fahrplanauskunft. Vielen Dank. Wir Freien Demokraten stehen für freien Individualverkehr (Beifall der FDP, der SPD und des und geben auch dem Radverkehr, ebenfalls ein Bereich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) des Individualverkehrs bzw. des ÖPNV, Rückenwind. Ein Beispiel hierfür ist die Kooperation von Bund und Ländern beim Radtourenplaner Deutschland. Das Land Rheinland- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Pfalz koordiniert dieses Projekt. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat die Abge- ordnete Blatzheim-Roegler das Wort. Darüber hinaus wurde zur fachlichen Begleitung des Rad- verkehrsentwicklungsplans 2030 der Runde Tisch „Radver- kehrsentwicklungsplan Rheinland-Pfalz 2030“ eingerichtet. Abg. Jutta Blatzheim-Roegler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Der runde Tisch besteht aus ca. 30 ausgewählten Perso- NEN: nen. Insgesamt werden im Rahmen des runden Tisches zehn Handlungsfelder behandelt, darunter auch das Rad- Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und verkehrsnetz. Wie Sie sehen können, ist im Bereich Rad- Herren! Wenn man Ihren Antrag durchliest, könnte man verkehr vieles in Bewegung, und so wird es auch bleiben. schon beim Titel geneigt sein, ihn zu ergänzen: „Den Ver- kehr von morgen schon heute denken“, aber mit den Re- Während die Kolleginnen und Kollegen der CDU dabei zepten von gestern. Das ist mir als Erstes eingefallen, als sind, den Verkehr von morgen heute denken zu wollen, ich den Antrag einmal quer durchgelesen habe. sind wir bereits dabei, den Verkehr von morgen schon um- zusetzen. Dabei müssen logischerweise die Bedürfnisse (Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und Herausforderungen der einzelnen Regionen und Men- Liebe CDU, wenn Sie heute fordern, dass man doch schon schen bedacht werden. Doch diese Anstrengung nur für einmal die Projekte für den nächsten Bundesverkehrswe- den Raum Worms bis Speyer aufzubringen, wäre ineffi- geplan in zehn Jahren vormerken soll, beweisen Sie, dass zient. Es laufen bereits einige Projekte des Landes und Sie wirklich nicht weiterdenken. Das Instrumentarium des des Bundes, um die Mobilität der Zukunft zu gestalten. Wir Bundesverkehrswegeplans – das sagen auch Experten diskutieren über Carsharing. Wir haben in der Fragestunde aus Ihren Reihen – war schon bei seiner letzten Beratung die Frage über die verbauten Mittel in Rheinland-Pfalz dis- nicht mehr das geeignete Instrument, um den Mobilitäts- kutiert. Wir haben über ROLPH diskutiert, wir diskutieren anforderungen von heute nachzukommen, auf Straße, auf über Schnellradwege, über Radfahrpläne. Wir diskutieren Schiene, auf dem Wasser. über Technologieoffenheit in Bezug auf den Individualver- kehr, und wir werden irgendwann auch über das NVG, das Bei den Straßen gab es ein Wünsch-dir-was ohne Ende. Nahverkehrsgesetz, sprechen, um den Rheinland-Pfalz- Schienenprojekte aus Rheinland-Pfalz hatten null Chance, Takt weiter zu stärken und noch zukunftsfähiger zu ma- und auch die Wasserwirtschaft war am Ende des Kanals. chen. Ich nenne nur das Beispiel Moselschleusen. Und so wollen Sie weiterwurschteln? Was für ein Armutszeugnis! Ich kann in meiner Rede nur exemplarisch einige Punkte aufzählen. Eigentlich waren wir schon einmal etwas weiter, und dazu verweise ich auf den gemeinsamen Antrag im Plenum vom Ein Mobilitätskonsens entsteht eben nicht von heute auf 16. November 2017. morgen – ich sage das ausdrücklich, weil Sie das in Ihrem Antrag erwähnen –, gerade weil die Öffentlichkeit an solch Ich sage Ihnen noch etwas: Wenn jetzt Andreas Scheuer, einem Konzept in der Vergangenheit beteiligt wurde. Des- wie heute in der Presse zu lesen war, um die Ecke kommt halb müssen wir die gesamten ergriffenen Maßnahmen und ein extra Milliardenprogramm auflegt für mehr Bahnen erst einmal wirken lassen und dann den weiteren Weg und Busse, dann ist das gut, gar keine Frage. Aber es abwägen. zeigt doch auch, dass eine Gesamtstrategie fehlt: Auf der einen Seite der überblähte Bundesverkehrswegeplan, auf Was die ganzen Brücken betrifft, verweise ich auf die Dis- der anderen Seite jetzt die Busse und Schienen. Das hätte kussion in der vorletzten Plenarsitzung, in der wir aus- man auch damals schon haben können. führlich über alle Brücken im Land gesprochen haben, Zusammenfassung von Sanierungen aufgrund der Wirt- Aber natürlich werden wir in Rheinland-Pfalz zusehen, schaftlichkeit etc. dass wir das Geld, das wir nach dem Schlüssel bekom- men, auch gut anlegen können. Herr Baldauf, wenn Sie die zweite Rheinbrücke bei Wörth ansprechen, enttäuscht es mich etwas, dass Sie die Situati- Ich sage noch ein Weiteres: Geld allein reicht nicht. Es on, wie wir sie derzeit vorfinden, dem rheinland-pfälzischen wäre Herrn Scheuer vielleicht auch einmal geraten, sein Verkehrsminister vorwerfen; denn wir alle wissen, dass Personal im Ministerium aufzustocken, weil ich jetzt schon

6693 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 höre, dass die Anträge von Gemeinden, die Straßenbah- zei Rheinland-Pfalz, der 22. Bachelorjahrgang. Seien Sie nen bauen wollen, sehr lange dauern bzw. auf Halde lie- uns herzlich willkommen! gen. (Beifall im Hause) Interessant bei Ihrem Antrag ist auch, dass Sie von Ihrer immer geforderten Rheinquerung bei Altrip ein Stück weit Wir freuen uns über Mitglieder des Ortsverbands Mainz- zurückrudern. Na ja, klar, Sie wissen mittlerweile auch, Oberstadt sowie des Kreisverbands der Mainzer Grünen dass eine Querung dort nicht möglich wäre. Sie war es im von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auch Ihnen ein herzli- Übrigen auch nie. Eine weitere Autobrücke bei Altrip über ches Willkommen! den Rhein in einem Naturschutz- und Naherholungsge- biet würde der Region massiv schaden. Aber es ist schön, (Beifall im Hause) dass Sie gemerkt haben, dass sich dort inzwischen auch Leute angesiedelt haben. In direkter Nähe gibt es nämlich Jetzt spricht für die Landesregierung Staatsminister Wohngebiete. Das haben Sie jetzt festgestellt, und das ist Dr. Wissing. Ihre Argumentation, weshalb Sie in dieser Angelegenheit zurückrudern. Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Offensichtlich in völliger Unkenntnis der Situation jenseits Landwirtschaft und Weinbau: der Region zwischen Worms und Speyer heißt es in Ihrem Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! So ganz Antrag: „Sie“ – also die Brücke – „steht exemplarisch für nachvollziehen konnte ich nicht, was uns hier vorgelegt ganz Rheinland-Pfalz,“ – wow – „da in allen Landesteilen wird. Es heißt, man will ein Gesamtkonzept, der Verkehr an der Rheinschiene weitere Brücken benötigt werden.“ soll ganzheitlich gedacht werden, und dann steht darin, man will eine Lösung von Worms bis Speyer. Wir als Lan- Vielleicht wohnen inzwischen aber auch in anderen Lan- desregierung arbeiten an einem Gesamtkonzept, aber für desteilen an der Rheinschiene Menschen, die auch keine das gesamte Bundesland Rheinland-Pfalz. Offensichtlich Brücke vor der Nase haben wollen. Das ist eine völlig billige ist das für die CDU zu groß. Da hat sie den Überblick ver- Forderung. Kommen Sie doch einmal an in der Zeit, in der loren. nicht der Autoindividualverkehr das Prä hat, sondern be- darfsorientierte und lärmreduzierte Mobilität. Wenn Sie für (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE ganz Rheinland-Pfalz gute Mobilitätsbedingungen schaf- GRÜNEN) fen wollen, sollten Sie sich vielleicht auch wirklich einmal mit ganz Rheinland-Pfalz befassen. Jedenfalls finde ich es auch bemerkenswert, was die CDU unter „machen“ versteht. Eine CDU-Oberbürgermeisterin Aber ich fürchte, ich nächsten Plenum kommen Sie ver- hinterlässt in Ludwigshafen zwei marode Brücken, die mutlich mit einem Copy-and-paste-Antrag zu Brücken am Hochstraßen, und die CDU sagt, das Beste wäre, man Mittelrhein, an der Lahn, an der Ahr und an der Unter- und würde sich jetzt noch mit dem Bau einer Rheinbrücke in Obermosel, wobei wir jetzt an der Mittelmosel bedient sind. Ludwigshafen befassen, so als hätte man mit dem Aufräu- men der vernachlässigten Verkehrsinfrastruktur durch Frau Zu Ihren Forderungen: Das ist ein Sammelsurium. Ohne Oberbürgermeisterin Lohse in Ludwigshafen nicht schon jetzt auf jede Ihrer Forderungen noch einmal einzugehen, genug zu tun. wissen Sie doch selbst, dass vieles schon von der rot- grün-gelb getragenen Landesregierung umgesetzt wird (Zuruf von der SPD: So ist es!) oder sich in der Umsetzung befindet und es nicht wirklich substanziell ist. Wir haben das nationale Haltestellenver- Jetzt kümmern wir uns darum, und dann sagt die AfD, ihr zeichnis. DELFI wurde schon angesprochen. Das sind sollt machen. Die AfD meint, das Beste für Ludwigsha- auch nicht alles Sachen, die nur das Land macht. Es ist fen wäre jetzt – so habe ich das herausgehört –, wenn auch der Bund dabei. Aber Infos in Echtzeit zum Nahver- der Minister nach Ludwigshafen fahren und alle, die sich kehr machen wir. irgendwie zu Verkehr äußern wollen, zum Kaffeetrinken einladen würde, mit denen ein solches Kaffeekränzchen (Glocke der Präsidentin) abhalten und einmal diskutieren würde, ob dort nicht eine Rheinbrücke gebaut werden könnte. Der Mobilitätskonsens ist mit viel Aufwand durchgeführt worden. Wir machen ein neues Nahverkehrsgesetz. Wir (Heiterkeit bei der AfD – Grüne sind jederzeit für die Fortentwicklung von Mobilitäts- Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das habe ich angeboten, aber bitte mit ein bisschen mehr Niveau als es so nicht gesagt!) der vorliegende CDU-Antrag zu bieten hat. Das kann man alles machen, aber wenn Sie dort eine (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Rheinbrücke wollen, dann ist es schon ein bisschen merk- SPD) würdig, dass Sie sagen, der Minister soll heute im Land- tag damit beginnen. Das ist schon rein physisch schwer vorstellbar, aber die grundlegende Frage ist doch: Wenn Vizepräsidentin Astrid Schmitt: es sich bei dieser Rheinbrücke um eine Bundesstraße Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, freue handelt, warum sprechen Sie nicht, Herr Kollege Baldauf, ich mich, dass wir weitere Gäste bei uns begrüßen dürfen. einfach einmal mit ihrem Parteikollegen Scheuer in Berlin Zum einen sind das Studierende der Hochschule der Poli- darüber?

6694 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

(Abg. Martin Haller, SPD: Eine werden noch über das neue Nahverkehrsgesetz in diesem hervorragende Frage!) Hause sprechen.

Damit wären wir schon bei den Angriffen auf die Landesre- Wir haben in Rheinland-Pfalz in der Tat einen Bedarf gierung. Es bleibt dann nicht viel übrig. Wenn Sie sich das an sehr guter Verkehrsinfrastruktur, weil wir das export- Thema „Machen“ vornehmen – das haben wir heute Mor- stärkste Bundesland sind. Herr Kollege Baldauf, das wären gen schon gehört, ich habe das in der Fragestunde schon wir nicht, wäre die Verkehrsinfrastruktur in Rheinland-Pfalz beantwortet –, wir haben gemacht, nämlich 187 Stellen seit nicht so gut; denn exportieren kann man nur, wenn man die dem Jahr 2016 beim Landesbetrieb Mobilität geschaffen. Güter, die man hier produziert, auch tatsächlich über gu- Deswegen haben wir es in diesem Jahr auch geschafft, te Verkehrsinfrastrukturen in die Weltmärkte hinausbringt. mehr Straßenbaumittel abzurufen, als wir selbst gedacht Das gelingt der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz sehr gut. Da- hätten und als uns der Bund zur Verfügung gestellt hat. mit dürfte die These, die Verkehrsinfrastruktur sei nicht Als uns das einmal nicht gelungen ist, hat die CDU gesagt, geeignet, um den Wirtschaftsstandort international aufzu- seht ihr, ihr bekommt nichts hin. Es wäre eigentlich anstän- stellen, auch widerlegt sein. dig gewesen, dass Sie heute sagen, wir müssen zugeben, in Rheinland-Pfalz wird tatsächlich gemacht. Wir haben in Rheinland-Pfalz vieles gemacht, was das (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE Thema „Plattformen“ angeht. Die Landesregierung arbei- GRÜNEN) tet intensiv an der Bereitstellung von Grundlagendaten für innovative Informationsdienste, etwa die deutsche Da- Aber gut, lassen wir es einmal so stehen. Jedenfalls ma- tenplattform für den öffentlichen Verkehr (DELFI) und das chen wir auch sonst ganz viel in Rheinland-Pfalz. Wir ha- zentrale nationale Haltestellenverzeichnis. Beispiele sind ben den LBM ertüchtigt. Wir investieren enorme Summen. auch die Echtzeitdatendrehscheibe für Rheinland-Pfalz, Der Landesbetrieb ist hoch schlagkräftig, und auch dort, Webdienste im Bereich des Radverkehrs und der Radver- wo Kommunen sichtbar mit Projekten überfordert sind und kehrsinfrastruktur sowie hochaktuelle Baustellensperrinfor- man ihnen auch schwierige Dinge hinterlassen hat, helfen mationen über alle Baulastträgerebenen. Wir sind in vielen wir. In Ludwigshafen unterstützen wir die Oberbürgermeis- Punkten sogar Vorreiter in Deutschland. terin aufzuräumen. Dort gehen wir energisch vor. Wo wir Planungsbeschleunigung unterstützen können, tun wir das Alle Dienste bauen auf einem länderübergreifenden Ansatz auch im Bundesrat. Das sind die entscheidenden Dinge. auf, der für die Metropolregion von besonderer Bedeutung ist. Der Betrieb einer Plattform zur Buchung von Angeboten Ich glaube nicht, dass den Ludwigshafenern geholfen ist, fällt allerdings nicht in die Zuständigkeit der Landesregie- wenn der Verkehrsminister seine Zeit mit Kaffeetrinken rung. Auch da muss ich den Vorstoß zurückweisen. Das ist verbringt. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemandem da- besser von kommerziellen Anbietern und eben nicht vom mit geholfen ist, wenn ich in den nächsten 30 Jahren dort Staat zu leisten. eine zweite Rheinbrücke baue, anstatt die Hochstraßen zu sanieren. Deswegen ist das Brückenprojekt ein Thema, Als Wirtschaftsminister will ich an der Stelle sagen, für das politisch diskutiert werden muss. Es ist aber nichts, mich gilt das Subsidiaritätsprinzip: lieber privat als Staat an was den Ludwigshafenern konkret hilft, um jetzt in dieser dieser Stelle. Wir fangen in der Tat nicht an, der Wirtschaft schwierigen Verkehrssituation weiterzukommen. An der Konkurrenz zu machen, indem wir eigene App-Angebote Stelle sind tatsächlich Macher gefragt wie beispielsweise machen. Das können die Kommerziellen besser. Außer- Frau Oberbürgermeisterin Steinruck mit der Unterstützung dem ist es immer gut, wenn so etwas im Wettbewerb ent- der Landesregierung von Rheinland-Pfalz. steht und nicht auf der Grundlage staatlicher Planung. Man nennt es Marktwirtschaft. (Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Meine Damen und Herren, Sie wollen die beste Mobilität Wir haben auch gemeinsam schon einiges versucht auf von Worms bis Speyer. Wir wollen sie für ganz Rheinland- den Weg zu bringen. Aber jedenfalls war der Antrag, der Pfalz. Deswegen bleiben wir bei unserem Kurs: Der LBM einmal gemeinsam hier verabschiedet worden ist, wesent- wird weiterhin personell sehr gut ausgestattet. Wir haben lich besser. Er war auch wirklich ganzheitlich gedacht. im Übrigen, was den Infrastrukturausbau angeht, kein Um- Er hat sich nämlich nicht nur mit einer Region, sondern setzungsproblem, was daran scheitert, dass irgendetwas mit ganz Rheinland-Pfalz beschäftigt. Dann ist es immer nicht in Angriff genommen wird, sondern das große Pro- schlau, wenn man auch die Bürgerinnen und Bürger mit blem ist, dass keine Kapazitäten am Baumarkt mehr vor- einbezieht. handen sind und die Planungszeiten in Deutschland so lange dauern, dass wir als Verkehrsministerinnen und Ver- Beim Mobilitätskonsens haben wir das getan und sie be- kehrsminister in ganz Deutschland das Problem haben, fragt. Die Ergebnisse fließen natürlich auch in die Ver- dass wir die hohen Infrastrukturmittel, die uns zur Verfü- kehrspolitik ein. Ich glaube, es ist ein extrem modernes gung stehen, mit großer Not ausgegeben bekommen. und zeitgemäßes Konzept, die Bürgerinnen und Bürger zu fragen, wie ihr euch eigentlich eure Mobilität vorstellt, und Deswegen werden wir uns auch weiterhin dafür einsetzen, nicht die Diskussion zu führen, ob die Politik lieber Auto dass diese auf bundespolitischer Ebene anzusiedelnden oder ÖPNV will. Wir sagen, wir wollen Mobilität für jedes Probleme gelöst werden. individuelles Bedürfnis in Rheinland-Pfalz schaffen: Rad- wege, gute Verkehrswege und natürlich auch ÖPNV. Wir Vielen Dank.

6695 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE che unterschiedlicher Meinung sein und unterschiedliche GRÜNEN) Punkte herausnehmen, bei denen man sagt, ja, sie sind vielleicht so oder so besser. Wir sind nicht die Allwissen- den. Das hat keiner gesagt, aber es war ein Ansatz in Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Richtung Planungsbeschleunigung. Wer hat denn diesen Es liegen zwei Kurzinterventionen, von den Abgeordneten Antrag abgelehnt, meine sehr geehrten Damen und Her- Baldauf und Dr. Bollinger, vor. Herr Baldauf beginnt. ren? Das waren doch Sie. Sie werden mir nicht erzählen wollen, dass Ihre FDP den abgelehnt hat, ohne dass Sie mit Ihnen vorher Rücksprache gehalten hat. Abg. Christian Baldauf, CDU: (Beifall bei der CDU) Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Her- ren! Ich bin immer wieder überrascht: Wir machen einen Vorschlag, den wir extra auf eine kleine Region herunter- So kenne ich nämlich Ihre FDP: Die machen das, was Sie gebrochen haben, damit es auch der Wirtschaftsminister wollen. Also haben sie ihn abgelehnt. versteht Schauen Sie, wir haben es jetzt wirklich ein bisschen spä- (Zurufe von der SPD und der ter und ich wollte mich heute auch gar nicht mehr aufregen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Oh! – Abg. Martin Haller, SPD: Wie arrogant!) (Zurufe von der SPD: Oh!) und damit er auch weiß, wie man so etwas umzusetzen Aber Sie müssen bitte wirklich endlich einmal dazu kom- hat. Dann erklären wir das in aller Sachlichkeit, und dann men, auch einmal die Realität zu sehen. Damit auch alle, kommt der Herr Minister und stellt sich hier hin und macht die auf der Tribüne zuhören, das wissen: Der Herr Minister so, wie wenn er es a) alles erfunden hätte, b) nur Schuldzu- schiebt einen Investitionsstau bei den Straßen von über weisungen bringen kann und c) sowieso alle nicht wissen. 1 Milliarde Euro vor sich her. Der Herr Minister hat Straßen in diesem Land, die nicht funktionieren. Der Herr Minister Jetzt sage ich Ihnen einmal etwas, wenn Sie auf Frau baut Umgehungsstraßen gerade einmal so, wie er es will. Lohse gehen: Frau Steinruck hat Frau Lohse in Schutz genommen. Da war gar nichts mehr. Wie kommen Sie jetzt (Unruhe bei SPD, FDP und BÜNDNIS auf die Idee, dass die Oberbürgermeisterin aus Ludwigs- 90/DIE GRÜNEN) hafen, die Vorgängerin, schuld ist? Er macht mehr als seine Vorgängerin. Das kann ich Ihnen (Zuruf von der SPD: Weil sie jahrelang sagen. Das ist richtig. Aber er macht aus meiner Sicht nichts gemacht hat!) nicht genug; denn er hat in den letzten Jahren sogar Geld Frau Steinruck macht ihren Job ordentlich. Fertig. an den Bund zurückgegeben. Meine sehr geehrte Damen und Herren, das ist die Wahrheit. Ich erwarte von Ihnen Nummer 2: Herr Wissing, ich erzähle Ihnen lieber nicht, etwas mehr Inhalt und etwas mehr Nachdenklichkeit bei was mir Andi Scheuer zu dem Gespräch mit Ihnen gesagt Anträgen, die Ihnen helfen und Ihnen nicht schaden, Herr hat. Ich sage es Ihnen lieber nicht, aber soviel kann ich Minister. Ihnen sagen: Er hat sich nicht darüber gefreut, dass Sie von dem Gespräch zurückgefahren sind und in Rheinland- (Glocke der Präsidentin) Pfalz lauthals verkündet haben, der Bund übernimmt alles mit, obwohl er Ihnen klipp und klar gesagt hat: Ja, der Das geht so nicht. Nicht alles, was Sie sagen, ist richtig, Bund tritt mit ein, was er nicht müsste – im Übrigen das und alles, was wir sagen, ist falsch. Das wäre ein Bes- Land auch nicht, weil es irgendwann einmal kommunal serwisser. Ich kann Ihnen nur sagen, die Menschen, die heruntergestuft worden ist –, in den Staus stehen, bekommen nur von uns gesagt, ihr braucht heute kein Frühstück, ihr beißt in euer Lenkrad. (Ministerpräsidentin Malu Dreyer: Ja eben, Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist die Reali- hallo!) tät in Rheinland-Pfalz. wenn Sie eine Planung vorlegen und er weiß, um was es Herzlichen Dank. geht, welche Kostenschätzungen da sind und nicht, wenn irgendwie ins Blaue hinein etwas behauptet wird. (Beifall der CDU und bei der AfD)

(Beifall bei der CDU) Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Sie haben sich hier hingestellt und erzählt, es wäre al- les zugesagt. Das ist nicht in Ordnung, Herr Minister. Da Herr Minister, wenn Sie einverstanden sind, ist es üb- müssen Sie schon ein bisschen mehr bringen. Das haben lich, zunächst die zweite Kurzintervention dazuzunehmen. Sie uns hier nicht so erzählt. Ich hätte normal nichts mehr Dann hätten Sie 6 Minuten, um auf beide zu antworten. gesagt, wenn wir einfach über die Planungsvereinfachung Oder möchten Sie direkt antworten? – Sie dürfen direkt. und -beschleunigung geredet hätten. Bitte schön.

Dann haben wir im letzten Plenum einen Antrag zur Pla- nungsbeschleunigung eingereicht. Man kann in der Sa- Dr. Volker Wissing, Minister für Wirtschaft, Verkehr,

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Landwirtschaft und Weinbau: ben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! – Danke schön. Gegenstimmen? – Danke schön. Enthaltungen? – Herr Kollege Baldauf, ich kann und will gar nicht zu vorge- Danke schön. Damit ist der Antrag mit den Stimmen der rückter Stunde alles richtigstellen, was Sie gesagt haben. SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen Nur ein Punkt: Meine Vorgängerin als Verkehrsminister die Stimmen der CDU und bei Stimmenthaltung der AfD war ein Mann. abgelehnt. (Heiterkeit im Hause – Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/DIE (Abg. Christian Baldauf, CDU: Oh, das war GRÜNEN – knapp! So ein Mist aber auch! – Abg. Christian Baldauf, CDU: Da sehen Sie Heiterkeit bei SPD, FDP und BÜNDNIS mal, wie das mit den Geschlechtern 90/DIE GRÜNEN) zwischenzeitlich ist!) Ich rufe Punkt 20 der Tagesordnung auf:

Vizepräsidentin Astrid Schmitt: Bildungswende 2021: Zu frühe Einschulung gefährdet Bildungserfolg unserer Kinder – Zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich dem Abge- Elternwillen stärken, mehr Flexibilität ermöglichen ordneten Dr. Bollinger von der Fraktion der AfD das Wort. Antrag der Fraktion der AfD – Drucksache 17/11118– Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Für die AfD-Fraktion spricht der Abgeordnete Frisch. Frau Präsidentin, vielen Dank. Herr Dr. Wissing, im Land- tag besteht offensichtlich mit Ausnahme der Grünen Ei- nigkeit, dass diese dritte Brücke bei Ludwigshafen ge- Abg. Michael Frisch, AfD: braucht wird, und zwar unabhängig von dem Ludwigshafe- Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! ner Brückendesaster. Die IHK-Studie aus dem Jahr 2010 Ich zitiere aus der Kommentarspalte der Online-Petition sieht dieses Brückenprojekt bei Altrip als wünschenswert „Stoppt die Früheinschulung in Rheinland-Pfalz“: „Ich bin an. Die Oppositionsparteien, die Ministerpräsidentin und Lehrerin und sehe immer wieder, wie wichtig es ist, den Sie selbst haben diese Brücke als wünschenswert bezeich- Familien mehr Entscheidungsspielraum in Bezug auf den net. Einschulungszeitraum zu geben bzw. den Druck auf Fami- lien zu verringern.“ Wenn wir jetzt wissen, dass diese Brücke auf Landesebene wichtig ist, aber an kommunalen Widerständen scheitert, Dieser Eintrag trifft den Nagel auf den Kopf; denn natürlich dann liegt es doch nahe, mit den Kommunen zu sprechen kennen Eltern ihr Kind in dieser frühen Lebensphase am und zu eruieren, woran es scheitert, und idealerweise zu besten. In der Frage der Einschulung sollte deshalb der einer Lösung zu kommen. Das heißt nicht, dass wir dann Elternwille maßgeblich sein, und er muss angesichts der ein Kaffeekränzchen abhalten sollen, sondern es geht um bestehenden Situation unbedingt gestärkt werden. Information, Diskussion und zielorientierte Arbeit. Dabei ist Kaffee sicherlich nicht verkehrt, aber er sollte nicht im (Vizepräsident Hans-Josef Bracht Mittelpunkt stehen. übernimmt den Vorsitz)

Vielen Dank. Um was geht es konkret? In Rheinland-Pfalz unterliegen alle Kinder, die bis zum 31. August das 6. Lebensjahr (Beifall der AfD) vollendet haben, im selben Jahr der Schulpflicht. Nur aus gesundheitlichen Gründen ist eine Rückstellung möglich. Aufgrund dieser Regelung sind einige Kinder bei ihrer Ein- Vizepräsidentin Astrid Schmitt: schulung erst fünf Jahre, andere gerade erst sechs Jahre Wird die Erwiderung gewünscht, Herr Dr. Wissing? – Nein. alt.

Gut, dann kommen wir zur Abstimmung über den Antrag. Viele Eltern der zwischen dem 1. Juli und dem 31. August Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, Herr Dr. Bol- geborenen Kinder wünschen sich daher die Freiheit, selbst linger, haben Sie Ausschussüberweisung beantragt. entscheiden zu können, ob ihr Kind schulreif ist oder nicht, um gegebenenfalls eine Schulrückstellung zu veranlassen. (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ja!) Die Petition „Stoppt die Früheinschulung in Rheinland- Dann würden wir zunächst über diese Ausschussüberwei- Pfalz“ greift diesen Wunsch auf und erfährt dabei sehr sung abstimmen. Wer der Ausschussüberweisung seine große Unterstützung. Bis heute wurde sie von fast Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Hand- 12.500 rheinland-pfälzischen Bürgern unterzeichnet. zeichen! – Gegenstimmen? – Danke schön. Damit ist die Ausschussüberweisung mit den Stimmen der SPD, der Nicht schlüssig ist bisher die Haltung der Landesregierung, FDP, des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der CDU gegen die dem Elternwillen beim Übergang von der Grundschule die Stimmen der AfD abgelehnt. auf eine weiterführende Schule höchste Priorität einräumt, diesem aber in der Frage der Einschulung nicht den ge- Wir stimmen über den Antrag – Drucksache 17/11115 – ringsten Spielraum gewährt, obwohl es hier nur um eine selbst ab. Wer dem CDU-Antrag seine Zustimmung ge- zweimonatige Übergangsregelung geht.

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(Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE unseren Müttern und Vätern durchaus zu, dass sie die für GRÜNEN: Das ist nicht wahr!) ihr Kind richtige Entscheidung treffen.

Zweifellos kennen Eltern in dieser frühen Lebensphase ihr (Beifall der AfD) Kind am besten und sollten daher selbst festlegen dürfen, ob ihr Kind auch dann eingeschult wird, wenn es erst im Wir fordern daher die Landesregierung auf, sich dem be- Juli oder August sechs Jahre alt wird. Mit einer solchen rechtigten Anliegen der Eltern nicht weiter zu verschließen Regelung bestünde die Möglichkeit, dem individuellen Ent- und ihnen in Zukunft die volle Entscheidungsfreiheit bei wicklungsstand eines Kindes mehr Rechnung zu tragen, der Schulrückstellung ihrer zwischen dem 1. Juli und dem als dies zurzeit geschieht. 31. August geborenen Kinder zu überlassen.

Ziel muss es nämlich sein, dass jedes Kind in der Schule Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit. erfolgreich ist. Eine zu frühe Einschulung kann hier ein Hindernis darstellen; denn jedes Kind ist anders. Deshalb (Beifall der AfD) bildet die Petition ein berechtigtes Anliegen der Eltern ab. Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Die AfD-Fraktion hat bereits im Oktober 2019 eine Münd- liche Anfrage hierzu eingereicht. Die Bildungsministerin Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Fuhr für die verwies in ihrer Antwort auf die Schulpflicht, die generelle Fraktion der SPD. Regelungen erfordere, und auf Beschlüsse der Kultusmi- nisterkonferenz. Das überzeugt jedoch in keiner Weise; (Abg. Alexander Fuhr, SPD: Und der denn eine flexible Regelung ist durchaus umsetzbar, wenn Koalition!) der politische Wille vorhanden ist. Abg. Alexander Fuhr, SPD: So hat Bayern im Jahr 2019 eine solche Regelung mit einem Einschulungskorridor für Kinder beschlossen, die Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die AfD hat zwischen Juli und September ihren 6. Geburtstag feiern. einen Antrag eingebracht – keinen Gesetzentwurf, son- Ähnliche Regelungen haben zuletzt auch Niedersachsen dern einen Antrag –, mit dem eine Schulgesetzänderung im Jahr 2018 und Baden-Württemberg im Jahr 2019 getrof- auf den Weg gebracht werden soll. Ich will zu Anfang beto- fen. Interessanterweise war dabei die SPD in Niedersach- nen, dass wir selbstverständlich in der Koalition das Thema sen als Regierungspartei unmittelbar an der Umsetzung und die Betroffenen ernst nehmen und auch im ständigen beteiligt. Kontakt und Austausch mit Eltern, Erzieherinnen und Lehr- kräften sind. Hier in Rheinland-Pfalz dagegen betreibt die SPD-geführte Landesregierung eine Blockadehaltung. Das ist inkonse- Wenn man den Antrag sieht, gilt es zu prüfen, welche quent und ein Ärgernis, insbesondere für die betroffenen Sachargumente vorgetragen werden, die begründen sol- Eltern und Kinder. Des Weiteren verteidigt Ministerin Hubig len, dass man diesem Antrag folgen und ihn umsetzen ihre ablehnende Haltung mit der Begründung, Forschungs- soll. Dann ist eben die Frage, ob es der AfD gelingt, eine ergebnisse zur Beschulung jüngerer Kinder in Deutschland Problemlage zu beschreiben oder auch zu belegen. ergäben kein eindeutiges Bild. Zunächst fällt auf, es gibt eine Reihe von Aspekten und Punkten, die Sie nicht berücksichtigen und mit denen Sie Wörtlich erklärte sie jedoch auch – ich zitiere –: Es gibt Stu- sich in Ihrem Antrag nicht beschäftigen, zum Beispiel das dien, die auf mögliche Nachteile hinweisen. – Das, verehrte Thema der Problemlage der Fünfjährigen. Schauen wir auf Frau Ministerin, macht Ihre Argumentation nun vollends den Schulbeginn in diesem Jahr, es ist der 14. August. Im unverständlich; denn wenn es auch nur den geringsten Ver- nächsten Jahr ist es der 27. August. In den darauffolgen- dacht gibt, die jetzige Regelung könne unseren Kindern den Jahren ist der Schulbeginn Anfang September. schaden, dann ist es höchste Zeit, sie zu ändern. Dann müssen wir den Eltern im Sinne des Kindeswohls größere Wir sprechen also von möglicherweise Fünfjährigen, die Flexibilität einräumen. eingeschult werden; in diesem Jahr sind sie noch zwei Wo- chen fünf Jahre alt, im nächsten Jahr vier Tage. Danach Immerhin wurden beispielsweise in Niedersachsen zuletzt haben wir gar keine mehr, weil der Schulbeginn nach dem 1.700 Schüler im Jahr unter Bezugnahme auf eine solche 31. August liegt. Option zurückgestellt, sodass man auch in Rheinland-Pfalz von einer relevanten Größenordnung ausgehen muss. Da- (Abg. Michael Frisch, AfD: Dafür wollen wir für lohnt es sich, das Schulgesetz zu ändern. es doch machen!)

Meine Damen und und Herren, Simone Fleischmann, die Sie beschreiben hier also keine Problemlage. Präsidentin des Bayerischen Lehrerverbands, hat die Ein- führung der flexiblen Regelung in ihrem Bundesland aus- Weiterhin sagen Sie auch nichts dazu, dass dann, wenn drücklich begrüßt. Ich zitiere: „(...) die Flexibilisierung ist Sie einen Stichtag verlegen, es weiterhin einen Stichtag richtig gut, und das individuelle Hinschauen beim einzel- gibt. Was ist denn mit den Kindern und den Eltern, deren nen Kind ist wunderbar.“ Kinder im Mai oder im Juli geboren sind, die dann jenseits des Stichtags liegen, den sie einführen wollen? Hier ist Auch für die AfD-Fraktion steht das Wohl des Kindes an ein Widerspruch, und auch dazu sagen Sie nichts in Ihrem erster Stelle. Aber im Gegensatz zur Ministerin trauen wir Antrag.

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Es ist auch kein Argument in Ihrem Antrag enthalten, inwie- Wir haben keinen Grund, davon auszugehen, dass die fern die Verschiebung der Einschulung um zwei Monate Schulleitungen gemeinsam mit den Kitas und den Eltern von Bedeutung ist. Sie erwähnen, dass Studien kein ein- hiermit nicht verantwortungsbewusst umgehen. Wenn die heitliches Bild ergeben und schreiben dann: „Eine zu frühe AfD der Überzeugung ist, dass die Schulleitungen hier Einschulung kann hier ein Hindernis sein.“ Das haben Sie nicht verantwortlich handeln, dann haben Sie mit Ihrem auch vorhin so formuliert. Aber keine Belege und keine Antrag keine Belege geliefert. Beispiele. Wir haben auf der Grundlage Ihres Antrags auch keinen (Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD) Grund, daran zu zweifeln, dass die Schulleitungen die Sor- gen der Eltern ernst nehmen. Wir sind der Überzeugung, Sie beklagen eine sogenannte Früheinschulung, beschäfti- dass es von Bedeutung ist, dass die Einzelfallentschei- gen sich aber mit keinem Wort mit den Auswirkungen einer dung mit Sinn und Verstand angewendet und hier auch im Späteinschulung. Wenn Sie das umsetzen wollen, was Sinne der Eltern geprüft wird. Sie vorschlagen, um zu verhindern, dass Fünfjährige in die Schule gehen, nehmen Sie damit in Kauf, dass immer Das Fazit also aus heutiger Sicht auf Grundlage des An- mehr Siebenjährige ihren ersten Schultag haben werden. trags der AfD:

(Glocke des Präsidenten) In diesem Beispiel sind es dann Kinder im Alter von bis zu sieben Jahren und zwei Monaten, die in die Schule gehen, Es gibt zahlreiche Argumente und Aspekte, die Sie nicht gleichzeitig in eine Klasse – wenn man Kann-Kinder noch abwägen bzw. nicht in Ihre Überlegungen einbeziehen. Es dazurechnet – mit Fünfjährigen. Welche Auswirkungen das gelingt Ihrem Antrag nicht, ein gesellschaftliches Problem auf die Integration dieser älteren Schülerinnen und Schü- zu beschreiben. Ihr Antrag enthält auch keine Argumente, ler in eine Grundschulklasse hat, auch dazu kein Wort in die für eine Änderung sprechen. Er enthält keine Lösun- Ihrem Antrag. gen.

(Zuruf des Abg. Dr. Timo Böhme, AfD) (Glocke des Präsidenten)

Der AfD-Antrag berücksichtigt auch in keiner Weise die Er macht keine konkreten Vorschläge. Wir werden diesen Veränderung gesellschaftlicher Realitäten und Rahmen- Antrag ablehnen. bedingungen. Es ist doch nicht mehr so, dass heute wie vor 20 Jahren die Kinder erst ab dem 3. Lebensjahr in die (Beifall der SPD, der FDP und des Kindertagesstätte gehen. Wir leben in einer Zeit, in der BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) die Kinder immer früher und manchmal schon im ersten halben Lebensjahr in die Kindertagesstätte gehen, und Sie Vizepräsident Hans-Josef Bracht: sprechen davon, Kinder später einzuschulen. Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen des Abge- In der Grundschule hat sich doch auch vieles verändert. ordneten Fuhr hat sich der Abgeordnete Frisch gemeldet. Der Übergang zwischen Kita und Grundschule wurde ge- Bitte schön, Sie haben das Wort. stärkt, Versetzungsregelungen wurden angepasst, sodass es in der 1. Klasse kein Sitzenbleiben gibt. Die Klassen- (Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS messzahl haben wir von 30 auf maximal 24 gesenkt, und 90/DIE GRÜNEN) wir haben aktuell mit durchschnittlich 18,5 Kindern pro Klasse mit die kleinsten Grundschulklassen. Das alles er- Abg. Michael Frisch, AfD: möglicht doch eine bedarfsgerechte Förderung auch sehr junger Erstklässler. Sehr geehrter Kollege Fuhr, zunächst einmal finde ich es positiv, dass Sie sich wirklich die Mühe gemacht haben, mit Argumenten auf einzelne Punkte unseres Antrags ein- Aber mit am wichtigsten ist, Sie prüfen in Ihrem Antrag zugehen. nicht die bestehenden Möglichkeiten der Zurückstellung und erwähnen sie auch nicht. Eine Zurückstellung schul- (Heiterkeit der Abg. Cornelia Willius-Senzer, pflichtiger Kinder vom Schulbesuch ist auf Antrag der FDP) Eltern möglich. Wir haben im Oktober gehört, dass wir kontinuierlich von 4 % der Schülerinnen und Schüler, die Das erleben wir keineswegs immer hier, und das ist eigent- einzuschulen sind, sprechen, ebenso kontinuierlich von lich etwas, das zum parlamentarischen Standard dazuge- 4 % Kann-Kindern, die aufgrund des Wunsches der Eltern hören sollte. früher in die Schule gehen. Inwieweit diese vorliegenden Zahlen eine Änderung des Schulgesetzes erfordern, füh- (Beifall der AfD) ren Sie in Ihrem Antrag nicht aus. Insofern: Vielen Dank für Ihre Stellungnahme. – Ich kann Eine Einzelfallentscheidung, wie es jetzt vorliegend mög- allerdings nicht behaupten, dass Ihnen das besonders gut lich ist, bietet doch Flexibilität und eben das Eingehen auf gelungen wäre. die individuelle Situation. (Heiterkeit der AfD) (Zuruf des Abg. Daniel Köbler, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ich greife nur drei Punkte heraus. Der wechselnde Schulbe-

6699 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 ginn ist doch gerade der Grund für unseren Antrag. Wenn Dass die Ministerin gesagt hat, dass Studien unterschiedli- es den nicht gäbe, bräuchte man keinen solchen Korridor, che Hinweise geben, führt aber nicht dazu, dass man die um sicherzustellen, dass gegebenenfalls noch Fünfjähri- entsprechende Konsequenz daraus ziehen muss, weil das ge oder gerade erst sechs Jahre alt gewordene Kinder Entscheidende ist – das ist das, was ich in meiner Rede eingeschult werden müssen. Insofern ist das im Grunde gesagt habe –, dass wir eine Möglichkeit haben, Zurück- genommen das, was wir mit dem Antrag erreichen wollen, stellungen durchzuführen. und insofern geht Ihr Argument ins Leere. (Abg. Michael Frisch, AfD: Aus Ich habe die Ministerin zitiert. Sie hat gesagt, es gibt Stu- gesundheitlichen Gründen!) dien, die auf mögliche Nachteile hinweisen. Dann habe ich das umformuliert und gesagt, wenn es auch nur den Dies im Dialog der Betroffenen, nämlich der Schulen, der Verdacht gibt, es könnte unseren Kindern schaden. Nichts Kindertagesstätten und der Eltern, die dann individuell für anderes hat die Ministerin gesagt. Mit Verlaub, wenn ich ihr Kind sagen können, wir wollen eine Zurückstellung, und Ihre eigene Ministerin nicht mehr zitieren darf, ohne mir die dann auf die Schule zugehen und diese Möglichkeit Kritik der Regierungsfraktionen zuzuziehen, stimmt irgen- nutzen können. detwas nicht. Es bleibt dabei, dass Sie mit Ihrem Antrag keine Argu- Ich bin durchaus bei Ministerin Hubig. Die Studien sind mente geliefert haben, die das rechtfertigen, was Sie im offensichtlich uneinheitlich. Aber, um Gefahr von den Kin- Forderungsteil Ihres Antrags schreiben. dern abzuwenden, sollte man gerade deshalb eine solche (Beifall bei der SPD – Möglichkeit im Einzelfall eröffnen. Abg. Michael Frisch, AfD: Weshalb gibt es dann die Petitionen?) Dabei geht es nicht nur um das Alter der Kinder, son- dern es geht auch um den Entwicklungsstand. Der ist nun einmal in dieser Lebensphase sehr unterschiedlich. Sie Vizepräsident Hans-Josef Bracht: können ein fünfjähriges Kind nicht ohne Weiteres mit ei- nem anderen fünfjährigen Kind vergleichen. Nun erteile ich dem Abgeordneten Barth für die Fraktion der CDU das Wort. Sie sagen, die Zurückstellung ist jetzt schon möglich. Ja, aber wir haben nur einen kleinen Prozentsatz, nämlich von Abg. Thomas Barth, CDU: etwa 4 %. Das liegt daran, dass nicht die Eltern entschei- den können, sondern letzten Endes entscheidet das der Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Schularzt. Wir wollen, dass die Eltern mit ins Boot genom- Wenn die AfD heute bereits zum zweiten Mal von der Bil- men werden, weil sie ihr Kind in dieser Lebensphase am dungswende 2021 spricht, dann macht einem nicht nur besten kennen. schon der Begriff „Bildungswende“ Angst, sondern die AfD stellt auch noch falsche Postulate auf. Das Beispiel Niedersachsen – ich wiederhole es noch ein- mal – mit 1.700 Fällen pro Jahr zeigt, dass hier bei den (Zuruf des Abg. Michael Frisch, AfD) Eltern ein dringender Wunsch und für sie ein großer Hand- lungsbedarf besteht. Dem möchten wir gerne Rechnung Erstens: Nein, AfD, eine frühe Einschulung gefährdet nicht tragen. per se den Bildungserfolg.

Vielen Dank. (Beifall des Abg. Martin Brandl, CDU)

(Beifall der AfD) Zweitens: Nein, AfD, bei der Einschulung in die Grund- schule geht es nicht um uneingeschränkten oder einge- schränkten Elternwillen; denn bei der Grundschule greift Vizepräsident Hans-Josef Bracht: zum einen die Schulpflicht und zum anderen der in der Regel nicht frei wählbare Schulbezirk. Zu einer Erwiderung erteile ich dem Abgeordneten Fuhr das Wort. Meine Damen und Herren, natürlich kann man kritisch hinterfragen, ob ein fünfjähriges Kind in die Grundschule Abg. Alexander Fuhr, SPD: gehört, aber ich bin der Meinung, das kann funktionieren. Es ist für das Kind auch deutlich hilfreicher, wenn dafür die Herr Kollege! Es ehrt sie, dass Sie versuchen, auf einige Rahmenbedingungen im Kindergarten und in der Schule Dinge nachträglich einzugehen, die Sie nicht in Ihrem An- stimmen. trag erwähnt haben. Ich will aber ausdrücklich sagen, dass Sie den Wechsel des Schulbeginns in Ihrem Antrag nicht (Vereinzelt Beifall bei der CDU) erwähnt haben und er damit auch nicht die Grundlage Ihres Antrags sein kann, aber ich habe darauf hingewie- Gestern und heute haben wir schon mehrfach gehört, dass sen, dass es durch den Wechsel des Schulbeginns in den wir das zu Recht bezweifeln können. nächsten Jahren kaum noch der Fall sein wird, dass Fünf- jährige eingeschult werden. Das ergibt sich anhand der Lassen Sie mich ein paar Beispiel aus der rahmenpo- Daten, die ich genannt habe. Damit habe ich beschrieben, litischen Bildungsgeschichte geben. Es wurden gesetz- dass die Problemlage von Ihnen nicht aufgezeigt wurde. lich Rahmenbedingungen verändert, aber man hat es ver-

6700 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 säumt, in dem Maße vor Ort dafür zu sorgen, dass es (Beifall der CDU) heute besser ist. Das ist unser Konzept. Liebe AfD, Ihres vermissen wir; Ein Beispiel dafür ist die Abschaffung der Hauptschulen. denn nur die Änderung des Schuleintritts wird nicht zu bes- Es wurden nicht die notwendigen personellen Ressourcen seren Bildungsergebnissen im Primarbereich beitragen. für die übrigen Realschulen plus in dem Maße geschaf- Deswegen lehnen wir Ihren Antrag ab. fen, dass sie heute gut arbeiten können. Man kann über- haupt nicht mehr das Hauptschullehramt studieren, obwohl Herzlichen Dank. Schüler für die Berufsreife völlig anders lernen als Schüler für den mittleren Bildungsabschluss. Heute sehen wir die (Beifall der CDU) schwierige Situation an den Realschulen plus.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU) Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Herr Abgeordneter Fuhr hatte mir vorhin mitgeteilt, dass Beispiel Inklusion: Auch hier wurden die Rahmenbedingun- er für die Koalition gesprochen hat. Deshalb frage ich gen nicht so angepasst, dass Inklusion mit einem Mehrwert nach weiteren Wortmeldungen. – Für die Landesregie- für alle – ich sage alle – Schülerinnen und Schüler sowie rung spricht nun Frau Staatsministerin Dr. Hubig. Lehrerinnen und Lehrern an Schulen gelingt.

(Zuruf des Abg. Alexander Fuhr, SPD) Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung:

Es fehlen schlichtweg Förderlehrkräfte. Wenn die Rah- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! menbedingungen stimmen, dann gelingt auch Bildungs- Auf die übliche Agenda des Abgeordneten Barth, glaube biografie bei den fünfjährigen Kindern in der 1. Klasse der ich, muss ich nicht eingehen. Wir haben das alles ges- Grundschule. Dafür setzen wir uns ein. tern und heute schon ausführlich rauf- und runterdiskutiert. Hier geht es um ein anderes Thema. Es geht um die Frage, (Beifall bei der CDU) ob man, wie die AfD das gerne möchte, die Kinder zwei Monate später einschulen kann und die Eltern darüber Das bedeutet natürlich, dass Unterricht stattfindet, die per- entscheiden. sonellen Ressourcen vorhanden sind und Sprachförderung dort ankommt, wo sie gebraucht wird und beantragt wurde. Wir haben am 23. Oktober 2019 über dieses Thema im Dazu gehören aber auch verbindliche Sprachstandserhe- Rahmen einer Mündlichen Anfrage sehr ausführlich ge- bungen, Sprachentwicklungserhebungen im Vorschulbe- sprochen. Es hat sich inhaltlich seitdem nichts geändert. reich für Vierjährige in der Kita und gezielte Förderungen Sie können meine Antwort im Protokoll gerne nachlesen. mit Blick auf den bevorstehenden Grundschuleintritt. Dafür Ich finde, dass der Abgeordnete Fuhr sehr differenziert, brauchen wir mehr Personal, und dafür brauchen wir neue sehr ausführlich und sehr Bildungsstandards für die Kitas und keine Empfehlungen. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Meine Damen und Herren, das Kita-Zukunftsgesetz wird Kompetent!) dafür sicherlich nicht sorgen. kompetent – vielen Dank, das war das Wort, das mir ge- (Vereinzelt Beifall bei der CDU) fehlt hat –

Für Eltern spielt, insbesondere weil es das erste Mal ein (Vereinzelt Heiterkeit) wichtiges Thema ist – deshalb kann ich die emotionale Betroffenheit bei den Eltern absolut verstehen und nach- dazu Stellung genommen hat. Deshalb werde ich mich dar- vollziehen –, der Übergang von der Kita zur Grundschule auf beschränken, nur noch einmal zwei Dinge klarzustellen. eine ganz zentrale Rolle, weil hier das wesentliche Schar- Ich schließe mich sozusagen den Ausführungen von Herrn nier für einen guten Bildungsstart liegt. Die Eltern wollen, Fuhr an. Das ist das, was ich im Oktober schon gesagt dass ihr Kind gut auf die Schule vorbereitet ist. Das können habe. Zwei Monate hin oder her werden nichts ändern. wir voll und ganz verstehen und unterstützen. Daher set- zen wir uns als CDU-Fraktion dafür ein, dass jedes Kind zu Die Kinder können – ich glaube, das ist das Entscheiden- Beginn und vor Beginn seiner Schullaufbahn bestmöglich de – auch heute schon zurückgestellt werden. Herr Frisch, gefördert wird. es ist eben nicht so, wie Sie sagen. Lesen Sie einmal den § 13 „Zurückstellung vom Schulbesuch“ in der Schulord- (Beifall bei der CDU) nung für die öffentlichen Grundschulen. In Absatz 1 heißt es: „Auf Antrag der Eltern kann die Schulleiterin oder der Wir wollen den Übergang zwischen Kita und Grundschule Schulleiter bestmöglich gestalten. Wir setzen uns dafür ein, dass die Sprachförderung in der Kita und in der Grundschule aus- (Abg. Michael Frisch, AfD: Kann!) gebaut wird und Bildungsstandards – das habe ich eben schon gesagt – für Sprachstandserhebungen festgeschrie- im Benehmen mit der Schulärztin oder dem Schularzt ben werden, damit auch ein Kind mit fünf Jahren fit für die schulpflichtige Kinder aus wichtigem Grund“ – aus wichti- Grundschule ist; denn das muss doch unser aller Ansinnen gem Grund – „vom Schulbesuch zurückstellen. Eine Zu- sein, wenn es schon mit fünf Jahren in die Grundschule rückstellung soll in der Regel nur vorgenommen werden, gehen soll, meine sehr verehrten Damen und Herren. wenn dies aus gesundheitlichen Gründen erforderlich ist.“

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(Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Da haben wir lassen. Ich habe ausdrücklich gesagt, dass Sie darauf hin- es doch! – gewiesen haben, die Studien ergäben kein eindeutiges Weitere Zurufe von der AfD) Bild. Das ist genau das, was Sie jetzt mit etwas ausführ- licheren Worten dargestellt haben. Insofern war meine – Hören Sie mir einfach bis zum Ende zu. Darstellung vollkommen korrekt. Erstens heißt das, nicht der Arzt entscheidet, sondern der Ferner haben Sie gesagt, es gibt Studien, die auf mögliche Schulleiter oder die Schulleiterin. Das ist ein großer Un- Nachteile hinweisen. Mein Argument war, wenn es diese terschied. Ich glaube, das dürften Sie als Lehrer auch so Studien und keine einheitliche Aussage der Wissenschaft sehen. gibt, dann müssen wir zunächst davon ausgehen, dass Kinder davon betroffen sind und dadurch Nachteile erlei- Zweitens kann aus wichtigem Grund und nicht nur aus den. Dann muss man Eltern im Einzelfall die Möglichkeit gesundheitlichen Gründen zurückgestellt werden. „In der geben. Regel“ heißt immer, das ist ein Beispiel, aber es kann auch andere Gründe geben. (Staatsministerin Dr. Stefanie Hubig: Haben wir doch im Einzelfall!) (Zuruf des Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD) – Nein, die Eltern haben diese Möglichkeit im Einzelfall Wir sehen, dass das in Rheinland-Pfalz funktioniert. Wir nicht, weil es letzten Endes eine Kann-Regelung ist, bei haben zu diesem Schuljahr 4,7 % zurückgestellte Kinder. der die Entscheidung der Schulleitung obliegt. (Abg. Michael Frisch, AfD: Niedersachsen!) Ich nenne noch einmal die Zahlen aus Niedersachsen. Wenn Sie dort 1.700 Fälle haben, dann sind das weitaus Wir werden künftig – Herr Fuhr hat es ausgeführt – kaum mehr als die 4 % Rückstellungen, die in Rheinland-Pfalz noch Kinder haben, die überhaupt regelhaft mit knapp erfolgen. Das weist sehr deutlich auf einen Bedarf hin. sechs Jahren eingeschult werden. Im nächsten Schuljahr ist das noch der Fall. Danach liegt der Schulbeginn so, Wenn es eine Petition gibt, die von 12.500 rheinland- dass die Kinder dann schon sechs Jahre alt sind. pfälzischen Bürgern unterschrieben worden ist, dann zeigt Wenn Sie mich zitieren – das tun Sie gerne –, dann zi- auch das, dass der Wunsch besteht. tieren Sie mich bitte auch vollständig. Im Oktober habe ich nämlich nicht nur gesagt, dass es Studien gibt, die auf Was die Kinder betrifft, jedes Kind ist anders. Man kann mögliche Nachteile hinweisen, sondern ich habe auch ge- das nicht oft genug betonen. Sie können nicht damit argu- sagt, in Deutschland ergeben die Forschungsergebnisse mentieren, unsere Kitas, unsere Schulen bieten den Kin- zur Beschulung jüngerer Kinder kein eindeutiges Bild. dern die Möglichkeit, sich zu entfalten und zu lernen. Ja, das mag sein, aber nicht jedes Kind ist in dieser Lebens- (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Das hat er phase gleich offen und gleich weit, um diese Angebote aber gesagt! Das hat er gesagt!) aufgreifen zu können.

Dann habe ich gesagt, es gibt Studien, die auf mögliche Wir wollen jedem einzelnen Kind gerecht werden. Wir wol- Nachteile hinweisen, aber es gibt auch Studien, die zu len ein kleines Stückchen mehr Offenheit und Entschei- dem Ergebnis kommen, dass eine frühe Einschulung kei- dungsfreiheit für die Eltern. ne Nachteile im späteren Bildungsverlauf mit sich bringt. Gerade wenn ich sehe, dass Sie beim Übergang von der Wenn Sie dann die Diskussion in der früheren Vergangen- Grundschule auf die weiterführenden Schulen so vehe- heit sehen, die kürzlich erst wieder öffentlich war, wonach ment das Elternrecht verteidigen und da den Schulleitun- viele Bildungsforscher sagen, dass es gut ist, möglichst gen und Lehrern keinerlei Letztbefugnis einräumen wollen, früh anzufangen, mit Kindern zu lernen, mit Kindern Spra- dann ist es absolut nicht nachvollziehbar, warum Sie hier che zu üben – wir sind uns einig, dass wir Sprache lernen in dieser Form so grundsätzlich blockieren. müssen –, dann kann ich Ihnen nur sagen: Es ist gut, wenn wir eine Regelung haben, wie wir sie haben. Wir werden (Beifall der AfD) sie beibehalten, weil sie sich bewährt hat und weil sie ver- nünftig ist. Vizepräsident Hans-Josef Bracht: (Beifall der SPD, der FDP und des Eine Erwiderung wird offensichtlich nicht gewünscht oder BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nicht für notwendig gehalten.

Vizepräsident Hans-Josef Bracht: (Abg. Jens Guth, SPD: So sieht es aus!)

Zu einer Kurzintervention auf die Ausführungen der Frau Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit sind Ministerin hat sich der Abgeordnete Frisch gemeldet. Bitte wir am Ende der Beratungen angekommen. Wir kommen schön, Sie haben das Wort. zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der AfD.

Wer dem Antrag der Fraktion der AfD – Drucksa- Abg. Michael Frisch, AfD: che 17/11118 – zustimmen möchte, den bitte ich um das Verehrte Frau Ministerin, das kann ich so nicht stehen Handzeichen! – Danke schön. Wer stimmt dagegen? –

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Danke schön. Für Enthaltungen keinen Raum. Damit stelle uns, die daran geglaubt haben, dass wir auch als kleines ich fest, dass der Antrag mit den Stimmen der SPD, der Bundesland eine qualitativ herausragende Kulturszene ver- CDU, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen dient haben. die Stimmen der AfD abgelehnt wurde. (Beifall bei SPD und FDP) (Abg. Jens Guth, SPD: Ab in den Mülleimer der Geschichte!) Sie haben sich als Chancengeber verstanden, und die Kreativen in diesem Land haben das Unmögliche möglich Ich rufe Punkt 21 der Tagesordnung auf: gemacht. Dafür bin ich ihnen sehr, sehr dankbar.

Kulturförderbericht des Landes Rheinland-Pfalz 2018 Deswegen haben wir im letzten Doppelhaushalt die Kul- Besprechung des Berichts der Landesregierung turausgaben um bereinigte 10 % erhöht; denn wir wollen (Drucksache 17/11095) auf Antrag der Fraktionen der Arbeitsbedingungen schaffen, die es diesen Menschen SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ermöglichen, davon zu leben oder im Laienbereich über- – Drucksache 17/11102– haupt Projekte zu realisieren. Das war Schritt 1 unserer Strategie. Die Fraktionen haben eine Grundredezeit von 5 Minuten vereinbart. Ich darf um Wortmeldungen bitten. – Für die Schritt 2 war das Schaffen von Transparenz als Grundlage SPD-Fraktion erteile ich der Frau Abgeordneten Kazungu- eines breiten Diskussionsprozesses. Das ist der vorliegen- Haß das Wort. de Kulturförderbericht.

Was ist nun Schritt 3? Was soll dieses Upgrade sein? Wir Abg. Giorgina Kazungu-Haß, SPD: haben lange überlegt, wie wir in den nächsten Jahren da- Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und für sorgen können, dass die Kulturszene unseres Landes Herren! Es ist vollbracht, seit einer Woche liegt uns der Kul- in ihrer Dynamik größtmöglichen Raum bekommt und die turförderbericht des Landes vor. Für mich eine besondere Kulturförderung noch näher an die Bedürfnisse der Kultur- Freude; denn mir war es vom ersten Tag als Abgeordnete schaffenden herankommt. Die Kulturförderrichtlinie wurde wichtig, dass wir für mehr Transparenz in der Kulturförde- in dieser Legislaturperiode in enger Zusammenarbeit am rung sorgen. Runden Tisch „Kultur“ im Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur maßgeblich verändert. Etliche Gespräche und eigene Erfahrungen aus meiner frü- (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Das ist heren Arbeit als Kulturschaffende bestätigen die Notwen- ein gutes Ministerium!) digkeit eines solchen Berichts. Deswegen hat sich meine Fraktion dafür eingesetzt. Ich bin Kulturminister Wolf und Das ist ein wirklich großer Erfolg, eben weil hier alle Akteu- seinem Team für diese große Arbeit dankbar. re am Tisch saßen.

Rheinland-Pfalz hat eine vielfältige Kulturszene. Wir beto- (Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS nen dies oft in unseren Reden. Die überwältigende Vielfalt 90/DIE GRÜNEN – des Berichts beweist, dass das nicht nur eine Floskel ist. Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ich würde sogar sagen, ein sehr großer Erfolg!) Visionär war der Weg, den meine Vorgängerinnen und Vorgänger gemeinsam mit den Koalitionspartnern und der Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und gesamten Kulturszene des Landes gegangen sind. Herren, wir wollen einen Kulturentwicklungsplan für ganz Rheinland-Pfalz, der in einem festzulegenden Turnus die Ich möchte hier auch ein großes Vorbild von mir herausgrei- Ziele der Kulturförderung in Rheinland-Pfalz formuliert, und fen. Rose Götte machte es möglich, dass Rheinland-Pfalz das in enger Zusammenarbeit mit der kommunalen Familie, eines der ersten Flächenländer wurde, das die Freie Szene die gemeinsam mit dem Land für die Kultur die Verantwor- als festen Bestandteil der Kulturförderung etablierte. Ich tung trägt, und natürlich den Akteuren der institutionellen bin ein Kind dieser Freien Szene, und ich bin dankbar für und der freien Kulturszene. all die großen Chancen, die ich und meine Freundinnen und Freunde bekommen haben und auch noch heute be- Wir wollen eine dynamische Entwicklung, verschließen uns kommen. zwar nicht einem Kulturfördergesetz, glauben aber, dass ein Kulturentwicklungsplan für ganz Rheinland-Pfalz für Rheinland-Pfalz hat voller Stolz seine Rüben und Reben die tatsächliche Umsetzung sehr viel wertvoller sein wird behalten, aber mittlerweile spielt auf dem ehemaligen Kar- und die ideale Grundlage für den Haushaltsgesetzgeber toffelacker auch schon einmal die Deutsche Staatsphil- darstellt. harmonie, oder die Winzertochter findet im Jugendtheater in Koblenz den Weg bis auf die großen Theaterbühnen (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Guter Deutschlands. Gedanke!)

Die Förderstruktur der Kultur in Rheinland-Pfalz ist gelebte Die Kultur ist frei. Dem tragen wir mit einer Idee von Kultur- Zukunft. Sie ist keineswegs in die Jahre gekommen, aber politik, die moderiert und nicht zementiert, Rechnung. wir sind bereit für das nächste Upgrade. Ich will, dass wir den gleichen Mut haben wie die Männer und Frauen vor Danke schön.

6703 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

(Beifall bei SPD, FDP und BÜNDNIS (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ich 90/DIE GRÜNEN – reagiere nur auf Ihren Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr gut!) Fraktionsvorsitzenden! – Unruhe im Hause)

Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Schneid für die Frau Abgeordnete Schneid hat das Wort. Fraktion der CDU.

Abg. Marion Schneid, CDU: Abg. Marion Schneid, CDU: Schwierig sind in dem Zusammenhang nämlich die länger Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle- laufenden Projekte. Das heißt, die Künstler bekommen gen! Die Landesregierung hat einen Bericht zur Kulturför- sehr spät ihr Geld. Sie müssen schauen, dass sie mit dem derung vorgelegt. Es ist der erste Aufschlag, die Kulturför- Material, mit der Beschaffung usw. in Vorleistung treten. derung in einem Bericht aufzulisten und transparenter zu Theateraufführungen brauchen Vorlauf. Probenräume wer- machen. den gebraucht. All das lässt sich nicht kurzfristig machen, und dabei ist eine Projektförderung überhaupt nicht dien- Es ist quasi Fleißarbeit gewesen. Neben den Finanzierun- lich. gen landeseigener Einrichtungen, die über die Hälfte der gesamten Kulturausgaben ausmachen, sind seitenweise (Beifall der CDU) unzählige Projektzuschüsse über alle Kulturbereiche auf- gezählt. Sich vorwiegend auf Projektbewilligungen zu konzentrie- ren, birgt auch die Gefahr der Einflussnahme. Schließlich Dies macht genau das deutlich, was wir erwartet haben, muss einer eine Auswahl treffen und bewerten, welches nämlich dass hinter der Förderung keine klare, nachvoll- Projekt gefördert wird, mit wie viel Geld gefördert wird oder ziehbare Struktur steht und extrem stark auf die Bezu- welches Projekt ganz hinten herunterfällt. schussung von Projekten und nicht auf die Struktur abge- (Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) zielt wird. (Beifall der CDU – Dann möchte ich die Freiheit der Kunst doch einmal in Zuruf des Abg. Martin Haller, SPD) den Vordergrund stellen. Das geht mit Projektförderung nur schwer. Das bedeutet für uns, dass wir für Rheinland-Pfalz ein Kul- turfördergesetz brauchen, das neben der Projektförderung Ich darf aus dem Vorwort des Berichts zitieren: „Diese einen Schwerpunkt auf Strukturförderung legt. Künstlerinnen und Künstler zu fördern – und neben ihnen Kultureinrichtungen und -anbieter – ist die Aufgabe der (Beifall der CDU) Kulturpolitik.“ – Ja. „Weder gestaltet sie selbst künstleri- sche Inhalte noch gibt sie diese vor. Sie schafft jedoch Projektförderungen per se sind natürlich in gewissem Ma- in vielfältiger Weise die Voraussetzungen und Strukturen ße dafür, dass künstlerische Inhalte realisiert werden können.“ Genau das muss unser Anspruch sein. (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Ihr wollt die Kultur austrocknen!) Die Realität sieht aber anders aus. Genau deshalb brau- chen wir transparente Strukturförderung. wichtig und notwendig, aber generell gilt: Kreatives, künst- lerisches Arbeiten unter Projektförderung hat viele Hürden (Beifall bei der CDU) zu überwinden. Die Kulturverbände arbeiten seit vielen Jahren zusammen, (Zuruf der Abg. Hedi Thelen, CDU) wenn es darum geht, Verbesserungen der Fördermöglich- keiten darzustellen. Es ist ein starkes Zeichen, wenn diese Anträge müssen jedes Mal neu geschrieben werden. Es ist Kulturverbände das auch in gemeinsamen Papieren immer nicht sicher, ob man dann Geld dafür bekommt. Schwierig wieder fordern. sind in dem Zusammenhang auch langfristigere Projekte; denn die Künstler müssen meistens in Vorleistung treten, Vor zwei Jahren haben wir die Kulturförderrichtlinie verab- müssen Material beschaffen etc. schiedet. Die bringt Erleichterung, klar. Aber auch nur in der Antragstellung für eine Projektbezuschussung. Unsere (Unruhe im Hause) Richtung muss doch sein: weniger Projektcharakter und dafür mehr nachhaltig angelegte Kulturförderung. – Könnten Sie etwas leiser sein, die Herren daneben? In den vergangenen Jahren wurden an verschiedenen Stel- (Zuruf aus dem Hause: Selbstverständlich!) len verschiedene Zuschüsse erhöht, allerdings bei Wei- tem nicht flächendeckend und in vielen Fällen überhaupt – Danke schön. nicht nachvollziehbar, ganz davon abgesehen, dass die

6704 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 tariflichen Personalkostensteigerungen nur stellenweise Vizepräsident Hans-Josef Bracht: abgedeckt oder aufgefangen werden konnten. Nun erteile ich das Wort dem Abgeordneten Schmidt für die Fraktion der AfD. Wir müssen die Arbeit der Künstlerinnen und Künstler, der Kulturverbände, der Vereine und aller, die sich für die Kultur einsetzen, mehr wertschätzen. Die Wertschätzung Abg. Martin Louis Schmidt, AfD: schlägt sich auch in der Zurverfügungstellung von Mitteln nieder. Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kollegen! In der Ein- leitung des Kulturförderberichts des Ministeriums für Wis- (Beifall bei der CDU) senschaft, Weiterbildung und Kultur heißt es – ich zitiere –: „Rheinland-Pfalz ist ein Kulturland. (...) Das Land ist reich In keinem anderen gesellschaftlichen Bereich neben dem an Geschichte und verfügt über ein ebenso reiches kul- Sport wird mehr Ehrenamt eingebracht als in der Kultur. turelles Erbe. Die Römer, deutsche Könige und Kaiser, Es ist uns als CDU wichtig, diese herausragenden ehren- Erzbischöfe und Kurfürsten – sie alle hinterließen bedeu- amtlichen Leistungen wertzuschätzen und zu fördern. Um tende Bauten und eine Vielzahl archäologischer Relikte.“ weiterhin auf so ein tolles Angebot und Ehrenamt zurück- greifen zu können, müssen doch die Voraussetzungen Die AfD-Fraktion kann diese Aussagen nur bekräftigen. stimmen. Daher sollte der Kultur in unserem Bundesland ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt werden. Doch leider ist das nicht der Fall. Viele Kommunen haben aufgrund ihrer finanziellen Situati- on im Bereich der freiwilligen Leistungen keine Spielräume Der nationale Kulturfinanzbericht 2018 fördert nämlich Fol- mehr. Hier besteht die Gefahr, dass die vielen tollen, her- gendes zutage: Legt man die öffentlichen Ausgaben für vorragenden Kulturangebote trotz ehrenamtlichen Enga- Kultur je Einwohner zugrunde, landet Rheinland-Pfalz mit gements irgendwann nicht mehr aufrechterhalten werden 64 Euro auf dem letzten Platz unter den deutschen Bun- können. Das wollen wir nicht. Eine klare Förderstruktur desländern. wirkt dem entgegen. (Abg. Dr. Jan Bollinger, AfD: Ach!) (Beifall der CDU) Der Durchschnitt liegt übrigens bei 108 Euro. Der Kultur- Gebetsmühlenartig muss ich es jetzt noch einmal sagen: finanzbericht offenbart zudem, dass Rheinland-Pfalz bei Rheinland-Pfalz ist Schlusslicht im bundesweiten Vergleich den öffentlichen Ausgaben für Museen, Sammlungen und der Pro-Kopf-Förderung im Bereich Kultur. Daran hat auch Ausstellungen mit 12 Euro je Einwohner weit unter dem die Erhöhung um 10 % aus den letzten Haushaltsbera- Bundesschnitt von 19 Euro liegt. tungen nicht viel geändert. Das ist mit Zahlen aus dem Berichtsjahr 2018, auf das sich der Bericht bezieht, zu hin- Gewiss, die Zahlen stammen aus dem Jahr 2015, und die terlegen: 122,5 Millionen Euro für die Kultur in Rheinland- Mittel für die Kultur wurden im Doppelhaushalt 2019/2020 Pfalz klingen viel. Das relativiert sich bei einem Gesamt- erhöht. Trotzdem bleiben Lücken zwischen Anspruch und haushaltsvolumen von rund 17 Milliarden Euro jedoch sehr, Wirklichkeit. sehr schnell. Frau Schneid hat recht: Wir brauchen bessere, nachhalti- Wir können uns mit diesem Kulturförderanteil nicht zufrie- ge Strukturen und weniger Projektförderung, und natürlich dengeben. Wir dürfen auch nicht hinnehmen, dass die brauchen wir mehr Mittel. Angebotsvielfalt unter dem größeren finanziellen Druck und den steigenden Personalkosten reduziert wird. Wir (Beifall der AfD) wollen, dass jeder und jede sowohl in der Stadt als auch im ländlichen Raum die Möglichkeit hat, Kulturangebote Auch sonst gibt der Kulturförderbericht durchaus Anlass anzunehmen oder sich selbst einzubringen. Dafür braucht zur Kritik. So umfasst das Kapitel zur auch so benannten es eine ordentliche Förderung. „Heimatpflege“ gerade einmal drei Sätze. Im Kulturförder- bericht werden folgende Bereiche genannt, die dieser Titel Der vorliegende Kulturförderbericht bildet den Sachstand umfasst – ich zitiere –: „Maßnahmen, die zur Pflege und Er- des Jahres 2018 ab. Er zeigt auf, dass es sich, abgese- haltung der geschichtlichen und volkskundlichen Eigenart hen von institutionellen Förderungen, hauptsächlich um unseres Landes beitragen, insbesondere der Heimatkun- Projektförderungen handelt. Die lange Liste der Projek- de, des Volkstums und Brauchtums, der Mundarten, des te gibt eventuell an der einen oder anderen Stelle noch heimatlichen Schrifttums und des Volksliedes dienen.“ einmal die Möglichkeit oder den Anlass, nachzufragen, aber hauptsächlich macht sie deutlich, dass eine transpa- Die Fördersumme von 18.300 Euro ist angesichts der Brei- rente Strukturförderung, die auskömmlich und nachhaltig te dieses Themenfelds ein Witz. Das geringe Finanzvolu- angelegt ist, vonnöten ist. Lassen Sie uns diesen Weg men der Heimatpflege zeigt die mangelnde Wertschätzung gemeinsam gehen. für das Eigene, die sich wie ein roter Faden durch die Poli- tik der Landesregierung zieht.

Danke. (Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP) (Beifall der CDU und der Abg. Michael Frisch und Jürgen Klein, AfD) Apropos roter Faden: Für den 200. Geburtstag

6705 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020

(Zuruf der Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS (Abg. Monika Becker, FDP: Kennen Sie das 90/DIE GRÜNEN) überhaupt?) von Karl Marx machte man allein im Jahr 2018 eine ver- Ein mit großem Engagement und breiter lokaler Unter- gleichsweise stattliche Summe von 1,2 Millionen Euro lo- stützung betriebenes Haus, dessen Programm der Verein cker. Der geistige Vater des Kommunismus wurde in einer zur Kulturpflege Lahnstein folgendermaßen skizziert – ich Art und Weise verherrlicht, dass sich viele Diktaturopfer in zitiere –: „Ohne Hybris und postmodernistischen Schnick- die Zeit der DDR zurückversetzt fühlten. schnack, aber mit viel Achtung für Werk und Autor“.

(Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP) Fazit zum Kulturförderbericht – ich komme zum Ende –: viel Marx, viel Ideologie, wenig Heimat und eine Theater- Proteste der Opferverbände hielten die Vertreter der Lan- förderung, die im Ausschuss noch ein Nachspiel haben desregierung nicht davon ab, in Trier an der Enthüllung der wird. riesigen Marx-Statue – ein Geschenk der Volksrepublik China – teilzunehmen. Danke sehr. (Beifall der AfD – (Zuruf des Abg. Marco Weber, FDP) Abg. Marco Weber, FDP: Ui!) Im Anschluss hissten begeisterte Kommunisten übrigens eine Stalin-Fahne. Das ist ein Schlag ins Gesicht der vielen Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Millionen Opfer des Kommunismus, ein Trauerspiel. Nächste Rednerin ist Frau Abgeordnete Becker für die Fraktion der FDP. Im Kulturförderbericht rühmt sich die Landesregierung nun, den 200. Geburtstag von Karl Marx – ich zitiere – „mit einer nie dagewesenen Fülle an Ausstellungen und Veranstal- Abg. Monika Becker, FDP: tungen“ gefeiert zu haben. Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! (Abg. Helga Lerch, FDP: Das hatten wir Wir beraten heute über den ersten rheinland-pfälzischen doch alles schon!) Kulturförderbericht, und wir können stolz auf die großartige Kultur in unserem schönen Land sein. Es ist vom „großen Gelehrten“ die Rede. (Beifall der Abg. Cornelia Willius-Senzer, Ich sage dazu ganz deutlich: Wer so eine undifferenzierte FDP – Gesinnung vertritt, hat aus den Verbrechen des Kommu- Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Jawohl!) nismus nichts gelernt. Bedauerlicherweise steht Kultur allzu oft im Schatten ak- tueller Tagesereignisse. Wir erinnern uns zu selten daran, (Beifall der AfD) dass Kultur Inbegriff der Kunst, der Sprache und unserer Fähigkeiten und Gewohnheiten ist, die wir uns angeeignet Er ist schlimmstenfalls anfällig für totalitäre Ideologien und haben. Bestrebungen der linksextremen Antifa.

(Abg. Hans Jürgen Noss, SPD: Es reicht Vor diesem Hintergrund ist der heute vorgestellte Kulturbe- jetzt! – richt der Landesregierung umso wichtiger. Er dokumentiert Abg. Alexander Fuhr, SPD: Ach! – den Reichtum unserer rheinland-pfälzischen Kulturland- Abg. Marco Weber, FDP: Ui, ui, ui!) schaft und erinnert an folgenden Satz – ich zitiere, wun- derschön –: „Man sollte alle Tage wenigstens ein kleines Überhaupt nicht schlüssig ist die Theaterförderung. Die Lied hören, Stadt Trier erhält 6,3 Millionen Euro, die Stadt Koblenz (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Ja!) 5,8 Millionen Euro, das Pfalztheater Kaiserslautern 7,5 Mil- lionen Euro, und – jetzt bitte festhalten – die Stadt Lahn- ein gutes Gedicht lesen, ein treffliches Gemälde sehen stein bekommt für ihr Theater 40.000 Euro. Sie wird mit und, wenn es möglich zu machen wäre, einige vernünftige 40.000 Euro abgespeist. Das mit einer fadenscheinigen Worte sprechen.“ Begründung, die in Lahnstein zu großer Verärgerung und einem offenen Brief an den zuständigen Minister geführt Der letzte Hinweis ist ein guter Hinweis, auch für dieses hat. Haus.

Wir halten diese finanzielle Diskriminierung für einen Skan- (Beifall der FDP, der SPD und des dal und haben diesbezüglich bereits einen Antrag für die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – nächste Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft, Wei- Unruhe bei der AfD) terbildung und Kultur gestellt. Meine Damen und Herren, der Kulturförderbericht ist (Beifall der AfD – Zeugnis der einzigartigen kulturellen Vielfalt unseres Lan- Zuruf des Abg. Steven Wink, FDP) des. Ich möchte ein besonderes Beispiel herausgreifen. Rheinland-Pfalz ist weltweit bekannt für seine eindrucks- Ist – so muss ich fragen – der Landesregierung das Thea- vollen Burgen, Schlösser und Kulturlandschaften. Deshalb ter in Lahnstein wirklich nur derart wenig Geld wert? freuen wir uns – ich mich persönlich ganz besonders –,

6706 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 dass die Bundesgartenschau im Jahr 2029 im Oberen Mit- mäler und die regelmäßigen musikalischen Höhepunkte telrheintal stattfinden wird und mit Frau Staatssekretärin der großen Orchester. Genauso meine ich aber auch die Steingaß als Buga-Beauftragte und Frau Staatssekretä- inhaltliche und ästhetische Bandbreite der freien profes- rin Schmitt als Verantwortliche für die Tourismusstrategie sionellen Theater, die Leistungen der freien Musikszene schon heute zwei starke Stimmen erhält. und der Laienmusik, die bildenden Künstler und zahlrei- chen Bibliotheken im Land – hier hat Rheinland-Pfalz die (Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: größte Zahl gemessen an den Einwohnern – und nicht zu- Jawohl!) letzt die vielen kleinen, zum Teil ehrenamtlichen Initiativen, So ist garantiert, dass sich Rheinland-Pfalz wiederum als die beispielsweise im Kontext des Kultursommers und der offenes und buntes Land präsentieren und Gäste aus der zahlreichen Festivals ihr Können zeigen. ganzen Welt herzlich willkommen heißen wird. Sie alle tragen dazu bei, dass unser Land reich ist an kul- Meine Damen und Herren, der Bericht zeigt auch, dass turellen Höhepunkten. Ihnen allen gebührt an dieser Stelle das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kul- unser besonderer Dank. tur den finanziellen Forderungen der Kultur in vorbildlicher Weise nachkommt. So hat das Land im Jahr 2018 aus- Den Facettenreichtum und die Vielstimmigkeit der Kultur- schließlich aus diesem Haushalt 122,5 Millionen Euro in szene unseres Landes zeigt der erste Kulturförderbericht Kultur investiert – dazu kommen noch ein paar andere des Ministeriums für Wissenschaft, Weiterbildung und Kul- Dinge hinzu – und die Kulturmittel damit um 10 % erhöht. tur. Er liefert einen detaillierten Überblick über die För- derpraxis des Landes und legt Zusammenhänge in der Davon sind rund 64,2 Millionen Euro in landeseigene Kul- Förderstruktur offen. Der Kulturförderbericht schafft Trans- tureinrichtungen geflossen. Mit den restlichen 58,3 Millio- parenz. nen Euro wurden Künstlerinnen und Künstler, Kulturschaf- (Anhaltend Unruhe bei der AfD) fende sowie kommunale, kirchliche und private Kulturein- richtungen gezielt finanziell unterstützt. Transparenz ist es, die wir brauchen, um auch im Kulturbe- (Unruhe im Hause) reich Entwicklungsplanung zu betreiben. Ich möchte mich an dieser Stelle deshalb noch einmal ausdrücklich bei den An dieser Stelle gilt deshalb unser ausdrücklicher Dank Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Ministeriums, natür- Herrn Staatsminister Wolf und seinem Staatssekretär lich bei Herrn Minister Wolf und auch bei Staatssekretär Herrn Alt, die sich sehr, sehr erfolgreich für die Kunst und Alt für die geleistete Arbeit und die Zusage bedanken, zu- die Kultur in unserem Land einsetzen. künftig in regelmäßigen Abständen in ähnlicher Form aus der Kulturförderpraxis des Landes zu berichten. Meine Damen und Herren, diesen erfolgreichen Kurs möch- ten wir als Freie Demokraten gemeinsam mit allen Freun- (Beifall bei dem BÜNDNIS 90/DIE den der Kultur auch in Zukunft fortsetzen. GRÜNEN und bei der SPD) Wir haben in den letzten Jahren einige Meilensteine für Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. die Kultur des Landes erreicht. Zum einen haben wir den (Beifall der FDP, der SPD und des Kulturetat im Doppelhaushalt 2019/2020 um mehr als 10 % BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – erhöht. Dass die zusätzlichen Mittel bei unseren Künstle- Abg. Cornelia Willius-Senzer, FDP: Sehr rinnen und Künstlern und allen weiteren kreativen Köpfen schön!) im Land mehr als gut investiert sind, zeigt nicht zuletzt der vorliegende Kulturförderbericht.

Vizepräsident Hans-Josef Bracht: Seit 2018 haben wir zum anderen eine Kulturförderrichtli- Nun erteile ich das Wort der Frau Abgeordneten Binz für nie, die endlich ihrem Namen auch gerecht wird und tat- die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. sächlich Kultur fördert, anstatt die Kulturschaffenden in die Rolle von Verwaltungskräften zu zwingen. Das ver- einfachte Antrags- und Förderverfahren ist vorbildhaft im Abg. Katharina Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bundesvergleich, und wir können zu Recht stolz sein auf diese Errungenschaft. Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle- gen! Als Kulturpolitikerin ist es für mich eine Freude, in dem Natürlich ist die Unterstützung und Gestaltung der kulturel- Bericht zu sehen, welche kulturellen Highlights Rheinland- len Landschaft von Rheinland-Pfalz damit noch nicht am Pfalz zu bieten hat. Ziel. Der detaillierte Überblick über die Fördertätigkeiten des Landes sollte für uns ein Impuls sein, uns Gedanken Damit meine ich die großen, überregional wahrgenomme- über die Zukunft der Kulturförderung zu machen. Demo- nen Ausstellungen der Museen wie die schon angespro- grafischer Wandel, Urbanisierung, aber auch die Gentri- chene Marx-Ausstellung im letzten Jahr, fizierung sind Entwicklungen, die für den Kulturbereich (Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Die war veränderte Voraussetzungen und Bedürfnisse bedeuten. gut!) Viele kulturelle Institutionen, gerade im ländlichen Raum, die aufwendigen Inszenierungen aller Sparten des Main- stehen vor einem Generationenwechsel. Gleichzeitig zer Staatstheaters, die touristisch viel beachteten Denk- schwindet in den Städten aufgrund von Raumnot und

6707 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 gestiegenen Mieten der Freiraum für die Erprobung neu- nen und Künstlern, mit Kulturschaffenden und Kulturver- er kreativer Ausdrucksformen und für den künstlerischen bänden in unserem Land. Nachwuchs. (Unruhe bei der AfD) In Artikel 72 des Grundgesetzes ist die Schaffung gleich- wertiger Lebensverhältnisse als Ziel politischen Handelns Niemand weiß besser über den kulturellen Alltag Bescheid formuliert. Es muss daher für die kommenden Jahre unser als eben jene Kulturschaffenden und ihre Interessensver- Auftrag sein, den Zugang zu einer kulturellen Grundver- treterinnen und Interessenvertreter in den Verbänden. Des- sorgung für alle Rheinland-Pfälzerinnen und Rheinland- halb war und ist es uns ein besonderes Anliegen, deren Pfälzer auch in Zukunft sicherzustellen. Erfahrung und Empfehlungen anzuhören und einzuholen, um sie in politische Entscheidungen mit einbeziehen zu Der letzte Vorstoß im Kulturbereich liegt mit der Einfüh- können. rung des Kultursommers fast 30 Jahre zurück. Wir sind (Beifall der SPD und der Abg. Katharina der Ansicht, dass jetzt Zeit wäre für neue starke Impulse Binz, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und um in die Diskussion zu gehen. Wir saßen mit den kulturpolitischen Sprecherinnen und Sprechern vor noch Resultierend aus diesem Austausch hat das Kulturminis- nicht allzu langer Zeit gemeinsam beim Berufsverband Bil- terium schon 2017 die bereits in der Debatte erwähnte dender Künstler und haben diese Diskussion schon einmal neue Kulturförderrichtlinie entwickelt. Sie ist 2018 in Kraft angestoßen. getreten und hat die Förderverfahren im Bereich der Kultur deutlich vereinfacht. Wir bekommen zum Beispiel in den Was ist förderwürdig in der Kunst und in der Kultur? Die- Workshops, die wir aktuell zum Thema „Kultursommer“ se Diskussion würden wir gerne weiterführen und vertie- in ganz Rheinland-Pfalz durchführen, sehr viele positive fen. Wir würden schauen, wie wir die Kulturförderung des Rückmeldungen zu dieser Weiterentwicklung im Rahmen Landes Rheinland-Pfalz weiterentwickeln können. Wir fin- der Kulturförderrichtlinie. den, es stünde dem Landtag daher gut zu Gesicht, in der nächsten Legislatur vielleicht auch einmal in einer Enquete- Darüber hinaus wurden im Doppelhaushalt 2019/2020 die Kommission über das Thema „Kultur“ zu diskutieren und Mittel für Kulturschaffende und Kultureinrichtungen um zu überlegen, wie wir die Kulturförderung in Richtung eines mehr als 10 % pro Jahr erhöht. Das sind ganz konkrete, Kulturfördergesetzes oder eines Kulturentwicklungsplans spürbare und messbare Verbesserungen, die den Kultur- weiterentwickeln können, aber auf jeden Fall, um diese schaffenden und Künstlerinnen und Künstlern unmittelbar Diskussion einmal anzufangen und zu vertiefen. zugute kommen.

(Beifall des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Der erste Kulturförderbericht des Landes, der in der vergan- der SPD und der FDP – genen Woche vorgestellt wurde, fügt sich in diese Entwick- Abg. Helga Lerch, FDP: Bravo!) lung ein, die auf Offenheit, Teilhabe und Weiterentwicklung ausgerichtet ist. Der Kulturförderbericht soll den Leserin- Vizepräsident Hans-Josef Bracht: nen und Lesern einen Überblick über die Kulturausgaben des Ministeriums und der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kul- Nun spricht für die Landesregierung Herr Staatssekretär tur geben. Wir schaffen damit Transparenz und Nachvoll- Dr. Alt. ziehbarkeit sowie eine gute Grundlage für Gespräche über weitere Schwerpunkte und Perspektiven.

Dr. Denis Alt, Staatssekretär: Dem Kulturförderbericht ist zu entnehmen, dass das Kul- Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! turministerium im Jahr 2018 rund 122,5 Millionen Euro Rheinland-Pfalz verfügt über eine vielfältige, offene und an Kulturmitteln zur Verfügung hatte und ausgegeben hat. lebendige Kulturszene. Davon sind ca. 64 Millionen Euro in landeseigene Kul- tureinrichtungen geflossen. Dazu gehören zum Beispiel (Beifall des Abg. Alexander Schweitzer, unsere Landesarchive, das Landesbibliothekszentrum, die SPD – drei Landesorchester und die Generaldirektion Kulturelles Abg. Michael Frisch, AfD: Das ist aber nicht Erbe Rheinland-Pfalz. Euer Verdienst!) Mit den übrigen gut 58 Millionen Euro wurden Künstlerin- Die Landesregierung fördert und unterstützt die Kultur wirk- nen und Künstler, Kulturschaffende, aber auch kommunale, sam in allen Städten und Regionen unseres Landes. Das kirchliche und private Einrichtungen gefördert, übrigens in ist uns ein besonderes politisches Anliegen. Darüber hin- einer ausgewogenen Mixtur von institutioneller und projekt- aus ist die Pflege und Förderung von Kunst und Kultur bezogener Förderung. aber auch nach der föderalen Aufgabenverteilung eine ganz zentrale Verantwortung der Länder und gehört daher Zu den Highlights der geförderten Veranstaltungen zum Kernbestand landespolitischen Handelns. im Jahr 2018 gehören die Aktivitäten rund um das Raiffeisen-Jubiläum und das Karl-Marx-Jubiläum. Bei über Das Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kul- 160.000 Museumsbesuchen informierten sich die Men- tur sieht sich dabei als fördernden und fordernden Partner schen in den Jubiläumsausstellungen über das Leben des Kulturlebens in Rheinland-Pfalz. Dafür stehen wir in und Werk des berühmten Trierers Karl Marx. Ich habe einem engen, regelmäßigen Austausch mit den Künstlerin- die Darstellung damals in allen drei Museen in Trier als

6708 Landtag Rheinland-Pfalz - 17. Wahlperiode - 99. Sitzung, 30.01.2020 sehr ausgewogen, sehr differenziert und sehr kompetent Vizepräsident Hans-Josef Bracht: wahrgenommen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Auch ein Antrag auf vertiefte Es ist auch die Aufgabe von Kultur, dass man sich an ihr Beratung im Kulturausschuss wurde nicht gestellt. Damit reiben kann. Wenn daraus Debatten und Diskussionen ist der Tagesordnungspunkt mit der Besprechung des Be- über Person, Werk und weiteres Wirken von Karl Marx richts erledigt. entstehen,

(Abg. Michael Frisch, AfD: Da gibt es Wie die Landtagsverwaltung Ihnen mitgeteilt hat, haben Grenzen!) sich die Fraktionen darüber verständigt, die Punkte 22, 23, 24 und 25 dann ist das ausgezeichnet und zeigt, dass es gut war, diese Veranstaltung in dieser Weise durchzuführen, meine Landschaftsschutz umsetzen, gesetzliche Damen und Herren. Privilegierung von Windindustrieanlagen im Außenbereich aufheben (Beifall der SPD, der FDP und des Antrag der Fraktion der AfD BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – – Drucksache 17/11119– Abg. Alexander Schweitzer, SPD: Sehr richtig!) Zehn Jahre UN-Behindertenrechtskonvention – eine Bilanz der Umsetzung in Rheinland-Pfalz Ein weiterer kultureller Höhepunkt im Jahr 2018 war die Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion BÜNDNIS erste Landeskunstausstellung „FLUX4ART – Kunst in 90/DIE GRÜNEN und der Antwort der Landesregierung Rheinland-Pfalz“, die als neues Format gemeinsam mit auf Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS dem Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler 90/DIE GRÜNEN Rheinland-Pfalz entwickelt wurde. – Drucksachen 17/10346/10728/11071 – Darüber hinaus haben 2018 die freien professionellen Forcierter Umstieg auf Batteriefahrzeuge und Theater in Rheinland-Pfalz in Kooperation mit der Landes- dadurch induzierter Strukturwandel in der bühne das erste Festival der professionellen freien Theater Autoindustrie in Rheinland-Pfalz durchgeführt. Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der AfD und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Meine Damen und Herren, nach den ersten Reaktionen Fraktion der AfD der Kulturszene und der interessierten Öffentlichkeit zu ur- – Drucksachen 17/9820/10207/11099 – teilen, ist das Interesse an diesem Kulturförderbericht groß. Wir sehen darin auch eine geeignete Grundlage, weiterhin Internationaler Schüleraustausch in den Austausch zu treten, und wollen deswegen den Kul- Besprechung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP turförderbericht des Landes regelmäßig veröffentlichen. und der Antwort der Landesregierung auf Antrag der Fraktionen der SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Abg. Martin Haller, SPD: Sehr gut!) – Drucksachen 17/10345/10732/11070 – Gerne greife ich auch Anregungen aus dieser Plenarde- von der Tagesordnung abzusetzen. batte auf, darüber nachzudenken, wie wir Gutes im Be- reich Kunst und Kultur bewahren und stärken und wo wir Meines Damen und Herren, wir sind damit am Ende der die Chancen nutzen können, noch weitere Akzente und heutigen Sitzung. Ich darf Sie zur nächsten Plenarsitzung Schwerpunkte zu setzen. am Mittwoch, dem 18. März 2020, einladen. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend. Kommen Sie gut nach Hause. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Die Plenarsitzung ist beendet. (Beifall der SPD, der FDP und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Ende der Sitzung: 18:31 Uhr

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