Zur Geschichte der Federseefähren • Von Hans Willbold, Dürnau ber der Herrschaft Wart hausen war, zu der Oggels- hausen seinerzeit gehörte. Schiedsrichter war Hans Beim Durchblättern von Urbaren des 17. und 18. Truchseß zu Waldburg. Er erkannte, "daß die Äb- Jahrhunderts aus dem Herrschaftsgebiet des Frei- tissin die bessere Kundschaft habe und daß niemand weltlichen Damenstiftes Buchau fällt bei den jähr- anders herüberführen solle Leute oder Gut, als wem lich fälligen Gilten der stiftischen Lehenhöfe, als da sie das Fahr leihe; dieser aber soll führen, wen oder sind Haus- und Heuzins, Landgarbe, Küchengefäll was er will. " und Jurisdiktionshenne, stets auch eine Abgabe auf, Damit war der Versuch Oggelshausens geschei- die sich "Seefahrt" nennt. tert, das stiftseigene Fahr-Recht anzugreifen. Das Was für eine Bewandtnis hat es mit dieser Gilt? Lagerbuch von 1477 weist aus, daß der Inhaber des Das Stift Buchau hatte neben seinen althergebrach- Fahrs die Untertanen des Stifts umsonst zu führen, ten Sonderrechten beim Fischfang im und außerdem zweieinhalb Pfund Heller und 2 Fisch- dem Wasserrecht auf die Vollochmühle am Ausfluß dienste zu geben hatte. Mit dieser Vorschrift des des Sees, welches 1442 beim Kauf des Dorfes Kanz- Stifts, die Untertanen umsonst zu führen, ist nun ach mit der Vollochmühle vom Stift erworben wor- auch der Bezug zu der eingangs erwähnten Abgabe den war, noch ein weiteres uraltes Recht auf dem "für die Seefahrt" hergestellt: Zwar war die Fahrt Federsee. Es war das Monopol für den Fährverkehr selbst frei; mit seiner jährlich zu entrichtenden Gilt nach . hatte trotzdem jeder sein Scherflein für den Betrieb Um die Bedeutung dieses Vorrechtes beurteilen der Federseefähre beizusteuern. zu können, muß man sich die geographischen Ver- Dann hören wir fast 200 Jahre lang wieder nichts hältnisse des Federseebeckens, wie sie im Mittelalter mehr über das Fährwesen am See. Dennoch scheint herrschten, vergegenwärtigen. es gerade während dieser Zeit der Herrschaft Wart- Die offene Wasserfläche war viel größer als heute hausen gelungen zu sein, an den Rechten des Stiftes und erstreckte sich vor allem weiter nach Norden, Buchau bezüglich des Fährbetriebes zu partizi- Westen und Süden. Im Norden reichte der See bis pieren. gegen , im Südwesten berührte er den Am 23. September 1660 tritt nämlich Leopold Stadtrand von Buchau bis hin zum Plankental, und Schad zu , Herr zu , die im Südosten hätte er die Trasse der heutigen Straße See- und Überfahrt und das dazu gehörige Gütle zu von Buchau nach Oggelshausen um ein Beträchtli- Oggelshausen "mit aller Ein- und Zugehörd" und ches überschritten. der Frondienste entledigt, an das Stift ab. Der Inha- Darüber hinaus waren weite Teile der damals ber wurde dem Stift leibeigen "mit allem Recht und bereits verlandeten Seefläche versumpft und mit Gerechtigkeit" . dichtem Schilfdschungel bedeckt. Wer also zu Land Bei dem erwähnten "Gütle" handelt es sich um von Buchau nachOggelshausen, Tiefenbach oder das kleine "Straubengut", das Eberhard Branden- gelangen wollte, mußte große Umwege in burg aus im Jahre 1438 von Thomas Kauf nehmen und damit auch notgedrungen immer Straub, in Tiefenbach gesessen, gekauft hatte. Die- wieder fremde Herrschaftsgebiete durchqueren. Das ser sogenannte Brandenburgerhof war noch 1450 dauerte in der Regel lange und konnte teuer, wenn Stift Buchauer Lehen gewesen. In den darauffolgen- nicht gar gefährlich werden. den Jahrzehnten muß er dann seinen Besitzer ge- Offensichtlich wurde daher schon früh ein Fährbe- wechselt haben. Wann diese Veräußerung "mit al- trieb eingerichtet, um die Verbindung mit den stifti- lem Recht und Gerechtigkeit" stattfand, ließ sich sehen Untertanen in den Gemeinden des Federsee- nicht feststellen. Der Name des Hofes wird erst Ostufers herzustellen. Über die Anfänge wissen wir wieder bei der oben erwähnten Rückerwerbung im nichts; aber bereits im Jahre 1267 wird in einer Jahre 1660 genannt. Er war auch noch bei der Auf- Urkunde Cuno von Ogoltshusen, genannt der Fer- hebung des Stiftes im Jahre 1802 als einziger Besitz ge, erwähnt. Dann bleibt es über 100 Jahre still um im Oggelshausen in dessen Hand. den Fährbetrieb am Federsee. Allem Anschein nach Inzwischen hatte sich auch der See verändert. war aber das alleinige Recht des Stifts auf die Verlei- Im 18. Jahrhundert war die Verlandung am Buch- hung des Fahr nicht unumstritten. auer Ufer so weit fortgeschritten, daß dort ein Fähr- Der Beweis dafür ist ein Streit zwischen dem Stift kanal angelegt werden mußte, um ein Durchfahren Buchau und der Gemeinde Oggelshausen, welcher des Sumpfgeländes zu ermöglichen. Diese Fahrrinne im Jahre 1405 geschlichtet wurde. Bei der Verhand- ist auch heute noch erkennbar und wird "Seegra- lung war Oggelshausen durch Eberhard von Frey- ben" genannt. Im offenen Wasser konnte wegen der berg zu vertreten, weil dieser Pfandinha- immer geringer werdenden Tiefe ebenfalls nicht oh-

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ne weiteres in direkter Linie gefahren werden. Viel- Beförderung jedweder Art auf dem Federsee ver- mehr mußte vom Anlegeplatz, der in der Nähe des boten. heutigen Federseemuseums lag, erst ein Stück weit An die Stelle der Schiffsgebühren trat ein Wege- in nördlicher Richtung gefahren werden, bevor der zoll, der für die Benützung der neuen Riedstraße Ferge Oggelshausen ansteuern konnte. Auf einer erhoben wurde. Bei dieser Gelegenheit soll ein an Karte aus dem Jahre 1787 (im Federseemuseum zu sich unbedeutendes Randereignis nicht unvermerkt und im Staatsarchiv Sigmaringen) ist bleiben: der Fährkanal durch das Sumpfgebiet am östlichen Anläßlich der Beendigung der Straßenbauarbei- Stadtrand vom Buchau eingezeichnet (Abbildung ten im Ried veranstalteten die beteiligten Arbeiter 1); eine andere von 1760 (ebenfalls im Staatsarchiv) und Tagelöhner unter sich ein geselliges und feucht- zeigt die Fahr-Route der Fähre im See. fröhliches Beisammensein. Die Begeisterung und Es kann gar kein Zweifel daran bestehen, daß die Freude über den gelungenen Abschluß der jahrelan- laufend zunehmende Erschwerung des Fährbetrie- gen Anstrengungen veranlaßte einen der Arbeiter, bes - neben anderen wichtigen Gründen - den einige Freudenschüsse abzufeuern. Dabei war er Wunsch nach einer Landverbindung zwischen Buch- sich wohl nicht bewußt, daß in Buchau das Schießen au und Oggelshausen wach werden ließ und so zu bei Hochzeiten, Taufen und anderen Festen ohne einem der Motive für die Federseefällung wurde. obrigkeitliche Erlaubnis nicht gestattet war. Und Dieser Wunsch wurde dann auch in den Jahren 1790 eine solche hatte er nicht. und 1791, kaum daß der See bei der 1. Fällung durch Als Strafe für allfällige Gesetzesbrecher waren für Tieferlegung des Ausflusses um 3 Schuh abgesenkt Ledige 15 Streiche "ad posteriora" (also auf die worden war, in Form der Straße von Buchau nach Sitzfläche) und für Verheiratete 10 Reichstaler (da- Oggelshausen realisiert. Nachdem diese Straße mals 15 Maurertagelöhnen entsprechend) festge- durch das Ried 1791 fertig und damit befahrbar setzt. Mit dem prompten Vollzug der Strafe - der geworden war, wurden die Seefahrtsrechte aufgeho- Delinquent war Angehöriger des Ledigenstandes - ben und die Seefahrten gegen Gebühr bzw. die war der Straßenbau durch das Ried abgeschlossen.

4 feaersee- )1otor-Schiffahrt. '.jCimlU'ci maau wir höft larasf alljmuksam, laß unser .otorsellil jederzeit (abrberelt istuI km yrirl ,..1_ 'tIIlISChgemäß %Ir \'erfigllag stät. \'01 m ab könneR aujJu am lalijahrkaria •..• 4irtlft Karttl IlAtb Citftllbatb grIllst vma. fabrpms f8r einfachefahrl 35 1f,.. J(m- 018 ltckJürt60 1fg. 1a:Iia. SOII'ag 4tl ~. 4s, ua am ,abnnarlU 4tll 11~,4$.verkchrt aas )totO\'$wflrtgtl-, lIIäS$lg zwIscia Bucbau uD Ctdtllbad). JutrUu,u aaf aas )totorscilff zu Extra-Gesellschaftsfahrlen (biszu 10 'ersoneR per StuBe)tk. 6.-) erbittmw .~ 1 Stunk vor gNiiBschtem fabrtkgiDD. leiersee-14otorschiffahrt ..gesellschaft Direktion: ,1lbncht Xtenk.

Federsee-Motorschiffgesellschaft im Jahre 1910

Erwähnenswert ist außerdem noch, daß bereits vor ebenfalls für einen nur mäßigen Umfang des Fährbe- diesem Straßen bau durch das Ried nach Oggelshau- triebes. sen ein Fußweg dorthin angelegt worden war. Das Der Versuch einer Bewertung dieser uralten See- geschah in den Jahren 1785 und 1786. Der Weg fahrtsrechte auf dem Federsee kann ohne Blick auf mußte über weite Strecken auf geflochtenen Faschi- die Karte mit den Besitzungen des Freiweltlichen nen fundamentiert werden, weil der Untergrund zu Damenstiftes Buchau nicht erfolgen. Dabei wird wenig tragfähig war. Er scheint aber - seine erste deutlich, daß weitaus der größte Teil diesseits, also Planung geht bis auf das Jahr 1751 zurück - nicht westlich des Federseebeckens, liegt. Das läßt Rück- befriedigt zu haben, weil schon mit dem Straßenbau schlüsse auf die Politik des Stiftes zu, wenn es darum begonnen wurde, bevor die Kosten für den Fußweg ging, Herrschaftsgebiete bzw. Rechte zu erwerben. bezahlt waren. Naturgemäß spielen bei einer solchen Politik sehr Wenn von Seefahrtsrechten auf dem Federsee viele unterschiedliche Gesichtspunkte und Beweg- gesprochen wird, darf aber auch die Freie Reichs- gründe mit herein. Eines aber dürfte sicher sein: stadt Buchau nicht unerwähnt bleiben. Sie verlieh Sowohl der stiftische als auch der städtische Fährver- ebenfalls die Seefahrt, d. h. das Recht, die über den kehr waren zu leistungsschwach, um für Buchau ein See passierenden Personen zu führen. Weil nun die Hinterland jenseits des Federsees zu erschließen. Im Fahrt nach Oggelshausen dem Stift vorbehalten war, Waren- und Personenverkehr sind beide über die werden die reichs städtischen Fergen wohl die übri- unbedeutende Unterstützung einer rein lokal orien- gen Federseeorte angefahren haben. 1716 waren es 5 tierten Bedarfsdeckung nicht hinausgekommen.Als Schiffer, von denen jeder jährlich für sein Recht 40 dann durch die 1. Federseefällung und den Stra- Kreuzer zu entrichten hatte. 1751 waren es nur noch ßenbau durch das Ried zum Ostrand des Federsee- 4 bei einer in der Zwischenzeit erhöhten, Abgabe beckens bessere Voraussetzungen für mögliche Ak- von je 90 Kreuzern. tivitäten auch in dieser Richtung geschaffen wurden, war es bereits zu spät: 11 Jahre danach war das Im Jahre 1506 hatten die städtischen Fergen zwei Freiweltliche Damenstift aufgehoben und Buchau Bootsgrößen zur Verfügung, wobei der eine Typ auch nicht mehr Freie Reichsstadt. Nun hören wir etwa doppelt so groß war wie der andere. Die größe- wieder mehr als 100 Jahre nichts über den Verkehr ren Kähne hießen damals Segeschäff, die kleineren auf dem See. Reinschäff. Es darf jedoch angenommen werden, Die Gründerjahre zu Beginn des 20. Jahrhunderts daß beide Bootsarten nur verhältnismäßig beschei- bringen Bewegung und Betriebsamkeit an den Fe- dene Ausmaße hatten, weil die Verhältnisse auf dem dersee. Das Interesse an der Natur war erwacht. See, insbesondere das flache Wasser, rentable Grö- Begünstigt durch begeisterte Naturfreunde und den ßen ganz einfach nicht zuließen. Die geringe Höhe vor dem 1. Weltkriege herrschenden Wohlstand, der jährlichen Abgaben von je 40 bzw. 90 Kreuzern, ging man daran, den Federsee touristisch zu er- die die städtischen Fergen zahlen mußten, spricht schließen.

5 Dies geschah zum einen durch den Bau des ersten den in Aussicht genommen, ebenso der Bau einer Steges, der im Frühjahr 1911 fertig wurde, zum Bootshalle am Buchauer Ufer und eine Anlegestelle anderen durch die Gründung der Federsee-Motor- bei Tiefenbach. schiffahrt-Gesellschaft im Jahre davor (Abbil- Der Fähr- und Rundreisebetrieb kam im Ersten dung2). Weltkrieg zum Erliegen und wurde erst 1931 für Die Gesellschaft ließ ein hölzernes Boot mit ei- 2Jahre nochmals aufgenommen. Dieses Mal ver- nem Fassungsvermögen von 10 Personen bauen. wendete man - durch Erfahrungen gewitzigt - nicht Durch die Installierung eines Benzinmotors avan- wieder ein großes schweres Boot mit stationär einge- cierte es zum "Motorschiff". Beabsichtigt war, das bautem Antrieb, sondern ein etwas kleineres und Motorboot sowohl als Personenfähre zwischen leichteres mit einem 4-PS-Außenbordmotor, der bei Buchau und Tiefenbach verkehren zu lassen, als Bedarf - und daran war kein Mangel - angehoben auch Rundfahrten auf dem See durchzuführen. Da- werden konnte, um die Schraube vor Schaden zu bei war das Erreichen und Verlassen der Anlegestel- bewahren. Dergestalt dauerte eine Fahrt von Buch- le auf Buchauer Seite allein schon eine feuchte und au nach Tiefenbach je nach der Anzahl der Hinder- abenteuerliche Sache, denn der eigentliche Feder- nisse 12 bis 15 Minuten. seesteg war ja noch nicht fertig. So war man gezwun- Inzwischen war der Zugang zum Buchauer Ufer in gen, den Steg für die Fischerboote im Kanzachkanal ordentlichen Zustand versetzt. Dafür gab es dann zu benützen, was selten ohne nasse Füße abging, am Tiefenbacher Ufer nach wie vor die schon fast weil der Zugang zu diesem häufig entweder schad- obligaten nassen Füße. Kein idealer Zustand also, haft war oder unter Wasser stand. Am gegenüberlie- und ohne Zweifel mit ein Grund dafür, daß auch genden Ufer bei Tiefenbach sah es nicht besser aus. diese einstweilen letzte Fährverbindung von Buchau Dennoch stellte das Motorboot am Federsee in zur Ostseite des Federsees relativ wenig frequentiert der damaligen Zeit eine Sensation ersten Ranges wurde. Hinzu kam, daß sie ja nicht regelmäßig und dar, schon auch deswegen, weil es erst 24 Jahre her nach Fahrplan verkehrte, sondern nur, wenn die war, seit Gottlieb Daimler das erste Motorboot der Bootsbesitzer Zeit hatten und zur Stelle waren. Welt gebaut hatte. Es zeigte sich aber schon bei den Wer also von Buchaü in eine der Gemeinden ersten Fahrten, daß nicht nur der Zugang zur Boots- jenseits des Sees wollte, zog - ob nun zu Fuß, per liegestelle mitunter beschwerlich war, sondern häu- Fahrrad, Motorrad oder Pkw - den sicheren Weg fig genug auch die Fahrt selbst. Dies vor allem auf der Landstraße der unsicheren und abenteuerli- wegen der üppig wuchernden Wasserpflanzen, dann chen Reise auf dem Federsee vor. Die Zeiten, wo aber auch wegen der Untiefen und Schlammbänke, der Fährbetrieb auf dem See einem dringenden Be- die je nach Wasserstand mehr oder weniger hinder- dürfnis der Bevölkerung diente, waren endgültig lich waren. Hinzu kamen noch die Drahtreusen der vorüber. Federseefischer. Die Mitnahme von Rudern im Motorboot war daher in jedem Falle mehr als nur eine Vorsichts- Literatur: maßnahme, oft ganz einfach eine Notwendigkeit, 1. Oberamtsbeschreibung 1827 um die Anlegestelle zwar schweißtriefend, aber 2. Oberamtsbeschreibung Riedlingen 1923 doch immerhin überhaupt wieder erreichen zu kön- 3. Joh. Ev. Schöttle: Geschichte von Stadt und Stift Buchau, Waldsee 1884 nen. Baggerungen beim Bootssteg im Kanal und die 4. W. Staudacher: Die Verlandungsstadien des oberschwäbischen Herstellung eines befestigten Zuganges dorthin wur- Federsees, Schussenried 1928

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