Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 8. November 2008 Bayern, Deutschland, München Seite ROM4 Lasst Stühle sprechen In Paris zeigt die Galerie Perrotin Sitzmöbel, die der HipHop-Star Pharrell Williams designt hat. Ist das deshab schon Kunst? Für diesen Nachmittag: ja

Da in Paris Hunde sehr in Mode sind, ballkappen auf dem Kopf. Die Mädchen musste nach Miami, aus familiären Grün- darf man das Trottoir nie aus dem Blick sind süß; kurze Röcke, hohe Schuhe – Pa- den, aber so kann ich wenigstens ein biss- verlieren. Und so sieht man auch, festge- riserinnen eben. Ein Türsteher blockiert chen dabei sein ...“ propft auf dem Bürgersteig, einen Kne- den Eingang. Fünf Minuten, zehn Minu- Die nächsten fünf Stunden wird Wil- teklecks-Wegweiser; für diejenigen, die ten, eine halbe Stunde, eine dreiviertel liams in seinem Studio in Miami vor sei- nicht wissen, dass die Galerie Emmanuel Stunde, dann darf man endlich rein: ein ner Webcam sitzen bleiben und live Fra- Perrotin wenige Gehminuten von der schmaler, dunkler Raum, in der Mitte gen beantworten. Mister Williams, was Hauptgalerie in der Rue de Turenne ent- vier Podeste, auf jedem der Podeste ein hat es mit diesen Stühlen auf sich? „Ich fernt eine Dependance hat (10 Impasse angestrahlter Stuhl. Rot, schwarz, blau, habe etwas zu sagen, und diesmal wollte St. Claude), in der bis zum 10. Januar gelb. Die Stühle sind hochglanzpoliert, ich durch einen Stuhl sprechen.“ Nächste Pharrell Williams ausgestellt wird. Frage: Was wollten Sie durch diese Stüh- Williams ist Amerikaner, Mitte Drei- le sagen? „Bei uns in Amerika gibt es eine ßig und schon einer der erfolgreichsten Redewendung: „From where I am sitting und sowieso: steinreichsten HipHop-Pro- „Hi“, sagt die Stimme ...“Ichwollteuntersuchen,wiedieWelt duzenten dieser Welt. Perrotin wiederum aus der Perspektive eines Verliebten aus- ist eine sehr angesehene französische aus dem Computer, „schön, sieht. Dafür musste ich den Platz eines Kunstgalerie, allerdings auch bekannt da- dass Sie hier sind.“ Verliebten einnehmen.“ Und Mister für, vor Kommerz nicht zurück zu schre- Williams, sind Sie denn gerade auch cken. Bei Perrotin soll die Kasse klim- verliebt? „Wie bitte?“ Na, wie fühlt es pern. Dafür sorgen junge, bunte Künstler sich denn nun so an, verliebt zu sein? „Set- wie Takashi Murakami. Oder Quereinstei- aus Lack, die Sitzschale ist aus Leder. Ih- zen Sie sich in den Stuhl. Dann erfahren ger wie Pharrell. Gegebenenfalls immer re hinteren Beine stellen Männerbeine, Sie es.“ mit dem schönen Beuys’schen Freibrief: die vorderen Frauenbeine dar. Hübsche Leider erfährt man es dann doch nicht, „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Objekte, zweifellos. Auf der linken Wand jedenfalls nicht auf diese Art. Limitiert Die Vernissage von Pharrell ist an ei- steht in roten Lettern: „Design“. Das auf acht Stück pro Farbe kostet so ein nem Dienstag um 16 Uhr. Der Künstler, war’s? Frechheit! Stuhl 20 000 Dollar. Über die Hälfte ist so steht es auf seiner Einladung, kann aus In der rechten Ecke des Raums steht bereits nach der ersten Woche verkauft, privaten Gründen nicht anwesend sein. ein sehr kleiner Computer-Bildschirm. rot und schwarz sind die Verkaufsrenner. P.S. an Joseph Beuys: Mittlerweile kann Aus dem Parrell Williams blinzelt. „Hi“, Aber: Für alle anderen gibt es in dieser auch ein abwesender Mensch ein Künst- sagt seine Stimme aus dem Computer, Stadt glücklicherweise noch ein paar ler sein. Zwei Dutzend Fans unter 25 Jah- „schön, dass Sie gekommen sind.“ „Mis- andere Arten herauszufinden, wie es sich ren warten jedenfalls geduldig vor der ter Williams, sind Sie es wirklich?“ nun anfühlt und verhält, mit dem Ver- Galerie auf den Einlass. Die Jungs tragen „Nun: Ja!“ nickt das Jungsgesicht am Pharrell Williams machte Hits aus der Musik anderer. Jetzt designt er liebtsein, mit den Künstlern. Mit der die Hosen in den Kniekehlen und Base- anderen Ende der Webcam-Leitung. „Ich Stühle zu Liebesstühlen. Foto: Galerie Emmanuel Perrotin Kunst ja sowieso. JinaKhayyer

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A44017171 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche ZeitungZeitungSZ SZ WOCHENENDE WOCHENENDESamstag, Samstag, 6. Oktober 6. Oktober 2007 2007 Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5 Die Markenmacherin Karla Otto ist die mächtigste Deutsche in der Modewelt. Eine Begegnung in New York und Paris

sein verabschiedete. Elio Fiorucci war und eine enge Freundschaft entstanden, von Jina Khayyer 22 – also etwa genauso alt wie Karla Ot- die elf Jahre hielten. „Dann machte mir to damals – und hatte gerade das Famili- Bertelli ein verlockendes Angebot“, sagt ndiesenTagendrehtsichwieder enunternehmen übernommen. Mit sei- Otto. Er wollte sie kaufen. Genauso wie mal alles nur um die Mode. Der nem sehr reichen Vater im Rücken brach- er bereits Jil Sander und Helmut Lang Schauenmarathon läuft. New York, te er Londoner Jugendkultur in Form gekauft hatte. Mittlerweile hatte Karla ILondon, Mailand, Paris. Für Karla von T-Shirts, Jeans und Accessoires erst Otto ihr zweites Büro in Paris eröffnet Otto bedeutet das vier Wochen lang vor nach Italien, um dann von dort aus die und wollte als Nächstes in London Fuß allem Folgendes: Küsschen links, Blick ganze Welt zu erreichen. Fiorucci mach- fassen. Sie lehnte Bertellis Angebot ab. nach hinten, Lächeln, Händeschütteln te zum Beispiel aus gewöhnlichen Ge- „Ich habe es bis hierhin alleine ge- rechts. Lunch mit Kunden, Tee mit der brauchsgegenständen, wie Butterbrotbe- schafft, ich wollte meine Büros und vor Presse, zwischendrin immer wieder eine hältern, modische Accessoires. Die zwei allem meine Selbständigkeit nicht aufge- Show und jeden Abend Veranstaltun- Engel, einer blond, der andere braun, ben.“ Die Pradas waren enttäuscht. gen. Bis zu fünf Mal wechselt sie an sol- mit dem Schriftzug „Fiorucci“ in Pink Damit hatten sie nicht gerechnet. Die chen Tagen das Outfit. Für jede Präsen- wurden zum Logo einer ganzen Genera- Zusammenarbeit endete. Geschadet hat tation einer ihrer Designer trägt sie Ent- tion – der Popper. Das war der erste glo- Karla Otto diese Entscheidung nicht. würfe von ihm. Da schadet es nichts, bale Massentrend, für dessen Vermark- Ganz im Gegenteil. Bis heute gehört ihr dass sie seit ihrem sechzehnten Lebens- tung Karla Otto verantwortlich war. alles zu hundert Prozent, und ihr Name jahr ihre Modelkleidergröße 34 behalten Und das in einer Zeit, da niemand so ge- wirkt mehr denn je wie ein Magnet: Von hat, und sich somit jederzeit ein Kollekti- nau wusste, wie man Trends und Image Luxusunternehmen wie Roberto Caval- onsteil aus einem ihrer vier Büros in vermarktet. Bei diesem Lernprozess li, Alberta Ferretti, Pucci oder Fendi, bis New York, London, Mailand und Paris war Karla Otto von Anfang an dabei. hin zu Sportmarken wie Nike – sie alle von der Stange nehmen kann. Karla Als Lehrmeisterin sozusagen. Eine ihrer lassen sich von Karla Otto vertreten. wer? Karla Otto! So heißt sie und so hei- ersten Lektionen: Wie man aus einem zu- Sogar Karl Lagerfeld, der seit der ver- ßen auch ihre Büros: Sie ist die weltweit rückhaltenden Hamburger Modehaus gangenen Saison versucht, seine eigene einflussreichste PR- und Imageberate- eine Weltmarke macht; aber dazu kom- Jeansmarke an den Mann zu bringen. rin bekanntester Modemarken und be- men wir gleich. Denn: Auch wenn die Welt nicht auf rät seit 25 Jahren Kreateure wie Jil San- Nach dem Erfolg mit Fiorucci mach- Jeans von Karl Lagerfeld gewartet hat, der und Miuccia Prada. Oder heute Jean te sich Karla Otto Anfang der achtziger wenn es jemand schafft, dass diese Jeans Paul Gaultier, Viktor & Rolf, Hussein Jahre mit ihrem eigenen Pressebüro in gefeiert werden, dann Karla Otto, die Chalayan, Marni, und so weiter. Die Lis- Mailand selbständig. Sie war kurz zu- dieses Jahr selbst etwas zu feiern hat - te scheint endlos. Doch auch wenn kei- vor, während der Modeschauen in Paris, ihr 25. Firmenjubiläum. Zu diesem An- ner ihrer Kunden Frauen kalt lässt, sagt Jean Paul Gaultier begegnet, der sie mit lass hat sie ein Büro in New York eröff- ihr eigener Name fast niemandem et- seiner Pressearbeit für den italienischen net. In einem Loft in Chelsea, nach was, und so gesteht sie gleich zu Beginn, Markt beauftragte. „Damals fing die Feng-Shui-Regeln austariert, der Lehre dass dies das erste Mal ist, dass sie ein In- Modewelt gerade an, global zu denken“, von Wind und Wasser. An beidem man- terview über sich selbst gibt. gelt es ihr hier nicht, in der zwölften Eta- Heute trägt sie Marni. Ein ärmelloses ge des Chelsea Art Towers, komplett ver- Seidentop, kurzen Rock und Ballerinas. glast mit Blick über den Hudson River Ihr Gesichtsausdruck ist entspannt, Fiorucci wurde durch sie bis hinüber nach New Jersey. manchmal fast mädchenhaft. Als hätte Ein Stapel mit losen Zetteln und ein ihre Karriere keine Narben hinterlas- zum Lieblingslabel einer Telefon. Mehr ist auf ihrem Schreibtisch sen. Ihre braunen Haare trägt sie schul- ganzen Generation. nicht zu sehen. Erwartet hätte man das terlang. Ihre tiefe Stimme klingt sanft. nicht auf dem Arbeitsplatz der weltweit Sie ist freundlich, lacht viel und stellt so- gar während des Interviews den Black- berry aus. „Wenn ich mein Telefon ab- sagt Karla Otto. Bis dahin mussten die stelle, ist es fast so, als hätte ich Redakteure der Modezeitschriften zum Selbst Karl Lagerfeld Urlaub“, sagt sie und fängt an, ihre Standort des Designers kommen, um eigene Geschichte zu erzählen: Wie eine sich die Kollektion ansehen zu können. lässt seine neuen Jeans junge, zierliche Frau aus Bonn ein PR- Jetzt konnten die Mailänder Redakteure von ihr vermarkten. Imperium geschaffen hat, das sie bis heu- Jean Paul Gaultiers Entwürfe bei Karla te ganz alleine führt. Otto im Büro hängen sehen. Sie Nach dem Abitur, das war 1973, entschied, wer kommen und sie machte Karla Otto das, was viele nach entschied auch, wer sich was für welche einflussreichsten PR- und Imageberate- dem Abitur machen – eine lange Reise. Modeproduktion ausleihen durfte – und rin. Von hier aus will Karla Otto vor al- Ein Jahr lang, um genau zu sein. Von gewährleistete so selbst die Kontrolle lem dem türkischen Designer Hussein Europa nach Asien. Über Persien, Afgha- über das ästhetische Umfeld der Marke. Chalayan und den Holländern Viktor & nistan, Indien und Nepal bis nach Ja- Nun aber zurück zum Hamburger Mo- Rolf eine Brücke bauen, die bislang nur pan. Und zwar alleine. Ihr letztes Ziel dehaus. Jil Sander. Sie hatte von Karla in Europa bekannt sind. Um Weltruhm wurde zu ihrem neuen Zuhause. Und Otto gehört und rief sie an. Otto flog zu erreichen, müssen sie aber Amerika eine Handvoll Freunde hatte sie dort nach Hamburg. Einen Tag später, auf erobern – dazu will ihnen Otto verhel- auch schon: Ein Jahr zuvor hatte sie, dem Rückflug nach Mailand, hatte sie fen. Genau so, wie sie es zuletzt mit Mar- während der Olympischen Spiele in bereits den Vertrag mit ihrer neuen Kun- ni geschafft hat. Einem kleinen Kürsch- München, eine japanische Theatergrup- din in der Tasche. „Das war schon toll“, ner-Unternehmen aus Italien, das seine pe kennengelernt. Für Sport interessiert sagt Karla Otto, „dass Jil den Mut dazu Pelzkollektion austauschte gegen bezau- sich Karla Otto nicht besonders, aber hatte und mir vertraute. Vor allem weil bernd geschnittene Seidentops und Klei- für Kultur eben. Und aus diesem Grund wir am Anfang nicht immer einer Mei- der, und damit zum Lieblingslabel der war sie nach München gereist. nung waren. In Deutschland war Jil Luxus-Bohemians und der Stars gewor- In Tokio angekommen, beschloss sie Sander zwar sehr bekannt, aber interna- den ist. Rund 60 Mitarbeiter unterstüt- zu bleiben. Zog zur Theatergruppe, tional kannte man nur die Marke als zen Karla Otto weltweit. Sie selbst pen- schrieb sich an der Universität ein, um Marke. Keiner wusste genau, was Jil Nach der Schau ist vor der delt zwischen ihren Büro-Standorten Japanisch zu studieren, und verdiente Sander ist, weil sie nie eine Show mach- Schau: Karla Otto fühlt sich hin und her, wobei ihre Wohnung in Lon- sich das Studium durch Modeljobs. te. Jil war absolut gegen Shows. Aber schon fast wie im Urlaub, don ist. „Mein einziges Zuhause würde Obwohl Karla Otto in gutbürgerlichen auch wenn bis heute alle versuchen, eine wenn der Blackberry mal hen, ist es nicht kühn zu behaupten, Kollektion zu tun hatte, haben wir ge- ich das nicht nennen“, sagt sie, „denn Verhältnissen aufgewachsen ist, mit Alternative zur Modenschau zu erfin- einen Moment ausgeschaltet dass Karla Otto entscheidend am Auf- meinsam entwickelt, Miuccia und ich“: ich fühle mich überall zu Hause, wo ich zwei Schwestern und einem Bruder, hat den: Wenn du keine Show machst, bist ist. Ob in Paris, Mailand, bau der Marke beteiligt war. Wie auch das Image der Marke, die Kampagnen, bin.“ Auch in der Schweiz, wo ihr 16-jäh- sie schon früh ihr Leben selbst finan- du einfach nicht präsent. Egal wie gut London oder New York. bei ihrem nächsten großen Coup: Prada. welcher Fotograf engagiert werden wür- riger Sohn ins Internat geht. „Wenn er ziert. „Und so bin ich zur Mode gekom- deine Sachen sind. Niemand interessiert Foto: Arslan Sukan Vor allem bekannt durch Taschen und de und welcher Art-Direktor. Wie die Abitur macht, will ich nach New York men“, sagt Karla Otto, „und nach Mai- sich für dich“, sagt Otto, die es schaffte, Schuhe, hatte Miuccia Prada gerade mit Flagshipstores weltweit aussehen soll- ziehen“, sagt sie. Das könnte dann viel- land“. Wie so oft wurde aus dem Neben- Sander davon zu überzeugen, eine Mo- ihrer ersten Prêt-à-porter-Kollektion ten. Erst nur für Prada und später auch leicht etwas mehr Ruhe in ihr Leben job schnell ein Hauptberuf, und schon denschau in Mailand zu machen. Die angefangen, als ihr Mann Patrizio Ber- für Miu Miu. Bis hin zum großen Schritt bringen. Soweit zumindest momentan bald schickte sie die Modelagentur nach Show wurde ein Erfolg und Jil Sander telli – derselbe übrigens, der später Jil über den Atlantik: Karla Otto überzeug- der Plan, an dessen Verwirklichung jetzt Mailand. „Dort habe ich ziemlich bald über Nacht zum internationalen Star che Produkte sie in welchen Medien an- Sander und Helmut Lang aufkaufte, um te Miuccia Prada, zusätzlich Shows in noch nicht zu denken ist. Denn wenn die Fiorucci kennengelernt, der mich frag- der Modebranche. Fortan entwickelten preisen würden. Und auch wenn San- dann beide aus ihrem eigenen Unterneh- New York zu machen, die ihr endlich Schauen vorbei sind, fängt Karla Ottos te, ob ich die Pressearbeit für ihn ma- Sander und Otto alles, bis auf die Kollek- ders Talent und die Tatsache, dass sie men zu vertreiben – Karla Otto anrief. den großen Weltruhm einbrachten und Arbeit erst richtig an: Die Kollektionen chen will“, sagt Karla Otto, die sich da- tion, gemeinsam: Konzepte für weltwei- eine der bemerkenswertesten Designe- „Das war mein erster weltweiter Kunde. die Auszeichnung als beste internationa- ihrer Kunden wollen schließlich welt- raufhin von Japan und dem Modelda- te Boutiquen, Anzeigenkampagnen, wel- rinnen unserer Zeit ist, außer Frage ste- Alles, was nichts mit dem Entwurf der le Designerin. Eine enge Kollaboration weit vermarktet werden.

DIZdigital:SZdigital: AlleAlle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten – Süddeutsche- Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München A041.314.715A41314715 Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichung und exklusiv nicht-private über www.diz-muenchen.deNutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Freitag, 2. Oktober 2009 Erste Reihe Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 Erste Reihe München von Jina Khayyer

Weiß-blauer Himmel Ermatteter Protz Das Kuchenviertel Prosecco-Nasen Das 176. Oktoberfest neigt sich Das neue Spielzeug gut betuch- Einerseits ist das Glockenbach- Ein Klischee ist leider wahr: In dem Ende zu. Viel interessanter ter Bogenhausener ist die matt viertel eine Kuchenmeile: ob im München gibt sich das Geld ist es aber jenseits der Wiesn: lackierte Kampfkarosse (Bild). Blumenladen oder in der Einrich- leichter aus als anderswo. Diese Nicht erst seit die britische Zeit- Am liebsten in Schwarz. Oder tungsboutique, alle Inhaber Stadt verführt mit vielen schö- schrift Monocle die bayerische Olivgrün. Damit das nicht nur ein scheinen zum Backen berufen. nen Schaufenstern. Und selbst Hauptstadt im Jahr 2007 zur Trend für Reiche ist, kann jeder Andererseits lebt und arbeitet im Regen stellen die Lokale ihre lebenswertesten Stadt der Welt sein Auto in der Werkstatt mit hier eine hohe Dichte an Homo- Tische und Stühle unter Wärme- erklärt hat, macht München Ber- einer matten Folie überziehen sexuellen, Kleinfamilien und strahlern auf das Trottoir – ein lin als Trendmetropole Konkur- lassen. Kostenpunkt: 3000 Euro. Kreativen – beispielsweise die Prosecco geht immer. Doch mit renz. Wir wussten es immer Nicht im Preis inbegriffen: eine Designerin Kathleen König, die etwas Glück kommt das Geld zu schon: München ist leise und Garantie, dass Passanten auf Kleine Kings in diesen Tagen zum ersten Mal einem zurück: vorausgesetzt, sauber. Und welche Stadt der der Maximilianstraße vielleicht die Kollektion ihres Labels „Halt- man reibt die goldenen Nasen Welt hat schon einen Bach, auf über den matt lackierten Fiat Diese jungen Kavaliere sind die bar“ präsentiert – bei der Mode- der Löwen auf der Residenzstra- dem man surfen kann? Uno witzeln. neue Generation des Münchner woche in Paris. Feine Chance ße. Alle vier. Wiederschaun! Kunst im Bau Nachtlebens. Ganz links Ame- dée Till, einer der zwei DJ-Brü- Geschäftsmodelle, die vielleicht Sollen die anderen doch auf sie der „Kill the Tills“. Der junge scheitern: Davor schreckt die schimpfen: wen schert’s. Mün- Mann im weißen T-Shirt ist Mar- Münchner Gastronomin Sandra chen hat den längeren Atem. Wie lon, der Filius von Charles Schu- Forster nicht zurück. Erst eröff- beim Brandhorst: Berlin lehnte mann. Bei ihren nächtlichen nete sie Deutschlands erstes die Sammlung ab, jetzt ziert das Streifzügen trägt die „Carrot- veganes Restaurant, danach ein Museum das Kunstareal in der Gang“ Preppy-Look; Hosen im Café in einer stillgelegten Tank- Maxvorstadt – mit einer Fassade Karottenschnitt, elegant hochge- stelle. Ihr jüngstes Projekt heißt aus immerhin 36 000 farbigen krempelt und selbst nachts um „Roecklplatz“: In dem Ausbil- Keramikstäben. Im Erdgeschoss halb drei noch lupenrein sauber dungsgasthof wird jungen Men- befindet sich ein herrliches Res- –wiehiervordemCaféKing. schen, die keine Aussicht auf taurant. Mit Terrasse unter frei- Wer hat gesagt, dass das Nacht- eine Lehrstelle haben, eine Aus- em – weiß-blauen – Himmel. leben dunkel und schmutzig ist? bildung geboten. Fein. Fotos: Bongarts/Getty Images; © Museum Brandhorst; Jina Khayyer (3); vario-images; privat

Erste Reihe München von Jina Khayyer

Weiß-blauer Himmel Ermatteter Protz Das Kuchenviertel Prosecco-Nasen Das 176. Oktoberfest neigt sich Das neue Spielzeug gut betuch- Einerseits ist das Glockenbach- Ein Klischee ist leider wahr: In dem Ende zu. Viel interessanter ter Bogenhausener ist die matt viertel eine Kuchenmeile: ob im München gibt sich das Geld ist es aber jenseits der Wiesn: lackierte Kampfkarosse (Bild). Blumenladen oder in der Einrich- leichter aus als anderswo. Diese Nicht erst seit die britische Zeit- Am liebsten in Schwarz. Oder tungsboutique, alle Inhaber Stadt verführt mit vielen schö- schrift Monocle die bayerische Olivgrün. Damit das nicht nur ein scheinen zum Backen berufen. nen Schaufenstern. Und selbst Hauptstadt im Jahr 2007 zur Trend für Reiche ist, kann jeder Andererseits lebt und arbeitet im Regen stellen die Lokale ihre lebenswertesten Stadt der Welt sein Auto in der Werkstatt mit hier eine hohe Dichte an Homo- Tische und Stühle unter Wärme- erklärt hat, macht München Ber- einer matten Folie überziehen sexuellen, Kleinfamilien und strahlern auf das Trottoir – ein lin als Trendmetropole Konkur- lassen. Kostenpunkt: 3000 Euro. Kreativen – beispielsweise die Prosecco geht immer. Doch mit renz. Wir wussten es immer Nicht im Preis inbegriffen: eine Designerin Kathleen König, die etwas Glück kommt das Geld zu schon: München ist leise und Garantie, dass Passanten auf Kleine Kings in diesen Tagen zum ersten Mal einem zurück: vorausgesetzt, sauber. Und welche Stadt der der Maximilianstraße vielleicht die Kollektion ihres Labels „Halt- man reibt die goldenen Nasen Welt hat schon einen Bach, auf über den matt lackierten Fiat Diese jungen Kavaliere sind die bar“ präsentiert – bei der Mode- der Löwen auf der Residenzstra- dem man surfen kann? Uno witzeln. neue Generation des Münchner woche in Paris. Feine Chance ße. Alle vier. Wiederschaun! Kunst im Bau Nachtlebens. Ganz links Ame- dée Till, einer der zwei DJ-Brü- Geschäftsmodelle, die vielleicht Sollen die anderen doch auf sie der „Kill the Tills“. Der junge scheitern: Davor schreckt die schimpfen: wen schert’s. Mün- Mann im weißen T-Shirt ist Mar- Münchner Gastronomin Sandra chen hat den längeren Atem. Wie lon, der Filius von Charles Schu- Forster nicht zurück. Erst eröff- beim Brandhorst: Berlin lehnte mann. Bei ihren nächtlichen nete sie Deutschlands erstes die Sammlung ab, jetzt ziert das Streifzügen trägt die „Carrot- veganes Restaurant, danach ein Museum das Kunstareal in der Gang“ Preppy-Look; Hosen im Café in einer stillgelegten Tank- Maxvorstadt – mit einer Fassade Karottenschnitt, elegant hochge- stelle. Ihr jüngstes Projekt heißt aus immerhin 36 000 farbigen krempelt und selbst nachts um „Roecklplatz“: In dem Ausbil- Keramikstäben. Im Erdgeschoss halb drei noch lupenrein sauber dungsgasthof wird jungen Men- befindet sich ein herrliches Res- –wiehiervordemCaféKing. schen, die keine Aussicht auf taurant. Mit Terrasse unter frei- Wer hat gesagt, dass das Nacht- eine Lehrstelle haben, eine Aus- em – weiß-blauen – Himmel. leben dunkel und schmutzig ist? bildung geboten. Fein. Fotos: Bongarts/Getty Images; © Museum Brandhorst; Jina Khayyer (3); vario-images; privat

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45978632 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 26. September 2009 Erste Reihe Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 Erste Reihe Paris Fashionweek von Jina Khayyer

Begutachten Herzeigen Aufsparen Umsatteln Der Modetross hat sich wieder Immer mehr junge Pariser La- Während der Modewoche sieht Man kann sich schon gar nicht in Bewegung gesetzt. Die letzte bels verweigern sich dem Fort- man nicht viel, was man sich mehr merken, welcher Designer Fashionweek-Etappe führt von schrittswahn der Mode – und leisten kann. Schauentickets: wieder mal für diese oder jene Mailand nach Paris, wo von Don- setzen auf Handarbeit. Olivier unverkäuflich. Die Mode an all Marke dies oder jenes entwirft. nerstag an Hervé Léger, Given- Chatenet beispielsweise verwan- den Amazonen vor dem Carrou- Anders bei Uniqlo: Die japani- chy, Lanvin und 87 weitere La- delt unter seinem Label E2 Vinta- sel du Louvre: unbezahlbar. sche Modekette hat seit Früh- bels ihre Frühjahrsmode für ge-Seidentücher, wie dieses Glücklicherweise verbietet ihnen jahr Jil Sander zur Beraterin; und 2010 präsentieren. Derweil hat von Lanvin, in Schals oder Klei- ihr Job, die Teile nächste Saison die feinen Pullis kosten trotzdem der US-Grusel-Regisseur David der (Bild). Die Clutch-Kollektion nochmal zu tragen. Sie traben nur 24 Euro und 90 Cent. Am 30. Lynch elf Schaufenster des Kauf- von Olympia Le-Tan trägt den Abtanzen also zum „J’Y Troque“ in der September eröffnet in der Rue hauses Galeries Lafayettes Titel „you can’t judge a book by Rue Villedo, einem Vintageshop, Scribe auf 2150 Quadratmetern Haussmann dekoriert. Thema: its cover“. Die Täschchen sind Wenn die letzte Modenschau der nur Second Season ver- Erröten die erste Pariser Filiale. Am bes- mächtige Frauen. Das Ergebnis? aus Filz, handbestickt und erin- des Tages vorüber ist, und der kauft. Das McQueen-Kleid hier ten Bahn fahren – so spart man Nicht schaurig, sondern schön. Vermessen nern an Buchcover. Zum Bei- Mond die Seine versilbert, pil- kostet noch 390 Euro. Pas mal! Vin rouge, Fois gras – hier ent- sich die Übergepäck-Gebühr. spiel J.D. Salingers „The Cat- gert die schicke Meute über die lang: Am Ende der Metrolinie 4 Neue Modewoche, neue Muse: cher in the Rye“. Brücken in den Stadtteil Saint- liegt das Quartier St. Denis, be- Nach Beth Ditto hat sich jetzt Lily Germain. Dort liegt das Monta- kannt für Dirnen und türkische Allen in Karl Lagerfelds Herz ge- na, der legendäre 70er-Jahre- Barbiere. Wer sich nicht ein- sungen. Die Sängerin spielt auf Nachtclub, wo schon Alain De- schüchtern lässt, wird im Restau- seinen Partys, sitzt bei Shows in lon und Catherine Deneuve rant „La Fidelité“ belohnt. Es der vorderen Reihe – und wirbt schmusten. Heute tanzen hier wirkt vielleicht wie ein Etablisse- jetzt für die Taschenlinie „ Coco Kate Moss und die Menschen ment, aber wer den roten Samt- Cocoon“. Laut Lagerfeld sieht mit den besten Genen und vorhang lupft, wird von einem Lily Coco „verblüffend ähnlich“. Stammbäumen. Die Türsteher weißen Saal überrascht, der Ja? Wo? In den Anzeigen sieht sind mit Sicherheit die bissigs- früher ein Theater war. Die sie aus wie Audrey Hepburn – ten Hunde der Stadt, aber Mickymaus für Erwachsene wenn die öfter ausgiebig bei Tiffa- Schönheit und Geld haben in (Bild) stammt vom Künstler und ny gefrühstückt hätte. Paris überall Zutritt. Mitinhaber André. Fotos: Jina Khayyer (7); Getty Images

Erste Reihe Paris Fashionweek von Jina Khayyer

Begutachten Herzeigen Aufsparen Umsatteln Der Modetross hat sich wieder Immer mehr junge Pariser La- Während der Modewoche sieht Man kann sich schon gar nicht in Bewegung gesetzt. Die letzte bels verweigern sich dem Fort- man nicht viel, was man sich mehr merken, welcher Designer Fashionweek-Etappe führt von schrittswahn der Mode – und leisten kann. Schauentickets: wieder mal für diese oder jene Mailand nach Paris, wo von Don- setzen auf Handarbeit. Olivier unverkäuflich. Die Mode an all Marke dies oder jenes entwirft. nerstag an Hervé Léger, Given- Chatenet beispielsweise verwan- den Amazonen vor dem Carrou- Anders bei Uniqlo: Die japani- chy, Lanvin und 87 weitere La- delt unter seinem Label E2 Vinta- sel du Louvre: unbezahlbar. sche Modekette hat seit Früh- bels ihre Frühjahrsmode für ge-Seidentücher, wie dieses Glücklicherweise verbietet ihnen jahr Jil Sander zur Beraterin; und 2010 präsentieren. Derweil hat von Lanvin, in Schals oder Klei- ihr Job, die Teile nächste Saison die feinen Pullis kosten trotzdem der US-Grusel-Regisseur David der (Bild). Die Clutch-Kollektion nochmal zu tragen. Sie traben nur 24 Euro und 90 Cent. Am 30. Lynch elf Schaufenster des Kauf- von Olympia Le-Tan trägt den Abtanzen also zum „J’Y Troque“ in der September eröffnet in der Rue hauses Galeries Lafayettes Titel „you can’t judge a book by Rue Villedo, einem Vintageshop, Scribe auf 2150 Quadratmetern Haussmann dekoriert. Thema: its cover“. Die Täschchen sind Wenn die letzte Modenschau der nur Second Season ver- Erröten die erste Pariser Filiale. Am bes- mächtige Frauen. Das Ergebnis? aus Filz, handbestickt und erin- des Tages vorüber ist, und der kauft. Das McQueen-Kleid hier ten Bahn fahren – so spart man Nicht schaurig, sondern schön. Vermessen nern an Buchcover. Zum Bei- Mond die Seine versilbert, pil- kostet noch 390 Euro. Pas mal! Vin rouge, Fois gras – hier ent- sich die Übergepäck-Gebühr. spiel J.D. Salingers „The Cat- gert die schicke Meute über die lang: Am Ende der Metrolinie 4 Neue Modewoche, neue Muse: cher in the Rye“. Brücken in den Stadtteil Saint- liegt das Quartier St. Denis, be- Nach Beth Ditto hat sich jetzt Lily Germain. Dort liegt das Monta- kannt für Dirnen und türkische Allen in Karl Lagerfelds Herz ge- na, der legendäre 70er-Jahre- Barbiere. Wer sich nicht ein- sungen. Die Sängerin spielt auf Nachtclub, wo schon Alain De- schüchtern lässt, wird im Restau- seinen Partys, sitzt bei Shows in lon und Catherine Deneuve rant „La Fidelité“ belohnt. Es der vorderen Reihe – und wirbt schmusten. Heute tanzen hier wirkt vielleicht wie ein Etablisse- jetzt für die Taschenlinie „ Coco Kate Moss und die Menschen ment, aber wer den roten Samt- Cocoon“. Laut Lagerfeld sieht mit den besten Genen und vorhang lupft, wird von einem Lily Coco „verblüffend ähnlich“. Stammbäumen. Die Türsteher weißen Saal überrascht, der Ja? Wo? In den Anzeigen sieht sind mit Sicherheit die bissigs- früher ein Theater war. Die sie aus wie Audrey Hepburn – ten Hunde der Stadt, aber Mickymaus für Erwachsene wenn die öfter ausgiebig bei Tiffa- Schönheit und Geld haben in (Bild) stammt vom Künstler und ny gefrühstückt hätte. Paris überall Zutritt. Mitinhaber André. Fotos: Jina Khayyer (7); Getty Images

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45940100 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 12. September 2009 Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 „Ich liebte seine Pistole“

Das Modelabel A.P.C. ist bekannt für französi- schen, unprätentiösen Chic. Jetzt hat der 57-jäh- rige Patron, Jean Touitou, den ersten Duft lan- ciert – „Sustain“. Das limitierte Unisex-Parfum ist ab sofort auch in den A.P.C.-Boutiquen in München und Berlin erhältlich.

Monsieur Touitou, warum ist Ihr erstes Parfum ein Öl – zum Tupfen, nicht zum Sprühen? Tja, eigentlich mag ich gar keine Öle. Die waren mir nie männlich genug. Als ich anfing, über einen Duft nachzudenken, träumte ich von einer großen, schönen, metallenen Flasche mit einem gigantischen Zerstäuber. Aber ich wurde eines Besseren belehrt. Öle sind die feinste, reinste Es- senz. Und da sie frei sind von Alkohol, hinterlas- sen sie in der Sonne keine Flecken auf der Haut. Ja, das ist schon lange bekannt. Trotzdem be- nutzt doch fast niemand Öl statt Parfum . . . Hippies schon. Und reiche Kalifornierinnen. Und genau so habe ich Haley gefunden. Sie fer- tigt Öle für berühmte Leute in Hollywood, damit die besser schlafen können. Eine bedeutende Per- sönlichkeit, deren Namen ich leider nicht nennen darf, hatte Haley einmal geraten, ihren Schlaf- ölen einen angenehmen Duft zu verleihen. Ich probierte eines ihrer Öle einmal aus, schlief ruhig- ,dufteteherrlich.Sofingichan,michmitder Idee anzufreunden. Warum sieht der Flakon denn aus wie eine Pfeffermühle? Wir wollten ein rohes, natürli- ches Material verwenden. Das Öl in dem Flakon ist ja auch zu hundert Prozent natürlich. Das Holz haben wir in der südfran- zösischen Provinz von Hand drechseln lassen. Und der Knopf oben auf dem Flakon, soll der an eine Jeans- niete erinnern? Nein. An eine Kugel aus einer Neun-Millimeter-Pistole. Mein Vater, er war Tunesier, hatte während des Krieges eine Neun-Millimeter. Ich liebte sei- ne Pistole. Ihr Parfum hat den stolzen Preis von 180 Euro. Tut mir leid, dass der Duft so teuer ist. Sie entschuldigen sich dafür? Ja, natürlich. Für 180 Euro kann man eine Menge Essen kaufen. Reis, Wein, Brot, Käse. Aber wir konnten es nicht billiger herstellen. Öl ist kostbar und teu- er – die Verpackung hat kaum etwas gekostet. Ha- ley ist über ein Jahr um den ganzen Globus ge- reist, um die richtigen Zutaten zu finden. Einmal rief sie mich an und sagte: „Verzeihe Jean, aber ich muss nach Saudi-Arabien, um dieses Gewürz zu finden!“ Sie sagte mir gar nicht, welches Ge- würz. Ich weiß ehrlich gesagt immer noch nicht, ichard Prince; Stefan Kiefer/Intro was in „Sustain“ alles drin ist. JinaKhayyer s: Stephane Gallois; A.P.C.; Study (2008) o R

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45858164 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 22. August 2009 Interview Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 „Hässlichkeit hat viel Kraft“

Die Brasilianer Humberto und Fernando Campana zäh- len zu den weltweit wichtigsten Industriedesignern. Für den kommenden Winter haben die Brüder zum ers- ten Mal ein Kleidungsstück transformiert: das Polo- Shirt von Lacoste.

Welche Einflüsse spielen bei Ihren Entwürfen eine Rolle? Humberto: Ich fühle mich mit den Indianern des Ama- zonas verbunden. Ich mag einfache, rohe Gegenstände und primitive Verarbeitung. Fernando: Als Humberto noch zur Schule ging, hat er sich oft geweigert, Schuhe anzuziehen. Ich hingegen wollte immer Astronaut werden; mich interessieren Raum, Zeit und Technik. Als ich noch ein kleiner Junge war, habe ich in unserem Garten oft Szenen aus Stan- ley-Kubrick-Filmen nachgestellt – mit Kakteen, Schau- feln, Schubkarren, allen möglichen Dingen. Wie lebt und arbeitet es sich in São Paolo? Fernando: Es ist mit Abstand die hässlichste Stadt. Es gibt kein Fleckchen Grün. Und São Paolo ist sehr ge- fährlich. Aber in dieser Hässlichkeit und Gefahr steckt viel Kraft. Man muss wissen, wie man damit umgeht. Sind Sie schon mal überfallen worden? Fernando: Ja, oft. Ich bin auch schon mit der Pistole am Kopf zum Geldautomaten verschleppt worden. Ich ver- suche immer ruhig zu bleiben und zu verhandeln: Sie wollen Geld für Drogen – also gebe ich ihnen CDs oder die Stereoanlage aus meinem Auto. Sie, Humberto, haben Jura studiert und Sie, Fernando, Architektur – wie kam es, dass Sie sich beide auf Stuhl- Design konzentrierten? Fernando: Nach dem Studium habe ich mich mehr für Objektkunst als für Architektur interessiert. Bei einem Praktikum bei der Biennale in São Paolo lernte ich dann viele Künstler kennen; Anish Kapoor, Basquiat, seinen da- maligen Freund Keith Ha- ring. Haring lief die ganze Zeit mit einem gigantischen Ghettoblaster rum. Humberto: Fernando brachte dieses Universum in meine Welt. Ich wollte immer Bild- hauer werden, nicht Jurist. Hatten Sie Startkapital? Fernando: Nein. Wir kommen aus einfachen Verhältnissen. Von Anfang an haben wir uns darauf konzentriert, vorhan- dene Dinge zu transformieren. Das war billiger. Das ist eine lange brasilianische Tradition – die Menschen aus den Favela machen das seit Generationen. Das Improvi- sierte ist eine der größten Stärken von uns Brasilia- nern. Auch wir beide nehmen für unsere Entwürfe meist Gebrauchsgegenstände, wie Plüschtiere. Dabei kam auch der Stuhl heraus, der aussieht wie eine Horde Plüschkrokodile mit vier Beinen. Er war auch Anstoß war für Ihre Zusammenarbeit mit Lacoste . . . Fernando: Ja, der Stuhl stammt aus einer Serie aus dem Jahr 2000, zu der auch der Stuhl mit den Plüsch- Haien und -Delphinen gehört. Herr Lacoste hatte sich damals so einen Krokodilstuhl gekauft. Ist die Marke Lacoste in Brasilien populär? Humberto: Ja, sehr. Ich kenne sie, seit ich 14 bin. Aber wir sagen dazu nicht Lacoste, sondern jacaré –dasist portugiesisch für Krokodil. Wenn Sie sich für Ihr Shirt ein Testimonial aussuchen dürften, wen würden Sie nehmen? Humberto: Leider durften wir das nicht. Sonst hätte ich Juliette Binoche genommen. Fernando: Und ich Kate Moss. JinaKhayyer DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45733603 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 4. Juli 2009 Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 Der Soundstylist Mode: Michel Gaubert mixt die Musik der Schauen

„Ich besitze insgesamt 24 iPods. Wenn Sound Karls Persönlichkeit widerspie- ich meine komplette iTunes-Liste ab- geln, und Something A la Mode klingt spielen würde, nonstop, könnte ich 30 nach Karl. Monate lang ununterbrochen Musik Meine erste Musikerinnerung? Als hören. Karl Lagerfeld hat sicherlich kleiner Junge wollte ich Sänger wer- mehr iPods als ich – aber in meiner Plat- den. Meine Eltern hörten viel Serge tensammlung kann er mich nicht schla- Gainsbourg, France Galle, Miles Davis, gen. Ich gebe ungefähr 4000 Euro im Jazz. Ich drehte die Rolling Stones auf, Monat nur für Musik aus. und hampelte dann zu Songs wie „Jum- Karl war es auch, der sich diese Be- pin’ Jack Flash“ durch mein Zimmer, rufsbezeichung für mich ausgedacht als wäre ich ein Rockstar. Ich lernte hat: ,Soundstylist‘. Irgendwann sagte Englisch, damit ich die Texte besser ver- er mal zu mir: ,Wenn es Hairstylisten stand. Als Teenager fuhr ich dann nach gibt, soll es auch Soundstylisten geben. London, um mir Platten zu kaufen. Und du, Michel, bist ein Soundstylist.‘ Karl Lagerfeld kenne ich seit den frü- Es gibt kein Rezept für den perfekten hen achtziger Jahren. Damals hatte ich Sound. Den Soundtrack für ein Defilee gerade meinen Militärdienst quittiert; zu machen ist wie eine Dissertation zu und zwar so: Ich stellte mich vor mei- schreiben: Man bekommt ein Thema zu- nen Offizier hin und sagte: ,Ich will aus- gewiesen und muss das bearbeiten; das treten, ich bin schwul.‘ Und was sagte heißt, in meinem Fall: bespielen. Natür- er darauf? ,Verstehe, ich bin auch lich kann das auch mal schiefgehen. schwul‘. So etwas gab es nur in den Monsieur Ungaro hatte sich einmal ge- 80ern. Tagsüber arbeitete ich dann in wünscht, dass ich – in dem Moment, in einem Plattenladen, nachts legte ich im dem er den Laufsteg betritt – ,Rebel „Le Palace“ auf. Die Diskothek war da- Yell‘ von Billy Idol spiele. Suzy Menkes mals Zentrum des Hedonismus: Alles, schrieb daraufhin: ,Ungaro ist kein Re- was zählte, war Spaß, Sex, Drogen. Das bell‘. Manchmal unterschätze ich, wel- „Le Palace“ war der erste Club in Paris, che Aussagekraft Musik bei einer Mo- wo sich alle mischten; Homosexuelle denschau hat. Seitdem orientiere ich und Heteros, die Bourgeoisie, die Mo- mich stärker an der Persönlichkeit, die de- und Kunstszene. Thierry Mugler, hinter der Marke steht: Chanel klingt Montana, Prince, Yves (Saint Laurent, natürlich ganz anders als Balenciaga, die Red.),FrançoiseSagan–allewaren Jil Sander oder Raf Simons. Nehmen da und haben exzessiv gefeiert. Dort wir einmal Chanel: Wir machen im Jahr lernte ich Karl kennen. 1981, oder 1982, sechs Shows. Ich sehe die Kollektion nahm er mich auf meine erste Moden- vorher und bespreche mit Karl, wie sie schau mit, zu Chloé; und kurze Zeit spä- klingen soll. Die Musik einer Pret- ter fragte er mich, ob ich nicht die Mu- à-porter-Kollektion muss gute Laune sik zu seiner Show machen will. machen. Letzten Oktober, als Karl die Im Unterschied zu anderen DJs habe Fassade des Chanel-Geschäfts aus der ich ein recht kleines Ego. Ich habe kei- Rue Chambon im Grand Palais hat auf- ne Angst vor Trash und kann auch ge- stellen lassen, habe ich einen Mix aus schmacklose Musik spielen, wie Boney „Our House“ von Madness und „Paris M. –ichmachedieMusikjaschließlich is Burning“ von Ladyhawk gespielt. für andere, nicht für mich. Und im Un- Haute-Couture-Schauen sind mon- terschied zu anderen habe ich seit 1988, däner, der Sound darf merkwürdig sein seitdem ich bei Betty Ford Hilfe fand, und experimentell. Die nächste Cha- keinen Tropfen Alkohol mehr getrun- nel-Couture-Show wird kommenden ken und keine Drogen mehr angerührt. Dienstag in Paris gezeigt, um 21 Uhr. Ein paar kleine Süchte habe ich Da kann ruhig eine Nachtclub-Atmo- noch. Aber ich will in folgender Reihen- Wie Raf Simons (unten) klingt? Nach sphäre mitschwingen. Die Shows der folge damit aufhören: Zigaretten, Capricorn und Birdy Nam Nam. Cruise-Kollektionen sind kleiner, es Schlaftabletten, Cola Light.“ Und Chanel? Prêt-à-porter (oben) sind weniger Gäste geladen, die Locati- Protokoll:JinaKhayyer nach viel guter Laune, Couture nach on ist sehr speziell. Für diese Shows bu- Nachtclub und die Cruise-Schauen chen wir oft Bands, die live spielen. Wie Der Pariser DJ Michel Gaubert arbeitete nach Karl Lagerfeld (Mitte). Anfang Juni für die Kollektion „Paris- schon für viele namhafte Labels, darun- So jedenfalls sieht es Michel Gaubert Venice“, die in Venedig gezeigt wurde: ter Newcomer wie Proenza Schouler und (ganz oben). Fotos: privat; Getty Dort spielte die Band Something A la Rodarte. 2008 entwarf er außerdem eine Images (2); PA/newscom Mode live. In diesem Fall sollte der DJ-Taschen-Kollektion für Longchamp.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45453434 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche ZeitungZeitungSZ SZ WOCHENENDE WOCHENENDESamstag, Samstag, 21. 21.Februar Februar 2004 2004 Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5 Im ganz großen Stil Die Deutschen haben verlernt, rauschende Privatparties zu geben. Das ist wirklich schade.

ge Menüs – ein lausiges vegetarisches und Natürlich spielen auch Kultur, Traditi- feiern. Diejenigen, die eine private Fa- von Jina Khayyer ein lausiges mit Fleisch – zur Auswahl on oder Politik eine Rolle. Im Land meinr schingsparty geben, verdienen Respekt stellte. Und wie Gertrude Stein im Paris Eltern, dem Iran, spielt sich das gesell- für ihre Initiative. nlängst zog ein Freund von mir der 20er Jahre Picasso, Matisse und He- schaftliche Leben nach wie vor zu Hause Ich war vor ein paar Jahren auf einem aus London wieder zurück mingway verwöhnte. Browner stellt fest, ab. Es gibt dort keine Restaurants oder Geburtstag eingeladen, bei dem das Mot- nach München. Abgesehen von dass Feste feiern eine Kunst ist, die die Diskotheken. Wer Freunde treffen will, to lautete: „Come as a famous black per- Ueinigen Sehnsüchten war sein Großstadtmenschen verlernt haben. muss sie zu sich nach Hause einladen. son“ – und darüber im ersten Moment ge- essentielles Problem das soziale Miteinan- Statt „Bei dir oder bei mir?“ lautet die Dinner-Partys, Picknicks, Barbeques radezu entsetzt. Dann besorgte ich mei- der. Man muss offenbar in die Welt hi- Frage heute: „Beim Italiener oder beim und Homeclubbing werden dementspre- ner Begleitung und mir Theaterschmin- nausziehen und wiederkehren, um zu er- Thai?“ chend im großen Stil gefeiert, sie heißen ke. Wir erschienen als Lenny Kravitz und kennen: In Deutschland feiert kaum noch Silberbesteck und Stoffservietten kom- nur nicht so. Auch die Deutschen haben Lauryn Hill. Die Gastgeber, ein Fotogra- jemand eine rauschende Party. Firmen ge- men in unserer Großstadtgesellschaft nur nichts gegen das Feiern, dieser Tage wer- fenpaar, hatten in ihrer Dreizimmerwoh- ben Parties, PR-Agenturen, Softdrinkher- noch selten zum Einsatz. Die Menschen den wieder Maskierte, Verkleidete, Ange- nung eine rote Leinwand aufgebaut, vor steller, aber: Menschen? Die Beweggrün- verteilen ihre Energien heute anders, die heiterte ziehen, Regenwasser im Haar, der sie jeden Gast fotografierten. Trotz de, oder nur einige davon, sind: Schüch- wenigsten sind bereit, sich Gedanken Clowns-Make-Up im Gesicht, Schnee- Nachbarn und den Ruhestörungsaufla- ternheit, Geiz, Faulheit, Angst um das über eine Menüabfolge zu machen, oder matsch an den Füßen und vielleicht sogar gen, die jede private Party natürlich er- Parkett, Angst um die Wand. Wir beschlossen also, einmal im Monat eine Dinnerparty zu geben. Seitdem sind sieben Monate vergangen, und wir haben es bis heute nicht geschafft. Dabei waren unsere eigenen Vorgaben leicht, so dach- ten wir jedenfalls: Jeder lädt fünf Perso- nen ein, die sich nicht kennen. Mindes- tens eine Person sollte prominent sein, die anderen interessant, charmant, lustig und sogar auch intelligent. Statt eine Gästeliste zusammenzubrin- gen, saßen wir dann da. Kritzelten auf Ka- roblöcken, kauten an Kugelschreibern, scheiterten. München und Umgebung glich „Social Siberia“, einer gesellschaft- lichen Eiswüste, wie sie einst Truman Capote beschrieben hat.

Wenn man keine Parties gibt, weil man Angst um den Fußbo- den hat, ist man unter Umstän- den auch sonst unangenehm.

1966 stellte Truman Capote für seinen legendären „Black and White Ball“ im New Yorker Plaza Hotel eine illustre Gäs- teliste zusammen. 540 Schauspieler, Künstler und Millio- näre wurden in Anlehnung an die Ascot- Szene in dem Film „My Fair Lady“ gebe- ten, sich Schwarz oder Weiß zu kleiden und zu maskieren. Schriftsteller wie Nor- man Mailer, Philip Roth und Tennessee Williams, Stars wie die scheue Greta Gar- bo, diverse Rockefellers, Vanderbilts, Rothschilds und natürlich Andy Warhol –sieallekamenundhieltensichanden Dresscode. Die Schauspielerin Candice Bergen erschien in weißer Pelzjacke und mit schwarzer Hasenmaske, Mia Farrow verbarg ihr Gesicht hinter einem weißen Schmetterling, Frank Sinatra stand mit Schwarzer-Kater-Maske daneben, ande- re hinter Pferdeköpfen. Truman hatte 500 Freunde eingeladen und sich damit 15 000 Feinde gemacht. Wer nicht auf Capotes Gästeliste stand, fühlte sich wie verfemt; eine Dame der Ge- sellschaft soll dem Autor mit Selbstmord gedroht haben. Um die Demütigung auf die Spitze zu treiben, ließ Capote seine Liste am Vorabend der Party in der New Plaza Hotel, New York City, 1966. Die berauschendste Party der Welt. Frauen wie Männer sahen alles doppelt und dreifach. York Times veröffentlichen. Capotes An- Um fünf Uhr früh schaute Mia Farrow zum schnurrenden Sinatra und lallte: „Ooops! Gleich dreimal schwarzer Kater?“ trieb waren Übermut und sozialer Ehr- geiz, aber eben auch Irrsinn. Das Ergeb- nis war die „Party des Jahrhunderts“, darüber, welche Musik zu welchem Gang Nochnichterbrochenes im Magen. Es hat schweren, hatten die Gastgeber einen DJ wie sie bis heute genannt wird. Halten passt. Sie müssen arbeiten, Kinder versor- hier also niemand etwas gegen das Feiern engagiert, der sich auskannte. Das Essen wir hier fest: eine gute Party besteht aus gen oder im Büro endgültig durchdrehen. und Verkleiden; es muss anscheinend nur war köstlich und im Stehen zu bewälti- der Vision des Gastgebers und dem Res- Die Alternativen, Freunde im Restaurant absolut ohne persönliche und dafür aber gen. Die Getränke waren gekühlt und die pekt seiner Gäste. oder in einer Bar zu treffen, verleiten uns mit offizieller Veranlassung über die Büh- schwarze Gesellschaft in bester Laune. In seinem Buch „The Duchess Who zur Bequemlichkeit. In mehrfacher Hin- ne gehen. Das Hotel „Bayrischer Hof“, be- Mein Freund aus London hat sich jetzt Wouldn’t Sit Down“ schreibt der ameri- sicht, denn jemanden in sein Heim zu las- kannt für spektakuläre Maskenbälle, vorgenommen, alles zu ändern. Er will kanische Schriftsteller Jesse Browner sen bedeutet auch, Unzulänglichkeiten wirbt im Radio für seinen Faschingsball, bald ein Fest geben – im ganz großen Stil. über die besten und schlechtesten Gastge- zuzulassen (zum Beispiel Gäste, die um bei dem nicht mal mehr Verkleidungs- Auf der Gästeliste stehen nur sehr gute ber der Geschichte. Darüber, wie der rö- fünf Uhr früh nicht gehen wollen) oder zwang herrscht. Ein Rat für alle, die die- Schauspieler, Musiker und einige Litera- mische Kaiser Caligula mit den Frauen sich selbst zu offenbaren (zum Beispiel ei- ses Wochenende auf eine private Verklei- turnobelpreisträger. Wir sind bester Hoff- seiner Gäste schlief. Wie Hitler auf dem ne peinliche Plattensammlung, vor der ge- dungsparty eingeladen sind: Kein Snobis- nung. Und wenn es soweit ist, werden wir Berghof seinen Gästen gleich zwei lausi- grinst wird). mus. Nur Mut. Verkleiden. Hingehen. Mit- unsere Gästeliste bekanntgeben. DIZdigital:SZdigital: AlleAlle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten – Süddeutsche- Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München A019.070.094A24024792 Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichung und exklusiv nicht-private über www.diz-muenchen.deNutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche ZeitungZeitungSZ SZ WOCHENENDE WOCHENENDESamstag, Samstag, 15. 15.November November 2003 2003 Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5

Sitzt eigentlich prima Wie wirkt sich die Krise auf den Service in Luxusboutiquen aus? Mal so, mal sehr anders. Ein Test in München.

von Jina Khayyer

CHANEL Dieser Schriftzug löst bei Frauen das aus, was Männer bei dem Wort „Ferrari“ empfinden: Sehnsucht. Wehmut. Ich be- trete die Münchner Filiale, die, anders als die meisten Luxusmodeläden nicht an der Maximilianstraße, sondern ein paar Gehminuten entfernt an der Brien- ner Straße liegt. Ich stehe auf einem hel- len, makellosen Teppichboden, gekleidet wie ein armer Hippie. Hinter der Theke plaudern zwei junge Verkäufer auf fran- zösisch. Eine zarte Blondine im Chanel- Kostüm schwebt bis auf diskrete Entfer- nung heran: „Sie schauen sich um“, kommt es gar nicht drohend, eher fest- Drei von vier Frauen wür- stellend von ihren geglossten Lippen. den Einkaufen als ihr Ich nehme einen Motorradstiefel aus Hobby bezeichnen. Viele –einVerbrechen–Dekoration. trauen sich trotzdem kaum passiert. Kein Rüffel. Ich nehme in die Filiale einer Luxus- Handtasche aus weichem Leder, die boutique. Wie kommt wie eine Tafel Schokolade abgenäht ist. das? Starren die anderen „Wunderschön“, sage ich, während ich Kundinnen? Ersterben die Tasche streichle, einem Hamster die Gespräche? Kostet gleich auf und ab laufe, jedes Preisschild das Gucken schon mit einem schockierten Quieken quittie- Geld? Nein. Aber man- re und dazu fortwährend die Tasche cherorts materialisie- streichle, „aber 1200 Euro habe ich ren sich auch Schwel- nicht!“ Die Blondine bremst meinen lenangst und Para- Lauf mit einer begütigenden Handbewe- noia. Fotos: sted (6) gung. „Sparen Sie“, sagt sie sanft, „und wenn Sie das Geld zusammen ha- ben, kommen Sie wieder.“ Liebe, gute Chanel-Fee: Ich bin jetzt ruhiger. Ich spare. Beim nächsten Besuch werde ich das Ge- schäft mit einer Ihrer Tüten verlas- sen, okay? Freundlichkeit: 9 von 10 Punkten. Beratung: ebenso.

JILSANDER So cool wie die Hamburgerin im- mer genannt wird, ist auch ihr Shop auf der Maximilianstraße: zwei Etagen Kalkstein und Glas. „Damenabteilung ist oben“, sagt eine kaugummikauende Verkäufe- rin. Die bei teuren Modeläden viel- fach empfundene Schwellenangst, das Gefühl von Paranoia – hier ma- terialisiert es sich. Die Verkäufe- rin verfolgt mich! Der Security Gu- ard, der wie eine Säule im Raum steht, ob- stift begrüßt mich freundlich und gelei- am Eingang, ein Dutzend Menschen oben, zeigt mir die Auswahl und macht serviert mich! „Der ist aber günstig“, sa- tet mich zu den Stangen, an denen John schart sich darum und teilt sich dabei die sich dann unaufdringlich an einer Vitri- ge ich zu der Verkäuferin und weise auf Gallianos Kreationen hängen, keine billi- Aufmerksamkeit von vier Verkäufern. ne zu schaffen. einen Pulli für 120 Euro. „Ist ja auch ger als 1500 Euro. „Die steht Ihnen si- Ich schlendere über die Holztreppe in Ich finde ein schwarzes Satinkleid Strick“, lautet ihre rätselhafte, schmat- cherlich gut“, sagt sie und reicht mir eine den ersten Stock zu Reisegepäck, Schu- mit schmalen Trägern und bitte ihn um zend vorgetragene Erklärung. kurze Fuchspelzjacke. „Unerschwing- hen und Kleidern. Nach 15 Minuten Größe 38. Er verschwindet in den Prada- Ich lege den Pullover in die Umkleide- lich!“ trompete ich, während ich in die kommt eine Angestellte hochgewieselt: Katakomben und kommt mit Größe 40 kabine, die ich selber ausfindig mache, 6000 Euro schlüpfe. Die Verkäuferin „Könnten Sie mir sagen, was dieser Klei- zurück. „Italienisch 40, also Deutsch nehme ein schwarzes Etuikleid in Heu- reicht mir unbeirrt einen passenden dersack kostet?“ Kann sie nicht. Statt 38.“ Aha. Ich kriege es nicht mal bis schrecken-Größe und bitte sie, es mir in Rock. Mittlerweile kümmern sich noch dessen drückt sie mir einen Katalog in zur Schulter. Was habe ich in den letzten 38 zu bringen. „Probieren Sie erstmal, zwei weitere Verkäuferinnen um mich. die Hand. Und wieselt wieder weg. Stunden gegessen, wie viel davon, wa- vielleicht passt es“, sagt sie hoffnungs- „Probieren Sie diese Schuhe“, sagt eine Aus Langeweile besuche ich die Kun- rum hat mich niemand gewarnt? Es voll. Ich quetsche mich hinein. „Sitzt und reicht mir ein Paar High-Heels. dentoilette, wasche meine Hände mit ei- folgt ein innerliches Kreuzverhör und doch prima, eigentlich“, findet sie. „Scheußlich“, sage ich laut und deutlich. ner köstlich duftenden Kokosnuss-Seife eine Spiegel-Inquisition, die jedem „Aber mein Bauch sprengt gleich den „Wir bekommen jede Woche neue rein, und warte aus Trotz weitere 20 Minuten. Mädchen den Nachmittag versauen Reißverschluss“, wende ich ein. Gequält da sind bestimmt mal ein Paar dabei, die Der Türsteher öffnet mir unten die Tür: würden. fährt sie mit dem gläsernen Aufzug ins Ihnen gefallen“, wird auch diese Ungehö- „Auf Wiedersehen!“ Nach einer Weile schlendert Prada- Kellerlager, das sicher noch eisiger ist rigkeit überhört. Freundlichkeit: 5 / 10; Beratung: 0 / 10 Boy heran: „Größer!“ flüstere ich. „Das als die Atmosphäre im Laden. Ein Beispiel für Pariser Charme also. war das letzte, leider”, bedauert er. Vorher versichert sie mir, dass der Se- Und noch etwas lerne ich hier: Schmale PRADA Hinter ihm steht ein Pärchen, sie in ei- curity-Guard auf meine Tasche in der Lederröcke zieht man über den Kopf an. Meine älteren Schwestern behaupten nem Satinrock. „So eng macht der aber Umkleidekabine achten wird, während Freundlichkeit: 10 / 10; Beratung: 10 / 10 schon seit den 90er Jahren, dass sie ohne keinen schönen Hintern”, bemerkt er. ich mich weiter umschaue. Stattdessen Prada nicht leben können, und da sie Seine Frau verschwindet gedemütigt in verfolgt er mich um zwei Ecken. Freund- LOUIS VUITTON sich – mit mir als Beraterin – stets reich- der Kabine, während er nun täppisch in lichkeit: 3 / 10; Beratung: 0 / 10 In vielen Läden in München steht ein Tür- lich eindecken, wurde der Gegenbeweis die Runde lächelt. Eine Verkäuferin steher mit breiten Schultern und Knopf nie erbracht. klärt uns schließlich auf: Italienische CHRISTIAN DIOR im Ohr. So einer öffnet mir auch bei In der Münchner Filiale nähert sich Größen sind umgerechnet meistens zwei, Ich trage eine uralte, weite Jeans und ver- Louis Vuitton die Tür; exzellenter Start. ein junger Verkäufer. Er sieht niedlich oft sogar drei Nummern größer. dreckte Turnschuhe und denke: zu dick Die Handtaschen und Portemonnaies aus, wie ein Oxford-Student, der gleich Rätsel für Dich, Prada-Boy: Warum aufgetragen. Jedoch – Schmuddellook sind, seit Marc Jacobs die Designleitung seinen Anzug gegen dunkelblaue Prada- sind Männer fast immer die unbegabte- scheint bei Dior niemanden zu irritieren. bei Louis Vuitton übernommen hat, zum Shorts eintauschen wird, um mit seinen ren Einkaufsberater? Lösung: Bitte an Eine feine Dame mit aschblonder Kurz- wichtigsten Mode-Statussymbol aller Al- Kumpels zum Rudern zu gehen. „Abend- Deine Chefin Miuccia schicken. haarfrisur und orangefarbenem Lippen- tersklassen geworden. Sie liegen gleich kleider!“ gurre ich. Er führt mich nach Freundlichkeit: 7 / 10; Beratung: 2 / 10. DIZdigital:SZdigital: AlleAlle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten – Süddeutsche- Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München A018.767.749A23725845 Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichung und exklusiv nicht-private über www.diz-muenchen.deNutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche ZeitungZeitungSZ SZ WOCHENENDE WOCHENENDESamstag, Samstag, 16. 16.August August 2003 2003 Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5 Retter in Schwarz Die wahren Mächte in der Popwelt sind heute Videoclipregisseure wie Jonas Åkerlund

Dem einen garantiert das Åkerlundsche Auge einen neuen Hit, dem anderen beschert es das ersehnte Comeback. Hier sehen wir, von links im Uhrzeigersinn,LennyKra- vitz im Clip für „Let love Rule“, Madonna in „Ray of Light“, eine Unterhosen-Szene aus „Smack my bitch up“ von Prodigy sowie Robbie Williams in „Come undone“.

sofort diese Geschichte im Kopf, Ma- Uhr oder in zensierter Form, so wie The und langen Kringellocken wie eine von Jina Khayyer donna als Kämpferin“. Prodigys „Smack My Bitch Up“, in dem Wilde auf Tanzflächen, vor Autobahn- Christina Aguileras Image lenkte er geprügelt und gekotzt wird, oder „Come oder Landschaftsprojektionen. Es war adonnas Mittel- und Nach- durch den Clip „Beautiful“ in eine nach- Undone“ von Robbie Williams, der auf Åkerlunds Durchbruch, im Gegenzug namen lauten bekanntlich denkliche Richtung, als Reaktion auf Knien durch eine dekadente Partygesell- hatte er Madonna eine ihrer effektivsten „Chamäleon“ und „Stili- den vorangegangenen Clip „Dirrty“ von schaft kriecht, kokst und Gruppensex PR-Kampagnen beschert: glaubhaftes Mkone“. Gepriesen wird ihre David Lachapelle. Der hatte Aguliera als hat. Das Styling seiner Clips ist perfekt Image plus Verjüngungskur. „Ray Of Gabe, sich von Lied zu Lied neu zu erfin- Sexmieze gezeigt und so für einen immer- durchdacht: „Ich gucke schon lange kein Light“ wird bis heute als ihr stimmigstes den. Was, wenn das nun gar nicht ihr Ver- hin kleinen Skandal gesorgt. Fernsehen mehr, und blättere auch be- Werk gepriesen. dienst ist? Und auch nicht der Verdienst Wie ist, wie lebt ein Mann, dem die wusst keine Modemagazine durch. Ich 250 Musikclips und Werbespots später ihrer Stylistin, die doch, wie das Kli- größten Stars der Welt ihr Image, ihr brauche Freiraum in meinem Kopf, für hat sich Akerlund nun seinen größten schee wissen will, täglich auf Shopping- Überleben in der Popwelt verantworten? meine eigenen Visionen.“ Traum erfüllt: Kinofilmregie. „Ich habe tour ist, um Madonna nach deren Vorga- Er ist Trend-, interessanterweise auch Bevor Åkerlund Regisseur wurde, mein ganzes Leben darauf gewartet“, ben einzukleiden . . . Was, wenn für den Popignorant. Seit Jahren gibt es immer spielte er in einer Band, Bathory.Einer sagt er, der auch als sehr guter Cutter Imagewechsel eine Person verantwort- wieder nur das eine Foto von Åkerlund, schwedischen Death-Metal-Combo, de- gilt. Steven Spielberg wollte ihn schon in lich ist, die eigentlich eine ganz andere wir sehen es auch hier: schwarzes ren Namensgeberin eine der ersten Seri- seinen Schneideraum locken, Åkerlund Aufgabe hat? T-Shirt, schwarze Jeans, Turnschuhe enmörderinnen war – Countess Bathory. erteilte ihm eine Abfuhr. Genau wie Wir reden von Videoclipregisseuren, und lange Haare. Das muss mit seinen Sie tötete Jungfrauen, und badete in de- Mick Jagger. „Ich würde gerne ein Video und der Schwede Jonas Åkerlund gilt mo- Stilikonen zusammen hängen, die sich ren Blut, um sich somit ihre Jugend zu er- für die Stones machen, muss leider im- mentan neben Kollegen wie Chris Cun- seit seiner Jugend nicht geändert haben: halten. Als Akerlund zur Armee musste, mer wieder absagen – mir fällt nichts zu ningham oder Floria Sigismondi als der Kiss, Black Sabbath und Alice Cooper. wurde er in die PR-Abteilung versetzt, denen ein.“ Bei Spielberg ging es nicht beste. Denn die Fähigkeit, ein neues Der 36-Jährige lebt mit seinem neunjäh- wo er Promo-Videos drehen durfte. darum, dass Åkerlund nichts einfiel. Er Image, eine Dramaturgie betörend oder rigen Sohn Love Elvis, seiner zweijähri- Seine ersten Musikclips drehte er für mochte nur nicht den Film eines anderen aufwühlend in drei Songminuten zu schneiden, sondern seinen eigenen. transportieren kann über Aufstieg und Seit letzten Donnerstag läuft der in Fall eines Stars entscheiden. Akerlund „Ich würde gerne ein Video für die Stones machen – den Kinos: „Spun“ handelt von einem machte Madonna im Video „American aber leider fällt mir überhaupt nichts ein zu ihnen.“ Cowboy namens Cook, der selbstge- Life“ zur Guerilla gegen die amerikani- braute Drogen an Jugendliche verkauft. sche Doppelzüngigkeit: Im Kampfanzug Die jeunesse doré Hollywoods spielt mit. besingt sie die Ironie des amerikanischen gen Tochter und seiner Freundin in Roxette,die,auchwennsieals Daneben Mickey Rourke, der bis vor kur- Lebensstils – ach so, denkt da der Be- Stockholm. 90 Prozent seiner Zeit ver- schlimme Weicheier gelten, in den zem etwa so abgemeldet war wie John trachter, Madonna ist also gar nicht ober- bringt er im Schneideraum: „Ich will 90er Jahren nun einmal eine der er- Travolta, bevor Quentin Tarantino ihn flächlich, sie reflektiert und zeigt der nicht nur einer von vielen sein, der folgreichsten Bands der Welt für „Pulp Fiction“ verpflichtete. Welt, dass sie der Bush-Politik kritisch Flugzeug-Entertainment macht, waren. Åkerlund hat Rourke in eine weiße Le- gegenüber steht. Da zogen die amerikani- diese Filmchen, bei denen man, Wenn Madonna sich heute derjacke gesteckt, in Cowboyboots mit schen Truppen auch schon gen Golf, und noch bevor die Maschine landet, mit Åkerlunds Federn pinkfarbenen Steinen und in einen Stet- nach ein paar Tagen ließ Madonna das Vi- nicht mehr weiß, wovon sie ge- schmücken darf, dann viel- son. Man denkt kurz an Elvis nach sei- deo zurückziehen und sprach in die Mi- handelt haben. Ich will starkes leicht, weil sie ihm 1998 ein nem legendären Las Vegas-Comeback. krofone, sie habe den Krieg nicht für ihre Zeug machen, Menschen berüh- großes Entree verschaffte: Und dann, nach langer Zeit, wieder an Single benutzen wollen und bewarb zeit- ren.“ Treuherzig wird Åkerlund Den Clip zu dem Titeltrack Mickey Rourke, Star des Films, „Ci- gleich ihre neue CD. Typisch Madonna, übrigens beim Thema Zensur: ihres Albums „Ray Of Light“ néma-vérité im Kopfe des Cook“, wie es Das PR-Genie. So die Leute. „Ich bin Skandinavier, vielleicht .Madonna,diegeradeMutter unlängst in dieser Zeitung hieß. Am Dabei war sie in diesem Fall eher Exe- habe ich einfach eine andere geworden war und Techno- Ende lässt Åkerlund Rourke auf furiose kutive als die Kreative: „Ich habe den Schockgrenze.“ Viele seiner Musik- Beats für sich entdeckt hatte, Weise sterben. Und hat damit erst ein- Song gehört“, so Åkerlund, „und hatte clips erreichen MTV nur nach 24 tanzt in dem Clip in Jeansjacke mal ein Schauspielerleben gerettet. DIZdigital:SZdigital: AlleAlle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten – Süddeutsche- Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München A018.501.740A23439432 Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichung und exklusiv nicht-private über www.diz-muenchen.deNutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 27. Juni 2009 Interview Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 „Niemand will mehr auffallen“

Sarah, 33, gehört der Concept-Store „Colette“, der modi- sche Paris-Touristen mehr begeistert als der Eiffelturm. Dass sie ihren Nachnamen nicht verrät und nur Interviews ohne Bild gibt, ist eine Schutzmaßnahme – denn was Sa- rah für „Colette“ einkauft, wird oft ein Welterfolg.

Was ist der meistgekaufte Artikel zurzeit? Der ganze Nippes, der an der Kasse steht: Feuerzeuge, Stif- te – kleine Geschenke für zwei Euro. Spüren Sie die Krise? Ich spüre das Internet und die Globalisierung. Inwiefern? Unser Konzept ist es, Dinge zu finden, die sonst niemand hat. Als wir 1997 mit Colette angefangen haben, konnte man in ganz Paris keine Kiehl’s-Produkte kaufen. Und wir suchten Turnschuhe von Reebok, die nur für die USA her- gestellt wurden. Heute kann man alles im Netz kaufen. Al- les vergeht schneller. Aber all das kommt uns auch zugute. Wie meinen Sie das? Wir dekorieren jede Woche den gesamten Laden um; abge- sehen von ein paar Sachen gibt es bei uns alles nur eine Wo- che lang. Das schnelle Verfallsdatum bedeutet für uns: re- gelmäßig mehr Kunden. Ihre Einkaufstour beginnt immer in New York. Wie war es im vergangenen Februar, bei den ersten Schauen während der Weltwirtschaftskrise? Ich habe eine schwarze Stimmung erwartet, kommerzielle Kollektionen, keine Partys. Aber es war so viel gute Ener- gie zu spüren. Die Designer wollten beweisen, dass sie stär- ker sind als die Rezession: Marc Jacobs hat keine einfache Kollektion gezeigt, Alexander Wang ist seiner Hand- schrift treu geblieben, genau wie Rodarte – es gab viel Inspirierendes. Vielleicht waren die Kaufhäuser leer, aber in meinem kleinen Modekosmos war die Stimmung gut, ge- löst und fröhlich. Sie waren dieses Jahr auch zum ersten Mal in Moskau . . . Ja, ich war überrascht, dass es sich dort genauso anfühlt wie in Paris oder New York. Es ist traurig, dass einem nur noch die Gebäude zeigen, wo man ist. Es gibt immer noch das Klischee der russischen Lady –aberesistdortkeinbisschen„bling- bling“, der überzogene Look der 90er Jah- re ist schon lange vorbei. Es herrscht heute eine große Uniformität, egal in welcher Stadt. Wir hören die gleiche Musik, tragen die gleichen Trends. Vielleicht habe ich in Moskau mehr Balmain-Outfits gesehen als in Paris. Ist London auch so uniform? Ja und nein. Die Kids haben einen un- glaublichen Look. Es ist ihnen anzusehen, wie viel Zeit sie sich für ihre Frisuren und Haarkolorationen nehmen. Die Jugend in London ist exzentrischer als die in New York. New York hat traurigerweise seinen Village-Look verloren. Niemand will mehr auffallen. Das ist nicht gut. Und Tokio? Tokio leidet unter der Krise. Shopping ist Teil der japani- schen DNA, hat aber jetzt keine Priorität mehr. Die junge Generation ist bedachter geworden. Das zeigt sich auch an den Outfits. Sie kleiden sich reduzierter. Sogar Tokio wirkt europäisch. Wer versucht denn noch, seine Identität zu wahren? London. Das sieht man an den Entwürfen junger Designer wie Christopher Kane und Giles Deacon. Und was ist mit Paris? Für mich ist Paris seit Ende der Neunziger die führende Stadt in der Mode-, Musik- und Kunstszene. Was man frü- her von New York oder London gewohnt war – dass an je- der Ecke etwas Neues entsteht – das ist Paris heute. Und es ist zweifellos die schönste Stadt der Welt! Beschreiben Sie den typischen Colette-Kunden. Das kann jeder sein. Bei Colette versuchen wir die maxima- le Anzahl an Menschen glücklich zu machen. Manche Din- ge kosten einen Euro, andere Tausende Euro. Manchmal kommt Karl Lagerfeld rein, manchmal die Kellnerin aus

dem Café gegenüber. Jina Khayyer Fotos: Andreas Hub/laif; Getty Images; Hersteller DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45414274 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 20. Juni 2009 Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 Höher, schriller, vulgärer Warum viele Schuhe heute nur noch schockieren. Von Pierre Hardy

„Mode ist eine Tortur. Dass die Absätze derzeit so hoch sind wie noch nie, liegt auch an den Modemagazinen. Durch ih- re Bilderstrecken im Heft kreieren sie eine Ästhetik, an die sich das Auge des Betrachters schnell gewöhnt. Diejeni- gen, die diese Mode-Produktionen ver- antworten, verantworten bedauerlicher- weise auch die Werbekampagnen. Frau- en wollen dieses Image leben, also lassen sie sich darauf ein. Das liegt nicht zu- letzt auch daran, dass sich viele für ihre Füße schämen. Füße sind der am wenigs- ten wertgeschätzte Teil unseres Körpers. Um diesen Komplex zu kompensieren, wollen Frauen ihre Füße so pompös wie nur möglich in Szene setzen. Dabei tap- pen sie in die Image-Falle der Magazine. Immerhin ist es weniger schmerzhaft, einen ganzen Tag lang auf 15 Zentimeter hohen Absätzen zu gehen, als konstant auf Diät zu sein, um in Kleidergröße 36 rein zu passen. Schuhe sind wie Spielzeug, ein mächti- ges Spielzeug, durch das man seine gan- ze Erscheinung verändern kann. Dieses Spielzeug haben heute beinahe alle Mo- dehäuser für sich entdeckt. Prada war eines der ersten Labels, das mit Schuhen einen neuen Markt eroberte. Vorher gab es nur wenige traditionelle Schuhhäu- ser, wie Ferragamo oder Sergio Rossi, bei denen Schuhe im Rampenlicht stan- den; die Aufmerksamkeit lag bis dahin auf der Kollektion. Als Miuccia Prada an- fing, eine eigene Designabteilung für Schuhe aufzubauen, zogen andere Häu- ser wie Christian Dior oder Yves Saint Laurent nach. Spätestens Anfang der 90er Jahre wurde das Beiwerk zur Haupt- rolle. Schuhe brachten nicht nur mehr Geld ein als Kleidung, die Designer hat- ten plötzlich auch ein neues Feld, auf dem sie sich ausleben konnten. Mit den Schuhen begann der Konkur- renzkampf der Modehäuser erst richtig: die Entwürfe wurden immer höher, im- mer schriller, immer wahnwitziger. Man- che Designer gehen heute absichtlich so weit, einen Schock zu kreieren. Da Mode kurzlebig ist, und alle sechs Mo- nate wieder neue Entwürfe Spart nicht an Kritik über die eigene auf den Markt gespuckt wer- Branche und potentielle Kundinnen – den, stört sich aber nie- Pierre Hardy (oben): Luxus-Schuhma- mand lange an dem einen cher (links aus seiner aktuellen Kollekti- oder anderen Exzess. on) und Hoflieferant großer Modehäuser So, wie sich die Desi- (unten ein Look aus Balenciagas gner durch immer extre- Herbst/Winter-Kollektion 2009/10). mere Schuhmodelle von- Fotos: Sean Thomas; Pierre Hardy Kollek- einander abgrenzen wol- tion; Getty Images (2); Flickr len, wollen sich auch die Magazine von ihren Kon- kurrenten abgrenzen; und so beginnt der Teufelskreis: Die Designer bedienen die Wünsche der Redakteure, die Schuhe werden noch krasser, die Fotos noch extremer. Außer- dem leben wir in einer baro- cken Zeit. Alles muss vulgär und kitschig sein. Wobei Vulga- rität mich nicht irritiert. Sie kann sogar sehr amüsant sein: Als Hel- war nur Beiwerk. Wenn man diesen mut Newton fetischartige Schuhe für sei- Schuh nun aus dem Kontext reißt und zu ne Modebilder verwendete, hatte das einem zarten Blümchenkleid kombi- durchaus Klasse. niert, sieht er natürlich klobig und häss- Dabei sind Schuhe doch der einfachs- lich aus. te Zugang zur Mode. Man muss sich Aber die Mode ist eine Industrie. Und beim Kauf nicht auf einen bestimmten wie jede Industrie richtet sich auch diese Stil festlegen, so wie man sich beim Kauf nach der Zielgruppe. Und leider gibt es eines Lanvin-Kleides festlegt. Sie kön- immer mehr reiche Frauen mit schlech- nen heute Ballerinas tragen, morgen tem Geschmack. Es ist nunmal so: Auch Pumps und übermorgen Springerstiefel. Schuhe muss man tragen können.“ Hier wird es gefährlich, denn man Protokoll:JinaKhayyer braucht schon Geschmack. Der Schuh steht bei der Körpersilhouette immer im Pierre Hardy ist einer der weltweit wich- Mittelpunkt, er spielt die Hauptrolle. Als tigsten Schuhdesigner. Seit über 20 Jah- ich für Balenciaga den ,Robot-Boot‘ ent- ren entwirft er Modelle für Hermès und ver- warf, war er auf die Kollektion abge- antwortet seit 10 Jahren auch alle Schuhe stimmt. Er gehörte zur Balenciaga-Sil- des Modehauses Balenciaga. Der Franzo- houette, sah wunderbar aus – aber er se hat außerdem sein eigenes Label. DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45377286 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 30. Mai 2009 Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 „Ich bin rastlos in der Nacht“

Der Tunesier Azzedine Alaïa, geboren um 1940, gilt als der letzte große Couturier. Der „king of cling“ (übersetzt: König der Klebefolie) erfand in den achtzi- ger Jahren die sehr körpernahe Stretchmode. Dank des Achtziger-Revivals wird er von anderen Desi- gnern zitiert wie kein Zweiter. Er lebt und arbeitet unter einem Dach – im Pariser Stadtteil Marais.

Monsieur Alaïa, Sie haben Ihre Handschrift schon in den achtziger Jahren entwickelt: Die Taille wird be- tont, die Hüften sind kaschiert. Sie brachten Leder und Reißverschlüsse in die Couture. An all dem ha- ben Sie nie etwas verändert. Wenn man den richtigen Weg gefunden hat, muss man nicht nach einem anderen suchen. Dabei habe ich damals nie bewusst daran gearbeitet, eine Silhou- ette oder einen Stil zu kreieren. Ich liebe Frauen und respektiere ihren weichen Körper. Und ich habe Bild- hauerei studiert. Ich stecke noch heute jede Kreation selbst an der Büste ab, so lange, bis alle Proportionen galant umschmeichelt sind. Sie führen seit bald 20 Jahren Ihr eigenes Couture- Haus. Wie viele Kollektionen haben Sie entworfen? Zwei pro Jahr – also ungefähr 80. Das ist nicht gerade viel. Alles andere halte ich für Irrsinn. Selbst wenn Frau- en viel Geld zur Verfügung haben: Niemand hat die Zeit, so viele Kleider zu tragen. Vier, fünf Kollektio- nen im Jahr, das ist ein Kommerz-Inferno und hat nichts mit Kreativi- tät zu tun. Mit Mode übrigens auch nicht mehr. Sie sind auch der ein- zige Couturier, der keine Show macht. Ich mache eine Show, aber eine kleine, zu der ich nur die Leute einlade, die ich mag. Ich zeige meine Kol- lektion bei mir zu Hause, dort, wo sie auch entsteht. Dazu serviere ich Tee, Kaffee und Süßigkeiten. Große Spektakel sind mir zu frivol. Ein Alaïa-Ledermantel kostet ab 8000 Euro, ist das nicht auch frivol? Man benötigt 25 Häute, um so einen Mantel zu ma- chen. Also fast eine ganze Herde Kühe. Mein Küchen- chef versorgt meine Mannschaft mit dem Fleisch, während ich Menschen beschäftige, die aus den Häu- ten einen Mantel machen, den dann eine Frau durch Paris spazieren trägt, während ihr 25 Männer he- chelnd hinterherrennen. Kennen Sie alle Ihre Kundinnen? Wenn sie in meinem Atelier einkaufen, ja. Und wenn sie mir unsympathisch sind, nehme ich den Auftrag nicht an. Kam das schon oft vor? Ja, aber ich werde Ihnen keine Namen nennen. Wer hat Sie in Ihrer Karriere unterstützt? Frauen natürlich. Sonst kann ja niemand meine Klei- der tragen. Und Miuccia Prada . . . Ja, es gab eine Zeit, da hat die Prada-Gruppe in mein Unternehmen investiert. Wir kamen gut zurecht. Aber ich habe alle meine Anteile wieder zurückge- kauft. Mir bleibt nicht mehr viel Zeit; ich möchte ver- suchen, meine Marke noch so weit wie möglich zu bringen. Es heißt, Sie schlafen maximal vier Stunden. Ja, ich bin rastlos in der Nacht. Vor vier, fünf Uhr in der Früh kann ich nicht einschlafen. Und um neun be- ginne ich zu arbeiten. Dazu gucke ich die Sendung „National Geographic“, das lenkt mich von der Ar- beit ab. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich neh- me meine Arbeit nicht so wichtig. Ich nehme auch mich nicht so wichtig. Ich lache viel, mit allen. Ich se- he mich auf der gleichen Stufe mit jedem anderen Menschen in meinem Haus; auch mit den Arbeitern. Nur meine Haustiere behandele ich wie Prinzen und Prinzessinnen. Glauben Sie an etwas?

Ich glaube an gar nichts. Wenn ich in eine Kirche ge- Fotos: Philippe Biancotto/Madame Figaro/laif; Samantha West; privat he, zünde ich eine Kerze an. Kann ja nicht schaden. Man muss versuchen, ein guter Mensch zu sein, aber mit Glauben hat das nichts zu tun. Letztes Jahr wollte Ihnen Nicolas Sarkozy die rang- höchste Auszeichnung Frankreichs verleihen, den Or- den der Légion d’honneur. Warum haben Sie abge- lehnt? Ich mag diesen Mann nicht. Und ich mag keine Deko- rationen. Außer, wenn Frauen Kleider tragen; das ist sinnvolle Dekoration. JinaKhayyer DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A45238820 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 „Ich will frei sein“

Olivier Zahm, 45, ist Chefredakteur des französischen Magazins Purple. Monsieur Zahm, woran arbeiten Sie gerade? Ich habe momentan viel Zeit. Die Krise hat mich getroffen – ich habe fast alle Werbekunden verloren. Im Januar hatte ich nichts zu tun. Nichts! In dieser Zeit habe ich mei- nen Blog entwickelt, Purple Diary. Er ist sehr persönlich, ein Tagebuch eben. Meine Tochter Asia kommt auch darin vor. Und Ihre Freundin Natascha Ramsey. Gerne auch nackt. Ich zeige alles, was ich sehe; alles, was mich interessiert. Wie Karl La- gerfeld. Er hat mir vor fünf Jahren eine Digitalkamera geschenkt. Karl Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE hatte damalsSamstag, 50 Stück 18. gekauft. April 2009 Warum das denn? Interview Bayern, Deutschland,Er hasst es, Memory-Karten München Seite auszu-ROM5 „Ich will frei sein“ tauschen; er will für jede Karte eine „Ich will frei sein“ eigene Kamera. Fotografieren ist Olivier Zahm, 45, ist Chefredakteur für ihn wie Tagebuch zu führen. des französischen Magazins Purple. Olivier Zahm, 45, ist Chefredakteur Durch sein Geschenk habe ich ange- Monsieur Zahm, woran arbeiten fangen, ernsthaft zu fotografieren. Sie gerade? des französischen Magazins Purple. Ich habe momentan viel Zeit. Die Monsieur Zahm, woran arbeiten Krise hat mich getroffen – ich habe fast alle Werbekunden verloren. Im Sie gerade? Januar hatte ich nichts zu tun. Ich habe momentan viel Zeit. Die Nichts! In dieser Zeit habe ich mei- Krise hat mich getroffen – ich habe nen Blog entwickelt, Purple Diary. Er ist sehr persönlich, ein Tagebuch fast alle Werbekunden verloren. Im eben. Meine Tochter Asia kommt Januar hatte ich nichts zu tun. auch darin vor. Nichts! In dieser Zeit habe ich mei- Und Ihre Freundin Natascha Ramsey. Gerne auch nackt. nen Blog entwickelt, Purple Diary. Ich zeige alles, was ich sehe; alles, Er ist sehr persönlich, ein Tagebuch was mich interessiert. Wie Karl La- eben. Meine Tochter Asia kommt gerfeld. Er hat mir vor fünf Jahren auch darin vor. eine Digitalkamera geschenkt. Karl Sie sind also Chefredakteur, Art Di- hatte damals 50 Stück gekauft. Und Ihre Freundin Natascha rector und Fotograf gleichzeitig? Warum das denn? Ramsey. Gerne auch nackt. Er hasst es, Memory-Karten auszu- Ich wollte nicht ein weiterer Chefre- Ich zeige alles, was ich sehe; alles, tauschen; er will für jede Karte eine dakteur sein, der für sein eigenes eigene Kamera. Fotografieren ist was mich interessiert. Wie Karl La- Magazin rumknipst. Ich wollte nie für ihn wie Tagebuch zu führen. gerfeld. Er hat mir vor fünf Jahren Durch sein Geschenk habe ich ange- mit Terry Richardson oder Juergen eine Digitalkamera geschenkt. Karl fangen, ernsthaft zu fotografieren. Teller konkurrieren. Abgesehen da- hatte damals 50 Stück gekauft. von war ich ein wirklich schlechter Warum das denn? Fotograf. Als es noch analoge Kame- Er hasst es, Memory-Karten auszu- ras gab, war das Ergebnis traurig. tauschen; er will für jede Karte eine Immer wenn ich ins Labor ging, um eigene Kamera. Fotografieren ist meine Fotos abzuholen, war ich für ihn wie Tagebuch zu führen. deprimiert, so misslungen waren Durch sein Geschenk habe ich ange- sie. Aber mit der Digitalkamera fangen, ernsthaft zu fotografieren. Sie sind also Chefredakteur, Art Di- geht’s ganz gut. rector und Fotograf gleichzeitig? Ist „Purple Diary“ profitabel? Ich wollte nicht ein weiterer Chefre- Vielleicht nach der nächsten Sai- dakteur sein, der für sein eigenes Magazin rumknipst. Ich wollte nie son. Das mit dem Profit ist eine mit Terry Richardson oder Juergen schwierige Sache: Ich mache Pur- Teller konkurrieren. Abgesehen da- ple seit 17 Jahren, und es ist nicht von war ich ein wirklich schlechter Fotograf. Als es noch analoge Kame- wirklich profitabel. Und wenn es ras gab, war das Ergebnis traurig. das wäre, wäre es sicherlich kein Immer wenn ich ins Labor ging, um meine Fotos abzuholen, war ich wegweisendes Magazin mehr. deprimiert, so misslungen waren Haben Sie Pläne, wie sich das Kon- sie. Aber mit der Digitalkamera zept auszahlen könnte? geht’s ganz gut. Ist „Purple Diary“ profitabel? Sie sind also Chefredakteur, Art Di- Ich will dieses Tagebuch auf keinen Vielleicht nach der nächsten Sai- rector und Fotograf gleichzeitig? Fall kommerzialisieren. Ich will son. Das mit dem Profit ist eine weiterhin frei sein in meinen Visio- schwierige Sache: Ich mache Pur- Ich wollte nicht ein weiterer Chefre- ple seit 17 Jahren, und es ist nicht dakteur sein, der für sein eigenes nen. wirklich profitabel. Und wenn es Magazin rumknipst. Ich wollte nie Vor kurzem haben Sie auch noch ei- das wäre, wäre es sicherlich kein nen Nachtclub eröffnet . . . wegweisendes Magazin mehr. mit Terry Richardson oder Juergen Haben Sie Pläne, wie sich das Kon- Teller konkurrieren. Abgesehen da- Das Montana gibt es seit den sechzi- zept auszahlen könnte? von war ich ein wirklich schlechter ger Jahren, früher war es ein Jazz- Ich will dieses Tagebuch auf keinen club. Die Spiegel-Mosaik-Wand ist Fall kommerzialisieren. Ich will Fotograf. Als es noch analoge Kame- weiterhin frei sein in meinen Visio- ras gab, war das Ergebnis traurig. von Paco Rabanne. Catherine De- nen. Immer wenn ich ins Labor ging, um neuve war oft zum Tanzen dort; sie Vor kurzem haben Sie auch noch ei- hat mir erzählt, dass Alain Delon nen Nachtclub eröffnet . . . meine Fotos abzuholen, war ich Das Montana gibt es seit den sechzi- deprimiert, so misslungen waren auch dorthin ging. Das Montana ger Jahren, früher war es ein Jazz- hat eine lange Playboy-Tradition. club. Die Spiegel-Mosaik-Wand ist sie. Aber mit der Digitalkamera von Paco Rabanne. Catherine De- geht’s ganz gut. Sie gelten auch als Playboy. neuve war oft zum Tanzen dort; sie Ist „Purple Diary“ profitabel? Ich bin ein freundlicher Playboy. hat mir erzählt, dass Alain Delon Wie sexy fühlt sich ein Mann mit auch dorthin ging. Das Montana Vielleicht nach der nächsten Sai- hat eine lange Playboy-Tradition. son. Das mit dem Profit ist eine leeren Taschen? Sie gelten auch als Playboy. schwierige Sache: Ich mache Pur- Ich habe Freunde und ein soziales Ich bin ein freundlicher Playboy. Leben; dazu einen Club, wo ich nie Wie sexy fühlt sich ein Mann mit ple seit 17 Jahren, und es ist nicht leeren Taschen? wirklich profitabel. Und wenn es für Drinks zahlen muss. Ich kann Ich habe Freunde und ein soziales das wäre, wäre es sicherlich kein also ohne Geld überleben. Die Krise Leben; dazu einen Club, wo ich nie hat sogar was Gutes: Ich habe letz- für Drinks zahlen muss. Ich kann wegweisendes Magazin mehr. also ohne Geld überleben. Die Krise Haben Sie Pläne, wie sich das Kon- tes Jahr so viel gearbeitet, dass ich hat sogar was Gutes: Ich habe letz- zept auszahlen könnte? die Inspiration verloren hatte. Jetzt tes Jahr so viel gearbeitet, dass ich habe ich wieder Zeit zum Nach- die Inspiration verloren hatte. Jetzt Ich will dieses Tagebuch auf keinen habe ich wieder Zeit zum Nach- Fall kommerzialisieren. Ich will denken. In Zeiten wie diesen muss denken. In Zeiten wie diesen muss man sich beschäftigen können. Man man sich beschäftigen können. Man weiterhin frei sein in meinen Visio- muss die Energie aufrechterhalten. nen. muss die Energie aufrechterhalten. JinaKhayyer Vor kurzem haben Sie auch noch ei- JinaKhayyer DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, Münchennen Nachtclub eröffnet . . . A44943575 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.deDas Montana gibt es seit den sechzi- svra020 ger Jahren, früher war es ein Jazz- club. Die Spiegel-Mosaik-Wand ist von Paco Rabanne. Catherine De- neuve war oft zum Tanzen dort; sie hat mir erzählt, dass Alain Delon auch dorthin ging. Das Montana hat eine lange Playboy-Tradition. Sie gelten auch als Playboy. Ich bin ein freundlicher Playboy. Wie sexy fühlt sich ein Mann mit leeren Taschen? Ich habe Freunde und ein soziales Leben; dazu einen Club, wo ich nie für Drinks zahlen muss. Ich kann also ohne Geld überleben. Die Krise hat sogar was Gutes: Ich habe letz- tes Jahr so viel gearbeitet, dass ich die Inspiration verloren hatte. Jetzt habe ich wieder Zeit zum Nach- denken. In Zeiten wie diesen muss man sich beschäftigen können. Man muss die Energie aufrechterhalten. JinaKhayyer Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 7. März 2009 Bayern, Deutschland, München Seite ROM5

Stillleben mit Plastik und Punk: Pamela Anderson (links) mo- delt neuerdings für die Britin Vivienne Westwood (rechts). Kurioses Gespann? Eben drum. Foto: Juergen Teller für Vivienne West- wood Fotos: AP; Mikkel Bache; mauritius images; Getty Images Doppelbegabung Die Pariser Modewoche muss Neues aus dem Hut zaubern

DIZdigital:„Das alte Alle System Rechte stirbt. vorbehalten Jetzt ist– Süddeutsche die Zeit – jetzt Zeitung beginnt GmbH, das MünchenEröffnet wird die Fashion Week von Gareth Pugh, über A44696980 SpiraleJegliche Veröffentlichung Empire.“ Mit diesenund nicht-private Worten beginntNutzung exklusiv die Einladung über www.sz-content.deden das Gerücht im Umlauf ist, er werde bald die Leitung svra020 von Andrea Crews, dem Pariser Mode-Künstlerkollektiv. In von Dior Homme übernehmen. Und noch ein Brite feiert die- führenden Trendforschungsbüros spricht man seit gerau- se Saison sein Debüt in Paris: Roland Mouret. Diese wilden mer Zeit von der Macht der „Slash-Slash-Generation“, zu Londoner ziehen eine junge Klientel nach Paris. So wird et- der all jene gehören, die drei, vier, manchmal fünf Talente wa das New Yorker DJ-Trio Misshapes auf der Jade-Jag- gleichzeitig zum Beruf machen – ein Konzept, das in Krisen- ger-Party auflegen – im „VIP Room Theater“ auf der Rue de zeiten absichert. Am Beispiel von Andrea Crews, dessen Rivoli. In Paris versucht man derzeit allerorten, etwas Neu- Kopf die 33-jährige Französin Maroussia Rebeqc ist, bedeu- es aus dem Hut zu zaubern. Und während die Kreateure den tet das: Ausstellungen wie im Museum für Moderne Kunst Stab schwingen, hetzen die Models in ihrer Uniform zu den in Paris, Konzeption und Styling für Musikvideos oder eine Shows, für die sie gebucht sind: mit Minirock, blickdichten eigene Modekollektion, die unter anderem im Pariser Con- Strumpfhosen, hohen Schuhen. Wenn sie cept Store Colette verkauft wird – und in diesen Tagen bei schließlich auf den Laufstegen bei Haider Acker- der traditionellsten aller Modewochen, der Paris Fashion mann, Yohji Yamamotos Tochter Limi Feu oder Week, gezeigt wird, die noch bis 12. März dauert. In einem Dries van Noten staksen, haben sie Glück; diese alten Theater in der Rue Renard, das für die kommenden Shows werden mit besonderer Spannung erwartet. zwei Monate zur Pop-up-Location für Mode und Kunst Van Noten zeigte bereits letzte Saison eine der bezau- wird; eine von vielen zweckentfremdeten Räumlichkeiten, berndsten Kollektionen, mit Catherine Deneuve in der in denen diesen Frühling etwas Neues ausprobiert wird. ersten Reihe, die nach Yves Saint Laurents Tod ja einen neu- Wie im Hause Vivienne Westwood: Die britische Designe- en Hausschneider braucht. rin präsentiert ihre neue Kollektion in einer leerstehenden Zurück zu den sozial optimal vernetzten, vieltalentierten Bank an der Place Vendôme – jenem Rondell, an dem sich Slash-Slash-Protagonisten. Aus Amsterdam reisen Jop Van Ritz, Chanel, Cartier und Boucheron wie Perlen an einer Ket- Bennekom und Gert Jonkers an, beide Artdirektoren / Blatt- te reihen. Das neue Gesicht von Vivienne Westwood ist – At- macher / Parfümeure. Sie werden ihren Duft zum Heft prä- tention: Silikonfigur Pamela Anderson, abgelichtet vom sentieren: Fantastic Man –mitBergamotte,einwenigKarda- Star-Fotografen Juergen Teller. Teller hat bereits Talent da- mom, Lavendel und Patchouli. rin bewiesen, neue Heldinnen auferstehen zu lassen: Zuletzt Eine kleine Auszeit von den Defilees sollte sich jeder leis- hatte er Victoria Beckham in eine gigantische Marc-Jacobs- ten. Pariser Museen feiern ihre Stadt: Im Centre Pompidou Einkaufstüte gestopft. Seitdem hat die nicht nur neue Freun- beispielsweise mit Werken von Alexander Calder, entstan- de, sondern auch ein eigenes Modelabel, das vorvorletzte den in der Zeit, in der Calder in Paris lebte. Ein bisschen Nos- Woche in New York feine Kritiken bekommen hat. talgie wird ja noch erlaubt sein. JinaKhayyer Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 28. Februar 2009 Interview Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 „38 Millionen sahen mein Kleid“

Thakoon Panichgul landete den Designer-Coup des Jahres: Als Barack Obama seine Nominierungsrede hielt, trug seine Frau Michelle ein Thakoon-Kleid. Wir trafen den Modema- cher auf eine Tasse Kaffee in seinem New Yorker Atelier. Sie sind 33. Und sehen locker zehn Jahre jünger aus. Das sind die asiatischen Gene; Sie sollten meine Mutter und meine Großmutter sehen! Sie sind Autodidakt, genau wie die Schwestern des Labels Ro- darte. Ist ein Studium heute verzichtbar? Sagen wir mal so: Mode hat viel mit Intuition und Individua- lismus zu tun. Und eine Vision zu haben, kann man nicht erler- nen. Du musst heute jenseits von Schubladen denken können. Ich glaube, dass bei alldem zu viel Wissen im Weg sein kann. Was haben Sie gemacht, bevor Sie ein Modelabel gründeten? Ich habe Wirtschaft studiert. Mein erster Job nach dem Studi- um war in der Verkaufsförderungsabteilung bei J.Crew. Da- nach habe ich bei Harper’s Bazaar als Modeassistent angefan- gen. Ich habe zunächst nur Bildun- terschriften verfasst; dann wurde ich befördert und durfte über Par- tys schreiben. Ich blieb vier Jahre. Und dann gründeten Sie mal eben eine eigene Marke? Vorher belegte ich noch ein paar Abendkurse über Design am Par- sons College. Können Sie überhaupt nähen? Das hat mir meine Großmutter bei- gebracht. Ich bin in Bangkok aufge-

) wachsen, dort lernt man schon auf dem Gymnasium fundamentale rechts ( Dinge wie Nähen oder Kochen. Sie und die Rodarte-Schwestern haben noch etwas gemein- sam: die Unterstützung durch Anna Wintour und die Vogue. Ja, Anna war die Erste, die etwas über mich gemacht hat. Das war im Herbst 2004. Sie hatte von mir gehört und schickte ih- re Redakteurin Sally Singer vorbei, die sich meine Kollektion anschaute. So läuft das meistens hier in New York. Millionen Menschen sahen im vergangenen August Michelle Obama in Ihrem Kleid im Fernsehen. Es waren 38 Millionen, habe ich gehört, ich bekam hinterher sogar Anrufe von Freunden aus Südafrika. Selbst meine Oma in Bangkok sah zu! Was war das für ein Gefühl? Das war überwältigend. Ich selbst wusste vorher gar nichts davon: Michelle Obama hatte sich das Kleid einfach so in ei- ner Boutique in Chicago gekauft. Mussten Sie da nicht über Nacht Ihr Team aufstocken? Ob Sie es glauben oder nicht, wir sind immer noch zu dritt:

s: Nick Knight/Vogue © The Condé Nast Publications Ltd; Jina Khayyer ein Assistent, ein Praktikant – und ich. JinaKhayyer o

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A44656751 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 21. Februar 2009 Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 „Wir brauchen Schönheit“ Ein Gespräch mit François de Ricqlès, Vizeprä- sident von Christie’s in Frankreich, über die Sammlung von Yves Saint Laurent und Pierre Bergé, die nächste Woche versteigert wird. Zunächst mal: Wir hörten, bei Christie’s wird nur noch Wasser in Plastikbechern serviert? Ja, die Zeiten sind schwer. Yves Saint Laurents Schätze müssten Ihnen da- für gute Laune machen. Die Auktion gilt jetzt schon als eine der bedeutendsten aller Zeiten. Was macht sie so besonders? Kunstwerke wie die Skulptur „Madame L.R.“ von Constantin Brancusi waren niemals auf dem freien Markt. Kaum jemand hat sie gese- hen, außer, er war zu Gast bei Saint Laurent in der Rue Babylone. Oder das „Belle haleine-Eau de voilette“- Werk von Marcel Duchamp. So et- was findet man nicht mehr. Der Flakon ist ein Unikat aus der Dada-Zeit, um 1922, 1923. Ist es nicht schade, dass diese Sammlung ausei- nandergerissen wird? Nein, das ist das Schicksal von Kunstwerken. Sie sollen wandern, nicht im Museum landen. Die Auktion findet im Grand Palais statt. Wie viele Men- schen fasst es? 2000 bis 3000. Zusätzlich haben wir 100 Telefon- anschlüsse organisiert. In den nächsten Tagen werden um die 110 Christie’s-Kollegen aus der ganzen Welt anreisen, wir erwar- ten über 300 Millionen Euro Umsatz. Und Sie glauben nicht, dass die Krise Ihnen einen Strich durch die Rechnung macht? Ganz im Gegenteil. In diesen grauen, depressi- ven Zeiten ist es doch genau das, was wir brau- chen: einen blauen Himmel – Schönheit. Aber Sie haben Ihre Preise etwas gesenkt? Kaum. In Absprache mit Pierre Bergé haben wir den Brancusi, der erst auf zwischen 15 Mil- lionen und 20 Millionen angesetzt war, auf zwi- schen 12 Millionen und 18 Millionen runterge- setzt. Das ändert kaum etwas, denn bei der Auk- tion werden wir den Brancusi vielleicht für über 20 Millionen verkaufen, locker sogar. Und das Geld – an wen geht das? Ein Teil geht an die Yves Saint Laurent Stif- tung, ein Teil wandert auf Monsieur Bergés Konto. Ein dritter Teil soll einer HIV-Stiftung zugutekommen. Glauben Sie, Yves Saint Laurent wäre mit die- ser Versteigerung einverstanden? Ich denke nicht. Es war nicht Yves’ Art, Dinge zu verkaufen, die er liebte. JinaKhayyer

Am21.und22.Februarkannmandie733Expo- nate besichtigen. Von 23. Februar, 19 Uhr, bis 25. Februar dauert die Versteigerung im Grand Pa- lais, Avenue Winston Churchill, 75008 Paris

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„Ich bin nicht besessen“

Ein Abendessen mit Stella McCartney, Mode- designerin und Veganerin. Mrs. McCartney, Sie sind verheiratet, haben drei Kinder, ein Modelabel und eine neue Kosmetikli- nie. Wie bekommt man all das unter einen Hut? Manchmal habe ich Schuldgefühle, meinen Kin- dern gegenüber. Als Mutter meint man, die ganze Zeit mit den Kids verbringen zu müssen. Aber irgendwann findet man die richtige Balance. Sie leben in London und haben noch ein Haus auf dem Land. Mit eigenem Gemüsegarten? Ja, klar! Ich selber wuchs auf einer Farm auf. Meine Mutter hat mir beigebracht, wie man Ge- müse anbaut. Ich beobachte gerne, wie etwas wächst; ob das die Firma ist, Kinder oder Gemü- se. Viele Menschen wissen heute doch gar nicht mehr, dass Kartoffeln aus der Erde wachsen. Wie hat Ihre Mutter Linda Sie noch beeinflusst? Ich bin nicht beses- sen von Mode. Auch meiner Mutter ging es nicht um Trends. Sie kombinierte anti- ke Kleider mit Pla- teauschuhen, trug nie Make-up und schnitt sich die Haa- re selbst. Sie ritt je- den Tag durch den Hyde Park. Sie war ein Punk! Linda McCartney war bis zu ihrem Tod 1998 Tierschützerin. Auch Ihre Mode gilt als „vegan“. Keiner bei uns zu Hause aß je Fleisch. Mein La- bel wäre erfolgreicher, wenn ich Leder verarbei- ten würde. Es kostet siebzig Prozent mehr, Schu- he aus alternativen Materialien zu produzieren. Das grüne Bewusstsein steigt gerade, aber es ist kein Massentrend. Die Leute tragen gerne Leder. Sie arbeiten in London, zeigen Ihre Kollektion aber in Paris. Wie das? Mein erster Job war bei Chloé. Chloé ist ein fran- zösisches Modehaus, also zeigten wir in Paris. Pa- ris ist die Spitze – es ist ein Privileg, dort eine Show zu machen. Aber die ersten Jahre waren hart; ich war nur das Beatles-Kind. Kate Moss, das Model Ihrer neuen Kampagne, ist eine Ihrer engsten Freundinnen. Wir haben uns in Paris getroffen; ich war 15 oder 16 und Praktikantin bei Christian Lacroix. Ich glaube Naomi (Campbell,Anm.d.Red.)hatuns vorgestellt, backstage bei irgendeiner Show. Was macht Kate Moss zu einer Stilikone? Es gibt ein Sprichwort: „What you see is what you get.“ So ist Kate: Sie hat nie versucht, je- mand anderer als sie selbst zu sein.Jina Khayyer

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A44567870 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche Zeitung SZ WOCHENENDE Samstag, 12. Januar 2008 Erste Reihe Bayern, Deutschland, München Seite ROM5 Erste Reihe Die schönste Sache der Welt von Jina Khayyer

Käuflich Aufklärerisch Paradiesisch Sinnlich Sex sells. Auch wenn die Pin- Mit Lesben-Klischees wollen Emmanuelle Seigner, nackig. Die einfachste und zugleich ups kleine Männer sind – wie Jessica Gysel und Kathrin Hero Ebenso wie Jerry Hall, Anouck effektivste Methode, Sex zu Olivier Zahm, Herausgeber der aufräumen. Die Amsterdamerin- Lepere, Lily Cole: Das gibt es nur verkaufen, ist hier zu sehen: eine Modezeitschrift Purple,undder nen geben viermal im Jahr das im französischen Männermaga- Hochglanzanzeige in einem lasziv posierende Grafittikünstler Magazin GLU heraus. Girls like zin Paradis.Selbstwenndas Hochglanzmagazin. Das Model André, fotografiert von Terry us (Mädchen wie wir) heißt es, Blatt gute Geschichten druckt, Julia Restoin-Roitfeld – Tochter Richardson. Das befreundete und ist lustig, sexy, provokant – muss man bei der Wahrheit blei- von Carine Roitfeld, Chefredak- Testosteron-Trio springt einem aber auch aufklärerisch. Wer Voyeuristisch ben: Lily Cole, rote Mähne, teurin der französischen Vogue – derzeit überall entgegen. Als bisher dachte, nur Männer wür- nackt, auf einem Felsen, fotogra- in klischeehaft sinnlicher Pose, Titelgeschichte von Zahms den dauernd an Sex denken, Kunst oder Pornographie? fiert von Jürgen Teller – that’s Sportlich mit hochglanzlackierten Nägeln Magazin, leibhaftig auf der Schrecklich wird auf den knapp 80 Seiten Die Barbican Art Gallery in paradise! Wer sich auch für das und Lippen in der erotischsten Tanzfläche des „Le Baron“ – eines Besseren belehrt, zum London zeigt mit der Ausstel- Geschriebene interessiert: Para- Es ist dunkel, als die ersten Tak- aller Farben, Rot. Kein Wunder, oder als Verpackungskarton der Nicole Kidman: Botoxgesicht. Beispiel von Edwige Belmore. lung „Seduced: Art & Sex from dis erscheint auf Englisch. te ertönen. Ein nackter Frauen- dass Tom Fords Duft „Black Kerze „Sex“ bei Colette in Paris. Angelina Jolie: Nasenverkleine- GLU gibt es weltweit zu kaufen. Antiquity to Now“ Arbeiten von körper streift am Auge vorbei. Orchid“ ein Bestseller ist. rung. : Ganzkörper- Künstlern wie Francis Bacon Busen oder Po, man soll nichts OP. Und was Courtney Love und Tracey Emin, die sich mit erkennen, nur erahnen. Ähnlich alles hat an sich machen lassen, der Darstellung von Sex wie im berühmten Cabaret „Cra- sieht man ja auf diesem Foto. auseinandergesetzt haben. zy Horse“ kleiden in Sebastien Die Webseite Promiblogger.com Viele Arbeiten waren lange Telliers neuestem Video-Clip lässt die Glaubwürdigkeit der zensiert, einige wurden noch „Sexual Sportswear“ nur Farb- superschönen, erfolgreichen, nie gezeigt. Bis 27. Januar. projektionen den Körper. Das emanzipierten Frau schwinden. www.barbican.org.uk neue Album des DJs mit Namen Hier eine wahre Binse: Sexy ist, „Sexuality“ kommt im Februar wer sich sexy fühlt. Das kommt raus. Aber den Clip gibt es von innen, nicht von außen! schon jetzt auf YouTube. Foto: Jina Khayyer

Erste Reihe Die schönste Sache der Welt von Jina Khayyer

Käuflich Aufklärerisch Paradiesisch Sinnlich Sex sells. Auch wenn die Pin- Mit Lesben-Klischees wollen Emmanuelle Seigner, nackig. Die einfachste und zugleich ups kleine Männer sind – wie Jessica Gysel und Kathrin Hero Ebenso wie Jerry Hall, Anouck effektivste Methode, Sex zu Olivier Zahm, Herausgeber der aufräumen. Die Amsterdamerin- Lepere, Lily Cole: Das gibt es nur verkaufen, ist hier zu sehen: eine Modezeitschrift Purple,undder nen geben viermal im Jahr das im französischen Männermaga- Hochglanzanzeige in einem lasziv posierende Grafittikünstler Magazin GLU heraus. Girls like zin Paradis.Selbstwenndas Hochglanzmagazin. Das Model André, fotografiert von Terry us (Mädchen wie wir) heißt es, Blatt gute Geschichten druckt, Julia Restoin-Roitfeld – Tochter Richardson. Das befreundete und ist lustig, sexy, provokant – muss man bei der Wahrheit blei- von Carine Roitfeld, Chefredak- Testosteron-Trio springt einem aber auch aufklärerisch. Wer Voyeuristisch ben: Lily Cole, rote Mähne, teurin der französischen Vogue – derzeit überall entgegen. Als bisher dachte, nur Männer wür- nackt, auf einem Felsen, fotogra- in klischeehaft sinnlicher Pose, Titelgeschichte von Zahms den dauernd an Sex denken, Kunst oder Pornographie? fiert von Jürgen Teller – that’s Sportlich mit hochglanzlackierten Nägeln Magazin, leibhaftig auf der Schrecklich wird auf den knapp 80 Seiten Die Barbican Art Gallery in paradise! Wer sich auch für das und Lippen in der erotischsten Tanzfläche des „Le Baron“ – eines Besseren belehrt, zum London zeigt mit der Ausstel- Geschriebene interessiert: Para- Es ist dunkel, als die ersten Tak- aller Farben, Rot. Kein Wunder, oder als Verpackungskarton der Nicole Kidman: Botoxgesicht. Beispiel von Edwige Belmore. lung „Seduced: Art & Sex from dis erscheint auf Englisch. te ertönen. Ein nackter Frauen- dass Tom Fords Duft „Black Kerze „Sex“ bei Colette in Paris. Angelina Jolie: Nasenverkleine- GLU gibt es weltweit zu kaufen. Antiquity to Now“ Arbeiten von körper streift am Auge vorbei. Orchid“ ein Bestseller ist. rung. Demi Moore: Ganzkörper- Künstlern wie Francis Bacon Busen oder Po, man soll nichts OP. Und was Courtney Love und Tracey Emin, die sich mit erkennen, nur erahnen. Ähnlich alles hat an sich machen lassen, der Darstellung von Sex wie im berühmten Cabaret „Cra- sieht man ja auf diesem Foto. auseinandergesetzt haben. zy Horse“ kleiden in Sebastien Die Webseite Promiblogger.com Viele Arbeiten waren lange Telliers neuestem Video-Clip lässt die Glaubwürdigkeit der zensiert, einige wurden noch „Sexual Sportswear“ nur Farb- superschönen, erfolgreichen, nie gezeigt. Bis 27. Januar. projektionen den Körper. Das emanzipierten Frau schwinden. www.barbican.org.uk neue Album des DJs mit Namen Hier eine wahre Binse: Sexy ist, „Sexuality“ kommt im Februar wer sich sexy fühlt. Das kommt raus. Aber den Clip gibt es von innen, nicht von außen! schon jetzt auf YouTube. Foto: Jina Khayyer

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A41621792 Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 SüddeutscheSüddeutsche Zeitung Zeitung SZSZ WOCHENENDE WOCHENENDE Samstag, Samstag, 1. Dezember 1. Dezember 2007 2007 Ausgabe: Deutschland Seite ROM4 / Bayern Seite ROM5 / Bayern Seite ROM4Bayern, / München Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM4 ROM4

24 Türen zu einem großen Unbekannten Martin Margiela ist der Fantômas der Modebranche. Hartnäckig hält er sich von der Öffentlichkeit fern und produziert stattdessen seit zwanzig Jahren Kleidung für eine schönere Welt. Ein Adventskalender als Einführung. Von Jina Khayyer und Eckhart Nickel

Ziggy Stardust Mit Gimmick 1 3 4 6 Für seine Formensprache greift Wie das beliebteste Heft unserer der Belgier Martin Margiela gerne 2 Kindheit (Yps) kommt bei MMM Der Götterbote auf experimentelle Höhepunkte nichts ohne spielerische Beigabe, des Pop zurück, von David Bowie was man heute erwachsen als 5 Die sechs Jahre von 1998 bis 2004, in bis in die Zeit des New Wave. „Gadget“ oder „Twist“ benennt. denen Martin Margiela neben seiner Dazu gehören auch große Schul- Weiße Weihnachten So inszenierte Margiela auch den eigenen Mode auch für die Damen tern und die passende Musik auf Auftritt seiner Marke bei der Pitti des Hauses Hermès verantwortlich dem Laufsteg. Auf einer der Wände, Stühle, Kronleuchter: In Florenz im Jahre 2006 als ganzen zeichnete, gelten heute als goldenes jüngsten Shows lief zum Beispiel Boutiquen von Maison Martin Parcours aus vielen Objekten und Zeitalter der sophistication.Ausdem eine Endlos-Variante des berühm- Margiela ist das ganze Interieur Installationen, die vor allem eines Aufeinanderprallen von handwerklich ten Bauhaus-Stücks „Bela Lugo- weiß gestrichen, mit weißem bewiesen: die Kraft der Phantasie perfekter Luxustradition an der Rue si’s dead“. Die vampiristische Stoff überzogen oder in weißem und die Nähe zur Kunst. Der hier Faubourg St. Honoré und dem Punk- Hymne an den Stummfilmdarstel- Tüll verhüllt, selbst das Gerät für abgebildete Luftballonautomat Ikonoklasten Margiela entstanden ler passte zu der unterkühlten die Kreditkarten. Wer etwas kann daher, wie alle seine Kleider, Was für Frauen Stücke wie dieser Shearling-Coat aus Achtziger-Optik. Die Signalfarben kauft, bekommt statt einer Tüte auch als Diskurs gelesen werden: Lammfell. Erst jetzt, da Jean Paul Pink und Gelb erinnerten indes eine weiße Stofftasche (und mit über Stoff und Inhalt, Leichtigkeit Margielaner entlarven sich auf den Gaultier mit seinem Super-Ego das an eine andere Band: Inga Hum- etwas Glück auch einen dieser und Marke, nicht zuletzt Name ersten Blick. Andere fragen etwa: Traditionshaus überzieht, merkt man, pes Neonbabies. hübschen Kleiderbügel). Die Ver- und Vergänglichkeit. „Martin“ „Gehört das so, dass man bei dieser was fehlt – subtile Details wie der käufer tragen weiße Kittel (damit steigt zwar hoch, endet aber wie Bluse den Kopf durch den Ärmel abknöpfbare Schal: aus 1 mach deux. man sie erkennt), und auf den alle Ballons später verschrumpelt steckt? Sehr interessant!“ Ja, gehört weißen Visitenkarten ist die im Unbekannten. Ach, das Leben. so. Was sich im nächsten Sommer Nikolausstiefel im Budget Adresse fast unsichtbar in Weiß noch gehört: Die Umkehrung der gedruckt. Warum? Wie Schnee Kragenform beim Blazer (die Spitze Damit auch der weniger finanzkräftige Nachwuchs sich ab die Welt ästhetisch einebnet, so weist nach innen). Und der Schaft und zu ein Stück MMM leisten kann, führte der Belgier für lässt das Weiß hier vor allem beim Lederstiefel wirkt, als sei er Mädchen und Frauen seine günstigere Nebenlinie 06 ein. Die zweierlei umso mehr leuchten: durch den Papierschredder gezogen: Alltagsvariante der experimentellen Mode spart auch bei der Farben und Gesichter. Destruction is the father of creation. Verpackung: Die Tasche ist zugleich ein kleiner Katalog.

Kein Ladenhüter 7 9 11 12 Der neue Mann Als Anfang September die Filiale von 10 MMM in Los Angeles ihre Pforten Die schwarze Sonne In Zeiten stilistischer Unsicherheit öffnete, dämmerte der Abend über 8 wird der Rückgriff auf traditionelle Beverly Hills. Wer die Räume betrat, Margiela hat 19 Jahre überlebt, Farben und Formen immer wichtiger. wurde von einer riesigen Pyramide ohne Brillen zu entwerfen. Jetzt Es kommt nur darauf an, wie man sie aus Sektgläsern begrüßt, die jedoch widmet er sich auch Lunettes, einsetzt. Diese Interpretation des nicht zum Trinken dastanden. Es aber auf sehr spezielle Art. Seine klassischen Karos hier ordnet sich handelte sich um das Schuhregal. erste Kollektion „L’Incognito“ dem strengen Prinzip unter, das man An den Wänden hingen Taschen an besteht aus nur einem Modell – bei MMM als „matchy-matchy“ be- riesigen Nägeln, und in einer weißen und das gibt es in vier Varianten: zeichnet. Meint nichts anderes, als ausgehöhlten Telefonkabine hing Schwarz, Braun, verspiegelt und dass die untere wie die obere Hälfte eine kostbare Weste. Aber erst am transparent. Zum Untertauchen des Looks aufeinander abgestimmt nächsten Morgen offenbarte sich Knallen lassen eignen sich die Modelle, die in sind. Nur auf Weiß als Bestandteil die Poesie des modernistischen Italien von Marcolin gefertigt wird selten verzichtet. Wie wichtig die Quaderbaus: Die gesamte Fassade Weil Menschen sich gerne mit werden und von Februar 2008 Musik ist, zeigt das an ein Plektron aus silbernen Pailletten begann Hilfe von Objekten erinnern, gab an bei MMM und in Konzeptlä- erinnernde Halsband. Die Versailler zunächst im Sonnenlicht zu glitzern, es zum Millennium von MMM eine den wie der Münchner „Serie A“ Band Air schrieb einst einen Song, doch eine Brise vom Pazifik setzte silberne Kette mit zwei Krallen. liegen, allerdings nicht. Eher für der die hier abgebildete Kombination die Spiegelwand in Bewegung und Dazwischen konnte man dann die nächste Sonnenfinsternis. und das oben und unten verbindende ließ etwas ganz Neues entstehen: den Korken seines Champagners Element der Reisetasche kongenial ein visuelles Windlicht. spießen. Sie gilt als das erste illustriert: „Universal Traveller“. mathematische Accessoire der Mischkalkulation Überraschung! Welt: mit eingebauter Variable. Seit 2002 läuft der Motor bei Maison Martin Margiela 91%ig mit Das ästhetische Prinzip des Schocks ist eigentlich im Surrealismus zu Hause. Wo eine neue MMM-Boutique Diesel.DernotwendigefinanzielleRückhalt,mitdemRenzo Margiela transzendiert es in die stoffliche Welt, indem er vertraute Elemente aufmacht, bekommt jeder Kunde Rossos Jeans-Imperium die kunstvolle Mode des Belgiers als des Kleiderschranks in überraschenden Materialien auferstehen lässt und in den ersten zwei Wochen die moderner Mäzen unterstützt, änderte an dessen Punk-Attitude umgekehrt, so diese Fliege aus Fell. Oder, mit Lautreamont: die zufällige Kette als Geschenk. Unverkorkt. kaum etwas – die Rezeption in Paris ist z.B. ein Wohnwagen. Begegnung einer Nähmaschine mit einem Regenschirm auf dem Seziertisch. 18

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Das Handwerk Alles Replikanten 14 16 Es war nicht nur dieser sehr Mode lebt von Geschichte, von smarte Mantel aus Lametta, der den unzähligen Momenten des uns im Fall Martin Margiela an Lebens, die wir in Kleidung die Form des Adventskalenders verbringen. Daher ist es nur denken ließ. Weihnachten ist die logisch, dass Martin Margiela Zeit der Musik und des Hand- einen Weg fand, der Inspiration werks, und es gibt wenig Mode- Modeschau mal anders aus der Vergangenheit ihre eige- schöpfer, bei denen beides so ne Linie zu widmen, eine Art nahe liegt wie bei MMM. Das Am 1. März 2004 präsentierte nouveaux vintage.Überallauf Hauptquartier in Paris, das MMM in 19 Pariser Traditionsca- der Welt kaufen Trendjäger gleichzeitig Atelier ist, war früher fés um Punkt 20 Uhr während gebrauchte Stücke, um ihnen in mal eine Fachhochschule für der Modeschauenwoche seine der Kollektion „Replica“ Industriedesigner. Die ließ man Kollektion für den Herbst. Ge- neues Leben einzuhauchen. weitgehend unbehandelt: als zeigt wurde ein Video mit unbe- Wo der Entwurf her ist, verrät Inspiration. So kommen dann wegten Bildern, gedreht von ein Etikett am Revers. Nichts Taschen zustande wie die: form Nigel Bennett. Im „Les Deux für Globalisierungsgegner. Living in a Box follows other function:Geige. Magots“ gab es zusätzlich ein Journal, die vielleicht einzige Die erste Boutique von MMM entstand in Tokio. Heute gibt Obskure Objekte der Begierde Ausnahme der berühmten Re- es weltweit 15 Boutiquen, die jüngste davon wiederum in: gel: Nichts ist älter als die Zei- Tokio. Im „GYRE“-Gebäude in Aoyama, gebaut von dem Alles ist nichts ohne das richtige Drumherum. Daher gibt es bei MMM auch tung von gestern. À demain! niederländischen Architekturbüro MVRDV. Und da „GYRE“ Gadgets und Interieur-Elemente: Lampen mit schlichtem weißen Schirm, die Die neue Etikette: ein Dialog aussieht wie ein verschobener Zauberwürfel, gab es bei der einen transparenten Fuß haben. Oder einen Kuli, der wie eine Schreibfeder Einweihungsparty einen MMM-Zauberwürfel als Hommage aussieht. Korbstühle mit Hussen und fortune eggs als Glückskekse. Die guten „Schauen Sie, hier, mein Kleid ist gerissen. Können Sie das bitte mal an Rubik, nur ohne Farbe: eine Seite weiß, eine Seite weißer. Sinnsprüche entschädigen einen dann für harte, unverdaubare Schalen. kunststopfen.“ „Ja.“ „Bitte nicht vergessen, die Nähte sind außen. Das Welche Farbe die anderen vier Seiten haben, ist ja wohl klar. gehört so, ja?“ „Ja.“ Vier Tage und 30 Euro später: „Sie haben das Kleid falsch herum gestopft.“ „Ja, und?“ „Das Kleid ist jetzt aber ka- putt.“ „Welches Kleid – ist doch nur ein Futterstoff.“ „Wäh!“ 23 Bloß keine Models 20 24 Die wenigsten MMM-Models lassen sich im Hauptberuf von ihm an- und ausziehen. Margiela mag Charakterköpfe. Menschen, die World of Interiors aussehen, als würden sie seine 21 22 Entwürfe auch problemlos jenseits Die strenge numeristische Logik, des Laufstegs tragen. Ein Casting- in der Martin Margiela seinem Der Heilige Abend team rekrutiert also die Frauen und einst entworfenen Etikett aus den Männer, die Modell stehen irgend- ersten vierundzwanzig Zahlen Wer noch eine ungeschmückte wo in Paris. Der Balken über den folgt, füllt er mit der Zuordnung Tanne im Raum stehen hat, Augen in den Lookbooks soll sie seiner Kollektionen zu Nummern. kann zur Not auch mal in den allerdings nicht davor schützen, Keine Zahl tragen Details seiner Kleiderschrank greifen. Denn erkannt zu werden. Margiela mag Einrichtungen, die allein einen festlicher als in diesem aus die Fahndungsfotooptik. Nach Exkurs wert wären. Sei es nur der mehr als 1000 Ringen, Armbän- diesem jungen Mann hier muss Trompe-l’Œil-Effekt von alten fran- dern und Ketten gebauten man in Paris hingegen nicht lange zösischen Interieurs, die in verbor- Kleid kann man Weihnachten fahnden. Ihm gehört eine der genen Türen doch einen realen nicht feiern. Es gehört zur Arti- beliebtesten Bars im umtriebigen Grund haben. So wird das Zei- sanal Kollektion, für die Margie- Marais. Das „La Perle“ in der Rue chen seiner Zeichenhaftigkeit Das Charity-Ding la Stoffe und Accessoires in Vieille du Temple. zugleich enthoben und wiederher- Der Schuh spricht Kunst am Körper transformiert. gestellt. Ein Fall für Baudrillard. Heute, da alle großen Marken sich mit irgendeiner Aktion an Die Zutaten dafür findet er auf Der Fremde, persönlich Von der allumfassenden Semiotisierung der Mode, dem Ausstatten der Rettung der Welt beteiligen, kann man mal an das Jahr Flohmärkten und in Vintage- mit Zeichen des Alltags und des Pop, bleibt auch die Fußbedeckung 1994 erinnern. Da gab es das erste Aids-T-Shirt von MMM, Boutiquen. Pro Saison gibt es Martin Margiela ist Belgier und absolvierte die „Royal Academy of Fine Art bei MMM nicht verschont. Für Freunde des Filmklassikers „Outcast“ seitdem zweimal pro Jahr. Der Schnitt ist immer gleich: sehr nur sechs Entwürfe. Manche Fashion“ in Antwerpen. Das Mitglied der „Antwerp Six“ assistierte Jean Paul mit Tom Hanks etwa hat Margiela ein Paar Schuhe mit Versatzstücken schmal, mit V-Ausschnitt und Kartoffeldruck-Aufschrift am sind Einzelstücke. Wer das Gaultier und gründete 1988 sein Label in Paris, von 1992 an „Maison Martin aus der Buchstaben- und Farbenwelt des globalen Paketzustellers Ausschnitt; nur die Farben wiederholen sich nie. Mehr als Modell hier trägt, wird gar zur Margiela“. Seine Entwürfe gehören zur permanenten Sammlung von Museen FedEx versehen. Wer mal Ware nicht rechtzeitig bekam oder vom kata- 140 000 verkaufte Exemplare erbrachten bisher 600 000 Euro weiblichen Heroine bei J.R.R. wie dem Metropolitan Museum of Art. Wie er aussieht, bleibt streng geheim. strophalen Filmgeschehen geschockt ist, greift zum Modell DHL. für die französische Aidshilfe. Wir finden: Chapeau! Tolkien: zur Herrin der Ringe. DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A41482442 SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München A041.482.442 JeglicheJegliche Veröffentlichun Veröffentlichungg exklusiv und nicht-private über www.diz-muenchen.de Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 SüddeutscheSüddeutsche Zeitung Zeitung SZSZ WOCHENENDE WOCHENENDE Samstag, Samstag, 24. 24.November November 2007 2007 Erste Reihe Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5

Erste Reihe Istanbul von Hussein Chalayan und Jina Khayyer

Galata Die Hügel Beyoglu Kuzkuncuk Istanbul ist eine Stadt, die sich Istanbul ist auf Hügeln gebaut: In der Fußgängerzone, der Geschäfte machen, Einkaufen einem schwer erschließt. Sie Sie sind das Wahrzeichen der Istiklal Caddesi, gibt es ein paar und Ausgehen: Das spielt sich in wird durch eine Meerenge ge- Stadt und jeweils von einer Mo- altmodisch anmutende Kinos, in Istanbul nach wie vor auf der teilt, ist von zwei Meeren umge- schee gekrönt. Die Teestuben in denen Filme gezeigt werden, europäischen Seite ab. Wer es ben – und dann ist da auch noch den schmalen, steilen Gassen noch bevor sie in London anlau- sich aber leisten kann, wohnt diese kleine Bucht, das Goldene gehören zu den schönsten Plät- fen. Die Seitenstraßen sind ein auf der asiatischen Seite. Im Horn. Auf europäischer Seite zen Istanbuls. Im Viertel Sulta- kompliziertes Gewirr, aber Stadtteil Kuzkuncuk, direkt am gibt es so viele Stadtteile, dass nahmet sitzt man auf Kinder- fürchten muss man sich hier Bosporus – mit eigenem Boots- man mit den Namen rasch durch- stühlchen an Kindertischchen nicht. Auch nicht im Dunkeln, steg und idealerweise auch mit einanderkommt. Einen besten und hat doch den totalen Über- auf der Suche nach den besten eigenem Boot. Auch türkisch ersten Eindruck bekommt man blick – über Sultanahmet, die Grand Bazaar Clubs. Sonntagnachmittags essen kann man hier gut: in ei- auf dem Balkon des Galata- größte Moschee, den Topkapi- kann man im Derwischkloster nem der vielen, kleinen Restau- Turms im gleichnamigen Stadt- Palast sowie das europäische Dieser Basar im Stadtteil Beyazit Galata Mevlevihanesi den Derwi- rants am Bosporus – mit Blick teil. Und den besten Ausblick. und asiatische Bosporusufer. gleicht einer überdachten Stadt, schen beim Tanzen zusehen. Cihangir nach Westen und Europa. Fener die nicht für Touristen angelegt ist, sondern für Einheimische: Musiker, Schauspieler, Künstler, In dieser Stadt macht Spazieren- mehr als 4000 Stände gibt es DJs: Hier lebt die kreative Szene gehen wenig Sinn. Die Distanzen hier, mit Lampen, Schmuck, Istanbuls. Das Viertel ist für Is- sind groß, und der Verkehr kann Kleidung, Teppichen – und tanbuler Verhältnisse ruhig, aber einem leicht das Leben nehmen. herrlichem, frisch gepresstem bekannt für seine Vintageshops Aber für den Fußmarsch von Granatapfelsaft. Über allem und traditionellen Kaffeehäuser, Galata ins Fener-Viertel – über wacht der Vater aller Türken, in denen noch türkischer Kaffee die Atatürk-Brücke, wo die Fi- Atatürk: Sein Bild hängt in jeder serviert wird und nicht, wie mitt- scher ihre Angeln ins Wasser Ecke und sogar von der Decke lerweile in fast allen Cafés, italie- werfen – lohnt sich das Risiko. des großen Basars herunter. nischer Kaffee oder Nescafé.

Fotos: AFP (2); Andreas Bastian/Caro; AP (2); Getty Images; Steve Outram/bildagentur-online

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A41460518 SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München A041.460.518 JeglicheJegliche Veröffentlichun Veröffentlichungg exklusiv und nicht-private über www.diz-muenchen.de Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche ZeitungZeitungSZ SZ WOCHENENDE WOCHENENDESamstag, Samstag, 13. 13.Oktober Oktober 2007 2007 Ausgabe: Deutschland Seite ROM4Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM4 München / München Seite Seite ROM4 ROM4 Der Stilist Eine Audienz in New York bei Michael Roberts: gefeierter Fotograf und Miterfinder des People-Journalismus

von Jina Khayyer

uf dem Buchcover ist unscharf ein junger Mann zu sehen, der seine Pistole auf jeden richtet, Ader das Buch in die Hand nimmt. Der Kopf des Mannes wird umrahmt von den orangefarbenen Worten „Shot in Sicily“. Es ist der erste Bildband von Michael Roberts. Der 48-jährige Brite ist Journalist, Stylist, Illustrator und Fotograf. Und eine Art Great Gatsby der Modewelt. Er kennt jeden persönlich, und jeder kennt ihn, und darunter ist niemand ein Niemand. Mit seiner scharfen Zunge und seinem scharfen Auge prägt Roberts seit mehr als drei Jahrzehnten die Berichterstat- tung über Mode und Stil in den weltweit einflußreichsten Publikationen, wie der britischen Sunday Times,deramerikani- schen Vanity Fair oder dem New Yorker. Doch das erklären wir später näher. In diesen Tagen tritt Michael Roberts vor allem als Fotograf auf. Zum Beispiel im New Yorker Restaurant „The Waverly Inn“. Inhaber des Restaurants ist Graydon Carter, Chefredakteur der amerikanischen Vanity Fair,derRoberts zu Ehren eine kleine Cocktailparty schmeißt, um „Shot in Sicily“ zu feiern, das gerade bei „Edition 7L“ erschienen ist. Klein bedeutet in diesen Kreisen: etwa hundert geladene Gäste, die alle berühmt sind. Plum Sykes, die Autorin des Bestsellers „Bergdorf Blondes“, steht in ihrem Kostüm wie ein Streichholz auf dem dunklen Parkett des Restaurants und nippt an ihrem Champagner. Auf der roten Ledercouch, neben dem Kamin, sitzen die Modefotografen Mario Testino und Patrick Demarchelier. In einem Sitzrondell plaudern Franca Sozzani (Chefredakteurin der italieni- schen Vogue), Sophie Hicks (Architektin diverser Boutiquen wie Chloé oder Yohji Yamamoto) und der Anlass der Party: Michael Roberts, der die vergangenen 20 Jahre, neben seinen vielen anderen Beru- fungen, immer wieder nach Sizilien reis- te, um dort zu fotografieren. Das Ergeb- nis lehnt jetzt dezent an den mit Illustra- tionen des Karikaturisten Edward Sorel tapezierten Wänden: Landschaftsbilder, Porträts und Mode, alles schwarz-weiß fotografiert. Wie ein Familienalbum und mit einer Sensibilität aufgenommen, als wäre Roberts selbst Italiener. „1987 wollte ich zusammen mit einer Freundin von mir, Martha Fiennes, Ostern in Venedig verbringen“, sagt Roberts und fügt, mit seiner für einen Mann ungewöhnlich hohen Stimme, hinzu, das Martha die Schwester des Schauspielers Ralph Fiennes ist. „Es regnete die ganze Zeit. Also entschieden God put a smile on his face: wir uns, nach Sizilien zu fliegen.“ In Michael Roberts, der als Taormina angekommen, verliebte er sich perfekter Twen natürlich Rolli in die Landschaft. „Es war wie ein Déjà- zur Schiebermütze trägt. Mode geht?“ Während seines Praktikums phie von Lady Diana. Damals war sie ei- vu. Als wäre ich in einem anderen Leben Foto: Arthur Elgort in New York hatte Roberts auch Truman ne der wenigen Journalisten in England, schon mal hier gewesen. Im Sommer Capote und Tom Wolfe kennengelernt. die sich für People-Journalismus interes- darauf habe ich dort ein Haus gemietet Capotes Roman „Kaltblütig“ war gerade sierten, und hatte die Aufgabe, als Chefre- und Stefano Tonci eingeladen, mit mir in erschienen. „Das war eine neue Art zu dakteurin den Tatler von einem Nie- Taormina zu arbeiten.“ Tonci, der heute te als freier Illustrator für Modezeit- schreiben. Ein neuer Stil. Der inspirierte mand-kauft-es zum Alle-wollen-es-Heft das Moderessort der New York Times lei- schriften. In London entdeckte Janey mich und ich dachte mir auch einen zu machen. Sie bat Roberts um Hilfe und tet, war damals Modeassistent des italie- Ironside seine Arbeit, die ihm fortan als neuen Stil aus. Ich fuhr zu den Schauen, erreichte ihr Ziel. Der erste Coup: „Wir nischen Männermodeheftes L’Uomo Mentorin zur Seite stand. So wie er ihr und berichtete darüber, als würde ich wollten eine Adlige zu Hause fotografie- Vogue.„DerjungeStefanohatteenorm zur Seite stand, als Assistent. Ironside eine Kriegsreportage schreiben.“ Zehn ren. Heute klingt das banal, aber Anfang Stil“, sagt Roberts. „Er trug immer die war Direktorin des Royal College of Art. Jahre lang blieb er bei der Sunday Times der Achtziger hatte man so eine Geschich- neuesten Romeo-Gigli-Anzüge und eine Sie war es, die im Swinging London den und schrieb jede Woche ein großes Stück. te noch nie gesehen. Das war lange vor goldene Rolex. Als ich ihn in Catania Designer Ossie Clark entdeckte und das Nicht nur über Mode. Roberts war Diana, und die Einzige, die uns gefiel, vom Flughafen abholte, lehnte er Talent der heutigen Vogue-Chefredak- beispielsweise der erste Journalist, der war Caroline von Monaco“, sagt Roberts. während der Fahrt seinen Arm aus dem teurin Anna Wintour. Ironside, aufgrund Arnold Schwarzenegger interviewte. Er „Sie war Kundin bei meinem guten Fenster. Ein Typ auf einer Vespa hat ihm ihres Gespürs für Talente eine einflussrei- war auch der Erste, der über die Hip- Freund Manolo Blahnik. Also schrieben fast den Arm gebrochen, um seine Uhr zu che Drahtzieherin, wenn es darum ging, Hop-Bewegung, Breakdancer aus Brook- wir einen Zettel für sie, den Manolo ihr in kriegen.“ Die Uhr war weg, und Tonci Jobs zu vermitteln, fand für ihren jüngs- lyn oder Rollerdisco berichtete. Und er eine Schuhschachtel steckte.“ Kurze trug stattdessen Armschlinge. Die Liebe ten Sprössling bald eine neue Aufgabe. war der letzte Journalist, der mit Mae Zeit später konnte der Tatler seine erste zu Sizilien konnte es nicht mindern. Mit West sprach. „Ich traf sie in ihrem Appar- blaublütige Homestory veröffentlichen. Fotos aus dem Armschlingen-Sommer tement in Downtown Los Angeles. Sie Die Bilder gingen um die Welt und legten beginnt der Bildband. Umrahmt von war 88 und versuchte dabei, wie ein jun- den Grundstein für einen bis heute einer Kurzgeschichte der britischen Stil- Roberts machte Miss ges Mädchen auszusehen. Mit sehr lan- fragwürdigen Voyeurismus. ikone Lady Amanda Harlech und einem gen, weißen Haaren und sehr viel weißem Der nächste Coup: Vivienne Westwood Epilog des Schuhgurus Manolo Blahnik. Piggy zum Covermodel: Make-up. Sie behauptete, sie sei ein als Margaret Thatcher. Ein Foto, das Wie wurde Roberts, was er ist? In Wind- im Kleid von Lagerfeld! Medium, könnte Seelen sehen und heute im Museum hängt. Einmal zeigten sor, England, geboren und aufgewachsen Kontakt zu Toten aufnehmen. Und wäh- Roberts und Brown sogar Miss Piggy, die –dieMutterEngländerin,Vatervonder rend ich neben ihr saß, diesem großen Schweinedame aus der Muppet Show, karibischen Insel St. Lucia – wechselte Geist – sie trug nämlich auch noch ein auf dem Cover – in einem Kleid von La- Roberts nach der Mittleren Reife auf die Sie besorgte Michael Roberts einen Job langes, weißes Kleid – behauptete sie, gerfeld. Titelgeschichten wie diese und Kunsthochschule und nahm an einem bei der Sunday Times.AlsAssistentvon ihre Mutter würde neben mir sitzen. Das der damit verbundene Humor von Ro- landesweiten Illustrationswettbewerb Molly Parkin. Parkin war in den siebzi- war unheimlich, aber eben eine gute berts machen ihn bis heute zu einem der teil, den er gewann. Der Gewinn, finan- ger Jahren eine Modejournalismus-Iko- Story.“ Geschichten wie diese begründe- begehrtesten Journalisten. Mehr als ein ziert von der Werbeagentur J. Walter ne, denn sie hatte zuvor die Frauenzeit- ten Michael Roberts Ruf und Ruhm als Jahrzehnt arbeitete er Seite an Seite mit Thompson, war unter anderem ein Trip schrift Nova entwickelt, die als Avantgar- Autor. Tina Brown. Nach dem Tatler-Erfolg gin- nach New York und ein Praktikum bei deheft der Stunde galt. Nun schrieb also Kommen wir zurück zur Geschichte, gen beide nach New York. Erst zu Vanity Andy Warhol. Das war Ende der sechzi- Parkin für die Sunday Times,Roberts wie Roberts den People-Journalismus Fair und später zum New Yorker,woRo- ger Jahre. Roberts war 17 und mitten im übernahm Illustrationen und Styling. Anfang der achtziger Jahre nach Eng- berts neun Jahre das Moderessort leitete Kosmos Pop gelandet, wo er jeden ken- Als Parkin einmal krank wurde, bat land exportierte und das britische Gesell- und durch seine Illustrationen entschei- nenlernte, der in den Sixties zählte. „Ich sie Roberts, statt ihrer auf die Schauen schaftsmagazin Tatler mitentwickelte: dend den Stil des Blattes mitprägte. durfte Andy Warhol bei der Arbeit zuse- zu gehen und darüber zu berichten. „Ich Zurück in London präsentierte er wäh- Seit vorigem Jahr leitet Roberts das hen. Richard Avedon im Studio besuchen hatte noch nie zuvor geschrieben“, sagt rend einer Konferenz bei der Sunday Ti- Mode- und Stilressort der US-Vanity und beobachten. Ich ging mit ihnen aus Roberts, „aber ich wusste gleich, wie ich mes seine neueste Endeckung aus Ameri- Fair,dessenChefredakteurjenekleine und durfte dabei für die Women Wear schreiben wollte. Zu der Zeit schrieben ka. Das Magazin People war gerade in Cocktailparty für ihn gibt, bei der Daily Illustrationen machen“, sagt Ro- alle mehr oder weniger uninteressante den USA erschienen. Die gesamte Beleg- niemand ein Niemand ist. Das einzig berts. Beeindruckt hat ihn das damals PR-Texte. Höflich, freundlich, langwei- schaft der Times rümpfte die Nase, „ich wirklich Unspektakuläre an Michael nicht. „Ich war jung und hatte diese rotzi- lig eben. Die Sunday Times galt als eine erinnere mich, dass einer sogar das Blatt Roberts ist sein eigener Look: weißes ge Attitüde, dass ich eh schon alles weiß. der besten Zeitungen der Welt: Reporta- durch den Raum warf mit den Worten: Hemd, blau-rot gestreifte Krawatte, So wie man eben ist mit 17 – sehr blasiert. gen, der investigative Journalismus, die das ist doch Schund“, sagt Roberts, der dunkelblaue Stoffhose, Nike Turnschu- Es ist uncool, deine Begeisterung zu zei- Berichterstattung von Vietnam; all das damals versuchte, den Kollegen zu pro- he und eine gewöhnliche Schweizer gen. Furchtbar. Ich wäre heute sicherlich bekam Auszeichnungen. Ich fragte mich, phezeien, dass dies die Zukunft des Jour- Armee Uhr am Handgelenk. „Und so beeindruckter.“ So wollte er auch nicht warum flacht das so ab, wenn es um nalismus sei. Doch einer hatte aufge- sehe ich schon seit Jahrzehnten aus.“ bleiben, als ihn Warhol in der Factory passt. Sein Chefredakteur, zu der Zeit li- behalten wollte. iert mit Tina Brown. Heute ist Mrs. Zurück in Windsor machte er seinen Brown einem breiten Publikum bekannt Abschluss, zog nach London und arbeite- durch ihre kürzlich erschienene Biogra- DIZdigital:SZdigital: AlleAlle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten – Süddeutsche- Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München A041.335.978A41335978 Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichung und exklusiv nicht-private über www.diz-muenchen.deNutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 SüddeutscheSüddeutsche Zeitung Zeitung SZSZ WOCHENENDE WOCHENENDE Samstag, Samstag, 11. 11. August August 2007 2007 Erste Reihe Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5

Erste Reihe Paris im Sommer von Jina Khayyer

Der Hangout Die Antwort Das Vehikel Die Clubnacht Lokale als zweites Wohnzimmer Es bleibt nicht viel, was Männer In Paris ist nicht mehr nur der Keiner staunt, wenn in Paris für Denker haben in Paris schon und Frauen nicht miteinander Mülleimer grün, sondern die immer wieder montags Frauen Tradition: Hemingway schrieb in teilen können. Das Interesse für Stimmung. Jeder versucht, das in bodenlangen Tigerkleidern an dem Restaurant La Closerie des Mode, die Kochleidenschaft, Sein vom Umweltbewusstsein der Seine entlangstolzieren. Lilas, und Sartre philosophierte selbst die Notwendigkeit der bestimmen zu lassen: mit einem Gefolgt von smarten Männern mit Simone de Beauvoir im Café Gesichtskosmetik hat der Mann kräftigen Tritt in die Pedale. 750 im Smoking. Manch einer trägt Les Deux Magots. Heute wird in inzwischen erkannt. Nur bei Velib-Stationen hat die Stadt sogar eine Tasche, die wie ein Paris weniger philosophiert als diesem Ring hört es auf, das diesen Sommer eröffnet. Hier Saxophon aussieht. Denn es ist genäht: Die Protagonisten dazu Verständnis: Ein goldenes Band, kann sich jeder ab einem Euro kein Karneval, sondern epocha- heißen Hedi Slimane oder Pierre das „ja“ sagt, mit einem Brillant ein Fahrrad leihen. Passende les Styling: für die Jazzparty auf Hardy und treffen sich nun an als I-Punkt. Er denkt: So einen Die Speisung Wege gibt es schon. Und die dem Hausboot „Concorde der Rive Droite: im Marais, in der kann ich dir doch auch aus dem stilvollsten Radfahrerinnen des Atlantique“. Und das jeden kleinen, wunderbaren Brasserie Kaugummi-Automaten ziehen. Die französische Küche ist ja Planeten dazu – in Louboutin Montag, den ganzen Sommer Le Progrès (1 Rue de Bretagne). Der Traum Sie flüstert: Iwo, j’adore Dior. bekannt für eher sattmachende Heels mit Chanel-Tasche. Das Quartier lang (75 Quai Anatole France). Dinge wie gestopfte Gänseleber. Sie planschen in einem endlosen Daher hier mal eine Empfehlung, Beim Ausgehen in Paris wird Pool, besprenkelt von Fontänen. die zwar nichts mit Paris zu tun schnell klar: niemand geht allein; Daneben ein Kinder-Karussell. hat, aber nirgendwo sonst so sogar wer zu zweit kam, geht zu Es gibt Schokoladen-Crêpe und gut schmeckt: Falafel im L’As du dritt. Und ist im Hotel Amour gut Softeis. Die Sonne geht langsam Fallafel, in der Rue de Rosier. aufgehoben. Inspiriert vom Look unter, aber es ist immer noch Eine kleine Gasse im Marais, als japanischer Stundenhotels, ist warm. Vor Ihnen funkelt der Zentrum des jüdischen Viertels hier alles auf Liebe und Sex Eiffelturm, hinter Ihnen leuchtet bekannt und Heimat des besten eingerichtet. Die passenden Le Trocadéro. Ein Traum? Paris! Concept-Stores der Stadt für Gute-Nacht-Hupferl gibt’s auch: Avantgarde-Mode: L’Eclaireur. Pornohefte aus den Siebzigern.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A41154370 SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München A041.154.370 JeglicheJegliche Veröffentlichun Veröffentlichungg exklusiv und nicht-private über www.diz-muenchen.de Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 SüddeutscheSüddeutsche Zeitung Zeitung SZSZ WOCHENENDE WOCHENENDE Samstag, Samstag, 27. 27. Mai Mai 2006 2006 Erste Reihe Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5

Erste Reihe In bester Gesellschaft von Jina Khayyer

Für Hollywoodstars Für Millionärsgattinnen Für Aufsteigerinnen Für Gutsherrinnen Hier sehen wir Georgina Chap- Luisa Beccaria hat eigentlich Böse New Yorker Zungen be- Carolina Herrera ist die Tochter man, Mitbegründerin des New keinen Grund zu arbeiten. Ihrem zeichnen Tory Burch als „Social eines venezuelanischen Gutsbe- Yorker Labels Marchesa und Ehemann, dem sizilianischen Climber“. Anerkennend formu- sitzers und bewunderte Lady bekannt für sexy, aber feine Aristokraten Lucio Bonnacorsi, liert ist Burch eine Selfmade-Mil- der New Yorker Gesellschaft, Kleidchen. Der Name ist eine gehört eine kleine Stadt in Sizi- lionärin. Sie stammt aus dem deren Fortysomethings sich Hommage an die legendäre Mar- lien, „Borgo of Castelluccio“. bodenständigen Pennsylvania, nach ihrem Vorbild kleiden: sau- chesa Luisa Casati, aber das ist Doch statt im Schatten Bridge hospitierte bei Michael Kors, bere Eleganz, Goldschmuck und eine andere Geschichte. Chap- zu spielen, macht es Beccaria heiratete einen Textilfabrikanten Platinblond aus der Flasche, man rekrutiert ihre Kundschaft nun einmal Freude, die puderfar- und entwirft heute entspannte solange das Haar mitmacht. aus der Hollywoodelite, ihr Le- bene Blasiertheit der Oberen Millionärinnenmode. Dank Fans bensgefährte ist Filmmogul Har- Zehntausend in Kleider zu ver- wie Oprah Winfrey spiralen ihre vey Weinstein. Fans: Scarlett wandeln. Donald Trumps Frau Verkäufe in die Höhe, ihre Preise Johansson, Nicole Richie. Melania (Foto) läuft Modell. Für Karrierefrauen aber bleiben bodenständig. Für Moderedakteurinnen Für adelige Models 1969 heiratet ein Mädchen aus Autorin Plum Sykes (rechts) liebt Belgien einen Prinzen aus der Alice Temperley wuchs auf einer die spinnwebfeinen Roben von Schweiz. Prinz Egon von Fürs- Apfelfarm in Somerset auf und Ex-Model Jane Mayle (links). tenberg will in New York Mode- betreibt zusammen mit ihrem Und da Sykes bei Vogue ist, wa- designer werden, Diane die So- Mann Lars von Bennigsen, ren Mayle und ihr gleichnamiges ciety erobern. Die Einladungen Spross einer deutschen Lebens- New Yorker Label bald in Vogue. stauen sich, also erfindet Diane mitteldynastie, in Notting Hill ihr Fans: Condé-Nast-Redakteurin- ein Kleid für Frauen, die im Büro Label Temperley. Markenzei- nen, Kaufhauserbinnen, Bankiers- respektabel und beim anschlie- chen: bestickte Abendkleider. töchter – so sie Größe 34 tragen. ßenden Cocktail schick ausse- Kundschaft: Aristo-Models wie hen wollen: das „Wrap Dress“. Jacquetta Wheeler, Jodie Kidd.

DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München A27370793 SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München A027.354.901 JeglicheJegliche Veröffentlichun Veröffentlichungg exklusiv und nicht-private über www.diz-muenchen.de Nutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 Süddeutsche ZeitungZeitungSZ SZ WOCHENENDE WOCHENENDESamstag, Samstag, 1. April1. April 2006 2006 Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5 Die ewigen Mädchen „“ hat ein neues Album gemacht. Über das Comeback einer Band, die so klingt, als sei sie nie fortgewesen.

Es war klar, das ich mitging.“ gelmäßig zu Gast in den in England sehr von Jina Khayyer Sie wohnten in einer Jugendherberge. beliebten Reality-Shows, mit der Hoff- Tagsüber ging Dallin aufs College, nung auf eine zweite Karriere als Trash- berraschung: Es regnet in Lon- abends arbeiteten beide als Garderobie- star. Pete Burns, dem einen oder anderen don. An diesem Vorfrühlings- ren im „Marquee“: „Das war damals der noch bekannt durch seinen Hit „You spin vormittag liegt das Pub „The beste Club in London“, sagt Dallin. „Je- me round“, ist so ein Fall. Ü Flask“, die bauchige Flasche, de Nacht traten dort Bands wie U2, Sex Dallin und Woodward aber haben es of- noch verlassen da; es macht erst um Pistols oder die Rolling Stones auf. Und fenbar geschickt angestellt. Dallin lebt 12 Uhr auf. Im Garten stehen massive entweder sie waren schon bekannt, oder mit ihrer Tochter Alice hier um die Ecke Holztische und eklektisch zusammenge- sie wurden es gerade.“ vom „Flask“. Und Woodward lebt vier würfelte Flohmarktstühle. Und auf alles Auf dem College lernte Dallin ein Mäd- Stunden von London entfernt auf einer tropft der Regen. Im Grunde passt dieser chen namens Siobhan Fahey kennen, die Farm in Cornwall. Mit Schafen, Kühen angeschmuddelte Kneipengarten gar aussah wie Patti Smith. Dallin machte und Pferden, mit ihrem 19-jährigen Sohn nicht in das Nordlondoner Viertel Fahey und Woodward bekannt. Als Dal- und mit ihrem langjährigen Lebensge- Highgate. Von den vielen teuren und vor- lin und Woodward mal wieder ihre Miete fährten, ebenfalls ein alter Bekannter aus nehmen Londoner Vierteln ist Highgate nicht zahlen konnten, flogen sie aus der den Achtzigern, einem Mitglied der größ- eines der teuersten. Hier stehen Villen, Jugendherberge. Der Drummer der Sex ten Boyband dieser Zeit: Andrew Ridge- die fast einen ganzen Straßenblock ein- Pistols,PaulCook,botihneneinZimmer ley von Wham!Derwirdniewiederarbei- nehmen, Burgen aus Backstein, vor über seinem Probenraum in der legendä- ten müssen. Allein wegen der Tantiemen, denen frisch manikürte Hecken wachsen ren Denmark Street an, und Fahey zog die er an „Careless Whisper“ verdient. und Kutschen mit Namen wie „Jaguar“ gleich mit ein. An der Wand hingen Zeich- Sie seien fassungslos über die Tatsa- oder „Rolls Royce“ warten. nungen von Johnny Rotten und im Ge- che, dass man sich freiwillig ins Reality- George Michael bewohnt eine dieser schirrschrank lagen die Bondage-Hosen Fernsehen begeben könnte, und dass mitt- Villen, genau wie Annie Lennox und von Sid Vicious. So wohnten die drei in Sting. Highgate ist das Londoner Viertel, einem Zimmer, das nicht viel größer war in dem die Pop-Elite der achtziger Jahre als ein Rattenloch, aber gleichzeitig doch residiert, und gleich um die Ecke des der Nukleus der großen musikalischen Der Sound ist leicht und Flask wohnt auch Sarah Dallin, besser Bewegungen der achtziger Jahre war: bekannt als „die Blonde“. Sie und Keren „Punk, Rock, Pop, Wave – alles entwickel- lustig wie in einem Woodward, „die Brünette“ , haben die- te sich vor unseren Augen“, erzählt Dal- Schwulen-Club auf Mykonos sen Ort vorgeschlagen, um der Welt, wie lin. „Wir dachten damals nicht groß schon häufiger in den letzten Wochen, nach; wir liebten Poesie, konnten mit mitzuteilen: Schaut her, es gibt uns wie- Worten umgehen, unsere Stimmen klan- der, und wir sind noch ganz die alten – gen nach Pop. Wir liebten Musik, unsere lerweile sogar Ex-Freundinnen von Pro- Bananarama. Idole waren Debbie Harry und Patti minenten als Celebrity gelten: „Wofür?“ Die Brünette kommt als erste um die Smith. Die Sex Pistols stellten uns ihren „Die Leute“, sagt Sara, „schlagen einem Ecke, „Hi“, sagt sie umstandslos, „ich Probenraum zur Verfügung und wir nah- in dieser Zeit die wahnsinnigsten Dinge bin Keren. Ist Sara schon hier? Oder Ste- men ein Demoband auf. Und alles, was vor. Die haben mich ernsthaft gefragt, ob ve? Kommen Sie.“ Und sie geht vor ins wir taten, war richtig!“ ich bei einer Celebrity-Schlittschuh- Flask, wo es noch nach der letzten Runde Ihr Trick scheint immer noch derselbe Meisterschaft mitmachen möchte. Was der letzten Nacht riecht. Sie ist ein biss- zu sein: kätzchenhübsche Gesichter, ge- zum Teufel soll das sein?“ chen schlanker und eleganter als früher. paart mit Unbekümmertheit und einer „Das ist nicht gar nichts“, sagt Wood- Und sie ist definitiv viel größer, als es da- kumpelhaften Art. Damit unterschieden ward, „Andrew haben sie angeboten, bei mals, in den Videos auf MTV, den An- sich Bananarama schon in den Achtzi- einer Promi-Schönheitsoperations-Sen- schein hatte. Sie trägt eine schmale gern Jahren von allen anderen weibli- dung mitzumachen, wo man sich den Pe- Jeans, einen schwarzen Rollkragenpullo- chen Popstars. Ihre Fans waren diejeni- nis verschönern lassen kann. Die schre- ver, einen großen Aquamarin am Finger gen, denen Madonna zu aggressiv und Ky- cken vor nichts zurück.“ und eine sehr große Fenditasche, auf den lie Minogue zu dümmlich war. Und das Die Idee, sich zu zeigen, um nicht in ersten Blick ist sie nicht von den schi- waren so viele, das Bananarama 1988 ei- Vergessenheit zu geraten, sei ihnen nie in cken Londoner Jaguarfahrerinnen zu un- nen Eintrag ins Guiness-Buch der Rekor- den Sinn gekommen. Klingt süß, und terscheiden. Sie wirkt leicht überdreht, de bekam, als erfolgreichste Girlband al- wenn Sara und Keren nicht kurz vor ih- ler Zeiten. rem 25jährigen Bananarama-Jubiläum Unterdessen sind sie von den Spice stehen würden, wäre man versucht zu sa- Girls überrundet worden. Aber damals, gen: Hey, ihr Süßen, seid ihr nicht gerade „Wir sind doch keine in den Jahren von 1983 bis 1989, verging hier, um etwas zu verkaufen? Für ihr neu- kein Sommer ohne einen ihrer Hits wie es Album haben sie Hitgaranten wie die Haarwickler-Promogirls, wir „Nathan Jones“, „Cruel Summer“ „Ro- schwedischen Produzenten der Murlyn- wollen Musik machen.“ bert de Niro’s Waiting“ oder ihre Cover- Crew, die schon für und version „Venus“. Und auch wenn ihr Na- Jennifer Lopez arbeiteten, mit Jeremy me im Nachhinein für manche läppisch Wheatley gekreuzt – dem Mann, der auch klingt: Bananarama waren eine der ers- für Kylie Minogues Comeback mitverant- aber sehr freundlich. Und winkt mit der- ten emanzipierten Mädchenbands. Sie wortlich war, und dem 2005 Alison Gold- selben Armbewegung wie damals im le- schrieben an vielen der Songs mit und frapp ihren Erfolg zu verdanken hatte. gendären „ Venus“-Video, als Sara Dal- suchten sich ihre Produzenten selbst, Die Stücke auf „Drama“ klingen wie lin um die Ecke biegt. Das ist die andere zum Beispiel das legendäre Produzenten- klassischer Pop mit Elektro-Beats. Es Bananarama-Frau. Die Blonde. Auch sie trio Stock, Aitken & Waterman. Sie san- Sie sind nur noch zu zweit, aber sie haben immer noch dieselben Tricks drauf wie in den Achtzigern: Keren Wood- gibt sogar eine Art Techno-Remix von ist größer als erwartet, hat schulterlan- gen mit Stilgöttern wie Paul Weller und ward und Sara Dallin, Mitbegründerinnen einer der ersten emanzipierten Mädchenbands. Foto: edel records „Venus“. Leicht und lustig. Wie in den ges, blondes Haar und ist gekleidet, als ließen in ihren Videos ihre schwulen Tän- Achtzigern. wäre sie nur mal eben schnell aus dem zer-Freunde im Hintergrund eindeutige Dass trotzdem heute alles anders ist, se- Haus gegangen: in Jeans, Wollpulli, Rin- Bewegungen vollführen. Sie steuerten hen sie an den Gesichtern ihres Publi- gelschal. Umstandslos. auch die Titelsongs zu im Nachhinein Jungs mochten Bananarama,Mäd- auf Platz 14. Klingt ein bisschen lau- takulär wie sie gekommen war. Fortan kums. Ihr erstes Bühnencomeback feier- Die beiden kennen sich, seit sie zehn eher obskuren Filmen wie „Jumpin` Jack chen aber liebten sie, kopierten ihre Rin- warm für eine Band wie Bananarama, als Duo unterwegs veröffentlichten Bana- ten sie letztes Jahr, als Vorband der Scis- Jahre alt sind. Und hier in dem schumme- Flash“ oder „Karate Kid“ bei und ließen gelshirts, zerrissen ihre Latzhosen, tru- die 1988 als erfolgreichste Girlband aller narama zwischen 1993 und 2001 vier Al- sor Sisters, und dieses Jahr bei „Top of rigen Schmuddelpub begrüßen sie sich sich für ihre Alben von den damals ange- gen riesige Kreolen in den Ohren und tou- Zeiten einen Eintrag im Guiness-Buch ben; ohne Erfolg. „Pop schien nieman- the Pops“. Im Publikum: Alice und Tom, so aufgedreht, als seien sie wieder die sagtesten Modefotografen wie Herb Ritts pierte ihre Haare so auf, wie sie es bei den der Rekorde bekam. den mehr zu interessieren. Und wir inte- Saras Tochter und Kerens Sohn, die ihre zwei Gymnasiastinnen, die sich hier für oder Ellen von Unwerth fotografieren. Bananarama-Mädchen gesehen hatten. Aber für die beiden ist es der erste gro- ressierten uns eben nur für Pop. Klar war Mütter nur als Mütter kennen, denn ihr eine Stunde Schuleschwänzen treffen. Robert de Niro lud sie, nachdem er ihren Und die Schwulen vergötterten sie regel- ßer Erfolg nach langer Zeit. 1987 hatte das erstmal ein Schock. Auf der anderen Aufwachsen fiel genau in die Bananara- Erst wird gelacht. Dann wird eine Runde Hit gehört hatte, zum Abendessen ein; recht. „Sie sind“, sagt Keren, „bis heute Siobhan die Band verlassen, um ein Kind Seite hat es uns auch gut getan, einen ma-Ruhestand-Phase. „Meine Tochter Runde Cappuccino bestellt. Dann wird ein Treffen, an das sich die Damen heute unsere treuesten Fans. Die Schwulen ha- zu bekommen, den Eurythmics-Sänger Dämpfer zu bekommen. Wir waren war geschockt. Sie hätte nie gedacht, eine Runde Marlboro Lights angezündet. nur noch schemenhaft erinnern können: ben nie aufgehört, die Selbstinszenie- Dave Stewart zu heiraten und mit ihm erfolgsverwöhnt, und plötzlich ging dass man uns wirklich kennt, geschweige Es kann losgehen. „Wir waren leider zu betrunken da- rung zu zelebrieren. Sie lieben Pop und nach Los Angeles zu ziehen. Von dem nichts mehr. Wir wurden gezwungen, zur denn, dass wir eine Hysterie auslösen.“ Bananarama gibt es seit 1981. Damals mals!“ Songs, bei denen man mitsingen kann. Zeitpunkt an waren Bananarama nicht Ruhe zu kommen.“ Was ist eigentlich aus Siobhan gewor- waren Dallin und Woodward gerade aus Auch verweigerten sie jede Form von Deswegen lieben sie wahrscheinlich mehr unbesiegbar. Sie fanden zwar Die Mechanismen der Popwelt haben den? Sie hat sich scheiden lassen und lebt ihrer eher beschaulichen Heimatstadt Merchandising. „Wir wollten Musik ma- auch uns so.“ einen Ersatz für Siobhan, veröffentlich- sich in den letzten zwanzig Jahren mas- wieder in London; als Djane. Und das Bristol nach London gezogen. Dallin chen, und keine Puppen verkaufen, die so Ihr neues Album heißt „Drama“. Es ist ten etliche, mit Platin ausgezeichnete, siv verändert. Und nicht alle Popstars „Marquee“ scheint auch bald sein Come- wollte am London College of Fashion aussehen wie wir“, sagt Sara, die damals seit zwölf Jahren das erste, das sie auch Greatest Hits Alben und starteten eine der Achtziger haben eine Heimat im back zu feiern. Neuer Besitzer ist Dave Journalismus studieren. Woodward hat- einen mit einer Million Dollar dotierten in England, ihrer Heimat, veröffentli- Welttournee, aber der Zauber war verflo- Stadtteil Highgate gefunden. Die, die es Stewart. In der Denmark Street sei jetzt te damals noch keinen genauen Plan: „Sa- Werbevertrag für eine Lockenwickler- chen. Ihre Single „Move in my Directi- gen. Die Ersatzfrau Jacquie O’Sullivan weniger geschickt angestellt haben und ein Copy-Shop, sagt Keren: „Gut, dass ra und ich sind eins, seit wir uns kennen. Marke platzen ließ. on“ steht in den britischen Charts bereits verschwand genau so schnell und unspek- heute an der Pleite balancieren, sind re- Sid das nicht mehr erleben musste.“

DIZdigital:SZdigital: AlleAlle Rechte Rechte vorbehalten vorbehalten – Süddeutsche- Süddeutsche Zeitung Zeitung GmbH, GmbH, München München A027.208.411A27224357 Jegliche Veröffentlichung Veröffentlichung und exklusiv nicht-private über www.diz-muenchen.deNutzung exklusiv über www.sz-content.de svra020 SüddeutscheSüddeutsche Zeitung Zeitung SZSZ WOCHENENDE WOCHENENDE Samstag, Samstag, 24. 24. Juli Juli 2004 2004 Erste Reihe Ausgabe: Deutschland Seite ROM5Bayern, / Bayern Deutschland, Seite ROM5 München / München Seite Seite ROM5 ROM5

Erste Reihe Die Trends für den Nichtsommer von Jina Khayyer

Warm Gestiefelt Old School Seit Mary Quant ihn salonfähig Auch wenn dieser Tage nichts In den 60er Jahren verließen machte, hat der Minirock im Gutes aus Texas kommt, die Mode Frauen wie Jackie Kennedy nie Sommer seinen festen Platz an schert sich nicht um Politik. Schon das Haus ohne Handschuhe. hübschen, langbeinigen Mädchen gar nicht in der Sommer-Hochburg Sie sparten so nicht die Maniküre, gefunden. Jetzt aber lassen die St. Tropez, wo man in flatternden sondern wollten keinen Zweifel Wolken kaum Sonne durch. Dieser Baumwollröcken und Cowboystie- daran lassen, dass sie zur Upper Sommer also, so er sich nicht sehr feln über die Promenaden spaziert. Class gehören. Ähnlich mondän schnell ändert, zwingt Gazellen Wir tun dem Jetset das gleich, be- sieht man dieser Tage Frauen in zu modischen Mutproben. Der stellen aber – sorry, liebe Amerika- Jeans, Tank-Top, Turnschuhen Rock bleibt kurz, dafür ziehen ner – die Lieblings-Boots von und Handschuhen aus Kalbsleder wir jetzt bitte mal die Kniestrümpfe Kate Moss aus London unter durch die Straßen stolzieren. hoch, die Damen! Behütet www.r-soles.com

Der Burberry-Designer Christopher Verhüllt Trocken Baily hat seine erste Lektion erteilt bekommen. Dabei hatte er sich das Die Britin Sienna Miller ist aus dem Geschützt Auch deutsche Omis können ein so schön ausgemalt: Im Herbst Nichts aufgetaucht und hat sich modisches Trendvorbild sein. würden Frauen mit wehenden ihren Landsmann Jude Law ge- Für Frauen die Angst um ihr Outfit Seit Jahr und Tag tragen sie in ihrer Haaren seine Mützen tragen. An- schnappt. Anfangs rümpften alle haben, aber sich dennoch im Handtasche immer einen Knirps statt die Sommer-Accessoires zu beim Anblick ihres Woodstock-arti- Regen zeigen wollen, gibt es jetzt spazieren – „für den Fall, dass es kaufen, stürmen die Damen bereits gen Outfits die Nasen. Tops über eine elegante Lösung: transparen- regnet, Kind!“ Früher hielten wir jetzt schon die Geschäfte auf Tops, Westen über Jacken. Alles te Capes. Stolz wie ein Pfau legen es für unwahrscheinlich, dass es der Suche nach Strickmützen. lachte und sprach vom „englischen Sie es sich um die Schultern und an einem knallheißen Juli Tag Sommer“. Jetzt ist man kleinlaut lassen die Tropfen wie schimmern- schüttet wie zur Monsun-Zeit. und froh über ein neues Stilvorbild. de Perlen von sich abprallen. Diesen Sommer wissen wir es Einen eigenen Namen hat der Look Darunter: das kostbare Sommer- besser und schirmen den Himmel auch schon: Boho-Chic. outfit. Knirscht, aber schützt. mit vielen, kleinen Knirpsen ab.

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