56 Charadrius 42, Heft 2, 2006 (2007): 56-69

Bestand und Bestandsentwicklung von Rabenvögeln im Raum (Kreis , Nordrhein-Westfalen)

Johan H. Mooij

Zusammenfassung Die Biologische Station im Kreis Wesel hat in den Jahren 2001 und 2002 in einem ca. 7.485 ha großen, linksrheinisch gelegenen Untersuchungsgebiet auf dem Gebiet der Stadt Xanten sowie Randbereichen von Sonsbeck (Labbeck) und Wesel (Ginderich) alle besetzten Nester der Saatkrähe (Corvus frugile- gus), Rabenkrähe (Corvus corone), und Elster (Pica pica) erfasst. Die Erfassung ergab eine Brutdichte von 2,9 Rabenkrähenbrutpaare/100 ha und 1,5 Elsterbrutpaare/100 ha im Jahre 2001 sowie von 2,7 Rabenkrähenbrutpaare/100 ha und 1,3 Elsterbrutpaare/100 ha im Jahre 2002. Im Siedlungsbereich wurde 2001 eine Brutdichte von 7,7 Rabenkrähen- und 5,5 Elsterbrutpaaren und im Jahre 2002 von 6,2 Rabenkrä- hen- und 4,8 Elsterbrutpaaren pro 100 ha festgestellt, während die Siedlungsdichte in der freien Landschaft im Jahre 2001 2,4 Rabenkrähen- und 1,0 Elsterpaare und 2002 2,3 Rabenkrähen- und 0,8 Elsterpaare pro 100 ha betrug. Bei einem Vergleich mit den Siedlungsdichten aus den 1970er und 1980er Jahren erscheint die häufig „beschworene“ explosive Zunahme beider Arten in den letzten Jahrzehnten fraglich. Im Untersu- chungsgebiet hat sich der Bestand der Saatkrähe von einer Kolonie mit ca. 300 Nestern in den 1970er Jahren auf 360-560 Nester in neun Kolonien 2001 und 2002 erhöht. In den außerhalb der Brutzeit auftretenden Rabenvogelschwärmen bildeten die Rabenkrähen mit ca. 8 % nur eine Minderheit, während die Mehrheit von Saatkrähen (ca. 45 %) und Dohlen (Corvus monedula) (ca. 47 %) gebildet wurde. Im Laufe des zweiten Halbjahres nahmen die jeweiligen Anteile der Raben- und Saatkrähe ab und der der Dohle zu. Das zuneh- mend häufigere Auftreten von Rabenkrähen und Elstern in den Siedlungsbereichen sowie von Dohlen und Saatkrähen in der freien Landschaft hat zweifellos zum Eindruck beigetragen, dass die Bestände der Raben- krähe stark zugenommen haben. Obwohl sie Singvögel sind, werden Rabenkrähen und Elstern in großen Teilen Deutschlands bejagt und haben die jährlich erlegten Zahlen seit den 1970er Jahren stetig zugenommen. Die festgestellte Bestandsent- wicklung beider Arten stellt die offizielle Begründung für die Bejagung als notwendige Bestandsregulierung zum Schutz heimischer Arten bzw. landwirtschaftlicher Produktion in Frage.

Summary Population and population trends of corvids in the region of Xanten (Wesel district, Northrhine- Westphalia). In the years 2001 and 2002 the Biological Station Wesel counted the number of breeding Rooks (Corvus frugilegus), Carrion Crows (Corvus corone) and Magpies (Pica pica) in an area of c. 7,485 ha on the ter- ritory of the town of Xanten as well as in parts of the neighbouring communities of Sonsbeck (Labbeck) and Wesel (Ginderich) (district Wesel, Northrhine-Westphalia; fig. 1). An average breeding density of 2.9 breeding pairs/100 ha for the Carrion Crow and 1.5 for the Magpie in 2001, and of 2.7 breeding pairs/100 ha for the Carrion Crow and 1.3 for the Magpie in 2002 were found (fig. 2). There were clear differences in distribution. In settlements a breeding density of 7.7 Carrion Crow and 5.5 Magpie pairs/100 ha was found in 2001 and of 6.2 Carrion Crow and 4.8 Magpie pairs/100 ha in 2002. In the countryside a breeding density of 2.4 Carrion Crow and 1.0 Magpie pairs/100 ha was found in 2001 and of 2.3 Carrion Crow and 0.8 Magpie pairs/100 ha in 2002 (fig. 3). Compared to the breeding densities found in the 1970s and 1980s the frequently heard contention that there has been a dramatic population increase in both species during the past decades seems to be questionable (fig. 2 & 3). The population of the Rook in the study area showed an increase from one colony with c. 300 nests in the 1970s to 360-560 nests distributed on 9 colonies in 2001 and in 2002 (fig. 4). In the second half of the year the black corvid species gather in groups outside the settlements. In these groups, Carrion Crows with about 8 % were a minority, whereas the majority was composed of Rooks (c. 45 %) and Jackdaws (Corvus monedula) (c. 47 %). In the course of the second half of the year the proportion of both Carrion Crow and Rook in the groups decreased, whereas the proportion of J.H. Mooij: Bestand und Bestandsentwicklung von Rabenvögeln im Raum Xanten 57

Jackdaw increased (fig. 5). Most corvid groups observed were composed of less than 100 birds and Carrion Crows were only found in groups of less than 50 birds (fig. 6). The increased frequency of Carrion Crows and Magpies in the settlements as well as of Jackdaws and Rooks in the countryside likely has undoubtedly supported the impression that the population of the Carrion Crow has increased. In spite of the fact that they are songbirds Carrion Crows and Magpies are hunted in most German fede- ral states The numbers bagged show a steady increase since the 1970s both in Wesel district (fig. 7) and Northrhine-Westphalia (fig. 8) and an influence of the so-called “hunting moratorium” as a result of “total protection” of the corvid species in the course of the EU Birds-Directive is hardly detectable. The results of studies in The Netherlands (fig. 9) and (fig. 10) indicate that hunting is not a very effective tool to regulate corvid populations. The official reason for the regulation of the population size of both species by hunting is to avoid damage to the local fauna as well as to the agricultural production by their increasing populations. Until now none of these damages ever have been proven. These facts as well as the popula- tion trends found in this study make the argumentation for the need of regulation of corvid populations by hunting rather questionable.

Einleitung beiter der Biologischen Station im Kreis Wesel Es gibt kaum eine Vogelgruppe, die so kontro- in den beiden Folgejahren während der Monate vers unter Naturschützern sowie zwischen Natur- April und Mai jeweils 6 Kartierungsdurchgänge schützern und Jägern diskutiert wird, wie die pro Brutsaison durchgeführt, wobei in einem ca. Rabenvögel. Während einerseits die Meinung ver- 7.485 ha großen Gebiet alle besetzten Nester der treten wird, dass sie als Opportunisten vielerorts Saatkrähe (Corvus frugilegus), Rabenkrähe (Corvus von der menschlichen Landnutzung profitieren und corone) und Elster (Pica pica) erfasst wurden. Das ihre Zahl stark zugenommen hat, wodurch sie große Untersuchungsgebiet liegt am linken Niederrhein Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen sowie und erstreckt sich über einen Großteil des Gebiets durch Prädation an der heimischen Fauna anrichten, der Stadt Xanten sowie Randbereiche von Sonsbeck werden andererseits Bestandszunahmen bzw. die (Labbeck) und Wesel (Ginderich). Die ermittelten angenommene Schädlichkeit bestritten. Abhängig Neststandorte wurden mit Hilfe eines geografischen von der Sichtweise wird eine Bestandsreduzierung Informationssystems (GIS) kartographisch festge- durch die Jagd oder eine vollständige Jagdverscho- halten (Abb. 1). Mit Hilfe des GIS wurden später nung gefordert. Gerade in jüngster Zeit wird von die jeweiligen Brutbestandsdichten der erfassten Seiten der Landwirtschaft wieder ein verstärkter Arten im Untersuchungsgebiet sowie im Siedlungs- Abschuss der Rabenkrähe gefordert, weil ihrer Mei- bereich und in der freien Landschaft ermittelt. nung nach der Bestand deutlich zugenommen hat und die Vögel in Obst- und Gemüsekulturen sowie Daneben wurde im Untersuchungsgebiet die bei Saat und Jungpflanzen jährlich Schäden von Zusammensetzung der Rabenvogelschwärme auf vielen Tausend Euro verursachen. Von Seiten der den landwirtschaftlichen Nutzflächen ermittelt. Jägerschaft wurde gegen die im Rahmen der EU- Hierzu wurden zwischen Juni und Dezember zwei- Vogelschutzrichtlinie um sechs Wochen verkürzte mal monatlich auf zwei ca. 5 km langen Strecken Jagdzeit für Elster und Rabenkrähen protestiert, mit durch landwirtschaftliche Nutzflächen alle Raben- der Argumentation, dass den steigenden Beständen vogelarten sowie die Größe und Zusammensetzung in der verkürzten Jagdzeit kaum beizukommen sei. der jeweiligen Gruppen erfasst. Um zu prüfen, ob es in den letzten 30 Jahren Zunah- Zur Rekonstruktion früherer Siedlungsdichten men bei den Rabenvögeln gegeben hat werden in wurden Daten aus der Literatur entnommen (z.B. der vorliegenden Arbeit Bestandsaufnahmen der Glutz von Blotzheim & Bauer 1993, Flade Jahre 2001 und 2002 aus einem Untersuchungs- 1994, Mildenberger 1984) bzw. aus Bestands- raum am linken Niederrhein ausgewertet und die Ergebnisse mit den Ergebnissen früherer Bestands- schätzungen älterer Literatur errechnet (z.B. Mil- aufnahmen verglichen. Darüber hinaus wurde die denberger 1984, Rheinwald 1993). Zur Ermittlung vorliegende Jagdstreckenstatistik ausgewertet. des Jagddrucks wurden Jagdstreckendaten von der LÖBF, Abteilung Forschungsstelle für Jagdkunde Methode und Wildschadensverhütung sowie von der Unteren Nach einem Vorlauf im Jahre 2000 haben Mitar- Jagdbehörde des Kreises Wesel herangezogen. 58 Charadrius 42, Heft 2, 2006

Abb. 1: Das Untersuchungsgebiet im Raum Xanten mit Neststandorten von Rabenkrähe, Elster und Saatkrähe in den Jahren 2001 (oben) und 2002 (unten). Fig. 1: The study area around Xanten in 2001 and 2002 with nest sites of Carrion Crow, Magpie and Rook. J.H. Mooij: Bestand und Bestandsentwicklung von Rabenvögeln im Raum Xanten 59

Ergebnisse Im gesamten Untersuchungsgebiet wurden in bei- den Jahren neun Saatkrähenkolonien festgestellt, Ausgehend von der Annahme, dass zu jedem besetz- mit 567 Nestern im Jahre 2001 und 364 im Jahre ten Nest ein Brutpaar gehört, wurde als Ergebnis 2002 (Abb. 4). der Untersuchung für das Jahr 2001 eine Sied- Die Erfassung der Artzusammensetzung der lungsdichte von 2,9 Rabenkrähenpaaren und 1,5 herbstlichen Rabenvogelschwärme auf den land- Elsterpaaren und im Jahre 2002 von 2,7 Brutpaaren wirtschaftlichen Nutzflächen (7.221 Vögel in 71 der Rabenkrähe und 1,3 der Elster pro 100 ha Land- Trupps) ergab, dass diese mehrheitlich aus Saat- fläche festgestellt (Abb. 2). Auffällig waren die krähen und Dohlen (Corvus monedula) bestanden: großen Unterschiede der Siedlungsdichte zwischen im Durchschnitt waren es 47,2 % Dohlen, 44,8 % den Siedlungsbereichen und der freien Landschaft. Saatkrähen und nur 8,0 % Rabenkrähen. Zwischen Im Siedlungsbereich wurden 2001 7,7 Rabenkrä- Juni und Dezember nahm der Anteil der Saat- und hen- und 5,5 Elsterbrutpaare und im Jahre 2002 Rabenkrähen in den Trupps ab, während der Anteil 6,2 Rabenkrähen- und 4,8 Elsterbrutpaare pro 100 der Dohlen zunahm (Abb. 5). Größere und große ha festgestellt, während die Siedlungsdichte in der Rabenvogelgruppen bestanden aus Saatkrähen und freien Landschaft im Jahre 2001 2,4 Rabenkrähen- Dohlen, während Rabenkrähen nur in kleinen bis und 1,0 Elsterpaare und in 2002 2,3 Rabenkrähen- relativ kleinen Rabenvogelgruppen von weniger als und 0,8 Elsterpaare pro 100 ha betrug (Abb. 3). 50 Individuen angetroffen wurden (Abb. 6.)

7,0 Abb. 2: Brutdichten von Raben- Rabenkrähe - Carrion Crow Elster - Magpie krähe und Elster in Deutschland 6,0 in den 1970er, 1980er, 1990er und 2000er Jahren (errechnet aus Da- ten von DJV 2004b & 2006b, Ha- 5,0 gemeijer & Blair 1997, Mäck et al. 1999, Rheinwald 1993, Snow a 4,0 h & Perrins 1998), im Rheinland 0 0 1 in den 1970er und 1990er Jahren /

P 3,0 B (errechnet aus Daten von Milden- berger 1984, Wink 1987, Wink

2,0 et al. 2005) , und im Raum Xanten 2001 und 2002 (diese Arbeit).

1,0 Fig. 2: Breeding densities of Car- rion Crows and Magpies in Ger- many in the 1970s, 1980s, 1990s 0,0 BRD 1980er BRD 1990er BRD 2000er Rheinland Rheinland Xanten 2001 Xanten 2002 and 2000s (calculated from data Germany 1980s Germany 1990s Germany 2000s 1970er/1970s 1990er/1990s of DJV 2004b & 2006b, Hage- meijer & Blair 1997, Mäck et al. 1999, Rheinwald 1993, Snow & Perrins 1998), the Rhineland in 8,0 Rabenkrähe - the 1970s and 1990s (calculated 7,0 Carrion Crow from data of Mildenberger 1984, Elster - Wink 1987, Wink et al. 2005) and 6,0 Magpie the region of Xanten in 2001 und

5,0 2002 (this study). a h 0 0

1 4,0

/ Abb. 3: Brutdichte von Rabenkrä- P B 3,0 he und Elster im Siedlungsbereich und im Freiland (Quelle: 1970er 2,0 Glutz von Blotzheim & Bau- er 1993, Mildenberger 1984, 1,0 1980er Flade 1994). 0,0 r r r r

s s s s Fig. 3: Breeding density of Carri- 1 2 1 2 e e - - - - e e 0 0 0 0 s s 0 0 0 0 n n 0 0 r r r r 7 8 7 8 w w i i 0 0 0 0 0 0 7 7 e e e e 9 9 9 9 o o e e 7 7 2 2 2 2 on Crows and Magpies in settle- 9 9 L L s s 0 0 0 0 1 1 1 1 h h 9 9 r r n n n n 1 1 0 0 7 8 7 8 - - 1 1 r r y y y y e e e e 7 7 9 9 9 9 d d t t t t e e r r n n n n

e e ments and the countryside (source 9 9 1 1 1 1 n n n n n n d d e e a a a a n n 1 1 i i a a a a a a e e 0 0 l l i i D D D D m m m m h h - - X X X X 7 7 r r r r n n R R R R N N lutz von lotzheim

i i 1970s G B & R R 9 9 e e e e B B B B e e 1 1 G G G G h h

R R Bauer 1993, Mildenberger 1984, Siedlung - settlement Freiland - countryside 1980s Flade 1994). 60 Charadrius 42, Heft 2, 2006

2.000 s

r Die Auswertung der Rabenvogeljagdstrecken ergab, i a

p 1.800

g dass im Kreis Wesel in der Jagdsaison 2001/02 6,2 n i 1.600 d

e Rabenkrähen und 3,6 Elstern und 2002/03 5,9 e

r 1.400 b f

o 1.200 Rabenkrähen und 3,1 Elstern pro 100 ha erlegt . o

n 1.000

- wurden. Über die Periode 2000/01-2004/05 wurden e r 800 a im Kreis Wesel durchschnittlich 6,1 Rabenkrähen a p t 600 u r und 3,4 Elstern pro 100 ha erlegt (Abb. 7). In Nor- B

l 400 h

a drhein-Westfalen wurden in der Jagdsaison 2001/02 z 200 n A 0 2,9 Rabenkrähen und 2,1 Elstern und 2002/03 2,8 6 8 0 2 4 6 8 0 2 4 6 8 0 2 4 7 7 8 8 8 8 8 9 9 9 9 9 0 0 0 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0

1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 Rabenkrähen und 1,7 Elstern pro 100 ha erlegt Jahr - year und über die Periode 2000/01–2004/05 waren es durchschnittlich 2,9 Rabenkrähen und 1,8 Elstern Abb. 4: Bestandsentwicklung der Saatkrähe im Kreis Wesel pro 100 ha (Abb. 8.). (Quelle: BSKW). Fig. 4: Population trend of the Rook in Wesel district (sour- ce: BSKW) Diskussion Bestand und Siedlungsdichte Für die 1960er und 1970er Jahre gibt Mildenber- 70,0 Saatkrähe - Rook Rabenkrähe - Carrion Crow ger (1984) an, dass die Elster damals im rheinlän- 60,0 Dohle - Jackdaw

] dischen Freiland mit 2 – 12 Brutpaaren (BP), in den % [ 50,0 niederrheinischen Rheinauen mit 5 – 7 BP und im n o i t

r 40,0 Siedlungsbereich mit 1,5 – 2,5 BP pro 100 ha ver- o p

o treten war und u.a. im Kreis Wesel jährlich 1,5 – 2,5 r 30,0 p

- Elstern pro 100 ha geschossen wurden (zum Ver- l i

e 20,0 t

n gleich: im vergangenen Jahrzehnt 3 – 5 Elstern/100 A 10,0 ha). Er schließt hieraus, dass die Bestände durch 0,0 die Bejagung künstlich niedrig gehalten werden Jun Aug Okt Dez Total und dass es bis zu 10 km2 große Bereiche gibt, „in Monat - month denen trotz geeigneter Biotope kaum noch eine Els- ter brütet.“. Für die 1970er Jahre ermittelte Hyla Abb. 5: Zusammensetzung von Rabenvogelgruppen im (1989) für die Elster in Oberhausen eine Siedlungs- Raum Xanten 2001 und 2002. dichte von 2,0 BP/100 ha und in den 1980er von 3,7 Fig. 5: Composition of corvid groups in the Xanten region BP/100 ha, während Haafke (1987) in Ratingen für in 2001 and 2002. die 1980er Jahre eine mittlere Siedlungsdichte von 3,5 BP/100 ha fand, wobei er in den Siedlungen eine Dichte von 5,3 und im Außenbereich eine

60 Dichte von 1,8 BP/100 ha feststellte. Saatkrähe - Rook Für die Rabenkrähe gibt Mildenberger (1984) 50

y Rabenkrähe - Carrion Crow c an, dass die Art in den 1970er Jahren aufgrund der n Dohle - Jackdaw e

u 40 starken Bejagung „in den Parklandschaften und der q e r f Stromaue des Niederrheins“ großflächig nur Sied- - 30 t i

e lungsdichten von 0,1 – 0,2 BP pro 100 ha erreicht, k g

i 20 f während in den übrigen Teilen des Rheinlands eine u ä

H 10 Dichte von 1 – 7,5 BP pro 100 ha gefunden wurde. Die Rabenkrähe siedelte damals vornehmlich in der 0 0-50 50-100 100-150 150-200 200-250 250-300 300-350 freien Landschaft, während in den Siedlungsberei- Gruppengröße - group size chen nur einzelne BP gefunden wurden. Obwohl die aus den Daten von Mildenberger Abb. 6: Gruppengröße und –zusammensetzung der Raben- (1984) abgeleiteten Siedlungsdichten wahrschein- vogelschwärme im Raum Xanten 2001 and 2002. lich mit anderer Methode erhoben worden sind, Fig. 6: Size and species composition of corvid groups in the geben diese im Vergleich zu den vorliegenden Xanten region in 2001 and 2002. Ergebnissen der Jahre 2001 und 2002 keine J.H. Mooij: Bestand und Bestandsentwicklung von Rabenvögeln im Raum Xanten 61

8,0 Rabenkrähe - Carrion Crow Elster - Magpie 7,0 "Vollschonung" "hunting moratorium " a 6,0 h 0 0

1 5,0 / g

a 4,0 b -

e 3,0 k c ü t

S 2,0

1,0

Abb. 7: Rabenkrähe- und Elsterstrecke (Vö- 0,0 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 gel/100 ha) im Kreis Wesel. 8 8 8 8 8 8 8 8 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 0 0 / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 8 8 8 8 8 8 8 8 8 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 0

Fig. 7: Hunting bag of Carrion Crow and 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 Magpie (birds/100 ha) in Wesel district. Jagdjahr - hunting year

3,5 Rabenkrähe - Carrion Crow Elster - Magpie 3,0 "Vollschonung" a

h 2,5 "hunting 0

0 moratorium " 1

/ 2,0 g a b

- 1,5 e k c e

r 1,0 t Abb. 8: Rabenkrähe- und Elsterstrecke (Vö- s gel/100 ha) in Nordrhein-Westfalen 1980 0,5

– 2005. 0,0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 8 8 8 8 8 8 8 8 8 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 0 0 0

Fig. 8: Hunting bag of Carrion Crow and / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / / 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 0 1 2 3 4 8 8 8 8 8 8 8 8 8 8 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 0 0

Magpie (birds/100 ha) in Northrhine-West- 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 9 0 0 0 0 0 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 2 2 2 2 2 phalia 1980 – 2005. Jagdjahr - hunting year

Hinweise auf die häufig geäußerte „explosive“ BP/100 ha für die Elster und 1,5 – 2,9 BP/100 ha für Zunahme beider Arten in den letzten Jahrzehnten. die Rabenkrähe, wobei festgestellt wurde, dass eine Die Siedlungsdichte beider Arten liegt gegenwärtig Zunahme der Elsterbestände vornehmlich in den zwar deutlich höher als die von Mildenberger menschlichen Siedlungsräume stattfand, während (1984) für den Niederrhein angegebenen Werte die Rabenkrähenbestände stabil bis leicht angestie- aber doch wesentlich unter dem von Mildenberger gen sind. für das Rheinland angegebenen Niveau der 1970er In Westfalen wurde gegenüber den 1960er Jah- Jahre (Abb. 2). ren eine 3 – 5-fache Zunahme des Elsterbestan- Entgegen der oft propagierten dramatischen des festgestellt, wobei in den Siedlungsbereichen Bestandszunahmen zeigen sich beim Vergleich der Westfalens Dichten von 1 – 13 Brutpaaren und in Ergebnisse der Rheinlandkartierungen der 1970er der freien Feldflur von 0,2 – 0,4 Elster-BP/100 ha und 1980er Jahre (Mildenberger 1984, Wink gefunden wurden. Die Zunahme fand ausschließ- 1987) und der Kartierungsergebnisse der 1990er lich in den Siedlungsbereichen statt. Für die Raben- Jahre (Wink et al. 2005) kaum Hinweise auf starke krähe wurde festgestellt, dass Brutdichten von 3 Zunahmen bei den Elster- und Rabenkrähenbestän- BP/100 ha dort nur selten erreicht wurden und dass den. Wurden bei den älteren Kartierungen noch eine Zunahme des Bestands zwar wahrscheinlich, Siedlungsdichten von 1,5 – 7,0 BP/100 ha für die aber für große Probeflächen nicht belegt werden Elster und 0,1 – 7,5 BP/100 ha für die Rabenkrähe konnte. Darüber hinaus verzeichnete die Raben- angegeben, so errechneten Wink et al (2005) für krähe „ähnlich wie die Elster, wenn auch in weit- die 1990er Jahre Siedlungsdichten von 1,1 – 2,3 aus schwächerem Maße und offenbar Jahrzehnte 62 Charadrius 42, Heft 2, 2006

Tab.: Brutdichten der Rabenkrähe und Elster in Deutsch- 1970er 1980er 1990er 2000-2005 land in den 1970er, 1980er, 1990er und 2000er (errechnet Deutschland: agemeijer lair aus Daten von DJV 2004b & 2006b, H & B Rabenkrähe Corvus corone 1,6 1,4 1,0 1997, Mäck et al. 1999, Rheinwald 1993, Snow & Perrins Elster Pica pica 1,0-4,3 1,4 1,3 1998), in Nordrhein-Westfalen in den 2000er (errechnet aus Daten von DJV 2004b & 2006b), im Rheinland in den Nordrhein-Westfalen: Rabenkrähe Corvus corone 1,7-1,8 ildenberger 1970er und 1990er (errechnet aus Daten von M Elster Pica pica 1984, Wink 1987, Wink et al. 2005) und im Raum Xanten in den 1970er (errechnet aus Daten von Mildenberger 1984) Rheinland: und 2000er (diese Arbeit). – Breeding densities of Carrion Rabenkrähe Corvus corone 1,0-7,5 1,5-2,9 Elster Pica pica 1,5-7,0 1,1-2,3 Crows and Magpies in Germany in the 1970s, 1980s, 1990s and 2000s (calculated from data of DJV 2004b & 2006b, Niederrhein: Hagemeijer & Blair 1997, Mäck et al. 1999, Rheinwald Rabenkrähe Corvus corone 0,1-0,2 2,7-2,9 Elster Pica pica 1,5-7,0 1993, Snow & Perrins 1998), Northrhine-Westphalia in the 1,3-1,5 2000’ (calculated from data of DJV 2004b & 2006b), the Rhineland in the 1970’s and 1990’s (calculated from data of Mildenberger 1984, Wink 1987, Wink et al. 2005) as well as the region of Xanten in the 1970s (calculated from data of Mildenberger 1984) and the 2000s (this study). später, eine deutliche Tendenz zur Besiedlung der Siedlungsdichten zwischen 0,5 und 2,0 BP/100 ha Stadtränder und der Stadt“ (Nottmeyer-Linden in und eine mittlere Siedlungsdichte von 1,4 BP/100 NWO 2002). ha. Auch in mehreren deutschen und europäischen Städ- Bei der Aaskrähen-Brutpaarkartierung (Raben- und ten wurde eine Zunahme zuerst der Elsternbestände Nebelkrähe) im Rahmen des deutschlandweiten und später auch der Bestände der Raben- bzw. Monitorings von Wildarten des Wildtier-Informa- Nebelkrähe (Corvus cornix) gemeldet (Kooiker & tionssystems der Länder Deutschlands (WILD) des Buckow 1999, Mäck & Jürgens 1999, Messer Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) wurden für 2004, Kelcey & Rheinwald 2005). Flade (1994) Deutschland in 2003 Siedlungsdichten von 1,0 BP stellte bei der Auswertung von Siedlungsdichteun- bzw. 1,6 Revierpaare/100 ha und in 2005 1,0 BP tersuchungen fest, dass Elster und Rabenkrähe – bei bzw. 1,9 Revierpaare/100 ha gemeldet. Für Nor- gleich bleibendem Bestand – in Siedlungsberei- drhein-Westfalen lagen die Werte 2003 bei 1,8 BP chen Zunahmen zeigen. Schwarz & Flade (2000) bzw. 3,5 Revierpaare/100 ha und in 2005 bei 1,7 ermittelten aus langjährigen Daten zur Siedlungs- BP bzw. 3,4 Revierpaaren/100 ha (DJV 2004b & dichte und von Punkt-Stopp-Zählungen, dass die 2006b). Elster einen insgesamt gleich bleibenden Bestand Obwohl die aufgeführten Werte (Tab.) sicherlich bei anhaltender Verstädterung und die Rabenkrähe mit unterschiedlichen Methoden ermittelt und eine Zunahme, vornehmlich im Westen Deutsch- daher nicht vollständig vergleichbar sind, sind sie lands, zeigt. mit den im Xantener Raum gefundenen Werten Ausgehend von der Bestandsschätzungen von vergleichbar und weisen nicht unbedingt auf eine Rheinwald (1993) lassen sich für die 1980er Jahre „explosive“ Bestandsentwicklung beider Arten für Gesamtdeutschland mittlere Siedlungsdichten hin. In den benachbarten Niederlanden nahm der von 1,6 BP/100 ha für die Rabenkrähe und 1,4 Elsternbestand seit den 1970er Jahren sogar um BP/100 ha für die Elster errechnen und aufgrund 30 – 50 % ab, während der Rabenkrähenbestand bis der Bestandsschätzungen von Hagemeijer & Blair auf das 2,5-fache Niveau der 1970er Jahre zunahm (1997), Snow & Perrins (1998), Mäck et al. (Bijlsma et al. 2001, SOVON 2002). (1999) für die 1990er Jahre eine mittlere Siedlungs- Auffällig ist die, verglichen mit früheren Erhe- dichte von 1,4 BP/100 ha für die Rabenkrähe und bungen, starke Verlagerung beider Arten in den 1,3 BP/100 ha für die Elster. Siedlungsbereichen. Grund für diese Verlagerung Mäck & Jürgens (1999) fanden im Rahmen einer könnte einerseits die parkähnliche Erweiterung vie- Analyse der Siedlungsdichte in Europa für die ler Siedlungen sowie die gleichzeitige Ausräumung gleiche Periode für Deutschland mittlere Dichten der freien Landschaft sein, andererseits ein Ver- von 0,5 – 2,1 BP/100 ha für die Elster und 0,3 – 7,5 meidungsverhalten der Rabenvögel aufgrund des BP/100 ha für die Rabenkrähe. Für ein 113 km² seit den 1970er Jahren stetig zunehmenden hohen großes Untersuchungsgebiet fanden Menzel et al. Bejagungsdrucks, dem sie in der freien Landschaft (2000) in den 1990er Jahren für die Rabenkrähe ausgesetzt sind. J.H. Mooij: Bestand und Bestandsentwicklung von Rabenvögeln im Raum Xanten 63

Glutz von Blotzheim & Bauer (1993) gibt für BP ein Bestandstief, das zur Aufnahme in die Rote die 1970er und 1980er Jahre für Deutschland für Liste führte (Kategorie 2, Erz 1979, GRO & WOG die Rabenkrähe eine Siedlungsdichte von 1,0 – 4,6 1986). Ab Mitte der 1980er Jahre setzte landesweit BP/100 ha im Siedlungs- und 0,6 – 9,2 BP/100 ein Bestandsanstieg ein, wobei der Saatkrähenbe- ha im Außenbereich sowie für die Elster 1,0 – 4,3 stand bis auf ca. 6.600 BP in den 1990er Jahren Bp/100 ha im Siedlungs- und 0,2 – 1,1 Bp/100 ha zunahm (Scholz 1997). Diese Bestandsentwick- im Außenbereich an. Aufgrund der Daten von Flade lung verlief nahezu parallel zu der in der benach- (1993) lassen sich für Deutschland in der zweiten barten Niederlanden, wo in den 1970er Jahren ein Hälfte der 1980er Jahre für den Siedlungsbereich Bestandstief von landesweit ca. 11.000 BP erreicht eine Siedlungsdichte von 3,2 BP/100 ha für die Els- wurde und gegenwärtig wieder 60.000 – 65.000 BP ter und 2,0 BP/100 ha für die Rabenkrähe sowie für gezählt werden (Schoppers 2004, Van Dijk et al. den Außenbereich von 1,3 BP/100 ha für die Elster 2006). Im Kreis Wesel wurden in den 1970er Jahren und 1,5 BP/100 ha für die Rabenkrähe berechnen. ca. 350 BP gezählt, davon ca. 300 im Raum Xanten. Für die Niederlande berichten Bijlsma et al. (2001), Ab Mitte der 1980er Jahre nahm der Bestand auch dass Rabenkrähe und Elster dort seit Ende der im Kreis Wesel zu, wobei im Jahre 2000 ein Maxi- 1970er Jahre zunehmend in den Siedlungsbereichen mum von ca. 1.750 BP erreicht wurde, wonach siedeln. Als Gründe für diese Änderung nennen sie sich der Bestand auf ein Niveau von 1.400 – 1.700 neben den verbesserten Habitatbedingungen in den BP stabilisierte (Abb. 4). Im Großraum Xanten „grünen“ Siedlungsbereichen für die Elster den war die Entwicklung weit weniger rasant. Hier zugenommenen Prädationsdruck durch Habicht und verdoppelte sich der Bestand bis zum Jahr 2000 Rabenkrähe in der freien Landschaft. Die Tatsache, und ging anschließend fast wieder auf das Niveau dass in vielen niederländischen Städten sowohl der 1970er und 1980er Jahre zurück (Datenquelle: Elster als auch Rabenkrähe zunehmen (Baeyens BSKW). In Westfalen nahm der Saatkrähenbestand 2006, van Dijk 2006) steht jedoch im Widerspruch seit den 1970er Jahren von einem Tiefpunkt mit zur angenommenen Verdrängung der Elster durch 633 BP auf gegenwärtig 1.500 ‑ 1.600 BP zu (NWO die Rabenkrähe. Dort, wo beide Arten zusammen 2002). Diese Zahlen zeigen die hohe Bedeutung vorkommen, ist der Fortpflanzungserfolg der Elster des Kreises Wesel und des Xantener Raums für die jedoch niedriger. Auch die gleichmäßige Verteilung Saatkrähe. So brüten im Kreis Wesel in etwa ebenso der Nester von Rabenkrähen und Elstern im Bereich viele Saatkrähenpaare wie auf der Gesamtfläche Xanten (Abb. 1) gibt keine Hinweise auf einen Westfalens. In den 1970er Jahren brüteten ca. 21 % scharfen Verdrängungswettbewerb zwischen beiden des nordrhein-westfälischen Saatkrähen-Bestands Arten im hiesigen Raum. Die zugenommene Prä- im Kreis Wesel und ca. 18 % im Raum Xanten, senz der Rabenvögel im besiedelten Bereich trägt während gegenwärtig ca. 22 % des NRW-Bestands zweifellos zu dem Eindruck bei, dass die Bestände im Kreis Wesel und ca. 6 % im Raum Xanten in den vergangenen Jahrzehnten stark angestiegen nisten. In Nordrhein-Westfalen gibt es Saatkrähen sind. schwerpunktmäßig in den Flussebenen von Rhein, Über die Saatkrähe schreibt Mildenberger (1984), Lippe und Weser, wobei das mit fast 60 % des dass die Bestände aufgrund intensiver Verfolgung Gesamtbestands größte Vorkommen in den rhein- durch den Menschen stark zurückgegangen sind. So nahen Bereichen der Kreise und Wesel zu wurden im Jahre 1900 am Niederrhein 30 Kolonien finden ist (Scholz 1997, NWO 2002, Wink et al. mit ca. 8.200 BP gezählt, aber in den 1920er Jahren 2005). waren es nur noch 5.000 – 5.600 BP bei einer wei- ter rückläufigen Tendenz. Während und nach dem Gruppengröße 2. Weltkrieg erholte sich der Bestand kurzfristig, In nahezu allen im Rahmen dieser Untersuchung nahm aber seit den 1950er Jahren wieder ab, sodass registrierten Rabenvogelgruppen waren die Raben- in den 1970er Jahren nur noch weniger als 1.000 krähen mit im Durchschnitt weniger als 10 % der Saatkrähenpaare am Niederrhein brüteten (Milden- Individuen deutlich in der Minderheit. Die übrigen berger 1984). Auch auf der Landesebene nahm Gruppenmitglieder waren Saatkrähen und Dohlen, der Saatkrähenbestand damals deutlich ab und in wobei die Saatkrähen im Sommer und die Doh- den 1950er Jahren wurde der nordrhein-westfä- len im Herbst und Winter die Mehrheit stellten lische Bestand auf 3.000 – 3.500 BP geschätzt und (Abb. 5). Bald nach dem Ausfliegen der Jungen, erreichte in den 1970er Jahren mit 1.500 – 1.600 bis spätestens Ende Juni, verlassen die Dohlen 64 Charadrius 42, Heft 2, 2006 ihre Brutplätze (häufig in den Siedlungsbereichen) deß Schadens / so sie den Früchten zufügen / denen und sammeln sich in größeren Gruppen, wobei sie so eine derselbigen umbbracht / einen gewissen sich häufig mit Saatkrähen vergesellschaften. Die Lohn bestimmt und verordnet hat / wie Cardanus hiesigen Dohlenbestände erreichen durch Zuzug bezeuget.“ Und über die Elster („Aßel“) schreibt er nordöstlicherer Brutvögel im Winter ihr Maximum. (S. 29): „Dieser Vogel ist sehr unkeusch / frässig / Auch die Saatkrähe sammelt sich nach Ende der und isset vielerley Speiß. Er nimmt auch die junge Brutzeit ab Juni in Gruppen (Mildenberger 1984), Hünlein /Spaßen und dergleichen kleine Vögel / wie wobei ihr Anteil in den gemischten Rabenvogel- Cardanus schreibet.“ gruppen zuerst zunimmt. Ab September scheint ein In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schrieb stetiger Dohlenzuzug zu einer Mehrheit der Dohlen Alfred Brehm in „Brehms Tierleben“ über die in den Gruppen zu führen. Die Phänologie beider Krähe: „Man darf mit aller Bestimmtheit annehmen, Arten spiegelt sich damit in der Zusammensetzung daß sie zu den wichtigsten Vögeln unserer Heimat der Rabenvogelschwärme wieder. Auch wenn die gehören, daß ohne sie die überall häufigen und über- Rabenkrähe ab August ebenfalls Schwärme bildet all gegenwärtigen schadenbringenden Wirbeltiere (Jungvögel und Nichtbrüter), zeigt dies sich nicht und verderblichen Kerbtiere in der bedenklichsten in der Zusammensetzung der beobachteten Grup- Weise überhand nehmen würden. Vogelnester plün- pen, da ihre Zunahme durch die der beiden übrigen dern allerdings auch sie aus, und einen kranken Arten überlagert wird. Hasen und ein Rebhuhn überfallen sie ebenfalls; Im Rahmen der Untersuchung wurden nur drei sie können auch wohl im Garten und im Gehöft reine Rabenkrähengruppen (4 % aller Gruppen) mancherlei Unfug stiften und endlich das reifende beobachtet, die alle aus weniger als 30 Individuen Getreide, insbesondere die Gerste, in empfindlicher bestanden. Darüber hinaus wurden in den Gruppen, Weise brandschatzen: was aber will es sagen, wenn die zum Teil aus mehreren Hundert Rabenvögeln sie während einiger Monate in uns unangenehmer bestanden, nie mehr als 50 Individuen der Raben- Weise stehlen und rauben, gegenüber dem Nutzen, krähe angetroffen. In der übergroßen Mehrzahl der welchen ihre Tätigkeit während des ganzen übrigen Gruppen lag die jeweilige Zahl der beiden übrigen Jahres dem Menschen bringt! ..... Es ist ein Irrtum, Arten unter hundert Vögeln, wobei einzelne Grup- zu glauben, daß der Mensch die Tätigkeit der Krä- pen mit bis zu 350 Saatkrähen bzw. Dohlen vorka- hen zu ersetzen imstande sei, und daher zu bekla- men (Abb. 6). gen, wenn man zum Beispiel Gift gegen Mäusefraß Bei der Betrachtung dieser Zahlen lassen sich die auslegt und dadurch kaum mehr Mäuse vertilgt als häufig gehörten Befürchtungen stetig wachsender Krähen, welche ihrerseits das gefräßige Heer in der Rabenkrähentrupps für das Untersuchungsgebiet umfassendsten und erfolgreichsten Weise bekämp- nicht bestätigen. Der Eindruck mag u.a. dadurch fen, da mit aller Bestimmtheit behauptet werden entstanden sein, dass die jeweiligen Bestände von kann, daß durch den Tod einer einzigen Krähe der Dohle und Saatkrähe in den letzten Jahrzehnten Land- und Forstwirtschaft weit größerer Schaden zugenommen haben (Bijlsma et al. 2001, SOVON erwächst als durch die Tätigkeit von zehn lebenden. 2002, Wink et al. 2005). Vor allem hüte man sich, einzelne Beobachtungen zu verallgemeinern.“ Und über die Elster schreibt Schäden Brehm: „Kerbtiere und Gewürm, Schnecken, kleine Mitteilungen über Schäden durch Rabenvögel sind Wirbeltier aller Art, Obst, Beeren, Feldfrüchte und schon alt. Bereits Gesner (1669, S. 318) schreibt: Körner bilden die Nahrung der Elster. Im Früh- „Die Krähen habe mehrentheils ihre Wohnung bey jahr wird sie sehr schädlich, weil sie die Nester den Häusern und Stätten / und umb die Mistgruben / aller ihr gegenüber wehrlosen Vögel umbarmher- ihre Nahrung daselbst zu suchen. Sie essen allerley: zig ausplündert und einen reichbewohnten Garten sind gern an den Gestaden der Wasser / daselbst buchstäblich verheert und verödet. Auch den Hüh- ihre Nahrung von den Thieren / so das Wasser auß- ner- und Entenzüchtern, den Fasanerien und dem wirfft / zu nehmen. Sie leben auch von dem Fleisch Federwilde wird sie lästig, fängt sogar alte Vögel / Fischen und Getraid...... Die Krähe stellet auch .... Ebenso betreibt sie freilich auch Mäusejagd den Tauben=Eyern nach / damit sie dieselbe zer- und fängt und verzehrt viele schädliche Kerbtiere, breche und außsauge. Sie un die Nacht=Eul sind Schnecken und sonstiges Gewürm, tritt aber überall Feinde: dann eine zerbricht der andern ihre Eyer. als ein so räuberischer Vogel auf, daß sie unzwei- ..... In Engelland sind so viel Krähen / di man wege felhaft unter nützlichen Tieren schlimmer haust als J.H. Mooij: Bestand und Bestandsentwicklung von Rabenvögeln im Raum Xanten 65 unter schädlichen, daher zu den letzteren gezählt Bellebaum et al. 2002, Theunissen et al. 2005), werden muß“ (aus Meyer-Abich 1953). die belegen, dass der Einfluss der Rabenvögel auf An der Einschätzung Brehms hat sich bis heute die prädierten Arten marginal ist und von anderen nichts geändert. So wurde die Bejagung der Raben- Faktoren (z.B. Habitat- und Nutzungsänderungen) vögel in den letzten Jahrzehnten immer wieder mit weit übertroffen wird. Auch die Tatsache, dass erheblichen Schäden in der Landwirtschaft (z.B. in offenen Nestern brütende Singvogelarten des Obst, Trauben, Mais, Silage) sowie für den Natur- urbanen und suburbanen Bereich, wie z.B. Amsel, haushalt, insbesondere für Niederwild und Klein- Rotkehlchen und Buchfink, trotz dortiger Zunahme vögel begründet (z.B. Kalchreuter 1994, Mäcke von Rabenkrähe und Elster, in den letzten Jahr- et al. 1999). zehnten starke Bestandszuwächse zeigen (Flade & Schwarz 2004) und die Erholung der Hasen- Es gibt örtlich zweifellos Schäden an landwirtschaft- bestände (DJV 2004b & 2006b), deutet nicht auf lichen Kulturen, die von Rabenvögeln verursacht eine tatsächliche Gefährdung dieser Arten durch werden und für die betroffenen Landwirte nicht Rabenvögel hin. Hier liegt vielmehr die Vermutung unerheblich sind. Obwohl es weder systematische nahe, dass die alte Bemerkung von Brehm aus dem Erfassungen zur Häufigkeit noch zum Ausmaß der 19. Jahrhundert zutrifft und Einzelbeobachtungen Schäden gibt, kann gesichert festgestellt werden, verallgemeinert werden! dass es sich jedoch keinesfalls um ein flächende- ckendes oder weit verbreitetes Phänomen handelt. Auch im Kreis Wesel wird alljährlich über Schäden Jagd in der Landwirtschaft, vornehmlich an Neusaaten Die Jagd auf Rabenvögel hat eine lange Tradi- und Silagehaufen, geklagt, ohne dass es hierüber tion. Schon Gesner (1669) beschreibt verschiedene eine genauere Erfassung gibt. Es handelt sich hier- Methoden um Rabenvögel zu fangen. In Riesen- bei jedoch eindeutig um eng begrenzte örtliche thals Jagdlexikon (Deutsche Jäger-Zeitung 1916) Ereignisse mit einer relativ geringen Gesamtfläche wird festgestellt, dass Rabenkrähe und Elster wegen (unter 0,01 % der Kreisfläche). Zur Verhinderung ihrer Schädlichkeit für Wild und Singvögel und die von Schäden an Silagehaufen scheint es wesentlich Saatkrähe wegen ihrer Schädlichkeit für die Land- zielführender, einerseits den Haufen mittels einer wirtschaft sowie der Belästigung der Bevölkerung speziellen Schutzfolie gegen Durchpicken durch bejagt werden müssen. Eine Meinung, die auch Raben- und Saatkrähen zu sichern und andererseits heute noch von den meisten Jägern und einem Teil die Anschnittstelle jedes Mal nach der Nutzung der Naturschützer vertreten wird, wie ein Gutachten locker abzudecken, um Fraßschäden durch Saatkrä- von Kalchreuter (1994), mehrere Stellungnahmen hen, Ringeltauben (Columba palumbus), Jagdfasan der deutschen Jägerschaft und eine Stellungnahme (Phasianus colchicus) und Nilgänse (Alopochen des ehemaligen DO-G-Präsidenten Schmidt-Koe- aegyptiaca) zu verhindern. Bei der Höhe, der durch nig (1987, in Kalchreuter 1994) zeigen. die Landwirtschaft angegebenen Schäden, rentiert Trotz der widersprüchlichen Diskussionen wurde sich die Schutzfolie zweifellos bereits nach kurzer die Saatkrähe aufgrund der bedrohlichen Bestands- Zeit. situation im Jahre 1981 ganzjährig von der Jagd Bei Schäden an frisch auflaufender Saat durch verschont. Aufgrund der Verwechselung von jungen Saatkrähen bietet sich eine Schadensverringerung Saatkrähen mit Rabenkrähen wird jedoch alljährlich mit Hilfe von Knallgeräten mit variabler Frequenz, noch eine unbekannte Zahl von Saatkrähen erlegt. beweglichen Vogelscheuchen, Flatterbändern usw. Am 2. April 1979 verabschiedete der Rat der Euro- an. Ein solches Vorgehen ist auf jeden Fall wirk- päischen Union die so genannte „EU-Vogelschutz- samer als der Abschuss von Rabenkrähen. richtlinie“, die festlegt, welche Arten in der EU Rabenkrähe und Elster fressen in der Fortpflan- bzw. in bestimmten Mitgliedsländern der EU bejagt zungszeit zweifellos hin und wieder Junghasen werden durften. Alle übrigen Arten sind nach der (Lepus europaeus), Eier von Sing-, Hühner- und Richtlinie unter besonderen Schutz zu stellen und Wasservögel oder Jungvögel. Über den Einfluss dürfen nicht bejagt werden. Die Rabenvögel wur- der Rabenvögel auf den Fortpflanzungserfolg bei den nicht als jagdbare Arten aufgeführt und mussten Sing- und Grünlandvögeln liegt jedoch mittlerweile daher seit Inkrafttreten der Richtlinie von der Jagd eine Reihe von Ergebnissen vor (z.B. Kooiker verschont werden. Offiziell wurden Rabenvögel 1991 & 1994, Lehmann 2002, Bellebaum 2002, in Deutschland jedoch erst mit Wirkung vom 1. 66 Charadrius 42, Heft 2, 2006

Rabenkrähe ohne Bejagung - Carrion Crow without hunting 12 Rabenkrähe mit geringer Bejagung - Carrion Crow with low hunting pressure 11 Rabenkrähe mit scharfer Bejagung - Carrion Crow with high hunting pressure Elster ohne Bejagung - Magpie without hunting 10 Elster mit geringer Bejagung - Magpie with low hunting pressure a h 9 Elster mit scharfer Bejagung - Magpie with high hunting pressure 0 0 1

/ 8 s r i

a 7 Abb. 9: Bestandsentwicklung p

g bei Rabenkrähe und Elster auf n

i 6 d einer Versuchsfläche in den e e r 5 Niederlanden in Relation zum b

- Bejagungsdruck nach Spaans

a 4 h

0 & Renssen 1983.

0 3 1 /

e Fig. 9: Population trends in

r 2 a

a Carrion Crow and Magpie in a p

t 1

u study area in the Netherlands r B 0 in relation to hunting pressure 1977 1978 1979 1980 1981 1982 according to Spaans & Renssen Jahr - year 1983.

Januar 1987 durch die Bundesartenschutzverord- Ende März bejagt werden konnten. Diese Regelung nung besonders geschützt. berief sich auf die Ausnahmeklauseln der EG-Vogel- Diese so genannte „Vollschonung“ löste starke Pro- schutzrichtlinie und Bundesartenschutzverordnung, teste sowohl von Jägerseite als auch von Teilen der die eine Bejagung in Ausnahmefällen zur Abwehr Naturschutzseite aus, während die Naturschutzver- von Schäden u.a. in der Land- und Forstwirtschaft bände auf eine konsequente Umsetzung des Beja- sowie zum Zwecke des Artenschutzes zulassen. gungsverbots drängten. Vielerorts wurden jedoch Auf Druck der Brüsseler EU-Behörde wurde im trotz der offiziellen Schonung örtliche oder regi- Jahre 2002 die Jagdzeit für Rabenkrähe und Elster onale Ausnahmegenehmigungen erteilt, wodurch unter Berücksichtigung ihrer Fortpflanzungsperiode diese weitgehend Makulatur blieb. auf die Zeit zwischen Anfang August und dem 19. (Rabenkrähe) bzw. 28./29. Februar (Elster) ver- Im Jahre 1994 wurden Elstern, Rabenkrähen und kürzt. Eichelhäher von der EU, u.a. auf Druck der Bun- desregierung in den Anhang II/2 der Vogelschutz- Bei der Betrachtung der Rabenvogeljagdstrecke richtlinie übernommen, mit der Folge, dass ihre fällt auf, dass die häufig zitierte „Vollschonung“ Bejagung seitdem nach europäischem Recht legal der Rabenvögel in den 1980er und erste Hälfte der wurde. In der Folgezeit wurden Elster und Raben- 1990er Jahre weder Auswirkungen auf die Jagdstre- krähe in einer Reihe von Bundesländern wieder cken von Elster und Rabenkrähe im Kreis Wesel, flächendeckend zur Bejagung freigegeben. Gegen- noch auf deren Entwicklung gehabt hat (Abb. 7). wärtig unterliegt die Rabenkrähe in Bayern, Hes- Dies gilt nicht nur für den Kreis Wesel, denn auch sen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rhein- die Jagdstrecken des Landes Nordrhein-Westfalen land-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein lassen einen wesentlichen Rückgang der Rabenvo- und Thüringen dem jeweiligen Landesjagdrecht gelstrecke vermissen (Abb. 8). Nach Umsetzung der und in Baden-Württemberg und Sachsen wird der Vogelschutzrichtlinie in der Bundesrepublik in 1987 Abschuss mittels einer Ausnahmeverordnung vom stiegen die Jagdstrecken der Rabenkrähe und Elster Bundesnaturschutzgesetz landesweit und in Bran- stetig an. Erst nach Überführung der Rabenvögel in denburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vor- die Liste der jagdbaren Arten ist die Elsterstrecke pommern und Saarland im Rahmen von Einzel- wieder rückläufig, weil deren Vorkommen mittler- fallgenehmigungen nach Landesnaturschutzrecht weile nahezu vollständig auf die nicht-bejagbaren regional erlaubt (DJV 2006a, vgl. auch Langemach Siedlungsbereiche konzentriert ist. Die Strecke der & Ditscherlein 2004). Rabenkrähe hat seitdem weiter zugenommen. In Nordrhein-Westfalen trat am 18. November 1994 Nach dem Populationsentwicklungsmodell von ein Rabenvogelerlass in Kraft, wodurch Raben- Mäck (Mäck & Jürgens 1999) ist der Fortbestand krähe und Elster landesweit von Anfang August bis einer örtlichen Elsterpopulation bereits bei einer J.H. Mooij: Bestand und Bestandsentwicklung von Rabenvögeln im Raum Xanten 67 jährlichen jagdlichen Entnahme von mehr als 0,16 350 Bejagung - hunting Bejagung - hunting s

r 300

Elstern/100 ha gefährdet. Unter Berücksichtigung i a p der für den Kreis Wesel, für das Land NRW und für f o 250 r e die Bundesrepublik Deutschland registrierten hohen b

m 200 u

Jagdstrecken, scheint dieser Wert zu niedrig bzw. n -

e 150 r

die gegenwärtige Bestandsentnahme entschieden zu a a P

l 100

hoch zu sein. Bei einer mittleren jährlichen Jung- h a z vogelproduktion von durchschnittlich 1‑4 jungen n

A 50 Rabenkrähen/Brutpaar und 1‑3 Jungelstern/Brut- 0 paar, wobei die niedrigsten Werte im Siedlungsbe- 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 reich gefunden wurden (Kooiker & Buckow 1999, Jahr - year Mäck & Jürgens 1999), werden in Deutschland alljährlich zwischen 25 und 60 % des jährlichen Abb. 10: Bestandsentwicklung bei der Elster auf einer Versuchsfläche im Raum Osnabrück in Relation zum Beja- Nachwuchses geschossen. gungsdruck nach Kooiker & Buckow 1999. Die hohen Abschusszahlen, insbesondere im Kreis Fig. 10: Population trend in Magpie in a study area in the Wesel, die ausschließlich außerhalb der Siedlungs- Osnabrück area in relation to hunting pressure according to bereiche realisiert wurden, wo im Untersuchungs- Kooiker & Buckow 1999. gebiet die niedrigsten Brutbestandsdichten beider Arten gefunden wurden – und damit vornehmlich Nichtbrüter betroffen sind ‑, legt die Vermutung scheinen die Begründungen für die Notwendigkeit nahe, dass im Kreis Wesel die Bestände außerhalb sowie die Effektivität einer Rabenvogelbejagung der Siedlungsbereiche mittlerweile vornehmlich und damit die gesetzliche Basis für die bundeswei- durch eine stetige Zuwanderung aus den Siedlungs- ten Abschussenehmigungen äußerst fraglich. bereichen instand gehalten werden. Darüber hinaus könnte der relativ niedrige Anteil der Rabenkrähen Schlussfolgerungen in den Rabenvögelschwärmen auf eine erhöhte Ent- Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung nahme von Jungvögeln und Nichtbrütern durch die geben keine Hinweise auf eine starke Bestands- Bejagung zurückzuführen sein. Demnach könnte es zunahme bei Rabenkrähe und Elster, zeigen aber, sein, dass die Konkurrenzsituation der Brutvögel dass Saat- und Rabenkrähe sich aus ihrem jewei- durch die Bejagung verbessert und der Reproduk- ligen Bestandstief der 1970er Jahre einigermaßen tionserfolg erhöht wird. Diese Tatsachen stellen erholt haben. Das zunehmend häufigere Auftreten die Sinnhaftigkeit einer intensiven Bejagung der von Rabenkrähen und Elstern in den Siedlungs- Rabenkrähe in Frage. bereichen kann zum Eindruck beigetragen haben, Darüber hinaus zeigten Untersuchungen in den Nie- dass die Bestände stark zugenommen haben. Die- derlanden, dass eine Bestandsregulierung, sogar ser Eindruck wird noch zusätzlich verstärkt durch auf einem relativ hohen Niveau, kaum zu einer die Erholung der Saatkrähenbestände, wodurch in Bestandsreduzierung führt, da die Bestandsent- der freien Landschaft, im Gegensatz zu früher, nahme eine höhere Wanderaktivität und eine höhere regelmäßig große Ansammlungen von Rabenvö- Fortpflanzungsrate rangniederer Vögel bewirkt geln gesehen werden, die im Kreis Wesel jedoch in (Abb. 9, Spaans 1982, Spaans & Renssen 1983). den meisten Fällen größtenteils aus Saatkrähen und Am Ende einer versuchten intensiven Bestandsre- Dohlen bestehen. duzierung befanden sich in einem Versuchsgebiet Da die Rabenkrähen nicht unnatürlich stark zuge- sogar doppelt so viele Krähenvögel als vor der nommen haben und die beschriebenen landwirt- Bestandsregulierung (Spaans 1982). schaftlichen Schäden an Neusaaten von Saatkrähen Auch Untersuchungen an der Elsternpopulation auf verursacht wurden, die nicht jagdbar sind, erscheint dem Stadtgebiet von Osnabrück zwischen 1984 die Forderung der Landwirtschaft nach einer ver- und 1998 zeigten keinen eindeutigen Einfluss der stärkten Bejagung der Rabenkrähe zur Schadens- Bejagung (Abb. 10, Kooiker & Buckow 1999). minderung wenig zielführend. Hinzu kommt, dass Trotz Bejagung stieg der Bestand zwischen 1984 sich die Rabenkrähenstrecke in den letzten 10 und 1989 mit ca. 20 % und nach Einstellung der Jahren bei günstigstenfalls moderat gewachsener Bejagung zwischen 1989 und 1996 mit ca. 10 % Bestandsgröße in Nordrhein-Westfalen schon ver- jährlich an (Kooiker & Buckow 1999). Insgesamt dreifacht, im Kreis Wesel sogar vervierfacht hat, 68 Charadrius 42, Heft 2, 2006 ohne dass hierdurch landwirtschaftliche Schäden Bijlsma, R.G., F. Hustings & C.J. Camphuysen (2001): Al- verhindert bzw. verringert werden konnten. gemene und schaarse vogels van Nederland – Common and scarce birds of the Netherlands. Avifauna van Nederland 2. Auch die immer wieder behaupteten negativen GMB, Haarlem/KNNV, Utrecht. Auswirkungen hoher Rabenvogelbestände auf die Deutsche Jäger-Zeitung (Hrsg.) (1916): Riesenthals Jagd- heimischen Niederwild- und Singvogelbestände lexikon. Neumann, Neudamm. ließen sich bisher nicht belegen. Trotz der seit DJV (Hrsg.) 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