Nyctalus (N.F.), Berlin 9 (2004), Heft4, S. 343 - 348

Dem Ornithologen und Fledermausforscher Charles (1803-1857) zum 200sten Geburtstag

Von ARTUR HINKEL, Hamburg

Einleitung die Familie genötigt, bis zum Sturz in England zu bleiben. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zählte C. L. BONAPARTE zu den führenden zoologi­ Im Jahr 1814 kehrten sie nach Italien zurück. schen Systematikern Europas. Er fühlte sich Vater LUCIEN hatte Reichtum erworben und zwischen Museumssammlungen und Bücher­ wurde am 2.IX.1814 durch Papst PlUS VII. zum schränken am wohlsten und befaßte sich mit "Prinz von Canino" erhoben und sein ältester fast allen Zweigen der Wirbeltierkunde. Sohn CHARLES zum "Prinz von Musignano". In die Geschichte der Fledermausforschung Hinfort lebte sein Vater "in fürstlicher Pracht ging er durch die Entdeckung von Alpenfleder­ bald auf seinen Gütern im Kirchenstaat oder in maus (Hypsugo savii) und Langfußfledermaus England, bald in seinem Palast in Rom, wo er (Myotis capaccinii) ein, ferner damit, daß er am 30. Juni 1 840 verschied, überlebt von seiner eine vermeintlich neue Art in die Gattung Frau und den neun Kindern dieserEhe" (STRE­ Miniopterus (heute Miniopterus schreibersii) SEMANN 1951). Sein Prinzentitel ging am stellte (HINKEL & MATZ 1996, TUPINIER 200 I). 29. VII. 1 840 auf seinen ältesten Sohn über, der sich dann "CHARLES LUCIEN BONAPARTE, Prinz BONAPARTES ornithologischeVerdienste wur­ von Canino und Musignano" nannte. den von STRESEMANN (1951) und MEARNS & MEARNS (1988) gewürdigt. Auf seine Biogra­ CHARLES BONAPARTE reiste "im Juni 1822 phie ging STROUD (2000)* ausführlich ein [* = nach Brüssel, um sich dort, knapp neunzehn­ der Sekundärliteratur entnommen; d.A. = der jährig, mit seiner Kusine ZENAIDE [ZENAIDE Autor]. CHARLOTTE JULlE, Tochter des Königs von Nea­ pel und Spanien; d.A.] zu vermählen. Sie war die erstgeborene Tochter von Napoleons älte­ BONAPARTES Lebensweg stem Bruder JOSEPH, den jener 1808 vom Thro­ Prinz CHARLES LUCIEN JULES LAURENT BONAPAR­ ne beider Sizilien auf den Thron von Spanien TE wurde am 24. V .1803 in geboren. Sein versetzt und schließlich in seinen eigenen Un­ Vater LUCIEN BONAPARTE (1775- 1840) war ein tergang verstrickt hatte. Zur selben Zeit, als der Bruder von I. (1769- 1821 [französi­ ,Bellerophon' den gefällten Riesen nach St. scher Kaiser ab Dezember 1804]) und hatte am Helena brachte, hatte sich JOSEPH still nach 23.X.1 803 heimlich die Bürgerliche ALEx­ Amerika eingeschifft. Dort lebte er seitdem auf ANDRINE DE BLESCHAMP geheiratet, statt - wie seinem großen Landgut nahe Trenton am Dela­ ihm befohlen - die Witwe des Königs von ware-River (40 km von Philadelphia entfernt) Etrurien. CHARLES' Elternbegaben sich im April unter dem Namen eines Comte de Survilliers, 1804 nach Rom unter den Schutz des Papstes, fern von Frau und Töchtern, die erst in Frank­ um einer Bedrohung durch seinen Onkel zu fu rt, dann in Brüssel ein Asyl gefunden hatten" entgehen. (STRESEMANN 1951). Im Frühjahr 1823 verließ Als Papst PlUS VII. (1740- 1823) am das junge Paar Italien und schiffte sich nach 6.VII. 1 809 verhaftet und als Gefangener NAPO­ Philadelphia ein, wo ihnen 1 824 ein Sohn gebo­ LEONS nach Grenoble gebracht wurde, versuch­ ren wurde. ten sie nach Amerika zu entkommen. Jedoch Philadelphia, die 1682 gegründete Stadt im wurde ihr Schiff am I.X.1810 auf dem MitteI­ Südosten von Pennsylvania, an der Stelle, wo meer von englischen Kreuzern abgefangen und rund 150 km von der Atlantikküste entfernt der 344 A. HINKEL: Dem Ornithologen C. L. Bonaparte zum 200sten Geburtstag

Delaware-River und der Schuylkill-River zu­ unbedenklich dem Neffen des gestürzten Kaisers sammenfließen, verfügte über eine 1740 ge­ den gelegentlichen Besuch französischer gründete Universität und eine 1812 gegründete Zoologen. Den Oktober und November 1837 Akademie für Naturwissenschaften - mit präch­ verbrachte er in London und nahm an einer tigen Bibliotheken. Schon auf der Seereise hat­ Sitzung der Zoological Society teil. Von einer te sich BONAPARTE intensiv mit der fremden Tagung deutscher Naturforscher und Ärzte 1 838 Vogelwelt beschäftigt und begann nun in Phila­ aus Freiburg im Breisgau zurückgekehrt, delphia, die amerikanischen Vögel zu studie­ erwirkte er vom Großherzog von Toscana [LEo­ ren. Sehr vorteilhaft kam ihm dabei die Vogel­ POLO 11. (1797-1 870)) die Erlaubnis zu regel­ sammlung des Porträtmalers CHARLES WILLSON mäßigen Kongressen der italienischen Gelehrten PEALE (1741-1827) zustatten - der hatte 1784 nach deutschem Muster und gewann als deren ein "Peale Museum" eröffnet, welches nun ein ständiger Sektionspräsident weitreichenden Bestandteil des "Philadelphia Museums" war Einfluß. Er war Mitglied in zahlreichen in- und und um 1825 weit über 1 000 Vögel und Säuge­ ausländischen gelehrten Gesellschaften, so der tiere ausstellte. Statt einer geplanten "Ornitho­ Philadelphia Academy ofNatural Sciences, der logia Romana" gab BONAPARTE zunächst eine Academy of Sciences and Literature in Balti­ vierbändige "American Ornithology"(I 1825, more, der Königlichen Akademie in Turin; 1 843 11 + 111 1828, IV 1833)* heraus. Auch seiner wurde er Ehrenmitglied der Akademie der Freundschaftzum "nordamerikanischen Nau­ Wissenschaften in Berlin und am 18.111.1 844 mann", dem Vogelmaler JOHN JAMES AuouBoN korrespondierendes Mitglied des Institut de (1785-1851), verdankte er viel Material über France in Paris. die Vögel Amerikas. Im Elternhaus freiheitlich erzogen, begann 1828 kehrte BONAPARTE mit Frau und Söhn­ sich BONAPARTE mit zunehmendem Alter fürdie chen endgültig nach Europa zurück und wählte Ideale der Großen Revolution zu begeistern Rom als Wohnsitz. Bald genügte ihm die Orni­ und wurde politisch aktiv: "Ennutigtdurch die thologie allein nicht mehr und so beschäftigte er liberalen Refonnen,die der neue Papst PlUS IX. sich mit fast allen Zweigen der Wirbeltierkunde. [( 1792-1 878); d.A.) im Kirchenstaat eingeführt Mit seiner "Iconografia della Fauna Italica" hatte, mitgerissen von der nationalen Bewe­ ( 1 832-1841) bereicherte BONAPARTE die Kennt­ gung in Oberitalien, hielt er 1847 die Zeit für nis der Säugetiere, Kriechtiere, Amphibien und gekommen. In seine Adresse an den Gelehrten­ Fische Italiens nicht minder wie die der Vögel. kongreß in Venedig ließ er politische Anspie­ Der Text ist in Latein geschrieben, der erste lungen einfließen, die die österreichischen Be­ Band handelt die Säugetiere und Vögel ab. Der hörden mit einer sofortigen Ausweisung aus zweite Band, welcher die Amphibien abhandelt, ihren Staaten beantworteten. Als er wieder nach ist mit 54 sehr schönen handcolorierten Kupfer­ Rom kam, hatte sich auch dorthin die freiheit­ stichen im Foliofonnat illustriert; speziell die liche Erregung verbreitet und gegen den Papst Schild-kröten und Frösche interessierten ihn gewendet, der nun vergebens trachtete, die (ADLER 1989). BONAPARTE orientierte sich an Geister, die er gerufen hatte, wieder zu ver­ dem zoologischen System, welches GEORGES OE scheuchen, denn er erreichte damit nur, daß die radikale Partei, zu deren Führernsich nun auch CUVIER (1769- 1 832) in Paris aufgestellt hatte, reihte aber die Insektenfresser vor den Nagetieren ein der Prinz von Canino gesellte, immer mehr und trennte die Fledertiere von den Menschenaffen. Zulauf fand. Schließlich mußte PlUS IX., um Schlimmerem zu entgehen, am 15. November Schon Ende 1 826 hatte BONAPARTE eine Reise 1848 den Republikanerndas Feld räumen und nach Europa unternommen und Museen in nach Gaeta flüchten. Am 16. Februar 1849 zum England, Deutschland und der Schweiz besucht. Vizepräsidenten des gesetzgebenden Rates er­ Nach der Revolution vom 27 .VII.1 830 und der nannt, unterzeichnete der Prinz von Canino Wahl des "Bürgerkönigs" LOUIS PHILIPPE ( 1 773- fünf Wochen später die Proklamation, die das 1850) zum König der Franzosen [1830-1848], römische Volk fürein geeintes Italien zu den gestattete die dortige Regierung schon bald Waffen rief. So wenig wie seine Umgebung A. HINKEL: Dem Ornithologen C. L. Bonaparte zum 200sten Geburtstag 345 mochte er je damit gerechnet haben, daß ein einer Tagung der British Association nach Bir­ anderer BONAPARTE, sein Vetter LOUIS-NAPOLE­ mingham, kehrte bei einem Freund in Schott­ ON, der erst drei Monate zuvor als Sieger aus der land ein und begab sich schließlich nach Hol­ Präsidentenwahl hervorgegangen war, der ita­ land zu COENRAAD J ACOB TEMMINCK ( 1787-1 858) lienischen Freiheitspartei in den Rücken fallen nach Leiden, um endlich das Buch zu schrei­ würde, um den Klerus für sich zu gewinnen - ben, dessen Idee ihm schon seit über 20 Jahren doch das Unerwartete geschah!" (STRESEMANN vorschwebte -einen Conspectus der Wirbeltie­ 1951). Sein Cousin CHARLES LoUIS NAPOLEON re, vor allem der Vögel. Schon Anfang Februar BONAPARTE ( 1 808-1 873 ) [als NAPOLEON III. fran­ 1850 verschickte er die ersten Bögen, am zösischer Kaiser von 1852 bis 1870] gewann im 24. Juli fo lgte die erste Fortsetzung bis Bogen Dezember 1848 die Präsidentschaftswahl mit 34 des "Conspectus generum avium"*. 74 % der Stimmen. Dessen Herrschaft zeigte Im Sommer 1 850 erreichte ihn die Nachricht, zwei Gesichter: Zwar förderte LoUIs NAPOLEON daß sich sein Cousin LOUIS NAPOLEON eines den wirtschaftlichen Aufschwung seines Lan­ anderen besonnen hatte und ihm die Einreise des, doch der kam in erster Linie dem wohlha­ nach Frankreich gestattete. Ohne langes Besin­ benden Bürgertum zugute. Sein außenpoliti­ nen packte CHARLES seine Sachen und reiste sches Ziel war, die europäische Ordnung des nach Paris, um sich dort eine neue Heimat zu Wiener Kongresses von 1815 zum Vorteil bereiten. Kaum in seiner Geburtsstadt ange­ Frankreichs umzugestalten [erst nach dem Pa­ kommen, begab ersieh zu ISIDOREGEOFFROYST. riser Kongreß von 1856 unterstützte er die HILAIRE (1805-1861) an das Museum d'Histoire nationalen Unabhängigkei tsbewegungen in Ita­ Naturelle und verarbeitete das dortige Material lien, auf dem Balkan und in Polen, deren Sie­ für die letzten Bögen (45 bis 68) des ersten geszug ihm jedoch mehr Nach- als Vorteile Bandes ("Insessores")*, welcher 543 Seiten einbrachte]. "Am 24. April 1849 landete ein französisches Expeditionskorps bei Civita stark noch vor Ende des Jahres 1850 heraus­ Vecchia und ging bald danach zum Angriff kam. gegen die Ewige Stadt vor, die, obgleich von BONAPARTEs Produktivität steigerte sich in der Bevölkerung und der garibaldinischen Le­ Paris bald ins Maßlose, denn eine Krankheit gion tapfer verteidigt, am 3. Juli vor der Über­ ließ ihm keine Ruhe mehr und hetzte ihn, schnell macht kapitulieren mußte. Bis zur letzten Stun­ noch sein Wissen zu Papier zu bringen -aber er de hatte der Prinz an den Sieg der republikani­ verlor den Wettlauf mit dem Tod, sein Werk schen Sache geglaubt; nun erst, da alles verlo­ blieb unvollendet: CHARLES LuclEN BONAPARTE ren war, schiffte er sich, genau wie vor 40 starb am 29.VI1. 1857 in Paris [nach STRESE­ Jahren sein Vater, heimlich in Civita Vecchia MANN (1951) fälschlicham 29.1V.1 857]. Seine ein mit der Absicht, fortan in Frankreich zu Privatbibliothek vererbte er dem Pariser Natur­ leben" (STRESEMANN 1951). [GUISEPPE GARI­ historischen Museum. BALDINI ( 1807 -1882) unterstützte den 1831 von GUISEPPE MAZZANI (1805-1 872) gegründeten BONAPARTEs Geheimbund "Giovine Italia" (Junges Italien) fledermauskundliehe im KampfOberitaliens gegen Österreich;wahr­ Verdienste scheinlich gehörte auch BONAPARTE diesem Bund an]. Kaum in Marseille angekommen, stellte In seiner "Iconogratia della Fauna Italica" ( 1 837) ihm die Regierung seines Cousins einen Aus­ beschrieb BONAPARTE die Fledermäuse Italiens, weisungsbescheid zu. Als BONAPARTE unbe­ bei denen er glaubte, einige neue Arten entdeckt kümmert die Reise nach Paris fortsetzen wollte, zu haben. Insgesamt führte er als Arten an: wurde er in Orleans verhaftet, unter Bewa­ Dysopes cestollii, Molosso dei cestoni chung nach Le Havre gebracht und genötigt, Plecotlls 1I11 ritlls , Orecchiardo comune sich nach England auszuschiffen. Plecotlls brevil1lllllllS,Orecchiardo manciola Er lebte dann im Exil in London, wo ihn VespertiliO el1lllrginatlls, Vespertilione smargi­ Freunde willkommen hießen, fuhr gleich zu nato 346 A. HINKEL: Dem OrnithologenC. L. Bonaparte zum 200sten Geburtstag

Vespertilio capaccinii, Vespertilione dei auriculis capite acuto brevioribus, late sub­ Capaccini cordatis; trago reniformi, dimidia auricola Vespertilio daubentoni, Vespertilione Dauben­ breviori: pedibus minutis a patagio anali ton amplissimo, me die hinc inde apperidiculato, Vespertilio murinus, Vespertilione murino vix excedentibus: cauda apice exserto: vellere Vespertilio vispistrellus, Pipistrello vispistrello fuliginoso-Iutescenti, subtus albicante. Dentes Vespertilio savii, Pipistrello dei Savi 32" (BONAPARTE 1837, p. 24-25). Die Holotype Vespertilio bonapartii, Pipistrello dei Bonaparte fing er am 10. VIII. 1836 in Ariccia, einige Vespertilio noctula, Pipistrello nottola Paratypen hatte er zuvor von Sizilien erhalten. Vespertilio serotinus, Pipistrello serotino Mit seiner "Ursinischen Fledermaus" meinte Vespertilio alcythoe, Pipistrello Alcitoe BONAPARTE eine neue Art vorliegen zu haben, Vespertilio leucippe, Pipistrello Leucippe die er in die Gattung Miniopterlls stellte: "Mini­ Vespertilio aristippe, Pipistrello Aristippe opterus auriculis lateralibus duplo brevioribus Vespertilio ursinii, Minioptero deli' Orsini capite, rotundatis, integris; trago perbrevi, sub­ Barbastelllls cOl1lmunis, Barbastello dei Dau­ reniformi: pedibus valde excedentibus ab anali benton patagio abundantissimo: vellere fuliginoso­ Rhinolophllsje rrum-equinum, Rinolofo unia­ castaneo, pilis subunicoloribus" (BONAPARTE stato 1837, p. 37-38). Er benannte sie zu Ehren des Rhinolophus hippocrepis, Rinolofo biastato. Herrn ANToNlo ORSINI (oder URSINI) in Ascoli. Sehr gewissenhaft und genau führte BONA­ Jedoch ist diese Art schon von KUHL (1817) PARTE die hierzu eingesehenen Literaturquellen beschrieben und zu Ehren von CARL FRANz an. Er meinte, einige neue Arten entdeckt zu ANTON VON SCHREIBERS (1775-1 852), Direktor haben, von denen er drei zu Ehren der in der des Wiener Naturhistorischen Museums, be­ Minerva heiligen Schwestern ALCITHOE, nannt worden [s. auch TUPINIER (2001)]. LEUCIPPE und ARISTIPPE benannte. Diese hatten, den ganz alten Überlieferungen zufolge, nicht BONAPARTES an den Orgien zu Ehren von BACCHUS teilgenom­ ornithologische men und waren deshalb von ihm, nach meh­ Verdienste reren Warnungen, in häßliche Fledermäuse sind ziemlich ausführlich von STRESEMANN verwandelt worden - was BONAPARTE aus mora­ (1951, p. 155-171) erörtert worden. Der junge lischen Gründen nachdrücklich bedauerte. Prinz von Musignano fühlte sich schon frühzei­ tig zur Naturkunde hingezogen und begann Wirklich neue Arten beschrieb er eine zu zunächst, Pflanzen und Insekten zu sammeln. Ehren des italienischen Nuntius [Gesandter des Aber bald interessierte ihn die Ornithologie Papstes im Rang eines Botschafters] FRANcEsco immer mehr und er beschloß - noch nicht ganz CAPACCINI (1784- 1 845) und eine zu Ehren des 20 Jahre alt - eine "Ornithologia Romana" Pisaer Professors PAOLO SA VI ( 1 789- 1871 ) [B io­ vorzubereiten. TEMMINCK hatte in Leiden eben graphien siehe HINKEL & MATZ (1996)]. die ersten zwei Bände von einem "Manuel Die Kennzeichnung der Langfußfledermaus d'Ornithologie" herausgegeben, welche dem (Myotis capaccinii) lautet: "Vespertilio auriculis Prinzen ein unschätzbarer Ratgeber wurden. lateralibus, capite tertio brevioribus, ovato­ Als BONAPARTE 1823 einen Vogel, den er in der lanceolatis, margine integris; trago brevi, Campagna Romana für seine Sammlung erlegt gracillimo: pedibus robustis a patagio anali hatte, nicht bestimmen konnte, schickte er ihn angusto villosissimo valde excedentibus: vellere zu TEMMINCK. Der erkannte den Tamarisken­ griseo-rufescenti, subtus cinereo-flavido"(Bo ­ sänger als neue Spezies für die Wissenschaft NAPARTE 1837, p. 16-17). Das Typenexemplar und publizierte ihn im Dezember 1 823 in seinen stammt von Sizilien. "Planches Coloriees" (Tafel 244) unter Sylvia melanopogon. BONAPARTES Kennzeichnung der Alpen­ fledermaus (Hypsugo savii) lautet: "Pipistrellus Zoologische Abhandlungen, darunter eine A. HINKEL: Dem Ornithologen C. L. Bonaparte zum 200sten Geburtstag 347

"American Ornithologyor the Natural History Verf.[asser] hat die Gelegenheit seiner Reise of Birds Inhabiting the United States" (Phil­ zur Ornith.[ologischen] Vers.[ammlung] in adelphia 1825-1 833)*, eine "Observations on Cöthen benutzt, um die vorzüglichsten Museen the Nomenclature of Wilson's Ornithology" Europa' s, besonders die von Berlin, Dresden, (Philadelphia 1826)* und ein Systema Leipzig, Frankfurt, Bremen, Leyden, Brüssel, Ornithologiae ( 1840)*, wurden von Strasburg etc. zu studiren. Er weiss jetzt, woran ihm publiziert. "An 350 neue Arten, der großen er sich betreffs der zahlreichen neuen oder für Mehrzahl nach dem indischen Archipel und neu ausgegebenen Arten [ ... ], zu halten hat" Westafrika angehörig, werden nach den Origi­ (BONAPARTE in BALDAMUS 1857, p. 88). nalen der Leydener Sammlung und anderer "Sein erstes Ziel scheint Coethen gewesen zu Museen kurz beschrieben" in BONAPARTES sein, wo vom 2. bis 5. Juni 1856 die zehnte "Conspectus generum avium"* (STRESEMANN Versammlung der deutschen Ornithologen­ 1951). Er war: ,,[ ...] als Verfasser umfangrei­ Gesellschaftstattfand. Führende Vogelkenner cher vogelkundlicher Monographien einer der Deutschlands, darunter J. F. NAuMANN, C. L. hervorragendsten ornithologischen Systemati­ BREHM, 1. H. BLASIUS, B. ALTuM, C. L. GLOGER, ker; 1 850 besuchte er NAUMANN und nahm 1 856 E. BALDAMUS, und [ ... ]. Mögen auch mehrere an der 10. Ornithologen-Versammlung in deutsche Teilnehmer dabei ihre Ansichten mit Köthen teil" BAEGE 1984). LUDWIG BAEGE ( Scharfsinn und Beredsamkeit verfochten ha­ (1932-1 989) erwähnte in seinem Korrespon­ ben - in überlegener Weise hat nur BONAPARTE denz-Katalog (1984) einen Brief von J. F. in diesen Disput eingegriffen, denn nur er, der NAUMANN an BONAPARTE in Rom [ohne Datum, Schüler ISIDORE GEOFFROYS, begriff die heuti­ 184211843?], in weIchem er fürdie Zusendung gen Spezies als das Ergebnis einer langen Evo­ einer Schrift dankte und den Wunsch nach lution, als das Produkt der Auseinandersetzung weiteren äußerte. zwischen konservativer Erbmasse und modifi­ Zusammen mit seinem Freund HERMANN zierter Umwelt" (STRESEMANN 1951). SCHLEGEL ( 1 804- 1 884) aus Leiden besuchte Bo­ Im Jahr 1 857 verlor die europäische Ornitho­ NAPARTE zunächst Ende Mai 1850 den Direktor logie g leich drei ihrer hervorragendsten Vertre­ des Berliner Naturhistorischen Museums, MAR­ ter: Am 29. Juli starb BONAPARTE, am 15. Au­ TIN HINRICH CARL LICHTENSTEIN (1780- 1 857), gust folgte ihm NAuMANN, kurz darauf am dann reisten sie weiter über Leipzig zu SCHLE­ 3. September LICHTENSTEIN - und am 30. Januar GELS Elternhaus im thüringischen Altenburg. 1858 verschied auch TEMMINCK. Am 16.VI. 1 850 besuchten sie JOHANN FRIED­ RICH NAUMANN (1780-1857) in Ziebigk im Her­ Danksagung zogtum Köthen-Anhalt, welcher mit seiner YVES TLJPINIER 12bändigen "Naturgeschichte der Vögel Frau Lls,\LEVI (Turin/l). HerrnDr. (Caluirel F) und Herrn Dr. CARLO VIOLANI (Pavia/I> dankt d.A. ganz Deutschlands" (1820-1 844) die Ornithologie herzlich fürdie langjährige.fr eundschaftliche Korrespon­ als Wissenschaft in Mitteleuropa begründet hat. denz zur Geschichte dereuropäischen Fledermausforschung. Weiter ging die Reise über FrankfurtlMain, sowie Frau GABI MAcK (San Leo/l ) für die Übersetzung CAROLA Darmstadt und Mainz, dann waren sie einige italienischer Texte. Frau BASTIAN (Hamburg) sei fürihre Hilfe beim Erstellen des Manuskriptes gedankt. Tage zu Gast auf Schloß Neuwied bei MAxIMI­ L1AN ALEXANDER PHILIPP PRINZZU WIED-NEUWIED Zusammenfassung ( 1 782- 1 867). Schließlich kehrten sie über Brüs­ Cllf\RLES LUCIEN BONAPARTE wurde am 24. V .1803 in Puris seI nach Leiden zurück (STRESEMANN 1951, geboren. 1804 ging seine Familie nuch Rom ins Exil. 1810 GEBHARDT 1964). nuch London. 1814 kehrte sie nach Rom zurück. ClIARLES heiratete 1 822 in Brüssel und reiste 1823 nach Philadelphia. In der "Naumannia", dem Journal der deut­ 1828 siedelte er mit Frau und Sohn nuch Rom zurück und schen Ornithologen-Gesellschaft (VII, p. 88- begunn. sich mit fust allen Zweigen der Wirbeltierkunde zu 104, 1857), berichtete BONAPARTE über seine beschäftigen. Er zählte in der ersten Hälfte des 19. Jahr­ hunderts zu den führenden Systematikern Europas und wur Besuche an den Naturhistorischen Museen in in der Nuturgeschichte außerordentlich belesen. Beim Deutschland, Holland und Belgien: "Der H.I err] Sichten von Museumssammlungen fühlte er sich wohler als 348 A. HINKEL: Dem OrnithologenC. L. Bonaparte zum 200sten Geburtstag auf Sammelexkursionen. Er verfaßte zahlreiche Publika­ BONAPARTE described two new bat species: Myoris tionen über Säugetiere, Vögel, Kriechtiere, Lurche und capaccinii (long-fingered bat) and Hypsugo savii (Savi's Fische und war Mitglied oder Ehrenmitglied in zahlreichen pipistrelle). in- und ausländischen gelehrten Gesellschaften. Im Som­ mer 1850 gestattete ihm die französische Regierung die Rückkehr nach Frankreich und er begab sich unverzüglich Schrifttum nach Paris. Dort setzte er seine zoologischen Studien uner­ müdlich fort, denn eine Krankheit ließ ihm keine Ruhe ADLER, K. (1989): Contributions to the History of mehr, jedoch konnte er sein geplantes Werk nicht mehr Herpetology. I. World Congress of Herpetology, vollenden. CHARLES LUCIEN BONAPARTE starb am 29. VII. I 857 Canterbury. Bonaparte, p. 29-30. S.S.A.R. in Paris. BAEGE, L. ( 1984): Katalog der Naumann-Korrespondenz in BONAPARTE beschrieb zwei neue Ftedermausarten: Myotis den Sammlungen des Naumann-Museums nebst capaccinii (Langfußfledermaus)und Hyp.mgo savii (Alpen­ Verzeichnung der in Fremdbesitz nachweisbaren fledermaus). und aller im Schrifttum publizierten Korrespon­ denz. Blätter aus dem Naumann-Museum 8. Orni­ Summary thologie-Historisches Naumann-Museum Köthen­ Anhalt. BONAPARTE, C. L. (1837): Iconografia della Fauna Italica. In memoryofthe 2001hbirthday ofthe ornithologist and Band I, 1832-1841. Rom. bat researcherCharles Lucien Bonaparte (1803-1857) -(1857): Excursions dans les divers Musees d' Allemagne, CHARLES LUCIEN BONAPARTE was born on May 24, 1803 in de Hollande et de Belgique, et tableaux paralleli­ Paris. His familiy went to exile to Rome in 1804, in 1810to ques de l'ordre des echassiers. In: Naumannia - London and returnedto Rome in 1814. CHARLES married in Journal für die Ornithologie, vorzugsweise Euro­ in 1822 and traveled to Philadelphia in 1823. In pa's. Organ der deutschen Ornithologen-Gesell­ 1828 he settled back to Rome together with his wife and son schaft VII, p. 88- 104, Leipzig (Hrsg.: BAlDAMUS, and started to engage in almost all sections of science E.) dealing with vertebrates. During the first half of the 19th GEBHARDT, L. (1964): Die Ornithologen Mitteleuropas. century he ranked as one of the leading taxonomists in Brühlscher Verlag Gießen. Europe. He was extraordinaryly well-read about natural HINKEL, A., & MATZ,N. (1996): Synopsis zur Entdeckung history. He feit more comfortable about sifting through the und Benennung der europäischen Ftedermausarten. collections of museums than about joining field trips in Nyctalus (N.F.) 6, 143- 166. order to gather objects. He published numerous scientific KUHL, H. (1817): Die deutschen Fledermäuse. HanauIM. works about mammals, birds, reptil es, amphibians and STRESEMANN, E. (1951): Die Entwicklung der Ornithologie, fishes and was member or honorary member of numerous von Aristoteles bis zur Gegenwart. Verlag Hans domestic and foreign academic societies. In summer 1850 Limberg Aachen 43 1 pp. the French government allowedhirn to returnto France and STROUD, P. T. (2000): Tbe Emperor of Nature. Charles­ he went immediately to Paris. Tbere he continued his Luden Bonaparte and his world. Univ. of zoological studies indefatigably, for an illness gave hirnno Pennsylvania Press. Philadelphia (371 pp). * rest. Nevertheless,he didn't succeed in finishinghis intended TUPINIER, Y. (200I) : Historique de la description des especes work. CHARLES LUCIEN BONAPARTEdied on July 29, 1857 in europeennes de Chiropteres. LeRhinolophe 15, I - Paris. 140. Geneve.

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