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Materialmappe zur Inszenierung

DIE NIBELUNGEN

von Friedrich Hebbel

Premiere: 07.02.2008, GROSSES HAUS

Inszenierung: Andreas von Studnitz Bühne, Kostüme und Masken: Marianne Hollenstein

Ich zieh hinaus mit lauter guten Freunden (Siegfried)

Nele Neitzke Theater Ulm Herbert-von-Karajan-Platz 1 89073 Ulm Tel: 0731-1614411 E-Mail: [email protected]

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Inhalt

Einleitung S. 1

Der Autor S. 2

DAS S. 3

Nibelungenlied – Personenverzeichnis S. 4

Hebbel über DIE NIBELUNGEN S. 7

Inhalt des Stückes DIE NIBELUNGEN S. 8

Kurzinterview mit dem Regisseur Andreas von Studnitz S. 10

Besetzung von DIE NIBELUNGEN im Theater Ulm S. 11

Premierenkritik: Mit skurillem Charme am Abgrund S. 12

Bastelanlass: Ich mache mir meinen eigenen Nibelung S. 13

Theaterpädagogische Anregungen S. 13

Anhang: Rollentexte, Text „DIE NIBELUNGEN in 30-Sekunden“, Spielszenen, Literaturhinweise S. 15

Liebe Lehrerinnen und Lehrer, wir glauben, dass das Erlebnis Theater erst dann richtig beginnt, wenn man begreift. Schüler sollten auf den Theaterbesuch vorbereitet werden, damit sie ihn genießen können. Die kleinen Materialsammlungen zu den Inszenierungen am Theater Ulm sollen Ihnen zur Vorbereitung des Theaterbesuchs mit Ihrer Klasse dienen. Neben Hintergrundinformationen zu Autor und Werk enthalten sie Materialien, die für den Zugriff des jeweiligen Regisseurs von Bedeutung sind. Außerdem am Ende einige theaterpädagogische Anregungen, mit denen Sie bestimmte Themenkomplexe der Inszenierung mit ihren Schülern praktisch „anSPIELEN“ können.

Sie können sich aus diesen Materialien einzelne Dinge herausgreifen, sie abwandeln oder das gesamte Material verwenden.

Viel Freude beim Ausprobieren und dem Theaterbesuch wünscht

Nele Neitzke

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Wenn das Nibelungenlied auch eine der ältesten Sagen um Macht, Liebe und Hass ist, könnten die Probleme nicht heutiger sein: Männer, die ihre Männlichkeit beweisen müssen, tun dies auf Kosten von Frauen. Und diese rächen sich...

Der Autor Christian Friedrich Hebbel wird am 18. März 1813 in Wesselburen, Dithmarschen als Sohn eines Maurers geboren und war dänischer Untertan, da die Region Norderdithmarschen sich seit 1559 unter dänischer Herrschaft befand und erst kurz nach seinem Tod von preußischen Truppen erobert wurde. Die soziale Lage der Familie war schlecht. Nach dem Tod des Vaters (1827) trat Hebbel in die Dienste eines Kirchspielvogts, bei dem er zwar vom Laufburschen zum Schreiber aufstieg, trotzdem aber weiterhin in bescheidenen Verhältnissen lebte. So musste er sein Nachtlager unter einer Treppe mit einem Kutscher teilen. Während der sieben Jahre seiner Arbeit beim Vogt konnte Hebbel, der schon immer gern gelesen hatte, auf dessen Bibliothek zurückgreifen. In der Schreiberstube hier entstanden seine ersten Gedichte. 1835 siedelte Hebbel nach Hamburg über, zu dieser Zeit beginnt er sein Tagebuch mit den Worten: Beginn des Tagebuchs: „Ich fange dieses Heft nicht allein meinen künftigen Biographen zu Gefallen an, obwohl ich bei meinen Aussichten auf die Unsterblichkeit gewiß sein kann, daß ich einen erhalten werde“. Bereits 1836 geht er nach Heidelberg, wo er, obwohl er keinen Schulabschluss hat, Jura studieren will. Doch die Juristerei befriedigt ihn nicht, und so geht er nach München, dann nach Hamburg und widmet sich ganz der Schriftstellerei. 1840 bekommt er mit Elise Lensing einen Sohn. Kurz darauf reist er nach Kopenhagen, wo ihm der dänische König Christian VIII. ein Stipendium für eine zweijährige Bildungsreise zukommen ließ. Hebbel reiste nach Paris, Rom, Neapel und schließlich nach Wien, wo er bis zu seinem Tod lebte. Er heiratete 1846 eine Burgschauspielerin, was seine finanzielle Lage verbesserte, so dass er sich ungestört dem Schreiben widmen konnte. Er schrieb vor allem Dramen, u.a. Agnes Bernauer, Gyges und sein Ring sowie Die Nibelungen. Sein größter Erfolg ist bis heute das 1843 entstandene Maria Magdalena. In Wien erhielt Hebbel öffentliche Anerkennung für sein Werk und wurde schließlich als erster mit dem neu geschaffenen Schillerpreis der Stadt ausgezeichnet. Während seines gesamten Lebens zeigte Hebbel soziales und politisches Engagement. Er begrüßte die Märzrevolution, nahm aber eine grundsätzlich loyale Haltung zur Regierungsform der Monarchie ein. 1849 kandidierte er (erfolglos) für die Frankfurter Nationalversammlung. In seinen Werken schildert er oft tragische, schicksalhafte Verkettungen von Ereignissen und macht die sozialen Probleme seiner Zeit zum Thema. Mit scharfen Worten wandte er sich gegen die Dichtung seines Zeitgenossen , die er als leere Idylle empfand. Kontroversen ging der als aufbrausend geltende Hebbel selten aus dem Weg. Als Publizist schrieb er u. a. für die Wiener Zeitung, die Augsburger Allgemeine Zeitung und die Illustrirte Zeitung aus Leipzig.

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Friedrich Hebbel starb am 13. Dezember 1863 in Wien im Alter von 50 Jahren. In den letzten Jahren hatte er zunehmend an Rheuma gelitten, wahrscheinlich eine Spätfolge der entbehrungsreichen Jahre, bevor er nach Wien gezogen war.

DAS NIBELUNGENLIED Das mittelhochdeutsche Nibelungenlied stammt von der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert und ist damit die älteste erhaltene Version der Nibelungensage, die in zahlreichen anderen mittelalterlichen Schriften auftaucht, etwa in der Thidrekssaga und der jüngeren Edda (Sigurdlieder und Atlilied). In ihm verarbeitete ein unbekannter Dichter einen Erzählstoff, der schon mehrere Jahrhunderte alt war. Geschichten aus der Völkerwanderungszeit, die teils in mündlicher, teils in schriftlicher Überlieferung, über Generationen weiter gegeben worden waren, werden vom Autor als Basis seines Epos verwendet. Eine historische Quelle wird die Zerschlagung des Burgunderreiches im der Gegend um Worms im Jahr 436 durch den Römer Aetius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen gewesen sein; die Überlieferung ersetzte später wohl Aetius durch Attila, also Etzel, den Hunnenkönig, der mit der Zerstörung des Burgunderreiches historisch nichts zu tun hatte.

Das Nibelungenlied ist in sangbaren vierzeiligen Strophen gedichtet (heute als Nibelungenstrophe bezeichnet), deren Melodie sich jedoch nicht rekonstruieren lässt. Diese metrische Form ist ein Charakteristikum der Heldenepik; tritt aber schon vor dem Nibelungenlied in der Lyrik auf, beim "Kürenberger". Gesungene Strophenepik unterscheidet sich aufs deutlichste von der zeitgleichen höfischen Erzählliteratur, vor allem dem Antiken- und Artusroman, die fast ohne Ausnahme in (gesprochenen) Reimpaarversen gehalten ist. In dieser Hinsicht war das Nibelungenlied „archaischer“ als die „moderne“ Ritterliteratur eines , und Gottfried von Straßburg. Die ca. 2.400 Strophen des Nibelungenlieds sind in 39 aventiuren (sprich: Aventüren) untergliedert, kapitelartige Erzähleinheiten von variabler Länge, die in den meisten Handschriften Überschriften tragen. Diese Überschriften und die Bezeichnung der Abschnitte als aventiuren gehen jedoch nicht auf den Autor zurück, da jede Handschrift andere Titel setzt, diese also unabhängig von einander sind, und die dem Original am nächsten stehende St. Galler Handschrift nur Absätze zwischen den Abschnitten macht, ohne Titel.

Der Kern der Nibelungensage muss 700 Jahre lang durch Epensänger mündlich tradiert worden sein. Dabei entstanden unzählige Varianten der Geschichte. Verschiedene Sagenkreise wurden aneinandergeknüpft, Figuren wechselten ihre Rolle usw. Kein Wille eines Autors konnte den Stoff fixieren. Vor 1200 hatte man noch nie eine Umsetzung dieser Sage in eine buchliterarische Form versucht. So weist das Nibelungenlied – als Erstling einer neuen literarischen Tradition – sowohl (inhaltliche) Spuren seiner "autorlosen" Vorgeschichte wie (sprachliche) Spuren der Dichtersprache der mündlichen

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Erzählkunst auf; aber zugleich zeigt es Züge des „großen“ antik-historischen Buchepos, an denen sich der Verschriftlichungsprozess sicherlich orientierte.

Nibelungenlied - Personenverzeichnis Alberich. Der König der Nibelungen und Hüter des Hortes, ehe der zu den Burgundern nach Worms gelangt.

Amelrich. Das Meerweib Siegelind rät dem Hagen, Amelrich zum Decknamen zu benutzen, um über die Donau zu gelangen.

Balmung. Das wunderbare Schwert Siegfrieds, das dessen Mörder Hagen auf der Fahrt zu Etzel führt und mit dem ihn die rächende Kriemhild erschlägt.

Blödel(in). Ein Bruder Etzels, der für Kriemhild das Lager der Burgunder überfällt und dafür von Dankwart erschlagen wird.

Brunhilde. Eine Walküre, die Gunther dank Siegfrieds Hilfe gewinnt. Der Streit zwischen ihr und Kriemhild führt zum Mord an Siegfried.

Dankrat. Der Gatte Utes und Vater der Kriemhild.

Dankwart. Der Bruder Hagens, Marschall König Gunthers und wackerer Streiter in dessen Gefolge.

Dietrich von Bern. Führer der Amelungen und Exilant an Etzels Hof.

Eckewart. a) Ein Markgraf am Hofe Gunthers, der als treuer Diener (Ehrenritter) Kriemhilds mit ihr zu den Heunen zieht, später die Burgunden vor ihrer Rache warnt. b) Ein Wächter Rüdigers, den Hagen schlafend antrifft.

Else. Der Herrscher (Fürst), dessen Fährmann von Hagen erschlagen wird. Else kann auch eine Frau gewesen sein, siehe Amelrich.

Etzel. Der König der Hunnen, dem sich Kriemhild nach dem Tod ihres Siegfried vermählt.

Giselher der Junge. Der jüngste der drei Könige Burgunds.

Gelfrat. Der Bruder Elses, der beinahe Hagen erschlägt aber von Dankwart getötet wird.

Gere. Ein Markgraf im Gefolge Gunthers. Er wird als Bote zu Kriemhild geschickt.

Gernot. Einer der drei Könige Burgunds. Siehe Gernot.

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Giebecke. Ein Fürst und Gefolgsmann Etzels.

Gotelinde. Die Frau Rüdigers von Bechelaren, Mutter der Dietelind.

Gunther. a) Der vornehmste der drei Könige Burgunds, Bruder Kriemhilds und der Freund und Verräter ihres Gatten Siegfried. b) Der Sohn Kriemhilds und Siegfrieds.

Hagen von Tronje. Lehnsmann Gunthers und Bruder Dankwarts. Er ist Vertrauter Brunhildes und Gegenspieler Kriemhilds, er tötet den Siegfried. Bei Etzel findet er durch Kriemhilds Hand den Tod.

Hadburg. Ein Meerweib, das Hagen vor der Reise zu Etzel erst zurät, dann warnt.

Hawart von Dänemark. Ein Gefolgsmann Etzels und Lehnsherr Irings.

Helferich. Einer der Amelungen und Bote des . Er erschlug Dankwart.

Helke. Die Frau Etzels, Tochter des Oserich. Sie ist Mutter von Diether, Ort und Scharf sowie Tante der Herrat. Zu Etzel gelangte sie als ein Geschenk Rüdigers, der sie entführt hatte. Als sie stirbt wirbt Etzel um Kriemhild.

Helmnot. Einer der Amelungen des Dietrich von Bern.

Herrat. Eine Nichte Helkes und Tochter Nentweins. Sie ist Verlobte des Dietrichs von Bern.

Hildebrand. Der alte Waffenmeister des Dietrich von Bern. Er erschlägt Kriemhild.

Hornbog der Schnelle. Ein Gefolgsmann Etzels.

Hunold. Kämmerer und Kellermeister am Hofe Gunthers.

Iring. Ein dänischer Gefolgsmann Etzels und Kriemhilds, der im Kampf gegen Hagen den Tod findet.

Irnfried. Ein thüringischer Gefolgsmann Etzels und Kriemhilds, der im Kampf gegen Volker den Tod findet.

Kriemhild. Die Tochter Utes und Frau Siegfrieds. Als sie nacheinander ihn und den Nibelungenhort an die ungetreuen Burgunder verliert hat, lebt sie in unversöhnlichem Hass beim Hunnenkönig Etzel, an dessen Hof sie sich an Hagen rächt.

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Lüdegast. Ein König von Dänemark, der Gunther den Krieg erklärt aber durch die Hilfe Siegfrieds geschlagen wird.

Lüdeger. Ein König von Sachsen, der Gunther den Krieg erklärt aber durch die Hilfe Siegfrieds geschlagen wird.

Nudung. Der Sohn Gotelindes, der von Wittich erschlagen wurde. Um sein verwaistes Lehen kämpfen die Mannen Kriemhilds.

Ortewein von Metz (Ortwin, „der mit der Lanze Vertraute”.) Der Truchseß König Gunthers und Neffe des Hagen von Tronje.

Ort. Der Sohn Etzels und seiner ersten Frau Helche.

Ortlieb. Der Sohn Kriemhilds und Etzels, den Hagen von Tronje erschlägt.

Pilgerin. Der Bruder Utes und Bischof zu Passau, der die Burgunder auf dem Weg zu Etzel bewirtet.

Ramung. Ein Herzog der Walachei und Gefolgsmann Etzels.

Rüdiger von Bechelaren. Ein sowohl Kriemhild wie den Burgundern zugetaner Markgraf.

Rumold. Der Küchenmeister Gunthers, der bei dessen Abreise zu Etzel in Burgund verbleibt.

Scharf. Ein Sohn Etzelsund der Helke.

Swemmel. Ein Fiedler Etzels, der den Burgundern die Einladung Etzels überbringt.

Siegelind. a) Die Mutter Siegfrieds, Königin der Niederlande. Siehe Siegelind. b) Ein Meerweib, das Hagen vor der Reise zu Etzel warnt.

Siegfried von Xanten. Der strahlende Held des ersten Teils des Liedes, Gatte Kriemhilds, der Gunther bei der Brautwerbung hilft und von Hagen ermordet wird.

Siegmund. Der Vater Siegfrieds.

Siegstab. Einer der Amelungen des Dietrich von Bern.

Sindold. Mundschenk am Hofe Gunthers.

Ute. Die Mutter von Kriemhild, Gunther, Gernot und Giselher.

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Volker von Alzeie. Ein „an allen kräften wohl bewarter” Mann Gunthers, vielleicht identisch mit: Volker der Spielmann. Ein Gefolgsmann Hagens, dessen wundersames Fiedel-Spiel den Burgundern im Kampf beisteht, siehe Volker.

Werbel. Ein Fiedler Etzels, der den Burgundern die Einladung Etzels überbringt.

Wittich. Ein Sohn Wielands. Er erschlug Nudung, den Sohn Gotelindes.

Wolfbrand. Einer der Amelungen des Dietrich von Bern, dessen Neffe er ist.

Wolfhart. Einer der Amelungen, Neffe des Hildebrand und kühner Recke des Dietrich von Bern. Er ist Bruder des Alphart. Durch seine Hand fiel Giselher.

Wolfwein. Einer der Amelungen des Dietrich von Bern.

Ein Fährmann. Verweigert Hagen die Überfahrt über die Donau und wird dafür von dem getötet.

Ein Kaplan. Der Pfaffe Gunthers überlebt als einziger der Burgunden den Zug zu Etzel, weil Hagen ihn unterwegs vergebens zu ertränken versucht.

Hebbel über DIE NIBELUNGEN 2. Januar 1860: In diesem Winter hoffe ich, meine Nibelungen zu endigen. Das erste Stück "Der gehörnte Siegfried" (1 Akt) und das zweite "Siegfrieds Tod" (5 Akte) waren längst fertig. Von dem dritten "Kriemhilds Rache" habe ich zu Weihnacht den dritten Akt geschlossen. Mit dem Ganzen werde ich meine größte Tat oder meine größte Narrheit hinter mir haben. Eine andere Alternative gibt es nicht.

Nach der Premiere im Januar 1861: Der Erfolg der Aufführung war unzweifelhaft; eine Aufmerksamkeit und Totenstille, als ob nicht von der Vergangenheit, sondern von der Zukunft die Rede wäre und eine so fest zusammengehaltene Stimmung, dass nicht einmal die Zwerge mit ihren scheußlichen Buckeln und langen Nasen, das leiseste Gelächter hervorriefen. Der Großherzog ließ mich nach dem Schluss in seine Loge hinauf bescheiden und dankte mir herzlich, ebenso die Großherzogin...

22. März 1860: Eben, abends 7 Uhr, schreibe ich die letzten Verse des 5. Akts von Kriemhilds Rache nieder. Draußen tobt das erste Frühlingsgewitter sich aus, der Donner rollt und die blauen Blitze zucken durch das Fenster, vor dem mein Schreibtisch steht. Die Hauptszene fiel auf meinen Geburtstag (d. h. den 18. März), mir immer ein schönes Zeichen für’s ganze Jahr. Oktober 1855 begann ich.

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Inhalt des Stückes DIE NIBELUNGEN Erste Abteilung: “Der gehörnte Siegfried” Vorspiel in einem Akt Personen: König Gunther, Hagen Tronje, Dankwart (Hagens Bruder), Volker (der Spielmann), Giselher und Gerenot (Brüder von Gunther), Rumolt (Küchenmeister), Siegfried, Ute (Mutter von Gunther), Kriemhild (Schwester von Gunther), Recken, Volk

Der Spielmann Volker erzählt von Siegfrieds Heldentaten und von Brunhild – von ihrer Schönheit und ihren Kräften. Da trifft Siegfried ein und möchte mit Gunther um sein Reich kämpfen. Gunther lehnt den Kampf mit der Begründung ab, dass er nicht um das kämpfe was er schon besitze. Siegfried lässt die Sache erst nicht auf sich beruhen, fordert Gunther dann aber als Kraftprobe zum Weitwurf mit einem Felsbrocken auf. Während die Männer im Hof den Weitwurf ausüben treten Kriemhild und ihre Mutter, während eines Gespräches über einen Traum (Falkentraum – Tod des zukünftigen Mannes), ans Fenster. Kriemhild sieht Siegfried und ist von ihm begeistert. Auch Siegfried sieht Kriemhild und wirbt nach Beendigung der Kraftprobe bei Gunther um sie. Dieser willigt mit der Bedingung ein, dass Siegfried ihm bei der Eroberung von Brunhild hilft. Siegried war bereits einmal bei Brunhild, jedoch unsichtbar für diese. Er wollte nicht um sie werben, nur die Lust am Kampfe trieb ihn in ihr Reich. Siegfried und Gunther beschließen gemeinsam zu Brunhild loszuziehen.

Zweite Abteilung: „Siegfrieds Tod“ Ein Trauerspiel in fünf Akten Personen: König Gunther, Hagen Tronje, Dankwart, Volker, Giselher und Gerenot, Wulf und Truchs (Recken), Rumolt, Siegfried, Ute, Kriemhild, Brunhild, Frigga (Brunhilds Amme), ein Kaplan, ein Kämmerer, Recken, Volk, Mägde, Zwerge

Gunther, Siegfried und Brunhild sprechen über den anstehenden Dreikampf zwischen Gunther und Brunhild. Siegfried geht vermeintlich zum Schiff zurück um es für die Rückfahrt vorzubereiten. In Wahrheit unterstützt er Gunther im Kampf gegen Brunhild. Siegfried fährt dann als Bote vor und überbringt Gunthers Mutter Ute die Nachricht vom Sieg Gunthers und der somit anstehenden Hochzeit. Auf der Rückfahrt mit dem Schiff weigert sich Brunhild Gunther zu küssen. Am Schloss Gunthers angekommen fremdelt Brunhild – sie hat all die Dinge noch nie gesehen; der Himmel ist anders als in der Heimat, sie kennt keine Blumen etc. Da Siegfried jetzt Kriemhild ehelichen darf – mit Erlaubnis von Gunther und auch Kriemhild - schenkt er ihr den Nibelungenhort und küsst sie. Die Doppelhochzeit folgt. Während des Festes bitten Hagen und Gunther Siegfried darum, Brunhild zu bändigen. Siegfried weigert sich, wird jedoch nach längerem hin und her von den beiden überzeugt dies tun zu müssen. Siegfried bändigt Brunhild, nimmt ihren Gürtel mit und wirft ihn achtlos weg. Kriemhild findet ihn und denkt er sei ein Geschenk für sie. Da Siegfried dies bestreitet, will sie die Wahrheit wissen. Brunhild denkt, Siegfried sei es nicht wert, Kriemhild zu „besitzen“ und spricht immer sehr negativ über ihn – auch vor Kriemhild. Da Brunhild Kriemhild provoziert, verrät diese Brunhild wer sie in der Hochzeitsnacht bezwang.

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Brunhild ist sauer, sie kapiert, dass Siegfried bei ihr im Isenland war und nicht um sie warb und er dann später für Gunther gewann. Sowohl Hagen als auch Brunhild wollen den Tod Siegfrieds. Gunther möchte dies nicht. Siegfried ist kurz vor seiner Abreise in die Heimat, um seiner Mutter Kriemhild vorzustellen. Doch dann wird ihm von Hagen und Gunther erzählt, dass die Dänen und Sachsen vermeintlich zum Kampf gegen sie ziehen. Siegfried erklärt sich bereit, erst nach der Schlacht in die Heimat zu ziehen. Gunther möchte von dem hinterhältigen Plan Abstand nehmen und die Sache abblasen, er möchte nicht dass Siegfried stirbt. Doch Hagen beginnt mit dem bösen Spiel und versucht durch einen Hinterhalt von Kriemhild die verwundbare Stelle Siegfrieds zu erfahren. Dies gelingt ihm auch in dem er vorgibt diese Stelle im Kampfe stets zu schützen. Ein gestellter Bote überbringt eine weitere Nachricht und bittet darin um Frieden mit den Dänen und Sachsen. Siegfried ist nach wie vor wütend und freut sich über das Angebot von Hagen mit auf die Jagd zu gehen, da er da seine Wut loswerden könne. Kriemhild hat Schuldgefühle, da sie Hagen die verwundbare Stelle Siegfrieds verraten hat und es beschleicht sie ein unguter Verdacht. Siegfried geht mit Hagen und Anhang auf die Jagd und wird bei einer Rast am Wasser von Hagen – ohne Zustimmung Gunthers – getötet. Als Kriemhild vom Tod ihres Mannes hört ist sie tief bestürzt; sie weiß, dass Hagen hinter der Tat steckt. Sie bittet Gunther um „Gericht“, doch dieser wird nicht tätig.

Dritte Abteilung: „Kriemhilds Rache“ Ein Trauerspiel in fünf Akten Personen: König Gunther, Hagen Tronje, Dankwart, Rumolt, Giselher und Gerenot, Kaplan, König Etzel, Dietrich von Bern, Hildebrant (sein Waffenmeister), Markgraf Rüdeger, Iring und Thüring (nordische Könige), Werbel und Swemmel (Etzels Geiger), Ute, Kriemhild, Götelinde (Rüdegers Gemahlin), Gudrun (Tochter von Götelinde), ein Pilgrim, eine Heune, Otnit und Eckewart (=stumm)

Rüdeger wirbt für König Etzel um Kriemhild. Hagen warnt vor den möglichen Folgen der Heirat – er weiß um den Hass Kriemhilds. Hagen hatte ihr zuvor bereits den Hort genommen und ihn im Rhein versenkt, weil er Kriemhilds Rache fürchtet – sie hätte ein Heer mit dem Hort geworben (Vers 2913). Kriemhild lehnt den Werber erst ab und bittet ihren Bruder Gunther nochmals Hagen anzuklagen. Da dieser dies nicht tut, sieht sie ihre letzte Chance auf in der Hochzeit mit Etzel. Kriemhild sagt somit „ja“ zu Rüdeger, gekoppelt mit dessen Schwur, dass König Etzel und auch er, dafür alles tut was sie fordert. Rüdeger willigt ein und Kriemhild zieht zu König Etzel und heiratet ihn. Sieben Jahre vergehen, ehe ihre Brüder mit Hagen und Gefolge wie versprochen zu Besuch kommen. Giselher will um Rüdegers Tochter Gudrun werben und bittet dann bei ihm um ihre Hand. Beide willigen ein und die Hochzeit soll bald stattfinden – nach der Rückkehr von König Etzel. Gunther will Hagen nach Hause schicken, weil er der Einzige sei, für den Gefahr in Etzels Reich bestünde. Hagen weigert sich zu gehen. Die Nibelungen treffen im Hause Etzels ein. Kriemhild begrüßt die Gäste. Bis auf Giselher fällt die Begrüßung allerdings eher kühl und distanziert aus. Sie

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10 bedankt sich bei Dietrich von Bern, dass er die Gäste empfangen hat. Kriemhild heißt Hagen nicht willkommen und betont, dass sie ihn nicht eingeladen habe; des Weiteren fordert sie von ihm die Bekanntgabe des Verstecks des Nibelungenhorts. Dies verweigert er. Kriemhild erinnert Rüdeger an seinen Schwur. Abends geht Kriemhild nochmals zu Hagen und beschimpft ihn als Mörder ihres Mannes. Hagen macht keinen Hehl daraus, dass er Siegfried umgebracht hat. Kriemhild droht ihm, dass er nicht entkommen kann. Durch den Streit wachen Gunther und seine Brüder auf und wollen wissen was los ist. Abermals bittet Kriemhild Gunther Gericht über Hagen zu halten. Doch Gunther und seine Brüder stehen hinter Hagen und verweigern seine Herausgabe. Auch Etzel will Hagen nicht töten, denn Gäste sind ihm heilig – erst wenn sie wieder gezogen sind könnte er sie töten. Etzel hat die Gäste zu einem gemeinsamen Mahl geladen. Als Dankwart in den Festsaal stürmt und den Tod des eigenen Gefolges bekannt gibt, tötet Hagen Kriemhilds und Etzels Sohn. Etzel schwört Rache und ein Gemetzel beginnt. Kriemhild bietet den Brüdern an sie zu verschonen, wenn sie Hagen den Kopf abschlagen. Dies verweigern sie und der Kampf geht weiter. Dietrich bringt Hagen und Gunther als einzige Überlebende aus dem brennenden Saal. Hagen weigert sich den Aufenthaltsort des Nibelungenhorts zu verraten, solange noch einer seiner Könige lebt. Daraufhin wird Gunther getötet. Hagen hüllt sich weiterhin in Schweigen. Daraufhin erschlägt Kriemhild Hagen mit dem Balmung. Hildebrant rächt Hagens Tod, indem er Kriemhild umbringt. Der verzweifelte Etzel bittet Dietrich ihm seine Krone abzunehmen und die Welt von nun an auf seinem (Dietrichs) Rücken weiterzuschleppen. Dietrich antwortet: “Im Namen dessen, der am Kreuz erblich!“

DIE NIBELUNGEN am Theater Ulm – Kurzinterview mit dem Regisseur Andreas von Studnitz Nele Neitzke: In deiner Inszenierung tragen die Schauspieler Maskenköpfe, die den ganzen Kopf umschließen. Die Gesichter der Schauspieler sind nicht zu sehen. Warum? Andreas von Studnitz: Die Frage bei den NIBELUNGEN ist für mich: Was ist das für eine Welt, in der die Figuren leben? Es gibt nordische Königinnen, Drachen und Drachentöter. Es ist eine Geschichte aus einer fernen Zeit. Wenn ich die Geschichte auf eine heutige Ästhetik umbiege, bleiben gewisse Fragen außen vor und zwar, weil mich immer Gesichter von heute ansehen. Das Fiktionale, Herr-der-Ringe-mäßige – wie kriegt man das hin? Indem ich eine Welt mit Maskenköpfen zeichne, blicke ich in Gesichter, denen ich so nicht auf der Straße begegne. NN: Der vordere Bühnenbereich steht in deiner Inszenierung unter Wasser – was man selten im Theater sieht. Warum? AvS: Die NIBELUNGEN-Geschichte ist durchzogen von dem Motiv Wasser. Der Rhein, in dem der Nibelungenhort versenkt wird, die Fahrt auf der Donau zu den Hunnen, die die Burgunder in den Tod führt, die Reise nach Island zu Brunhild, die jedem den Tod verspricht, die Quelle, an der Siegfried ermordet wird.

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Wasser ist ein Material ist, das abstrakt und konkret, künstlich und natürlich gleichermaßen funktioniert. Es steht für Leben – wie für Tod. Bei unserer Inszenierung auch - für eine eingesunkene Welt, für einen Raum, der im Grundwasser versinkt. Die Nibelungen stehen für eine End – Zeit. Sie nennen sich Christen, aber verhalten sich zutiefst unchristlich. Sie halten zusammen bis in den Tod obwohl sie inhaltlich nichts verbindet. Das nennt man „Nibelungentreue“. NN: Darum auch der „heruntergekommen“ wirkende Bühnenraum? AvS: Ja. Ein Raum, in dem man Schwerter stumpf schlägt, an Mauern und an Menschen. Es ist ein Kriegsraum. Er erinnert mich an bestimmte Stellen in Ostberlin vor der Wende, wo man in einigen Bezirken noch die Einschüsse vom Häuserkampf sehen konnte. NN: Du hast Hebbels Text wieder sehr gekürzt. Nach welchen Kriterien gehst Du vor? AvS: Ich möchte eine (die!) Geschichte erzählen. In einer Zeit, die ich auf dem Theater für richtig halte – so zwischen 2 – 3 Stunden. Hebbel hat die Motive sehr ausgeschmückt und variiert – ungestrichen dauert der Abend 5-6 Stunden. Da muss ich mich entscheiden. Ich stelle mir bei jedem Satz folgende Fragen: War diese Information schon da bzw. wird sie an einer späteren, richtigeren Stelle genannt? Wann verliert ein Text seine szenische Kraft und hat nur noch literarische Qualität? Braucht die Figur diesen Satz?

Besetzung von DIE NIBELUNGEN am Theater Ulm

Der gehörnte Siegfried König Gunther Andreas Uhse Giselher , sein Bruder Antonio Lallo Kriemhild , seine Schwester Annette Fassnacht Ute , deren Mutter Ulla Willick Hagen Tronje Christian Taubenheim Volker , Spielmann Gunther Nickles Siegfried Raphael Westermeier

Siegfrieds Tod König Gunther Andreas Uhse Giselher , sein Bruder Antonio Lallo Kriemhild , seine Schwester Annette Fassnacht Ute , deren Mutter Ulla Willick Hagen Tronje Christian Taubenheim Volker , Spielmann Gunther Nickles Siegfried Raphael Westermeier Brunhild Aglaja Stadelmann Frigga Wilhelm Schlotterer

Kriemhilds Rache König Gunther Andreas Uhse

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Giselher , sein Bruder Antonio Lallo Kriemhild , seine Schwester Annette Fassnacht Ute , deren Mutter Ulla Willick Hagen Tronje Christian Taubenheim Volker , Spielmann Gunther Nickles König Etzel Raphael Westermeier Dietrich von Bern Aglaja Stadelmann Hildebrant , sein Waffenmeister Ulla Willick Markgraf Rüdeger Wilhelm Schlotterer Gudrun, seine Tochter Aglaja Stadelmann Ute Ulla Willick Werbel Ulla Willick Soldat Ulla Willick Otnit , ein Kind Statisterie Heunen Statisterie

Premierenkritik: DIE NIBELUNGEN: Mit skurrilem Charme in den Abgrund Das Theater Ulm zeigt Hebbels '"Nibelungen" als Maskenspiel Eine graue Gruselburg in bedenklicher Schieflage, darin agiert das Ensemble knöcheltief im Wasser mit überlebensgroßen Maskenköpfen als die Nibelungen. Als märchenhaftes Figurentheater erzählt Andreas von Studnitz in Ulm aus Hebbels Drama nur den Sagenstoff. Das hat was.

ULM. Ein unbesiegbarer Held, zwei königliche Frauen, denen die Liebe in höchstem Maße Schmach und Leid bringt, ein intelligenter Bösewicht, Rache, Betrug, Meuchelmord und finales Gemetzel - mehr kann ein Sagenstoff gar nicht bieten. Als von den großen Emotionen der Burgunderfürstin Kriemhild vorangetriebene Katastrophengeschichte aus frühchristlicher Zeit hat der Begriff "Nibelungen" denn auch einen aufregenden und mythischen Klang. Als dreiteiliges Mammut-Trauerspiel von Friedrich Hebbel hingegen haftet den "Nibelungen" der Geruch ideologischer Ausbeutung an, im 19. Jahrhundert (Wagners Opern-Tetralogie ging es damals nicht besser) durch nationalistische Stimmungsmache, bei den Nazis zur Verbildlichung ihrer germanischen Heldenkult-Phrasen und Schlimmerem. Keine "Nibelungen- Aufführung", die künstlerisch ernster genommen werden will als das boomende Freiluft-Spektakel mit Film- und Fernsehstars vor dem Dom in Worms, kommt daher ohne Zitate dieser Rezeptionsgeschichte aus. Noch lässt sie sich den Hinweis auf vergleichbare Untergangsszenarien in der literarischen und realen Geschichte von Troja über Stalingrad bis zu den New Yorker Zwillingstürmen entgehen. Jetzt tut es aber doch eine! In Ulm hat Intendant Andreas von Studnitz Hebbels “Nibelungen” als Maskenspiel inszeniert, das in dem Stoff wieder ganz das Märchen zum Vorschein bringt. Ein Wagnis - oder war's ein Ausweichen vor dem Ballast deutscher Fragen? - im Team mit Bühnen- und Kostümbildnerin Marianne Hollenstein, das gut ausgegangen ist. Die Aufführung bezirzt mit einem ganz eigenen Charme zwischen Mysterienspiel und Augsburger Puppenkiste. Das Premierenpublikum

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13 war dem Applaus nach ziemlich begeistert. Der Burgunderhof steht unter Wasser. Es wird der Rhein sein, der die vielleicht durch Kriegserschütterungen aus den Fugen geratenen Mauern unterspült hat. So konkret wollen die "Nibelungen" bei Studnitz und Hollenstein aber gar nicht verstanden werden. Alles ist jedenfalls schon halb den Bach hinab und König Gunther will die stärkste Frau der Welt heiraten. So beginnt es ja, das Unglück: mit dem Handel, dass Siegfried mit seiner Tarnkappe Gunther bei der Eroberung Brunhilds hilft, er dafür dessen Schwester Kriemhild bekommt. Und hier sind die Zweifel noch beträchtlich, als Zuschauer in dieses Spiel hineingelockt werden zu können, das Überzeitlichkeit zeigen soll und doch nach putzigem Kindertheater aussieht. Diese immensen Schädel mit ihren grotesken Verformungen und krassen Übertreibungen, die Marianne Hollenstein da gebaut hat, die Darsteller tragen sie konzentriert aufrecht umher oder sitzen verkrampft lässig auf einem Stuhl. Gunther (Andreas Uhse) bewegt zu minniglichen Klängen Volkers (Gunther Nickles) tändelnd die neben der riesigen Maske winzig aussehenden Hände. Siegfried (Raphael Westermeier) winkt ein unbekümmertes Hallo mit seinem Wunderschwert. Sie stampfen demonstrativ durch das Wasser. Aber dann steigert sich die Wirkung mit dem Verlauf der nun mal starken Geschichte, die von Studnitz auf GeradIinigkeit hin gekürzt worden ist. Die optischen Effekte mit Hell-Dunkel- Kontrasten, farbigen Nebeln, verführerischem und bedrohlichem Leuchten hinter den kahlen Mauern werden schön mystisch, die Komik indes bleibt harmlos-nett. Die Frauen entwickeln eindrückliche Präsenz inmitten des außer Hagen (Christian Taubenheim) eher wankenden Männerhaufens. Brunhild (Aglaja Stadelmann) schwebt als grünes Gift auf einer Schaukel schon beim Kennenlernen der Burgunder über dem Abgrund. Kriemhild (Annette Fassnacht) mit langschnäuzigem Puppengesicht macht ohne Furiengetobe die Vereisung ihres Herzens deutlich. Haltung bewahren sie äußerlich überhaupt die meiste Zeit, bis hin zum ebenfalls gemessen, ohne Expression ablaufenden Massenmorden im Haus des mächtig skurril daherkommenden Königs Etzel (Westermeier). Das statische, frontale Sprechen in der Maske ist der Textverständlichkeit geschuldet, sorgt aber auch dafür, dass außer dem symbolträchtigen Wasser nichts ausufert in diesem kunstfertigen Spiel.

von Petra Kollros in Südwest Presse vom 09.02.08

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Bastelanlass: Ich mache mir meinen eigenen Nibelung Die Schauspieler tragen in der Inszenierung von DIE NIBELUNGEN am Theater Ulm Masken. Diese Masken verdeutlichen die Charakterzüge der einzelnen Figuren. Um sich den Figuren des Stückes zu nähern, können mit den Schülern Masken gebaut werden, die zu den Figuren passen. Die Schüler bekommen die Aufgabe, sich anhand des Textes oder der Rollentexte ein Bild von einer der Figuren zu machen. Dann skizzieren sie ein Gesicht, das der Figur entspricht. Im Anschluss bekommt jeder einen Luftballon, Zeitungspapier und Zugang zu Tapetenkleister. Der Luftballon dient aufgeblasen als Grundgerüst für die Maske: Er wird beklebt mit Zeitungsschnipseln in 5-6 Lagen. Darauf wird dann, ebenfalls mit Kleister und Papier, ein Gesicht modelliert. Wenn die Maske getrocknet ist, wird sie bemalt. Wieder trocknen lassen, dann den Ballon zerstechen und die Maske unten aufschneiden, so dass sie über den Kopf gestülpt werden kann. Nun können auch noch Sehschlitze geschnitten werden.

Theaterpädagogische Anregungen

Gesprächsanlässe:

Wie hat euch das Bühnenbild gefallen?

Könnt ihr euch vorstellen, warum Wasser auf der Bühne war`?

Wie haben euch die Masken gefallen?

Passten die Masken zu den Charakteren der Figuren?

Welche Figur hat euch am besten gefallen? Und warum?

Welche Figur hat euch nicht so gut gefallen? Und warum?

Welche Szene hat Euch am besten gefallen und warum?

Welche Szene hat euch nicht gefallen und warum?

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Spielanlässe

Warm-Up

Nibelungen gegen Hunnen In den NIBELUNGEN gibt es mehrere große Schlachten, am Theater Ulm insbesondere die Szene in der Halle Etzels am Ende, wo einer nach dem anderen getötet wird. Dieses Spiel arbeitet mit Schlag und Gegenschlag und ist ein hervorragendes Aufwärmspiel. Die Spieler stehen sich in zwei Reihen gegenüber, ca. 5-7 m Distanz. Eine Reihe beginnt und jeder schlägt oder tritt das jeweilige Gegenüber. Das Gegenüber muss auf den Schlag so reagieren, als sei er tatsächlich getroffen. Nach 3-5 Schlägen wechseln die Reihen und die bisherigen Schlagempfänger schlagen nun, die anderen reagieren. In der nächsten Runde kommen Geräusche hinzu und in einer dritten Runde entsteht eine Prügelei über Distanz mit Schlag – Reaktion – direktem Gegenschlag – Reaktion usw. Wenn gewünscht, kann in der zweiten Runde die Versöhnung folgen und die Schläge/Tritte werden durch Streicheln und Kosen ersetzt. Das entspricht natürlich keiner Sequenz im Stück...

Sterben im Kreis Am Ende der NIBELUNGEN sind, außer Kriemhild, alle Nibelungen tot. In dem Spiel sollen die Schüler verschiedenste Arten des Sterbens übertrieben darstellen. Die Übertreibung schafft eine ähnliche Distanz zum Geschehen, wie es die Maskenköpfe in der Inszenierung des Theaters Ulm tun. Die Spieler stehen im Kreis. Abstand zwischen den einzelnen Spielern: mindestens zwei Armlängen. Ein Spieler beginnt und wendet sich zu seinem linken Nachbarn. Er stellt pantomimisch dar, den Nachbarn auf eine bestimmte Art zu töten. Der Nachbar geht, ebenfalls pantomimisch, auf das Spiel ein und stirbt in der angeregten Variante. Beide Spieler sollten das Sterben so übertrieben wie möglich darstellen. Dann steht er wieder auf und gibt seinem linken Nachbarn eine andere Vorlage. Das Spiel geht reihum weiter und je mehr kreative Sterbe-Varianten dabei herauskommen, desto besser.

DIE NIBELUNGEN in 30 Sekunden Benötigt werden 7 Kopien des Textes „DIE NIBELUNGEN in 30 Sekunden“ (s. Anhang), jeweils einen für Gunther, Siegfried, Kriemhild, Hagen, Giselher, Rüdeger und Volker. a) 7 Freiwillige nehmen vor der Klasse Platz. Sie bekommen jeweils 1 Rolle zugewiesen und lesen einmal mit verteilten Rollen zur Probe ihren Text. Danach bekommen sie die Aufgabe die Szene zu spielen und dabei den 30- Sekunden-Rekord zu halten oder zu brechen (Stoppuhr). Jedes Mal, wenn im Text steht, dass eine Figur stirbt, muss der entsprechende Spieler zu Boden gehen.

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16 b) Danach werden wieder 7 Freiwillige ausgesucht, die den Rekord der ersten Gruppe brechen sollen. Auch diese Gruppe bekommt Zeit für einen Probedurchlauf. Die Gewinner werden natürlich entsprechend bejubelt. Variante: In Kleingruppen erarbeiten die Schüler ihre eigenen 30-Sekunden-Versionen aus DIE NIBELUNGEN. Dafür müssen sie 1. aus dem Text jene Sätze heraussuchen, die die Handlung besonders deutlich voran treiben und 2. sich für die Figuren entscheiden, die in ihrer Fassung vorkommen sollen.

Siegfried´s Story Die Schüler teilen sich in 5er Gruppen. Jede Gruppe bekommt den Text „Siegfried´s Story“ aus dem Anhang. Die Gruppen haben 15-20 Minuten Zeit, sich zu überlegen, wie sie Siegfrieds Vorgeschichte vorstellen möchten. Möglich ist alles: Sie können den Text in einen dialogischen Text verwandeln und als Szene spielen, ihn pantomimisch darstellen, einen Schüler den Text lesen und die anderen dazu spielen lassen, ihn als Stationendrama mit Statuen stellen – alles ist möglich. Nach 15-20 Minuten trifft sich die gesamte Gruppe wieder und jede Gruppe stellt ihr Ergebnis vor.

Arbeit mit Rollentexten

Wer bin ich? ca. 15 Min. Für diese Übung können die Rollentexte aus dem Anhang verwendet werden oder die Schülern schreiben selbst Rollentexte oder -biographien.

Der Lehrer gibt jedem Schüler einen Rollentext, dabei sollte darauf geachtet werden, dass bei der Verteilung alle Figuren gleichmäßig vergeben werden. Bei 25 Schülern wären es also 5 komplette Ensembles. Bei Bedarf können Figuren weggelassen oder hinzugefügt werden (z.B. Ute, Giselher). Die Schüler bewegen sich durch den Raum und lesen die Rollentexte laut und für sich. Auf Anweisung des Lehrers probieren die Schüler für ihre Figur verschiedene Möglichkeiten des Sprechens, der Bewegung aus, bis sie meinen, eine angemessene gefunden zu haben. So kann Schritt für Schritt eine Figur entwickelt werden. - Welche Körperhaltung hat die Figur (aufrecht, gebückt, angespannt, entspannt...)? - Wie würde die Figur sich hinsetzen? - Welche Bewegungen macht die Figur? - Hat die Figur einen Tick (z.B. immer Haare zurückstreichen, Nägel kauen...)? - Wie setzt die Figur ihre Füße auf? - Wie ist der Gang der Figur? - Welche Sprache benutzt die Figur (Akzent, Lautstärke... – Anhand eines der Zitate unter den Rollentexten)?

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Beziehungsgeflecht/Soziogramm – Was wollen denn die von mir? ca. 30 Min. a) Wenn alle Schüler eine Figur entwickelt haben, teilen sich die Schüler in Kleingruppen in Ensemblestärke: In jeder Gruppe sind ein Siegfried, ein Gunther, ein Hagen, eine Kriemhild und eine Brunhild. Wenn die Gruppe nicht durch fünf glatt teilbar ist, kann man auch Figuren hinzunehmen (z.B. Etzel oder Volker) oder Figuren weglassen (z.B. Paare bilden: Siegfried-Hagen; Kriemhild-Brunhild). Bei 30 Schülern wären es z.B. 6 komplette Ensembles. Zuerst erzählen die Schüler sich gegenseitig, wer die jeweiligen Figuren sind und zeigen, wie sie sich ihrer Meinung nach bewegen, wie sie gehen und sprechen. In den Kleingruppen entsteht so ein erstes Verständnis für die Struktur der Verhältnisse im Stück. Die reine Gesprächsphase sollte nicht lange dauern, lieber schnell mit dem Ausprobieren anfangen. b) Die Figuren gehen nacheinander auf eine von der Gruppe festgelegte Bühne, und stellen sich mit der Körper-, Bewegungs- und Sprechhaltung in Ich- Form vor. Am Ende sprechen sie das von ihnen ausgewählte Zitat der Figur aus dem Text. Zu dem Satz soll eine entsprechende Haltung und Position auf der „Bühne“ gefunden werden, in der die Figuren „einfrieren“. Die folgenden Figuren ordnen sich den schon stehenden Figuren zu. Dabei zu beachten: An wen richtet sich das Zitat? c) Eine Bühne und ein Zuschauerraum werden festgelegt. Eine Gruppe beginnt damit, ihr Standbild vor der anderen Gruppe aufzubauen, wieder werden die Haltungen eingenommen, das Zitat wird gesprochen und die Figuren frieren zum Standbild ein. Die andere Gruppe sieht zu. Wenn alle Figuren eines Ensembles auf der Bühne stehen, sollte Raum für „Korrekturen“ sein: Was sehen die Zuschauer? Meinen sie, dass noch etwas verändert werden sollte? Wenn ja: Was? Und Wie? Wie geht es den einzelnen Figuren im Standbild? Sollte noch etwas verändert werden? Dieses Prozedere wird mit allen Ensembles durchgespielt. Zum Ende der Übung haben die Schüler mehrere Standbilder gebaut, in denen sowohl die Beziehungen der Figuren untereinander deutlich wurden, als auch jede Rolle kurz eingeführt wurde. Durch die verschiedenen Ensembles wurden im besten Falle Charakterzüge und Beziehungen der einzelnen Figuren unterschiedlich beleuchtet.

Szenisches Spiel Mit den 7 je etwa einseitigen Szenen im Anhang können die Schüler die ersten Teile von DIE NIBELUNGEN selbst erspielen. Die Gruppeneinteilung ergibt sich aus den Figuren, die jeweils für die Szenen gebraucht werden. Auch die Szenen können mit den Rollentexten und dem Statuenbau gut vorbereitet werden. Die Rollentexte müssen dann nur entsprechend der Szenenbesetzung verteilt werden. Sind mehr Schüler in der Gruppe, als Figuren in den 7 Szenen, werden Szenen doppelt vergeben. Das bietet sich ohnehin an, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Szenen heraus zu finden.

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ANHANG - Materialien

1. Rollentexte

Siegfried Siegfried ist ein Königssohn, der im Blut eines von ihm getöteten Drachen gebadet hat. Das hat seine Haut in stählerne, schützende Hornhaut verwandelt (außer einem kleinen Fleck am Rücken). Außerdem hat er eine Tarnkappe erworben, die ihn unsichtbar macht. Er ist frustriert, dass er nun keine ernstzunehmenden Gegner mehr hat. Er reist zu den mächtigen Burgundern, um seine Kraft unter Beweis zu stellen. Am Hof Gunthers von Burgund erblickt Siegfried Kriemhild, die Schwester Gunthers. Um Kriemhilds Hand zu erhalten, leistet er Gunther Dienste dabei, Brunhild von Island zu gewinnen. Denn Brunhild verweigert jedem ihre Hand, der sie nicht in drei Wettkämpfen besiegt. Da Gunther zu schwach ist, setzt Siegfried die Tarnkappe auf und kämpft unsichtbar für ihn. Auch in der Hochzeitsnacht springt er für Gunther ein und hilft ihm, Brunhild zu überwältigen. Doch er lässt Brunhilds Gürtel versehentlich unter dem Tisch liegen. Als seine Frau Kriemhild den Gürtel findet und eifersüchtig wird, verrät er ihr, dass Gunther nur durch seine Hilfe mit Brunhild verheiratet ist. Als Siegfried, Hagen, Giselher und Gunther Kriemhild und Brunhild im Streit antreffen, merken sie, dass Brunhild alles weiß. Kurze Zeit darauf will Siegfried auf Jagd mit Gunther und Hagen. Kriemhild möchte, dass er bei ihr bleibt, aber für ihn ist das nur Frauengewäsch. Als sie am Wasser rasten, erschießt Hagen Siegfried vor Gunthers Augen.

1. Kriemhild, willst du mich? 2. Ich zieh hinaus mit lauter guten Freunden 3. Mörder!

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Gunther Gunther ist der König von Burgund, Bruder von Kriemhild und Giselher und Sohn von Ute. Ein schwacher, den Konflikt scheuender Mann. Er will Brunhild, die stärkste, härteste Frau der Welt heiraten. Sie erwählt keinen, der sie nicht in allen von ihr bestimmten Disziplinen besiegt. Da kommt ihm der unbesiegbar starke Siegfried als Werbungshelfer gerade recht. Gelingt die getürkter Brautwerbung, verspricht er Siegfried seine Schwester Kriemhild zur Frau. Nach geglückter Brautwerbung wird Gunther jedoch klar, dass auch die Hochzeitsnacht für ihn eine unüberwindbare Hürde ist. Wieder soll Siegfried helfen: Er soll mit der Tarnkappe Brunhild bezwingen, damit diese denkt, ihr Gatte habe diese unglaublichen Kräfte und sei ihr gewachsen überlegen. In die Streitereien der beiden Königinnen Brunhild und Kriemhild mischt er sich nicht ein. Auch als Kriemhild Brunhild den Betrug in der Hochzeitsnacht verrät, bleibt er außen vor. Als Hagen die Sache in die Hand nimmt und Brunhild rächt, indem er Siegfried tötet, bleibt Gunther stumm – er will nur wissen, was sie den anderen jetzt sagen sollen. Als Kriemhild Rache fordert, reagiert er nicht. Als er glaubt, dass alles in Ordnung ist und Kriemhild ihm und Hagen verziehen hat, reist er mit seinen Männern zu ihr und ihrem neuenm Mann, dem Hunnenkönig. Nach einem von Kriemhild angezettelten Kampf gegen die Hunnen wird Gunther schließlich von Kriemhild getötet.

1. Meine Brautwahl hat ein Ende, Brunhilde wird die Königin Burgunds 2. Warum nicht 3. Du wirst dein ganzes Haus verderben

Hagen Hagen ist der engste Vertraute Gunthers. Hagen sieht in Siegfried den Störenfried und Keim allen Unheils, weil durch ihn Gunthers Schwäche noch deutlicher wird. Als dann der Verrat an Brunhild herauskommt, dass nämlich Siegfried sie bezwungen hat, nicht Gunther, sinnt er auf Rache. Hagen geht zu Kriemhild und bringt sie, unter dem Vorwand, Siegfried schützen zu wollen dazu, ihm dessen einzige verletzliche Stelle zu nennen. Nur so könne er diese angemessen beschützen. Dann bringt er Siegfried dazu, mit ihm und Gunther auf Jagd zu gehen und tötet ihn kaltblütig. Hagen tut alles, um Gunthers Macht zu sichern. Als Kriemhild Gunther nach einigen Jahren zu ihrem neuen Ehemann Etzel ins Hunnenreich einlädt, warnt Hagen vor ihr und lässt sich nicht abbringen, mitzukommen und Gunther Tag und Nacht zu bewachen. Kriemhilds Hunnen töten tatsächlich alle Burgunder. Hagen bleibt als letzter übrig und Kriemhild verlangt von ihm, das Versteck des Nibelungenschatzes preis zu geben. Als er sich weigert, wird auch er von ihr getötet.

1. Ich eß kein Fleisch zur Nacht, das nicht bis Mittag in der Haut noch steckt 2. Der König Gunther ward noch nie besiegt 3. Der Mann muss sterben, der dir das getan

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Brunhild Brunhild ist Königin von Island. Sie ist schön, stark und unsterblich - und nach außen hin kalt wie Eis. Freier, die um sie werben, müssen sie in drei Wettkämpfen, im Speerwerfen, Steinwerfen und Weitspringen, besiegen. Wenn ihnen das nicht gelingt, verlieren sie ihr Leben. Als Gunther und Siegfried an ihrem Hof erscheinen, denkt sie erst, Siegfried würde um sie werben und begrüßt ihn vor Gunther. Siegfried aber sagt, er sei nur Gunthers Untergebener. Brunhild ist überrascht, dass der schwächlich wirkende Gunther sie in den Wettkämpfen besiegt. Sie zieht aber, gemäß ihrem Versprechen, mit ihm nach Burgund. In der Hochzeitsnacht schließlich zeigt Gunther wieder seine Stärke und sie gibt sich ihm hin. Aus der kühlen, erhabenen Frau wird ein Eheweib erster Güte. Als jedoch Kriemhild, Siegfrieds Frau, ihr sagt, dass Siegfried nicht Gunthers Untergebener ist, sondern selbst Herrscher, wird sie argwöhnisch. Zu Recht: Kriemhild verrät ihr auch, dass Siegfried die Wettkämpfe eigentlich gewonnen hat und dass auch er es war, der sie in der Hochzeitsnacht niedergerungen hat. Brunhild ist entsetzt und fordert Gunther auf, sie zu rächen. Er weigert es. Hagen setzt sich schließlich für sie ein und tötet Siegfried.

1. Wer hier nicht siegt, der stirbt 2. Ich freue mich des Kampfes 3. Ich habe ihn vor dir begrüßt. Das räche

Kriemhild Kriemhild ist die Schwester von Gunther und Giselher und Tochter von Ute. Erst will sie gar nicht heiraten, weil Lieben nur unglücklich machen kann, denn einer müsse schließlich immer vor dem anderen sterben. Doch dann verliebt sie sich in Siegfried, den stärksten und reichsten Mann der Welt. Als sie einen Gürtel findet, denkt sie, er habe sie betrogen. Dann aber erzählt er ihr, dass er für Gunther Brunhild besiegen musste. Einige Zeit später streiten Kriemhild und Brunhild über die Macht und Stärke ihrer Männer. Um Brunhild klein zu kriegen erzählt Kriemhild ihr, wie es bei den Wettkämpfen und in der Hochzeitsnacht eigentlich war. Gleich darauf geht ihr auf, dass das nicht klug war, da Brunhild sich nun rächen will. Darum ist sie froh, als Hagen ihr verspricht, Siegfried zu beschützen. Sie sagt ihm die verwundbare Stelle Siegfrieds, damit er diese besonders schützen kann. Schnell merkt sie jedoch, dass das nur ein Trick war. Als Hagen Siegfried tötet, entbrennt ihr Hass. Sie sinnt auf Rache und heiratet Etzel, den Hunnenkönig, um die Burgunder zu zerstören. Sie heiratet nur unter einer Bedingung: Etzels Gefolgsmann Rüdeger müssen schwören, dass Etzel und er ihr in allem, was es auch sei, beizustehen. Als die Burgunder dann Jahre später an Etzels Hof geladen werden, fordert sie, dass alle getötet werden, die auf Hagens Seite stehen. Sie selbst tötet Gunther und Hagen.

1. Besser nie besitzen als verlieren 2. Jetzt, da es Siegfrieds Ehre gilt, weich ich keinen Schritt 3. Ihr seid mit Schmach bedeckt

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2. Text DIE NIBELUNGEN in 30 Sekunden Gunther Meine Brautwahl hat ein Ende. Brunhilde wird die Königin Burgunds

Siegfried Du mußt sie mit Gewalt von hinnen führen. Kriemhild, willst du mich

Kriemhild Ja

Siegfried Hagen. Mörder. (stirbt.)

Hagen Schwätzer

Kriemhild Ich bitte um Gericht

Gunther Du wirst dein ganzes Haus verderben

Kriemhild Macht sie alle nieder

Giselher Schwester Hab Erbarmen (stirbt)

Rüdeger Barmherzigkeit (stirbt)

Volker In Strömen rinnt das Blut (stirbt)

Gunther Du hättst zuhause bleiben sollen (stirbt)

Kriemhild Wo ist der Hort

Hagen Nun ist der Ort des Horts nur Gott und mir bekannt Und einer von uns beiden sagt's dir nicht (stirbt)

Kriemhild Dann Balmung leiste deinen letzten Dienst (stirbt)

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3. Text Siegfried´s Story Und gleich den ersten Tag traf ich vor einer Höhle Zwei junge Recken Brüder Die sich stritten König Niblungs Söhne Erschlagen und begraben hatten ihren Vater sie Und zankten nun ums Erbe Edelsteine haufenweise lagen aufgetürmt um sie herum Der Balmung In der Höhle rotes Gold Sie verlangten dass den Schatz ich teilen sollte Um den Mord zu hindern mit dem sie sich bedrohten Doch umsonst denn als ich fertig war Fand jeder sich verkürzt und tobte Ich warf die Hälften wieder durcheinander und teilte abermals Da wurden sie noch zorniger und drangen auf mich ein Ich um mich zu erwehren Griff zu dem Balmung neben mir Weil ich die eigne Klinge nicht mehr ziehen konnte Und eh ich's dachte hatten alle beide Wie Eber welche blind aufs Eisen laufen Sich selbst gespießt So ward ich Erbe des ganzen Nibelungenhort Nun wollt ich in die Höhle gehn Doch ich fand den Eingang nicht Ein Wall war plötzlich dort Ich stach hinein um mir den Weg zu bahnen Und es kam Blut und zuckte und ich glaubte Ein Wurm sei in dem Wall versteckt Ich irrte Der ganze Wall war nur ein einz'ger Wurm Das war der Drache Ich schlug ihn tot Und ohne Balmung wär's mir nicht geglückt Dann hieb ich mich durch seinen Riesenleib Bis an die Höhle durch Kaum hatt’ ich sie betreten Als unsichtbare Arme mich zusammendrückten Das war Alberich der Zwerg Nie war dem Tode ich so nah Endlich wurd’ er sichtbar denn ohne es zu wissen Hatt' ich die Nebelkappe ihm vom Kopf gerissen Und mit der Hülle verlor er seine Kraft Ich wollte ihn zertreten Doch löste er sich unter meinen Fersen Durch ein Geheimnis er entdeckte mir den Zauber Der im Blut des Drachen steckte solange es noch rauchte Ich ließ ihn frei und nahm ein Bad

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4. Spielszenen

1. Siegfried und die Burgunder Siegfried, Hagen, Gunther

Siegfried Ich grüß Dich König Gunther von Burgund Der Siegfried kommt Mit dir zu kämpfen um Dein Reich

Gunther Hier kämpft man nicht um das Was man schon hat

Siegfried Ich hab ein Reich So groß wie Deins Und wenn Du mich besiegst So bist du Herr darin Zieh

Hagen Wer spricht mit einem König so

Siegfried Ein König

Hagen Du bist aufs Kämpfen so versessen Seit du den Schuppenpanzer trägst Hagen Tronje

Siegfried Wenn Dich verdrießt Was ich hier sprach Ich stehe Dir Als wärst du Gunther selbst

Gunther Kein Wort mehr Hagen Eh dein König sprach

Siegfried Du fürchtest Daß Dein Schwert An meiner harten Haut zerspringen könnte Dort liegt ein Felsenblock Wir werfen und erproben so die Kraft Dann trinke ich mit Euch

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2. Verhandlungen in Sachen Ehe Siegfried, Gunther

Siegfried Ein Mägdlein sah auf uns herunter Als sie mich erblickte Fuhr sie zurück

Gunther Das ist bloß Scheu Wenn’s Dir am Werber fehlt ich leiste dir den Dienst Nur musst du mir den gleichen auch erweisen Denn sie darf nicht ziehn Bevor hier Brunhild ihren Einzug hielt

Siegfried Die denkst du heimzuführen

Gunther Warum nicht

Siegfried Keiner kann im Kampf bestehen gegen sie

Gunther Ich soll aus Furcht vor ihr nicht werben Dann lieber tot

Siegfried Es gibt nur einen Mann der sie bewält’gen und Behalten oder auch verschenken kann Willst du von einem sie empfangen Der nicht ihr Vater nicht ihr Bruder ist

Gunther Erst werd ich sehen was ich selbst vermag

Siegfried Sie wirft dich in den Staub Und glaube nicht Dass Milde wohnt in ihrer Brust gib sie auf wenn du sie nicht von mir empfangen magst

Gunther Warum

Siegfried Frag dich selbst Ich bin bereit mit dir hinabzuziehn Wenn du die Schwester mir als Lohn versprichst

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3. Werbung um Brunhild Brunhild, Siegfried, Gunther

Brunhild Wer ist's der heute sterben will

Siegfried Ich will nicht sterben und nicht werben Ich bin hier nur sein Führer

Brunhild Du also Weißt du Was es gilt Wer hier nicht siegt der stirbt und seine Diener mit

Siegfried Der König Gunther ward noch nie besiegt

Brunhild Noch hab ich nichts aus eurer Welt vermisst Und käme das dereinst so holt ich's mir

Siegfried Du musst sie mit Gewalt von hinnen führen Ist das nur erst geschehn so dankt sie's dir

Brunhild Ich freue mich des Kampfes So kommt

Siegfried Du schwörst uns gleich zu folgen wenn du unterliegst

Brunhild Ich schwör's

Siegfried So macht ich richt das Schiff

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4. Zickenkrieg Kriemhild, Brunhild

Kriemhild Mein Gatte ist zu mild Um den Verwaltern seiner Königreiche weh zu tun alle Lande sind ihm untertan Und sollte eins es leugnen bät ich es mir Von ihm zum Blumengarten aus

Brunhild Was wäre dann der meinige

Kriemhild Er ist mein Bruder Wie schwer er immer sei man wiegt ihn nicht

Brunhild Nein denn er selbst ist das Gewicht der Welt Und wie das Gold der Dinge Preis bestimmt So er den Wert der Recken und der Helden

Kriemhild Du hast der Liebe widerstrebt wie keine Nun macht sie dich Zur Strafe doppelt blind

Brunhild Kannst du es nicht verwinden Schwester dass das Zepter In deines Bruders Hand gegeben ist Ich dächt du müsstest mir die Ehre gönnen Die dir nicht werden konnte

Kriemhild Wär mir geschehn was dir Ich grübe mir mit eignen Händen In dieser Stunde noch das Grab

Brunhild Du sprichst von dir das weiß die ganze Welt Eh ich geboren wurde war's bestimmt Dass nur der Stärkste mich besiegen solle

Kriemhild Jetzt da es Siegfrieds Ehre gilt Weich ich keinen Schritt Der Mann der dich bewältigt hat War nicht mein Bruder diesen hättest Du erwürgt Mein Gatte wars

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5. Kriemhilds Überrumpelung Kriemhild, Hagen

Kriemhild Mich quält die Angst um Siegfried

Hagen Da wäre ihm ein treuer Knappe nötig Der ihm den Rücken deckte

Kriemhild Ich würde besser schlafen

Hagen Wenn er Hinunterstürzte in den Rhein Und die Rüstung ihn hernieder zöge Ich würd ihn retten Oder selbst zu Grunde gehn

Kriemhild So denkst Du

Hagen Ja

Kriemhild Du würdest Du Du selbst

Hagen Ja

Kriemhild Das hätt' ich nie von dir gehofft

Hagen Nur musst du mir den Fleck Bezeichnen dass ich's kann

Kriemhild Ja das ist wahr Hier In der zwischen beiden Schultern

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6. Siegfrieds Tod Kriemhild, Siegfried, Hagen, Gunther

Kriemhild Siegfried Bleib daheim

Siegfried Man bittet einen Mann nicht Bleib daheim

Kriemhild Bleib hier

Siegfried Lass mich Was hast du denn Ich zieh hinaus mit lauter guten Freunden

Hagen tötet Siegfried

Siegfried Hagen Mord Ihr selbst Gunther Verdient ich das um dich Hagen Ich tropfe weg Wie eine Kerze die ins Laufen kam Mörder

Hagen Schwätzer

Siegfried Den Siegfried seid ihr los Ihr habt in ihm euch selbst erschlagen Wer wird euch weiter traun Man wird euch hetzen Kriemhild (stirbt.)

Gunther Was sagen wir

Hagen Das Dümmste Sprecht von Schächern Die ihn im Wald erschlugen Keiner wird es glauben Doch keiner wird uns Lügner nennen Du Hast nichts befohlen Ich hafte ganz allein

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7. Kriemhilds Trauer Kriemhild, Hagen

Kriemhild Du fällst nicht um Du Teufel

Hagen Was willst du

Kriemhild Von hinten schlichst du dich heran Und miedest seinen Blick Und spähtest nach dem Fleck den ich Was schwurst du mir

Hagen Ihn gegen Feuer und Wasser zu schirmen

Kriemhild Und gegen Feinde

Hagen Auch das hätt' ich gehalten

Kriemhild Um ihn selbst zu schlachten

Hagen Ihn zu strafen

Kriemhild Wann ward je durch Mord gestraft

Hagen Den Recken Siegfried hätte ich gefordert Allein er war vom Drachen nicht zu trennen Und Drachen schlägt man tot

Kriemhild Man wird von ihm und seinem Adel sprechen Solange Menschen auf der Erde leben Und von deiner Schmach

Hagen Sei’s drum

Kriemhild Ich bitte um Gericht Und wenn's der König weigert So ist er selbst mit diesem Blut bedeckt

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Literaturhinweise - Storch, W. (Hrsg.): „Das Buch der Nibelungen. Eine repräsentative Sammlung vom mittelalterlichen Nibelungenlied bis zu Bertolt Brecht“, München, 1988 - Claus, U., Kutschera, R.: „Total krasse Helden. Die bockstarke Story von den Nibelungen“, München, 1989 [Achtung: Ziemlich veraltetes Slang- Deutsch. Man kann das Buch aber durchaus als Vorlage für das Umschreiben der Geschichte von „Siggi“ und seinen Jungs durch die Schüler verwenden.]

Die Textfassung von DIE NIBELUNGEN am Theater Ulm finden Sie unter www.theater.ulm.de - Bilder/Texte/Filme – Texte – „Schauspiel - Die Nibelungen - Texte“

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