Lasst Stühle Sprechen in Paris Zeigt Die Galerie Perrotin Sitzmöbel, Die Der Hiphop-Star Pharrell Williams Designt Hat
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Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 8. November 2008 Bayern, Deutschland, München Seite ROM4 Lasst Stühle sprechen In Paris zeigt die Galerie Perrotin Sitzmöbel, die der HipHop-Star Pharrell Williams designt hat. Ist das deshab schon Kunst? Für diesen Nachmittag: ja Da in Paris Hunde sehr in Mode sind, ballkappen auf dem Kopf. Die Mädchen musste nach Miami, aus familiären Grün- darf man das Trottoir nie aus dem Blick sind süß; kurze Röcke, hohe Schuhe – Pa- den, aber so kann ich wenigstens ein biss- verlieren. Und so sieht man auch, festge- riserinnen eben. Ein Türsteher blockiert chen dabei sein ...“ propft auf dem Bürgersteig, einen Kne- den Eingang. Fünf Minuten, zehn Minu- Die nächsten fünf Stunden wird Wil- teklecks-Wegweiser; für diejenigen, die ten, eine halbe Stunde, eine dreiviertel liams in seinem Studio in Miami vor sei- nicht wissen, dass die Galerie Emmanuel Stunde, dann darf man endlich rein: ein ner Webcam sitzen bleiben und live Fra- Perrotin wenige Gehminuten von der schmaler, dunkler Raum, in der Mitte gen beantworten. Mister Williams, was Hauptgalerie in der Rue de Turenne ent- vier Podeste, auf jedem der Podeste ein hat es mit diesen Stühlen auf sich? „Ich fernt eine Dependance hat (10 Impasse angestrahlter Stuhl. Rot, schwarz, blau, habe etwas zu sagen, und diesmal wollte St. Claude), in der bis zum 10. Januar gelb. Die Stühle sind hochglanzpoliert, ich durch einen Stuhl sprechen.“ Nächste Pharrell Williams ausgestellt wird. Frage: Was wollten Sie durch diese Stüh- Williams ist Amerikaner, Mitte Drei- le sagen? „Bei uns in Amerika gibt es eine ßig und schon einer der erfolgreichsten Redewendung: „From where I am sitting und sowieso: steinreichsten HipHop-Pro- „Hi“, sagt die Stimme ...“Ichwollteuntersuchen,wiedieWelt duzenten dieser Welt. Perrotin wiederum aus der Perspektive eines Verliebten aus- ist eine sehr angesehene französische aus dem Computer, „schön, sieht. Dafür musste ich den Platz eines Kunstgalerie, allerdings auch bekannt da- dass Sie hier sind.“ Verliebten einnehmen.“ Und Mister für, vor Kommerz nicht zurück zu schre- Williams, sind Sie denn gerade auch cken. Bei Perrotin soll die Kasse klim- verliebt? „Wie bitte?“ Na, wie fühlt es pern. Dafür sorgen junge, bunte Künstler sich denn nun so an, verliebt zu sein? „Set- wie Takashi Murakami. Oder Quereinstei- aus Lack, die Sitzschale ist aus Leder. Ih- zen Sie sich in den Stuhl. Dann erfahren ger wie Pharrell. Gegebenenfalls immer re hinteren Beine stellen Männerbeine, Sie es.“ mit dem schönen Beuys’schen Freibrief: die vorderen Frauenbeine dar. Hübsche Leider erfährt man es dann doch nicht, „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Objekte, zweifellos. Auf der linken Wand jedenfalls nicht auf diese Art. Limitiert Die Vernissage von Pharrell ist an ei- steht in roten Lettern: „Design“. Das auf acht Stück pro Farbe kostet so ein nem Dienstag um 16 Uhr. Der Künstler, war’s? Frechheit! Stuhl 20 000 Dollar. Über die Hälfte ist so steht es auf seiner Einladung, kann aus In der rechten Ecke des Raums steht bereits nach der ersten Woche verkauft, privaten Gründen nicht anwesend sein. ein sehr kleiner Computer-Bildschirm. rot und schwarz sind die Verkaufsrenner. P.S. an Joseph Beuys: Mittlerweile kann Aus dem Parrell Williams blinzelt. „Hi“, Aber: Für alle anderen gibt es in dieser auch ein abwesender Mensch ein Künst- sagt seine Stimme aus dem Computer, Stadt glücklicherweise noch ein paar ler sein. Zwei Dutzend Fans unter 25 Jah- „schön, dass Sie gekommen sind.“ „Mis- andere Arten herauszufinden, wie es sich ren warten jedenfalls geduldig vor der ter Williams, sind Sie es wirklich?“ nun anfühlt und verhält, mit dem Ver- Galerie auf den Einlass. Die Jungs tragen „Nun: Ja!“ nickt das Jungsgesicht am Pharrell Williams machte Hits aus der Musik anderer. Jetzt designt er liebtsein, mit den Künstlern. Mit der die Hosen in den Kniekehlen und Base- anderen Ende der Webcam-Leitung. „Ich Stühle zu Liebesstühlen. Foto: Galerie Emmanuel Perrotin Kunst ja sowieso. JinaKhayyer DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A44017171 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche ZeitungZeitungSZ SZ WOCHENENDE WOCHENENDESamstag, Samstag, 6. Oktober 6. Oktober 2007 2007 Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5 Die Markenmacherin Karla Otto ist die mächtigste Deutsche in der Modewelt. Eine Begegnung in New York und Paris sein verabschiedete. Elio Fiorucci war und eine enge Freundschaft entstanden, von Jina Khayyer 22 – also etwa genauso alt wie Karla Ot- die elf Jahre hielten. „Dann machte mir to damals – und hatte gerade das Famili- Bertelli ein verlockendes Angebot“, sagt ndiesenTagendrehtsichwieder enunternehmen übernommen. Mit sei- Otto. Er wollte sie kaufen. Genauso wie mal alles nur um die Mode. Der nem sehr reichen Vater im Rücken brach- er bereits Jil Sander und Helmut Lang Schauenmarathon läuft. New York, te er Londoner Jugendkultur in Form gekauft hatte. Mittlerweile hatte Karla ILondon, Mailand, Paris. Für Karla von T-Shirts, Jeans und Accessoires erst Otto ihr zweites Büro in Paris eröffnet Otto bedeutet das vier Wochen lang vor nach Italien, um dann von dort aus die und wollte als Nächstes in London Fuß allem Folgendes: Küsschen links, Blick ganze Welt zu erreichen. Fiorucci mach- fassen. Sie lehnte Bertellis Angebot ab. nach hinten, Lächeln, Händeschütteln te zum Beispiel aus gewöhnlichen Ge- „Ich habe es bis hierhin alleine ge- rechts. Lunch mit Kunden, Tee mit der brauchsgegenständen, wie Butterbrotbe- schafft, ich wollte meine Büros und vor Presse, zwischendrin immer wieder eine hältern, modische Accessoires. Die zwei allem meine Selbständigkeit nicht aufge- Show und jeden Abend Veranstaltun- Engel, einer blond, der andere braun, ben.“ Die Pradas waren enttäuscht. gen. Bis zu fünf Mal wechselt sie an sol- mit dem Schriftzug „Fiorucci“ in Pink Damit hatten sie nicht gerechnet. Die chen Tagen das Outfit. Für jede Präsen- wurden zum Logo einer ganzen Genera- Zusammenarbeit endete. Geschadet hat tation einer ihrer Designer trägt sie Ent- tion – der Popper. Das war der erste glo- Karla Otto diese Entscheidung nicht. würfe von ihm. Da schadet es nichts, bale Massentrend, für dessen Vermark- Ganz im Gegenteil. Bis heute gehört ihr dass sie seit ihrem sechzehnten Lebens- tung Karla Otto verantwortlich war. alles zu hundert Prozent, und ihr Name jahr ihre Modelkleidergröße 34 behalten Und das in einer Zeit, da niemand so ge- wirkt mehr denn je wie ein Magnet: Von hat, und sich somit jederzeit ein Kollekti- nau wusste, wie man Trends und Image Luxusunternehmen wie Roberto Caval- onsteil aus einem ihrer vier Büros in vermarktet. Bei diesem Lernprozess li, Alberta Ferretti, Pucci oder Fendi, bis New York, London, Mailand und Paris war Karla Otto von Anfang an dabei. hin zu Sportmarken wie Nike – sie alle von der Stange nehmen kann. Karla Als Lehrmeisterin sozusagen. Eine ihrer lassen sich von Karla Otto vertreten. wer? Karla Otto! So heißt sie und so hei- ersten Lektionen: Wie man aus einem zu- Sogar Karl Lagerfeld, der seit der ver- ßen auch ihre Büros: Sie ist die weltweit rückhaltenden Hamburger Modehaus gangenen Saison versucht, seine eigene einflussreichste PR- und Imageberate- eine Weltmarke macht; aber dazu kom- Jeansmarke an den Mann zu bringen. rin bekanntester Modemarken und be- men wir gleich. Denn: Auch wenn die Welt nicht auf rät seit 25 Jahren Kreateure wie Jil San- Nach dem Erfolg mit Fiorucci mach- Jeans von Karl Lagerfeld gewartet hat, der und Miuccia Prada. Oder heute Jean te sich Karla Otto Anfang der achtziger wenn es jemand schafft, dass diese Jeans Paul Gaultier, Viktor & Rolf, Hussein Jahre mit ihrem eigenen Pressebüro in gefeiert werden, dann Karla Otto, die Chalayan, Marni, und so weiter. Die Lis- Mailand selbständig. Sie war kurz zu- dieses Jahr selbst etwas zu feiern hat - te scheint endlos. Doch auch wenn kei- vor, während der Modeschauen in Paris, ihr 25. Firmenjubiläum. Zu diesem An- ner ihrer Kunden Frauen kalt lässt, sagt Jean Paul Gaultier begegnet, der sie mit lass hat sie ein Büro in New York eröff- ihr eigener Name fast niemandem et- seiner Pressearbeit für den italienischen net. In einem Loft in Chelsea, nach was, und so gesteht sie gleich zu Beginn, Markt beauftragte. „Damals fing die Feng-Shui-Regeln austariert, der Lehre dass dies das erste Mal ist, dass sie ein In- Modewelt gerade an, global zu denken“, von Wind und Wasser. An beidem man- terview über sich selbst gibt. gelt es ihr hier nicht, in der zwölften Eta- Heute trägt sie Marni. Ein ärmelloses ge des Chelsea Art Towers, komplett ver- Seidentop, kurzen Rock und Ballerinas. glast mit Blick über den Hudson River Ihr Gesichtsausdruck ist entspannt, Fiorucci wurde durch sie bis hinüber nach New Jersey. manchmal fast mädchenhaft. Als hätte Ein Stapel mit losen Zetteln und ein ihre Karriere keine Narben hinterlas- zum Lieblingslabel einer Telefon. Mehr ist auf ihrem Schreibtisch sen. Ihre braunen Haare trägt sie schul- ganzen Generation. nicht zu sehen. Erwartet hätte man das terlang. Ihre tiefe Stimme klingt sanft. nicht auf dem Arbeitsplatz der weltweit Sie ist freundlich, lacht viel und stellt so- gar während des Interviews den Black- berry aus. „Wenn ich mein Telefon ab- sagt Karla Otto. Bis dahin mussten die stelle, ist es fast so, als hätte ich Redakteure der Modezeitschriften zum Selbst Karl Lagerfeld Urlaub“, sagt sie und fängt an, ihre Standort des Designers kommen, um eigene Geschichte zu erzählen: Wie eine sich die Kollektion ansehen zu können. lässt seine neuen Jeans junge, zierliche Frau aus Bonn ein PR- Jetzt konnten die Mailänder Redakteure von ihr vermarkten. Imperium geschaffen hat, das sie bis heu- Jean Paul Gaultiers Entwürfe bei Karla te ganz alleine führt. Otto im Büro hängen sehen. Sie Nach dem Abitur, das war 1973, entschied, wer kommen und sie machte Karla Otto das, was viele nach entschied auch, wer sich was für welche einflussreichsten PR- und Imageberate- dem Abitur machen – eine lange Reise.