Uwe Bronnert Geschichte der Berufsbildenden Schule Wissen

1969–2019 Aus Anlass der Einweihung des Schulgebäudes in der Hachenburger Straße vor fünfzig Jahren

Herausgegeben von der Schulleitung der Berufsbildenden Schule Wissen Impressum

© 2019

HERAUSGEBER: Berufsbildende Schule Wissen Hachenburger Straße 47 57537 Wissen/Sieg Telefon (02742) 9337-0 Telefax (02742) 9337-37 E-Mail: [email protected] Homepage: www.bbs-wissen.de

COMPUTERSATZ: LATSCH MEDIEN agentur für kommunikation 57548

DRUCK: K+S Druck Schneider GmbH 57537 Niederhövels

Namentlich gekennzeichnete Beiträge entsprechen nicht unbedingt der Meinung des Herausgebers.

2 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Grußwort der Ministerin für Bildung

ie Berufsbildende Schule Wissen wird 50 und blickt auf ein halbes Jahrhundert berufli- che Bildung zurück. Zu diesem Jubiläum gratuliere ich sehr herzlich! Sie ist ein in der DRegion hochgeschätztes Aus- und Weiterbildungszentrum für die Fachrichtungen Wirt- schaft, Hauswirtschaft, Sozialwesen und Altenpflege – und das nach der Teilung in die eigen- ständigen Schulstandorte Wissen und Kirchen sowie der damit verbundenen Ausgliederung der gewerblich-technischen Berufe Mit ihrem umfangreichen Angebot verschiedener Schulformen und Bildungsgänge ist die Berufsbildende Schule Wissen von unschätz- barer Bedeutung für die jungen Menschen und die Wirtschaft in der Re- gion . Weit über die Region hinaus ist das Engagement der Schule für den gemeinsamen Auftrag der Inklusion bedeutsam. So ist sie mit den drei Berufsvorbereitungsjahren Inklusion einer der größten Schulstandorte für diese Schulform in Rheinland-Pfalz.

Die berufsbildenden Schulen sind eine der tragenden Säulen unseres rheinland-pfälzischen Bildungssystems. Damit alle Jugendlichen in unserem Land ihre persönlichen Potenziale ausschöpfen, jeder und jede einen Abschluss erwirbt und einen Berufsweg findet, der zu ihm oder ihr passt, und damit wir dabei auch alle Schülerinnen und Schüler mitnehmen, ist hervorragende berufliche Bildung unerlässlich. Und so sichern die berufsbildenden Schulen den jungen Menschen Durchläs- sigkeit und Aufstiegsorientierung, unseren Unternehmen sichern sie bestens ausgebildete Fachkräfte und unserem Land den Wohlstand von morgen. Dabei fordert der Wandel von Gesellschaft und Wirtschaft auch von den berufsbildenden Schulen ständige Anpassung. Diesem Anspruch stellt sich die berufsbildende Schule Wissen in besonderem Ma- ße. So nimmt sie bereits seit 2014 am EQuL-Schulentwicklungsprojekt teil, das ihr eine hohe Selbständigkeit sichert, und widmet sich der Weiterentwicklung der Lehr- und Lernkultur. Ge- meinsam erarbeitet man kompetenzorientierte Lernsituationen und etabliert Teamstrukturen in den Bildungsgängen der Schule. Ich wünsche für diese anstehenden Schulentwicklungs- maßnahmen viel Erfolg.

Für das große Engagement danke ich der Schulleitung, allen Lehrerinnen und Lehrern und allen, die sich in den vergangenen 50 Jahren für die Schule eingesetzt haben. Für eine Schule geht es freilich mit einem hohen Anspruch einher – auch aus dem Rest des Landes und dem Bildungsministerium –, wenn sie in einem Ort liegt, der Wissen heißt. Diesem Anspruch ist die Schule in den vergangenen 50 Jahren stets gerecht geworden und ich wünsche der ganzen Schulgemeinschaft auch für die kommenden 50 Jahre alles Gute!

Dr. Stefanie Hubig Ministerin für Bildung

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 3 Grußwort des Landrates

eit 50 Jahren erfüllt die Berufsbildende Schule (BBS) Wissen einen wichtigen Bildungs- auftrag. Seit 50 Jahren bereitet sie Auszubildende auf ihr künftiges Berufsleben und Seine sich stetig wandelnde Arbeitswelt vor. Sie ist seit 50 Jahren Garant dafür, dass junge Menschen viel von ihrem Fach beziehungsweise ihrem Beruf verstehen. Und so trägt sie dazu bei, dass die nachwachsende Generation in ihre künftigen Aufgaben hineinwachsen und eine gewichtige Rolle in unserer Arbeitswelt übernehmen kann.

Die BBS Wissen leistet mit ihren verschiedenen Schulformen einen erheblichen Beitrag dafür, dass unsere Region die gut ausgebildeten Fachkräfte hat, auf die wir angewiesen sind. Denn die Ressourcen sind Kompetenz und Wissen bzw. Innovationskraft und Leistungsbereitschaft. In die berufliche Zukunft der nachwachsenden Generation zu investieren, bedeutet also nicht nur, jungen Menschen gute Perspektiven für ihren weiteren Werdegang zu vermitteln, sondern auch, die wirtschaftliche Zukunft unseres Landkreises und der Region abzusichern. Die Berufsbildende Schule Wissen vermittelt wichtige Fachkenntnisse und befähigt zum lebenslangen Lernen.

Jede Abschlussklasse zeigt: Die BBS Wissen erzielt gute Ergebnisse, hier wird viel geleistet. Daher danke ich allen, die hier gelehrt haben und jetzt hier wirken, vielmals für ihren großen Einsatz – den Lehrerin- nen und Lehrern sowie der Schulleitung. Die BBS Wissen ist dieser Auf- gabe stets mit viel Engagement nachgekommen. Und ich möchte zum Jubiläum versichern, dass der Landkreis weiterhin sein Möglichstes tun wird, um gute Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Lehren und Lernen zu schaffen. Als Schulträger schätzen wir die Arbeit der Berufsbildenden Schule sehr, sie ist ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Schul- und Bildungslandschaft.

Für die nächsten Jahre wünsche ich der Schulgemeinschaft, dass sie den künftigen Herausfor- derungen an das Schulleben gewachsen sind!

Mit freundlichen Grüßen Ihr

Michael Lieber Landrat des Kreises Altenkirchen

4 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Grußwort des Bürgermeisters

ie Berufsbildende Schule Wissen hat im Jahr 2019 allen Grund zu feiern, denn es sind nunmehr bereits 50 Jahre, dass sie ihren Standort an der Hachenburger Straße gefun- Dden hat. Die Verbandsgemeinde Wissen und auch ich persönlich gratulieren zu diesem Jahrestag ganz herzlich und wir sind sicher, dass es auch in Zukunft eine gute Zusammenarbeit und ein stetiges Einvernehmen geben wird. Es war eine sehr spannende Zeit vor einem halben Jahrhundert und gerade auch in Wissen hat sich viel bewegt. Die Gemeinde Wissen erhielt die Stadtrechte, der Jahrmarkt der katholischen Jugend wurde begründet, der Partnerschaftsvertrag mit der französischen Stadt Chagny wurde unterzeichnet und die Berufsbildende Schule wech- selte aus dem Kreuztal in ihr damals neu errichtetes Gebäude an der Hachenburger Straße.

Die neu gegründete Realschule übernahm das bisherige Gebäude der Berufsbildenden Schule und für Hauptschule und Gymnasium waren neue Gebäude an der Pirzenthaler Straße im Bau, bzw. in Planung. Al- les in allem war es gerade auch hier an der Mittleren Sieg eine Zeit des Aufbruchs und mutiger Schritte in die Zukunft. Was folgte waren viele Veränderungen und stetige neue Herausforderungen für die Berufsbil- dende Schule und heute kann man sagen, dies alles wurde in hervorra- gender Art und Weise bewältigt. Unzählige junge Menschen wurden in einer der entscheidendsten Phase ihres Lebens hervorragend begleitet und auf guten beruflichen Wegen befähigt, ihr Leben zu gestalten.

Von daher gilt heute mein Dank an alle, die in diesen vergangenen fünf Jahrzehnten Verantwortung für die Berufsbildende Schule getragen ha- ben und persönlich erinnere ich mich gerne an die Zeit, in der ich als Schuldezernent des Landkreises Altenkirchen ganz direkt auch dort mitwirken durfte. Jetzt ist die Berufsbildende Schule für den Bürgermeister bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten einer der Fixpunkte unserer Verbandsgemeinde, ein guter Partner im Rahmen der beruflichen Aus- bildung und immer wieder auch eine prägende Kraft für unser gesellschaftliches Leben.

Nun darf man inne halten und mit 50 Jahren ein echtes Jubiläum auch feiern. Es ist aber bereits jetzt sicher, dass auch die Zukunft wieder ungeahnte Fragestellungen auch für die Berufsbilden- de Schule Wissen mit sich bringen wird. Ich bin mir sicher, dass diese Fragen wie bisher gute Antworten finden, dass die Schülerinnen und Schüler auch weiterhin in guten Händen sind und wir auf unsere Berufsbildende Schule stolz sein können.

Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum und ein herzliches „Glück Auf“ für die ganze Schul- gemeinschaft.

Michael Wagener Bürgermeister der Verbandsgemeinde Wissen

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 5 Grußwort des Schulleiters

Die Weihe eines Hauses geben ihm erst die Menschen, die es bewohnen. Leo Weismantel, dt. Schriftsteller und Reformpädagoge, 1888–1964

ie Berufsbildende Schule Wissen, Hachenburger Straße, wird in diesem Jahr 50 Jahr alt. 1969 wurde aus 6000 m³ Beton und vielen Tonnen Stahl, Glas, Aluminium, Stein Dusw. ein Gebäude geschaffen, das sich fortan Berufsbildende Schule Wissen nannte. 1989 erfolgte dann der Bau einer Sporthalle, 2008 ein Anbau und nachfolgend eine General­ sanierung, die unsere Schule moderner, energiesparender, barrierefrei und sicherer machte.

Schule, dieser Begriff meint nicht nur unser Schulgebäude, sondern Schule bedeutet Begeg- nung. Seit 50 Jahren gehen täglich viele Menschen in diesem Gebäude ein und aus. Jeder in diesem Gebäude prägt das Aufeinandertreffen dieser Menschen mit, der eine mehr, der andere weniger. So steht die BBS Wissen symbolisch für ein Ort der Begeg- nung von Menschen in der Region. Seit 50 Jahren begegnen sich hier Menschen, die gemeinsam arbeiten, sich beraten lassen, lernen, sich entwickeln, Freundschaften knüpfen, Konflikte miteinander austragen, lachen, weinen, Entdeckungen machen, Projekte planen und damit ein Stück gemeinsamen Lebens gehen. Was macht Schule aus? Es sind nicht nur die Schüler, Lehrer, Sozialpädagogen, Sekretärinnen und Hausmeister in der Schule selbst. Auch die unmittelbaren Ansprech- partner und das schulische Umfeld machen Schule aus: Eltern, Ausbil- dungsbetriebe, Kammern, Schulträger, Administration, Sitzgemeinde, benachbarte Schulen, Gremien usw. All diesen gilt mein herzlicher Dank für deren Engagement, kritisches Hinterfragen, Vertrauen und Interesse. All diese Menschen haben unsere Schule in den 50 Jahre mit- geprägt und erfolgreich mitgestaltet.

Annähernd 40.000 von den im Kreis Altenkirchen lebenden 120.000 Menschen haben irgend- wann in den letzten 50 Jahren als Schüler die BBS Wissen besucht und kennen unmittelbar die Bildungsarbeit unserer Schule. Diese Zahlen veranschaulichen die Bedeutung unserer Schule als Bildungseinrichtung und Chancengeber im Landkreis Altenkirchen.

Mein Dank gilt hier in besonderer Weise unserem Schulträger, dem Kreis Altenkirchen, der nicht nur die genannten baulichen Notwendigkeiten umsetzte, sondern uns auch mit den ­finanziellen Mitteln so ausstattet, dass wir unserem Bildungsauftrag gerecht werden können. Mein Dank gilt allen, die an dieser Broschüre mitgewirkt haben, allen voran Herrn Oberstudi- enrat a.D. Uwe Bronnert, und der großen Zahl derjenigen, die diese Arbeiten mit Engagement und Fleiß vorangetrieben haben, um die Broschüre gleichsam als greifbares Erinnerungsstück zu erstellen.

Reinhold Krämer Oberstudiendirektor Schulleiter der BBS Wissen

6 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) „Tempora mutantur, nos et mutamur in illis.“ „Die Zeiten ändern sich und wir uns in ihnen.“ Vorwort

ur wenige Sprichwörter beschreiben das Dilemma zutreffender, vor dem ein Chronist steht. Was gestern noch wichtig erschien, mag aus heutiger Sicht nebensächlich sein. NDies gilt umso mehr, je zeitlich näher Ereignisse in der Rückschau liegen. Nach 1999 und 2009 leg ich nun die dritte überarbeitete „Geschichte der Berufsbildenden Schule Wis- sen“ vor. Anlass hierzu ist der Umzug der Berufsschule Wissen in das neue Gebäude an der Hachenburger Straße vor 50 Jahren. Gleichzeitig soll an weitere Jubiläen in diesem Jahr erin- nert werden: Vor 100 Jahren sprachen sich die Abgeordneten in Weimar in der Verfassung des Deutschen Reiches für die allgemeine Berufsschulpflicht aus; vor 70 Jahren wurde die Handels- schule in Wissen ins Leben gerufen, die in der Berufsfachschule Wirtschaft ihre Fortsetzung fand und „last but not least“ besteht die Höhere Berufsfachschule Wirtschaft seit 30 Jahren. Bei der Neubearbeitung der Chronik stellte sich schnell heraus, dass es nicht sinnvoll erschien, die Ereignisse der letzten zehn Jahre einfach anzuhängen; andererseits war auch eine vollständige Neubearbeitung nicht opportun. Daher wurde der bewährte Aufbau und die Gliederung nach Ären der Schulleiter beibehalten. Während das zehnte Kapitel „Bleiben wir Menschen!“ voll- kommen neubearbeitet und durch ein 11. Kapitel über die Schulpartnerschaft mit der Qingdao Finance & Economics Vocational School (China) ergänzt wurde, blieben die übrigen Kapitel weitgehend unverändert. Nur einige Tipp- und Rechtschreibfehler mussten berichtigt, Fotos ausgetauscht bzw. ergänzt sowie der Text an einigen Stellen gestrafft werden. Hinzu kam am Schluss des vierten Kapitels „Wie der Phönix aus der Asche“ eine kleine Abhandlung über das Lehrerinnen-Zölibat, ferner wurde in Kapitel 9 die Entwicklung der Schulpartnerschaft mit der Ökonomischen Schule in Krapkowice weitergeführt. Der Inhalt des achten Kapitels „Eine Schule sucht ein neues Profil“ blieb unverändert, jedoch wurden einige Unterkapitel neu angeordnet. Auch bei dieser Schrift gilt, dass jedes ordnende Denken zugleich Vereinfachung bedeutet und Elemente der Interpretation enthält. Der bekannte britische Historiker Edward H. Carr sagte einmal darüber: „Ohne das löst sich die Vergangenheit in eine Unzahl von isolierten und unbedeutenden Einzelereignissen auf, sodass man keine Geschichte schreiben kann.“ Um die Darstellung von Entwicklungen nicht zu zer- reißen, wurde nicht immer chronologisch vorgegangen. Im Wesentlichen waren Protokollberichte der Schulkonferenzen sowie diverse Zeitungsartikel Grundlage für diese kleine Schulgeschichte. Ich habe mich bei ihrer Darstellung bemüht, die schulischen Ereignisse in den politischen und gesellschaftlichen Kontext zu stellen. Um den Zeitgeist einzufangen und nachvollziehbar zu machen, werden möglichst viele Originaltexte widergegeben, die allerdings gemäß den Duden-Empfehlungen der heutigen Rechtschreibung angepasst wurden. Nicht alle Abbildungen entsprechen unserem heutigen Qualitätsanspruch, doch muss man bei historischen Bildern abwägen und Kompro- misse eingehen. Trotz größter Sorgfalt des Verfassers werden sich in den Text Tipp- und Rechtschreib-Fehler eingeschlichen haben. Der/die Leser/in mag darüber wohlwollend hinwegsehen. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Gang durch einhundertzwanzig Jahre Schulgeschichte. Dem Anlass ent- sprechend lege ich Ihnen besonders die letzten fünfzig Jahre ans Herz.

Kirchen, im April 2019 Uwe Bronnert Oberstudienrat i. R.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 7 Inhaltsverzeichnis

1 Vor fünfzig Jahren wurde das Ge- 4.5 Strenger Antikommunismus bäude der Berufsbildenden Schule ist angesagt ...... 44 Wissen in der Hachenburger Straße 4.6 Rohrstock und Backpfeifen ...... 45 feierlich eingeweiht

1.1 Minister vom Schnee verweht ...... 10 5 Das Land Rheinland-Pfalz übernimmt 1.2 Die neue Schule stellt sich vor ...... 14 die Kreisberufsschule Wissen 1.3 Zwar nicht gerade eine Chronique (Schulleiter Böttcher: 1959 bis 1965) scandaleuse, aber doch ein langwieriger Weg . 15 Bilderseite: Impressionen aus der Bauzeit . . . 19 1.4 Von der Werkstatt bis zum Computer . . . . . 20 6 Zeit der Veränderungen (Schulleiter Johannes Brand: 1965 bis 1969)

2 Von der Sonntagsschule 6.1 Bildungsreform und Bildungsoffensive . . . . . 50 zur Berufsschule 6.1.1 Warum werden unsere Lehrlinge immer schlechter? ...... 50 2.1 Von der zünftigen zur Dualen 6.1.2 Chancengleichheit ...... 51 Berufsausbildung ...... 22 Bilderseite: Gesamtkonferenz im 2.2 Die Anfänge der Fortbildungsschulen Schulgebäude „Auf dem Bühl“ in Betzdorf . . . 54 im Kreis Altenkirchen ...... 23 6.2 Der Geist der 68er Rebellion ...... 56 2.3 Die Fortbildungsschule wird zur Berufsschule . 24 6.3 Streit um eine Abhöranlage – oder doch nur Alarmanlage? ...... 58 3 Schule unter dem Hakenkreuz (Schulleiter Wilps: 1936 bis 1942/44) 7 Im Königreich Wissen 3.1 Die Kreisberufsschule Altenkirchen ...... 26 (Schulleiter Wilhelm König: 1971 bis 1990) 3.2 Zwischen Pädagogik und Ideologie ...... 28 Ein Königstreffen (Auszug) Von Gerhard Mohr ...... 60 4 Wie der Phönix aus der Asche 7.1 Von der Berufsschule zu den Berufsbildenden Schulen ...... 60 (Schulleiter Thiel: 1946 bis 1958) Entstehung und Entwicklung der Berufs- 4.1 Die mageren Jahre ...... 32 vorbereitungsjahre in Rheinland-Pfalz – insbesondere an der Berufsbildenden 4.2 Wissen oder Betzdorf? Die Handelsschule Schule Wissen ...... 62 entscheidet über den Standort ...... 36 7.2 Not macht erfinderisch ...... 64 4.3 Die Wirtschaftswunderjahre ...... 38 7.3 Die Wissener Schule startet ins Bilderseite: Einjährige Haushaltungsschule, Computer-Zeitalter ...... 64 Jahrgang 1958/59 ...... 39 7.4 Die Teilung ...... 68 4.4 Im neuen Gewand ...... 40 7.5 Kein Stillstand in den Achtzigern ...... 71 4.3.1 Endlich wieder ein eigenes Schulgebäude in Wissen ...... 40 7.6 Die Berufsschule – ein Ort lebenslangen Lernens ...... 72 Bilderseite: Schulgebäude „Im Kreuztal“ in Wissen ...... 41 Beruf und Schule e . V . – 4.3.2 In Betzdorf steht die modernste Ortsverein Wissen-Westerburg ...... 74 Berufsschule des Landes ...... 42 Bilderseite: Das Kollegium hält zusammen . . . 75 Bilderseite: Berufsschulgebäude in Betzdorf, „Auf dem Bühl“ ...... 43

8 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Inhaltsverzeichnis

8 Eine Schule sucht ein neues Profil 10.7 Das Berufliche Gymnasium ...... 116 (Schulleiter Dr. Roland Dosch: 1991 bis 2002) 10.7.1 Die unendliche Geschichte . . . . . 116 10.7.2 Endlich geht es los ...... 119 8.1 Von einander lernen – Kooperation 10.8 Kooperationen ...... 120 mit den Ausbildungsbetrieben ...... 76 10.9 Unser Bunt hat viele Farben: „Anderssein“ 8.2 Öffentlichkeit in die Schule ...... 77 hat Tradition in der BBS ...... 122 Der Förderverein der 10.10 Mit Erasmus durch und nach Europa . . . . . 124 Berufsbildenden Wissen e .V ...... 78 10.10.1 Europa, wir kommen! Erasmus+ 8.3 Wohlfühlen in der Schule ...... 80 eröffnet neue Möglichkeiten Bilderseite: Gemeinsame Aktivitäten für Berufsschüler ...... 124 des Kollegiums ...... 81 10.10.2 Lehrerdelegation der BBS Wissen besuchte Malta ...... 126 8.4 Erstmals werden Grenzen überschritten . . . . 83 10.11 Ich bin dann mal pensioniert! ...... 127 8.5 Großer Trubel kurz vor dem Millennium . . . . 84 10.12 Was sonst noch geschah ...... 128 8.6 Herausforderungen zur Jahrtausendwende . . 86 8.6.1 und KMK-Änderungen . . 86 Bilderseite: Tag der Logistik ...... 131 8.6.2 Abstimmung mit den Füßen? . . . . . 87 Bilderseite: Impressionen vom 8.6.3 Abschied ...... 88 Tag der Offenen Tür ...... 132 Bilderseite: Aktives Kollegium ...... 133 9 Schulpartnerschaft Zespol Szkos Zawadowych Krapkowice/ 11 Schulpartnerschaft Berufsbildende Schule Wissen Qingdao Finance & Economics Vocational School (China)/ 9.1 Partnerschaft feierlich besiegelt ...... 90 Berufsbildende Schule Wissen 9.2 Von der symbolischen Handlung zu echter Freundschaft ...... 92 11.1 Besuch aus China ...... 134 Bilderseite: Zehn Jahre Schulpartnerschaft . . . 96 11.2 Im Land der Mitte ...... 134 Bilderseite: Erneuerung des Partnerschafts- 11.3 Der Partnerschaftsvertrag soll vertrages ...... 97 gelebt werden ...... 135

10 Bleiben wir Menschen! 12 Wie wird es weitergehen? (Schulleiter Reinhold Krämer: seit 2003)

10.1 Antrittsrede des neuen Chefs ...... 98 Anhang 10.2 Der PISA-Schock ...... 100 1 Schulformen und Bildungsgänge Die Leitsätze der BBS Wissen ...... 101 der BBS Wissen ...... 138 10.3 Das neue Schulgesetz verändert 2 Schullaufbahnen an der BBS ...... 139 die Schullandschaft ...... 102 3 Funktionsträger an der 10.4 Neue Entwicklungen in der beruflichen Kreisberufsschule Altenkirchen Fortbildung ...... 107 bzw . der BBS Wissen ...... 140 10.5 Nur für fünf Jahre! ...... 108 4 Entwicklung der Schülerzahlen an der Bilderseite: Einweihung am BBS Wissen seit 1979 6. November 2007 ...... 112 (Daten aus der amtlichen Statistik) ...... 142 10.6 Das Schulgebäude erstahlt in neuem Glanz . . 114 5 Kurze Schulchronik ...... 144

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 9 Vor fünfzig Jahren wurde das Gebäude der Berufsbildenden Schule in der Hachenburger Straße feierlich eingeweiht

11.1 Minister vom Schnee – im Detail gesteckt.“ Da die herkömm- fertig. Der Kostenrahmen sei sogar um lichen Bauverfahren zu zeitraubend ge- 100.000 DM unterschritten worden. verweht wesen seien, habe „der Kreis für den Großes Lob fand Dr. Krämer auch für Wissener Berufsschulbau neue Wege den bisherigen Schulleiter, Oberstudi- „Minister vom Schnee verweht“, so lau- beschritten“. Vor allem dem General- endirektor Brand, der seine Wünsche tet eine der Zeitungsüberschriften1 zur unternehmer, der Glückauf-Bau aus und Verbesserungsvorschläge zielstre- offiziellen Einweihung des neuen Ge- Essen und ihren Bauleitern Reinhard big umsetzte und daher nicht immer bäudes der Berufsbildenden Schule in Henze und Josef Zeitler, dankte der leicht zu ertragen gewesen sei. „Doch Wissen. Kultusminister Dr. Vogel wollte Landrat. Nur elf Monate nach dem ers- ihm gebühre neben dem Architekten- eigentlich die Festrede am Montagmit- ten Spatenstich war das Haus bezugs- Ehepaar Vossbeck das Verdienst, wenn tag, dem 15. Dezember 1969, die Schule heute so sinnvoll halten. Sein Wagen war aber geplant und eingerichtet da- bei winterlichem Wetter auf stehe.“ der Autobahn bei Montabaur Besorgt zeigte sich Dr. Krä- im Schnee stecken geblieben, mer in seiner Rede über die sodass er „die beschwerliche Schulsituation im Lande. „Es Weiterfahrt über den Wes- gelte, die Zäune zwischen terwald hatte .. abbrechen den einzelnen Schularten müssen.“ So fand die Einwei- niederzureißen. Es sei not- hungsfeier ohne Prominenz wendig, dass jeder seine An- aus Mainz statt. Für einen sichten äußern könne und so- festlichen Rahmen sorgte der mit einen Beitrag zum Abbau japanische Pianist, Professor autoritärer Strukturen leiste.“ Hiroshi Kajiwara, mit Wer- Auf den Kreis Altenkirchen ken von Brahms, Ravel und bezogen führte er aus, dass Debussy. Zu Beginn der Fei- die Vernachlässigung ländli- erstunde hatten der evange- cher Gebiete zugunsten städ- lische Religionslehrer Thieke Festredner Regierungspräsident Dr. Leibmann tischer Ballungsgebiete im- und sein katholischer Kollege mer spürbarer werde. „Das Schnütgen ein Gebet gespro- ‚flache Land‘ sei auf Hilfe chen und das neue Haus und aus Mainz angewiesen, wenn seine Bewohner unter den sich Resignation nicht weiter Schutz Gottes gestellt. ausbreiten solle. In manchen Landrat Dr. Krämer meinte Ohren mag der Vorschlag während der Einweihungs- des Landrates revolutionär feier, „die Vorgeschichte sei klingen: Dem Lehrermangel zwar nicht gerade eine Chro- auf dem Lande sei sicherlich nique scandaleuse, aber doch beizukommen, wenn die Be- langwierig und oft gar lang- soldung spürbar verbessert weilig gewesen. Bei Grund- werde.“ stücks- und Geländefragen Regierungspräsident Dr. habe der Teufel – wie häufig Das neue Gebäude der BBS Wissen an der Leibmann, der kurz ent- schlossen für den Minister 1 Rhein-Zeitung vom 17. Dezember 1969. Hachenburger Straße 47 kurz nach der Fertigstellung.

10 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Gemeinsames Mittagessen

Festgäste: 1. Reihe v. l. Herr Thieke, Herr Schütgen; 2. Reihe v. l. ehemaliger Schulleiter Direktor Böttcher, Bürger­meister Dr. Everke (Wissen), Festgäste: 1. Reihe v. l. Herr Ullmann (Kreisverwaltung), – , Herr Richard Schmidt Herr Mohr, Herr Nassauer, Bürgermeister Greßnich (Kirchen)

Festgäste: 1. Reihe v. l. Herr Willi Hoffmann, Herr Herbert Schmidt, Herr Neuwirth; 2. Reihe v. l. Die Kollegen Christmann, Beckmann, Hechler, Kirmis, Feckler, Groß und Frau Schwan Pianist Prof. Hiroshi Kajiwara

In der Eingangshalle

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 11 Festgäste: 1. Reihe v. l. ehemaliger Schulleiter Direktor Brand, Festgäste: 1. Reihe v. l. Landtagsabgeordneter Wingendorf, Stellvertretender Schulleiter Ullrich, Betriebsratsvorsitzender Rödder (Walzwerk Wissen), Landtagsabgeordneter Wingendorf, Landrat Dr. Krämer, – , – , Kreisbeigeordneter Fabry, Betriebsratsvorsitzender Rödder (Walzwerk Wissen), Landrat Dr. Krämer Gewerkschaftsvertreter Müller

Festgäste: 1. Reihe Schülervertreter; 2 Reihe v. r. Herr Triesch v. l. Landrat Dr. Krämer, Stellvertretender Direktor Ullrich

Festgäste: 1. Reihe v. r. Büroleiter Mühlemeyer, Herr Hasselmeier (Kreisverwaltung); 2. Reihe v. r. Frau Löwer (Realschule Betzdorf ), Festgäste: 1 Reihe v. r. Herr Asbach; Herr Sohlbach (Realschule Betzdorf ), Frau Winkelmeier, 2. Reihe v. r. Herr Vossbeck, Herr Tussing (Realschule Wissen), Frau Tussing; Herr Thierauf (Leiter des Bauamtes der Kreisverwaltung), 4. Reihe v. r. Frau Paul, Frau Lütgenau Frau Vossbeck, Pfarrer Ernsting (Schönstein)

Festgäste: 1. Reihe v. r. Frau Meisloch, Frau Fritzen, Frau Friedrich, Frau Ginster, Frau Pinkall; In der Lehrküche 2. Reihe v. r. Herr Streck, Herr Volkhausen, Friseurmeister Schütz; neben der Eingangshalle 3. Reihe v. r. Herr Roenspies, Herr , Herr Burghaus, Herr Neuwirth

12 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Das Publikum schaut den Haarkünstlern auf die Finger.

OStD Brand führt eines der teuersten Einrichtungsgegenstände, Besucher versuchen sich eine komplette Zahnarztpraxis, vor. an der elektrischen Schreibmaschine.

[Alle Bilder: Rhein-Zeitung vom 20. Januar 1970] einsprang und die Festrede hielt, be- werde. Wandel sei auch hier notwen- Dank galt allen, die am Gelingen des dauerte, dass der Minister die Vorschlä- dig, denn unzweifelhaft sei das gesamte Vorhabens Anteil hatten. ge des Landrates nicht selbst aus des- Schulsystem noch stark vom humanis- Anschließend dankte ein Mitglied der sen Mund erfahre. Zum Schulproblem tisch orientierten Bildungsideal ver- Schülerselbstverwaltung dem Kreis für meine er, „die Landesregierung sei sich gangener Zeiten beeinflusst.“ Dr. Leib- das neue Haus und lud die Gäste nach durchaus darüber im Klaren, dass die mann betonte, dass die neue Schule Feier, Rundgang und Erbsensuppe zu Verfassung der Hochschule unbefrie- bereits viele Forderungen erfülle, die einer Diskussion ein. digend sei. Doch gelte es, zuerst eine anderenorts noch Zukunftsmusik sei- Von der guten Ausstattung des Hau- Rangordnung aufzustellen, man kön- en. ses konnten sich die Gäste bei dem ne nicht alles auf einmal haben. Die Diese Ansicht vertrat auch Schulleiter Rundgang überzeugen. Im Sprachlabor Palette nötiger Reformen reiche von Ullrich. Er betonte, dass eigentlich sein stülpte so mancher die Kopfhörer über der Grund- bis zur Hochschule. Das Vorgänger Oberstudiendirektor Brand, das ehrwürdige Haupt und im farben- rheinland-pfälzische Berufsschulgesetz an dieser Stelle stehen müsse, der mit frohen Friseursalon zeigten angehende aus dem Jahre 1962 sei keineswegs so seinem Ideenreichtum das Gebäude Friseurinnen ihren kunstvollen Kopf- verstaubt, wie dies vielfach behauptet entscheidend geprägt habe. Ullrichs schmuck.

v. l. Herr Krahwinkel, Frau Voßbeck-Krahwinkel (Architektin), Herr Direktor Böttcher, Herr Voßbeck (Architekt) im Herbst 1965

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 13 Als besonderen Clou hatten sich die Organisatoren ein Würfelspiel für ei- nen wohltätigen Zweck ausgedacht. Der Gegner: ein Bürocomputer. „Die Chancen der lebenden Spieler standen schlecht. Die Maschine hatte mehr Da- ten gespeichert, als der Einzelne im Au- genblick parat hatte. Doch oh Wunder, dem Landrat gelang, was ihm am Mon- tag niemand nachmachte: Dr. Krämer besiegte den Computer.“

1.2 Die neue Schule stellt sich vor

Nur einen Monat später hatte die Be- völkerung Gelegenheit, Wissens neues Schmuckkästchen zu begutachten. Modell des 1. Preises beim Wettbewerb. 1 = Verwaltungstrakt, Der Bericht in der Rhein-Zeitung vom 2 = Gewerbliche Abteilung, 3 = Hauswirtschaftliche Abteilung, 20. Januar 1970 steht unten auf die- 4 = Kaufmännische Abteilung, 5 = Hausmeisterwohnungen ser Seite. Bis zur Einweihungsfeier und dem ersten Tag der offenen Tür war es ein langer Weg.

Offene Türen eingerannt Fast 2000 Neugierige besichtigten die neue Berufsschule Der Andrang war stärker als dies bei dem Nebelwetter jemand zu hoffen gewagt hatte. Annähernd 2000 Besucher fan- den am Samstagnachmittag den Weg in die neue Berufsschule an der Hachenburger Straße, um deren „offene Türen“ einzurennen. Die Neugier war schon geweckt, als vor anderthalb Jahren die ersten Bagger die Gruben für Fundamente aushoben. In den Monaten darauf waren oft Hunderte Arbeiter rund um die Uhr im Einsatz. Die Geschäftigkeit erinnerte an einen Bienenstock. Aus einer ehemaligen Obstplantage war über Nacht die größte Baustelle des Kreises geworden. Wie sieht es hinter den schnell hochgeschossenen Mauern aus? Die Wissener wollten es nun endlich wissen. Am Sams- tag kamen sie, um zu schauen. Doch was die Besucher zu sehen bekamen, war nur die Seite des inneren Alltags. Sobald der Frühling die Natur mit neuem Leben erfüllt, streift die Schulanlage ihr farbenprächtiges Blütenkleid über. Für den Entwurf der Außenanlagen zeichnet der Kölner Gartenarchitekt Dr. Funke verantwortlich. Wenn die Besucher jetzt ihre Neugier am Innenleben der Schule befriedigen konnten, so werden sie in einigen Monaten ihre Augen an den gepflegten Blumenrabatten weiden können. Der Aufstieg an einem Sommernachmittag wird sich lohnen, das jedenfalls erklärt stolz der bisherige Berufs- schulleiter, Oberstudiendirektor Brand. Mit dem Wissener Bau haben die Berufsbildenden Schulen eine Wohnstatt erhalten, die im Kreis ihresgleichen sucht. Die neue Anlage an der Hachenburger Straße ist eine der ersten Schulen im Kreis, die bei ihrer Einweihung nicht schon zu klein oder überholt war. Die Fundamente sind so verstärkt, dass sich einige Gebäudetrakte ohne statische Mühe auf- stocken lassen. Selbst notwendige Anbauten enthält der Plan. Im Augenblick ist noch nicht der letzte Zentimeter mit Beschlag belegt. Doch sobald die Schule ihre neuen Aufgaben übernommen haben wird, sind alle Räumlichkeiten voll genutzt. Mit ziemlicher Sicherheit wird hier – hoch über den Dächern von Wissen – eine Fachoberschule eingerichtet. Be- sonders die Ausbildung für hauswirtschaftliche und sozialpflegerische Berufe soll verstärkt werden. Schon in den nächs- ten Wochen will die Berufsschule Informationsveranstaltungen für die Oberstufe des Gymnasiums arrangieren, in denen die späteren Abiturientinnen auf die Möglichkeiten als Lehrer an Berufs- und Fachoberschulen hingewiesen werden. Wer in Wissen die Berufsschulbänke drückt, kann mit seinem Los zufrieden sein. Die Betzdorfer sind hier eindeutig im Nachteil. Schon seit 1965 laufen dort die Planungsarbeiten. Im vergangenen Jahr unternahm der Kreis dann endlich den ersten Schritt. Er erwarb das Gelände für den Berufsschulneubau. Mittlerweile hat auch der Kreistag die Dringlichkeit dieses Projektes erkannt. In Wissen hat man demonstriert, wie ein solch großes Gebäude rasch und ordentlich errichtet werden kann. Rhein-Zeitung vom 20. Januar 1970

14 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) 1.3 Zwar nicht gerade eine Chronique scandaleuse, aber doch ein langwieriger Weg

Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre wurde klar, dass das Wissener Schulgebäude für die wachsende Schü- lerzahl nicht mehr ausreicht.1 Die Ver- treter der Bezirksregierung, die das Schulgebäude besichtigten, rieten von einem Anbau ab und plädierten statt- Der 1. Kreisdeputierte Fabry (Bildmitte) und Oberstudiendirektor Brand (ganz links) dessen für den Bau einer neuen Schule. führen den ersten Spatenstich für den Neubau der Wissener Berufsschule aus. Obwohl in den nächsten zwei Jahren nicht mit dem Baubeginn gerechnet werden könne, empfahl sie bereits mit der Planung zu beginnen.2 Im Vorfeld chen soll einen Anbau mit vier Klassen den Neubau der Berufsschule in Wis- galt es nun, das Raumprogramm auf- erhalten, um acht Klassen wird die Be- sen-Sieg aus. Gegen eine Schutzgebühr zustellen und die Bauplatzfrage zu klä- rufsschule in Betzdorf erweitert und in von 50 DM konnten die Unterlagen von ren.3 Diese Arbeiten waren schon weit Wissen soll die Berufsschule komplett allen freischaffenden, selbstständigen fortgeschritten, als am 7. Juni 1962 Re- neu gebaut werden. Allein hierfür wa- Architekten deutscher Staatsangehörig- gierungsdirektor Stephan und Oberre- ren 10 Millionen DM der insgesamt 12,3 keit, die Mitglied der Architektenkam- gierungsrat Schäfer die Schulorte Wis- Millionen DM vorgesehen. mer Rheinland-Pfalz waren und zur sen und Betzdorf besuchten, um über Der Standort Wissen war aber keines- Zeit der Ausschreibung ihren Wohnsitz ein Erweiterungs-Bauprogramm der wegs unumstritten. In der Diskussion oder ihre berufliche Niederlassung seit Berufsschule des Kreises Altenkirchen über das mächtige Neubauprojekt in mindestens sechs Monaten im Regie- zu beraten.4 Dennoch tat sich zunächst Wissen gab der Kirchener Amtsbürger- rungsbezirk Koblenz hatten, anfordert nichts. meister Wingendorf (CDU) zu beden- werden. Abgabetermin war der 12. Juli.7 Erst am 21. September 1964 tagte der ken, dass im Amt Kirchen 20 % der Am 27. August 1965 tagte das Preisge- Altenkirchener Kreistag in Wehbach.5 Kreisbevölkerung leben und allein 50 richt unter Vorsitz von Ministerialrat Landrat Dr. Sinzig berichtete dem % der Metallarbeiter aus diesem Raum Sieger vom Ministerium für Finanzen Kreistag, dass die seit Oktober 1959 kämen. Er machte ferner darauf auf- und Wiederaufbau in Mainz in der Au- laufenden Gespräche über eine 30-klas- merksam, dass der Anfahrtsweg für die la des Gymnasiums. Regierungs- und sige Berufsschule in Wissen nunmehr Berufsschüler nach Siegen erheblich Baurat Thierauf, Altenkirchen, berich- in die Entscheidungsphase treten. Von günstiger sei als nach Wissen. Landrat tete über die städtebauliche Situation den Grundstücken, die zur Wahl stan- Dr. Sinzig entgegnete, dass diese Fra- und die topographischen Besonderhei- den, habe nur ein Gelände der Hütten- ge ausführlich erörtert worden sei und ten des Bauplatzes. Vorprüfer Kreisbau- werke Siegerland den Anforderungen dass das Optimale an Organisation im Oberinspektor Schenk teilte mit, dass entsprochen. Nach anfänglichem Wi- Blick auf den Raum Kirchen – Betz- insgesamt neun Entwürfe rechtzeitig derstand des Weißblechwerkes konnte dorf – Altenkirchen mit dem Neubau in und im geforderten Umfang eingegan- die Gemeinde Wissen am 13. Januar Wissen erreicht werde. gen seien. Die in der engeren Wahl 1964 im Wege eines Geländetausches Die Angelegenheit nahm nun ihren bü- verbliebenen sechs Entwürfe wurden das Grundstück erwerben. Dem Kreis- rokratischen Lauf.6 Zunächst wurde das anschließend beurteilt. bauamt wurden inzwischen die für den vorgesehene Baugelände aufgenom- Der erste Preis ging an die Architektin vorgesehenen Architektenwettbewerb men und die Bodenbeschaffenheit un- Dipl.-Ing. Anneliese Voßbeck-Krahwin- erforderlichen Unterlagen zugeleitet. tersucht. Das Kreisbauamt bereitete die kel und dem Architekten Dipl.-Ing. In der Sitzung fasste der Kreistag drei Ausschreibung des Architektenwettbe- Ulrich Voßwinkel (BDA) aus Wissen, Grundsatzbeschlüsse, die das berufli- werbs vor, stellte das Raumprogramm der Zweite an Dipl.-Ing. Antonius Klein che Schulwesen betrafen: Die landwirt- auf und legte beides mit Erläuterungen (Koblenz) und der Dritte an Architek- schaftliche Berufsschule in Altenkir- der Bezirksregierung vor. Ferner wur- ten Hans Rompelberg ( bei Wis- de mit dem zuständigen Dezernenten sen). 1 Nach dem Bericht über die Konferenz vom 2. Mai 1962 be- suchen 1.714 Schüler die Wissener Schule, drei Jahre später des Kultusministeriums Fühlung auf- In der Beurteilung des ersten Preises sind es bereits 2.100. genommen. Anfang Januar 1965 sollten heißt es u. a.: „Die Gruppierung der 2 Vgl. Konferenzberichte vom 4.3.1959 bis zum 21.6.1965 [im die formellen Voraussetzungen mit der Baumassen in der Mitte des Grundstü- Folgendem mit (4) zitiert], Bericht über die Konferenz vom 10. Oktober 1960, S. 33. Architektenkammer geklärt werden. ckes und die Gruppierung der Freiflä- 3 Vgl. (4), Bericht über die Konferenz vom 1. Dezember 1960, Im April 1965 schrieb der Landkreis chen ist richtig gewählt. Die Staffelung S. 40. Altenkirchen einen Bauwettbewerb für der einzelnen Baukörper der Hanglinie 4 Vgl. (4), Bericht über die Konferenz vom 18. Juni 1962, S. 89 f. 5 Vgl. Rhein-Zeitung vom 24. September 1964. 6 Vgl. Rhein-Zeitung vom 23. Dezember 1964. 7 Vgl. Rhein-Zeitung vom 10. April 1965.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 15 den Unterricht in Wissen stehen 28 hauptamtliche und 30 nebenamtliche und nebenberufliche Lehrkräfte zur Verfügung. Zusammenfassend ergab die Besich- tigung, dass die vorhandenen Klas- senräume nicht ausreichen und dass zahlreiche wichtige Räume und Neben- räume fehlen. Trotz Aufstellung von Pavillons muss Schichtunterricht erteilt werden. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, den in den Rahmenlehr- plänen vorgesehenen Unterricht ord- nungsgemäß durchzuführen. Hinzu kommt noch, dass der Unterricht sehr stark gestört wird durch den Lärm von der Hauptstraße. Die Anwesenden äußerten die Über- zeugung, dass es notwendig ist, noch in diesem Jahr mit dem Bau der vorge- Die Richtkrone wird vorbereitet sehenen neuen Berufsschule in Wissen zu beginnen. Kreisvorsitzender Win- gendorf betonte, dass versucht werden müsse, mit sparsamsten Mitteln eine folgend kann als sehr reizvoll bezeich- zu einem modernen Berufsschulunter- moderne neue Schule zu errichten. Er net werden. Etwas starr erscheint die richt notwendig sind. Die Berufsschule versprach, hierfür sich auch als Land- Abstufung des Gebäudetraktes an der steht, obwohl sie auch eine naturwis- tagsabgeordneter sowie auch als Mit- Hachenburger Straße. Es besteht eine senschaftliche, technische Ausbildung glied des Kreistages einzusetzen.“3 klare Trennung der einzelnen Abtei- betreiben soll, hinter mancher Volks- Auch Amtbürgermeister Dr. Haas lungen, die in eigenen Gebäudeteilen schule zurück.“2 mochte nicht zurückstehen. Er richtete untergebracht sind und mit der zentra- Auch der erweiterte CDU-Kreispartei- als Vorsitzender der SPD-Kreistagsfrak- len Treppenanlage beiderseits der Ein- vorstand, der im Januar 1967 in Wissen tion eine Anfrage an den Landrat: „Seit gangshalle richtig erschlossen sind. Der in der Stadion-Gaststätte tagte, hatte längerer Zeit beschäftigen sich Kreistag Aufenthaltsraum öffnet sich über den sich in der Berufsschule eingefun- und Kreisausschuss mit der Raumnot Pausenhof hinweg talwärts und bietet den. Kreisberufsschuldirektor Brand in unseren Berufsschulen. Das steti- einen reizvollen Durchblick in die sehr gab den Anwesenden Gelegenheit die ge Anwachsen der Schülerzahlen und schöne Landschaft. Zu loben ist die Schule eingehend zu besichtigen und der erweiterte Bildungsauftrag der zentrale, dennoch ruhige Lage der Ver- anschließend einen Überblick über die Berufsschulen machen die Erstellung waltung im 1. Obergeschoss des Verbin- schulischen Verhältnisse: neuer Klassenräume und Fachräume dungsteils. Nicht befriedigend gelöst ist “Das von der Berufsschule benutzte Ge- dringend notwendig. Um die Voraus- die Anordnung der Hausmeisterwoh- bäude in Wissen ist kurz nach 1900 setzungen für einen erfolgreichen Be- nung. Alles in allem ist die Lösung gebaut und in mehreren Bauabschnit- rufsschulunterricht zu schaffen, wurde nicht zu beanstanden. Die Architek- ten für den gegenwärtigen Zweck her- deshalb neben Erweiterungen in Al- tur erscheint noch verbesserungsfähig. gerichtet worden. Der letzte Um- und tenkirchen und Betzdorf vor allem der Die Wirtschaftlichkeit liegt im mittle- Ausbau erfolgte in den Jahren 1953/54. Neubau einer Berufsschule in Wissen ren Bereich; sie verspricht sich durch Im Berufsschulgebäude in Wissen wer- beschlossen. Die erforderlichen Pla- die starke Zentralisierung sehr günstig den zz. insgesamt 2043 Personen un- nungsunterlagen waren das Ergebnis auszuwirken.“1 terrichtet. Davon sind 1305 Schülerin- eines Wettbewerbs. Trotz der drückenden Raumnot tat nen und 738 Schüler. Der Unterricht Die Gemeinde Wissen hat sich mit sich im folgenden Jahr nichts. In der erfolgt in 83 Klassen, von denen 41 der Erfolg um die Bereitstellung des not- Siegener Zeitung war zu lesen: „Die kaufmännischen, 31 der gewerblichen, wendigen Baugeländes bemüht. Für die Notwendigkeit eines Neubaus wird von 9 der hauswirtschaftlichen und 2 der Finanzierung des Bauvorhabens wur- niemand bestritten, da das gegenwär- landwirtschaftlichen Fachrichtung an- den in den Haushaltsplänen des letz- tig benutzte Gebäude einmal zu klein gehören. Die Schülerinnen und Schüler ten Jahres bereits Rückstellungen vor- ist, sodass mehrere Pavillons benutzt besuchen wöchentlich einmal die Be- genommen. Aufgrund der gegebenen werden müssen; zum anderen, da ei- rufsschule. Die zwei Handelsschulkas- Dringlichkeit und der getroffenen Vor- ne Reihe von Demonstrations- und sen und eine Klasse der Haushaltungs- bereitungen rechnete man allgemein Übungsräumen der Schule fehlen, die schule werden täglich unterrichtet. Für mit einem Baubeginn im Jahr 1967. Da

1 Rhein-Zeitung vom 9. September 1965. 2 Siegener Zeitung vom 6. Januar 1967. 3 Siegener Zeitung vom 31. Januar 1967

16 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) diese Hoffnung sich nicht zu erfüllen scheint, bitten wir, den Kreistag in der Sitzung vom 3. März 1967 eingehend über den Stand der Angelegenheit zu unterrichten und dabei vor allem fol- gende Fragen zu beantworten:

1. Liegt für den Neubau der Berufs- schule in Wissen die schulaufsicht- liche und bauaufsichtliche Geneh- migung bereits vor? Auf der Baustelle im November 1968

2. In welchem Umfang konnte bisher die Finanzierung dieses Bauvorha- bens sichergestellt werden?

3. Ist ein Baubeginn (Durchführung eines ersten Bauabschnittes) mit kreiseigenen Mitteln im Jahr 1967 auch dann möglich, wenn Landes- mittel noch nicht zur Verfügung stehen?

4. Welche Möglichkeiten sieht die Kreisverwaltung, um Beginn und Durchführung des Bauvorha- bens in Wissen unter allen Um- ständen sicherzustellen und zu beschleunigen?“4

In derselben Zeitung findet sich ein Bericht über die öffentliche Gemein- Überall sind Handwerker und Bauarbeiter am Werk. deratssitzung in Wissen. Obwohl an diesem Schwerdonnerstag (1967) die Möhnen ihren großen Tag hatten, [Rhein-Zeitung vom 14. April 1969] wurde ernsthaft getagt. Amtsbürger- meister Dr. Everke konnte mit einer nanzierung für den Neubau vorbereitet. Endlich kommt im Juni die erlösende erfreulichen Neuigkeit aufwarten. Mit Mit Barmitteln und Bausparverträgen. Mitteilung, dass die Landesregierung Sicherheit könne 1968 mit dem Bau der Nach den Worten Dr. Krämers arbeitet den Wissener Berufsschulneubau ge- Berufsschule begonnen werden. Bis da- das Architektenbüro Voßbeck-Krahwin- nehmigt habe. Das Raumprogramm hin ständen die Mittel zur Verfügung. kel, dem die Arbeiten übergeben wur- sieht insgesamt 36 Klassen, elf Übungs- Eine halbe Stunde vor Sitzungsbeginn den, zügig und schnell. Man müsse al- räume und zwölf Lehrmittelzimmer hatte eine Besprechung mit Vertretern lerdings mit mindestens fünf Monaten vor. Außerdem werden drei Lehrküchen des Kultusministeriums, der Bezirksre- durchschnittlich rechnen. ‚Wir dürfen mit Speise- und Vorratsräumen, eine gierung und des Landratsamtes in der uns nichts vormachen’!“5 Lehrwaschküche, je ein Raum für Säug- Amtsverwaltung stattgefunden. Und auch im Frühjahr 1968 bewegt lingspflege, Haus- und Nadelarbeit ein- Im Oktober stand wieder einmal die sich nichts. Der Landrat beklagt die gerichtet. Zur weiteren Ausstattung der Schulfrage auf dem Programm des Schwerfälligkeit der Kultusbürokratie. neuen Berufsschule werden ein Bauhof Wissener Gemeinderates. Landrat Dr. Ganz anders wäre es bei unseren Nach- mit Umkleide- und Waschräumen, eine Krämer, der an der Sitzung teilnahm, barn in Frankreich. In sechs bis acht Dunkelkammer, eine Schülerbücherei betonte, dass die Verzögerungen nicht Monaten würden dort ganze Schulen und zwei Hausmeisterwohnungen ge- von der Kreisverwaltung zu vertreten gebaut. Dort bediene man sich weitge- hören. Oberstudiendirektor Brand quit- seien. Seit dem Frühjahr seien die Pla- hend der Fertigbauweise. Die Bezirks- tierte die Nachricht mit Freude.7 nungen dreimal geändert worden. Erst regierung habe zwar den Bauplänen im Dann – an den letzten Julitagen, rücken vor vierzehn Tagen habe die Bezirksre- Grundsatz zugestimmt, die Entschei- die ersten Bauarbeiter auf dem Bau- gierung die Neueste zum Ministerium dung über die Höhe der Landesmittel platz an der Dörnerstraße/Hachenbur- weitergeleitet. „Der Kreis habe im Üb- stehe jedoch immer noch aus.6 ger Straße an, roden die Obstbäume, rigen die vielen Jahre hindurch die Fi- schlagen Baubuden auf und verlegen 5 Rhein-Zeitung vom 21./22. Oktober 1967. 4 Rhein-Zeitung vom 4./5. Februar 1967. 6 Vgl. Rhein-Zeitung vom 6./7. April 1968. 7 Vgl. Rhein-Zeitung vom 22. Juni 1968.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 17 ein Schnippchen zu schlagen“, so die beiden Bauleiter Reinhard Henze und Josef Zeitler. Beide versicherten aber, die Glückauf-Bau scheue weder Mühen noch Kosten um den Rückstand wieder einzuholen. Über die Verhältnisse und den Stand der Dinge gibt ein Zeitungsartikel vom 14. April 1969 in der Rhein-Zeitung Auskunft: Auf der Baustelle im Dezember 1968 „Es geht auf Mitternacht zu. Die zurzeit größte Baustelle des Kreises Altenkir- chen ist in gleißendes Scheinwerfer- licht getaucht. Die Betonmischanlage ist noch in Betrieb. Ein hoher Turm- drehkran befördert die gefüllten Beton- kübel zu den Schalungen, in die sich danach der Brei aus Kies, Zement und Wasser ergießt. Vom frühen Morgen bis in die späte Nacht gleicht die Bau- stelle der neuen Berufsschule oberhalb der Walzwerksiedlung einem Bienen- staat. Von insgesamt 7000 Kubikmeter Beton sind bereits 6000 verbaut. ... Der Rohbau ist zu über 75 Prozent fertigge- stellt. ... Das Baracken-Büro der Baulei- tung erinnert an die Unterkunft eines Generalstabes. An den Wänden hängen Landrat Dr. Krämer führt die ersten symbolischen Hammerschläge aus. Pläne, in Regalen stapeln sich Zeich- nungen. Minutiös sind alle Arbeitse- In einer kleinen Feierstunde wurde der Grundstein gelegt. tappen dargestellt. An diesen Tagen

[Rhein-Zeitung vom 18. April 1969] muss die Heizung installiert werden, an jenen die Außenverblendung aus die Starkstromleitungen. Geht es nun Termin der schlüsselfertigen Inbetrieb- roten Ziegelplatten angebracht werden. wirklich los? In den folgenden Wochen nahme des Neubaus der Beginn des Ein Blick auf den Zeitplan zeigt, ob an erscheinen Stellenanzeigen in den Ta- Schuljahres 1969/70. Die aufgeforder- irgendeiner Stelle des riesigen Komple- geszeitungen des Kreises.1 Gesucht ten Firmen gaben teilweise ihre Ange- xes die Arbeiten in Verzug geraten sind. werden von der Glückauf-Bau-Aktien- bote für konventionelle, teils auch für Diese Generalstabsarbeit ist notwendig, gesellschaft bei guten Verdienstmög- halbkonventionelle oder Fertigbauweise um den Neubau am 15. August schlüs- lichkeiten erfahrene Poliere, Zimmerer, ab. Nach gründlicher Abwägung aller selfertig übergeben zu können. Einschaler, Betonbauer und Bauhelfer. Einzelheiten habe der Kreisausschuss Während der Rohbau einiger Trakte Unterkunft wird gestellt, heißt es in den Auftrag an die Essener Firma ver- bereits steht, kann man die Stockwer- den Inseraten. geben, die den Bau in Stahlbetonbau- ke der anderen förmlich wachsen se- Planierraupen und Lastwagen beherr- weise errichten werde.2 Der Generalun- hen. In mehreren Gebäudeteilen sind schen bereits das Bild der Baustel- ternehmer beabsichtigt auch, die hei- die Fenster schon eingebaut. In die- le hoch über dem Siegtal, als der 1. mische Wirtschaft und das Handwerk ser Woche werden sie verglast. In den Kreisdeputierte Fabry in Vertretung des bei den Arbeiten zu berücksichtigen. So Waschräumen und Küchen sind die verhinderten Landrates zusammen mit wurden beispielsweise die Erdarbeiten Fliesenleger am Werk. Mit den Natur- Oberstudiendirektor Brand am 29. Au- einer Wissener Firma übertragen.3 steinarbeiten auf Fluren und Treppen gust 1968 den lange erwarteten ersten In den folgenden Wochen und Mona- und an den Fensterbänken wurde be- Spatenstich auf dem 25.000 qm großen ten herrscht reges Treiben auf der Bau- gonnen. Die Außenverblendung wird Neubaugelände vornehmen. Fabry be- stelle. Allerdings unterbricht ein lan- zurzeit angebracht. Handwerker sind tont, dass die Kreisverwaltung bei der ger Winter die Arbeiten für 45 Tage. augenblicklich mit dem Abhängen der Ausschreibung und Vergabe der Auf- „Trotz moderner Fertigungsmethoden Akustikdecken beschäftigt. träge neue Wege gehe. So seien sieben – wie etwa die beheizte Betonmischan- Anfang Mai soll Gas, Wasser und Elek- Großfirmen zur Abgabe eines Kom- lage – gelang es nicht völlig, dem Frost trizität angeschlossen werden. Dann plettangebotes aufgefordert worden. kann man die mit Gas betriebene Hei- Darüber hinaus gelte als verbindlicher zung einschalten, die die Gebäudeaus- 2 Am 31. Juli entschied sich Kreisausschuss, dass Projekt an die Glückauf-Bau-Aktiengesellschaft aus Essen zu vergeben. trocknung beschleunigen wird. 1 Z. B. in der Rhein-Zeitung vom 14./15. und 24. August 1968. 3 Vgl. Siegener Zeitung vom 3. September 1968.

18 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Impressionen aus der Bauzeit

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 19 kleidung auf das Wohl der Architekten, der Handwerker und des Auftraggebers anstießen und die Gläser an den Wän- den des Neubaus zerschellen ließen, wieder. Mit einem kräftigen Essen und einigen Gläsern Bier wurde das Richt- fest anschließend im Gasthof Jäger- heim gefeiert.“2 Das „Wunder von Wissen“, an das kaum jemand so richtig geglaubt hatte, wurde Wirklichkeit. Nach knapp einjähriger Bauzeit kann das Gebäude fristgerecht Der Übungsraum der Friseure zum neuen Schuljahr 1969/70 bezogen werden.

gangshalle (Hachenburger Straße) wur- Die neue Technik: 1.4 Von der Werkstatt de gleich so eingerichtet, dass sie vielen Übungscomputer in der BBS Wissen bis zum Computer Zwecken dienen kann: als abtrennbarer (1969). Aufenthaltsraum für Schüler, als Film- „Lehrer und Schüler waren sich im Ur- vorführraum oder als Aula (180 Schü- [Schulen im Wandel, S. 88] teil einig: Diese Schule war für sie – für ler). Für besondere Schulveranstaltun- eine junge Generation gebaut worden! gen steht außerdem eine transportable Ein Heer von etwa 160 Arbeitern be- Der Bauherr hatte mehr getan, als nur Bühne bereit. völkert jetzt die Baustelle. 200 Ton- eine Schule zu errichten. Zur Investiti- Die überdachte Pausenhalle führt auf nen Stahl und 6000 Kubikmeter Beton on gehörte auch der gute Geschmack. die verschiedenen Schulhofebenen, die sind verbaut. Diese Betonmenge würde Als Beispiele seien nur die drei behag- nach einem Entwurf des Gartenarchi- ausreichen, um einen ausgewachsenen lich eingerichteten Esszimmer neben tekten Dr. Funke während des Som- Fußballplatz mit einem ein Meter ho- den drei großen Lehrküchen genannt: mers im bunten Blumenschmuck (Kü- hen Klotz zu bedecken.“1 schlichte, aber elegante Möbel inmit- bel und Flächen) die freundlichen Ak- Nebenbei berichtet dieser Artikel von ten einer farblich akzentuierten Um- zente der Schule noch unterstreichen. der Grundsteinlegung. In einer klei- gebung. Eine leuchtend blaue Wand Die technische Ausstattung bietet den nen Feierstunde wurde der Grundstein und blaue Vorhänge zu gelben Stuhl- verschiedenen Berufsaspiranten eine in der Wand der Eingangshalle einge- bezügen etwa. Dazu eine farbenfrohe Fülle von Demonstrationsmöglichkei- lassen. Der späte Termin erklärt sich Bildkomposition über einem modernen ten. Klempner, Installateure und Me- dadurch, dass dieser Verbindungstrakt Sideboard. Zu Hause könnte man es tallberufe erhielten ihre Übungswand, zwischen dem gewerblichen Trakt an kaum gemütlicher haben. an der geschraubt und genagelt werden der Hachenburger Straße und den Auch die übrige Einrichtung erinnert kann, ‚so viel man will’ (Berufsschul- Gebäuden der kaufmännischen und mehr an moderne Großraumbüros als direktor Brand). Den Schreinern steht hauswirtschaftlichen Abteilungen an an eine Schule. Farben geben im Übri- ebenfalls eine vollständig ausgestattete der Dörnerstraße aus bautechnischen gen Orientierungshilfe in dem weitver- Übungs- und Demonstrationswerkstatt Gründen zuletzt errichtet wurde. zweigten Bau: Rotbraun signalisiert die zur Verfügung. Im Bauhof könnte ein Nur wenige Wochen nach der offizi- gewerbliche und Grün die kaufmänni- ganzes Einfamilienhaus erstellt wer- ellen Grundsteinlegung flatterten die sche Abteilung. den. bunten Bänder des Richtkranzes über Nicht nur schön, sondern auch prak- Die Einrichtung des Chemieraumes dem Neubau. „Die guten Wünsche für tisch wurde in Wissen gebaut. Ein Ver- wurde so gewählt, dass die Schüler bald das neue Haus und seine Bewohner bindungstrakt gilt als die Nahtstelle für lernen mögen, auch hinter ‚die Din- spiegelten sich im Richtspruch der die gewerbliche, hauswirtschaftliche ge zu sehen’, die sich in naturwissen- Zimmerleute, die in zünftiger Berufs- und kaufmännische Abteilung. Die Ein- schaftlichen Erkenntnissen verbergen. Der für die angehenden Bäcker obligate

1 Rhein-Zeitung vom 14. April 1969. 2 Rhein-Zeitung vom 17. Mai 1969. Backofen fehlt selbstverständlich nicht

Umbauter Raum: 38.262,54 cbm • Nutzfläche: 6.223,32 qm (77,37 %) • Verkehrsfläche: 1.820,60 qm (22,63 %) • Gesamtflä- che: 8.043,92 qm • 36 Klassenräume • 11 Übungsräume • 12 Lehrmittelzimmer • 3 Lehrküchen mit Speise- und Vorratsräu- me • 1 Schülerbücherei • 1 Nadelarbeitsraum • 1 Raum für Fahrschüler • 1 Lehrwaschküche • 1 Raum für Säuglings-Pflege • 1 Hausarbeitsraum • 1 Bauhof mit Umkleide-, Wasch- und Materialräume • 1 Schulleiterzimmer • 1 Zimmer für Direktorstell- vertreter • 1 Geschäftszimmer • 1 Lehrerzimmer • 2 Elternsprechzimmer • 1 Gartengeräteraum • 1 Kartenraum • 1 Hausmeis- terzimmer • 2 Hausmeisterwohnungen • Pausenhalle • Toilettenanlage • Fahrradkeller • Dunkelkammer Quelle: Landkreis Berufsschule Wissen (Sieg), hrsg. v. Landkreis Altenkirchen zur Einweihung am 15. Dezember 1969.

20 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Die berufsbildenden Schulen im Kreis im gewerblichen Trakt. In gleicher Wei- Schüler neben mechanischen und elek- Altenkirchen umfassen: se praxisnah ist die Ausstattung des trischen Schreibmaschinen, Rechen- Labors für Arzt-, Zahnarzt- und Apothe- und Buchungsmaschinen, ein Sprach- Kaufmännische Abteilung: kenhelferinnen. Die Zeichensäle ste- labor und ein eigens eingerichtetes 47 Klassen = 1.199 Schüler hen allen Berufsgruppen offen. Lehrbüro vor. gewerbliche Abteilung: Je vier Vorwärts- und Rückwärtswasch- Auch ein Übungscomputer – der Erste 72 Klassen = 1.623 Schüler becken sowie Auskämmplätze bieten in Rheinland-Pfalz für eine Schule – ist Hauswirtschaftl. Abteilung: sich den Friseusen und Friseuren in aufgebaut. ‚Der Jugend soll damit die 17 Klassen = 344 Schüler ihrem ‚Mustersalon’ an. Auch hier wie- Angst vor den neuen Dingen genom- Landwirtschaftl. Abteilung: der eine geschickte Farbzusammenstel- men werden’, wie Oberstudiendirektor 8 Klassen = 150 Schüler lung von Möbeln und Raumbemalung. Brand erklärte, der maßgeblich an der Handelsschule: In einer reizvollen Umgebung arbei- Konzeption für diese Schule mitgewirkt 3 Klassen = 93 Schüler ten die Maler: unter einem Shed-Dach hat.“3 Haushaltungsschule: mit einem matten und transparenten 1 Klasse = 33 Schüler Glasteil, der für ausgeglichene Beleuch- Gew. Berufsaufbauschule: tung sorgt. Ein Eindruck wie in einem 3 Klassen = 75 Schüler

Künstleratelier. Zwölf bewegliche große 3 Kreisausschuss des Landkreises Altenkirchen (Hrsg.), Kaufm. Berufsaufbauschule: Tafeln ermöglichen die Arbeit auch im Schulen im Wandel – Chance für jedermann, Schulen 1 Klasse = 30 Schüler und Bildungseinrichtungen im Kreis Altenkirchen, in der Stehen. Reihe: Dokumentationen über Geschichte, Kultur, Wirt- Berufsgrundschuljahr: schaft und kommunales Leben im Kreis Altenkirchen, Im kaufmännischen Teil finden die Band 4/1972, S. 86 ff. 1 Klasse = 26 Schüler Quelle: Landkreis Berufsschule Wissen (Sieg), hrsg. v. Landkreis Altenkirchen zur Einweihung am 15. Dezember 1969.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 21 Von der Sonntagsschule zur Berufsschule

22.1 Von der zünftigen zur schnitts der Lehrzeit. Frauen, die Frau derschaft, nicht zuletzt, um bei Meis- des Meisters oder die Mägde, spielten tern anderer Länder ihre Fähigkeiten Dualen Berufsausbildung nur als Hilfskräfte eine Rolle. Erst nach und ihr Wissen zu erweitern: eine frühe einigen Wochen Probezeit wurden die Form beruflicher Mobilität in Europa. Die Mitglieder der verschiedenen Lehrlinge vor Vertretern der Zunft auf- Wenn die Gesellen hinreichend Erfah- Handwerksberufe schlossen sich im genommen. Meist zahlte die Familie rungen gesammelt hatten, bewarben Mittelalter in Zünften zusammen. Die dem Meister, der für Unterbringung sie sich bei einer Zunft um die Zulas- Zunftordnung regelte über Jahrhun- und Verpflegung sorgte, ein Lehrgeld. sung als Meister.“1 derte nicht nur Produktionsverfahren, Die Lehre dauerte je nach Beruf 2 bis Die politischen und gesellschaftlichen Gütestandards, Preise und Marktzu- 4 Jahre, bei sehr spezialisierten Gewer- Umwälzungen des 18. Jahrhunderts, tritt, sondern auch die Versorgung wirt- ben auch länger. Die Lehrzeit endete die Industrialisierung und die Einfüh- schaftlich schwacher Zunftmitglieder mit einer fachlichen Prüfung, mit dem rung der Gewerbefreiheit um 1810 führ- und das standesgemäße Einkommen ‚Freisprechen’ des Lehrlings, für das ten auch in Deutschland zur Auflösung der Meister. die jeweiligen Handwerkssparten un- der Zünfte. Mit dem Ende der Zünfte wurden auch deren Berufsordnungen abgeschafft – und damit auch die festen Lehrzeiten. Ungelernte, billige Arbeits- kräfte bedienten die Maschinen in den Fabriken. Über lange Zeit hinweg benö- tigte die schnell wachsende Industrie kaum qualifizierte Arbeitskräfte. Durch den scharfen internationalen Wettbe- werb wuchs auch der Bedarf an qua- lifizierten Arbeitern, sodass 1897 die traditionelle handwerkliche Ausbildung wieder gesetzlich eingeführt wurde. „Im Laufe des 19. Jahrhunderts besuch- ten Lehrlinge abends oder sonntags oft eine ‚Fortbildungsschule’, in denen der Grundschulstoff wiederholt und theore- tische Kenntnisse zum Beruf vermittelt wurden. [Später] … wurde die Fortbil- dungsschule zur ‚Berufsschule’, die ne- ben der fachlichen Ausbildung auch „Zur Erinnerung an meine Lehrzeit 1886/90“ steht mit feiner Handschrift auf der staatsbürgerliche Erziehung vermittelt. Rückseite dieses Bildes. Es zeigt die Belegschaft der Lokomotivenfabrik Arn. Jung, Jungenthal Bis heute gehört beides zu einer Leh-

(Rhein-Zeitung vom 12. April 1996) re: das Lernen im Betrieb und in der Berufsschule. Daher spricht man vom „In den Zünften herrschte überall in terschiedliche Bräuche hatten, und mit ‚Dualen Ausbildungssystem’.“ 2 Europa eine strenge Rangordnung: seiner Aufnahme in den Kreis der Ge- Lehrling, Geselle, Meister. Der Meis- sellen. Die berufliche Qualifikation der tertitel war der einzig verbriefte Qua- Gesellen war auch in anderen Ländern 1 Norbert Wollschläger und Helga Reuter-Kumpmann, Von der Divergenz zur Konvergenz, Zur Geschichte der beruf- lifikationsnachweis. Die ‚Lehrbriefe’ anerkannt. Meist ungebunden durch lichen Bildung in Europa, in: Berufsbildung – Europäische bestätigten die Erfüllung des ersten Ab- Familie, begaben sie sich oft auf Wan- Zeitschrift, Nr. 32, Mai – August 2004/II, S. 7. 2 Ebenda, S. 11.

22 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) 2.2 Die Anfänge der Bereits am 16. Januar 1896 meldete der In seiner Antwort aus Berlin weist Fortbildungsschulen im Fabrikant in einem persönlichen Sch- Heinrich Krämer am 21. Januar 1896 reiben dem Kirchener Bürgermeister auf einige bürokratische Hürden hin, Kreis Altenkirchen und 1. Abgeordneten des Regierungsbe- die noch zu nehmen wären: zirkes Koblenz im Deutschen Reichstag Dem Kirchener Lokomotivenfabrikan- in Berlin, Heinrich Krämer, die Un- ten Arnold Jung gebührt die Ehre, als terrichtsaufnahme der Fortbildungs­ erster in unserer Region die Bedeutung schule. gut ausgebildeter Arbeiter erkannt zu haben. So schrieb er am 28. De- zember 1895 an den Bürgermeister von Kirchen:

„Wir haben nun mit unserer Fortbil- dungsschule angefangen; es stellt sich indes heraus, dass der Privatschul- saal schon jetzt etwas klein ist. Einstwei- „Mit Gegenwärtigem gestatte ich len sind nur Teilnehmer hier unter 30 „Lieber Arnold! Es freut mich sehr, aus mir höflichst die Errichtung einer Fort- Jungen etwa 15 Erwachsene. Sollen nun Deinen Mitteilungen vom 16.1. ersehen bildungsschule für die Gemeinde Kirchen die anderen jungen Leute von Kirchen von zu können, dass die Idee der Fortbildungs- und Wehbach in Anregung zu bringen. vornherein dazu genommen werden, was schule Boden gefunden hat. Was nun die Der voraussichtliche Nutzen einer solchen doch eigentlich empfehlenswert wäre, dann Überlassung eines Saales der Elemen- Einrichtung für das Allgemeinwohl liegt ist der Platzmangel noch fühlbarer. Es tarschule zu diesem Zwecke angeht, so auf der Hand. Auch kann man ange- drängt sich nun demgemäß der Wunsch existieren nach dieser Richtung Bestim- sichts der Tatsache, dass trotz der damit auf, einen der viel größeren evangelischen mungen, welche die ganze Frage auf die verknüpften Umstände der Sonntagsun- Elementarschulsäle für unseren Unterricht Richtung der behördlichen Regelung ins terricht in Siegen von hier aus Zuspruch benutzen zu können. Ich wollte dich nun Rollen bringen würden. Es müssen dar- findet, schon abgesehen von der obligato- fragen, ob und unter welchen Umständen über die betreffenden Instanzen (Schul- rischen Verpflichtung, eine rege Teilnahme wir dieser Wohltat teilhaftig werden könn- vorsteher, Gemeinde, Kreisschulinspek- erhoffen. Ich selbst beschäftige zurzeit 30 ten. Man könnte mit gutem Gewissen den tor) gehört werden. Dazu ist es absolut junge Leute, welche im vorliegenden Falle ganzen Unterricht als Privatunterricht erforderlich, der Fortbildungsschule eine in Betracht kämen und könnte zur Förde- seitens der Lehrer hinstellen, wenn dies behördlich anerkannte Organisation zu rung der guten Sache mich zur Zahlung dem Zwecke förderlich wäre. Ein anderer geben, bevor in irgendeiner Weise weiter einer noch zu vereinbarenden Pauschal- Modus wäre der des einfachen Übersehens. gegangen werden kann. Ich werde sobald summe pro Jahr vielleicht M. 300,- wohl Schließlich handelt es sich ja überhaupt wie möglich nach Kirchen zurückkehren verstehen.“ 3 nur um eine kurze Zeit, da die jetzige Ein- und die Regelung der Angelegenheit nach richtung nach unserer Besprechung ja als dieser Richtung in die Hand nehmen …“ 5 ein Provisorium anzusehen ist.“4 3 Peter Koeleman, Anfänge in der „Fortbildungsschule“, in: Bildungszentrum Betzdorf-Kirchen im Landkreis Altenkir- chen, Eine Dokumentation zur Einweihung am 27. Septem- ber 1979, hrsg. v. Landkreis Altenkirchen, S. 6. 4 Ebenda, S. 7. 5 Ebenda, S. 8.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 23 hatten hier in den Wintermonaten die Möglichkeit, sich auf ihren Beruf vor- zubereiten.4

2.3 Die Fortbildungsschule wird zur Berufsschule

Nach der November-Revolution 1918 gab es Bestrebungen, die Schulpflicht auf den Besuch der Fortbildungsschu- len auszudehnen. Artikel 145 der Wei- marer Verfassung enthielt eine entspre- chende Erklärung. Jedoch gelangte der bei der Reichsschulkonferenz von 1920 zur Debatte stehende Gesetzesentwurf Zeugnis der Fortbildungsschule in Kirchen über die Berufsschulpflicht nie in den Reichstag. Preußen schuf daher 1923 eine eigenständige Regelung durch Wohl aus diesem Grunde wurde erst die Augen oft nur sehr schwer offenhal- „Gesetz über die Erweiterung der Be- am 2. Mai 1907 die bisher eher private ten. Geweckt wurden die Schüler dann rufsschulpflicht“. Bildungseinrichtung durch eine öffent- unsanft von ihrem Lehrer Friedrich Ha- Dennoch stand die Berufsschule auch liche, gewerbliche Fortbildungsschu- macher (Schulleiter der Ev. Volksschule weiterhin nur einem Teil der Schulent- le abgelöst. In der Nachbargemeinde Kirchen), der das Wasser zur Tafelsäu- lassenen offen. „Anfang der zwanziger Betzdorf nahm die Fortbildungsschule berung dann auch zum Wecken der Jahre besuchten etwa 30 Prozent der am 21. Februar 1896 ihre Arbeit auf. Schüler benutzte.“1 Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jah- Einrichtungen in weiteren Gemeinden Die Bedeutung der Fortbildungsschule ren derartige Einrichtungen. Bei den folgten. wird auch an der Zusammensetzung Jungen lag der Prozentsatz bei knapp Über den Schulalltag in diesen Fortbil- des Kuratoriums der Schule sichtbar: 50, bei den Mädchen noch nicht einmal dungsschulen ist nur wenig bekannt. Vorsitzender wurde Otto Zartmann bei 10 Prozent. Am Ende der Weimarer Etwa um die Jahrhundertwende wurde (Bürgermeister des Amtes Kirchen), Republik konnte dieser Anteil auf etwa den Lehrlingen aus Handel und Ge- Heinrich Klostermann (Direktor der 50 Prozent gesteigert werden.“5 werbe, Handwerk und Industrie der Friedrichshütte), Friedrich Weber (in Das preußische Gesetz führte vielerorts Besuch der Fortbildungsschulen zur leitender Stellung in der Bergverwal- zur Errichtung von Kreisberufsschulen, Pflicht gemacht. In der Regel fand der tung tätig) und Friedrich Hamacher im Kreis Altenkirchen jedoch zunächst Unterricht in den Räumen der Volks- (Schulleiter der Ev. Schule Kirchen).2 nur zu einer Namensänderung. schulen statt, und zwar dann, wenn „Diese ‚neumodische’ Schule stieß an- „Aus dem Verwaltungsbericht des Krei- diese frei waren, d. h. werktags abends fangs keinesfalls überall auf Verständ- ses für das Jahr 1924 geht hervor, dass von 18 bis 20 Uhr und am Sonntag- nis. So weigerte sich beispielsweise im damals gewerbliche Fortbildungsschu- vormittag – daher im Volksmund auch Jahre 1909 ein Schlossermeister, die len, die man ab diesem Jahr Berufs- häufig Sonntagsschule. Der Mittwoch veranschlagten 10,75 Mark jährlich zu schulen nannte, in Altenkirchen, Betz- und der Samstag waren unterrichtsfrei. zahlen, da davon im Lehrvertrag nichts dorf, , , Kirchen und Die Fortbildungsschule war eine Fort- verzeichnet sei und dem Lehrling nur bestanden. Über die Zahl der in setzung der Volksschule und vertiefte Schaden statt Nutzen bringe.“3 ihnen zusammengefassten Lehrlinge, deren Lerninhalte. Unterrichtet wurde Nicht nur die Industrie, sondern auch über die Lehrer und vor allem über die von Volksschullehrern in den Fächern die Landwirtschaft revolutionierte im Art und den Umfang des Unterrichts Rechnen, Raumlehre, Deutsch und 19. Jahrhundert: Mineraldüngung, ist in dem Bericht, der dem gesamten Schriftverkehr. An einen Fachunterricht Mechanisierung, neue Züchtungsme- Schulwesen immerhin zwei Seiten wid- für die einzelnen Berufe war noch nicht thoden bei Pflanzen und Tieren. Eine met, leider nichts vermerkt. Auch der zu denken. Einzig den Zeichenunter- Schulung der Jungbauern wurde un- Bericht von 1928/29, der dem Schulwe- richt bei den konstruierenden Berufen erlässlich. Bereits 1891 gründete der sen sechs Seiten einräumt, beschränkt (Metall-, Bau- und Holzgewerbe) erteil- landwirtschaftliche Zentralverein für sich bei den Fortbildungsschulen auf ten sonntags von 8 bis 10 bzw. von 11 Rheinpreußen in Wissen eine so ge- den Hinweis, dass das Amt Hamm für bis 13 Uhr meist Architekten und Bau- nannte Winterschule. Junge Landwirte

meister. 4 Vgl. Helmut Trapet, Die Landwirtschaftsschule und Be- „Nach Überlieferung hatten die Schü- 1 Manfred Ermert, „Heftige Strafen“ vor 100 Jahren bei ratungsstelle Wissen, in: Wissener Heimatbuch, Chronik Nichteinhaltung der Schulordnung in der „Fortbildungs- der Verbandsgemeinde und Stadt Wissen, Neubearbei- ler ein besonderes Problem bei dem schule“, in: Kirchener Heimatverein e. V., Jahrgang 2015, tung 1983 von Reinhard Liedtke, Wissen 1982, S. 454 ff. Heft 31, S. 16. Besuch der Fortbildungsschule. Nach Anm.: Nach 75 Jahren musste die Landwirtschaftsschule im 2 Vgl. ebenda. Leider ist nicht bekannt, in welchem Zeitraum März 1967 schließen. ihrem arbeitsreichen Tag konnten sie dieser Verwaltungsrat amtierte. 5 Karl-Heinz Günther u. a. (Redaktion), Geschichte der Erzie- 3 Ebenda, S. 9. hung, 12. Auflage, Berlin (Ost) 1976, S. 590.

24 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) stattfand, sondern bereits werktags am frühen Nachmittag, wenn die Schüler von ihrer Arbeit noch nicht abgekämpft und infolgedessen auch noch aufnah- mefähiger waren. Der Unterricht für die kaufmännischen Klassen betrug ebenfalls 6 Stunden. Er wurde durch einen Diplom-Handelslehrer, der in Al- tenkirchen eine private Handelsschule betrieb, gewissermaßen nebenberuflich erteilt. Daneben gab es zwei weitere Berufsschulen im Amt Wissen: in Ho- nigsessen für die Schulorte Birken und Honigsessen und in für Elkhausen und Katzwinkel. Da die kommunalen Berufsschulen ei- ne monotechnische Ausbildung vermit- telten, die nicht mehr den Forderungen der fortschreitenden Technik entspra- chen, und die Berufsausbildung immer breiter und vielseitiger wurde, waren die Gemeinden gefordert, das Bildungs- angebot zu differenzieren. Dies über- forderte die heimischen Kommunen. Nur der Kreis bzw. ein Zweckverband, bestehend aus verschiedenen Ämtern des Kreises, hätte eine solche Aufgabe lösen können. Bereits 1927 hatte der Kreistag durch Beschluss den Pflicht- besuch für die ländliche Fortbildungs- schule eingeführt und die Trägerschaft übernommen. Warum sollte dies nicht auch für die gewerblichen Berufsschu- len möglich sein? „Die maßgebenden, noch bestehenden Schulträger im Kreis, also Gemein- den bzw. Ämter mussten für die Sa- che gewonnen werden. Im Auftrage des damaligen Regierungs- und Ge- werbeschulrates wurden statistische Zeugnis der Berufsschule im Amt Wissen vom 1. Oktober 1933 Erhebungen über Schülerzahlen, Be- rufsarten, Schulorte, Schulräume, Wegestrecken u. a. m. vorgenommen, die jugendlichen Arbeiter einer Rasier- renden Berufe (Bäcker, Metzger, Schuh- Karten des Kreisgebietes in verschiede- klingenfabrik in Nisterau (Niepenberg) macher, Schneider, Sattler und Pols- nen Maßstäben angefertigt, Einzugs- eine Berufsschule errichtete, die das terer, Friseure, Maler und Anstreicher gebiete eingezeichnet, Reisen zu den Schulgebäude in Oettershagen am und dergleichen). Unterrichtet wurde Bürgermeistern und Vorstehern unter- Nachmittag nutzte.“6 von einem Gewerbelehrer nachmittags nommen, Innungen, Handwerkskam- Im Jahr 1931 verfügte die Schule in Wis- von 14 bis 20 Uhr in den Räumen der mer, Industrie- und Handelskammer sen, die etwa seit 1903 bestand, über katholischen Volksschule. Außer den bemüht, die Direktoren der größeren zwei Klassen für Handwerker: eine für beiden Handwerksklassen gab es noch Industrieunternehmen für die Sache konstruierende Berufe (Maurer, Zim- vier Klassen für Ungelernte (jugendli- interessiert, der Landrat in Besprechun- merleute, Dachdecker, Schreiner, Stell- che Arbeiter des Walzwerks, der Kis- gen mit dem Dezernenten für das Be- macher, Schlosser aller Art, Schmiede, tenfabrik, der Sägewerke usw.), deren rufs- und Fachschulwesen an der Re- Klempner usw.) und eine weitere Klas- Unterricht von 16 bis 20 Uhr dauerte.7 gierung in Koblenz über Umfang und se für Handwerker der nicht konstruie- Es war schon ein Fortschritt, dass an Ausmaß der Schule und ihre Bedeu- den Sonntagen kein Unterricht mehr tung für die Wirtschaft des Kreises ins 8 6 Hans Helzer, Das Schulwesen im Kreis Altenkirchen, in: Bild gesetzt.“ Der Landkreis Altenkirchen im 20. Jahrhundert, Eine Chro- nik, hrsg. v. d. Kreisverwaltung Altenkirchen, Altenkirchen 7 Vgl. Hubert Elben, Die Kreisberufsschule in Wissen, in: 1992, S. 301 f. Wissener Heimatbuch, S. 447 – 450. 8 Ebenda, S. 448 f.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 25 Schule unter dem Hakenkreuz

(Schulleiter Wilps: 1936 bis 1942/44)

3.13 Die Kreisberufsschule Altenkirchen

Endlich, im Herbst 1936 ist es so weit. Die Berufsschulen im Kreis werden zur Kreisberufsschule Altenkirchen zusam- mengefasst. Mit der Leitung wird Dipl.- Handelslehrer Wilps aus Oberhausen betraut, der den Amtstitel Kreisberufs- schulleiter und später Direktor führt. Dem Schulleiter stehen zunächst nur die Gewerbelehrer Elben, Stein, Persy und der Dipl.-Handelslehrer Vorbeck sowie einige nebenamtliche Lehrkräfte zur Seite. Die neue Kreisberufsschule zieht in Wissen in das Gebäude des 1935 auf- gelösten Realgymnasiums „Auf dem Löh“ ein. Sechs Klassenräume, drei für die gewerbliche, zwei für die hauswirt- schaftliche und einer für die kaufmän- nische Abteilung, ferner Zimmer für die zentrale Verwaltung und Leitung sowie einige Nebenräume wie Lehrer- zimmer, Sammlungsräume und der- gleichen stehen nun zur Verfügung. Im Erdgeschoss muss für die hauswirt- schaftliche Abteilung noch eine Lehrkü- che und Essräume eingerichtet werden und im Untergeschoss sollen Waschkü- che und Bügelzimmer entstehen. Die Schule verfügt sogar über eine eigene Turnhalle. Daneben gibt es drei weitere Haupt- schulorte: Altenkirchen, Betzdorf und Kirchen.1 Hier wird in fachlich geglie- derten Klassen Unterricht von Gewer- be- und Handelslehrern erteilt, wäh- rend in bis zu 15 Nebenschulorten Ju- gendliche, die in keinem Lehrverhältnis Zeitungsbericht vom 13.11.1936 (wahrscheinlich Sieg-Post) 1 Konferenzberichte vom 14.11.1937 bis zum 1.3.1943 [im Fol- genden mit (1) zitiert], Bericht über die Konferenz vom 14. November 1937, S. 1 ff.

26 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Anzahl Ort Anzahl der Klassen Anzahl Ort der der Schüler Klassen keine Seltenheit, dass Mädchen mit Po- Altenkirchen 17 563 kaufm.

lizeigewalt zur Schule gebracht werden. gewerbl. hauswirt. ungelernte Wissen 34 965 Im Januar 1939 gibt es bereits je 13 hauswirtschaftliche Klassen in Wissen Altenkirchen 7 4 1 9 Betzdorf 43 1.261 und Betzdorf und 9 in Altenkirchen. Ab September 1940 nehmen auch die Betzdorf 8 7 3 13 Kirchen 94 2.787 Mädchen aus dem Amt Daaden in der Wissen 15 6 3 13 Erteilte Volksschule Daaden den Berufsschul- Anzahl Unterrichts- unterricht auf. Kirchen 12 stunden Unterrichtet wird in zwei „Schichten“, die Mädchen von 7.45 – 12.15 Uhr bzw. Nebenorte 11 hauptamtliche 14.00 – 18.30 Uhr. Der Unterricht der 9 765 42 17 18 35 Lehrer Jungen endet um 12.55 Uhr bzw. 19.20 Uhr. Pausen sind von 10.00 – 10.20 Uhr nebenamtliche Schülerzahl 2.997 16 235 und von 16.30 – 16.50 Uhr. Das gesetz- Lehrer liche Unterrichtssoll beträgt zu dieser Anzahl (1), Bericht über die Konferenz vom 15. September 1937, S. 17 Zeit 160 Stunden im Jahr. hauptamtliche Die Mädchen haben in der Woche meist 14 Lehrer stehen, von nebenamtlichen Kräften – fünf Unterrichtsstunden: meist Volksschullehrern – unterrichtet nebenamtliche werden. Deren Unterrichtsstunde wird 31 Fach / Schuljahr 1. 2. 3. Lehrer mit 3,00 RM (Ortsklasse B) vergütet. (1), Bericht über die Konferenz vom 28. Januar 1939, S. 65 Die Summe von 1.200 RM darf jährlich Völkischer Unterricht 1 1 1 allerdings nicht überschritten werden.2 Nur in Wissen findet der Unterricht im Hauswirtschaftliches „In jener Zeit wurde die Bevölkerung 1 1 eigenen Berufsschulgebäude statt, wäh- Rechnen praktisch wieder in das Leben von Höh- rend in Betzdorf in einem Schulhaus lenmenschen zurückversetzt. Denn Arbeitskunde aus dem Jahre 1865, Friedrichstraße 39, 1 1 im Tunnel in Brückhöfe, in den Luft- genannt „Auf dem Äuchen“, unterrich- und Schriftverkehr schutzstollen am Walzwerk, Brauerei, tet wird. Die Einrichtung ist hier primi- Hauswirtschaftslehre 1 Köttingsbach, auf der Alten Hütte und tiv, die sanitären Anlagen ungenügend. in vielen anderen Erdlöchern, spielte In Altenkirchen wird im evangelischen Nähen 2 1 sich zu einem großen Teil das Leben Gemeindehaus unterrichtet. In Kir- der Bevölkerung ab. Hier saß man dicht chen stehen die mit Anschauungs- und Gesundheitslehre 1 gedrängt mit dem Notwendigsten was Lehrmittel hervorragend ausgestatteten man zum Leben benötigte ausgerüstet, Kochen 3 Werkschulräume der Lokomotivenfab- zu Hunderten und mehr in stiller Er- rik Arn. Jung bereit. Hierhin kommen wartung, die nur unterbrochen wurde die gewerblichen Lehrling der Indust- Am 11. Februar 1942, das Kollegium vom Weinen der Kinder und von der rie, während in Betzdorf Elektriker, Au- besteht nun aus sieben weiblichen leisen Unterhaltung über das Schicksal toschlosser und Klempner – also die und vier männlichen hauptamtlichen der Nacht.“4 Handwerksberufe – in Spezialklassen Lehrern,3 wird Direktor Wilps nach Am 11. März 1945, einem trüben Vor- zusammengefasst werden. Mit Geneh- Esch in Luxemburg abgeordnet und der frühlingstag, warf zwischen 17.50 und migung der Innung werden ab Ostern Fachvorsteher der Abteilung Berufsar- 18.00 Uhr eine Bomberstaffel ihre töd- 1937 alle Maurerlehrlinge in Wissen beiter Reif vom Landrat Dr. Dr. Kunkel liche Last über Wissen ab. „Zu einem eingeschult, für die man hier eine Lehr- zum Stellvertreter ernannt. wahren Inferno gestaltete sich die Si- werkstatt errichtet. Am 6. Juni 1944 landen die Alliierten tuation … Der Splitterschutzgraben im Erstmals sind auch Mädchen im Kreis in der Normandie und rücken unauf- Richtweg, voll gepfropften mit Schutz- Altenkirchen berufsschulpflichtig, die haltsam auf die Reichsgrenze vor. We- suchenden, wurde in Bruchteil von Se- im Januar 1937 in Wissen in der eigens gen des nun ständigen Fliegeralarms kunden in Blut, Trümmer und ätzenden eingerichteten hauswirtschaftlichen muss im Herbst 1944 der Unterricht Rauch verwandelt. Furchtbar waren die Abteilung eingeschult werden; Ostern eingestellt werden; die Mehrzahl der Zerstörungen und furchtbar die Verlus- folgen Klassen in Betzdorf und Alten- bisher noch nicht eingezogenen Lehrer te, die durch den Bombenhagel eintra- kirchen. Die Schülerinnen sind vor- wird am „Westwall“ eingesetzt und das ten. Familien wurden zum Teil völlig wiegend in der elterlichen Haus- und Schulgebäude in Wissen als Lazarett vernichtet, Tote und Verletzte ringsum Landwirtschaft als Hausgehilfin oder genutzt. und Hilfeschreie erfüllten die Luft. Hilfsarbeiterin beschäftigt. Die Schul- Aber nicht genug damit. Während hier pflicht ruft teilweise den erbitterten Wi- 3 Unterrichtet wurde in fünf Abteilungen, der jeweils ein Fachvorsteher vorstand: Herr Wunsch der kaufmännischen derstand der Eltern hervor. Es ist daher Abteilung, Herr Elben der Abteilung Metallgewerbe, Herr 4 Gustav Wirths, Der Weltkrieg 1939 – 1945, in: Wissener Hombücher der Abteilung Handwerk, Herr Reif der Abtei- Heimatbuch, Chronik der Verbandsgemeinde und Stadt lung Berufsarbeiter, Fräulein Winkelmeier der Abteilung Wissen, neu bearbeitet und zusammengestellt von Rein- 2 (1), Bericht über die Konferenz vom 19. März 1938, S. 22. Hauswirtschaft und Gewerbe (weiblich). hard Liedtke, Wissen 1982, S. 106.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 27 Schülerinnen bei der Gartenarbeit Auf dem Löh, Haupteingang vor dem Schulgebäude

am Richtweg Tod und Grauen herrsch- auf Wissen vor. Die deutschen Trup- Jüdischen Schülern ist spätestens seit te, hagelten die Bomben zur gleichen pen leisten jenseits der Sieg verzweifelt dem Runderlass des Ministers für Wis- Zeit auf das St. Antonius-Krankenhaus Widerstand. Nach dem 5. April stoßen senschaft, Erziehung und Volksbildung und das als Ausweichlazarett eingerich- die amerikanischen Verbände Richtung [E I b 745 (b)] vom 15. November 1938 tete ev. Gemeindehaus. … Die Bergung Morsbach und Richtung Betzdorf wei- der Schulbesuch verwehrt: „Nach der der Toten und Verletzten war hier kam ter vor. Nach diesem Termin ist der ruchlosen Mordtat5 von Paris kann es möglich und noch stundenlang nach Krieg in Wissen faktisch zu Ende. keinem deutschen Lehrer … mehr zu- dem furchtbaren Geschehen hörte man gemutet werden, an jüdischen Schul- die gellenden Hilferufe der unter den Bis zur endgültigen Regelung wird die kindern Unterricht zu erteilen. Auch Trümmern Begrabenen. … So hatte die- Verwaltung im Kreis von den amerika- versteht es sich von selbst, dass es für ser Bombenhagel … den einst blühen- nischen Besatzungstruppen übernom- deutsche Schüler unerträglich ist, mit den Ort in eine düstere Todeslandschaft men. Am 10. Juli 1945 löst die franzö- Juden in einem Klassenraum zu sit- sische Militärverwaltung die amerika- zen … [Ich] ordne daher mit soforti- nische ab. ger Wirkung an: Juden ist der Besuch deutscher Schulen nicht gestattet. Sie dürfen nur jüdische Schulen besuchen 3.2 Zwischen Pädagogik … Diese Regelung erstreckt sich auf alle und Ideologie mir unterstellten Schulen einschließ- lich der Pflichtschulen.“6 Leider ist Sobald die NSDAP an die Macht kam, nicht überliefert, ob jüdische Schüler übernahm sie auch die Kontrolle über die Berufsschule besuchten. das öffentliche Schulwesen. Bald hing die NS-Fahne und Hitlers Porträt in je- Anfangs waren die wenigsten Lehrer dem Klassenzimmer. Die alten Lehrbü- (überzeugte) Nationalsozialisten. Die cher werden entsorgt und durch neue neuen Machthaber setzen auf politisch ersetzt. Man schreibt den Lehrplan völ- zuverlässige Lehrer, die die Partei so- lig um, sodass nur noch von den Nati- wie deren Prinzipien vorbehaltlos un- onalsozialisten gebilligte Vorstellungen terstützten. Daher stellt man die Leh- gelehrt wurden.3 Die Schule dient bei rer vor die Wahl: Entweder Eintritt in Festlich geschmückte Schule anlässlich den Jungen der Vorbereitung auf den den NS-Lehrerbund oder Ausscheiden der „Rückgliederung der Ostmark“ Krieg und dem Leben als Soldat. Den aus dem Schuldienst. Das besondere (Österreich) 1938 Mädchen wird die Rolle der treu sor- Augenmerk der Partei gilt dem Schul- genden Mutter und Ehefrau in der Fa- leiter, der folgendes Profil zu erfüllen milie zu gewiesen. hat: „Warmherziger, kluger, weltoffe- Auch Unterrichtsbeginn und -ende wer- ner, erfahrener, aufrichtiger, gewandter verwandelt. Trümmer breiteten sich auf den ritualisiert. Jede Unterrichtsstunde Pädagoge. Führerische Persönlichkeit. allen Straßen aus; es gab kein Licht, beginnt damit, dass der Lehrer die ste- Instinktsicherer Menschenkenner, vor- kein Wasser, kein Gas.“1 Die Bilanz: hende Klasse als Erster durch Erheben bildlicher Kamerad. Kritisches, klares, 185 Tote, 452 Wohngebäude mit 928 des rechten Armes und den Worten

Wohnungen zerstört oder teilweise be- „Heil Hitler“ begrüßt. Ebenso endet die 5 Am 7. November 1938 erschoss der 17-jährige Herschel schädigt.2 Schulstunde, nachdem sich die Schüler Grynszpan den deutschen Diplomaten vom Rath, um die Welt auf das Schicksal seiner Eltern und weiterer 17.000 Anfang April dringen die amerikani- erhoben haben und in gleicher Weise polnischer Juden aufmerksam zu machen, die man aus 4 dem Deutschen Reich ausgewiesen hatte. Dieses Attentat schen Truppen aus dem Altenkirchener antworten. Mit dem „Guten Morgen!“ war Anlass zu staatlich gelenkten antisemitischen Pogro- Raum und aus dem Siegtal über Roth ist es vorbei. men in der Zeit vom 9. – 13. November in Deutschland. [Anm. d. Verf.] 6 Josef Walk, Josef (Hrsg.), Das Sonderrecht für die Juden im 1 Ebenda, S. 108 ff. 3 S. Susan Campbell Bartoletti, Jugend im Nationalsozialismus, NS-Staat, Eine Sammlung der gesetzlichen Maßnahmen 2 Vgl. Benno Solbach, Der 2. Weltkrieg, in: Der Landkreis Zwischen Faszination und Widerstand, 2007, S. 59. und Richtlinien – Inhalt und Bedeutung, in der Reihe: Mo- Altenkirchen im 20. Jahrhundert, Eine Chronik, hrsg. v. d. 4 Vgl. www.gbg.kbs-koeln.de/jugend2004/tim_e/start.htm. tive – Texte – Materialien (MTV), Band 14, Karlsruhe 1981, S. Kreisverwaltung Altenkirchen, Altenkirchen 1992, S. 164. Stand: 25.05.2009. 256.

28 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Gebäude der Berufsschule in Betzdorf, Friedrichstraße 39. In der Nachkriegszeit wurde das Gebäude noch bis 1957 genutzt

gerechtes Urteil. Nationalsozialistische Schulbücher, Pausenaufsicht, Schüler- ziehen wie wir sie später im Staat ge- Gesinnung einwandfrei. In Auftreten listen und Notenblätter, aber auch päda- brauchen können. Wir haben unserem und Haltung sicher, Redegabe. In je- gogisch-methodische Fragen … Führer geholfen, die Träger des neuen der Beziehung geeignet für verantwor- Und dennoch – einiges mutet uns Reiches herauszubilden.“12 In einem tungsvolleren pädagogischen Protokoll heißt es: „Er [der Einsatz.“7 Schulleiter, Anm. d. Verf.] Als großes Problem in der schließt die Konferenz mit Schule erweist sich die Hit- dem Ausdruck der Hoffnung, lerjugend. Gruppenführer dass wir Erfolg und Befriedi- dürfen z. B. von Lehrern vor gung in unserer Erziehungs- ihren Kameraden nicht geta- arbeit finden und damit die delt werden. Unterrichtsver- Genugtuung haben am Auf- säumnisse und nicht erledigte bau des Vaterlandes mitzuar- Hausaufgaben werden häufig beiten. Denn alles, was wir an mit Aktivitäten in der HJ bzw. der Jugend tun im Sinne Adolf Bund deutscher Mädchen ent- Hitlers, tun wir fürs ganze schuldigt.8 Die Lehrer sind Volk.“13 Auch tagespolitische dagegen machtlos, da das Ereignisse finden Eingang Regime der „Staatsjugend“ in die Schlussworte: „Der sämtliche Freiheiten ein- Vorsitzende gedeckt der Not räumt. „Die Hitlerjugend-Mit- unserer sudetendeutschen glieder genossen die Macht, Brüder, und hofft, dass auch die sie über Lehrer und an- diese bedrängten Volksgenos- dere Autoritätsfiguren hatten. sen recht bald in unser deut- In voller Uniform erschienen sches Vaterland aufgenom- ganze HJ-Einheiten – mit bis men werden. Mit Gruß und zu hundert Jungen – an den Dank an den Führer schließt Türen der Klassenzimmer, die Konferenz.“14 Der Überfall um Lehrer, die sich nicht zur auf Polen spiegelt sich im ers- NS-Weltanschauung bekann- ten Tagesordnungspunkt der ten, einzuschüchtern.“9 Konferenz vom 9. September Dies alles spiegeln die Kon- 1939 wider. „Direktor Wilps ferenzberichte nicht wider. weist auf den tiefen Ernst der Hier geht es um die pflegli- Stunde hin. Es gilt, sich selbst che Behandlung des Mobili- und die Familie mit den Ge- ars und der Lehrmittel, um Zeugnis der Kreisberufsschule 1938 danken vertraut zu machen, die Sauberkeit der Schulsäle, dass der Kampf geführt wird die Reinigung der Tafeln und um Deutschlands Sein oder die „Abortbenutzung“, um Fehlzeiten heute befremdend an. Die Konferen- Nichtsein. Unserer Jugend führen es und Entschuldigungen, um organi- zen schließen „mit einem Gelöbnis der die fundamentale Bedeutung und Grö- satorische Fragen, wie Lehrereinsatz, Treue zum Führer“10 oder „mit einem ße dieses gewaltigen Ringens und den Lehrplangestaltung, Einführung neuer Sieg-Heil auf den Führer und Reichs- heroischen Einsatz unserer siegreichen kanzler Adolf Hitler“11, auch markige Wehrmacht unermüdlich vor Augen.“15 7 Vgl. www.gbg.kbs-koeln.de/jugend2004/tim_e/start.htm. Stand: 25.05.2009. Worte fallen: „Wir durften die uns an- 8 Der Schulleiter teilte in der Konferenz vom 15. September vertrauten Menschen formen und er- 12 (1), Bericht über die Konferenz vom 19. März 1938, S. 24. 1937 mit, dass grundsätzlich nur schriftliche Entschuldi- gungen gelten sollten und dass bei Schreiben von der HJ 13 (1), Bericht über die Konferenz vom 23. April 1938, S. 28. nur die Bannführung zuständig sei. Vgl. (1), S. 18. 10 (1), Bericht über die Konferenz vom 11. Mai 1937, S. 9. 14 (1), Bericht über die Konferenz vom 17. September 1938, S. 31. 9 Susan Campbell Bartoletti, a. a. O., S. 59. 11 (1), Bericht über die Konferenz vom 15. September 1937, S. 18 15 (1), Bericht über die Konferenz vom 9. September 1939, S. 39.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 29 Unterricht in der „Werksschule“ der Firma Arn. Jung, Kirchen, Lehrer Steinberger.

[Werk im Jungenthal, Heft 3, Mai/Juni 1944]

In allen Klassen wird der völkische Un- terricht verbindlich, gilt es doch die Schüler mit der nationalsozialistischen Weltanschauung zu indoktrinieren. Auch wenn es um konkrete Unter- richtsinhalte geht, steht die Volksge- meinschaft im Vordergrund. „Was den Unterricht in den Klassen der Unge- lernten angeht, so soll nach einem gro- ßen Rahmen unterrichtet werden, kei- ne Einzelheiten herausstellen, sondern Unterricht in der „Werksschule“ der Firma Arn. Jung, Kirchen ein großes Fachgebiet behandeln. Das Fachwissen soll nicht so umfangreich werden wie in einer Fachklasse, son- dern alles hat den einen Zweck hinzu- die Organisationsarbeit von HJ, DAF genommen werden, um eine festere führen auf die Erkenntnis der großen und Partei klarzustellen. Aus diesen Bindung des jugendlichen Arbeiters an Zusammenhänge. Dabei ist es wertvoll, Gruppen soll das Notwendige heraus- die Volksgemeinschaft zu erzielen. Die- ser Gedanke soll in jeder Weise hervor- gekehrt werden.“1 Bei Kriegsbeginn werden die Kollegen „Völkischer Unterricht“ Persy und Hassinger sowie eine An- „Die zukünftige Gestaltung des völkischen Unterrichts muss einheitlich geregelt zahl der nebenamtlichen Lehrer zur werden. Die Grundlage zu diesem Unterricht bildet die nationalsozialistische Welt- Wehrmacht eingezogen. Dies hat zur anschauung. Der völkische Unterricht kann für Jungens- und Mädchenklassen nicht Folge, dass der Unterricht für die „Be- einheitlich aufgebaut werden, man muss ferner auf die Eigenart der einzelnen Be- rufsarbeiter“ (ungelernte Arbeiter) vor- rufsschichten Rücksicht nehmen. Im ersten Schuljahr ist der Lehrplan für alle Berufe erst ersatzlos ausfällt. Die Lehrlinge des gleichmäßig, im zweiten und dritten Schuljahr ist auf die gegebenen Verhältnisse Bekleidungs- und Kunstgewerbes so- Rücksicht zu nehmen. … wie die Müller werden bis auf Weiteres Für ungelernte Klassen hat Herr Wilps einen Plan für Volkskunde aufgestellt, welcher beurlaubt. Kriegsbedingt wird für ein kurz besprochen wird: I. Schuljahr: Das Grundsätzliche des Nationalsozialismus, halbes Jahr der Kochunterricht in der II. Schuljahr: Der Führer baut das 3. Reich hauswirtschaftlichen Oberstufe einge- III. Schuljahr: Rassenkunde (ist nur für die Oberstufe geeignet) stellt, da die notwendigen Nahrungs- mittel nicht beschafft werden können. Bei dem ganzen völkischen Unterricht ist darauf hinzuweisen, dass die Partei der Spinnstoffe werden nur bedingt zuge- Träger des Staates ist.“ (1), Bericht über die Konferenz vom 17. Juni 1937, S. 9 f 1 (1), Bericht über die Konferenz vom 15. September 1937, S. 13 f.

30 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) teilt, sodass der Nähunterricht nur be- Aus einem Referat zum Thema: helfsmäßig fortgeführt werden kann. Im Übrigen erfolgt soweit wie möglich Wehrgeistige Erziehung in den und notwendig eine Zusammenlegung der Klassen. Der Ministerialerlass vom Mädchenklassen der Berufsschule 20. Juli 1942 erhöht die Pflichtstunden- zahl für die Lehrer um zwei Stunden. Alles was heute in Deutschland geschieht, hat unter dem Gesetz des Krieges zu ste- Im Winter 1942 treten wegen des ein- hen. In unserem Volke sollen die soldatischen Eigenschaften geweckt werden. Die geschränkten Zugverkehrs zusätzliche Schule von heute ist deshalb auch ausgerichtet auf die Nation. Die Gesamtheit der Nation entscheidet. Die Wehrerziehung soll deshalb nicht Unterrichtsfach, sondern Schwierigkeiten auf. Der Unterricht für Grundsatz sein. Schüler, die aus Richtung Altenkirchen bzw. Betzdorf kommen, beginnt erst Nationalsozialisten und wehrgeistige Erziehung ruhen auf 3 Hauptsäulen: (nach um 10 Uhr. Im Bericht über die Kon- Spielhagen) ferenz vom 20. Oktober 1942 heißt es 1. Auf der rassischen Kraft des Einzelnen, ererbt aus dem Blute der Väter lapidar: „Die Schüler sind während der 2. Auf dem Glauben an eine blutmäßige Zusammengehörigkeit zu einer Volks- und versäumten Stunden als beurlaubt zu Schicksalsgemeinschaft. betrachten.“2 3. Auf der Treue zu dem, aus dieser Bluts- und Schicksalsgemeinschaft geborenen Gemäß des Erlasses des Reichsluft- Führern. fahrtministers vom 25. August 1939 In der Reichskunde [Völkischer Unterricht, Anm. d. Verf.] nehmen die Themen, die (!) müssen die Schulen entsprechende 3 diesen Zielen dienen einen breiteren Raum ein als bisher. Vorkehrungen beim Luftschutz treffen. Die Erbgesundheitsfrage steht ganz unter diesem Thema. Führer und Helden konn- Dazu gehören monatliche Belehrungen ten in unserem Volk erst dann zu voller Entfaltung kommen, als das Volk, unbeein- der Schüler ebenso wie das Anbringen flusst durch artfremde Elemente, der Stimme des Blutes folgte. – Der Lebensraum von Verdunklungseinrichtungen in den muss vergrößert werden, denn das deutsche Volk ist ein lebensstarkes, sich entwi- Klassenräumen. Für die Schule in Wis- ckelndes Volk. sen galten folgende Regeln bei Flieger- Vorläufig aber muss für die Existenz des Volkes gekämpft werden. Ausschlaggebend sind die Vierjahrespläne. – Besonders der 1. Vierjahresplan hat für große Vorarbeiten alarm: „Die Mädchen gehen zuerst hin- geliefert. Seine Forderungen gingen an die Haushaltungen, sich der Verbrauchslen- unter und zwar in den Keller des Haus- kung zu fügen und Eigenwünsche den volkswirtschaftlichen Belangen unterzuord- meisters, die Jungen postieren sich im nen. So ist auch seit Jahren im hauswirtschaftlichen Unterricht oberstes Ziel und Ge- Flur an den Wänden. Ein Warndienst setz: Erziehung der Schülerinnen zu richtigem, volkswirtsch[aftlichem] Denken, An- ist einzuführen. Auf keinen Fall dürfen passung an die Marktlage in Bezug auf Auswahl und Zubereitung der Lebensmittel. die Schüler auf eigene Faust weggehen, Die Lehrerin hat die dankbare Aufgabe: Aus dem Wenigen das Möglichste herauszu- da die Schule sonst die Verantwortung holen. Auf dem Gebiet der Ernährungslehre sind deshalb folgende Themen beson- nicht übernimmt. Im Luftschutzraum ders zu behandeln: Aufwertung der Nahrungsmittel durch richtige küchentechnische Behandlung. ist für die nötige Ruhe und Ordnung 4 Auswahl der Nahrungsmittel im Lichte der Volkswirtschaft und Gesundheitslehre. zu sorgen.“ Sicherung der Nahrung durch Maßnahmen der Regierung. Joseph Goebbels Sportpalast-Rede5 liegt erst wenige Tage zurück, als am 1. März Wesentlich sind auch die volkswirtschaftlichen Betrachtungen und Berechnungen. 1943 die letzte dokumentierte Kriegs- Anhand von Zahlen und Zahlenbildern ist den Schülerinnen klar zu machen, dass Konferenz abgehalten wurde. Der totale unsere Ernährungslage gesichert ist und England das Ziel seiner Blockade nicht errei- Krieg hat Wissen schon lange erreicht. chen wird. Allerdings muss den Mädchen klar gemacht werden, dass das ganze Volk Immer häufiger werden auch Lehrlin- bei der Abwehr helfen muss. ge zur Wehrmacht oder zum Reichs- Auf dem Gebiet der Nadelarbeit verzichten wir augenblicklich auf Neuherstellung, wichtiger ist, dass die Mädchen gut flicken und stopfen können. arbeitsdienst einberufen. Immer häu- figer erhalten Familien die Mitteilung, Die Gesundheitspflege bringt als Hauptthema: Warum muss ich meinen Körper dass ihr Sohn, Vater, Ehemann … für gesund erhalten? Die Mädchen müssen erkennen, dass dies Pflicht gegen die Volks- „Führer, Volk und Vaterland gefallen gemeinschaft ist, denn sie braucht „meine“ Arbeit. ist“. Das nationalsozialistische Gedan- Aus diesem Grund gehört auch die Säuglingspflege zur wehrgeistigen Erziehung: kengut und Vokabular hat mittlerweile Gesunde Mütter, gesunde Kinder, gesundes Volk! Denn: Dein Leben gehört nicht dir, auch im Kollegium Fuß gefasst: sondern deinem Volke! –

Von allen Fächern aus muss eine Verbindung zum Rechnen geschaffen werden. Durch Beispiele und Zahlen muss den Mädchen klar werden, welche Verantwortung

2 (1), S. 61. sie dem Volksganzen gegenüber tragen (80 % des Volksvermögens gehen durch die 3 Also schon vor Kriegsausbruch erlassen! Hände der Hausfrauen). 4 (1), Bericht über die Konferenz vom 27. Januar 1940, S. 42. Diese Erkenntnisse bewirken in den Mädchen ein Bewusstwerden der eigenen ras- 5 Nach dem katastrophalen Untergang der 6. Armee unter sigen Werte, daraus erwächst (sic!) ein starkes Pflicht- und Verantwortungsgefühl, General Paulus bei Stalingrad bereitet am 18. Februar 1943 und daraus der Wille zur Tat, der Wille zum Opfer. – Denn unsere Mädels sind dann Propagandaminister Goebbels mit seinem berüchtigten Auftritt im Berliner Sportpalast die deutsche Bevölkerung Mitstreiter im Kampf unseres Volkes, einsatzbereit wie der Mann. auf den selbst zerstörerischen Kampf bis zum bitteren En- (1), Bericht über die Konferenz vom 1. März 1943, S. 68 ff de vor. Die Rede gipfelte in der Frage an die Zuhörer: „Wollt Ihr den totalen Krieg?“

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 31 Wie der Phönix aus der Asche

(Schulleiter Thiel: 1946 bis 1958)

44.1 Die mageren Jahre desverordnung zur politischen Säube- Altenkirchen und Betzdorf sind die Un- rung“ überprüft. Nur wer einen Säu- terrichtsräume zum Teil zerstört, Kü- Es sieht trostlos aus. An einen Un- berungsbescheid vorweisen kann, darf cheneinrichtungen vernichtet oder ab- terrichtsbetrieb ist zunächst nicht auf Wiedereinstellung hoffen.1 Auch in handengekommen, wertvolle Anschau- zu denken. Kaum zu überwinden- ungs- und Lehrmittel unauffindbar. de Schwierigkeiten sind zu meistern. In Wissen stehen für den praktischen 1 Im Bericht über die Konferenz vom 15. März 1947 ist auf Nur schleppend kommen die Lehrer S. 20 zu lesen: „Über den Stand der Bereinigung gibt Dir. Unterricht sage und schreibe noch vier Thiel folgende Ausführungen: Urteile sind bisher ergangen aus der Kriegsgefangenschaft zurück. an Thiel, Hombrücher, Wunsch, Wolf, Persy, Winkelmeier, Nähmaschinen und in Altenkirchen ge- Außerdem werden alle ehemaligen Müller G. Die Urteile sind teilweise sehr hart, bes. in einem rade Mal eine zur Verfügung. Falle. Konferenzberichte 29.1.1952 – 23.10.1958 [im Folgen- NSDAP-Mitglieder gemäß der „Lan- den (2) zitiert].

Ansprache des Schulleiters Hermann Thiel Auf Drängen der Wirtschaftskreise und mit Genehmigung der Militärregierung ist die Kreisberufsschule wieder eröffnet worden, sie umfasst 33 Klassen mit 800 Schülern und Schülerinnen. Die anwesenden Lehrkräfte haben die vorläufige Unterrichtsgenehmigung. Wieder im Amt zu sein, ist Ursache zum Dank. Wir haben auch Ursache zur Freude, weil die Zeit des Wartens und der Untätigkeit zu Ende ist, und wir mit beim Neubau sind. Die Menschen sind durch den Krieg stumpf, apathisch und ohne Hoffnung gewesen. Auch uns hat der Krieg schwere Wunden geschlagen; wir haben liebe Angehörige, Haus, Hof, Wohnung und Geld verloren. Wir kämpfen nun noch um die Kalorien, um ein Dach über dem Kopf, um Schuhwerk usw. Aber wir haben Hitlers totalen Krieg überstanden; wir Männer sind frei und ohne Stacheldraht. Nun gehen wir mit neuem Mut an die Arbeit. Es kommt ein neuer Frühling mit neuem Korn, und jeder Tag bringt neue Besserung. Ich sehe ohne Illusion, aber ich resigniere nicht. Wir fangen wieder von vorne an, unsere Kinder zwingen uns dazu. Es liegt mir daran, Ihnen für die Arbeit, die vor uns lieg, Mut zu machen. Lehrer an Berufsschulen sind immer Arbeit gewöhnt gewesen. Was erwartet man von uns? Wahrhaft demokratische Erziehung der Jugend, Abkehr von falsch verstandener nationalistischer Erziehung. Elternhaus, Kirche und Schule sollen wieder die alte Geltung haben. Wir wollen für Frieden, nicht für den Krieg wirken. Wenn wir in den vergangenen 12 Jahren sahen, wie die Jugend zum Krieg erzogen wurde, blutet uns das Herz. Es blutet auch, wenn unsere Jungen in den Krieg zogen; eine arme fehlgeleitete Jugend mit falschen Idealen zog in den Krieg mit einer Begeis- terung, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Noch im Endstadium sah die Jugend den natürlichen Zusammenbruch nicht als notwendig an. Und wie viele, die wir erzogen haben, sind gefallen, Krüppel oder hinter Stacheldraht! Es ist nicht notwendig, dass in jeder Generation Jugend so verblutet. Friedliche Verständigung ist möglich. Wir haben die Aufgabe, die Menschen dazu bereit zu ma- chen. Wir wollen das Unsrige tun. Darüber hinaus arbeiten wir an der fachlichen Ertüchtigung unserer Schüler. Das ist notwendiger als je. Haben wir früher an erstklassigen Maschinen mit vielleicht mittelmäßigen Arbeitern Gutes hergestellt, so werden wir nun dasselbe Gute an schlechten Maschinen mit den vollkommensten Arbeitern herstellen. Wir werden bei unserer Arbeit Schwierigkeiten zu über- winden haben. Unsere Schulhäuser in Altenkirchen und Betzdorf stehen uns nicht mehr zur Verfügung. Die Jugend kommt mit einem Tiefstand an Wissen und Können zu uns wie nie zuvor. Auch sie ist durch den Krieg oft ohne Glauben und Hoffnung auf die Zukunft. Ihre betriebliche Ausbildung ist erschwert, die Betriebe schleppen sie durch. Wir werden auch in der Schule improvisieren müssen. An Heften, Büchern, Bleistiften und Literatur wird es mangeln. Aus Verkehrsgründen werden sich nicht immer reine Fachklassen bilden lassen. Aus Verkehrsgründen werden wir wahrscheinlich auch hohe Schulversäumnisse haben. Aber wir wollen den Verhältnissen das Beste abgewinnen. Ich las mit großem Interesse Ihre Konferenzberichte. Sie vermitteln von Ihren Arbeiten ein anschauliches Bild. Der Kreis war vor dem Krieg sehr berufschulfreudig. Die Berufsschule wird für den Aufbau weiter nötig sein. Stimmen der Regierung spre- chen von einem Aufbau des höheren, einem Aufbau des fachlichen Schulwesens. Der Kreis erwägt die Errichtung einer zweijährigen Handelsschule. Auch in Wissen ist es nicht ausgeschlossen, dass „wir wieder auf den Berg gehen“. Welches Ansehen unsere Schule haben wird, wird das Produkt unserer Arbeit und unserer Hingabe sein. Es ist erfreulich, dass hier die Zusammenarbeit mit der Schule von Handel, Handwerk und Industrie gesucht und gefunden worden ist, und dass die Schule sie auch gefördert hat. In diesem Sinne weiter! Dies alles als Grundsätzliches! (2), Bericht über die Konferenz vom 18. Mai 1946, S. 1 ff.

32 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) „Der Herr Regierungspräsident in Koblenz weist in einer Verfügung vom 10. Juni 1947 II c Nr. 207/47 darauf hin, dass den Lehrpersonen Am 1. Mai 1946 wird in Wissen in Räu- Die Klassen sind groß, sehr groß; bis für ihre zu Hause zu bewältigende men der evangelischen Volksschule, zu 100 Schüler sitzen in einem Raum. Dienstobliegenheiten für ihr Arbeits- „Im Kreuztal“, der Schulbetrieb wie- Sitzen? „Im Wissener Hauptgebäude zimmer eine besondere Brennstoff- der aufgenommen.2 Der neue Schullei- muss bei gleichzeitiger Benutzung der zuteilung zu bewilligen ist.“ ter, Hermann Thiel, eröffnet die erste vier Klassenräume ein Teil der Schüler Wie sich die Zeiten ändern. Um die Jahrtausendwende konnte Lehrkräfte Nachkriegs-Konferenz am 18. Mai mit infolge Mangels an Schulbänke stehend noch nicht einmal mehr das Arbeits- Wie der Phönix aus der Asche einer bewegenden Ansprache, mit der am Unterricht teilnehmen.“6 Da Glüh- 3 zimmer bei der Einkommensteuer er dem kleinen Kollegium aus der See- birnen Mangelware sind, muss auch geltend machen. Es stünden nach- le spricht. bei Dämmerlicht unterrichtet werden. mittags ja genügend Klassenräume (Schulleiter Thiel: 1946 bis 1958) Man ist froh, noch einmal davon ge- In den Monaten Februar und März 1947 leer! Zum Glück waren die Finanzge- kommen zu sein, denn nicht alle haben gibt es „Kälteferien“. Wegen der fehlen- richte anderer Meinung. das Glück, wieder arbeiten zu dürfen. den Brennstoffe und des strengen Win- (2), Bericht über die Konferenz vom 2.8.1947, S. 27. Mancher Kriegsteilnehmer kehrt gar ters bleibt die Schule geschlossen. nicht mehr heim, wie Fachvorsteher Die Schulen stehen unter strenger Kon- Reif, der in der Gefangenschaft starb. trolle der französischen Besatzungsbe- Auch die Schüler sind vom Krieg und hörde in Altenkirchen. Die Schulleitung „Abgangszeugnisse sind auf dem Bü- den augenblicklichen Verhältnissen hat jeden Monat einen ausführlichen ro und werden an alle zur Entlassung gezeichnet. Sie werden zum Teil als Bericht über Lehrer- und Schülerzahl, kommenden Schüler und Schüle- apathisch geschildert, mit ernsten Zu- seelische Haltung von Lehrkräften und rinnen ausgegeben. Infolge Papier- kunftssorgen behaftet, gleichzeitig ist Schülern, Ernährungszustand, Beklei- mangel stehen der Kreisberufsschule eine „große Bereitschaft zur Aufnah- dung und Schuhzeug und über alle nur 500 Jahreszeugnisexemplare zur me von Wissen und Anregungen“ zu Schwierigkeiten, die der ordentlichen Verfügung. Herr Dir.Thiel ordnet an, dass daher keine Jahreszeugnisse erkennen, dennoch zeigen die theore- Unterrichtserteilung entgegenstehen, ausgegeben werden. Die gewerbliche tischen Leistungen bei den ersten Ge- vorzulegen. Ausdrücklich verlangt der und kaufmännische Abteilung haben sellenprüfungen „einen beängstigen- zuständige Offizier, Capt. Vivés, scho- für jeden Schüler eine Karteikarte, 4 den Tiefstand“. Beklagt werden von nungslose Rapporte. sodass dort die Jahresnoten festge- 7 den Lehrern die Umgangsformen der Zudem fürchten die Behörden natio- halten werden können. … Herr Dipl. Schüler und der eigene Autoritätsver- nalsozialistische Umtriebe. Ein Rund- Hdl. Wunsch übernimmt es, Ver- lust: „Sie stehen – trotz der Hinwei- schreiben des Oberpräsidenten vom 14. handlungen aufzunehmen betreffs se – teilweise vor Schulbeginn auf der August 1946, fordert die Lehrkräfte auf, Lieferungen von Zeugnisformularen Straße. Ihr Grüßen uns gegenüber ist „darüber zu wachen, ob sich bei den Ju- gegen Lieferung von Altpapier. Falls 5 es ihm gelingt und er die nötige An- schwach.“ Als Folge der Unterernäh- gendlichen die Tendenz zeigt, Gruppen zahl erhält, sollen in der Woche ab 1. rung zeigen sich besonders bei den bzw. Zellen nat[ional]-soz[ialistischer] Oktober Jahreszeugnisse ausgegeben Jugendlichen aus den städtischen Be- oder militaristischer Natur zu bilden.“ werden.“ zirken im zunehmenden Maße Tuber- Direktor Thiel weist in eindringlicher (2), Bericht über die Konferenz vom 2.8.1947, S. 24. kulose-Erscheinungen. Form darauf hin, „dass jede Lehrkraft Es fehlen nicht nur Nahrungsmittel, bei ihren Schülern durch Stichproben sondern es fehlt buchstäblich an al- überwachen muss, ob die mitgeführten lem, an Schulbüchern und Fachlitera- Bücher und Hefte frei sind von natio- tur, Buchführungs- und Schreibheften, nalsozialistischem Gedankengut. Die in „Erstmalige sollen nun die Schülerin- Zeichenblättern und Formularen. Die diesem Sinne erfolgten Hinweise sind nen aus Herdorf beschult werden, da nach Betzdorf eine gute Bahnverbin- Schüler schreiben, soweit vorhanden, im Klassenbericht zu vermerken. Bei dung besteht. Es ist beabsichtigt die auf die unbedruckten Ränder von Zei- den Antragsformularen der Reichsbahn Schülerinnen aus Wehbach und ent- tungen. Der Kochunterricht findet nicht und vorgelegten Zeugnissen ist die fernt liegenden Dörfern vorerst nicht statt, weil „ein empfindlicher Mangel Entfernung bzw. Überklebung des Ha- mehr zu beschulen, da die Bahnver- an Küchengeräten herrscht und Neu- kenkreuzes und Hoheitsabzeichens zu bindung sehr schlecht ist, und die anschaffungen recht schwierig sind“, fordern.“8 Der „völkische Unterricht“ Wege bei dem mangelhaften Schuh- auch die notwendigen Lebensmittel entfällt natürlich, dafür erhalten die werk zu weit sind.“ werden nicht bewilligt. Schüler der kaufmännischen Abteilung (2), Bericht über die Konferenz vom 2.8.1947, S. 26. Nicht alle Schüler und Schülerinnen Unterricht in Französisch, während die können am Unterricht teilnehmen, da eingesparte Zeit in der Hauswirtschaft es an Lehrern und Unterrichtsräumen und im Handwerk zusätzlichen für mangelt – und manchmal entscheiden „Für 2 kg Lumpen erhalten die Schu- die Verkehrsmittel und das Schuhwerk 6 (2), Bericht über die Konferenz vom 5. Oktober 1946, S. 14. len 1 Aufnehmer, der zur Reinigung 7 Für die drei nördlichen Regierungsbezirke wurde am 3. über Unterrichtsteilnahme. Januar 1946 das Oberpräsidium Rheinland-Hessen-Nassau der Schule dienen soll. Die Konfe- mit Sitz in Koblenz gebildet. Die Verordnung Nr. 57 des renzteilnehmer sind alle der Ansicht, 2 Vgl. Elben, Hubert: a. a. O., S. 449. Zonenbefehlshabers Pierre Koenig vom 30. August 1946 dass bei der derzeitigen Textilknapp- verfügte die Schaffung eines rheinpfälzischen Landes. In 3 Elben, Hombrücher, G. Müller, M. Müller, Persey, Stüber, einer Volksabstimmung am 18. Mai 1947 stimmten 53 % heit eine solche Sammlung in dieser Wolf, Wolfgarten und Wunsch. der Bevölkerung für die Annahme der Verfassung des Lan- Schule ohne Erfolg sein wird.“ 4 (2), Bericht über die Konferenz vom 5. Oktober 1946, S. 15. des Rheinland-Pfalz. (2), Bericht über die Konferenz vom 29.4.1948, S. 34. 5 (2), Bericht über die Konferenz vom 18. Mai 1946, S. 4. 8 (2), Bericht über die Konferenz vom 5. Oktober 1946, S. 15 f.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 33 Religionsunterricht an der Berufsschule Die Verfügung des Regierungspräsidenten vom 8. April 1946 schloss die Aufnahme des Religionsunterrichts in den Lehr- und Stundenplan aus, ließ aber eine freiwillige Teilnah- me an religiösen Unterweisungen im Anschluss an die Schulstunden ausdrücklich zu. dahin, im Jahr 8 Schulungen durch- Nur wenige Monate später wurde durch Verfügung vom 10. Juli 1946 der Religionsun- zuführen, die jeweils einen halben Tag terricht auch an der Berufsschule obligatorisches Lehrfach. Nun ist die weltanschauliche dauern sollten. Zu Beginn der Schulung Unterweisung und sittliche Charakterformung wünschenswert. soll ein allgemeines Thema in Form ei- „Direktor Thiel erklärt zur Frage des Religionsunterrichts: Wir betonen als Berufsschule nes Referates behandelt werden und im die Notwendigkeit der religiösen Unterweisung, vor allem als Ausgleich für die reli- gionsfeindliche Einstellung des Dritten Reiches. Der Einbau der Religionsstunden in Anschluss daran soll eine Lehrdarbie- den Berufsschulunterricht ist außerordentlich schwierig, da das Berufsschulwesen sehr tung folgen, die vor allem den Zweck differenziert ist, sowohl in Bezug auf das Alter als auch auf die Konfessionen und die haben soll, den nebenamtlich unter- Verkehrsmöglichkeiten. Einbau der Religionsstunde vor dem Unterricht bedeutet: Die richtenden Personen Musterdarbietun- Schüler sind morgens am frischesten, doch wirkt sich das Zuspätkommen infolge der Ver- gen zu zeigen und den jungen, neu kehrsverhältnisse sehr störend aus. Einbau zwischen den Unterrichtsstunden: Lehrkräfte hinzugekommenen Lehrkräften einen und andersgläubige Schüler müssen sich auf dem Schulhof aufhalten. Einbau nach dem Anhalt zu geben. Unterricht: Der Lehrer bleibt in der Klasse, bis der Religionslehrer kommt, also sind alle Durch gemeinsame Überlegungen und Schüler vollzählig versammelt.“1 Beratungen kamen dann folgende Vor- Verfassung für Rheinland-Pfalz vom 18. Mai 1947 (Auszug) Artikel 34: Der Religionsunterricht ist ordentliches Lehrfach an alle .., Berufsschulen, … schläge zustande, zu denen auch gleich Artikel 35: Die Teilnahme am Religionsunterricht kann durch die Willenserklärung der El- die betreffenden Lehrpersonen gewählt tern oder Jugendlichen, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, abgelehnt werden. wurden, um das Thema zu überneh- Für Jugendliche, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist ein Unterricht über die men. allgemein anerkannten Grundsätze des natürlichen Sittengesetzes zu erteilen. 1. a) Berufserziehung zum Frieden „Das Kultusministerium teilt .. Folgendes mit: Grundsätzlich nehmen alle Schüler (Dir. Thiel) unter 18 Jahren pflichtgemäß am Religionsunterricht teil, sofern es die Erziehungsbe- b) Die Gewerbeunfallversicherung rechtigten nicht anders bestimmen. Schüler mit vollendeten 18. Lebensjahr können 2 (Dir. Thiel) über die Teilnahme selbst entscheiden.“ Diese Regelung stand im Widerspruch zu § 5 Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921. „Nach der Vollen- 2. a) Das kriegszerstörte Heim und die dung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kind die Entscheidung darüber zu, zu Verwahrlosung der Jugend (Fachvor- welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will.“ Die Regelung wurde erst durch steher Hombücher) Gesetz vom 15. März 1991 geändert. Der Artikel 35 Absatz 1 erhielt folgende Fassung: b) Wohnungshygiene (FV Hombü- Die Teilnahme am Religionsunterricht kann durch Willenserklärung der Eltern oder der cher) Jugendlichen nach Maßgabe des Gesetzes abgelehnt werden. 3. a) Die soziale Lebensform und die „Das Bischöfliche Ordinariat in Mainz hat den Antrag gestellt, an den Berufsschulen Lehrerpersönlichkeit in der Berufs- Religionsunterricht einzurichten. Daraufhin hat der Minister für Unterricht und Kultur 3 schule (GOL Persy) verfügt, dass Religionsunterricht an den Berufsschulen als Eckstunde eingerichtet wird.“ Diese Regelung führt in den nächsten Jahren wiederholt zu Beschwerden der Religions- b) Die Behandlung von Postanwei- lehrer (häufig nebenamtlichen Pfarrern) und dem Kollegium, das gestützt auf sinnvolle sung und Zahlkarte im Unterricht und weniger sinnvolle Argumente an dieser Regelung festhalten will. Die Religionslehrer (GOL Persy) fordern eine Integration des Religionsunterrichts in den Gesamtstundenplan.4 4. a) Abbé und sein Werk (FV Elben) Wegen der Raumnot müssen Jungen und Mädchen im Religionsunterricht in einer Klasse b) Dreisatzaufgaben im Rechenun- 5 unterrichtet werden. Der Religionsunterricht als Vorreiter der Koedukation? terricht der Berufsschule (GOL Per- sy) 1 (2), Bericht über die Konferenz vom 19. April 1947, S. 22 f. 5. a) Zeitgemäßer Fachunterricht in 2 (2), Bericht über die Konferenz vom 9. Juli 1951, S. 85. den Hauswirtschaftsklassen der 3 (2), Bericht über die Konferenz vom 20. Oktober 1948, S. 45. 4 Vgl. (2), Bericht über die Konferenz vom 3. September 1953. Berufsschule (G. Müller) 5 Vgl. ebenda. b) Die Bedeutung der Nährstoffe im menschlichen Körper u. rechneri- sche Auswertung (Kalorienberech- Fachrechnen verwendet wird. Der Reli- fehlen, wird der Raum von den Schuh- nung) (GL M. Müller) gionsunterricht wird ordentliches Lehr- machern montags vormittags und von 6. a) Die Dynastie der Fugger und ihr fach an der Berufsschule. Allerdings den Bäckern donnerstags nachmittags Werk (Dipl-Hdl. Wunsch) fehlen vorläufig noch die Geistlichen, „besetzt“. Der Unterricht der hauswirt- b) Die Mängelrüge (Dipl.-Hdl. Ul- die den Unterricht erteilen können. schaftlichen Klassen muss wegen der rich) Besorgniserregend ist die Raumsituati- Raumnot restlos auf den Nachmittag 7. a) Die Zusammenarbeit der Berufs- on. Startete die Schule mit 800 Schü- verlegt werden. schule mit den Organisationen der lern, so sind es im Sommer bereits Andererseits „normalisieren“ sich die Wirtschaft (Dir. Thiel) 1386. Früher standen der Kreisberufs- Verhältnisse. Nach und nach wird der b) Geschichte des Handwerks (FV schule allein 8 Räume in Wissen zur Unterricht auch in Betzdorf und Alten- Hombücher) Verfügung, jetzt sind es gerade ein- kirchen wieder aufgenommen. Durch 8. a) Die Technik, ihr Segen und ihr mal 5. Um die größte Not zu lindern, eine „Regierungsverfügung betreffs Fluch (FV Elben) stellt der Ortsbürgermeister von Wis- Lehrerweiterbildung“ wird das Kolle- b) Arbeit und Leistung (GOL sen einen zusätzlichen Raum in der gium verpflichtet, ein entsprechendes Schmidt) ehemaligen Gasanstalt zur Verfügung. Programm zu erarbeiten. „Ein Vor- Diese Aufstellung soll der Regierung Obwohl in vielen Fenstern die Scheiben schlag von Herrn Direktor Thiel ging

34 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) als Vorschlag eingereicht werden.“ 1 Die Währungsreform am 20. Juni 1948 bringt die Deutsche Mark. „Nun gab es diese vierzig DM für jeden. Das fand ich wunderbar gerecht. Dass viele Land- und Hausbesitzer doch wieder besser dran waren als die Nur-Lohn- Empfänger, ahnte man nicht. Gleich am nächsten Tag, oder jedenfalls bald danach, ging man staunend von Schau- fenster zu Schaufenster. So viele lang entbehrte Dinge lockten. Man konnte, man musste sich sattsehen. Das Geld reichte nicht, alles zu erwerben, was Herz und Magen begehrten. Trotzdem! Man fühlte sich besser.“2 Galt dies auch für die Schule? Sicher- lich, die Brennstoffversorgung ist ge- sichert, es gibt wieder Glühbirnen und „die Firmen überschwemmen die Schu- le mit Lehrmittelangeboten. Aber es ist kein Geld da für die Anschaffung dieser Dinge.“3 Wegen fehlender Haushalts- mittel verhängt die Landesregierung eine Einstellungssperre. Bei den Fach- kursen, die die Berufsschule zusätzlich anbietet, sinken die Teilnehmerzahlen stark. „Die Gründe sind verschiedener Art, teils scheinen die Semestergebüh- ren zu hoch, der Lohnausfall macht sich bemerkbar, teils sind die Lernmit- telauslagen schwer zu bestreiten und die Fahrtkosten nicht ermäßigt. Man- [Bericht über die Konferenz vom 5. September 1949] che Schüler kommen bis zu 20 km mit Raumbelegungsplan dem Fahrrad, um zu sparen.“4 Auch übt man sich in Spielregeln der Landrates ist ein Berufsschulvorstand treten viele Kollegen dem Deutschen Demokratie. Lt. Verfügung des Herrn zu wählen, der sich aus je einem Vertre- Verband der Lehrerschaft an berufs- ter des Handwerks, der Industrie, der bildenden Schulen (BLBS), Landesver- 1 (2), Bericht über die Konferenz vom 10. Oktober 1947, S. 28. Gewerkschaften, der Hausfrauen, dem band Rheinland-Pfalz, bei und gründen 2 Doris Schade, 20. Juni 1948, in: Mein Kopfgeld, Die Wäh- rungsreform – Rückblick nach vier Jahrzehnten, hrsg. v. Leiter der Schule und je einem Vertre- einen Kreisverein, dessen 1. Vorsitzen- Heinz Friedrich, München 1988, S.114. ter der Lehrer und Lehrerinnen zusam- der Dr. Schmidt wird. Die kaufmän- 3 (2), Bericht über die Konferenz vom 20. Oktober 1948, S. 43. mensetzt. Ein Betriebsrat/Personalrat nischen Lehrkräfte hatten sich bereits 4 Ebenda, S. 47. wird installiert und am 1. Januar 1950 vorher im Deutschen Diplom-Han-

Das ehemalige Schwimmbad in der Friedrichstraße in Betzdorf wurde wahrscheinlich direkt nach dem Krieg als Berufsschule für Jungarbeiterinnen genutzt.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 35 Maschinenschlosser Oberstufe, 28. Sept. 1949 in der „Werksschule“ der Firma Arn. Jung, Kirchen mit dem Berufsschullehrer Persy aus Kirchen

delslehrer-Verbandes, Landesverband und die Elternschaft der ev. Volksschu- die Tageszeitung zur Raumfrage Stel- Rheinland-Pfalz, organisiert,1 der 1973 le immer heftiger auf Rückgabe der lung zu nehmen. Hierdurch wird die in Bundesverband der Lehrerinnen und von der Kreisberufsschule benutzten Gemeinde Betzdorf aufmerksam und Lehrer an Wirtschaftsschulen (VLW) Räume pocht, und entsprechende Arti- kam von sich aus mit dem Vorschlag, umbenannt wurde. Im April 2018 ver- kel in den Tageszeitungen lanciert. Der die zerstörte Turnhalle zu einem Ge- schmolzen beide Verbände zum BvLB Schulleiter der Kreisberufsschule sieht bäude für die Kreisberufsschule um- (Bundesverband der Lehrkräfte für Be- sich daher genötigt, ebenfalls durch zubauen. Der vom Amtsbaumeister in rufsbildung e. V.B). Es wird noch einige Betzdorf bereits ausgearbeitete Plan Jahre dauern, bis auch die Schüler in sieht im Erdgeschoss eine Schulkü- diesen Prozess einbezogen werden. In che, eine Waschküche und eine kleine Die Gründung der Bundesrepublik der Konferenz vom 12. April 1957 wird Hausmeisterwohnung vor, im ersten liegt erst wenige Monate zurück, erstmals über die Schülermitverwal- da ordnet der Minister für Unter- und zweiten Stock je fünf Klassenräu- tung referiert. richt und Kultur die Wiederaufnah- me und je einen kleinen Raum als Ge- me des politischen Unterrichts in schäfts- bzw. Lehrerzimmer. Der Ge- Berufsschulen an. „Zunächst sollen meinde- und der Amtsbürgermeister 4.2 Wissen oder Betzdorf? bestimmte Artikel der Bundesverfas- in Betzdorf bekunden gegenüber Di- Die Handelsschule sung im Unterricht behandelt wer- rektor Thiel ein lebhaftes Interesse an den. Die Konferenzteilnehmer wa- einer Verlegung der Kreisberufsschule entscheidet­ über den ren sich der Bedeutung des Staats- nach Betzdorf, der dem Ansinnen nicht Standort! bürgerkunde-Unterrichts als Erzie- hungsmittel bewusst, denn gerade unbedingt ablehnend gegenüber steht. unsere Berufsschüler sind für die Fraglich ist allerdings die Finanzierung Die Unterbringung der Kreisberufs- politischen und sozialen Bildungs- des 190.000 DM teuren Gebäudes, an schule in Wissen in bis zu fünf weit güter aufnahmebereit. Das Erken- dem sich auch die Nachbargemeinden auseinanderliegenden Gebäuden kann nen politischer und sozialer Zusam- beteiligen sollen.2 keine dauerhafte Lösung sein, zumal menhänge trägt dazu bei, aus den Etwa zur gleichen Zeit bemängelt der das Gymnasium die Räume im Schul- Schülern von heute verantwortungs- Direktor des Arbeitsamtes, RO Insp. gebäude „Auf dem Löh“ beansprucht freudige demokratische Staatsbürger Weißgerber, das Fehlen berufsvorberei- von morgen zu formen.“ (2), Bericht über die Konferenz vom 17. Dezember 1949, S. 64 f. 1 Vgl. (2), Bericht über die Konferenz vom 17. Dezember 2 Vgl. (2), Bericht über die Konferenz vom 31.Mai 1949, 1949, S. 67 f. S. 52 f.

36 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Lied vom Wirtschaftswunder Musik: Franz Grothe / Text: Günter Neumann / Gesang: Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller (1958)

Die Straßen haben Einsamkeitsgefühle Wer Sorgen hat, hat auch Likör Und fährt ein Auto, ist es sehr antik und gleich in hellen Scharen tender Schulen im Kreis. Dies wieder- Nur ab und zu mal klappert eine Mühle Die Läden offenbaren uns wieder ­Luxuswaren um nimmt der Schulleiter zum Anlass, Ist ja kein Wunder nach dem bei der Kreisverwaltung eine zweijäh- verlorenen Krieg Die ersten Nazis schreiben rige Handelsschule zu beantragen, die Aus Pappe und aus Holz sind die Gardinen fleißig ihre Memoiren gute Volksschüler und solche von der Den Zaun bedeckt ein Zettelmosaik Denn den Verlegern fehlt es an Kritik höheren Schule mit dem Versetzungs- Wer rauchen will, der muss sich Ist ja kein Wunder nach dem vermerk für O III. nach einer Aufnah- selbst bedienen verlorenen Krieg meprüfung zur Mittleren Reife führen Ist ja kein Wunder nach dem Ist ja kein Wunder nach dem soll. Nach Meinung des Antragstellers verlorenen Krieg verlorenen Krieg ist der Kreis mit nahezu 100.000 Ein- Wenn wir auch ein armes Land sind wohnern in der Lage, die Schule zu Einst waren wir mal frei Und so ziemlich abgebrannt sind tragen, zumal ein großer Teil der Kos- Nun sind wir besetzt Zeigen wir, dass wir imposant sind ten durch das Schulgeld aufgebracht Das Land ist entzwei Weil wir etwas überspannt sind würde. Darüber hinaus sei die Schule Was machen wir jetzt? Wieder haun‘ wir auf die Pauke nötigt, „denn eine beträchtliche Zahl Wir leben hoch hoch hoch hoch hoch von Schülern unseres Kreises besucht Jetzt kommt das Wirtschaftswunder höher hoch die Handelsschule in Neuwied, Siegen Jetzt kommt das Wirtschaftswunder Das ist das Wirtschaftswunder oder Siegburg.“3 Bereits 1941 hatte ei- Jetzt gibt‘s im Laden Karbonaden Das ist das Wirtschaftswunder ne Genehmigung der Regierung für schon und Räucherflunder Zwar gibt es Leut, die leben heut eine zweiklassige Handelsschule vor- Jetzt kommt das Wirtschaftswunder noch zwischen Dreck und Plunder gelegen. Der Plan konnte infolge des Jetzt kommt das Wirtschaftswunder Krieges jedoch nicht realisiert werden, Der deutsche Bauch erholt sich Doch für die Naziknaben, da keine geeigneten Lehrkräfte zu be- auch und ist schon sehr viel runder die das verschuldet haben kommen waren. Jetzt schmeckt das Eisbein wieder in Aspik Hat unser Staat viel Geld parat Am 19. Juli 1949 gibt der Schulleiter Ist ja kein Wunder nach dem und spendet Monatsgaben bekannt, dass die Handelsschule ge- verlorenen Krieg Wir sind ne ungelernte Republik nehmigt sei. Da die Standortfrage noch Man muss beim Autofahren Ist ja kein Wunder ist ja kein Wunder offen ist, buhlen mehrere Gemeinden nicht mehr mit Brennstoff sparen Ist ja kein Wunder nach dem um die Gunst und sind gewillt, die not- verlorenen Krieg wendigen Räumlichkeiten und Lehr- mittel zur Verfügung zu stellen. Im http://www.planet-wissen.de/pw/ArtikelDA0FE127B72ED6F6E030DB95FBC30A70.html (Stand: 17.06.2009) Protokoll heißt es: „Überall im Kreis ist man äußerst lebendig geworden. Man beginnt einzusehen, dass die Be- rufsschule etwas bedeutet. Betzdorf hat ten Absolventen verlassen nach einer Bewerber abgewiesen werden mussten. Vorschläge gemacht, die Handelsschule Prüfung im Sommer 1951 erstmalig 34 Mancher dieser abgewiesenen Kandida- in der Volksschule Burgstraße, evtl. in erfolgreich diesen neuen Bildungsgang, ten versuchte dann sein Glück an einer der Kruppschen Bergverwaltung un- der für die heimische Wirtschaft eine privaten Handelsschule, die es damals terzubringen. In Wissen hat sich der große Bedeutung gewann und einen an vielen Orten gab. evangelische Teil der Bevölkerung nach ausgezeichneten Ruf genoss. So mel- 1950 wird die Landwirtschaftliche Be- längeren Verhandlungen damit einver- det die Schulleitung noch Anfang der rufsschule als besondere Abteilung der standen erklärt, dass das neue Schulge- Sechziger Jahre: „Es dürfte interessant Kreisberufsschule angegliedert. Die bäude, das auf dem schnellsten Wege sein zu erfahren, das alle Schüler der Zahl der Schülerinnen erhöht sich da- fertig gestellt werden soll, als Volks- Klasse bereits vor der Prüfung (aller- durch um etwa 500. Sie werden in Birn- schule zu nehmen. Ein Schulsaal und dings unter der Voraussetzung sie zu bach, , Leuzbach, Flammers- ein Kellerraum (als Schulsaal geeignet) bestehen), ihre Lehr- bzw. Anlernstel- feld, Betzdorf, , Gebhardhain, sollen vorübergehend für Zwecke der le hatten, ja, dass die Nachfrage nach Steeg, Daaden, Herdorf und Friesen- Handelsschule zur Verfügung gestellt Handelsschülern bei Weitem das An- hagen beschult.6 Daneben besteht die werden. Es ist beschlossen, im Frühjahr gebot überstieg. So ist es schon seit Landwirtschaftsschule in Wissen (bis 1950 mit dem Ausbau der alten evan- Jahren. Denn es ist nicht verborgen 1975) bzw. in Altenkirchen weiter, als gelischen Schule zur Berufsschule zu geblieben, dass die Handelsschule der Fortsetzung der „Winterschule“. „Von beginnen. “4 heimischen Wirtschaft hervorragende Anfang an diente das landwirtschaftli- Am 5. September 1949 erfolgt die feier- Kräfte zur Verfügung stellen kann.“5 che Schulwesen nicht nur der Bildung liche Eröffnung der Handelsschule und Der neue Bildungsgang erfreute sich des bäuerlichen Berufsstandes und der Schulname wird in „Berufs- und von Anfang an großer Beliebtheit, so- der Gärtner, sondern war auch Teil der Handelsschule des Kreises Altenkir- dass wegen der begrenzten Schulplätze landwirtschaftlichen Verwaltung, die chen“ geändert. Von den 41 gestarte- in manchen Jahren zwei Drittel der durch Beratung neue wissenschaftliche

3 Ebenda, S. 53 f. 5 Pressebericht der Schulleitung an die Zeitungen des Krei- 6 Vgl. (2), Bericht über die Konferenz vom 4. Februar 1950, S. 4 (2), Bericht über die Konferenz vom 19. Juli 1949, S. 58. ses. Leider ohne Datum, wohl 1961. 68 ff und Bericht über die Konferenz vom 19. Juli 1950.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 37 „Am Samstag, den 15.11., soll in den Klassen schlichte Feiern aus Anlass des Volkstrauertages abgehalten wer- den. Besonders soll der Gefallenen 4.3 Die Wirtschafts­ beschränkt ist, sollen die Ausstellungs- an der Front und in der Heimat ge- wunderjahre stücke sorgfältig ausgewählt werden – dacht werden. … Die Feier soll in der nicht Quantität, sondern Qualität soll 5. Stunde stattfinden, anschließend Mit der Währungsreform beginnt in der entscheiden. „Die Ausstellungsstücke ist schulfrei!“ Bundesrepublik Deutschland eine wirt- werden einer kritischen Betrachtung (3), Bericht über die Konferenz vom 13. November 1952. schaftliche Entwicklung, die niemand von Eltern, Lehrmeistern, Arbeitskame- in den kühnsten Träumen erhofft hatte. raden usw. unterzogen werden. … Um Produktion und Export sind die Garan- den Kostenaufwand zu rechtfertigen, ten für den Aufschwung und den Er- können wir nur mit guten Leistungen Tragen kurzer Hosen folg der Marktwirtschaft. „Made in West aufwarten. Die Ausstellung soll den Be- “ ersetzt das seit 1871 renom- weis für die Arbeit und die Leistung Dieses Thema ruft eine lebhafte Dis- mierte „Made in Germany“ als Aus- der Kreisberufsschule bringen.“3 Da die kussion hervor. Ein generelles Ver- bot ist aus grundsätzlichen Erwägun- hängeschild deutscher Markenartikel. Teilnehmer mit einem Eintopf verpflegt gen heraus nicht möglich. Überein- Innovative Unternehmer und engagier- werden, muss jeder Schüler seinen ei- stimmend ist die Meinung, dass das te Arbeitnehmer schaffen im Rahmen genen Teller und sein eigenes Besteck persönliche Gefühl der Schüler für der Wirtschaftspolitik im Sinne Lud- mitbringen. Nach dem Gottesdienst en- das Schickliche und Unschickliche wig Erhards die Grundlagen für diesen det die Veranstaltung am 17. Februar entscheidend ist, dass dieses Gefühl Erfolg. „Der verantwortungsbewusste mit einer Ansprache des Bundestags- sehr oft aber erst geweckt werden Umgang mit der Tarifautonomie half, präsidenten Dr. Ehlers. muss und dass hier, wenn das El- soziale Spannungen zu entschärfen. Ebenso macht der systematische Aus- ternhaus versagt, eben der Lehrer Die Ausgestaltung der sozialen Kom- bau des Unterrichtsangebotes Fort- einzugreifen hat.“ (3), Bericht über die Konferenz vom 18. Juli 1953. ponente durch den Staat trug entschei- schritte. 1955 können in Wissen Fach- dend zur Festigung der neuen Wirt- klassen für hauswirtschaftliche Lehrlin- schaftsordnung bei. Erstmals konnten ge gebildet werden. Da Ende der 50er breite Bevölkerungsschichten an den Jahre die Zahl der Schüler/Schülerin- wirtschaftlichen Erfolgen partizipieren, nen in den landwirtschaftlichen Klas- Die Zeugnisse der damaligen Zeit die sich im kontinuierlich steigenden sen stark rückläufig sind, müssen die enthielten sog. Kopfnoten, die Aus- Lebensstandard widerspiegelten.“2 Das Standorte Elkenroth (Jungen), Horhau- kunft über das Betragen, den häus- 4 lichen Fleiß und den Schulbesuch Ausland spricht mit Bewunderung vom sen und Daaden aufgelöst werden. gaben. deutschen Wirtschaftswunder. Auf dem Hintergrund, dass 30.000 „Festlegung der Zeugnisnoten für – 40.000 Ingenieure in der prospe- den Schulbesuch rierenden Bundesrepublik fehlen, be- 1 x unentschuldigt Fehlen = regel- ginnt in Betzdorf am 1. Oktober 1956 mäßig ein siebensemestriger Abend-Lehrgang (also 3 ½ Jahre). Die Berufsaufbauschu- 2 x unentschuldigt Fehlen = nicht 5 immer regelmäßig le führt interessierte Jugendliche aus 3 x unentschuldigt Fehlen = unre- metall- und baugewerblichen Berufen gelmäßig“ zur Fachschulreife, die zum Besuch Anmerkung: Das Wort „unentschul- einer Ingenieurschule berechtigt. Auf digt“ wurde handschriftlich gestri- dem Lehrplan stehen Deutsch, Ge- chen. schichte, Erdkunde, Mathematik, Che- (3), Bericht über die Konferenz vom 29. Januar 1952. mie und Physik. Wegen des großen Andrangs6 folgen im Januar und nach Ostern ein zweiter und dritter Kurs. Es geht auch in unserer Heimat wirt- Dies ist umso erfreulicher, da der Be- Eine Aufwertung erfuhren die „Fach- schaftlich aufwärts. Erstmals nimmt such des Kurses für die Schüler mit vorsteher“, die nun „Abteilungslei- 1952 die Kreisberufsschule an der Kreis- großen persönlichen Opfern verbun- ter“ heißen. jugendwoche teil. Alle 4.200 Berufs- den ist: Die Teilnehmer haben nicht (3), Bericht über die Konferenz vom 21. Oktober 1955. schüler des Kreises treffen sich in Wis- nur weite Schulwege zurückzulegen, sen, auch die Schüler der Werkschu- sondern der Besuch findet zusätzlich len (80), der beiden bergmännischen zum normalen Berufschulunterricht Schulen und der beiden Eisenbahn- statt. Das bedeutet z. B. Verzicht auf Erkenntnisse der Praxis nahe bringen werkschulen (350). Die Teilnehmer zei- den freien Samstagnachmittag. Auch wollte. Daneben war das Lehrpersonal gen im Rahmen dieser Veranstaltung die finanzielle Belastung darf hier nicht in der Geschäftsführung der landwirt- Arbeiten ihres Könnens. Da der Platz unterschätzt werden. So fallen 60 DM schaftlichen Verbände und Vereine tätig.“1 3 (3), Bericht über die Konferenz vom 29. Januar 1952. 2 Sowade Hanno: , „Wohlstand für Alle“ – „Der Sozialismus 4 (3), Bericht über die Konferenz vom 28. März 1958. siegt“. Konzept, Realisierung und Ziele der Ausstellung, in: Markt oder Plan, Wirtschaftsordnungen in Deutschland 5 (3), Bericht über die Konferenz vom 18. Juli 1953. 1945 – 1961, hrsg. v. Haus der Geschichte der Bundesrepub- 6 Möglicherweise war die neu errichtete Ingenieurschule in 1 Helzer,Hans: a. a. O., S. 304. lik Deutschland, Frankfurt/New York 1997, S. 13. Siegen ein Grund für den regen Zulauf.

38 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Einjährige Haushaltungsschule, Jahrgang 1958/59

Maschinennähen, Ausbessern schmückende Handarbeit

Frau Dr. Bettges im Unterricht (wahrscheinlich in einer Handelsschule)

Hausarbeit, Waschen und Bügeln

Frau Maria Müller unterrichtet hier das Fach „Backen und Kochen“

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 39 Schulgeld pro Kurs an. Der gleiche Be- bäude, bestehend aus einem Schulsaal Schwemmsteinmauerwerk errichtet. trag muss für Lehrmittel aufgebracht und einer Lehrerdienstwohnung.3 Nach Die Decken sind bis auf die Decke über werden. Das scheint uns aus heutiger dem verheerenden Bombenangriff im dem II. Obergeschoss massiv… Die ge- Sicht nicht übermäßig viel, doch muss März 1945 dient das Gebäude als Not- räumige Eingangshalle wurde mit Soln- man die Beträge in Relation zum dama- Lazarett und später dem durch Bomben hofener Naturplatten ausgelegt. Die ligen „Lehrlingsgehalt“ sehen, das bei zerstörten St. Antoniuskrankenhaus Böden der Flure und Klassen und Ne- monatlich 50 – 60 DM lag. als Isolierhaus für Typuskranke, bis es benräume sind Spachtelböden in ver- Die Zeitungen des Kreises berichten 1946 der Kreisberufsschule zur Nut- schiedenen Farben. Die Eingangshalle 1959 ausführlich über die erste Prü- zung übergeben wird. ist mit Buntfenstern versehen und von fung, bei der alle 20 Teilnehmer be- Im Sommer 1949 beschloss der Ge- den Fluren mit Metalltüren abgeschlos- standen. In der für die Presse vorberei- meinderat, das Schulgebäude entspre- sen. Die Hausmeisterwohnung im II. teten Meldung der Schulleitung heißt chend umzubauen und zu erweitern. Obergeschoss des Gebäudes enthält es unter anderem: „Es war ein heißer In drei Bauabschnitten entstanden außer der Küche drei Zimmer, Vorrats- Tag gewesen, in des Wortes wahrster insgesamt 14 Lehrsäle, 2 Schulküchen, raum und Badezimmer. Alle Räume und übertragener Bedeutung und bitter verschiedene Werkstätten und Lehr- des Gebäudes sind an die Zentralhei- schwere Jahre waren vorausgegangen. mittelzimmer sowie eine Hausmeister- zung angeschlossen.’5 Am Abend nun saßen die jungen Leu- wohnung. Der erste Bauabschnitt sah Es wird darauf hingewiesen ‚… dass die te in einer Betzdorfer Gastwirtschaft die Schaffung von 5 Lehrsälen und 2 Gemeinde für diesen schönen Bau ho- zum Abschied zusammen, und diese Küchen vor, von denen am 1. April 1951 he Summen aufwenden musste …’ Und kleine Abschiedsfeier verdient, erwähnt drei Säle so weit fertiggestellt waren, es wird der Männer gedacht, ‚… die sich zu werden. Sie waren gewiss alle er- dass sie ihrer Bestimmung übergeben um dieses Heim für die heranwach- leichtert, alle von Herzen froh. Aber werden konnten. Im Konferenzbericht sende Jugend besonders verdient ge- weder zerschlugen sie Stühle noch vom 9. Juli 1951 heißt es: „Zwar, so macht haben …’ Genannt werden u. a. stiegen sie auf Tische, es gab keinen sagt Herr Direktor Thiel, seien noch ‚der verstorbene Altbürgermeister und Lärm und keine Saalschlacht – es gab etliche Anlagen fertigzustellen, so das Ehrenbürger der Gemeinde, Engelbert niemanden, der über den Durst getrun- elektrische Licht, der Anstrich und die Brücher, … der heutige Bürgermeis- ken hätte und niemanden, der seine Verdunklung, die die Filmvorführung ter Paul Schmitz … und der Leiter der korrekte Haltung verlor. Wer weiß, aus ermöglichen soll. Er drückte sich weiter Kreisberufsschule, Direktor Thiel …’. welchen verschiedenen Elternhäusern über die Sorgen, Mühen und vielen gro- Der andere Artikel trägt die Überschrift: sie kamen, welche Erziehung sie ge- ßen und kleinen Geschäftsgänge aus, ‚Feierliche Weihe der neuen Kreisbe- nossen hatten – alle, die hier saßen, die der Neubau erfordere. Leider sei- rufsschule’. Dort heißt es u. a. ‚Die fei- bewiesen durch ihr Benehmen das, was en seine Bemühungen in Koblenz und erliche Einweihung des neuen Kreisbe- sie schon während der harten Zeit des Mainz, die Dachräume und die Küche rufsschulgebäudes war ein besonderes Lehrganges bewiesen hatten: dass hier für schulische Zwecke zu erstellen, aus Ereignis für die Gemeinde, die unter eine Auslese1, eine Schar, ausgenom- Geldmangel gescheitet.“ Weil der letz- großen Opfern dieses Haus errichtet, men aus der Allgemeinheit, nicht nur te Bauabschnitt nicht rechtzeitig fertig … Etwa 140 Ehrengäste hatten sich ein- durch besonderen Fleiß, besonderer wurde, konnte der Unterricht nach den gefunden. Die Bezirksregierung Kob- Zielstrebigkeit, sondern auch durch be- Sommerferien erst mit einwöchiger lenz ‚… überreichte als Geschenk ein sonderer Haltung.“2 Verspätung am 9. September 1954 be- Rundfunkapparat sowie einen Betrag Dieser kleine Pressebericht ist noch ginnen. Dafür, so Direktor Thiel, sei die von 500 Mark für die Einrichtung einer vollkommen von einem traditionellen, Einrichtung für Küche und Frisörklas- Schülerbücherei’. Und ‚Von der Geist- bürgerlichen Frauenbild geprägt. Selbst sen „nach durchaus sach- und fachge- lichkeit sprachen Dechant Adenäuer für für Lehrerinnen galten bis 1953 die mäßer Beurteilung dazu angetan, den die heimische Pfarrgemeinde und das diskriminierende Bestimmungen des Unterricht dieser Fachrichtungen aus Dekanat Pfarrer Hackler, Altenkirchen, „Lehrerinnen-Zölibats“. dem bisherigen Dilemma, das der Man- als Vertreter des Superintendenten und gel an praktischen Räumen verursacht Pfarrer Stüber für die ev. Gemeinde habe, herauszuheben.“4 und Presbyterium.“6 Nun konnte auch 4.4 Im neuen Gewand Zur Schuleinweihung am 15. Novem- die landwirtschaftliche Klasse für Jun- ber 1954 erschienen zwei Berichte im gen aus Opsen nach Wissen verlegt 4.4.1 Endlich wieder ein eigenes Altenkirchener Kreisblatt. „Der erste werden. Schulgebäude in Wissen Artikel trägt die Überschrift: ‚Die Ge- Aufgrund der wachsenden Schülerzahl staltung der neuen Kreisberufsschule’. kommt es Anfang der 60er Jahre wie- Am 1. April 1903 übernahm die Ge- Dort findet man u. a.: ‚Der umbaute derum zu ernsten Raumproblemen. Im meinde Wissen links der Sieg die evgl. Raum des gesamten Gebäudes beträgt Bericht zur Konferenz vom 10. Mai 1963 Schule und erbaute ihr in den Jahren rund 10.550 cbm. Der Bau ist massiv ist zu lesen, dass die Klassenfrequenz z. 1904/1905 im Kreuztal ein neues Ge- aus Bruchsteinen, Beton-, Ziegel- und T. weit über den Richtzahlen liegt und

3 Vgl. Wilhelm Pfeiffer, Die evangelische Volksschule in 5 1954 hatten die wenigsten Wohnungen ein eigenes Bad, 1 Zunächst stand hier Elite! Wissen, in: Wissener Heimatbuch, Chronik der Verbands- geschweige denn eine Zentralheizung! 2 Pressebericht der Schulleitung vom 23. Juni 1959 für die gemeinde und Stadt Wissen, Neubearbeitung 1982, Zusam- 6 Marion-Dönhoff-Realschule Wissen (Hrsg.): 100 Jahre Zeitungen des Kreises. Er ist handschriftlich überschrie- mengestellt von Reinhard Liedtke, Wissen 1982, S.413. Schulgebäude im Kreuztal, Festschrift 1905 – 2005, Wissen ben: „Auch das ist Jugend von heute“. 4 (2), Bericht über die Konferenz vom 1. September 1954. 2005, S. 16.

40 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Schulgebäude „Im Kreuztal“ in Wissen

Lehrerzimmer

Ess- und Bügelzimmer, Klassenzimmer Büro und Verkauf dahinter die Lehrküche Lehrküche

Flur im ersten Stock Schreibmaschinensaal

Schulgebäude zurzeit der Einweihung 1954 [Marion-Dönhoff-Realschule Wissen (Hrsg.), 100 Jahre Schulgebäude im Kreuztal, Festschrift 1905 – 2005, S.19]

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 41 1953 hatte das Fräulein Lehrerin ausgedient

Ende des 19. Jahrhunderts hatten Sie soll aus dem Beruf ausscheiden, arbeitsmarktpolitischen Gründen sich Frauen den Zugang zum Be- wenn sie erkennt, dass sie in die Ehe wieder eingeführt. Die Personalab- such mittlerer und höherer Bildungs- eintreten und einen anderen hoch- bauverordnung erlaubte die Entlas- einrichtungen erkämpft und damit wertigen Beruf ergreifen soll. Sie soll, sung verheirateter Beamtinnen, um Zugang zu einer Reihe qualifizierter solange sie in der Schule steht, un- in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Berufe, meist im pädagogischen und geteilt sein. Und sie soll aus diesem Stellen für Männer zu sichern. sozialen Bereich, erlangt. Ob Beruf Erleben heraus die Fähigkeit haben, Als am 23. Mai 1949 das Grundgesetz und Familie miteinander zu verein- den Lehrberuf auch als Lebensberuf verabschiedet wurde, bestimmte das baren waren, stand für Frauen aus zu sehen, sich ihm für immer zu wei- tradierte Frauenbild auch weiterhin der Arbeiterklasse außer Frage. Aber hen, und sie kann das umso mehr, die Gesellschaft, auch wenn in Ar- das bürgerliche Rollenverständnis wenn sie in der katholischen Kirche tikel 3 die Gleichberechtigung von im Kaiserreich sah für Frauen da- steht, die ihr in der Lehre von der Mann und Frau verankert wurde. In gegen die „drei großen K“ vor: Kü- gottgeweihten Jungfräulichkeit einen den deutschen Gesetzbüchern wim- che, Kinder, Kirche. Eine lebenslange herrlichen Fingerzeig, ja eine Verklä- melte es nur so von Paragraphen, die Berufstätigkeit entsprach nicht dem rung für diese Ganzheitsaufgabe des mit dem Gleichstellungsartikel nicht Frauenbild. Sie konnte lediglich der Berufes gibt. Es ist eine soziale Tat zu vereinbaren waren. Eine Bestim- kurzfristigen Versorgung unverhei- unseres Vereins, wenn er von seinen mung gegen die der Deutsche Frau- rateter junger Frauen dienen. Die Mitgliedern erwartet, dass gerade sie, enring am 21. Dezember 1949 eine Doppelbelastung durch Beruf und die Volkserzieherinnen, nicht Ehe Protestnote verabschiedete, betraf die Familie traute man ihnen nicht zu, und Schuldienst miteinander ver- sog. Zölibatsklausel im Beamtenge- zudem galten berufstätige Frauen als binden. Sie sollen vorleben, was sie setz. Danach mussten verheiratete unnötige Konkurrenz auf dem Ar- als soziale Entwicklung erwarten: die Beamtinnen entlassen werden, wenn beitsmarkt. Daher war es nur konse- Wiedergewinnung der Frau ungeteilt das Familieneinkommen auch ohne quent, dass im Deutschen Reich 1880 für Familie … Unser Ideal ist die Ver- ihren Verdienst für die wirtschaft- per Ministererlass das „Lehrerinnen- bindung christlicher Jungfräulichkeit liche Versorgung ausreichte. Solche zölibat“ eingeführt wurde. Bei Heirat mit dem Lehrerinnenideal. Die ist in Klauseln waren in Deutschland so- schied das „Fräulein“ aus dem Beam- einer Zeit, wo ein heiliger Radikalis- wohl in Arbeitsverträgen der Privat- tenverhältnis und gleichzeitig erlosch mus dem Radikalismus der Gottlo- wirtschaft als auch im Staatsdienst ihr Anspruch auf das Ruhegehalt. sen gegenübergestellt werden muss, nicht ungewöhnlich. Gleichzeitig gab es Versuche, den so zeitgemäß wie je.“1 Lehrerinnenzölibat auch mit religiö- Artikel 128 II der Weimarer Reichs- Erst 1953 wurde die „Zölibatsklausel“ sen Werten symbolisch aufzuwerten. verfassung hob alle Ausnahmebe- für Bundesbeamtinnen gestrichen. Die langjährige Vorsitzende des Ver- stimmungen gegen weibliche Beam- Am 10. Mai 1957 erklärte schließlich eins katholischer deutscher Lehrerin- te auf. Aber bereits im Oktober 1923 das Bundesarbeitsgericht, dass Zöli- nen, Maria Johanna Schmitz, schrieb: wurde das „Beamtinnenzölibat“ aus batsklauseln in Arbeitsverträgen ge- „Die Lehrerin – wie wir sie gewünscht gen das Grundgesetz verstießen und und erzogen haben – soll sich mit damit nichtig seien. Erst jetzt hatte 1 Katholische Frauenbildung 1955, S. 80 f. Zitiert ganzer Kraft ihrem Beruf widmen. nach Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/ das „Fräulein“ wirklich ausgedient. Lehrerinnenz%C3%B6libat, Stand: 31.01.2019, 13.40 Uhr

die Klassenräume nicht in allen Fällen Rivalität zwischen Kirchen und Betz- der neuen Berufsschule in Betzdorf. den Anforderungen entsprechen (Un- dorf, und auch Wissen betrachtete die Nach rund zweijähriger Bauzeit konnte terricht im Filmsaal und im Keller!). Pläne mit Sorge, da man einen Zug am Montag, den 16. September, das Ferner, dass der Kreistag zur Behebung der Schüler nach dem neuen Schulort neue Gebäude der Kreisberufsschule der gegenwärtigen Raumnot am Schul- befürchtete. Betzdorf hatte schon 1939 in Betzdorf der Bestimmung überge- ort Wissen 65.000 DM für die Aufstel- den Plan eines Berufsschulneubaues ben werden.1 Das Schulgebäude, das lung von drei Baracken bewilligt habe. erwogen. Es waren schon die Funda- Architekten Zens aus Köln plante, mente vorhanden. Und – im Frühjahr wurde mit einem Kostenaufwand von 1953 hatte Betzdorf bereits 40.000 DM nahezu einer Million DM gebaut, wo- 4.4.2 In Betzdorf steht für den Bau der Berufsschule zur Ver- zu das Land Rheinland-Pfalz 300.000 die modernste Berufsschule fügung gestellt. Es sollte noch einige DM als Zuschuss und 200.000 DM des Landes Jahre dauern, bis man sich in Betzdorf als Darlehen beisteuerte. Die Stadt freuen konnte. Betzdorf stellte das Bauland „Auf dem Und auch in Betzdorf darf man sich „Eindrucksvolle Feierstunde in der Bühl“ zu Verfügung. Nur durch Un- bald über eine neue Schule freuen. Der neuen Berufsschule“, so titelte am 18. terstützung der heimischen Wirtschaft Schulneubau im Oberkreis verzögerte September 1957 das Altenkirchener

sich jedoch zunächst wegen der starken Kreisblatt anlässlich der Einweihung 1 Ursprünglich hatte die Einweihung bereits am 1. April statt- finden sollen.

42 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Berufsschulgebäude in Betzdorf, „Auf dem Bühl“

Arbeiten am Schmiedefeuer Im Werkstattraum

Werkstattraum Schweißwerkstatt, Herr Scholl beim „Brennen“ oder „Schneiden“

Physikraum

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 43 wurden die Innengestaltung und die strengen Antikommunismus gekenn- eine objektive Beurteilung der Verhält- Einrichtung mehrerer Lehrwerkstätten zeichnet, der erst mit der soziallibera- nisse zu erwägen. Vielmehr müssten möglich, „die als vorbildlich zu bezeich- len Koalition Ende der 1960er Jahre an die Lehrerschaft und die Erziehungs- nen sind.“ Acht Klassenräume, sechs Bedeutung verliert. berechtigten hier beratend und aufklä- Lehrwerkstätten, dazu eine neuzeitlich Die folgenden Auszüge aus Konferenz- rend wirken.“1 eingerichtete Küche für den hauswirt- berichten sprechen eine eigene Spra- „Da in der letzten Zeit von der sow- schaftlichen Unterricht, Nebenräume che: jetisch besetzten Zone Deutschlands und eine Hausmeisterwohnung sind in mehrfach für die Verschickung Jugend- dem Gebäude untergebracht. Die neue „Weltjugendspiele im August 1951: licher zum Ferienaufenthalt in die Zo- Schule gilt in den nächsten Jahren als Hierzu führte Herr Direktor Thiel aus, ne geworben wird, werden die Lehr- die modernste in Rheinland-Pfalz. Die dass die Weltjugendspiele zahlreiche kräfte gebeten, solche Werbungen in Räume in der Schule „Auf dem Äu- Ausländer, Teilnehmer aus den Westzo- Schule und Elternversammlungen zu chen“ und in der Lokomotivenfabrik in nen und besonders die Jugend aus der unterbinden.“2 Kirchen hatten nun ausgedient. Ostzone erwarten. – Zweifellos stünden „Vor Tagungen od[er] Begegnungen mit Anfang der 1960er Jahre war das neue große sportliche Ereignisse auf dem Funktionären des SED-Regimes wird Schulgebäude schon zu klein. Die Programm, die aber in Wahrheit nicht gewarnt. Die Teilnahme ist unzulässig. Schule platzte aus allen Nähten, sodass den edlen, sportlichen Wettstreit ver- Es sind bereits Veranstaltungen zur Be- bereits Stimmen laut wurden, die einen körpern sollen, sondern die nur das einflussung der Lehrer geplant.“3 Schulneubau forderten. Täuschungsmanöver für eine groß an- gelegte kommunistische Demonstrati- „Fachbücher aus der Sowjetzone dürfen on sei, die zur Verbolschewierung der im Unterricht nicht benutzt werden.“4 Aus einem Referat des Kreisamt- Jugend beitragen solle. – Die Ostzone mannes Uhlmann zum Thema „Ver- bemüht sich leider, so bemerkte der „In einem Schreiben des Ministeriums kehr mit Behörden“: „Der Redner Herr Vorsitzende, in den Westzonen für für Unterricht und Kultus wird vor der unterrichtete die Anwesenden zu- diese Festspiele Stimmung zu machen, Teilnahme an kommunistischen Ver- nächst über einige Grundsätze, die um die West-Jugend zu veranlassen, an anstaltungen der SBZ gewarnt (z. B. beim Schriftverkehr mit Behörden dieser Demonstration teilzunehmen. Weltjugendspiele, Deutsches Turn- und zu beachten sind, um Formfehler – Die Damen und Herren des Kollegi- Sportfest in Leipzig, Gesamtdeutsche zu vermeiden. Als Beispiel zählte er ums werden gebeten, in ihren Klassen Arbeiterkonferenz in Leipzig, Feiern den Gebrauch von ‚ersuchen’ und ‚bitten’. Der Vorgesetzte ‚ersucht’, festzustellen, ob bei den Schülern ein aus Anlass des 10. Jahrestages der der Untergeordnete ‚bittet’.“ Interesse für diese Festspiele geweckt Gründung der DDR). Die Teilnahme (3), Bericht über die Konferenz wurde. Gegebenenfalls sollen die Fest- an den Veranstaltungen, sowie jede Art vom 16. Februar 1955. spiele mit ihren wahren Hintergründen ihrer Förderung ist mit der Pflicht der aufklärend besprochen werden. Angehörigen des öffentlichen Dienstes, sich zur freiheitlichen demokratischen Briefpropaganda für die U.d.S.S.R. und Grundordnung zu bekennen und für „Körperliche Züchtigung sollte mög- die Ostzone: Das Kultusministerium ihre Erhaltung einzutreten, nicht ver- lichst unterbleiben. Ist dies nicht gibt dazu bekannt, dass Propagandab- einbar. Auch alle Schüler sollen vor der zu umgehen, so muss sie überlegt riefe nicht zu beantworten seien. – Der Teilnahme an kommunistisch gelenk- und maßvoll durchgeführt werden. Herr Direktor hat das Büchlein ‚Recht ten Veranstaltungen gewarnt werden.“5 Eine Züchtigung von Mädchen ist und Ehre’ in Händen, das auf gleiche „Bekanntgabe der Verfügung im Mi- unstatthaft.“ Weise in die Westzone gelangte. Er nisterialblatt Nr. über die Schreibwei- (4), Bericht über die Konferenz vom 15. Januar 1965, S. 148. führt dazu aus, dass es unter dem Na- se von Staatennamen außerdeutscher men eines Nürnberger Verlags erschie- Länder. … Für alle ist zu merken, dass nen sei, dass es bei Betrachtung der die Bezeichnung der sowjetischen Be- ersten Seiten durchaus den Eindruck satzungszone folgende Sprachregelung 4.5 Strenger eines in Westdeutschland veröffentlich- für alle amtlichen Stellen getroffen wor- ten Schriftstückes mache, jedoch im In- den ist: Sowjetische Besatzungszone Antikommunismus ist neren der Schrift die Hetze der Ostzone oder Sowjetzone oder S.B.Z.“6 angesagt! gegen den Westen offenbare. – Man könne an diesen Tatsachen nicht vorü- „Das 8. kommunistische Welttreffen Die Anfangsjahre der Bundesrepublik bergehen, ohne sich ernste Gedanken der Jugend und Studenten in Verbin- stehen nicht nur für das Wirtschafts- gemacht zu haben, unterstrich Herr dung mit den Weltjugendfestspielen wunder. Die veränderte politische Direktor Thiel. – In diesem Zusam- beginnt am 25. Aug. 62 in Helsinki. Großwetterlage in den Jahren nach menhang wies er auf die kürzlich in

dem Zweiten Weltkrieg führt zu einer Dortmund stattgefundene Demonstra- 1 (2), Bericht über die Konferenz vom 9. Juli 1951, S. 83 f. Integration der Bundesrepublik in das tion der kommunistischen Jugend hin, 2 (3), Bericht über die Konferenz vom 8. Juli 1955. westliche Bündnissystem und zu einer die mit Polizeigewalt auseinander ge- 3 (3), Bericht über die Konferenz vom 13. November 1957. konsequenten Abgrenzung zum Os- trieben wurde. Ferner sagte er, dass die 4 (4), Bericht über die Konferenz vom 4. März 1959, S. 5. ten. Die Ära Adenauer ist durch einen Jugend noch nicht die Fähigkeit habe, 5 (4), Bericht über die Konferenz vom 11. September 1959, S. 9. 6 (3), Bericht über die Konferenz vom 10. Oktober 1960.

44 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Schulgebäude „Im Kreuztal“ in Wissen

Wegen evtl. Teilnahme einiger Schüler Prügelstrafe“. Der Rüsselsheimer Kon- Erziehungszweck dienende Züchtigung ist eine Aufklärung im Sinne der Zu- rektor Schwanke hatte seine Schüler verboten.“ rückhaltung und ein Hinweis auf Be- mit Ohrfeigen und Rohrstockschlägen Der Rohrstock im Klassenzimmer ist gleiterscheinungen erforderlich.“7 auf die Finger gezüchtigt. Das Land- auch unter Lehrern nicht unumstrit- gericht Darmstadt sprach ihn von der ten: „Es gebe heute eine große Zahl „Nach der Verfügung der Bezirksregie- Anklage der Körperverletzung im Amt von Pädagogen, die jede Züchtigung in rung vom 19. Dezember 1961 müssen frei. Hiergegen hatte die Staatsanwalt- der Schule abschaffen wolle; sie habe Reisen von Beamten in den sowjeti- schaft Revision unter Berufung auf das sich aber nicht widerspruchslos durch- schen Machtbereich vier Wochen vor Grundgesetz wegen Menschenrechts- gesetzt. Andererseits nämlich sähen Antritt der Reise der Bezirksregierung verletzung eingelegt. Der Senat bestä- es viele Lehrer als wirklichkeitsfremd gemeldet werden.“8 tigte am 23. Oktober 1957 den Frei- an, heutzutage ohne ernsthafte Gefähr- spruch und begründete ihn folgender dung der Erziehungsaufgabe bei allen Maßen: Schülern im volksschulpflichtigen Al- 4.6 Rohrstock und ter, auf körperliche Züchtigung verzich- Backpfeifen „Wenn der Lehrer seine Schüler einer ten zu wollen. Darüber zu entscheiden körperlichen Züchtigung unterzieht, sei indes keinesfalls eine Aufgabe des In den fünfziger Jahren war in vielen erfülle er damit zwar den Tatbestand Richters, denn ihm stehe nur zu, nach- Klassenzimmern das Wilhelminische der Körperverletzung, aber sie sei nicht zuprüfen und zu entscheiden, ob der Zeitalter noch nicht überwunden, kör- strafbar, wenn der Lehrer rechtlich be- Lehrer von seinem Züchtigungsrecht perliche Züchtigung in den unteren fugt sei und sich in den Grenzen sei- Gebrauch hätte machen dürfen und ob Klassen (fast) selbstverständlich. So ner Befugnis halte. In Hessen sei der er es maßvoll getan habe.“ wundert das folgende Urteil des Zwei- Lehrer kraft Gewohnheitsrechts auch ten Straf-Senat des Bundesgerichtsho- heute berechtigt, seine Schüler zu Er- Nach kurzer Krankheit starb am 9. Juli fes (Aktenzeichen 2 St R 458/56) nicht. ziehungszwecken aus hinreichendem 1958 unerwartet Direktor Thiel. Bis zur In der Frankfurter Allgemeine Zeitung Anlass maßvoll körperlich zu züchti- Amtsübernahme durch Direktor Bött- vom 23. April 1958 ist als Überschrift gen. Dieses Gewohnheitsrecht könne cher 1959 leitete Gewerbe-Studienrat zu lesen: „Es gibt Schlimmeres als die nur durch Gesetz aufgehoben werden. Elben kommissarisch die Schule. Natürlich sei jede quälerische, gesund-

7 (4), Bericht über die Konferenz vom 18. Juni 1962, S. 89. heitsschädliche, das Anstands- und Sitt- 8 (4), Bericht über die Konferenz vom 15. Januar 1962, S. 68 f. lichkeitsgefühl verletzende, nicht dem

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 45 Das Land Rheinland-Pfalz übernimmt die Berufsschule Wissen

(Schulleiter Böttcher: 1959 bis 1965)

Veränderungen5 in der Berufsausbil- hilfen unter das Schutzgesetz, wenn sie dung brachte das neue Jugendarbeits- trotz abgelegter Prüfung noch keine 18 Nach einer Reg.-Verfügung vom 26. schutzgesetz, das am 1. Oktober 1960 in Jahre alt waren. Berufsschulpflichtigen August 1960 sind alle hauptamtlichen Kraft trat. Es verbesserte die Situation über 18 Jahre waren auch die vorgese- Lehrpersonen verpflichtet, bis zum der Lehrlinge in vielen Punkten: Für Ju- henen Arbeitszeit-Vergünstigungen zu Ablauf von 6 Jahren nach Verleihung gendliche von 14 bis 16 Jahren galt nun gewähren. Ferner durften Jugendliche der Anstellungsfähigkeit schriftliche eine Arbeitszeit von 40 Stunden und nicht vor der Schule beschäftigt wer- Unterrichtsskizzen zu fertigen. Die Zeitspanne von 6 Jahren gilt auch bei für 16- bis 18-Jährige von 44 Stunden. den, wenn der Unterricht vor 9 Uhr der Übernahme neuer Unterrichts- Künftig fielen auch Gesellen und Ge- begann. Betrug der Unterricht mindes- fächer. Gefordert wird eine kurze tens 6 Stunden einschließlich der Pau- Skizzierung des Unterrichtsablaufes, sen, so war der Auszubildende für den die auch als Grundlage des Tafelan- Tag ganz von der Arbeit freizustellen. schriebs dienen soll. Das rheinland-pfälzische Berufsschul- Der Tag war als voller Arbeitstag zu Vgl. (4), Bericht über die Konferenz vom 14. Juni 1960, gesetz verpflichtete – anders als heute rechnen. Dies galt – anders als heute – S. 30 f . und vom 10. Oktober 1960, S. 34. – Jugendliche bis zum vollendeten auch für Personen, die älter als 18 Jahre 21. Lebensjahr zum Schulbesuch. Die Schulpflicht begann unmittelbar im und noch berufsschulpflichtig waren. Anschluss an die Volksschule oder bei vorzeitiger Entlassung aus den Re- Seit dem 1. Januar 1963 gibt es die 1960: Im Kollegium wird die Grün- alschulen oder höheren Schulen zu Kreisberufsschule nicht mehr. Sie dung einer „Freud- und Leidkasse“ dem durch den Schulabgang beding- „firmierte“ nun unter „Berufsschule wird angeregt. ten Stichtag und endete drei bzw. 3 ½ Vgl. (4), Bericht über die Konferenz vom Wissen“. Die Namensänderung hatte 10. Oktober 1960, S. 36. Jahren Lehrzeit. ihre Ursache darin, dass aus der kom- Heute gilt grundsätzlich eine 12-jäh- munalen Berufsschule des Kreises ei- rige Schulpflicht. Besteht bei Ablauf des 12. Schuljahres ein Ausbildungs- ne staatliche Einrichtung des Landes verhältnis, so bleibt der Auszubilden- Rheinland-Pfalz wurde. Die Personal- Es wird eine „harte“ Benotung der de bis zum Abschluss der Berufsaus- kosten trägt ab nun das Land, das auch Schülerleistungen gefordert. Die No- bildung berufsschulpflichtig. die Lehrerstellen besetzt. Die Lehrer ten des Entlassungszeugnisses sollen wurden Landesbeamte. Die Besetzung grundsätzlich das Mittel der 3. Jahres- der Stelle des Schulleiters und seines zeugnisse darstellen. Vertreters geschieht durch das Land im (4), Bericht über die Konferenz vom 3. Februar 1961. „Nach auszugsweiser Verlesung ei- Benehmen mit der Kreisverwaltung. Al- nes Berichtes des Kreisjugendamtes lerdings blieb der Kreis Altenkirchen über eine Razzia in einer Gaststätte Baulastträger. im Oberkreis werden die Lehrkräfte Die Berufsschule mit Verwaltungssitz „Durch Tragen von sog. Bleistiftabsät- gebeten, Schüler und Schülerinnen in Wissen gliederte sich in eine gewerb- zen sind in einem Raum der Berufs- noch einmal auf die Bestimmungen liche, eine kaufmännische, eine haus- schule Schäden im soeben erst neu des Jugendschutzgesetzes hinzuwei- wirtschaftliche und eine landwirtschaft- verlegten Linoleumbelag entstanden. Die Schülerinnen sind erneut zu be- sen, die den Aufenthalt in Gaststätten, liche Abteilung. Dabei reichte das Spek- besonders bei öffentlichen Tanzveran- lehren, dass das Tragen von Schuhen staltungen betreffen. Namen von evtl. trum von Fachklassen für Metall-, Che- mit solchen Absätzen in der Berufs- auffallenden Berufsschülern werden mie-, Bau-, Holz-, Nahrungsmittel- und schule nicht erlaubt ist.“ vom Jugendamt der Berufsschule ge- Bekleidungsberufe über Maler, Indust- (4), Bericht über die Konferenz vom meldet.“ rie-, EinzeI- und Großhandelskaufleute, 9. September 1963, S.120 f. (4), Bericht über die Konferenz vom Büroberufe usw. Im Schuljahr 1964/65 9. September 1963, S. 121.

46 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Wissen 2.010 besuchten insgesamt 3681 Schüler die klassen waren – außer nach aufsteigen- Berufsschule, und zwar in 139 Klassen den Jahrgängen – nach Berufsgruppen, Betzdorf 1.234 an den folgenden Schulorten:1 die Klassen der Gruppe Einzelhandel Das Land Rheinland-Pfalz Altenkirchen 1967 waren es bereits rund 170 Klas- darüber hinaus weitgehend nach Bran- 62 sen mit 3800 Schülern, die wöchentlich chen (Lebensmittel, Textil, Schuhe und (Landwirtschaft, Jungen) einmal (in einigen Berufen zweimal) Lederwaren, Elektrogeräte und Haus- Altenkirchen übernimmt die Berufsschule Wissen in 5- bis 12-stündigem Unterricht von haltswaren usw.) gegliedert. 57 (Bundesbahn, Jungwerker) über 40 hauptamtlichen und über 80 So waren für die Gruppe Einzelhandel nebenamtlichen und nebenberuflichen (43 Prozent der Schüler, davon 86 Pro- Leuzbach (Schulleiter Böttcher: 1959 bis 1965) Lehrkräften betreut wurden. zent Mädchen) 17 Klassen eingerichtet, 72 (Landwirtschaft, Mädchen) Die 1280 Schülerinnen und Schüler mit und zwar 6 Unter-, 5 Mittel- und 6 kaufmännischen Lehr- oder Anlernbe- Oberstufen mit Parallelklassen für die 63 rufen bildeten die zweitstärkste Gruppe besonders stark vertretenen Branchen (Landwirtschaft, Mädchen) der Berufsschule Wissen. Sie stellten Lebensmittel und Textil. Für die Grup- genau ein Drittel der Gesamtschüler- pen Großhandel und Industrie (je 18 Elkenroth 16 zahl dar. Von insgesamt 43 Klassen, Prozent der Schüler, davon 55 bzw. 50 (Landwirtschaft, Mädchen) die zur kaufmännischen Abteilung Prozent Mädchen) bestanden je 6 Klas- gehörten, befanden sich lediglich drei sen, also jeweils 2 Unter-, 2 Mittel- und ferner Bundesbahn-Jungwerkerklassen in Al- 2 Oberstufen. Daneben gab es zurzeit tenkirchen; für alle übrigen Klassen je 2 Klassen für Bürogehilfinnen, für Wissen war zentraler Schulort Wissen. Arzthelferinnen und für Zahnarzthelfe- Mit Ausnahme der Bürogehilfinnen, rinnen, 3 Klassen für Apothekenhelfe- Handelsschule 71 die nach Beendigung der zweijähri- rinnen und 2 Verwaltungsklassen. Für gen Anlernzeit, d. h. im dritten Be- die Lehrlinge, die bei Banken, Versiche- Haushaltungsschule 23 rufsschuljahr, am Unterricht der haus- rungen, Speditionen, Steuerberatern, wirtschaftlichen Klassen teilnahmen, Rechtsanwälten und Notaren tätig wa- blieben die kaufmännischen Lehrlin- ren, wurde keine besondere Fachklasse und Apothekenhelferinnen so wie die ge drei Jahre lang in kaufmännischen eingerichtet. Diese Jugendlichen blie- Bundesbahn-Klassen ebenfalls Bezirks- Fachklassen, im Allgemeinen getrennt ben ein Jahr lang in den Großhandels- fachklassen, d. h. Klassen für das Ein- nach Lehrjahren in den Unterstufen, oder Industrieklassen und besuchten zugsgebiet mehrere Berufsschulen. Mittelstufen und Oberstufen. Die Fach- dann Bezirksfachklassen außerhalb des Kreisgebietes. Andererseits waren die In den kaufmännischen Klassen wurden 1 Vgl. Altenkirchener Kreisblatt / Sieg-Post vom 4./5. Juli an der Berufsschule in Wissen einge- folgende Unterrichtsstunden erteilt: Re- 1964. Die Addition der Schülerzahlen ergibt nicht die vor- genannte Zahl. richteten Klassen für Arzt-, Zahnarzt- ligion, Politische Gemeinschaftskunde,

Neue Bestimmungen für die zweijährige Handelsschule:

„Die Klassenstärke soll höchstens 36 Schüler betragen. Zur Aufnahme sind keine Schüler zugelassen, die an einem anderen Ort die Prüfung nicht bestanden haben. Die [Aufnahme-]Prüfung umfasst nur noch 3 Fächer: 1. Diktat, Zeit ca. 45 Minuten, 2. Aufsatz, Zeit ca. 75 Minuten, 3 Themen zur Wahl, 3. Rechnen, 6 Aufgaben, davon 3 Aufgaben aus dem allgemeinen Rechnen und 3 eingekleidete Aufgaben.

Für die Aufnahme muss die Note 4,0 mindestens erreicht werden. Eine mündliche Prüfung ist nur in Ausnahmefällen durchzuführen. Das Ergebnis der Aufnahmeprüfung ist den Prüflingen und den Erziehungsberechtigten alsbald mitzuteilen. Ziel des Unterrichts in der kaufm. Berufsfachschule soll vor der reinen Wissensvermittlung die Erziehung der Schüler zur Selbstständigkeit sein. Für das Bestehen der Abschlussprüfung ist die sittliche und fachliche Reife entscheidend. Zulassung zur mündlichen Prüfung ist noch möglich bei 3 mangelhaften Klausurarbeiten. Für die schriftliche Prüfung werden die Sitzplätze verlost. Die mündliche Prüfung wird von einer Prüfungskommission in der Art der bisherigen Zusammensetzung durchgeführt. Sie ist nicht öffentlich.

Zum Unterschied des Abgangszeugnisses wird das Abschlusszeugnis mit dem Vermerk der mittleren Reife ausgestellt.“ Über einen dreijährigen Sonderlehrgang berechtigte dieses Abschlusszeugnis zum Volksschullehrerstudium! (4), Bericht über die Konferenz vom 15. Januar 1960, S. 19.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 47 Verabschiedung von Direktor Böttcher am 26. August 1965

Deutsch (in der Unterstufe), Betriebs- wirtschaftslehre/Schriftverkehr, Buch- „Der Besuch der Bezirksfachklassen führung (ab Mittelstufe) und Kauf- ist teilweise mit erheblichen Schwie- männisches Rechnen. Daneben gab es rigkeiten verbunden. Wenn Schüler natürlich für Fachklassen besonderen mehr als 15 Stunden unterwegs sind, ist die Zustimmung der Eltern erfor- Fachunterricht, wie z. B. Warenkunde derlich.“ in den Lebensmittelklassen. (4), Bericht über die Konferenz vom Für den Unterricht (außer in Reli- 4. März 1959, S. 4. gion) standen sieben hauptamtli- che Lehrkräfte zur Verfügung: fünf Diplomhandelslehrer(innen), eine Technische Lehrerin und eine Lehr- Um die Raumnot bei der jetzt wach- kraft der gewerblichen Abteilung. Da- senden Schülerzahl zu beseitigen, sol- neben unterrichteten elf Lehrer von len bis Ostern 1963 in Wissen 2 Bara- allgemeinbildenden Schulen – vor- cken zur Verfügung stehen. … Auch wiegend in den Fächern Deutsch und in Betzdorf ist die Raumnot groß. Der Politische Gemeinschaftskunde – und Baurat lehnt Baracken ab, es muss 15 nebenberufliche Lehrkräfte, wie daher ein Erweitungsbau geschaffen Ärzte, Zahnärzte, Apotheker, Einzel- werden. Vier Räume wären notwen- handelskaufleute, Bundesbahn- und dig. … Die landwirtschaftliche Abtei- lung in Leuzbach und Flammerfeld Verwaltungsbeamte, in fachkund- ist bezüglich Raumnot am übelsten lichen Fächern. Der Mangel an Dip- dran. Der Kreisausschuss hat getagt lomhandelslehrern zeigte sich auch und es werden Möglichkeiten durch- darin, dass die vorgesehenen acht gearbeitet, um Raum zu schaffen.

Wochenstunden in den meisten Klas- (4), Bericht über die Konferenz vom 1 sen nicht voll erteilt werden können.“ 16. November 1962, S.103 f.

1 Siegener Zeitung vom 9. Januar 1967.

Abschied von der Schule nahm Direktor Böttcher (links). Sein Nachfolger, Direktor Brand, übernimmt die Leitung der Schule

[Siegener Zeitung vom 27. August 1965]

48 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 49 Zeit der Veränderungen (Schulleiter Brandt: 1965 bis 1969)

6Berufsschuldirektor Böttcher wurde seinen Stellvertreter, Studiendirektor lelternbeirat, die Lehrerkonferenz und im August 1965 in einer kleinen Fei- Karl Ullrich, da Direktor Brand bereits die Klassensprecher seien dazu zu hö- erstunde im Landratsamt Altenkirchen zum 1. November 1969 zur Bezirksre- ren. Des Weiteren hatten die Schulen in den Ruhestand versetzt. Gleichzei- gierung Trier wechselte. umfassend über die gesundheitlichen tig wurde Gewerbestudienrat Johannes Einen Einschnitt in die Schulorganisa- Gefahren des Rauchens aufzuklären. Brand als neuer Direktor eingeführt.1 tion bedeutete der Beschluss der Kul- Um kontrollieren zu können, ob Schü- In seine Amtszeit fallen der Schulneu- tusminister, ab 1967 statt zu Ostern ler rauchen durften, führten einzelne bau in Wissen sowie der Anbau für die einheitlich im Herbst einzuschulen. Schulen sog. Raucherausweise ein. landwirtschaftliche Abteilung in Alten- Und noch etwas bewegte die Gemü- kirchen. Nach Fertigstellung konnten ter: „Rauchen keine ‚Sünde’ mehr“, Anfang März 1967 die Nebenstellen überschrieb die Rhein-Zeitung einen 6.1 Bildungsreform und in Leuzbach und in Flammersfeld so- Artikel.2 Künftig war das Rauchen für Bildungsoffensive wie im Güterbahnhof in Altenkirchen Schüler der Oberstufenklassen keine aufgelöst werden und die Klassen in unverzeihliche „Pennälersünde“ mehr. 6.1.1 Warum werden unsere den Anbau der seit 1923 bestehenden Das Mainzer Kultusministerium stellte Lehrlinge immer schlechter? Landwirtschaftsschule in Altenkirchen klar, dass es „keine Bedenken“ habe, übersiedeln. Die Nebenstelle in Elken- den Schülern der Klassen 11, 12 und 13 „... Die Zahl der Versager bei den Gesel- roth war bereits ein Jahr zuvor aufgelöst der Gymnasien und den über 16 Jahre lenprüfungen steigt ständig. 1960 fie- worden. alten Berufsschülern das Rauchen in len 7,01 Prozent aller handwerklichen Raucherecken und Raucherzimmern Lehrlinge bei der Gesellenprüfung Die offizielle Übergabe des neuen Ge- in der Schule während der Pausen zu durch. 1961 schon 8,7 Prozent, 1963 bäudes an der Hachenburger Straße erlauben. Die Entscheidung treffe je- bereits 11,4 Prozent und im letzten Jahr in Wissen erfolgte allerdings bereits an doch der Schulleiter mit dem Schu- sogar 12,3 Prozent,“ so die Bild-Zeitung am 8. Januar 1965. 1 Siegener Zeitung vom 27. August 1965. 2 Rhein-Zeitung vom 6. Februar 1969.

Hubert Elben besucht die Baustelle der Landwirtschaftlichen Berufsschule in Altenkirchen Landwirtschaftliche Berufsschule in Altenkirchen

50 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Lehrlinge schreiben und rechnen zu schlecht

Zeit der Veränderungen Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) hat ermittelt, dass die Kenntnisse der aus der Volksschule entlassenen Jugendlichen, die eine Lehre in der Wirtschaft begin- (Schulleiter Brandt: 1965 bis 1969) 6.1.2 Chancengleichheit nen, völlig unzureichend sind. Wie die Spitzenorganisation in Bonn mitteilt, ergab sich das bei einer von Wissenschaftlern und Praktikern unter Leitung von Professor Wenke (Hamburg) vorgenommenen Prüfung von 2134 Lehrlingen. Die unabhängige Prüfungs- Nachdrücklich sprach sich Dr. Vogel kommission unterschied zwischen männlichen und weiblichen Lehrlingen, zwischen dafür aus, die Abschlüsse und Über- Lehrlingen mit achtjähriger und neunjähriger Schulpflicht sowie zwischen Lehrlingen gänge zwischen den einzelnen Schular- aus voll gegliederten und nicht voll gegliederten Volksschulen. Der Test kam lediglich ten besser aufeinander abzustimmen. für Lehrlinge infrage, die die Volksschule mit einem Abschlusszeugnis verlassen haben. Die berufsbildenden Schulen müssten Das Ergebnis dieser Untersuchung ist bestürzend. Bei zwanzig Prozent der Lehrlinge von vornherein so zugeschnitten sein, war die Beherrschung der Rechtschreibung mangelhaft. Bei weiteren siebzehn Prozent dass der gesamte Bildungsfortgang bis konnte von einer Sicherheit in der Rechtschreibung nicht die Rede sein. Das Ergebnis im Rechnen ist noch ungünstiger. Bei 25 Prozent der Lehrlinge war die Leistung im hin zur Fachhochschule und zur allge- Rechnen mangelhaft, bei weiteren 25 Prozent bestanden erhebliche Lücken. Dabei muss meinen Hochschule offenbleibe. Auch berücksichtigt werden, dass in den Test nicht die durchschnittlich neunzehn Prozent müsse überprüft werden, ob für be- aller Volksschüler einbezogen worden waren, die regelmäßig das Ziel der Volksschule sonders qualifizierte Ausbildungsberu- nicht erreichen. Die Prüfung bestand aus einem Diktat und elf Rechenaufgaben. Die fe nicht ein zweiter Berufsschultag in Testaufgaben sind keineswegs als schwer zu beurteilen. Es überrascht, dass Lehrlinge, die Kauf genommen werden müsse, falls neun Jahre lang die Volksschule besuchten, und Lehrlinge, die aus einer voll gegliederten dieses Problem nicht über das Berufs- Volksschule kamen, kaum besser abschnitten als die Lehrlinge, die nur acht Jahre lang grundschuljahr oder den Blockunter- die Schule besuchten und aus nicht voll gegliederten Volksschulen stammen. richt gelöst werden könne. Ein weiteres Der Industrie- und Handelstag will mit diesem Ergebnis keine Kritik an Lehrern und Schulen üben; er will lediglich Tatsachen aufzeigen, um den Politikern deutlich zu Mittel zur Verbesserung des Berufs- machen, dass die deutsche Schulpolitik durch ihre „erschreckende“ Planlosigkeit und schulunterrichts sei die Bildung von übertriebene Experimentierfreudigkeit zu völlig unzureichenden Ergebnissen führt. Die Fachklassen. Wirtschaft habe es bei der Ausbildung der Lehrlinge angesichts dieses Ausbildungsstan- Für das kommende Schuljahr kündig- des bei Schulabgang besonders schwer. te der Minister weitere Schulversuche Eine wesentliche Rolle spiele der Lehrermangel. Die Lehrer seien völlig überlastet. Das mit der Berufsgrundschule an. Es solle Ziel der Kultusministerkonferenz bis 1970 eine durchschnittliche Klassenstärke von weiterhin erprobt werden, ob ein zehn- dreißig Schülern und 1,3 Lehrern je Klasse zu erreichen, werde nicht verwirklicht werden tes Pflichtschuljahr besser ein Berufs- können. Dafür fehlten mindestens neunzigtausend Lehrer. Wenn man nur von den ge- setzten Mittelwerten ausgehe – 33 Schüler und 1,15 Lehrer je Klasse – so würden immer grundschuljahr wäre oder ob es mehr 3 noch vierzigtausend Lehrer im Bundesgebiet fehlen. zur Hauptschule passe. Die Wirtschaft werde deshalb in den kommenden Jahren bei der Ausbildung ihrer Lehr- Nordrhein-Westfalens Kultusminister linge nicht mit einer durchgreifenden Verbesserung des Leistungsniveaus der Volksschul- Prof. Mikat hat eine völlige Umgestal- abgänger rechnen können. Eine angebliche kulturpolitische Fortschrittlichkeit durch eine tung der Lehrlingsausbildung angeregt. abermalige Verlängerung der Pflichtschulzeit dürfe nicht damit erkauft werden, dass dem Die Lehrlinge sollten nach Mikats Vor- größeren Teil aller Volksschüler der intensive Unterricht vorenthalten werde. ...“ stellung sieben Monate im Jahr aus- Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 10. November 1967. schließlich ihrem Betrieb, vier Mona- te dagegen nur der Berufsschule zur Verfügung stehen. Ein revolutionärer Plan.4 Mitte der sechziger Jahre setzte in der dungswesens ein. Der Pädagoge Georg Bundesrepublik eine bis dahin nie da- Picht schrieb 1964 eine afsehen erre-

3 S. Rhein-Zeitung vom 19./20. November 1968. gewesene Diskussion über den Zustand gende Artikelserie in der Wochenzei- 4 S. Welt am Sonntag vom 7. Februar 1965. und die weitere Entwicklung des Bil- tung „Christ und Welt“. „Bildungsnot- stand heißt wirtschaftlicher Notstand“, proklamierte er. Picht und andere Kri- tiker wiesen mit eindrucksvollen Zah- len nach, dass die Bundesrepublik im Vergleich zu anderen Industriestaaten einen großen Nachholbedarf habe. Dies beträfe den Anteil der Schüler mit mitt- lerer Reife und Abitur an den einzelnen Jahrgängen ebenso wie die Ausstattung der Schulen oder die Durchschnitts- größe der Schulkassen. Schon sahen Vertreter der Wirtschaft die internatio- nale Konkurrenzfähigkeit gefährdet, ja die Bildungskatastrophe würde, wenn man nicht schleunigst handelte, in eine Wirtschaftskatastrophe münden. Auch seien die Bildungsinhalte und Schwer- punkte des Unterrichts zu sehr an den Landwirtschaftliche Berufsschule mit Landwirtschaftsschule in Altenkirchen

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 51 Die Schulordnung stammt aus den Sechziger Jahren

52 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Gesellenprüfung 1967 im Maurerhandwerk auf dem Schulhof (im Kreuztal).

[Marion-Dönhoff-Realschule Wissen (Hrsg.), 100 Jahre Schulgebäude im Kreuztal, Festschrift 1905 – 2005, S.19] philosophischen und philologisch-his- derte Bildung als „allgemeines Bürger- suchte in mehr als 8000 Landgemein- torischen Traditionen des 19. Jahrhun- recht“. „Angesprochen war damit vor den kein einziger Jugendlicher im Alter derts orientiert. Die Kritiker forderten allem der geringe Anteil von Arbeiter- von 16 bis 19 Jahren eine weiterführen- nicht nur eine Ausweitung, sondern kindern unter den Schülern der weiter- de Schule. Chancengleichheit für alle auch eine Umgestaltung der Bildungs- führenden Schulen und unter den Stu- Bürger, unabhängig von der sozialen inhalte, so würden naturwissenschaft- denten, aber auch das Bildungsgefälle Herkunft und dem gesellschaftlichen lich-technische und sozialwissenschaft- zwischen Stadt und Land, zwischen Status, war daher eines der Schlagworte liche Fächer erheblich hinter ihrer Be- Jungen und Mädchen, zwischen Protes- dieser Zeit. „Dahinter stand die Auf- deutung in der modernen Gesellschaft tanten und Katholiken, zwischen Nord- fassung, dass der gesellschaftliche Sta- zurückbleiben. und Süddeutschland.“1 Noch 1961 be- tus des Einzelnen heute immer stärker Der Soziologe ging von seiner Ausbildung bestimmt wird

1965 noch einen Schritt weiter und for- 1 Peter Borowsky, Deutschland 1970 – 1976, Edition Zeitge- und dass die Ausbildung Lebenschan- schichte, Hannover 1980, S. 86. cen erschließen, aber auch abschnei- den kann. Bildungspolitik, die Chan- cengleichheit in diesem Sinne anstrebt, ist damit zugleich Gesellschaftspolitik. Daraus erklärt sich auch die Heftigkeit der Auseinandersetzungen über die Bil- dungspolitik und einzelne Reformmaß- nahmen in den 70er Jahren. Eng mit dem Ziel der Chancengleich- heit verknüpft war die Absicht, das Bildungs- und Ausbildungssystem an die Werte und Anforderungen einer de- mokratischen Gesellschaft anzupassen. Das betraf einmal die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten von Lehrern, Schüler und Eltern an den Schulen und von Professoren, akademi- schem Mittelbau und Studenten an den Chancengleichheit nach konservativem Muster: „Prüfung zur Rettung von Priviegien“

(Quelle: Cartoon von Hans Traxler)

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 53 Gesamtkonferenz im Schulgebäude „Auf dem Bühl“ in Betzdorf

v. l. Frau Maria Müller und Frau Else Wolf

v. r. Herr Kirmis, Herr Krause, Herr Feckler, Herr Beckmann, Herr Kreutz, Herr Mohr

Frau Dr. Mosblech und Herr Josef Bengestrate r. Direktor Brand, l. Herr Reuber

54 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Schulstandorte im Kreis Altenkirchen

Hochschulen, vor allem aber die Frage, Kulturpolitik der Länder gegründeten schlusses (Sekundarstufe I), nach der wie mehr Chancengleichheit, Selbstän- Ständigen Konferenz der Kultusmi- Sekundarstufe I Einführung eines 11. digkeit, Urteilsfähigkeit und produkti- (KMK) trat 1965 der Deutsche Schuljahres als Berufsgrundschuljahr3 ves Denken gefördert werden könnten, Bildungsrat2, bestehend aus Vertretern und die studienbezogene Ausbildung damit die Bürger fähig würden, sich in des Bundes, der Länder und Sachver- mit dem Ziel, die Hochschulreife stär- der Gesellschaft zurechtzufinden und ständigen aus Wissenschaft, Bildung ker mit der berufsbezogenen Ausbil- an den öffentlichen Entscheidungen und Wirtschaft. Im April 1970 legte dung zu verzahnen, allgemein Neuge- mit Sachverstand mitzuwirken. Dar- er den Strukturplan für das deutsche staltung des Curriculums für das sog. aus ergab sich die weitere Frage, mit Bildungswesen vor, der einen Maß- Abitur (Sekundarstufe II), Erweiterung welchen Lern- und Unterrichtsformen nahmenkatalog vom Kindergarten bis des Zugangs zum Hochschulstudium sich diese Ziele am ehesten erreichen zum Hochschulbereich und der Er- über Berufsfachschulen und andere ließen.“1 wachsenenbildung enthielt, und u. a. nichtgymnasiale Ausbildungsgänge, Da die Kulturhoheit bei den Ländern vorschlug: Einführung der Vorschuler- Neugestaltung und Vereinheitlichung liegt, forderten die Bildungskritiker ziehung für alle Drei- und Vierjähri- der Lehrerausbildung. eine gesamtstaatliche, umfassende gen, Einschulung mit fünf, Einführung Bildungsplanung und -politik. Neben des 10. Pflichtschuljahres, Einführung 3 „Auf Vorschlag der CDU wurde das Berufsgrundbildungs- der bereits 1946 zur Koordination der eines sog. qualifizierten mittleren Ab- jahr auf das 10. Schuljahr vorverlegt und damit ein Ansatz zur Integration der beiden Bereiche – Berufsgrundbil- dungsjahr als erstes Jahr einer integrierten Sekundarstufe 1 Ebenda. 2 1975 wieder aufgelöst. II – wieder blockiert,“ so Peter Borowsky, S. 96.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 55 Der ehemalige Staatssekretär im Bon- stufe II der allgemeinbildenden Schu- zige Berufsgruppe würden die Lehrer ner Bildungsministerium und Wissen- len, sei sie nun im herkömmlichen einem Gehaltsstopp unterworfen, wäh- schaftssenator in Berlin Peter Glotz1 Gymnasium oder in der neuen Ge- rend gleichzeitig für alle anderen Be- schreibt in einem Spiegel-Artikel: „Selt- samtschule verankert, mit dem System amtengruppen erhebliche Besoldungs- sam, aber wahr: Obwohl die Berufsbil- der Berufsbildung verbunden werden verbesserungen erfolgten. Die Bundes- dung viel mehr Menschen betraf als könnte, spielte in der öffentlichen Dis- regierung missachte die Empfehlungen der Streit um Abitur und Hochschu- kussion eine untergeordnete Rolle.“3 des Bildungsrats, den Lehrermangel le, spielte sie nur ein paar Jahre nach Und an anderer Stelle heißt es: „Im durch eine gerechte Lehrerbesoldung 1968 eine kontroverse Rolle in der öf- Vordergrund der Diskussion über die zu beheben. Die Bundesregierung sei fentlichen Debatte. Damals kritisierte zukünftige Gestaltung des bundesdeut- daran nicht interessiert und nehme in man die Ausbeutung von Lehrlingen, schen Schulwesens stand in den 70er Kauf, dass sich die Lage in den Schulen die angeblich vor allem zum Bierholen Jahren das Problem der Gesamtschule. durch immer größer werdende Klassen benutzt wurden. Das herkömmliche dreigliedrige Schul- und immer mehr Unterrichtsausfall Ein Teil der Linken plädierten für eine system mit seiner Unterscheidung weiter verschlechtere. Die im zweiten Verstaatlichung des seit dem Ende des zwischen volkstümlich-praktischer Besoldungsneuregelungsgesetz vorge- 19. Jahrhunderts eingeführten ‚dualen Bildung für Hauptschüler, gehobener sehenen Verbesserungen müssten auch Systems’, das die praktische Ausbil- Praxis und berufsorientierter Bildung für die Lehrer gelten. dung in seinem privaten Betrieb mit für Realschüler und wissenschaftsori- Der stellvertretende Vorsitzende der dem obligatorischen Besuch einer öf- entierter Bildung für Gymnasiasten Gewerkschaft, Enderwitz, hob hervor, fentlichen Berufsschule verband. erschien dem Deutschen Bildungsrat die Einordnung der Lehrer in den geho- Helmut Rohde hieß der sozialdemokra- 1970 mit dem Selbstverständnis einer benen Dienst sei angesichts ihres Aus- tische Bildungsminister, der die Reform offenen und demokratischen Gesell- bildungsgangs ungerecht. Zur Ausbil- der Berufsbildung für ein wichtigeres schaft ebenso wenig vereinbar wie es dung sagte er, ohne acht Semester gehe Projekt hielt als alle Streitereien um das der fortschreitenden technologischen es nicht, und es müsse ein vollgültiges Hochschulrahmengesetz. Er hatte zwar und wissenschaftlichen Entwicklung Referendariat geben. Man verlange kei- recht, setzte sich im öffentlichen Dis- entsprach.“4 ne Erleichterung, sondern eine Inten- kurs aber nicht durch. Den bestimmte Die Bemühungen um eine Bildungs- sivierung des Studiums. Es sei schon die Bourgeoisie mit ihrem Streit um die reform haben seit 1969 vor allem in immer ungerecht gewesen, dass 75 Pro- Zukunft der eigenen Kinder. quantitativer Hinsicht Erfolge gezeigt. zent des Volkes von Lehrern unterrich- Nun war die Berufsbildung auch eine Verfügten bis in die 1950er Jahre hin- tet würden, denen man eine unter der komplizierte Materie. Der Bund erließ ein 80 Prozent der Bevölkerung höchs- Ausbildung der Lehrer an weiterführen- Ausbildungsordnungen für neue Be- tens über eine Volksschulbildung, die den Schulen liegende Ausbildung gebe. rufe, und zwar in einer komplizierten bei vielen nur sechs oder sieben Jahre Der Lehrer müsste nicht gleichartig, Prozedur mit den Tarifpartnern. Die dauerte, so erwarben 1996 36 Prozent aber gleichwertig ausgebildet werden. Länder entwickelten Lehrpläne für ihre der Bildungsabgänger die Hochschul- Es gehe um 75 Prozent der jungen Ge- Berufsschulen. Beides musste aneinan- reife und 44,8 Prozent den Realschul- neration und um einen Kampf für fort- der angepasst werden. Dazu schuf man abschluss. 21,1 Prozent schlossen die schrittliche Bildungspolitik.“6 ein von Gewerkschaften und Arbeitge- Hauptschule ab und 8,5 Prozent blie- bern gemeinsam bestimmtes Berufsbil- ben ohne verwertbares Zeugnis.5 dungsinstitut. Damit dieses Ziel erreicht werden 6.2 Der Geist der 1968er Das System zeigte eine bemerkenswer- konnte, musste die Lehrerzahl an den Rebellion te Reform- und Anpassungskapazität. Schulen deutlich erhöht werden. Ei- Man konzentrierte die Lehrlingsausbil- ne beispiellose Werbeaktion für den Auch im Kreis Altenkirchen wehte der dung auf eine kleinere Zahl von Grund- Lehrerberuf setzte ein. Dem stand aller- Geist der 1968er Rebellion. Auch hier berufen, verbesserte das Anforderungs- dings die Besoldungspolitik der Regie- regte sich Unmut gegen Missstände profil, entwickelte neue Berufsbilder. rung im Wege. in der Ausbildung. Die Rhein-Zeitung Aber irgendwie fehlte der Glamour. Die „Auf einer Protestkundgebung der nahm eine Demonstration vor der Her- Studenten ‚streiken’ gelegentlich oder Gewerkschaft Erziehung und Wissen- dorfer Pfarrkirche zum Anlass, um zu tragen Särge über den Marktplatz. Die schaft (GEW) ist am Montag in Bonn fragen: „Was ist heutzutage ein Lehr- in ‚Auszubildende’ umbenannten Lehr- in einer Entschließung, die vom Vorsit- ling? ... Ein permanenter Bierholer und linge blieben unauffällig.“2 zenden der Gewerkschaft, Frister, vorge- Werkstattfeger? Ein Mädchen für alles? Der Historiker Peter Borowsky kommt legt wurde, erklärt worden, die Bundes- ... Sind die Lehrjahre, die ohnehin nie zu einem ähnlichen Schluss: „Der regierung habe den Lehrern gegenüber Herrenjahre waren und sein werden, wichtige Aspekt, wieweit die Sekundar- bei der Neuregelung der Beamtenbesol- nun zu noch viel schlimmeren Hunde- dung die Grundsätze der Gerechtigkeit jahren geworden?“7 und Gleichbehandlung verletzt. Als ein- An der Berufsschule Wissen bildete 1 Kommunikationswissenschaftler und Publizist, ehemaliger SPD-Staatssekretär im Bonner Bildungsministerium und sich eine Lehrlingsbasisgruppe, wie es Wissenschaftssenator in Berlin, Gründungsrektor der Uni- versität Erfurt. 3 Peter Borowsky, S.95 f. 2 , Der verkrustete Weg, Artikelserie: Spiegel des 20. 4 Ebenda, S. 91 f. 6 FAZ vom 26. Februar 1969. Jahrhunderts, in: Der Spiegel, Nr. 22 vom 31. Mai 1999, S. 158. 5 Peter Glotz, S. 150. 7 Rhein-Zeitung vom 26. November 1970.

56 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) „Pläschtoßen“ in Berichtsheften / Handfeste Unterlagen fehlten Lehrlingsbasisgruppe gegründet / Kollektive Arbeitsform

„Wenn Du Überstunden machen, berufsfremde Arbeiten terricht auf einen halbjährigen, ganztägigen zu reduzieren, leisten und ohne die vorgeschriebenen Schutzmaßnah- wodurch ein intensiveres Lernen gewährleistet wäre. men arbeiten musst, dann komme zu uns“, so empfahl sich „Die unabhängige Schülerzeitung der Berufsschule Die stärkere Betonung des Faches Politische Gemein- Wissen“ allen Lehrlingen in einem Flugblatt. „Wir gründen schaftskunde. Aufgabe der LBG sei es, fuhr Böhmer fort: eine Lehrlingsbasisgruppe“ versprach das Blatt weiter, und Kaderschulung. Zu diesem Punkt will die LBG Referenten dann war es soweit. In der Gaststätte „Alte Schmiede“ in verschiedener Organisationen einladen. Wissen trafen sich einige Lehrlinge zur Gründungsver- sammlung. Als Gäste waren anwesend Diplom-Kaufmann Information. Mittels Flugblätter soll das von Kadern erar- Kröll von der Industrie- und Handelskammer Betzdorf, beite Wissen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wer- Berufsschullehrer Asbach, Vertreter der Jungen Union und den. der Jungsozialisten. In der anschließenden Diskussion wurde heftig gestritten. In seinem Referat über die Aufgaben der Basisgruppe ging Auch Dipl.-Kaufmann Kröll schaltete sich in die Aus- „Aktion-70“-Redakteur Gutram Böhmer auf die Ziele der sprache ein. Er lobte die sachliche Diskussion, kritisierte neu zu bildenden Gruppe ein. Die Aufgabe der Lehrlings- jedoch, dass keine konkreten Punkte aufgeführt worden basisgruppe (LBG) solle sich nicht darin erschöpfen, beste- seien. Wo die Ausbildung nicht nach dem Berufsbild ein- hende Ausbildungsmissstände aufzudecken, sondern auch gehalten werde, sollten die Lehrlinge den Missstand der solche vorzeitig zu erkennen und zu verhindern. IHK mitteilen, die sich um Abhilfe bemühen werde. Zum Thema Überstunden brachte IHK-Vertreter Kröll ein Bei- Gutram Böhmer entnahm konkrete Fälle nicht der eige- spiel. Die IHK genehmigt grundsätzlich keine vom Arbeit- nen Praxis, sondern dem „Spiegel“. Eigentlicher Anlass geber beantragten Überstunden für Lehrlinge. Was werde zur Bildung der LBG sei ein Fragebogen der Christlichen gemacht? Der Arbeitgeber wende sich an den Lehrling mit Arbeiterjugend gewesen, der in der Wissener Berufsschule dem Hinweis, wenn er Überstunden mache, würden diese verteilt wurde. Hier seien erschreckende Zahlen ausgewer- dementsprechend bezahlt. Die Lehrlinge sagten immer ihr tet worden. So seien die Lehrlinge gefragt worden: Müssen Ja-Wort dazu. Dem gleichkäme die Schwarzarbeit. Damit Sie Überstunden machen? Bezahlt? Unbezahlt? Müssen schlügen sich die Lehrlinge selbst ein Loch in den Boden. Sie berufsfremde Arbeiten leisten? Weiter seien vom DGB Gern war Kröll bereit, den Vorstand der LBG zu der bei solch harte Fälle innerhalb des Kreisgebietes bekannt ge- der IHK bestehenden Ausbilderrunde einzuladen. Zum worden, dass man glaube, der Lehrling sei viel zu wenig Lehrermangel gab er den Jugendlichen den Rat, doch an über seine Rechte informiert. Diese Aufgabe sei Grund die Bezirksregierung zu schreiben, auf keinem Fall jedoch genug, eine LBG zu gründen. eine Partei mit einzuschalten, wie im Verlauf der Diskussi- Das am 1. September 1969 verabschiedete Berufsausbil- on vorgeschlagen wurde. dungsgesetz schaffe nicht die Voraussetzungen für eine Auch seien von der IHK freiwillig Fortbildungskurse einge- demokratische zukunftssichere Berufsausbildung, sondern richtet worden, berichteten Berufsschullehrer Asbach und stehe immer noch unter dem Gesichtspunkt der Gewinn- Diplom-Kaufmann Kröll, jedoch der Erfolg sei negativ. Die maximierung der Arbeitgeber. Kurse seien kaum besucht und man finde anschließend in Dann ging Gutram Böhmer zu den massierten Forderun- den Berichtsheften noch Wörter wie „Pläschtoße“ (Blech- gen der LBG über: dose). Eine dem Berufsbild gemäße, qualifizierte Ausbildung. Nun ging man endlich an die eigentliche Gründung der Darunter verstehen die Fordernden eine Ausbildung ohne LBG. Zwar meldeten sich aus der Versammlung nur zwei jegliche berufsfremde Tätigkeit. Die Einhaltung des Ju- Mann zur aktiven Mitarbeit, aber man ist voller Optimis- gendarbeitsschutzgesetzes. Die Ausbilder müssen bei dem mus und hofft auf weitere „Mutige“, denn die passive schnellen Fortschreiten von Technik und Wissenschaft wei- Einstellung der Lehrlinge führen die Organisatoren auf zu tergebildet werden, um dem Lehrling den neuesten Stand erwartenden Repressalien durch den Lehrbetrieb zurück. der Technik vermitteln zu können. Über die Form der LBG gab es zunächst Unstimmigkeiten. Eine bessere Behandlung der Lehrlinge. Der von Unter- Die Mehrheit hätte die Gruppe gern als Kollektiv gesehen nehmerseite viel zitierte Satz „Lehrjahre sind keine Her- und so wurde es auch gemacht, obwohl Diplom-Kaufmann renjahre“ sei untragbar, denn auch ein Lehrling sei kein Kröll einwarf: „Nach einer Satzung lässt sich auch gut rechtloses Wesen. arbeiten.“ Die Versammlung bestimmte also zwei Kontakt- Die Situation in der Berufsschule sei heute so, dass zumeist personen: Gutram Böhmer aus Betzdorf und Sigi Anders nicht einmal die gesetzlich vorgeschriebene Schulzeit von aus Wissen. Ihre Aufgabe ist es, den Kontakt zu Öffentlich- acht Stunden pro Woche eingehalten werden könne. Es keit und zu den Lehrlingen zu pflegen. wäre bedeutend besser, den dreijährigen Berufsschulun- Rhein-Zeitung vom 3. Juli 1970.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 57 im damaligen Vokabular hieß. Ob das Die Erklärung erfolgt bewusst in der Sie erkennen, dass eine Initiative des „Kollektiv“ die Arbeit aufnahm oder vorliegenden absolut unzweideutigen Baukostenträgers zum Einbau dieser diese Aktion ein einmaliger Akt war, Form, um jeden Irrtum über die Be- Anlage keinesfalls vorgelegen hat ...“ ist heute nur schwer zu sagen. Sicher- weggründe des Kollegiums zu diesem Der Landrat versprach, dass die Anlage lich litt die Arbeit unter den organi- Schritt auszuschließen. nicht betriebsfertig gemacht werde, an- satorischen Gegebenheiten, schließlich sonsten wolle man sich an das Kultus- wurden die Schüler an drei Standorten Die Kollegen der Berufsschule Wissen ministerium wenden. unterrichtet. gehören jedoch einer Generation an, die aus der Geschichte gelernt hat. Wir Dies tat übrigens auch das Kollegium fordern in unserem Unterricht unsere mit Schreiben vom 11. Dezember. Hier 6.3 Streit um eine Schüler auf, die Demokratie mit allen drückte man die Besorgnis darüber Abhöranlage – oder doch Mitteln der Rechtsstaatlichkeit wahren aus, dass der Kreis wohl die Anlage nur Alarmanlage? zu helfen. Wir werden unglaubwürdig, technisch gegen Missbrauch absichern wenn wir selbst nicht alles tun, um un- wolle, dass es aber laut Herstelleranga- Nach den Sommerferien (1970) stellte seren Teil dazu beizutragen, undemo- ben „keine technische Möglichkeit gibt, das Kollegium im Lehrerzimmer und kratischen Handlungen vorzubeugen. einen Missbrauch absolut auszuschlie- in anderen Schulräumen in Wissen Denn diese Anlage könnte eine Verlei- ßen.“ Indirekt drohte man mit einem installierte Mikrophone fest. Auf An- tung sein für politische Verhältnisse, Skandal, wenn die Öffentlichkeit von frage informierte der Schulleiter da- in denen die Möglichkeit eines Miss- dem Vorgang erfahre: „Das Kollegium hingehend, dass es sich hierbei um brauchs evtl. genutzt würden.“ war bisher bemüht, diesen Fall mit dem die Installationen für eine Alarmanla- Die Bitte um ein klärendes Gespräch Landkreis ohne Aufsehen zu regeln. Es ge handele. Als das Kollegium erfuhr, fand beim Landrat Dr. Krämer kein Ge- ist uns gelungen, eine Diskussion in dass die Anlage für Abhörzwecke miss- hör. Vielmehr setzte die Schulleitung der Öffentlichkeit zu vermeiden. Mitt- braucht werden könnte, beschloss es die Kollegen in Kenntnis, dass die Anla- lerweile ist Unruhe unter den Kollegen einstimmig, Schritte zur Beseitigung ge nicht in Betrieb gesetzt werden solle. entstanden. Die Schülerschaft, die sich der Anlage zu unternehmen. „Am 30. Die Wogen waren inzwischen so hoch betroffen fühlt und deren SMV bei uns September 1970 erläuterte der Herstel- geschlagen, dass diese Auskunft dem sehr aktiv ist, konnte von uns bis heute ler der umstrittenen Alarmeinrichtung Kollegium nicht mehr genügte. Mit darauf hingewiesen werden, dass die dem Kollegium in Wissen Vorschläge Schreiben vom 13. November wandte Verhandlungen mit dem Kreis laufen zur Sicherung gegen missbräuchliche man sich ein zweites Mal an den Land- und wir ein positives Ergebnis erwar- Benutzung dieser Anlage! rat mit der Hoffnung, dass die Anlage ten. Ob die Diskussion über die Alarm- Das Kollegium fasste in einer Bespre- abgebaut würde. Man wollte dem Kreis und Abhöranlage sich weiterhin auf chung folgende Entschlüsse: die Möglichkeit geben, „die Angelegen- die Schule beschränken lässt, ist sehr heit ohne großes Aufsehen zu klären.“ zweifelhaft. Es ist zu befürchten, dass I. Die Installation der Horchgeräte in sich die Presse der Sache annimmt. Schulräumen wird aus grundsätzlichen Der Landrat seinerseits dachte nicht da- Die Verantwortung für eine öffentliche Erwägungen abgelehnt. ran, sich den Schwarzen Peter zuschie- Behandlung des Falls trägt nicht das II. Über die Installation der Horchge- ben zu lassen, sondern konterte damit, Kollegium der Schule!“ räte in den Fluren bittet das Kollegium dass die Alarmanlage auf Wunsch des die Schulleitung, auf dem Dienstweg damaligen Schulleiters, Oberstudien- Das Ministerium für Unterricht und eine klärende Stellungnahme des zu- direktor Brand, nach eingehender Be- Kultus traf am 18. Dezember ein salo- ständigen Ministeriums einzuholen.“ ratung durch das Landeskriminalamt monisches Urteil: „Wir schlagen .. vor, angeschafft worden sei. In der Antwort dass ungeachtet der im Prospekt ent- In einer beigefügten Erklärung wird vom 20. November heiß es: „Herr haltenen Aussage der Herstellerfirma, die Haltung des Kollegiums erläutert: Brand war damals von der Sorge getra- dass ein Abhören von Gesprächen mit „Die ablehnende Haltung des gesam- gen, die besonders wertvollen moder- dieser Anlage unmöglich sei, nochmals ten Kollegiums gegen die geplante In- nen Geräte der Berufsschule vor Ein- mit der Firma Verbindung aufgenom- stallation resultiert aus grundsätzlichen bruch und Diebstahl zu schützen. Vor men wird. Es sollte von der Firma die Erwägungen. der endgültigen Erteilung des Auftrages eindeutige Aussage erbeten werden, ob Es wird einhellig die Auffassung vertre- zur Lieferung der Alarmanlage hatte die Anlage in der derzeitigen Konzep- ten, dass sowohl die derzeitige Schul- die Schulleitung nochmals Gelegenheit tion ohne zusätzliche Geräte und oh- leitung als auch die Hausmeister und zu prüfen, was im Einzelnen gelie- ne Veränderungen an Leitungen und selbstverständlich der Kreis als Sach- fert und installiert werden sollte. Dies Schaltern zum Abhören von Gesprä- kostenträger über jeden Verdacht erha- geschah durch die Abzeichnung des chen benutzt werden kann. Wäre dies ben sind, jemals einen Missbrauch der Auftrages am 26.1.1970 durch Herrn der Fall, würden auch wir die Anlage geplanten Alarmanlage vorzunehmen Direktorstellvertreter Ullrich. Da alle ablehnen. Kann die Anlage jedoch nur oder auch nur zu unterstützen bzw. zu Sachanforderungen im Zuge des Neu- unter Verwendung zusätzlicher Gerä- dulden! baues ausschließlich auf Vorschlag der te und Veränderungen an Leitungen Berufsschulleitung erfolgt sind, mögen und Schaltern zum Abhören verwandt

58 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Auf einen Blick: Berufsschule (1957) mit Werkstätten auf dem Bühl in Betzdorf: rechts die 1959/60 errichtete Marienschule (Grundschule) mit Turnhalle und Lehrschwimmbecken. Die Hauptschüler werden in der neuen Christopherusschule (1964) und in der erweiterten Martin-Luther-Schule (1968/69) unterrichtet.

werden, halten wir die Anlage als War- keine Lehrer oder Schüler mehr befugt Hornberger Schießen, die bereits ins- neinrichtung für geeignet. Denn ein aufhalten. Das Kollegium könnte sich tallierten Anlagen blieben, wo sie wa- absoluter Schutz gegen vorsätzlichen darüber hinaus in die Überwachung ren, wurden jedoch nicht betriebsfertig Missbrauch ist bei keiner Anlage ge- einschalten, indem etwa von der Leh- gemacht. währleistet. Zusätzlich könnte dann rerkonferenz gewählte Vertrauensleute noch Vorsorge gegen Abhören getrof- die Ein- und Ausschaltung der Anlage fen werden, indem die Anlage nur nach überwachen.“ Damit war ein vorläufi- Schulschluss in Betrieb gesetzt wird ger Endpunkt erreicht. oder für die Gebäudeteile, in denen sich Die Angelegenheit ging aus wie das

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 59 Im Königreich Wissen

(Schulleiter Wilhelm König: 1971 bis 1990)

7„Ah, Sie kommen aus dem Königreich Inthronisiert am Altweiber-Tag 1971, 7.1 Von der Berufsschule Wissen“, dies hörten häufig Wissener fragte sich mancher im Kollegium, was Lehrer und Referendare, wenn sie mit für ein Mensch der neue Chef wohl zu den Berufsbildenden Kollegen anderer Schulen zusammen- sein möge. Auch Gerhard Mohr stellte Schulen trafen. „Königreich Wissen“ – dieses sich diese Frage. Als Büttenredner bei geflügelte Wort spielte weniger auf den der Lehrer-Karnevalsfeier gab er dem Der veränderte Stellenwert der Bildung Namen des Schulleiters an, als viel- neuen Schulleiter nebenbei in seiner in der Gesellschaft kam auch im Kreis mehr auf seinen autokratischen Füh- humorvollen Art einige Ratschläge mit Altenkirchen zum Tragen. Nicht von rungsstil. auf den Weg: ungefähr wurden Ende der sechziger

Ein Königstreffen (Auszug) Von Gerhard Mohr

Das Thema Glocke ist vorbei Er ist ein Schwimmer, dann ist’s recht, Ist er ein Preuße im Sinne vom Wort, Das nächst kommt, es ist nicht neu. denn gegenstromig schwimmt sich’s dann fragen wir heut’ schon, Die Jahre gingen schnell ins Land, schlecht. wann geht er denn fort? endlich Ersatz für einen Brand. Wir wären jetzt schon froh gestimmt, Denn Preußen, das sind wir ein Bisschen, Der Brand ist tot, es lebe der König! wenn er statt gegen mit uns schwimmt! im Kern. Das ist zur Begrüßung wohl Doch preußische Preußen, die hab’n wir etwas sehr wenig. Er ist ein Kegler, das ist gut. nicht gern! Ich greife zur Feder und schrieb’ Wer kegeln kann und es auch tut, ein paar Zeilen, der zeigt uns, Gutes wird getan. Er ist ein Kaufmann, das freut uns das Thema Direktor es lädt’ zum Doch vorgeschrieben ist die Bahn! mit Ecken. Verweilen. Ein gewerbliches Herz müsst’ er dann Ist er ein Besen, nagelneu, noch entdecken. Doch will ich über Rat nicht lehren, die fegen gut, wir sind nicht scheu. Ein Kaufmann muss rechnen, der gut gemeint und bös’ zu hören. Doch gut gefegt ist noch nicht rein. das weiß ja ein jeder, Ich möchte nur in uns’ren Sachen Wer will schon sauber einsam sein? doch zunächst mal mit uns, wir denken, ein Bisschen aufmerksam ihn machen. das tut er! Damit er weiß, wie’s hier so ist, Ist er aus Korinth ein Mann, dass mancher Brauch sich nicht vergisst. dann kommen bald Korinthen an. Er ist ein Guter, schön ist das bei Gott, Die können wir doch nicht vertragen wir lassen ihn sicher nie wieder fort. …. und werden krank an uns’rem Magen. Doch ist er uns zu gut, das wäre ein Jammer, Wie er wohl sein wird? Die Arbeit ruht bald hier bald dort, dann gibt es keine verbindende Klammer. Wir wissen es nicht. die oder der, die geh’n dann fort Vielleicht steht die Antwort zu einer Kur, um zu genesen. Er ist ein Mensch, dann sind wir froh. in diesem Gedicht. Ohne Korinthen wär’s nicht so gewesen. Nein, nein, das sagen wir nicht so. Ich will überlegen, was alles es gibt. Denn Mensch uns willkommen sind, Dann werde ich tippen, das ist Er ist ein Pfälzer, das ist fein, weil immer sie so menschlich sind! sehr beliebt. dann wird forciert her Pfälzer Wein. Leute seid fröhlich und ruft laut „Helau“, er ist uns willkommen, mit samt seiner Frau!

60 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Im Königreich Wissen

(Schulleiter Wilhelm König: 1971 bis 1990)

FOW 74

Jahre eine Anzahl neuer Schulgebäude begannen den sechssemestrigen Lehr- in einem zweijährigen Bildungsgang ihrer Bestimmung übergeben, so am gang. Unterrichtet wurde mittwochs (Klasse 11 und Klasse 12) zur Fach- 15. August 1969 auch unser Gebäude von 16 bis 20 und samstags von 8 bis 13 hochschulreife führten.2 Während am an der Hachenburger Straße 47. Die Uhr in den Fächern Deutsch, Englisch, Standort Betzdorf die Fachoberschu- Berufsschule wandelte sich zu den „Be- Geschichte/Politische Gemeinschafts- le für Ingenieurwesen mit der Klasse rufsbildenden Schulen“, die neue diffe- kunde, Erdkunde, Mathematik, Phy- 11 zu Beginn des Schuljahres 1970/71 renzierte Bildungsgänge anbietet. sik, Chemie, Betriebswirtschaftslehre, startete, reichten die Anmeldungen Im Schuljahr 1969/70 war es so weit, Rechnungswesen, Volkswirtschaftsleh- für die Fachoberschulen (Fachrichtung die Bezirksregierung genehmigte die re und Rechtslehre. Wirtschaft bzw. Sozialpflege/Sozialpä- lang geforderte zweite Klasse der zwei- In Betzdorf nahmen seit dem 28. Au- dagogik) nicht aus, um auch in Wissen jährigen Berufsfachschule, besser be- gust 1969 26 Schüler, die alle die 9. den Unterricht aufnehmen zu können. kannt als Handelsschule. Allerdings Volksschulkasse erfolgreich absolviert Jedoch wurde eine einjährige Haushal- hatte diese Schulform durch die Ein- hatten, an einem wissenschaftlich be- tungsschule mit erweitertem Lehrziel führung eines freiwilligen zehnten gleiteten Schulversuch teil, dem Be- angeboten, die zur sog. Mittleren Reife Schuljahres an den Hauptschulen in rufsgrundschuljahr Metall/Elektrotech- führte. Voraussetzung für die Aufnah- den 1960er Jahren Konkurrenz bekom- nik. Von den wöchentlich 40 Stunden me war das Abschlusszeugnis der ein- men, da beide zu einem der Realschule dienten 16 der praktischen Ausbildung. jährigen Haushaltungsschule oder das vergleichbaren Abschluss führten. Der Ziel der einjährigen Ausbildung war die Zeugnis als geprüfte Hauswirtschafte- Verband deutscher Diplom-Handels- Vorbereitung auf die zukünftige Berufs- rin. Die Haushaltungsschule ging im schullehrer sah darin eine Benachtei- tätigkeit. Schuljahr 1971/72 in die zweijährige ligung der Handelsschüler, die nach Weitere Schulformen folgten in den hauswirtschaftliche-sozialpflegerische einem Ausleseverfahren (Aufnahme- nächsten Jahren. Ab 1971 wurden die Berufsfachschule über. prüfung) aufgenommen würden und bisherigen höheren Fachschulen, z. B. Im gleichen Schuljahr startete die zwei- zudem ihren Abschluss erst nach einer Ingenieurschulen und Höhere Wirt- jährige Fachschule für Sozialpädago- schriftlichen Prüfung und einem elfjäh- schaftsfachschule (HWF), in Fachhoch- rigen Schulbesuch verliehen bekämen. schulen umgewandelt. Voraussetzung 2 Die Vereinbarung sah vor, dass Fachoberschulen für In- genieurwesen (mit den Fachrichtungen Maschinenbau- Der Eintritt in die Handelsschule soll- für das Studium war nun die Fachhoch- technik, Elektrotechnik und Bautechnik), für Wirtschaft, te deshalb gerechterweise wieder nach schulreife, die an Fachoberschulen zu Sozialpflege/Sozialpädagogik und Landwirtschaft errichtet werden. Die Klasse 11 sah für die Absolventen an vier Tagen dem achten Schuljahr möglich sein, so erwerben waren. Gemäß den Beschlüs- eine praktische Tätigkeit im Betrieb vor sowie an zwei 1 Wochentagen einen allgemeinen und fachbezogenen Un- die Forderung des Verbandes. sen der Ministerpräsidenten-Konferenz terricht mit insgesamt ca. 12 Wochenstunden. Die Klasse 12 Eine weitere Schulform, die kaufmän- und der Rahmenvereinbarung der Stän- (2. Jahr der Fachoberschule) war als Vollzeitunterricht kon- zipiert. In die Klasse 11 konnte eintreten, wer das Abschluss- nische Berufsaufbauschule in Teilzeit- digen Konferenz der Kultusminister zeugnis einer Realschule oder ein gleichwertiges Zeugnis form, nahm ihre Arbeit am 1. Septem- sollten daher mit Beginn des Schuljah- besaß. Bewerber, die bereits eine Berufsausbildung hatten, begannen direkt in der Klasse 12. In Rheinland-Pfalz wurde ber 1969 in Wissen auf. 30 Teilnehmer res 1969/70 auch in Rheinland-Pfalz mit Beginn des Schuljahres 1969/70 an verschiedenen Standorten mit der Klasse 11 begonnen. Bewerber für die Fachoberschulen errichtet werden, die Klasse 12 konnten erst mit Beginn des Schuljahres 1970/71 1 S. Rhein-Zeitung vom 18. März 1969. eintreten.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 61 Die Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Berufsvorbereitungsjahres schildert eindrucksvoll den Werdegang und die Leistungen dieses Bildungsganges: Entstehung und Entwicklung der Berufsvorbereitungsjahre in Rheinland-Pfalz – insbesondere an der Berufsbildenden Schule Wissen

Einen großen Schritt – insbesondere für nen Hinweis, dass die Haltung des Lehrers Arbeit 1974. 1976 unterrichtete die Schule die lernbehinderten Schüler und für ih- durch Empathie gekennzeichnet sein soll, schon jeweils eine Klasse im gewerblich- re unterrichtenden Lehrer – brachten die da nur durch diese Tatsache ein gewisser technischen und im hauswirtschaftlich- „Richtlinien für den Unterricht an Son- Erfolg für den Personenkreis gesichert ist. sozialpflegerischen Bereich. derberufsschulen und –klassen des Minis- Bei der Lehrerauswahl wurde hierauf zu- 1979 erhöhte sich die Zahl auf vier Klas- teriums für Unterricht und Kultur“ vom nächst wenig Wert gelegt. sen. Zwei Klassen im hauswirtschaftlich- 02.09.66. Erst aufgrund dieses Erlasses Es zeigte sich bald, dass Lehrer für die sozialpflegerischen Bereich und zwei war es möglich, eine Differenzierung der Lernbeeinträchtigten einer besonderen Klassen im gewerblich-technischen Be- „Jungarbeiter“ vorzunehmen. Ausbildung bedürfen. reich mit insgesamt 70 Schülern. Die Ent- Diese Vorschrift regelte die Berufsschul- Zusammenfassend kann der Erlass von wicklung dieser Klassen blieb über Jahre pflicht derjenigen Berufsschüler, „die we- 1966 als Basis für alle weiteren Maßnah- stabil. ... Im Schuljahr 1997/98 werden gen seelischer, geistiger und körperlicher men der schulischen Bildung von Lernbe- im schulischen Berufsvorbereitungsjahr 5 Behinderung nicht oder nicht mit aus- einträchtigten in Rheinland-Pfalz gewertet Klassen mit 87 Schüler unterrichtet, wo- reichendem Erfolg dem allgemeinen Un- werden. bei im gewerblich-technischen Bereich terrichtsgang der Berufsschule zu folgen Als es möglich wurde, die Teilzeitbeschu- drei Klassen und im hauswirtschaftlich- vermögen“. (Runderlass vom 02.09.66) lung „Jungarbeitern“ in eine einjährige sozialpflegerischen Bereich zwei Klassen Neben Klassen für die verschiedenen Be- Vollzeitbeschulung umzuwandeln, wur- eingerichtet werden mussten. ... hinderungsarten konnten nun auch Klas- de dies zunächst als Schulversuch an der Neben den schulischen Berufsvorberei- sen für lernbeeinträchtigte Jugendliche Berufsbildenden Schule gewerblich-tech- tungsjahren werden zz. fünf Klassen des eingerichtet werden. In diese Klassen wur- nisch in Ludwigshafen eingeführt. kooperativen Berufsvorbereitungsjahres den Schüler aufgenommen, die aus einer Schulpolitisch wurden die Fortentwick- mit dem Christlichen Jugenddorf geführt Sonderschule L abgegangen waren oder lung und der weitere Ausbau durch das und eine Klasse mit der TÜV Akademie für Schulabgänger aus der 6., 5. und 4. „Aktionsprogramm für eine bessere beruf- Rheinland in Betzdorf. 1979 wurden die Klasse Volksschule, die kein Ausbildungs- liche Bildung“ durch die Landesregierung Jahrgänge 1974 – 1979 zu ihrer Berufsein- verhältnis eingingen. 1973 festgelegt. mündung befragt. Das Ergebnis kann aus Ein besonderer Vorzug für die Praxis war In diesem Aktionsprogramm wurde fest- der Statistik abgelesen werden. Danach neben der Differenzierung des Personen- gelegt, dass „behinderte Jugendliche ... zu konnten ca. 40 % in ein Arbeitsverhältnis kreises auch die Festsetzung der Klassen- Abschlüssen in anerkannten Ausbildungs- vermittelt werden. messzahlen, sodass die sehr führungsbe- berufen oder in Orientierung an Abschlüs- Leider hat sich in den letzten Jahren dieses dürftigen Schüler in kleinen Klassen un- sen anerkannter Ausbildungsberufe ent- positive Ergebnis der Berufseinmündung terrichtet werden konnten. sprechend ihrer Behinderung in stufen- nicht fortgesetzt. Zurzeit werden ca. 20 In diesem Erlass waren schon wesentli- bezogenen Ausbildungsgängen zu den für % der Absolventen aus dem Berufsvor- che Gesichtspunkte aufgeführt, die später sie erreichbaren Qualifikationen geführt bereitungsjahr in Ausbildungs- und Ar- in der Vollzeitbeschulung der Lernbeein- werden ... sollen.“ beitsverhältnisse vermittelt. Die schwierige trächtigten erst richtig wirkten. Es wird Durch Organisationserlass vom 18.07.74 Arbeitsmarktlage führt leider zu keinem hier schon die These vertreten, dass die der Bezirksregierung Koblenz wurde an günstigeren Ergebnis für unsere Schüler, Werkarbeit bzw. Hauswirtschafts-/Nadel- der Berufsbildenden Schule und anderen trotz der Anstellung einer Diplom-Sozial- arbeit im Mittelpunkt steht. Auch über die Schulstandorten im Bereich der Bezirks- arbeiterin, die bei der Stellensuche inten- Unterrichtsmethoden in Form von Pro- regierung Koblenz das Berufsgrundschul- siv die Schüler/Schülerinnen unterstützt.

jektunterricht wurden wichtige Aussagen jahr in Sonderform (BGSO) eingeführt. Dallmann, Siegfried, StD: Entstehung und Entwicklung der gemacht. Mit einer Klasse im gewerblich-techni- Berufsvorbereitungsjahre in Rheinland-Pfalz - insbesondere an der Berufsbildenden Schule Wissen -, in: 1973 – 1988, 25 Der Erlass stellt auch darauf ab, durch ei- schen Bereich mit 16 Schülern begann die Jahre Berufsvorbereitungsjahr, Berufsbildende Schule Wissen.

gik.1 In ihrem Festvortrag anlässlich der derung, Kreativität und Spielen im Zen- reitgestellt. … Mit einer ‚unzensierten’ Festveranstaltung zum 25-jährigen Be- trum des Unterrichts. Von anfänglich Vorstellung nahmen schließlich zwei stehen der Fachschule hob die damali- 32 Schülern sei man heute bei sieben Zeitzeugen zur Erzieherausbildung ge stellvertretende Schulleiterin Ingrid Klassen mit insgesamt 208 Schülern damals und heute Stellung. Waltraud Weichhaus hervor, „dass mit der Fach- angekommen. Um eine enge Verzah- Janke vom Kindergarten Schönstein schule ein neuer Wind in der überwie- nung zwischen Theorie und Praxis zu versetzte die Zuschauer in das Jahr 1971 gend kaufmännisch geprägten Schule gewährleisten, sei die Öffnung der Kin- zurück – eine Zeit, in der viel Theorie, wehe. Plötzlich stünden musische För- dergärten notwendig gewesen. Von den aber wenig Praxis vermittelt wurde. Die anfänglich zwei Kindergärten haben Kontakte zum Kindergarten fehlten, es 1 Daneben bestand ab 1. August 1978 die Möglichkeit, eine sich heute 15 bis 20 Kindertagesstätten gab wenig schriftliches Material, aber spezielle Klasse der Fachschule für Sozialpädagogik zu besuchen, die im zweiten Jahr in die Fachoberschule Sozi- der Schule als Kooperationspartner be- die Aussichten auf einen späteren Ar- alpädagogik in Teilzeitform mündete.

62 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Dr. Tampubolon (†) war einer, der diesem beitsplatz waren groß. Mit den Worten verkürzte. Jugendliche, die nach Ab- Ruf folgte: ‚Ich höre Theorie, erlebe aber auch die solvierung des Berufsgrundschuljahres Praxis’, stellte Sarah Böhmer ihre ak- in kein Ausbildungsverhältnis eintre- Im Mai 1972 blätterte ich im Anzei- tuelle Situation dar. Im Jahr 1996 fehlt ten wollten, brauchten die Berufsschule genteil einer Samstag-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. es nicht an Praxisbezug. Es gibt ausrei- nicht mehr zu besuchen und konnten Dort las ich, dass die Berufsbildende chend Fachliteratur – eine gut bestückte unmittelbar in ein Arbeitsverhältnis Schule Wissen Dipl.-Kaufleute und Schulbibliothek und eine Unmenge Ko- eintreten. Der Ausbildungsgang er- Dipl.-Volkswirte sucht. Die Bewer- pien. Nur eines, so Böhmer, mache ihr streckte sich über ein Jahr und um- ber sollten mindestens eine 5-jähri- großes Kopfzerbrechen: die Sorge um fasste wöchentlich ca. 34 Stunden Un- ge Tätigkeit in der Wirtschaft nach- einen Arbeitsplatz.“2 terricht. weisen. Zunächst machte ich mir Erst mit dem Schuljahr 1972/73 konn- Ferner gibt es seit diesem Schuljahr ein über eine Bewerbung keine Gedan- te in Wissen die Fachoberschule Wirt- Sonderberufsgrundschuljahr S II für ken. Aber irgendwann fiel mir die Anzeige noch einmal in die Hände schaft und die Fachoberschule für Jugendliche, die aus der Sonderschu- und ich entschloss mich, mich an Sozialpädagogik ihren Unterricht auf- le entlassen wurden oder für Abgän- dieser Schule zu bewerben. Tatsäch- nehmen, während in Betzdorf bereits ger aus den 5., 6. oder 7. Klassen der lich, prompt bekam ich eine Ant- eine zweite Klasse eingerichtet wurde. Hauptschule. Der praktische Unterricht wort seitens der Schule, dass ich als Ferner kam ein hauswirtschaftlich/so- erstreckt sich auf Holz- und Metallver- Vertragslehrer anfangen könne. Da zialpflegerisches Berufsgrundschuljahr arbeitung und wird weitgehend durch ich während des Studiums weder hinzu. Die Außenstelle Betzdorf erwei- entsprechend theoretischen Unterricht Methodik noch Didaktik der Wirt- terte ihr Angebot um die seit Jahren ge- unterstützt. 1976 kam ein hauswirt- schaftswissenschaften studiert hatte, forderte zweijährige Berufsfachschule schaftlich-sozialpflegerisches Sonder- musste ich zusammen mit anderen Vertragslehrern zwei Jahre lang die Elektrotechnik. Anzumerken ist noch, berufsgrundschuljahr hinzu. Es ist für didaktisch-methodischen Unterwei- dass die Berufsaufbauschule ab diesem Schülerinnen, die den Hauptschulab- sungen am Seminar für Lehrer an Schuljahr in Vollzeitform angeboten schluss nicht erreicht haben und sich Berufsbildenden Schulen in Neu- wurde. vorwiegend durch praktische Unterwei- wied bzw. Koblenz besuchen. Gleich- Seit dem Schuljahr 1974/75 gehörte zur sung in der Schule auf eine Arbeits- zeitig musste ich 20 Stunden in der Schule auch das Berufsgrundschuljahr stelle oder einen Ausbildungsberuf im Schule unterrichten. für das Berufsfeld Wirtschaft und Ver- hauswirtschaftlichen oder sozialpflege- waltung. Voraussetzung für die Aufnah- rischen Bereich vorbereiten. me war der Abschluss der Hauptschule Als 1977 das Christliche Jugenddorf in (9. Schuljahr). Das Berufsgrundschul- Wissen gegründet wurde, richtete die en-/Altenpflege mit Schwerpunkt Al- jahr wurde bei erfolgreichem Abschluss Schulleitung spezielle CJD-Klassen für tenpflege. auf die nachfolgende Ausbildungszeit die Teilnehmer der Förderlehrgänge Einen Rückschlag für die tägliche Ar- voll angerechnet, sodass sich die be- zur Berufsvorbereitung ein. Im Schul- beit bedeutete im Oktober 1978 ein triebliche Ausbildungszeit um ein Jahr jahr 1978/79 schließlich folgte als neue Brand in einem Nebenraum einer Schulform die Fachschule für Famili- Lehrküche. Nach den Ermittlungen 2 Rhein-Zeitung vom 23./24. November 1996. der Polizei war ein Feuer durch eine defekte Tiefkühltruhe entstanden und hatte sich von dort aus auf Lebensmit- tel und die Einrichtung ausgebreitet – geschätzter Schaden ca. 80.000 DM. Der in der Nähe wohnende Hausmeis- ter hatte kurz vor Schulbeginn Rauch- schwaden aufsteigen sehen und beim Nachschauen das Feuer bemerkt. Die benachrichtigte Feuerwehr hatte das Feuer rasch unter Kontrolle. Durch die verbrannten Kunststoffteile entwickel- ten sich gefährliche Gase, die das ganze Schulgebäude durchdrangen. Außer- dem setzten sich Rußrückstände ab. Der Schulbetrieb musste daraufhin ein- gestellt werden. Eine Radiomeldung im Südwestfunk, dass die Berufsschule Wissen abge- brannt sei und deshalb der Unterricht ausfalle, entpuppte sich zum Glück In der Werkstatt fehlt es weder an Werkzeug noch 1980 als dummer „Schülerscherz“. an Materialien. Besonders im Berufsgrundschuljahr wird Wert auf Praxisnähe gelegt.

[Rhein-Zeitung vom 22./23. Januar 2000]

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 63 7.2 Not macht Anzeiger, Siegener Zeitung, Die erfinderisch Welt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Zeit, Rheinische Die Berufsschule Wissen litt Post, Wilhelmshavener Pres- ständig unter Lehrermangel. Er se, Westdeutsche Allgemeine, wurde besonders spürbar nach General-Anzeiger für Bonn und dem Umzug in die Hachenbur- Umgebung, Neue Ruhr Zei- ger Straße. Nun waren nicht nur tung, Fränkischer Tag, Erlanger die Schüler vorhanden, sondern Tagblatt, Fränkische Tagespost, auch die lang ersehnten Räume. Stuttgarter Nachrichten, Badi- Neue Bildungsgänge verschärf- sche Neueste Nachrichten, Stutt- ten die Situation. Kaum ein Kol- garter Zeitung, Göttinger-, Nort- lege war bereit, aufs flache Land heimer und Harzer Allgemeine, zu gehen. In einer beispiello- Gießener Allgemeine. sen Werbeaktion schaffte es Darüber hinaus wurde direkt an die damalige Schulleitung mit der Uni am Schwarzen Brett zur Unterstützung des Kreises qua- Bewerbung aufgefordert. lifizierte Lehrkräfte für Wissen Stellenanzeige Die Aktion war so erfolgreich, anzuwerben. Stellenanzeigen dass nicht nur die Zeitungen, wurden bundesweit in den Tages- und wohl, Kindergarten heute, Rhein-Zei- sondern auch das Fernsehen darauf Fachzeitungen geschaltet, in Jugend- tung, Kölner Rundschau, Kölner Stadt- aufmerksam wurde.

Die Art der Lehrerwerbung hat Aufmerksamkeit erregt Berufsbildende Schulen im Blickpunkt / Fernsehen in Wissen

Not macht erfinderisch – auch in der Schule. Die unkonventionellen Methoden der Berufsbildenden Schulen im Kreis Altenkirchen durch gezielte Werbung den Lehrermangel zu beheben, haben weithin Aufmerksamkeit erregt. Zeitungen in fast allen Teilen der Bun- desrepublik berichteten über das erfolgreiche Experiment in Wissen. Auch das Zweite Deutsche Fernsehen griff jetzt das Thema auf. Zwei Tage lang weilte ein Kamerateam aus Bonn in Wissen. Seine filmische „Ausbeute“ wird in einem sechs bis sieben Minuten dauernden Farbbeitrag am Samstag im „Länderspiegel“ (17.15 Uhr) auf den bundesdeutschen Mattscheiben zu sehen sein. Dietmar Zundel. Leiter des Landessstudios Rheinland-Pfalz: „Die Bildungsfrage wird ohnehin ein Schwerpunkt in dieser Sendung sein.“ Oberstudiendirektor Wilhelm König (46) kann mit dem Erfolg der auf schulischem Gebiet ungewöhnlichen Aktion zufrieden sein. Die insgesamt 800 Werbebriefe, die er auf Zeitungsanzeigen an Stellenbewerber der verschiedensten Berufe schickte, und die auf die Be- rufsbildenden Schulen im Kreis Altenkirchen hinweisenden Aushänge in den Universitäts-Fakultäten haben der Schule inzwischen 24 neue Lehrkräfte zugeführt. König: „14 Kollegen haben bereits ihren Dienst aufgenommen. Bei weiteren Sieben hat die Schulaufsichts- behörde der Einstellung zugestimmt. Drei Bewerbungen liegen vor. Außerdem sind noch einige Bewerbungen in der Bearbeitung.“ Studioleiter Dietmar Zundel interessierte besonders die Frage, weshalb die neuen Lehrkräfte sich für diese Schule entschieden haben und in das Land zwischen Sieg und Wied gekommen sind. Erst im September vorigen Jahres war die Nachricht durch den Blätterwald gerauscht, dass allein 33 Junglehrer ihren Dienst im Kreis Altenkirchen nicht angetreten haben. Zundel: „Das war einsame Spitze in Rheinland-Pfalz. Nun kam die Erfolgsmeldung, dass es doch möglich sei, ohne Weiteres Lehrkräfte für diesen Raum zu mobilisieren, ohne in anderen Schulen Lücken aufzureißen.“ Im Interview stellten jetzt die „Neuen“ fest, dass sie die optimalen Unterrichtsmöglich- keiten in der neu erbauten Berufsschule überzeugt hätten. Im Übrigen sei der Kreis Altenkirchen gar nicht so abgelegen und uninter- essant, wie man sich das zuerst vorgestellt habe. Eine geschichtliche Reminiszenz wurde am Rande der Dreharbeiten geweckt: Altenkirchen war einer der ersten preußischen Kreise, die in den zwanziger Jahren aus den ländlichen Fortbildungslehrgängen für berufstätige junge Menschen die Berufsschule entwickel- ten – lange bevor ihre Einrichtung zu einer gesetzlichen Aufgabe wurde. Oberamtsrat Otto Uhlmann, aufmerksamer Zaungast bei den Filmaufnahmen, erläuterte: „Aus dieser Tradition haben sich Berufsschule und Kreis immer bemüht, neue Lehrer zu gewinnen. Darum haben wir auch dankbar die Initiative von Herrn König aufgenommen.“ Ein Teil der in den Berufsbildenden Schulen tätigen Studienräte waren früher selbst Schüler oder Hospitant an dieser Schule. Oberstudiendirektor König sieht sich allerdings noch nicht ganz am Ziel seiner Bemühungen. „Es ist keinesfalls so, dass an den Berufsbildenden Schulen im Kreis Altenkirchen nun alle freien Stellen besetzt sind,“ stellt er fest. Durch die Errichtung weiterer Schulgattungen, beispielsweise der Fachoberschule Wirtschaft, der gewerblichen Berufsfachschule und durch die Erweiterung der bestehenden elf Schulgattungen wächst der Lehrerbedarf ständig. Insbesondere fehlen noch Lehrkräfte im hauswirtschaftlichen Bereich (Diplom-Ökotrophologen), im kaufmännischen Bereich (Dip- lom-Betriebswirte und Diplom-Volkswirte), im technischen Bereich (Diplom-Ingenieure der Elektrotechnik und des Maschinenbaus), im ernährungswissenschaftlichen Bereich (Diplom-Chemiker der Fachrichtung Nahrungsmittelchemie) und im sprachlichen Bereich (Germanistiklehrer und Diplom-Dolmetscher). In einem Jahr hofft König, auch diese Stelle besetzt zu haben.

Rhein-Zeitung vom 13. Januar 1972.

64 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Rhein-Zeitung vom 13. Januar 1972

7.3 Die Wissener Schule rung, Lagerhaltung und startet ins Lohnabrechnung Leitpro- gramme erarbeiten. Mit- Computer-Zeitalter hilfe dieser Programme sollten dann dem Schü- Anfang 1969 startet das Institut für Er- ler nicht nur Kenntnisse ziehung und Wissenschaft der Techni- über den Computer ver- schen Hochschule Aachen einen Groß- mittelt, sondern auch die versuch mit Computern an nordrhein- Auswirkung auf die Or- westfälischen Schulen. Die technische ganisation ihrer Betriebe Revolution hatte im Klassenzimmer aufgezeigt werden. Einzug gehalten. In dem ersten Groß- Die Computer dieser Zeit hatten noch und Informationen unmittelbar in Ma- versuch sollte getestet werden, ob der gewaltige Ausmaße und waren im Ver- schinen eingelesen werden. Sie konn- Computer bei Routine-Arbeiten zu Zeit- gleich zu heutigen wenig leistungsfä- ten bei schonendem Umgang beliebig ersparnissen und zu einer Entlastung hig. Um mit ihnen arbeiten zu kön- oft und lange eingesetzt werden. Sie der Lehrer führt.1 nen, waren in der Regel erhebliche bestanden aus besonders festem, gegen Auch die Schule in Wissen startete im Programmierkenntnisse notwendig. Feuchtigkeit unempfindlichen, nicht gleichen Jahr ins Computerzeitalter. Daten wurden damals häufig mithilfe Strom leitenden Karton. Ihre Abmes- Vor Vertretern des Handwerks verkün- der Lochkarte und dem Lochkartenleser sungen betrugen 187,3 mm in der Län- dete Oberstudiendirektor, Brand, dass eingegeben. ge, 82,5 mm in der Breite und 0,17 mm das neue Schulgebäude auch mit ei- Erstmals wurden zu Beginn des Schul- in der Stärke (7 3/8, 3 ¼, 0,007 Zoll). nem Versuchscomputer ausgestattet jahres 1980/81 alle Schüler EDV-mäßig Sie speicherten in der Regel 80 Zei- sei. Nach den Worten des Schulleiters erfasst, d. h. mit Hilfe der Lochkarte. In chen. Die Karte bestand aus 80 Spalten ging es zunächst nicht darum, und 12 Zeilen. Ein bestimm- die Lehrlinge an dem Com- tes Datum wurde nun je nach puter auszubilden, sondern Jeder Schüler erhielt am ersten Unterrichtstag eine Bü- Stellenzahl durch Lochung in ihnen lediglich die Angst vor roklammer und je eine perforierte Lochkarte in Rot und einer oder mehreren Spalten diesen Dingen zu nehmen, Blau. Der Klassenlehrer instruierte nun seine Schüler ausgedrückt. Dieser Bereich die im Zuge der technischen anhand der ausgegebenen „Aufstellung über die Benut- innerhalb einer Lochkarte hieß Entwicklung täglich auf sie zu- zung der Spalten in perforierten Lochkarten“ und dem Lochfeld. So gab es z. B. in kommen könnten. „Verzeichnis mit dem Lochkartencode“, seine persönli- Wissen Lochfelder für Schul- chen Daten in die zwei Karten zu übernehmen. Dabei Um dieses Versprechen ein- form, Bildungsgang, Klasse, war darauf zu achten, dass die Lochkombinationen mit lösen zu können, musste zu- der aufgebogenen Büroklammer auf festem Untergrund Name, Vorname, Postleitzahl, nächst einmal die Angst der ausgestanzt wurden, da der Lochkartenleser bei verboge- Wohnort und Straße usw. Da Lehrer vor der Maschine ge- nen Lochkarten streikte. Da jede kleine Unachtsamkeit die Kapazität einer Lochkarte nommen werden. Vom 27. beim Ausstanzen zu irreparablen Folgen führte, dauerte begrenzt war, wurden längere - 31. August 1973 fand daher die Prozedur oft längere Zeit und so manches Mal griff Begriffe häufig durch Ziffern in Wissen eine Fortbildung dann der Lehrer helfend ein, wollte er nicht „Überstun- kodiert. Gleichartige Daten für Lehrer statt. Teilnehmer den machen“. Der Unterricht endete am Einschulungs- mussten allerdings immer auf waren 11 ausgewählte – oder tag erst, wenn alle Schüler fehlerfrei erfasst waren. derselben Stelle stehen.2 sollte man sagen erwählte – Das Protokoll über die Ge- EDV-Pioniere kaufmännischer samtkonferenz vom 24. März Schulen aus Mainz, Ludwigs- 1980 vermerkt, dass am Ein- hafen und Wissen. Sie wurden schulungstag die EDV-Anlage von Herrn Oberregierungsrat betriebsbereit zu halten sei. Hosseus, zuständiger Referent Wollte man die EDV-Anlage für Datenverarbeitung und benutzen, dann reichte es al- Informatik im Kultusministe- so nicht, nur einen Schalter rium, in die Geheimnisse ein- umzulegen. Das Anfahren der geführt. Ziel der Veranstaltung Anlage war eine aufwendige war es, die Grundlagen für Mit den Lochkarten fing alles an. Angelegenheit. einen Schulversuch zu legen. Seit Personalcomputer die Da der Einsatz von Compu- Großrechneranlagen in Be- tern im kaufmännischen Unterricht den nächsten Jahren sollte sie manchen trieben und Verwaltung abgelöst ha- bisher nur wenig erprobt war, sollten Kollegen an den Rand des „Wahnsinns ben, hat der PC und heute auch der die Kollegen in gemeinsamen Schulun- treiben“. Da die Lochkarte für die Jün- Laptop und das Tablet, im Unterricht gen aus kaufmännischen Fachgebieten geren kein Begriff mehr sein dürfte, seinen festen Platz gefunden. Die meis- wie z. B. Rechnungswesen, Fakturie- soll sie kurz vorgestellt werden. Mit ih- 2 Vgl. Rudolf Hambusch, (Hrsg.), Organisationslehre – ein- rer Hilfe konnten Maschinen gesteuert schließlich Informatik –, 3., erweiterte Auflage, Darmstadt 1 Vgl. Rhein-Zeitung vom 26. Januar 1969. 1972, S. 84 f.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 65 Die Macher des neuen Angebotes an der BBS: stehend v. l. Manfred Schnell (IHK Kirchen), Schulleiter Dr. Roland Dosch, Wolfgang Reiz (Geschäftsführer SSI Schäfer), Michael Debus (Leiter Informatik, Produktion SSI Schäfer), Otto Althof (Leitung Personalwesen SSI Schäfer), sitzend v. l. Landrat Dr. Alfred Beth und Studiendirektor Bernd Stadtfeld.

[Rhein-Zeitung vom 12. Januar 2001]

ten Schüler werden heute am Rechner einzelne Fachkollegen in der Freizeit gerecht zu werden, wurde 1985 ein ausgebildet. Um als Lehrer den neu- zu verschieden Programmen (DOS, neuer Bildungsgang, die Fachschule en Anforderungen gerecht werden zu Multiplan, dBase, KHK, …) und Pro- Wirtschaft, Schwerpunkt Datenverar- können, führten in der Vergangenheit blemstellungen Arbeitsgemeinschaften beitung, eingerichtet, die im Schuljahr durch. In den Pausen gab es Kaffee 1999/2000 von der Fachschule für In- und Kuchen, für den die Teilnehmer formationsverarbeitung abgelöst wur- reihum sorgten. Vielleicht war dies das Geheimnis des Erfolges und dem regen Zulauf zu diesen Kursen. Um der wachsenden gesellschaftlichen Im EDV-Raum und beruflichen Bedeutung der EDV

Investition von UMTS-Geld

Rhein-Zeitung vom 18. Januar 2002

Auch die Schüler der Höheren Berufsfachschule Datenverarbeitung wollen das Cisco-Zertifikat erwerben und sind vom eLearning begeistert. Im Vordergrund links Studiendirektor Bernd Stadtfeld.

[Rhein-Zeitung vom 15./16. Februar 2002]

66 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Berufsbildungszentrum schon ab 1973 im Bau? Optimismus im Kreistag / Debatte über den Raumbedarf

Das vom Kreis schon seit Langem in den Blick gefass- Unterlagen vorzulegen und „wir kommen 1974 in das För- te Berufsbildungszentrum auf dem Molzberg-Alexander derungsprogramm. ....“ nahe dem Hallenbad kann, sofern die optimistischen Laut Regierungsdirektor Protz plädiert das Ministerium Erwartungen des Sprechers der CDU-Kreistagsfraktion, für eine Teilung der Berufsbildenden Schulen in Alten- Paul Wingendorf (MdL), in Erfüllung gehen, endlich im kirchen, Wissen und Betzdorf. Sie werden von insgesamt nächsten Jahr den Bauauftakt nehmen. 4000 Schülern besucht. Auf die als Vollzeitschulen vor- Der dazu am Montagnachmittag eigens (und erstmals) gesehen künftigen Betzdorfer Berufsfach- und Fachober- im Betzdorfer Rathaus tagende Kreistag diskutierte aus- schulen entfallen 1700 bis 1800 Schüler. Eine solche giebig über den Raumbedarf für ein Projekt, das nach Schule sei keine Außenstelle mehr, sondern müsse als „unseren Vorstellungen“ so Regierungsdirektor Protz von selbständige Schule errichtet werden. der Koblenzer Bezirksregierung, die Berufsgrundschul- Nach „unseren Vorstellungen“ sollten, so Direktor Protz, jahre, Berufsfachsschulen für die Bereiche Metall, Elek- in Wissen die gesamte kaufmännische Sparte, Haus- und trotechnik, Hauswirtschaft und Sozialpflege, eine Fach- Landwirtschaft und das Gewerbe bis auf die nach Betzdorf oberschule für das Ingenieurwesen sowie eine Fachschu- zu verlegende Metall-, Elektro- und Kfz-Sparte verbleiben. le für Maschinenbau und Elektrotechnik umfassen soll. In Betzdorf kämen dann noch eine kleine Gruppe Haus- Zu dem von Landrat Dr. Hermann Krämer und der CDU- wirtschaft und zwei Textilklassen hinzu. Fraktion zur Annahme offerierten Raumbedarfsplan über Das künftige Berufsbildungszentrum in Betzdorf-Kirchen, 7000 qm brachte Günter Wolfram (MdL) für die SPD- das mit den im Gesamtkomplex noch vorgesehenen üb- Fraktion eine Raumbedarfs-Vorstellung von 8400 qm ins rigen Schularten insgesamt 3000 bis 4000 Schüler um- Spiel. Die CDU griff mit ihrem Vorschlag den praktisch fassen wird, beleuchtete Regierungsdirektor Protz unter von der Bezirksregierung schon sanktionierten Raumbe- allen Gesichtspunkten der von Ministerpräsident Dr. Kohl darfsplan auf. Er ist das Ergebnis einer regierungsamtli- mit Priorität ausgestatteten beruflichen Bildung im dualen chen Korrektur der auf 9200 qm zielenden Vorstellung System des verbesserten Zusammenwirkens zwischen der Kreisberufsschulleitung. Die Bezirksregierung redu- Schule und Betrieb. Zurzeit erarbeitet die Landesregie- zierte darin die Klassengröße von 90 qm auf die Norm rung ein Aktionsprogramm. Eine gerade betriebene wis- von 70 qm, strich die in der Regel nicht vorgesehenen senschaftliche Studie sieht Berufsbildungszentren wie das Vorbereitungsräume für die 26 Normalklassen ganz und für Betzdorf-Kirchen geplante schon vor. dämpfte per Rotstift auch die gewünscht bezüglich der Die einjährige Grundbildung wird auf eins von insgesamt technischen Räume. Zu den Streichungen gab’s indes elf Berufsfeldern bezogen sein. Ihr schließt sich die in auch Koblenzer Zugaben: So wies die Bezirksregierung Dauer und Form den Berufsstufen anzupassende Fachbil- die Fachoberschule für Elektrotechnik statt mit einem mit dung unter Berücksichtigung auch der Stufenausbildung zwei Zügen aus. Am Ende aber schrumpfte die Raumbe- in der Wirtschaft an. Ergänzt wird die Fachbildung durch darfsmeldung der Kreisberufsschule um 2200 qm. die überbetriebliche Unterweisung. Die SPD-Fraktion hingegen wollte mit ihrer 8400 qm- Zu berücksichtigen bleiben laut Regierungsdirektor Protz Vorstellung den Plan der Kreisberufsschul-Leitung im beim Betzdorf-Kirchener Projekt die Unterrichts-Diffe- Wesentlichen wieder hergestellt sehen, - reduzierte aller- renzierung, der künftige Medien-Verbund (Fernsehen), dings um einen Teil die Normalklassen-Vorbereitungsräu- der Raumordnungsplan für den , der Schul- me. Vor allem plädierte Günter Wolfram für eine Reihe entwicklungsplan für Berufsbildende Schulen und die von Streichungen zum Opfer gefallener Werkstatträume, hineinspielenden Grenzen übergreifenden Probleme. Der die nach SPD-Auffassung „dringend erforderlich“ seien. Regierungsdirektor nannte außerdem die Sonderberufs- Wolfram verlangte außerdem, dass die auch von Regie- schule für Lernbehinderte und für Leistungsschwache als rungsdirektor Protz (als Einrichtung der Wirtschaft) für weiteren Bezugspunkt der Überlegungen. das Berufsbildungszentrum geforderte überbetriebliche Nach seinen Angaben hat sich der Andrang zu weiterfüh- Ausbildungsstätte im Plan fest vorgesehen werde. renden Berufsbildenden Schulen explosionsartig ausge- Der SPD-Sprecher malte schließlich als abschreckendes weitet. Mit unverkennbarer Sorge sprach Regierungsdirek- Beispiel das sich schon bei der Einweihung als zu klein tor Protz von der dringend nötigen Aufwertung der sonst erweisende Betzdorf-Kirchener Gymnasium an die Wand von der Auslaugung bedrohten Hauptschule, von der und reklamierte im Namen der Selbstverwaltung das heraus genauso wie aus Realschule und Gymnasium der Recht des Kreistages auf Mitbestimmung beim Raum- Weg zum Berufsbildungszentrum offen sei. Angesichts bedarfsplan, während Landrat Dr. Krämer und CDU- der Entwicklung zu Weiße-Kittel-Berufen müsse, forderte Sprecher Wingendorf dafür zuerst die Experten zustän- der Regierungsdirektor, ein besonderes Augenmerk dem dig sehen. Wolfram plädierte für einen beschränkten Lehrling und seiner Ausbildung gelten. Architekten-Wettbewerb. Dann seien bis 1. Juni 1973 die Rhein-Zeitung vom 17. Mai 1972.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 67 de. 1990 folgte die Fachschule Wirt- ren – und man kann sagen bis heute Netzwerkassistenten auszubilden. Das schaft, Schwerpunkt Bürokommunika- – wurde die Hard- und Software kon- Projekt wurde von der Firma Schäfer tion. Bereits 1988 nahm die zweijährige tinuierlich ausgebaut. Heute stehen in Shop mit 50.000 DM für Laborerstaus- Höhere Berufsfachschule für Datenver- 7 Unterrichtsräumen über 200 Rech- stattung unterstützt. arbeitung ihre Arbeit auf. ner zur Verfügung. Um den steigenden Ein unerwarteter Geldsegen ging auf Der Start ins Informationszeitalter er- Praxis-Anforderungen gerecht werden die BBS Wissen nieder. Das Bundesbil- folgte 1985 mit einem Computerraum zu können, wurden 1992 die Rechner dungsministerium förderte mit UMTS- und 16 Personalcomputer der Firma vernetzt und seit 1998 hat die Schule Geldern1 die Verbesserung der Ausstat- Siemens, für die der Kreis damals Zugang zum Internet. Seitdem kann tung mit moderner Technologie. Aus immerhin 180.000 Mark aufwenden auch das neue Fach „Kommunikation dem Programm „Zukunftsinvestitionen musste. 1987 folgte ein zweiter Raum im Netz“ unterrichtet werden. für berufliche Schulen 2001 – 2002“ mit 10 Computern. Die Kosten der Im Rahmen der Bildungsinitiative „Net- erhielt die Schule 174.323 DM zur An- Anschaffung von rund 120.000 Mark working“ des Landes Rheinland-Pfalz schaffung von Notebooks und die Ver- sowie die Folgekosten während der wurde die BBS im Jahr 2000 offiziel- kabelung in 20 Klassenräumen. nächsten fünf Jahre in Höhe von rund ler Partner der Firma Cisco Systems 60.000 Mark trug hier die IHK un- und erhielt den Status einer Cisco Local 1 Zwischen dem 31. Juli und 18. August 2000 fand in den Räumen der damaligen Regulierungsbehörde für Telekom- ter der Bedingung, dass diese Gerä- Networking Academy. Damit hat die munikation und Post in Mainz die Versteigerung der Li- te abends und am Wochenende von Schule die Möglichkeit mit Geräten, zenzen von Frequenzblöcken für die Nutzung durch das Universal Mobile Telecommunications System (UMTS) Teilnehmern von IHK-Kursen genutzt Betriebssystemen und Schulungsun- statt. Den Rekorderlös von 98,8 Milliarden DM – knapp 50 Milliarden Euro – nutzte die Bundesregierung zur Schul- werden konnten. In den folgenden Jah- terlagen der Firma Cisco Schüler zu dentilgung und einen Teil auch zur Ausstattung der Schu- len mit moderner Technologie.

68 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Das Lehrerkollegium der Berufsbildenden Schule des Kreises Altenkirchen. Aufgenommen vor der ersten Gesamtkonferenz im neuen BBZ Betzdorf-Kirchen. Lageplan BBZ Betzdorf-Kirchen

[Berufsbildungszentrum Betzdorf-Kirchen im Kreis Altenkirchen, S.14] [Berufsbildungszentrum Betzdorf-Kirchen im Kreis Altenkirchen, S. 47]

Das Lehrerkollegium 1979

Während der Rohbauphase: Ministerpräsident Dr. ließ sich auf seiner Kreisbereisung am 20. April 1978 eingehend die Konzeption des Berufsbildungszentrums auf dem Molzberg-Alexander erläutern. Im Bild in der vorderen Reihe von links nach rechts: Mdl Schmalz, die Bürgermeister Schwan (Betzdorf ) und Greßnich (Kirchen), der Ministerpräsident, Landrat Dr. Krämer, Kreisdeputierter Fabry und Oberstudiendirektor König.

[Berufsbildungszentrum Betzdorf-Kirchen im Kreis Altenkirchen, S.15]

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 69 Mein erster Schultag Mein Einstieg in Wissen begann mit einer Panne. Am 1. August, ein Sams- 7.4 Die Teilung der schulfachlichen Aufgaben) wahr tag, waren wir neuen drei Referendare wie zuvor in Wissen. in die Berufsschule bestellt worden, Am 30. August 1979, traf sich das Ge- „Oberstudiendirektor König dankte sei- um die Ernennungsurkunde entge- samtkollegium der beiden Schulstand- nem Kollegen Josef Heinemann für die gen zu nehmen und den Eid abzu- orte Wissen und Betzdorf im Konfe- angenehme Zusammenarbeit ... König legen. Wie sich herausstellte, befand renzraum des neu errichteten Berufs- würdigte auch die guten Kontakte zwi- sich meine Urkunde noch auf dem bildungszentrum in Betzdorf-Kirchen. schen Heinemann und den Kammern Weg von Koblenz. So durfte ich diese Vor Beginn der letzten gemeinsamen und Betrieben. Viele Probleme habe Zeremonie am 3. August, meinem ersten Ausbildungstag, alleine nach- Konferenz wurde eine Gruppenaufnah- Heinemann in seiner Dienstzeit gelöst. holen. Nach kurzer Vorstellung im me gemacht. Darüber hinaus habe er es verstanden, Kollegium ließ uns der Abteilungslei- Die Rhein-Zeitung berichtete bereits das Lehrerkollegium zu motivieren. Da- ter Walter Hoffman in seinem Dienst- am 7. Dezember 1968, dass auch für bei sei stets bewusst geworden, dass zimmer antreten und verkündete: die Außenstelle Betzdorf ein neues in der Schule keine gesellschaftliche „Einer von Ihnen muss mich in der Schulgebäude auf dem künftigen Frei- Veränderung betrieben, sondern Hilfe ersten Stunde in der Handelsschule zeitgeländes zwischen Molzberg und zur Selbsthilfe gegeben würde. Ober- vertreten.“ Ohne eine Reaktion un- Alexander in Kirchen geplant sei. Und studiendirektor König würdigte auch sererseits abzuwarten, drückte er mir das Lehrbuch in die Hand und über- 1972 war zu lesen: Seite 69 die Verdienste der Kollegen Reuber und ließ mich meinem weiteren Schick- 1974 war es dann tatsächlich so weit. In Weil. ‚Ich freue mich über die Redu- sal. Wie ich später hörte, war ich nicht der Zeit von Januar bis Mai fand der Ar- zierung der Arbeitslast, scheide aber der Einzige, dem dies widerfuhr. Es chitektenwettbewerb statt. Die Jury ent- ungern von Betzdorf, weil ich mich war sein spezieller Tick, die neuen schied sich für den Entwurf des Regie- hier immer wohlgefühlt habe’, meinte Referendare zu testen. rungsbaurates a. D. Dipl.-Ing. Heinrich König weiter. Die Arbeit mit dem Kolle- Grimm, Architekt BDA, Betzdorf. Im gium sei von Sachlichkeit und Kollegi- November dann der Antrag auf schul- alität geprägt gewesen. Das Kollegium amtliche Genehmigung, die am 25. habe wesentlich das positive Bild der „Lassen Sie mich ein Beispiel ma- 1 2 Oktober 1976 erteilt wurde. Nach ein- Schule mitgeprägt.“ chen, ich mache so gerne Beispiele. jähriger Bauzeit krönte im September Nun galt es, die Aufgabenbereiche der 1978 der Richtkranz das neue Berufs- beiden Schulen sachlich wie räumlich OStD König bildungszentrum, das einen umbauten abzugrenzen. In Wissen verblieben die Raum von 45.878 cbm und eine Nutz- kaufmännischen und die verwaltungs- fläche von 11.000 qm umfasst. Für den mäßigen Berufe, das Berufsfeld Ge- Kreis bedeutete das neue Schulgebäude sundheit und Körperpflege, die Haus- den bzw. Gemeindeteile , einen Kraftakt: 7 Millionen der mehr wirtschaft und der sozialpflegerische Erlenbruch, Altenhofen, Linden, Win- als 18 Millionen Mark für das Projekt Bereich. Das Berufsbildungszentrum gertshardt, Neuwinkel, Steckenstein, mussten übernommen werden. in Kirchen-Betzdorf übernahm die , Dorn, Neubrendebach, Fens- Mit Beginn des neuen Schuljahres handwerk-gewerblichen Berufe mit den dorf und die westlich davon gelegenen 1979/80 zogen 1650 Schüler in das Berufsfeldern Metall, Elektro, Textil und Gebietsteile des Landkreises Altenkir- neue Berufsbildungszentrum auf dem Bekleidung sowie die Maler, Schreiner, chen. Zum Schulbezirk der Berufsbil- Molzberg ein. Die offizielle Einweihung Mauerer, Klassen für Jugendliche ohne dende Schule Betzdorf-Kirchen gehö- folgte dann am 27. September 1979. Beruf und ohne Berufsentscheidung, ren u. a. die Gemeinden bzw. Gemein- Ende November reihte sich die Außen- das Berufsgrundschuljahr Metall und deteile Gernsdorf, Solbach, Locherhof, stelle Betzdorf als 24. Schule in den die Fachoberschule Technik. Für die Diedenberg, Völzen, Elkhausen, Born- Kreis der selbständigen Berufsbilden- auszubildenden Verkäufer/Einzelhänd- hahn, Mittel-, Ober-Durwittgen, Dau- den Schulen des Regierungsbezirkes ler und die männlichen und weiblichen ersberg, Oberhombach, , Koblenz ein. Jugendlichen ohne Berufsausbildung Steinebach und die östlich davon ge- Am 18. Dezember schließlich erhielt waren gem. § 50 Abs. 1 Schulgesetz legenen Gebietsteile des Landkreises Studiendirektor Josef Heinemann vom Schulbezirke zu bilden. In der Gesamt- Altenkirchen. 1979 schied auch die Leiter der Schulabteilung bei der Be- konferenz der Berufsbildenden Schu- landwirtschaftliche Abteilung aus dem zirksregierung Koblenz, Abteilungs- len Wissen am 11. Februar 1980 infor- Verband der Berufsschule Wissen aus direktor Hans-Peter Gorschlüter, die mierte die Schulleitung das Kollegium und wurde der Landwirtschaftschule in Beförderungsurkunde zum Oberstudi- über die neue Situation: Altenkirchen angegliedert. endirektor. Gleichzeitig wurde ihm die Der Schulbezirk der Berufsbildenden Leitung der neuen Schule übertragen. Schulen Betzdorf-Kirchen und Wissen Zu Stellvertretern wurden die Studi- wird abgegrenzt durch eine Linie, die Eines Tages hing ein großer Kalender endirektoren Theodor Weil und Josef östlich von Friesenhagen beginnt und – wie wir ihn z. B. vom VLW kennen – Reuber ernannt. Letzterer nahm hier östlich von endet. Zum Schul- an der Wand des Lehrerzimmers, der die gleichen Aufgaben (Koordinierung bezirk der Berufbildende Schule Wis- die Ferien und Feiertage zeigte. Das sen gehören damit u. a. die Gemein- Besondere: In einer der Ecken befand 1 S. Landkreis Altenkirchen (Hrsg.), Berufsbildungszentrum Betzdorf-Kirchen im Landkreis Altenkirchen, Eine Doku- sich der Vermerk „Genehmigt“ mit mentation zur Einweihung am 27. September 1979, S. 46. 2 Siegener Zeitung vom 19. Dezember 1979. Datum und Unterschrift des Chefs.

70 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) 7.5 Kein Stillstand eine gute berufliche Ausbildung ange- In den achtziger Jahren ist die Nach- 3 in den Achtzigern wiesen sind.“ frage nach Ausbildungsstellen erheb- Wie man sieht, ob CDU- oder SPD-ge- lich größer als das Ausbildungsange- Der SPD-Landtagsabgeordnete und führte Regierung, der Finanzminister bot. Auch Schüler mit „mittlerer Rei- Vorsitzende des Kulturpolitischen Aus- bestimmt über die Einstellung von Leh- fe“ haben es immer schwerer, einen schusses, Hans Helzer (Altenkirchen), rern, die sollten aber nach dem Willen Ausbildungsplatz zu finden. Daher prangerte 1981 den hohen Unterrichts- des Kultusministeriums ab 1983 ein Be- richtete man im Schuljahr 1979/80 die ausfall an den Berufsbildenden Schu- rufspraktikum von 12 Tagen ableisten. zweijährige Höhere Berufsfachschule len des Kreises Altenkirchen an. In Durch dieses Berufspraktikum sollten (früher Höhere Handelsschule) ein. Je Betzdorf waren es 38,9 Prozent des not- die Kollegen/innen für ihren Unter- nach Neigung konnte der Schwerpunkt wendigen Teilzeitunterrichts an der Be- richt wertvolle praktische Erfahrungen Rechnungswesen oder Fremdsprachen rufsschule oder 429 Lehrerstunden pro sammeln. Natürlich sollte wegen des gewählt werden. Die Ausbildung endete Woche. Der Ausfall in der Berufsschule Praktikums möglichst kein Unterricht mit einer schriftlichen Prüfung zum Wissen betrug sogar 43,8 Prozent oder ausfallen. „Es sind deshalb bevorzugt „Staatlich geprüften kaufmännischen 307 Wochenstunden, bei den Vollzeit- solche Lehrkräfte für Berufspraktika Assistenten“. Bei erfolgreicher Teilnah- klassen in Betzdorf-Kirchen waren es vorzusehen, die nach Durchführung me an einem Ergänzungsunterricht 90 Stunden oder 17,9 Prozent des Un- der Abschlussprüfungen ohnehin stark kann nach einem Berufspraktikum die terrichts und in Wissen 168 Stunden entlastet sind. Auf Wunsch des Lehrers Fachhochschulreife zuerkannt werden. oder 16,9 Prozent. Dazu der Abgeord- können Berufspraktika auch ganz oder Im Schuljahr 1982/83 folgte eine zwei- nete: „Mit diesem skandalösen Unter- teilweise in den Ferien durchgeführt jährige Höhere Berufsfachschule Haus- richtsausfall liegen die beiden Berufs- werden. Der Lehrer soll sich selbst ei- wirtschaft, die mit der Prüfung zur schulen im Kreis Altenkirchen stark nen Praktikumsplatz suchen. Fahrtkos- „Staatlich geprüften Hauswirtschaftsas- über dem Bezirksdurchschnitt von 33 ten werden nicht ersetzt. Das Ministe- sistentin“ endet sowie eine dritte Klasse bzw. 11,2 Prozent und weit über dem rium gewährt jedoch für evtl. Fahrten der Berufsfachschule Wirtschaft. Landesdurchschnitt von 27,9 bzw. 11,9 und am Arbeitsplatz Unfallschutz. Die Für Abiturienten wurde 1985 mit dem Prozent. ... Der ‚ganze Skandal’ liegt von den Lehrern zu erstellenden Prak- Mittelrhein-Modell eine Alternative darin, dass man aus dem Potential ar- tikumspläne werden wegen Dienstbe- zum herkömmlichen Studium eröff- beitsloser Lehrer nicht die fehlenden freiung und Unfallschutz der Bezirks- net. Die Unternehmen Schäfer-Shop Lehrkräfte für die berufsbildenden regierung vorgelegt.“ So nachzulesen (Betzdorf), Rewe (), Ligno- Schulen holt. Hier steht sich die Lan- im Protokoll der Gesamtkonferenz vom tock Fasertechnik (), Elco desregierung mit der Abschottung der 4. Juli 1983. Elektronik (), Edgar Lehrämter selbst im Wege. Zum Scha- Georg (), Werit Kunststoffwer- den der Jungen und Mädchen, die auf 3 Rhein-Zeitung vom 10. Juni 1981. ke (Altenkirchen), Brigitte-Geschenke

Mit Bravour haben die fünf Absolventinnen das Ziel Hauswirtschaftsmeisterin erreicht. Stolz halten sie ihren Meisterbrief in Händen. Mit den frischgebackenen Meisterinnen freut sich Marianne Dietershagen-Pütz (hinten rechts), die als Fachlehrerin die jungen Frauen zum Ziel führte. Es war ihr letzter Kurs vor der Pensionierung, den sie begleitete. Nach 23 Jahren an der BBS Wissen wurde die engagierte Lehrerin Ende Oktober in einer Feierstunde in den Ruhestand verabschiedet.

[Rhein-Zeitung vom 16. November 2000]

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 71 (Hachenburg) und Schrupp (Alsdorf) An mehreren Stellen tropfte das Was- ter Merkel stammt. Der Bau der 22 boten den Abiturienten die Möglich- ser von der Decke, das durch diese mal 44 Meter großen Zweifachturn- keit, neben der „normalen“ Berufsaus- Notlösungen aufgefangen wurde. Das halle kostete 3,27 Millionen Mark und bildung als Industrie- oder Großhan- Flachdach war undicht. Zu spät wurde dauerte nicht ganz zwei Jahre. delskaufmann an der Verwaltungs- und deutlich, dass die Flachdächer, wie sie Nur ein Jahr später ging Oberstudien- Wirtschafts-Akademie in Koblenz zu in den 1970er Jahren in Mode waren, direktor Wilhelm König in den wohl studieren. Nach zweijährigem Berufs- bei unserem heimischen Klima unge- verdienten Ruhestand. Wie kaum ein schulbesuch war die Kaufmannsgehil- eignet sind. An der Attika (Randaufbau anderer seiner Vorgänger hat er in den fenprüfung vor der Industrie- und Han- am Dach) drang die Feuchtigkeit ins 19 Jahren seiner Amtszeit die Schule delskammer abzulegen ebenso die Prü- Mauerwerk, die bei Frost ihre Spreng- geprägt. Bei der offiziellen Verabschie- fung als Fremdsprachenkorrespondent, wirkung nicht verfehlte. Auch an an- dung am 18. Juni 1990 stellte Landrat auf die die Berufsschule durch einen deren Schulen, z. B. dem Kopernikus- Herbert B. Blank in seiner Rede fest: qualifizierten Englisch-Unterricht vor- Gymnasium, waren gleiche Schäden „Wenn es um seine Schule ging, hat bereitete. Am Wochenende und im drit- aufgetreten. Für die Dachsanierungen Wilhelm König Weitblick und vor allem ten Ausbildungsjahr waren die Vorle- veranschlagte der Kreis insgesamt 1,5 Beharrlichkeit gezeigt. ... So habe er sungen und Übungen der Verwaltungs- Millionen Mark, allein für die Berufs- stets seine Ziele klar und unmissver- und Wirtschafts-Akademie in Koblenz bildende Schule 1981 und 1982 850.000 ständlich vertreten und zu Ende ge- zu besuchen. Dieser Ausbildungsteil DM, die nun teilweise ein Satteldach führt. Eine leistungsfähige Schule, die schloss nach einer Prüfung zum „Be- bekam. sowohl im Teilzeit- als auch im Voll- triebswirt VWA“ ab. Während dieses Erst zwanzig Jahre nach dem Bezug zeitbereich den an sie gestellten Anfor- Ausbildungsmodell im Koblenzer und der Schule wurde sie komplettiert. Mit derungen gerecht wird, habe Wilhelm Neuwieder Raum regen Zuspruch er- einer lebendigen, freundlichen, von König zurückgelassen, eine Schule, die fährt, blieb es an unserer Schule nur Schüler mitgestalteten Feier wurde am den Vergleich mit den anderen Berufs- eine kurze Episode. 29. Mai 1989 die Sporthalle eingeweiht. bildenden Schulen in Rheinland-Pfalz 1988 wurde das Bildungsangebot durch Selbst Kultusminister Dr. Georg Gölter und auch in den benachbarten Bundes- die zweijährige Höhere Berufsfach- ließ es sich nicht nehmen und reiste ländern nicht zu scheuen braucht.“3 schule für Datenverarbeitung vervoll- aus Mainz an, um persönlich die Fest- ständigt. rede zu halten. „Da der Mensch eine Nicht nur die Schülerzahl, sondern Einheit aus Körper und Geist sei, so 7.6 Die „Berufsschule“ auch das Durchschnittsalter der Schü- der Minister, beschränke sich der Er- – ein Ort lebenslangen ler nahm in den vergangenen Jahren ziehungsauftrag nicht auf den Intellekt. Lernens deutlich zu. Gepaart mit der wachsen- Verantwortungsbewusster Umgang mit den Motorisierung bedeutete dies, dass dem eigenen Körper, Gesundheit als Schon in den fünfziger Jahren sah zunehmend Schüler mit dem eigenen Teil der Identität, gelte es zu lernen, sich die Berufsschule nicht nur als Ort Auto zum Unterricht anreisten. Schon den eigenen Körper zu erfahren, sein der Erstausbildung, sondern auch als bald reichte der vorhandene Parkraum Leistungsvermögen und seine Gren- Ort der Fort- und Weiterbildung. Im nicht mehr aus. Ärger mit Anwohnern zen. Dies sei die Aufgabe jedes Einzel- Winterhalbjahr 1954/55 führte man in der Hachenburger Straße und Dörner- nen. Der Sport habe die Aufgabe, hier Verbindung mit der Elektro-Innung straße war vorprogrammiert. Die Po- zu helfen. Die soziale Dimension beste- des Kreises einen Fachkurs für Rund- lizei ging mit „Knöllchen“ gegen die he in der Bewegung, im Wettkampf, im funk- und Fernsehtechnik durch. Ein Falschparker vor. Auf Drängen der Einüben fairer, menschlicher Verhal- Fachkurs für Schreiner erweiterte und Schulleitung stellte der Kreis 1988 an tensweisen. Vom Leistungssport könne verbesserte in 80 Unterrichtsstunden der Dörnerstraße einen großen Park- man hierfür kaum Leitbilder für junge die beruflichen Kenntnisse der jungen platz mit 120 Stellplätzen zur Verfü- Menschen erwarten. Leistung und Sieg Gesellen. Er diente als Vorbereitung auf gung. gingen dort meist vor Fairness. Dabei die Meisterprüfung. Unterrichtet wurde In den Achtzigern standen noch zwei sollte Sport gerade die notwendige Er- in den Fächern Fachkunde, Fachrech- weitere Baumaßnahmen an: fahrung vermitteln, dass ein anderer nen mit Kalkulation und Fachzeichnen. Obwohl erst zehn Jahre seit der feierli- etwas besser kann, als man selbst und Besonderes berücksichtigt wurde die chen Übergabe vergangen waren, stan- man trotzdem gleichwertig ist.“1 Land- Kunststoffverarbeitung, die auch im den nun Blechwannen und Plastikei- rat Blank stellte fest, obwohl der Sport- Schreinerhandwerk immer mehr Be- mer zwischen den Tischen und Stühlen unterricht an Berufsbildenden Schu- deutung erlangte. Verantwortlich für auf dem Fußboden einiger Klassenzim- len im Lehrplan vorgeschrieben ist, sei diesen Kurs war übrigens der damali- mer. An den Decken-Enden oberhalb er keine Selbstverständlichkeit. Blank: ge Gewerbeoberlehrer Bengestrate, an der Fenster befanden sich teilweise „Hier findet Sport viel zu häufig nur den sich noch viele als Studiendirektor Kunststoffbehälter, die nach oben geöff- auf den Stundentafeln statt.“2 erinnern. net waren und ein Abflussrohr aus dem Bleibt anzumerken, dass der Entwurf In einem Protokoll von 1957 ist zu le- Fenster besaßen. Der Grund für dieses zu dieser Halle vom Architekten Gün- sen: „Bis jetzt sind 3 Industriemeis- kuriose Bild: Wenn es regnete, begann terkurse durchgeführt worden. Die Er- es in den Räumen feucht zu werden. 1 Rhein-Zeitung vom 30. Mai 1989. 2 Ebenda. 3 Rhein-Zeitung vom 20. Juni 1990.

72 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Nach langjähriger Pause am Küchenherd drücken diese Frauen wieder die Schulbank. Sie bereiten sich in der neuen Wissener Berufsschule auf ein zweites Berufsleben als Stenokontoristin vor. aber auch Programmierung, Netzwerk- [Rhein-Zeitung vom 21. Oktober 1970] und Mehrplatzbetriebssysteme. Das Modul Berufs- und Arbeitspädagogik beinhaltet zudem die Vorbereitung auf die ADA-Prüfung (Ausbildung der Aus- bilder). Zur Sicherung der Fachkompe- tenz wird die Informationsverarbeitung an betriebswirtschaftlichen Objekten prozessorientiert und anwendungsbe- zogen vermittelt. Aufnahmevorausset- zung für die neue Fachschule ist der Sekundarabschluss I (Mittlere Reife) und eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung oder Berufstätigkeit. 2001 erfolgte die Änderung in Fach- folge sind recht zufriedenstellend, der ten, aber bisher sehr erfolgreich in den schule für Informationsverarbeitung Andrang groß. 23 Teilnehmer befinden Kindergärten und -heimen gearbeitet und -management. Die Teilnehmer sich z. Zt. in der Prüfung. Ein weiter hatten, die Möglichkeit zu geben, den können innerhalb von zweieinhalb Kurs wird eingerichtet. Angeschrieben Befähigungsnachweis zu erlangen, Jahren in Teilzeitform neben dem Ab- wurden die Betriebe, da diese ja in ers- richtete die Schule im Dezember 1974 schluss als staatlich geprüfter Betriebs- ter Linie interessiert sind. (Eine Ankün- einen Intensivkurs ein, der die Interes- wirt auch die Cisco-Zusatzqualifikation digung in der Presse ist wohl nicht not- senten in fast 1200 Unterrichtsstunden erwerben. Während der Ausbildung wendig.) Die Betriebe wollen geeignete innerhalb von zwei Jahren auf die Ex- bleibt niemand von Prüfungen ver- Leute vorschlagen. Bis jetzt liegen 12 ternenprüfung an der Fachschule für schont. Ein Rechner in San Francisco Anmeldungen vor.“4 Sozialpädagogik vorbereitete. Wer aus schaltet Online-Tests frei. Fremdspra- Die Schule stellte sich auch arbeits- dem betreffenden Personenkreis teil- chenkenntnisse sind hier gefragt, denn marktpolitischen Problemen. Im nehmen wollte, musste mindestens 22 die Tests gibt es nur auf Englisch. Auch Herbst 1970 begannen 15 Frauen im Jahre alt sein. Diese Altersgrenze wurde die Lehrer müssen an diesen Tests teil- Alter zwischen 18 und 47 Jahren einen jedoch von dem überwiegenden Teil der nehmen. Dabei sind 80 Prozent rich- halbjährigen Kurs, der zur Stenokonto- Interessenten wesentlich überschritten. tige Antworten das Minimum für Leh- ristin ausbildete und mit einer Prüfung Die Unterrichtsfächer entsprachen dem rer, 70 Prozent das für Schüler. Wer vor der Industrie- und Handelskammer Rahmenlehrplan der Fachschule, Bil- schlechter abschneidet, darf den Test schloss. Das neue Arbeitsförderungsge- dungsgang für Sozialpädagogik und der noch maximal zweimal wiederholen. setz verpflichtete die Bundesanstalt für Unterricht erfolgt vorwiegend freitags Ist er erneut von Misserfolg gekrönt, ist Arbeit, sich verstärkt um Umschulung und samstags sowie über mehrere Wo- er „raus“.6 und Weiterbildung zu bemühen. Insbe- chen hinweg täglich. Als erstes Bundesland errichtete Rhein- sondere ging es darum, das vorhandene 1985 baute die Schule den Bereich der land-Pfalz die Fachschule Wirtschaft, Arbeitskräfte-Potential der Wirtschaft Erwachsenenbildung aus. Mit dem Schwerpunkt Bürokommunikation. nutzbar zu machen, um so die Lücken neuen Schuljahr wurde die Fachschule Hier werden Staatlich geprüfte Be- auf dem Arbeitsmarkt zu schließen. Wirtschaft, Schwerpunkt Datenverar- triebswirte für Bürokommunikation Nebenbei wurde den nicht mehr Nur- beitung, eingerichtet. Die Schule bot ausgebildet, die die neuesten Kom- Hausfrauen ein neues Betätigungsfeld Teilnehmern mit Fachhochschulreife munikationsmittel im Büro beherr- erschlossen. „Vor Jahrzehnten erwor- und abgeschlossener Berufsausbildung schen und moderne Technologien wie bene Kenntnisse und Fertigkeiten sind die Möglichkeit, innerhalb von zwei Hardware/Software/Orgware bei der heute vergessen oder überholt. Was Jahren den Abschluss des „Staatlich ge- täglichen Arbeit erfolgreich einsetzen tun? Ohne Umschulung bleibt oft nur prüften Betriebswirtes“ zu erwerben. können. Diese Fachschule bestand in die Tätigkeit als Hilfsarbeiterin. Arbeits- Der Unterricht fand an drei Abenden Wissen seit 1990. Seit 2001 wird sie amt und Handelskammer zeigen heute in der Woche statt. Mit dem Schuljahr als Fachschule Kommunikation und einen Ausweg“, so die Rhein-Zeitung.5 1999/2000 trat an die Stelle der Fach- Büromanagement in modularisierter Das Kindergartengesetz vom 15. Juli schule Wirtschaft, Schwerpunkt Daten- Form angeboten. Innerhalb von vier 1970 forderte von der Leitung des Kin- verarbeitung die neue dreijährige Fach- Semestern kann der Fachwirt erworben dergartens den Nachweis einer beson- schule für Informationsverarbeitung, werden. deren Qualifikation, und zwar in der für die ein zeitgemäßes, vollkommen Als einzige Schule im nördlichen Regel die abgeschlossene Ausbildung neues Konzept erarbeitet wurde. Der Rheinland-Pfalz richtete die BBS Wis- als staatlich anerkannte Erzieherin. Um Unterricht ist in einzelne Lernmodule sen ab dem Schuljahr 1992/93 eine den Damen, die zwar die erforderliche gegliedert, über deren Abschluss jeweils Fachschule für Hauswirtschaft ein. Der Qualifikation nicht nachweisen konn- ein Zertifikat erteilt wird. Solche Mo- Bildungsgang bietet Hauswirtschafte- dule sind beispielsweise Beschaffung, 6 Auch den Schülern der Höheren Berufsfachschule Daten- 4 (3), Bericht über die Konferenz vom 12. April 1957. Produktion, Finanzierung und Absatz, verarbeitung stand der Erwerb der Cisco-Zusatzqualifikati- 5 Rhein-Zeitung vom 21. Oktober 1970. on offen.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 73 Beruf und Schule e. V. Am 11. September 1987 wurde der Verein, „Beruf und Schule e. V. Rheinland- Pfalz“ , im Rahmen eines Modellversuchs des Landes Rheinland-Pfalz gegrün- tenpflege mit Schwerpunkt Altenpflege det. Ein Ziel des Vereins war es, durch besondere Maßnahmen die Chancen ein, da sie besonders häufig auch von benachteiligte Schülerinnen und Schüler auf dem Ausbildungs- und Arbeits- älteren Erwachsenen besucht wird. Die- markt zu verbessern. Diese Personengruppe lag auch Studiendirektor Sieg- se Ausbildung zeichnet sich dadurch fried Dallmann sehr am Herzen, sodass am 6. Oktober 1994 ein Ortsverein aus, dass neben dem fundierten theo- „Wissen-Westerburg“ gegründet wurde. Zahlreiche Lehrer gehörten zu den retischen Unterricht auch regelmäßig Gründern und auch die Schulleitungen in Wissen, Betzdorf und Westerburg Veranstaltungen mit Fachleuten aus der unterstützten das Vorhaben. Lange Zeit war der Verein auch auf dem Gebiet Praxis stattfinden. „Wo die Regelpädagogik etwas nicht der Fachberatung in Fragen der Berufssonderpädagogik, der Unterstützung mehr bewältigen kann, engagiert sich der Schulsozialarbeit an berufsbildenden und allgemeinbildenden Schulen die Heilpädagogik.“ Mit diesen Worten sowie spezifischen Qualifizierungsmaßnahmen, z. B. im Rahmen der Sprach- begann Professor Dr. H. Bach, Mainz, förderung, Praxisanleitung und Integration in Kindertagesstätten tätig. Zur- seine Ansprache im Rahmen des Fest- zeit ruht die Arbeit des Vereins. aktes zur Eröffnung der Fachschule für Heilpädagogik. Seit dem Schuljahr 1994/95 kann in 3 ½ Jahren der Ab- rinnen die Möglichkeit, sich mit Abend- tungskurse zur Ablegung der Prüfung schluss eines „Staatlich anerkannte/r und Samstagunterricht innerhalb von der Hauswirtschaftsmeisterinnen an Heilpädagoge/in“ erworben werden. drei Jahren zur Meisterin der städti- der Schule statt. Beispielsweise began- Aufnahmevoraussetzung für diesen schen Hauswirtschaft zu qualifizieren. nen 18 Teilnehmerinnen den 600 Un- Bildungsgang ist eine abgeschlossene Es wird die Fähigkeit vermittelt, einen terrichtsstunden umfassenden Kurs im Erzieherausbildung, mindestens ein Haushalt oder hauswirtschaftlichen Be- November 1974. Er ging auf eine Initia- Jahr Berufserfahrung in sozial-pädago- trieb selbständig, organisatorisch, tech- tive des Deutschen Hausfrauenbundes gischen Einrichtungen sowie während nisch, wirtschaftlich und pädagogisch zurück und wurde von der Volkshoch- der Ausbildung eine Berufstätigkeit fachgerecht zu führen. Nach bestande- schule des Landkreises Altenkirchen von mindestens 20 Wochenstunden ner Abschlussprüfung bieten sich viel- getragen. Auch in der Folgezeit konn- in einer sozial-pädagogischen Einrich- seitige Beschäftigungsmöglichkeiten in ten immer wieder Meisterinnen die tung. Unterrichtet werden die Fächer: Privathaushalten, Kinder- und Alten- Schule verlassen. Heilpädagogik, Psychologie, Medizi- heimen, Krankenhäusern, Hotels oder Eine besondere Stellung nimmt die be- nische Grundlagen, Gruppenpädago- Verwaltungen. reits im Schuljahr 1978/79 ins Leben gik, Rechtslehre, Bewegungs-, Musik-, Auch schon vorher fanden Vorberei- gerufene Fachschule für Familien/Al- Spiel- und Werkerziehung.

Betriebsausflug nach Straßburg/Frankreich

74 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Das Kollegium hält zusammen

Lehrerausflug nach Brügge

Karneval 1982 Karneval 1982. Urlichs, Stadtfeld, Dr. Tampobolon, Schmitz

Karneval 1982

Karneval 1982. Urlichs, Schmidt

Karneval 1982. Gerhard Mohr

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 75 Eine Schule sucht ein neues Profil

(Schulleiter Dr. Roland Dosch: 1991 bis 2002)

88.1 Voneinander lernen – Gäste hatten sich in der Eingangshalle Dr. Dosch hob in seiner Antrittsrede der Schule eingefunden, um der offi- hervor, dass er sein Amt als „kollegi- Kooperation mit den ziellen Einführung des neuen Schul- aler Integrationstyp“ ausüben wolle. Ausbildungsbetrieben leiters beizuwohnen. Oberstudiendi- Und weiter: „Das ist leicht gesagt, aber rektorin Marliese Braun von der Be- schwer umzusetzen. Unserer Schule 5. Juni 1991: „Ich wünsche Ihnen eine zirksregierung Koblenz, eine ehemalige bieten sich viele Chancen, wenn wir gute Hand für die Menschen an dieser Schülerin, überreichte die Ernennungs- es mit der Handlungskompetenz ernst Schule und für die Schule selbst“, so be- urkunde. Sie drückte die Hoffnung aus, meinen. Häufige Betriebsbesuche- und grüßte die stellvertretende Leiterin der dass auch weiterhin das große Angebot -praktika müssen zu Institutionen Berufsbildenden Schule Wissen, Stu- der Schule erhalten bliebe. Gleichzeitig werden.“2 diendirektorin Ingrid Weichhaus, den bat sie um Verständnis dafür, dass ein Dass Letzteres kein Lippenbekenntnis neuen Leiter der Schule, Oberstudien- neuer Schulleiter auch immer ein neu- blieb, dafür sorgte der neue Schulleiter. direktor Dr. Roland Dosch.1 Zahlreiche er Mensch mit anderen Erfahrungen, Systematisch galt es, das Gespräch mit Zielen und Wünschen sei, vor deren 1 Bereits im Frühjahr 1991 übernahm Dr. Roland Dosch die kommissarische Leitung der BBS. Hintergrund er seine Arbeit tue. 2 Rhein-Zeitung vom 6. Juni 1991.

Der Erfolgsautor Klaus-Peter Wolf zog mit verbundenen Augen aus einer Keksdose zehn Lose. Die Gewinner erhielten jeweils ein Exemplar des neuen Wolf-Werkes „Feuerball“.

[Rhein-Zeitung vom 20. Dezember 1997]

76 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Eine Schule sucht ein neues Profil

(Schulleiter Dr. Roland Dosch: 1991 bis 2002)

Seit Januar 2002 gestalten die BBS Betzdorf-Kirchen und die BBS Wissen in Zusammenarbeit mit der IHK, Bezirksstelle Betzdorf eine gemeinsame Entlassfeier für die Auszubildenden, die die Gesellen- und Kaufmannsgehilfen-Prüfung abgelegt haben.

den Ausbildungsbetrieben unserer Re- Trotz mancher Anlaufschwierigkeiten europäischen Staaten und insbesonde- gion zu suchen. Die erste Möglichkeit bewerteten alle Seiten die neue Kon- re der ehemaligen Sowjet-Republiken bot sich im Dezember 1991. Interes- zeption positiv, zumal sie auch von den Anfang des Jahrzehnts setzte eine star- sierte Kollegen konnten einen Einblick Schülerinnen und Schülern akzeptiert ke Migration in unseren Raum ein. Bei in die alltägliche Praxis des Einzelhan- wurde. Hans Jürgen Wolf, Personal- den jugendlichen Aussiedlern waren dels gewinnen. Geschäftsführer Gil- chef von Wolf-Geräte Betzdorf, fasste häufig große Sprachdefizite festzustel- bert Henn vom Wissener Petz-Markt im Namen der Industrievertreter sei- len, die bei gemeinsamer praktischer informierte intensiv über das Waren- ne Erfahrungen so zusammen, dass Tätigkeit im Berufsvorbereitungsjahr in wirtschaftssystem, bei dem es um die handlungsorientiertes als prozessorien- der Regel innerhalb eines Jahres stark Erfassung und Auswertung von Wa- tiertes Lernen von ihm begrüßt würde abnahmen. Neben dem regulären Un- renbewegungen geht. Hierdurch wird und er der weiteren Entwicklung sehr terricht wurden besondere Förderkurse tägliches Disponieren ebenso möglich aufgeschlossen gegenüberstehe. in Deutsch angeboten, wie auch Eng- wie der gezielte Personaleinsatz und Dem Anspruch einer stärkeren Ver- lischkurse, um den Aussiedlern den die Organisation der Lagerhaltung. zahnung von Praxis und Schule stell- Zugang zu weiterführenden Klassen zu Seitdem haben eine große Zahl von ten sich aber nicht nur die Kollegen/ ermöglichen. Betriebsbesichtigungen und regelmä- innen und Schüler/innen der kauf- ßigen Kontakten für einen regen Ge- männischen Abteilung, sondern bei- dankenaustausch gesorgt. In diesen spielsweise auch die Absolventen der 8.2 Öffentlichkeit Prozess war selbstverständlich auch die Fachschule für Altenpflege. Was 1994 in die Schule Industrie- und Handelskammer einge- begann, ist heute ein fester Bestand- bunden, die im Oktober 1993 zu einem teil der Ausbildung. Damals gestalte- Auf der anderen Seite galt es, die Schu- Treffen des Arbeitskreises „Schule und ten die Schüler und Schülerinnen im le stärker nach außen zu öffnen, das ei- Industrie“ einlud. Dies mag stellvertre- evangelischen Jugendheim für die Be- gene Tun einer breiteren Öffentlichkeit tend für viele andere Sitzungen stehen. wohner und Bewohnerinnen des St. zu zeigen, wie auch Öffentlichkeit in Hier ging es um eine Neuorientierung Hildegard-Altenheimes ein Frühlings- die Schule zu holen. Kurz, die Schule des Unterrichts. Im Mittelpunkt der fest. Die Veranstaltung sollte den Senio- stärker in das gesellschaftliche Umfeld Diskussion stand der handlungsorien- ren Gelegenheit zu einem gemütlichen und Bewusstsein zu integrieren durch tierte Unterricht, der die Auszubilden- Beisammensein bieten und gleichzeitig Ausstellungen, Dichterlesungen, Tage den befähigen soll, über die Erarbei- für die angehenden Altenpfleger/innen der offenen Tür, Teilnahme an Veran- tung konkreter Fälle, wie sie zum beruf- eine praxisnahe Übung darstellen. staltungen der heimischen Unterneh- lichen Alltag gehören, später im Betrieb Neben diesen eher außerschulischen men u. ä. Ergebnisse der Kreativität des selbstständig und verantwortungsvoll Aktivitäten wird der „normale“ Unter- Unterrichts zeigten Schülerinnen und zu planen, zu arbeiten und zu entschei- richt nicht vernachlässigt. Die Schule Schüler der Fachschule für Erzieher den. Wie sehr dieses Prinzip bereits stellte sich den neuen Herausforderun- 1992 in einer Ausstellung im Schalter- von pädagogischer Seite getragen wur- gen. Viele ehemalige DDR-Bürger zog raum der Volksbank Wissen. Zu sehen de, zeigte auch die Anwesenheit von es nach dem Mauerfall und der deut- waren erstmals außerhalb der Schule Alfred Mohr, dem stellvertretenden Lei- schen Wiedervereinigung in den Wes- Werke aus mehreren Jahren Kunstun- ter des Studienseminars Neuwied und ten, darunter auch viele Jugendliche, terricht. Bei der Matinee betonte Studi- dem Leitenden Regierungsschuldirek- die in unserer Region eine Ausbildung endirektorin Weichhaus als Vertreterin tor Hanne (Bezirksregierung Koblenz). absolvierten. Mit der Öffnung der ost- der Schulleitung, den Beitrag, den die

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 77 25 Jahre Förderverein der BBS Wissen e. V. Am 5. September 1994 kamen auf Initiative des damaligen Schulleiters, Herrn Dr. Roland Dosch, 27 Interessierte – meist Lehrerinnen und Lehrer der BBS Wissen – zur Gründungsversammlung eines Fördervereins zusammen. Die Zahl der Mitglieder ist seitdem auf 106 gewachsen – vorwiegend Kolleginnen und Kollegen. Im Mittelpunkt der ersten Jahreshauptversammlung des neu gegründeten Förder- vereins der Berufsbildenden Schule Wissen standen die Vorstandswahlen. Heinz Georg Roezel (1. Vorsitzender) nannte als vorrangige Aufgabe des Fördervereins die Vertiefung der Verständigung zwischen Eltern, Schülerinnen und Schülern, dem Lehrerkollegium und den ausbildenden Betrieben bzw. Institutionen. Zunächst aber müs- se die Mitgliederwerbung Vorrang haben. Der Förderverein unterstützt nun seit 25 Jahren – auch wir feiern ein kleines Jubiläum! – die päda- gogische Arbeit der Schule. Ziele sind neben der bereits genannten Vertiefung der Verständigung zwi- schen allen am Schulleben Beteilig- ten auch die Pflege der Beziehun- gen der ehemaligen Schülerinnen und Schüler untereinander und zur Schule, ebenso der Kontakt mit ehemaligen Kolleginnen und Kollegen. Eine nicht unerhebliche Bedeutung haben auch Hilfen bei der Beschaffung von Ausstattungs- gegenständen, technischem Gerät, Lehr- und Lernmitteln oder bei Fort- und Weiterbildungsveranstal- Vorstand des Fördervereins 1995: (von links) Hartmut Schock (Beisitzer), tungen. Konkret sind hier Unter- Heinz Georg Roezel (1. Vorsitzender), Dr. Roland Dosch (2. Vorsitzender), stützungen bei Klassenfahrten oder Projekten zu nennen oder die Be- Bernhard Urban (Schatzmeister) und Peter Wilking (Schriftführer). zuschussung der Bibliotheksarbeit. Viele Maßnahmen dienen zudem der Förderung der Öffentlichkeits- arbeit der Schule. Die Jahreshaupt- versammlung findet in der Regel in einem Betrieb oder einer kulturellen Einrichtung der Region statt und ist somit mit entsprechenden Besichtigungen und Informationsveranstaltungen verknüpft. Die in der Satzung verankerte Kontaktpflege zu in- und ausländischen Schulen findet ihre Umsetzung beispielsweise in Zuschüssen für den Schüleraustausch mit der polnischen Partnerschule „Oppelner Piasten“ in Krapkowice. Auch bei der Anbahnung einer Partnerschaft mit der chinesischen Schule Finance & Economics Vocational School in Qingdao wurden gegenseitige Besuche unterstützt, zuletzt der Besuch einer Schülergruppe im März 2018 in China. Die Ihnen vorliegende Festschrift wurde vom Förderverein der BBS Wissen mitfinanziert. Dies gilt auch für die gesamte Projektwoche mit dem Tag der Offenen Tür. Ist das allein nicht Grund genug, dem Förderverein beizutreten? Der Jahresbeitrag von sechs Euro für Schüler, 13 Euro für Privatpersonen oder 60 Euro für Unternehmen ist sicher kein Hinderungsgrund. Zudem ist der Beitrag steuerlich absetzbar. Nähere Informationen und einen Beitrittsantrag finden Sie auch unter www.bbs-wissen.de/Schule/Partner/Förderverein.

Nach 20 Jahren als Vorsitzender des Vorstand des Fördervereins (2015). V. r. Peter Wilking (2. Vorsitzender), Fördervereins der BBS Wissen übergibt Katharina Aulmann (Beisitzerin), Detlef Vollborth (1. Vorsitzender), Heinz-Georg Roezel (rechts) Andreas Conrad (Schatzmeister), Dr. Thomas Stahl (Schriftführer), den Vorsitz an Detlef Vollborth. nicht auf dem Foto: Volker Stausberg (Beisitzer)

78 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Angehende Erzieherinnen lockern den Festakt mit Festredner Ministerialdirigent a. D. Martin Decker. Kostproben ihres Musicals „30 Jahre BBS Wissen auf“.

[Siegener Zeitung vom 1. Okt. 1999] [Rhein-Zeitung vom 1. Oktober 1999]

„Schachmatt“. Auszubildende verschiedener Berufszweige liefern sich erbitterte Gefechte.

[Rhein-Zeitung vom 2. Oktober 1999]

Auch Europa war Thema bei der Projektwoche. Hier Das Festbüffet ist eröffnet. schmücken Schülerinnen den Raum mit europäischen Fahnen.

[Siegener Zeitung vom 1. Oktober 1999] [Rhein-Zeitung vom 2. Oktober 1999]

Kunst- und Werkerziehung leistet, um Dokumentation übernommen. Gezeigt pitel eines unveröffentlichten Romans „das sinnliche Erkenntnisvermögen zu wurden Arbeiten des Fotografen Nihad und Klaus-Peter Wolf sprach über den schulen und einen Gegenpol zur alltäg- Pusija aus Sarajewo sowie der beiden neuen Film „Hetzjagd“. Auch das Hein- lichen Reizüberflutung aufzubauen.“ Berliner Theo Heimann und Martin Knack-Theater aus Hennef gastierte 1994 war die Ausstellung „Aus der Fejér. Dokumente, Karten und Augen- mehrfach. Hölle ins Ungewisse – Flüchtlinge zeugenberichte ergänzten die Bilder. Dass Schule nicht nur „büffeln“ für aus Bosnien“ im Foyer der Schule zu Die Ausstellung war zuvor bereits in 14 Prüfungen bedeutet, beweisen die sehen. Hubertus Eunicke, Leiter des deutschen Städten zu sehen. Abschlussklassen der Fachschule für Diakonischen Werkes Altenkirchen, Ein Stück Öffnung bedeuten auch die Erzieher immer wieder. Ihre Musical- eröffnete die Ausstellung mit dem Zi- Autorenlesungen, die von Zeit zu Zeit aufführungen sind stets ein kultureller tat: „Die Stärke einer Gesellschaft be- an der Schule stattfinden. So war der Höhepunkt des Schuljahres. Im Som- misst sich an ihrem Verhältnis zu den Dichter Heiner Feldhoff zu Gast, des- mer 1996 führten sie z. B. das Musical Schwachen.“ Gemeinsam mit dem sen Gedichte „Europa“ oder „auf dem „Hair“ live und wie immer ohne Play- Caritasverband hatte sein Verband die Lande“ Alltagserfahrungen verarbeiten. back auf. Dank der Bühnendekoration Organisation und Finanzierung dieser Hans-Georg Noack las das Anfangska- und Kostümierung gelang es ihnen, die

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 79 Motto „Für ein friedliches Miteinan- der“ zu stellen. 500 Schülerinnen und Schülern der Vollzeitklassen setzten sich drei Tage mit Gewalt und Frem- denfeindlichkeit auseinander. Einige Projekte beschäftigten sich unmittelbar mit Gewalt in verschiedenen Varianten. Fernsehsendungen wurden unter die- sem Aspekt analysiert, in Rollenspielen wurden die Auseinandersetzungen mit Gewalt thematisiert. Wie stark Spra- che, ob privat oder öffentlich, davon durchdrungen ist, belegte eine andere Gruppe, die dies auch in Form von Bild- und Toncollagen demonstrierte. Eine weitere Gruppe gestaltete einen Gottesdienst zum Thema Gewalt. Das Einen 30-minütigen Film über die Berufsvorbereitung an der BBS Wissen Überwinden von Vorurteilen und die Gestaltung eines friedlichen Mitein- drehte ein Team des Südwestfunks. Der Beitrag mit dem Titel „Die zweite Chance“ anders war Leitthema vieler Projekte. wurde am 20. März in der Reihe „Beispiele machen Schule“ ausgestrahlt. Eine Gruppe hatte dazu zunächst Asyl- [Rhein-Zeitung vom 9. Februar 1996] bewerber in Wissen aufgesucht und sich mit ihrem Alltag beschäftigt. In der BBS wurde dann ein „Eine-Welt- Zuschauer der vollbesetzten Aula der des gewerblich/technischen Berufsvor- Café“ eingerichtet, in dem die Begeg- BBS zu begeistern und die Atmosphäre bereitungsjahres präsentierten selbst nung mit ihnen möglich war. Direkt der späten sechziger Jahre zu zaubern. gefertigte Gegenstände aus Holz oder nebenan wurden türkische und syri- Ernster ging es dagegen bei dem Be- Metall. Ein kleiner Wettbewerb lud zum sche Tänze angeboten. Das Erstellen such des Landtagspräsidenten Chris- Hobeln ein. Angehende Erzieherinnen eines internationalen Kochbuches trug toph Grimm zu, der mit Schülern und und Erzieher stellten zu Demonstrati- theoretisch zur Völkerverbindung bei, Schülerinnen der Höheren Berufsfach- onszwecken Sandbilder her, Industrie- internationale Gerichte kamen auch schule über Arbeitslosigkeit und über und Bürokaufleute informierten über auf den Tisch. Wieder andere beschäf- die Situation der in der Bundesrepublik ihre Tätigkeit. Andere Klassen boten tigten sich mit Sprachen als Brücken lebenden Ausländer diskutierte. Einblicke in Verkaufsgespräche, be- zwischen Völkern. Ein Klassenzimmer Jede Schule braucht Öffentlichkeit zur rechneten Nährwerte oder maßen den war zum Leseraum umgestaltet wor- Selbstdarstellung. Informationsstände Blutdruck, um nur einige Beispiele zu den, in dem aus Werken von Autoren, bei Ausbildungsbörsen und besonders nennen. die in der Zeit des Nationalsozialismus Tage der offenen Tür sind geeignet, die Einem größeren Publikum konnte sich verboten und verfolgt waren, gelesen eigene Leistungsfähigkeit einem breite- das Berufsvorbereitungsjahr der BBS wurde. Nebenan war eine Buchausstel- ren Publikum zugänglich zu machen. Wissen vorstellen. Ein Fernsehteam des lung über Ausländer in Deutschland zu Anlass dazu boten in den vergangenen Südwestfunks produzierte einen 30-mi- sehen. Am letzten Projekttag hatten alle Jahren mehrere Schuljubiläen: 10 Jah- nütigen Bericht. 2003 zeigten Schüler Gruppen die Möglichkeit, ihre eigenen re Fachschule Wirtschaft, Schwerpunkt der BBS ihr Können bei der 7. Hand- Ergebnisse zu präsentieren und zu se- Datenverarbeitung (1995), 20 Jahre werkerleistungsschau in Wissen. hen, was die anderen zu bieten hatten. Fachschule für Altenpflege (1996), 25 Damit konnte eine weitere Idee dieser Jahre Fachschule für Erzieher (1996), Tage umgesetzt werden, ging es doch 25 Jahre Berufsvorbereitungsjahr 8.3 Wohlfühlen in der nicht nur um den Abbau von Frem- (1998). Daneben fanden verschiedent- Schule denfeindlichkeit, sondern auch darum, lich schulartübergreifende Tage der innerhalb der Arbeitsgruppen die Zu- offenen Tür statt, so 1992 unter dem Unterricht soll nicht nur Last sein, sammenarbeit von Schülerinnen und Motto „Unsere Schule führt zum Beruf sondern darf und soll auch Spaß ma- Schüler verschiedener Schulformen zu und bildet“. Mehrere Hundert Interes- chen. Grundvoraussetzung ist aber, fördern und innerschulische Kontakte senten von Haupt- und Realschule so- sich wohlzufühlen. Dies dachten auch herzustellen. Die veränderte Arbeitsat- wie Gymnasium aus dem ganzen Kreis- die Schüler einiger Vollzeitklassen. Sie mosphäre führte natürlich auch zu gebiet nutzten die Gelegenheit, sich griffen zu Farbtopf und Pinsel und ver- neuen Begegnungsmöglichkeiten zwi- mit dem weitverzweigten Bildungsan- schönerten ihren Klassenraum. Wohl schen Schülern und Lehrern. gebot vertraut zu machen. In fast al- fühlt man sich dort, wo ein friedlicher Das Lernen in Projekten war für die len Räumen fanden Vorführungen der Ton herrscht. Vielleicht auch ein Grund meisten Beteiligten eine neue Erfah- einzelnen Berufsgruppen statt. Schüler dafür, die Projekttage 1994 unter dem rung; an die Stelle des herkömmlichen

80 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Lehrer-Fußballmannschaft Lehrersport: Volleyball

Gemeinsame Aktivitäten des Kollegiums

Kegelklubausflug nach Sachsenhausen

Betriebsauflug ins Ahrtal (1999)

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 81 [Rhein-Zeitung vom 11. Juli 2002]

Die Schüler des BGW 2000 freuen sich mit ihrer Lehrerin Lucia Geisemeier (hinten rechts) über den 2. Preis beim Landeswettbewerb „Zivilcourage“ der Landeszentrale für politische Bildung.

[Rhein-Zeitung vom 9. Juni 2001]

[Rhein-Zeitung vom 27. Dezember 2000] 82 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Unterrichts trat ein Arbeiten in Grup- angehenden Bankkaufleute zutreffen. von 800 DM an die Kinderstation des pen. Die Schülerinnen und Schüler „Streitfall: Abreißen – Aufbauen – Er- Elisabeth-Krankenhauses in Kirchen konnten frei auswählen, in welchem halten?“ lautete einer der Themenkom- übergeben werden konnte. der 23 Projekte sie mitarbeiten wollten. plexe beim Schülerwettbewerb zur po- War bisher in erster Linie von den Zudem gab es die Möglichkeit, Inhal- litischen Bildung 1995. Einen solchen Schülern die Rede, so soll zum Ab- te und Vorgehensweisen mitzubestim- Streitfall, so meinten die Schülerinnen schluss dieses Kapitels ein kurzer Blick men und Aktivitäten aus der Schule zu und Schüler, gibt es auch vor Ort, und auf die Belegschaft der Schule gewor- verlagern bzw. mit Vertretern des Kreis- zwar die ehemalige Germania Braue- fen werden. Nicht nur die formellen jugendamtes Altenkirchen und der OT rei Wissen. Ihre Dokumentation wurde Strukturen in der Schule bestimmen Wissen zusammenzuarbeiten. unter 3415 eingereichten Arbeiten, an die tägliche Arbeit, sondern eine Viel- Angesichts der Erfahrungen und der denen über 87000 Jugendliche betei- zahl informeller Kontakte schaffen ein von allen positiv gesehenen Ergebnisse ligt waren, mit einer Geldprämie ausge- produktives Arbeitsklima, ein Klima dürften die Projekttage zu einer fes- zeichnet. Besonders beeindruckt zeigte zum Wohlfühlen. So wundert es nicht, ten Einrichtung an der Schule werden; sich die Jury von der Professionalität dass sich Kollegen auch außerhalb der vielleicht gelingt es sogar, alle Schüle- der Darstellung. So skizzierten die Teil- Schule treffen, beispielsweise zum Vol- rinnen und Schüler, also auch die der nehmer die Entwicklung der Brauerei. leyball, zum Schach, zum Kegeln, zum Berufsschule, einzubeziehen. Außerdem führten sie eine Umfrage Frauenstammtisch oder auch zum Be- 1998 fanden wieder gemeinsame Pro- durch, was mit dem erst 1992 unter triebsausflug, der seit einigen Jahren jekttage statt, diesmal unter dem The- Denkmalschutz stehenden Sudhaus sogar in der Freizeit stattfinden muss. ma „Mit unseren Stärken arbeiten“. geschehen solle. Die Klasse setzt sich Existenzgründung, Meditation und Ar- uneingeschränkt für die Erhaltung des beiten im Internet bildeten die Schwer- Gebäudes ein und unterstützt den Vor- 8.4 Erstmals werden punkte. schlag des Wissener Arztes Dr. Bren- Grenzen überschritten Wohl fühlt man sich auch dann, wenn debach, auf dem Gelände ein sozio- die eigene Leistung oder die Leistung kulturelles Zentrum zu errichten. Europa wächst zusammen – und was der Klasse anerkannt wird. Dies dürfte Neben der Freude über die Auszeich- ist mit den Menschen? Gemeinsam mit in besonderem Maße auf die Schülerin- nung – die Klasse spendete den Geld- dänischen Jugendlichen verbrachten im nen und Schüler des Berufsvorberei- betrag zugunsten krebskranker Kinder Juli 1993 Schüler der Berufsbildenden tungsjahres Holz und Metall (BVJ 90a) einem Kinderkrankenhaus – empfan- Schule Wissen im Rahmen des Pro- zutreffen. Beim Schülerwettbewerb der den die Schülerinnen und Schüler al- jektes „HORIZON“ einige Tage in der Bundeszentrale für politische Bildung lerdings Bedauern darüber, dass sich Produktionsschule Stenderup in Däne- 1990 gewannen sie einen Hauptpreis. bei der Diskussion um die Zukunft der mark. Dieses aus EG-Mitteln geförderte Ihr Unterrichtsprojekt „Ohne Wasser Wissener Brauerei kein Fortschritt zeig- Projekt will die technische Informatik- ist kein Leben“ wurde mit 2000 DM te. Die Resonanz auf die Dokumen- grundbildung, die sprachliche Kompe- prämiert. Auf die Idee dazu kamen die tation fiel gering aus, und auch von tenz und die sozialpädagogische Be- Schüler selbst. Es begann damit, dass politischer Seite war das Echo schwach. treuung fördern und leistet einen guten von jedem in der Metallwerkstatt eine Der Rhein-Zeitung war sie jedoch eine Beitrag zur Prävention gegen Gewalt Uhr gebaut wurde, die anschließend in Sonderseite wert. Mittlerweile ist das und Rechtsradikalismus. Die deutschen einem galvanischen Betrieb verchromt Gebäude einem Gastronomiebetrieb Jugendlichen lebten mit den dänischen werden sollte. Bevor es soweit war, er- gewichen. Jugendlichen zusammen, sie arbeiteten fuhren die Schüler allerdings aus der Die Freude über das Erreichte will man gemeinsam und verbrachten gemein- Zeitung, dass diese Firma die Sieg mit mit anderen teilen und feiern. Warum sam auch ihre Freizeit bei Spielen und ihrem Abwasser belastet. Das Projekt sollte dies nicht auch für das erreichte Sport. war geboren: die Verschmutzung der Ausbildungsziel in der Schule gelten? Die Teilnehmer der Berufsbildenden Sieg im Kreis Altenkirchen. Es soll auch Vom Musical bis zum Sketch und der Schule Wissen kehrten mit vielen In- nicht verschwiegen werden, dass be- Jongliernummer reichten die Darbie- formationen und praktischen Erfahrun- reits beim Schülerwettbewerb der Bun- tungen bei der ersten gemeinsamen gen im Gepäck nach Hause zurück. deszentrale für politische Bildung 1983 Abschlussfeier 1995 der BBS. Für über Erfahrungen, die für ein zukünftiges die Klasse BVJ-M-83 a einen Haupt- 150 Schülerinnen und Schüler der Voll- Arbeitsleben wertvoll sind. Einen Blick preis, der mit von 1000 DM prämiert zeitklassen endete damit nach bestan- über die Grenzen hat bei Jugendlichen war, gewonnen hat. dener Prüfung die Schulausbildung. dazu beigetragen, dass Europa weiter Ebenso stolz auf ihre Leistung können Die Absolventen/innen der Fachober- zusammenwächst. die Apothekenhelferinnen sein, die den schule verabschiedeten sich 1995 auf Mit sechs anderen rheinland-pfälzi- 1. Preis beim Schülerwettbewerb der ihre Weise mit einem „Abi-Streich“. Sie schen Schulen nahm die BBS Wissen Landeszentrale für politische Bildung schraubten kurzer Hand die Autokenn- am Projekt „NOW“ – New Opportuni- Rheinland-Pfalz errangen. Sie bearbei- zeichen an einigen Lehrerfahrzeugen ties for Women teil, das „neue Chan- teten das Thema „Ich engagiere mich“. ab, um sie anschließend in der Pausen- cen für Frauen“ ermöglichte. Die Eu- Es galt, persönliches Engagement in halle in einer amerikanischen Verstei- ropäische Union schuf damit auf dem der Schule, in Vereinen oder Gruppen gerung zu versteigern. Nicht nur Bildungssektor ein Förderprogramm bzw. im sozialen, ökologischen und po- die betroffenen Kollegen nutzten die ausschließlich für Frauen, das mit litischen Bereich darzustellen. Gelegenheit die „begehrten“ Stücke zu 1,8 Millionen Mark aus dem Europä- Das vorher gesagte dürfte auch auf die erwerben, sodass der Erlös in Höhe ischen Sozialfonds finanziert wurde.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 83 Die Vertreterinnen der finnischen Partnerschule informieren sich über den Unterricht an der Fachschule für Altenpflege.

[Rhein-Zeitung vom 22. Dezember 1998]

Ein Schwerpunkt war die internationale zubildende zur Hauswirtschaftshelferin des EU-Projektes war, die Teilnehmer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der und fünf Jugendliche aus dem Förder- auf die Berufs- und Arbeitswelt durch Erzieherausbildung. lehrgang des Jugenddorfes Wissen mit handlungsorientierten Unterricht vor- Im Frühjahr 1994 verbrachte eine De- ihren Betreuern für zwei Wochen zu zubereiten. Die finanziellen Mittel legation von zehn Expertinnen und Ex- einem Begegnungs- und Erfahrungs- für die Materialbeschaffung wurden perten aus Nordirland und Dänemark austausch nach Ennis, einer kleinen gestellt. Darüber hinaus konnten die mehrere Tage an der BBS Wissen. Hos- Stadt an der Westküste Irlands. Der Werkstätten und Arbeitsräume bes- pitation im Unterricht, Erfahrungsaus- Kontakt zum dortigen Jugendzentrum ser ausgestattet werden. So wurde im tausch über die Verschiedenartigkeit wurde schon vor zwei Jahren geknüpft, Holzbereich eine CNC-Maschine be- der Erzieherausbildung in den betei- als fünf Mitarbeiter aus Ennis im Ju- schafft, mit der Fräsarbeiten durchge- ligten Ländern und Berichte über die genddorf zu Gast waren. Den Unter- führt werden können. Eine moderne im Rahmen von NOW durchgeführten schied zwischen Jugenddorf und Youth Schweißanlage erleichtert künftig die Projekte standen auf dem Programm. Centre konnten die Jugendlichen aus Vorbereitung auf Metallberufe. Im Im Oktober startete eine Gruppe künf- Wissen schnell erkennen. Dort gab es hauswirtschaftlichen Bereich konnten tiger Erzieherinnen zu einem vierzehn- kein Internat. Die angehenden Haus- zehn moderne Nähmaschinen gekauft tägigen Aufenthalt zum nordirischen wirtschaftshelferinnen arbeiteten in der werden und mithilfe des Programms Belfast. Das abwechslungsreiche und Küche mit dazugehöriger Cafeteria und MEJAH ein Frisurencomputer, der nun sehr arbeitsintensive Programm bot ne- die Jugendlichen aus dem Förderlehr- zur Vorbereitung auf den Friseurberuf ben dem täglichen Computer- und Eng- gang waren in den Bereichen Holz, Me- zur Verfügung steht. lischtraining einen Einblick in wesent- tall und Polsterei tätig. An den Wochen- Leonardo da Vinci, ein Aktionspro- liche pädagogische Elemente, wie die enden wurden das Gastland erkundet: gramm der Europäischen Union zur englische Kinder- und Jugendliteratur Bunratty Castle und Park mit seinem Unterstützung der Bildungspolitik und oder Musikerziehung. Sehr beeindruckt riesigen Freilichtmuseum, The Dolmen Zusammenarbeit, brachte der Fach- zeigten sich die Schülerinnen von einer mit 4000 Jahre alten Gräbern, die Städ- schule Altenpflege Partnerschaften Farm und einem „Naturcenter“, deren te Limerick und Galway. Höhepunkt außerhalb Deutschlands. Auszubilden- Zielsetzung darin besteht, Kinder im war eine Radtour zu den Cliffs of Mo- de in der Alten- bzw. Krankenpflege Sinne einer „handlungsorientierten Pä- her mit ihren 200 Meter steil ins Meer sollen auf diesem Weg die Lern- und dagogik“ den Umgang mit der Natur zu abfallenden Klippen. Arbeitsverhältnisse in anderen Staaten, vermitteln. 1995 bot sich für Jugendliche des Be- aber auch deren Kultur kennenlernen. Mit einer kleinen Ausstellung doku- rufsvorbereitungsjahrs Holz/Metall im Gleichzeitig diente das Projekt der An- mentierten die Wissener Fachschüle- Rahmen eines Projektes, eine Schul- gleichung der Ausbildung und der Ab- rinnen ihre Erfahrungen. küche zu renovieren. Möglich wurde schlüsse in der Europäischen Union. Im Rahmen des Petra-Programms der dies durch die Teilnahme am Projekt Im November 1995 informierten sich Europäischen Union flogen fünf Aus- Horizon der Europäischen Union. Ziel Vertreterinnen der finnischen Partner-

84 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) schule „South-Carelia Polytechnic“ an der Wissener Fachschule. Im Mai 1996 besuchten dann im Rahmen des Aus- tauschprogramms 15 Schülerinnen und Schüler der Fachschule für Altenpflege die Fachschule für Altenfachbetreuer/ innen in Bregenz (Österreich). Parallel zu diesem Austausch empfing die Wis- sener Fachschule in mehreren Blöcken Auszubildende einer Krankenpflege- schule aus Brügge (Belgien).

8.5 Großer Trubel kurz vor dem Millennium

Die Siegener Zeitung schrieb über den v. l. Freifrau von Hövel, Dr. Günter Fischer, Tag der offenen Tür am 30. September Mario Schneider von der FOS. 1999: „Anlass waren gleich drei große

Jubiläen: Seit dreißig Jahren ist die Be- [Rhein-Zeitung vom 11. Juli 1995] rufsbildende Schule in dem Gebäude in der Hachenburger Straße unterge- wesen im Kreis Altenkirchen zurück- Neben interessierten Eltern waren auch bracht, genau vor fünfzig Jahren wurde geblickt werden. Das wurde von den zahlreiche Vertreter aus Wirtschaft und der erste Jahrgang der Handelsschule, Schülern und Lehrern mit einer Pro- Politik erschienen, um dem Schulleiter der heutigen Berufsfachschule Wirt- jektwoche und einem Schulfest groß Dr. Roland Dosch zu gratulieren. [Dr.] schaft, eingeschult, und gleichzeitig gefeiert, zu dem vor allem alle Ehemali- Dosch konnte einige Schüler aus dem kann auf hundert Jahre Berufsschul- gen eingeladen waren. ersten Jahrgang der Handelsschule von

Im September 1997 startete die Duale Oberschule, deren Oberstufen in die Berufsbildenden Schulen Betzdorf-Kirchen und Wissen integriert wird. Die neue Schule führt die Schüler/innen nach der Orientierungsstufe gezielt an die spä- tere Berufswelt heran. So wird in den Klassen 7 bis 9 unter anderen mit der BBS zusammengearbeitet, um „Praxis in der Schule“ im Unterricht konkret umzusetzen. In der Sekundarstufe II (Klasse 10 bis 12) erwerben die Schüler/innen dann als Auszubildende neben dem Berufsabschluss auch die mittlere Reife. Dieser Schulform war kein langes Leben beschieden. Die Duale Oberschule in Kirchen ging beispielsweise in der neu installierten Integrierten Gesamtschule (IGS) auf.

Klasse 5 c bereitet sich in der BBS-Küche einen Imbiss: Selcan, Christina, Murat und Jasmin (v. l.) von der Klasse 5 c der Dualen Oberschule Betzdorf sind begeistert von der BBS.

[Rhein-Zeitung vom 7. September 2001]

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 85 1949 begrüßen und zählte die wichtigs- und gemeinsam mit anderen Lehrlin- Schule gemäß der Anzahl der Schü- ten Bewertungskriterien der damaligen gen einen Fragebogen entwickelt. ‚Ich ler nur begrenzte Lehrerstunden zur Zeugnisse auf: Wichtig waren Schrift, weiß jetzt viel besser Bescheid’, sagt sie. Verfügung, sodass „Miniklassen“ nicht Betragen, Fleiß und Ordnung. Mit ei- ‚Schachmatt’ tönt es derweil aus dem vertretbar waren. Einigen Fachklassen nem Augenzwinkern bemerkte er: ‚Wie vierten Obergeschoss, wo sich Auszu- der Berufsschule drohte ebenfalls das gut, dass wir das heute nicht mehr bildende verschiedener Berufszweige „Aus“. Akut gefährdet waren die Klas- brauchen.’“ ein erbittertes Gefecht liefern. Zwei Be- sen der Verwaltungsfachangestellten, In seiner Festrede fasste Ministerialdi- treuer sehen ihnen über die Schulter Hauswirtschafterinnen und besonders rigent a. D. Martin Decker die Entwick- und geben Tipps. Zur gleichen Zeit pharmazeutisch-kaufmännischen An- lung des Berufsschulwesens während sammeln Schüler im Berufsvorberei- gestellten (PKA). Bei Letzteren wurden der vergangenen 100 Jahre zusammen tungsjahr im Foyer ihre erste Verkaufs- im Schuljahr 1996/97 zwölf, 1997/98 und sagte: „Die Anpassung an die Ar- erfahrung, indem sie selbst gefertigte elf und 1998/99 nur fünf Auszubil- beitswelt und ihr Innovationsdrang sei- Schatzkistchen, Kerzenhalter und Uh- dende aufgenommen. 1 Die Apotheker en die Stärken dieser Schule, und so sei ren anpreisen. Die Hauswirtschafterin- des Kreises sagten jedoch zu, in den die Investition in die Berufsschulen die nen servieren in der Zwischenzeit [den] kommenden zwei Jahren jeweils zwölf beste Kapitalanlage der Gesellschaft.“ hungrigen Gästen leckere Lachshäpp- Ausbildungsplätze zur Verfügung zu „Eine Kunstausstellung, Werbung, ein chen und Kuchen.“ stellen.2 Musical, ein Schachturnier und Er- Den musikalischen Rahmen gestalte- Waren Bürokaufleute früher als echte lebnispädagogik: In 36 Projekten zer- ten die Teilnehmer der Fachschule für Allrounder sowohl beim Dachdecker brachen sich die Schüler … eine Wo- Erzieher. Sie führten ihr Musical „Me- als auch in der öffentlichen Verwaltung che lang den Kopf zu einem Thema, mories in my Dreams“ auf, in dem sie einsetzbar, so verlangen Betriebe heu- malten Plakate, werkelten, dekorier- die verschiedenen Stationen der Schul- te immer häufiger branchentypisches ten oder kochten. … ‚Bitte schweigend entwicklung darstellten. Zu bekannten Know-how. Neue Berufsbilder wie der eintreten’, steht an einer Tür. Drinnen Melodien hatten sie die passenden Tex- Automobilkaufmann entstanden, für umfängt den Besucher ruhige Musik, te geschrieben. die es Fachklassen nur in weiter Entfer- Lichtflecken kreisen über den weichen nung gab: Siegen, Neuwied, Koblenz. Schaumstoffboden, eine Kuschelecke Seitens der Unternehmen wurde daher lädt dazu ein, ‚die Seele baumeln zu 8.6 Herausforderungen zur angeregt, zum Schuljahr 2000/2001 lassen’: Angehende Altenpflegerinnen Jahrtausendwende eine Fachklasse für zukünftige Auto- und Erzieherinnen haben aus dem kah- mobilkaufleute einzurichten. Hierzu len Klassenraum einen behaglichen Ort 8.6.1 Mudersbach kam es jedoch nicht, da die geforder- gezaubert. ‚Snoezelen und Co.’ heißt und KMK-Änderungen ten 16 Auszubildenden nicht zusam- das Projekt, das als Freizeitangebot für menkamen. Im Gegensatz dazu konnte Behinderte, Kinder und Senioren ent- Eine besondere Herausforderung für in Kooperation mit der BBS Betzdorf- wickelt wurde. ‚Das kann man gut im alle Betroffenen stellte die Auslagerung Kirchen im Schuljahr 2001/2002 eine Kindergarten umsetzten’, meint Manu- von 13 Klassen mit 300 Schülern zum Fachklasse IT (Informationstechnolo- ela, der die Projektwoche großen Spaß Schuljahr 1998/99 dar. Neben den gie) eingerichtet werden. Die Fachklas- gemacht hat. Im Raum gegenüber Klassen der Fachschule Erziehung, der se deckt die vier IT-Berufe Fachinforma- druckt Stefanie einer Frau gerade einen Fachschule Altenpflege, der Fachschu- tiker, Informatik-Kaufmann, IT-System- ‚Geburtstagsspiegel’ aus. Auf diese Wei- le Heilpädagogik waren hiervon auch elektroniker und IT-Systemkaufmann se erfährt diese unter anderem, dass die Fachklassen der Friseure betroffen. ab. Wäre es damals nach dem Willen auch der Schauspieler Keanu Reeves an Das 30 Jahre alte Gebäude in Wissen der Firma Schäfer Shop gegangen, gebe ihrem Geburtsdatum das Licht der Welt war mittlerweile viel zu klein geworden. es heute auch eine Fachklasse für Me- erblickte. Die zukünftigen Bankkauf- Seit Jahren litt man unter akuter Raum- diengestalter. leute im ersten Lehrjahr haben in ih- not, sodass dringend leere Klassenräu- In den folgenden Jahren wurden für rem Projekt außerdem Plakate gemalt, me gesucht wurden, die schließlich im die meisten Ausbildungsberufe neue die über ihren Beruf informieren. Hauptschulgebäude in Mudersbach Lehrpläne konzipiert. Die herkömm- Schülerinnen der Fachschule für Erzie- kurzfristig zu haben waren. lichen Fächer gingen in Lernfelder/ hung haben sich mit Erlebnispädagogik Das neue Schuljahr 1999/2000 war Lernbereiche auf. Hintergrund ist die beschäftigt und dazu Spiele ausgedacht. ein bitteres Jahr für die Absolventen Abkehr der KMK von den stark diffe- Beim ‚Vertrauensfall’ lässt sich ein Ein- der Fachoberschule Wirtschaft. Bereits renzierten Ausbildungsberufen und die zelner auf die überkreuzten Arme der nach fünf Tagen musste der Unterricht Absicht Basisberufe einzuführen. Von Mitspieler plumpsen. ‚Das soll Angst abgebrochen werden. Von den 18 an- den 360 Ausbildungsberufen gelten et- abbauen’, erklärt Katrin. Das Projekt gemeldeten Schüler/innen waren nur wa 200 als „Splitterberufe“. „Da die habe ihr viel für ihre Arbeit gebracht, 9 zum Schulbeginn erschienen. Da Innovationszeiten von Produkten und sagt die Auszubildende. Auch Christi- die Schule ohnehin schon viele rela- Dienstleistungen heute schon in vielen ne findet die Projektwoche ‚interessant’ tiv kleine Klassen hatte, waren keine Fällen kürzer sind als ein Ausbildungs- und ‚informativ’. Sie hat sich am Pro- Puffer an Lehrerstunden vorhanden. jekt zur Europäischen Union beteiligt Im Rahmen von „PAUSE“ stehen der 1 Rhein-Zeitung vom 20.März 1999. 2 Rhein-Zeitung vom 10./11. Juli 1999.

86 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Verabschiedung Dr. Dosch

Rhein-Zeitung v. 1./2. Februar 2003

durchlauf, ergibt sich die Notwendig- Diese Konzeption erfordert eine völlig lich.4 Dies gilt insbesondere für den keit, von dem bisherigen Berufsprinzip, andere Organisation des Unterrichts. hauswirtschaftlichen Bereich und die das zu immer neuen Berufen führte, Darüber hinaus erwarten die Ausbil- sozial-pädagogischen Fächer (Pädago- abzuweichen. Eine grundsätzliche Neu- dungsbetriebe von den Schulen, dass gik und Psychologie). Die Ursachen orientierung ist notwendig. Dies er- ihre Belange stärker berücksichtigt wer- dafür sieht der Elternbeirat – anders scheint umso dringlicher, wenn man den. Dem wird durch eine größere Fle- als Bildungsminister Zöllner und die bedenkt, dass weniger als die Hälfte der xibilität in der Unterrichtsorganisation Bezirksregierung – nicht darin, dass Absolventen des Dualen Systems im Rechnung getragen, z. B. unterschied- in Zeiten knapper Stellen und eines Anschluss an die Ausbildung im erlern- liche Stundenanteile in den verschiede- Bewerberüberhangs Lehrerinnen und ten Beruf arbeitet. ... Die von der KMK nen Ausbildungsstufen. Darüber hin- Lehrer, die nicht aus der Region stam- vorgeschlagenen Basisberufe werden aus bringen vermehrte Betriebserkun- men, andere Standorte bevorzugen. So verstanden als Ausbildungsberufe, die dungen sowie Vorträge von Experten hatte der Minister in einem Schreiben durch Vermittlung eines breiten beruf- aus der Wirtschaft die Praxis in die an MdL Dr. Peter Enders (CDU) argu- lichen Orientierungswissens gekenn- Klassenzimmer. mentiert. Die Bezirksregierung hatte zeichnet sind, an das sich ergänzendes dem Schulelternbeirat auf eine entspre- Vertiefungswissen anschließen kann. 8.6.2 Abstimmung mit den chende Anfrage geantwortet, dass die Basisberufe sind konsequenterwei- Füßen? Einstellung von Lehrkräften in Wissen se offen konzipiert. Sie beziehen sich aufgrund der Randlage nicht leicht sei. auf Arbeitszusammenhänge und -pro- Auch an den berufsbildenden Schulen ‚Falls dies tatsächlich zutreffen sollte, zesse und nicht mehr auf spezifische nahm die Schülerzahl stark zu. An- müssten nach unserer Auffassung das Tätigkeiten. Der Kernbereich der Aus- gesichts der leeren Staatskassen bot Ministerium und die Bezirksregierung bildung in einem Basisberuf (ca. 2/3 man älteren Kollegen die Möglichkeit besonders flexibel handeln, um die Si- der gesamten Ausbildungszeit) umfasst zur Altersteilzeit, den jungen Kollegen tuation zu verbessern’, sagte Utsch. Er Orientierungs- und Zusammenhangs- aber nur ¾-Angestellten-Verträge. Die- sieht als einen der Hauptgründe für wissen und soll bundeseinheitlich ge- se Maßnahme, die unweigerlich eine die Probleme bei der Unterrichtsver- regelt werden. Ein Drittel der gesam- Zwei-Klassen-Gesellschaft in der Schu- sorgung die Randlage zu Nordrhein- ten Ausbildungszeit, deren Gegenstand le entstehen lässt, führte auch in Wis- Westfalen und Hessen. Dort erhalten betriebs- und/oder regionalspezifische sen nicht zum Erfolg, so kritisierte der die Bewerber von Beginn ihrer Tätig- Aspekte sind, soll vor Ort zwischen den Elternbeirat den Stundenausfall. „Nach keit an Vollzeitverträge, während sie in Partnern der dualen Berufsausbildung Angaben der Schulleitung ist der wö- Rheinland-Pfalz – von Ausnahmen ab- einvernehmlich geregelt werden.“3 chentliche Unterrichtsausfall beträcht- gesehen – zunächst für die ersten fünf

3 Karl-Heinz Bernzott, Überlegungen der KMK zur Weiter- entwicklung der Berufsbildung, in: Wirtschaft und Erzie- 4 Anm. d. Verf.: Nach einer Meldung in der Rhein-Zeitung hung, Juni 1999, S. 238. vom 17. Januar 2000 betrug der Unterrichtsausfall 11,8 %.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 87 8.6.3 Abschied

Siegfried Dallmann prägte wie kein an- derer 30 Jahre lang die Berufsbilden- de Wissen. Am 31. Januar 2002 wurde er im Rahmen einer Feierstunde in den wohlverdienten Ruhestand verab- schiedet. „Ich schick’ dich zum Dall- mann“ – wurde zum geflügelten Wort und brachte aufmüpfige Schüler blitz- schnell zur Räson. „Da frag ich doch mal den Dallmann“ – sagten die Kolle- gen, wenn sie nicht weiter wussten. Nur ein Jahr später „ging der Kapitän von Bord“. Studiendirektor Peter Wil- king hielt die Laudatio und reflektierte die besonderen Stationen des nun in die „Passivphase der Block-Altersteilzeit“ eintretenden Schulleiters. Dr. Dosch Verabschiedung Dallmann war am 5. Juni 1991 mit dem Satz: „Ich bin ein kollegialer Integrationstyp“ in Rhein-Zeitung v. 1. Februar 2002 das Schulleitungsteam eingestiegen. „Ich denke, aus der Rückschau wer- den alle Kolleginnen und Kollegen Ihre Aussage bestätigen“, meinte Wilking. Ein besonders Lob galt der Fähigkeit sich in andere Menschen hinein zu Jahren nur ¾-Verträge (18 Stunden) Organisation von Schulfesten oder der versetzten. Auch die Schüler bekamen erhalten. Negativ schlage sich diese Profilbildung einer Schule besonders dies zu spüren, und als Dosch 1994 18-Stunden-Regelung auch bei Referen- engagieren. Entscheiden soll über die die jährlich stattfindende Laufbahnbe- daren nieder, weil diese lieber in Nord- Gewährung von Prämien ebenfalls die ratung in der BBS einführte, wurde rhein-Westfalen eine Referendarstelle Schulleitung. Die Prämien können dies hervorragend angenommen. Der mit Aussicht auf eine spätere Vollein- pro Jahr bis zu 2500 Mark betragen.“ Dauerbrenner „Cafeteria“ fand einen stellung annehmen. Schon mehrfach Nicht gemeldet wurde, dass die Kos- versöhnlichen Abschluss. Ebenfalls sei es vorgekommen, dass Referendare ten für die Zahlung aus dem Neuzu- ging die Gründung eines Fördervereins ihre Bewerbung zurückgezogen hätten, schnitt der Grundgehaltstabelle, also am 28. September 1995 auf seine In- weil sie zwischenzeitlich in Nachbar- von den Betroffenen selbst, finanziert itiative zurück. „Die Atmosphäre än- land eine Stelle bekommen hatten.“1 wurden. Nach nur zwei Jahren wurde derte sich, aber offensichtlich wollten Volle Beamtenstellen wurden an der die Leistungsprämie in den Schulen Sie nicht alles neu machen. Ich weiß BBS erst ab 2001 wieder vergeben. stillschweigend zurückgenommen, um noch, dass Sie darauf bestanden, den Darüber hinaus sind ab dem Schul- das Vergabesystem zu überarbeiten. – Schreibtischstuhl Ihres Vorgängers zu jahr 2003/2004 bis zum Schuljahr Und dabei blieb es bis heute! behalten“, sagte Wilking. Landrat Dr. 2010/2011 alle Lehrkräfte – bis zum 50. Die Föderalismus-Reform, die am 1. Alfred Beth würdigte das Engagement, Lebensjahr – an berufsbildenden Schu- September 2006 in Kraft trat, beseitig- das in der Schule neue Akzente ge- len verpflichtet, eine Unterrichtsstunde te die einheitliche Beamtenbesoldung. setzt habe, indem Dosch immer wieder anzusparen. Die Mehrstunde soll an- Nun reguliert jedes Bundesland eigen- auf die veränderte Berufswelt und ihre schließend durch Freizeit ausgeglichen ständig diesen Bereich. Dabei ist man Herausforderungen für die Jugend re- werden. nur Art. 33 Abs. 5 GG verpflichtet: „Das agiert habe. „Neue Ideen machten ihn Der Spiegel meldete am 30. März 2001: Recht des öffentlichen Dienstes ist un- zum Querdenker im positiven Sinne“, „In Rheinland-Pfalz wird ab dem kom- ter Berücksichtigung der hergebrachten meinte Beth, der Dank und Anerken- menden Herbst die leistungsgerechte Grundsätze des Berufsbeamtentums zu nung des Kreises aussprach. Mit dem Entlohnung eingeführt. ‚Wir sind schon regeln und fortzuentwickeln.“ Wie von Schulleiter verließen auch Sabine Nu- seit Längerem mit der Umsetzung be- Experten befürchtet, driften seitdem die gel, die einen Karrieresprung ins Main- schäftigt’, sagte Zöllner. Leistungsprä- Beamtenbezüge in den Bundesländern zer Bildungsministerium machte, und mien soll es in Rheinland-Pfalz geben, auseinander. Schon findet eine Abstim- Bernd Imhäuser, der zur BBS Betzdorf- wenn Lehrer etwa in der Betreuung mung mit den Füßen statt. Junge Päda- Kirchen wechselte, die Schule. von Eltern oder Problemschülern ak- gogen aus Rheinland-Pfalz zieht es ins tiv sind oder wenn sie sich bei der nachbarliche Hessen oder nach Baden- Württemberg. 1 Rhein-Zeitung vom 28.Mai 1999.

88 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Die Rotstift-Liste (Auszug)

Generell 1997 1999 2004 In den meisten Jahren wurden Änderung der Besoldungs- Streichung der Altersermäßi- Reduzierung des Weihnachts- die Ergebnisse der Tarifver- struktur: gung für Lehrer ab dem 55. geldes auf 50 % bei gleichzei- handlungen erst mit zeitlicher Statt zweijährigem Zeitinter- Lebensjahr. Eine Stundener- tiger Zahlung als monatliche Verzögerung auf den Beamten- vall für den Aufstieg in die mäßigung wird nur für die Sonderzahlung von 4,17 %. bereich übertragen. nächste Dienstaltersstufe wer- über 63-Jährigen. Mit den ein- Streichung des Urlaubsgeldes Die Umwandlung des Beförde- den die Intervalle auf bis zu 4 gesparten Stunden soll die Al- für die Besoldungsgruppen ab rungsverfahrens nach A14 auf Jahren ausgedehnt. terteilzeit ermöglicht werden. A 9. reine Leistungsbezogenheit Die Kosten für die Zahlung führte Anfang der 2000er Jah- von Leistungszulagen, -prämi- 2001 2006 re zu starken Verwerfungen. en und -stufen sollen aus dem Absenkung des Versorgungs- Die bereits eingeschränkte Ab- Beförderungen gab es nur Neuzuschnitt der Grundge- höchstsatzes auf 71,75 % bei zugsfähigkeit der Kosten des noch an Schulen, die ihre Kan- haltstabelle finanziert werden. acht Anpassungsschritten ab Arbeitszimmers als Werbungs- didatinnen und Kandidaten Ab 2002 wurde die Zahlung 2003 (auch für bereits im Ru- kosten bei der Einkommen- mit der Note sehr gut an die der Leistungsprämie im Schul- hestand befindlichen Pensio- steuer entfällt.. ADD meldeten. Erfreulicher- bereich eingestellt. när/innen) weise konnte zwischenzeitlich Kürzung der Versorgung: Weg- Senkung der Witwenversor- 2007 ein Beförderungsverfahren fall des Anpassungszuschla- gung auf 55 % (für nach dem entwickelt werden, mit dem ges, Wegfall des Erhöhungs- Änderung bei der Altersteil- 31.12.2001 geschlossene Ehen) die Verteilung der viel zu knap- betrages von 17,30 DM, Ausbil- zeit: Statt 83 % vom Netto pen Zahl an Beförderungsstel- dungszeiten werden nur noch künftig nur noch 60 % vom len zunehmend gerechter an für 3 Jahre anerkannt 2003 Brutto; Anrechnung als ruhe- die einzelnen Schulen vorge- gehaltsfähige Dienstzeit nur nommen werden kann. Wegfall der Jubiläumszuwen- noch 5/10 statt 9/10 1998 dungen als Geldleistung Einführung der Möglichkeit 1992 Reduzierung des Weihnachts- des Hinausschiebens des Ru- Einführung einer Versorgungs- geldes der Beamten für das hestandsbeginns um 3 Jahre Umstellung der Ruhegehalts- rücklage von 0,2 % (Kürzung Jahr 2003 auf 70 % mit Zuschlag von 8 % aufs skala auf lineares System mit der Besoldungserhöhung) Streichung aller Beförderun- Grundgehalt ohne Auswirkung 1,875 % Steigerungssatz pro Erhöhung der Wartefrist für gen für das Jahr 2003. auf die Pension. Dienstjahr. Damit Versor- die Versorgung aus dem letz- verpflichtendes Ansparen ei- gungshöchstsatz von 75 % ten Beförderungsamt von 2 ner Unterrichtsstunde für 2012 nicht mehr nach 35, sondern auf 3 Jahre (am 13.4.2007 hat Lehrkräfte an berufsbildenden erst nach 40 Dienstjahren er- das Bundesverfassungsgericht Für fünf Jahre Deckelung der Schulen ab dem Schuljahr reichbar. die Regelung für rechtswidrig Besoldungserhöhung auf jähr- 2003/04 bis 2010/11. erklärt) lich 1 %. Die Regelung wurde Kürzung der Beihilfe für Be- 1994 Einführung eines Versor- 2015 wieder aufgegeben. amten durch Einführung einer gungsabschlages von jährlich Weihnachtsgeld (Sonderzu- für das Kalenderjahr anzuwen- 3,6 % (max. 10,8 %) bei vor- wendungen) wird eingefroren. denden Kostendämpfungspau- zeitiger Ruhestandsversetzung 2015 Gemessen an dem Stand von schale. In der Besoldungsgrup- wegen Dienstunfähigkeit vor 1993 hatte die Sonderzuwen- pen A12 bis A 15 beträgt die Lehrkräfte treten künftig nicht Vollendung des 63. Lebensjah- dung Ende 2003 nur noch ei- Pauschale 300 Euro jährlich. mehr mit Ablauf des Schuljah- res. nen Wert von 84,29 % einer Einführung einer Zuzahlung res, in dem sie das 64. Lebens- Monatsbesoldung. von 13 Euro pro Monat für die jahr vollenden, in den Ruhe- Inanspruchnahme von Wahl- stand, sondern erst mit dem leistungen im Beihilferecht. 65. Lebensjahr.

http://www.gew-rheinland-pfalz.de/UPL/PDF/Rotstiftliste.pdf?PHPSESSID=otzrbsdlaxg. Stand 26.06.2009 und Ergänzungen

Auf dem richtigen Weg Angesichts des Besoldungsrückstandes wird es immer schwieriger, junge Beamte für den Dienst in Rheinland-Pfalz zu gewinnen. Kein Bundesland bezahlt seine jungen Lehrer schlechter und auch beim Vergleich der „A 13-Jahresbruttobesoldung, Endstufe“ bewegt sich Rheinland-Pfalz 2018 im Verliererfeld. Der Unterschied zu den Bezügen der Bundesbeamten beträgt aufs Jahr bezogen mehr als 5.200 €.1 Ab diesem Jahr soll das Tarifergebnis der Angestellten des öffentlichen Dienstes auf die Beamten in Rheinland-Pfalz zeitnah übertragen werden. Ferner solle die Besoldung der Beamten jeweils 2019 und 2020 zusätzlich am 1. Juli um zwei Prozent angehoben werden. Durch diese Maßnahme hofft die Landesregierung, dass man im Besoldungsranging der Länder einen Platz im verdichteten Mittelfeld erreicht wird. Weiter hofft man, künftig leichter Fachkräfte für den öffentlichen Dienst gewinnen zu können. Man darf gespannt sein, ob die Landesregierung ihr Versprechen einhält und den Tarifabschluss des öffentlichen Dienstes vom März 2019 bei den Beamten umgesetzt. Er sieht bei einer Laufzeit von 33 Monaten rückwirkend zum 1. Januar eine stufenweise Gehaltserhö- hung vor: 3,2 % zum 1. Januar 2019, weitere 3,2 % zum 1. Januar 2020 und nochmals 1,4 % zum 1. Januar 2021.2

1 Vgl. DGB, Besoldungsreport. Die Entwicklung der Einkommen der Beamtinnen und Beamten von Bund, Ländern und Kommunen, April 2018, S. 14 f. 2 Vgl. Siegener Zeitung vom 4. März 2019.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 89 Schulpartnerschaft Zespol Szkos Zawadowych Krapkowice/ Berufsbildende Schule Wissen

99.1 Partnerschaft feierlich Mit einem feierlichen Gottesdienst in Krapkowice an diesem Tag auch ih- der St. Nikolaus-Kirche in Krapkowice re offizielle Namensgebung – „Piastow besiegelt wurde das Schulfest eröffnet. Schon Opolskich“, nach einem alten Adelsge- nach kurzer Zeit konnten die Vertreter schlecht der Piasten – im Rahmen einer Im Rahmen eines ganztägigen Schul- der BBS Wissen feststellen, welche be- Fahnenweihe feierte. Die von den Leh- festes unterschrieben die Direktorin sondere Bedeutung dieser Tag für die rern gestaltete und hergestellte Fahne der polnischen Oberschule, Janina Bar- polnischen Gastgeber hatte. Dies hatte wurde während des Gottesdienstes von bara Kos, und der Wissener Schulleiter seinen Grund jedoch nicht nur in der Bischof Jan Kopiec gesegnet. Danach Dr. Roland Dosch die Partnerschaftsur- bevorstehenden Unterzeichnung der überreichte die Elternvertretung die kunden im historischen Schulgebäude Partnerschaftsurkunden, sondern auch Fahne einer Schülerabordnung. Dies ist von Krapkowice. darin, dass die Ökonomische Schule ein in Polen traditioneller symbolischer

Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrages

90 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Akt, da die Eltern die Schulfahne Zur größten Überraschung der stiften. In einer weiteren symbo- Zuhörer trug Oberstudiendirektor lischen Geste versprachen dann Dr. Roland Dosch seine Rede in die Schüler der Grundstufe stell- nahezu perfektem Polnisch vor, vertretend für alle Schüler, „eifrig was selbst die vielen Schülerin- Schulpartnerschaft zu lernen und sich in der Schule nen und Schüler zu staunender wie im Leben zu engagieren zur Aufmerksamkeit veranlasste. Zespol Szkos Zawadowych Krapkowice/ Freude der Familie, zur Ehre des Im Anschluss daran bekundeten Vaterlandes und zum Wohle und die zahlreichen Vertreter des öf- Berufsbildende Schule Wissen Frieden Europas und der Welt“. fentlichen Lebens ihre Glückwün- Alle bedeutenden Würdenträger sche und Hoffnungen zu einem der Umgebung nahmen an die- guten Gelingen der Schulpartner- sem historischen Ereignis teil, schaft. Unter ihnen der katholi- um den Oppelner Bischof zu un- sche Dekan Christof Korgel, der terstützen. Ebenso war die lokale stellvertretende Landrat Joachim politische Prominenz anwesend. Wojtala, Bürgermeister Piotr Sol- Schülerinnen und Schüler hatten loch und Richard Donitza als Ver- sich entsprechend festlich geklei- treter des Kreistages und alle Di- det. rektorinnen und Direktoren der Im Anschluss an die Messe fand Schulen der näheren Umgebung dann im historischen Schulge- und der Stadt Krapkowice. Partnerschaftsvertrag in polnischer Sprache bäude, einem einstigen Adelssitz Als es schließlich zum bewegen- in unmittelbarer Nähe der Kir- den Akt der Unterzeichnung der che, die Festveranstaltung statt. Partnerschaftsurkunden kam, Musikalische umrahmt wurde die hielt es die Anwesenden nicht Veranstaltung durch den Schul- mehr auf ihren Sitzen. Alle woll- chor unter Leitung von Frau Sala- ten Zeuge dieses historischen Au- mon. Unterstützt wurde der Chor genblickes sein und viele Schüler durch elf Jugendliche vom Otto- drängten nach vorne, um diesen Hahn-Gymnasium Saarbrücken Moment in einem Schnappschuss und deren Chorleiterin Dr. Mar- zu verewigen. git Erfurt-Freund. Als gemisch- Nach einem umfangreichen Mit- ter Chor hatten die jungen Leute tagessen, an dessen Gestaltung bereits in der Kirche ihr heraus- auch Schülerinnen und Schüler ragendes Können mit religiösen des Hauses beteiligt waren, be- Liedern in verschiedenen Spra- gannen im Innenhof des Schul- chen unter Beweis gestellt. In der gebäudes die letzten Vorbereitun- Aula stimmten sie zunächst die gen für die Abendveranstaltun- polnische und die deutsche Nati- gen. Zahlreiche Künstler der Um- onalhymne an, um anschließend gebung nutzten die Möglichkeit, mit der Europahymne und einer sich einem großen Publikum zu selbst verfassten dritten Strophe präsentieren. Das Hauptinteres- den Geist der Partnerschaft zu se der überwiegend jugendlichen verdeutlichen: Besucher galt dabei natürlich den musikalischen Beiträgen örtlich Schweift das Auge in die Ferne bekannter Bands. Zuvor wussten blicken wir auf freies Land. die angereisten Wissener Lehrer Unter’m Schutz der ew’gen Sterne, Partnerschaftsvertrag in deutscher Sprache jedoch ihre Gäste zu überraschen. trieb es uns an diesen Stand, Mit sichtlichem Spaß sangen sie wo der Menschen alte in polnischer Sprache „Sto lat“, Träume die zahlreichen Gäste und Schüler und ein polnisches Glückwunschlied. sich erfüllen und bestehen. erinnerte an das erste Treffen der bei- Zufrieden konnten Landrat Joachim Über Mauern, über Zäune soll der den Schuldirektoren. „Herr Dr. Dosch Czernek sowie alle Beteiligten der bei- Wind der Freundschaft weh’n. hat damals englisch gesprochen – ich den Partnerschulen zu später Stunde [J. Henseler, Mitglied des Saarbrücker russisch – und trotzdem ist es zur Ver- feststellen, dass der Tag ein gelungener Chores] ständigung gekommen.“ Sie freue sich Auftakt zu einer hoffentlich intensiven auf eine Partnerschaft, getragen von ge- und befruchtenden Partnerschaft für Anschließend richtete zunächst Direk- genseitiger „Sympathie, Achtung und beide Seiten war. torin Janina Barbara Kos das Wort an bestem Willen“.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 91 9.2 Von der Oppeln). Teilnehmer Frau Michna und 29. Oktober bis 1. November 2008: Be- symbolischen Handlung zu Herr Reiner Schneider. such der Partnerschule in Krapkowice durch die erweiterte Schulleitung der echter Freundschaft Mai 2004: Partnerschaftsbörse in BBS Wissen. Mainz, Boppard und Wissen. Teilneh- September 1977: Erstmals fährt eine mer Frau Czaja und Herr Gerhard 21. bis 25. April 2009: EURO-Seminar Klasse der BBS Wissen nach Warschau Frömberg. einer Bank- und Verwaltungsfachklasse (Herbert Schmidt). der BBS Wissen in Krapkowice. Deut- Seit dem Schuljahr 2004/2005: Einrich- sche und polnische Schüler widmen Oktober 1999: Erste Kontakte im Rah- tung des Wahlpflichtfaches Polnisch für sich gemeinsam dem Thema Europa. men einer Kreisdelegation zwischen die Höheren Berufsfachschulen. Betreuende Lehrer: Britta Caro-Longe- den Schulleitern der beiden Partner- rich und Gerd Frömberg. schulen Frau Kos und Herrn Dr. Dosch. 12. bis 14. Oktober 2004: Schulleitungs- seminar in Bad Marienberg unter dem November 2009: Schüler und Lehrer 11. bis 13. Mai 2000: Eine Delegation Motto „Lernen, aber nicht belehren“. der Partnerschule nehmen an den Feier der BBS Wissen (Dr. Roland Dosch, Teilnehmer: Frau Czaja und Herr Rei- „40 Jahre BBS Wissen, Hachenburger Reiner Schneider, Rolf Schlich, Gerhard ner Schneider. Straße“ teil. Frömberg, Hubert Kemper und Barbara Manderscheid) fährt nach Krapkowice 6. bis 15. November 2004: Besuch einer und bereitet die Partnerschaft vor. Wissener Schülergruppe in Krapkowice Krapkowice ist immer mit Frau Morus-Vollmer und Rainer eine Reise wert – 10 Jahre 26. März bis 6. April 2001: Hubert Kem- Rinkel. Schulpartnerschaft per und Rolf Schlich hospitieren an der Ökonomischen Schule in Krapkowice. 23. September bis 2. Oktober 2005: Am 28. September 2012 feierte unsere Vierter Schüleraustausch in Wissen. polnische Partnerschule ihr 65-jähriges 17. bis 28. September 2001: Frau Mich- Bestehen. 18 Schülerinnen und Schü- na und Frau Czaja von der Ökonomi- 6. bis 8. Dezember 2006: Arbeitsbe- ler sowie 23 Lehrerinnen und Lehrer schen Schule hospitieren an der BBS such in Krapkowice unter dem Motto: der BBS Wissen waren zum Fest an- Wissen. „Neue Ideen für die Partnerschaft“, da- gereist. Die Feierlichkeiten begannen bei Besuch einer Zachodni Bank, der mit einem gemeinsamen Gottesdienst, Sommer 2001: Ein Schüler der HBB IngBank Slaski und der Handwerks- den der Bischof aus Oppeln zelebrier- absolviert sein vierwöchiges Pflicht- kammer in Krapkowice. te. Anschließend zogen die Teilnehmer praktikum in einem Zementwerk nahe durch die Stadt zum Kulturpalast, wo Krapkowice. 20. bis 25. Juni 2007: Bankfachklasse der Festakt stattfand. Studiendirektor besichtigt die Zachodni Bank in Breslau Reiner Schneider hielt hier zur Über- 17. bis 26. September 2002: Erster und die IngBank Slaski in Krapkowi- raschung aller Anwesenden eine Rede Schüleraustausch. Wissener Schüler ce. Gemeinsame Fahrt mit polnischen in polnischer und deutscher Sprache, und Schülerinnen der Höheren Berufs- Schülern nach Krakau. die von den polnischen Freunde begeis- fachschule besuchen die zukünftige tert aufgenommen wurde. Im Rahmen Partnerschule (Ulrike Hopach und Ger- 11. bis 13. Oktober 2007: Teilnahme von des Festaktes erneuerte die polnische hard Frömberg). Herrn Rainer Rinkel, Reiner Schneider Schulleiterin Barbara Kos und der Stell- und Gerhard Frömberg an den Feier- vertretende Schulleiter der BBS, Peter 20. September 2002: In einer Feier- lichkeiten zum 60. Jubiläum der Part- Wilking, den 10 Jahre alten Partner- stunde unterschreiben die beiden nerschule in Krapkowice. schaftsvertrag durch ihre Unterschrif- Schulleiter Barbara Kos und Dr. Roland ten auf der Urkunde. Zum Abschluss Dosch die Partnerschaftsurkunde. Da- 16. bis 19. Mai 2008: Besuch des Schul- des Festaktes sangen die deutschen zu sind auch Reiner Schneider, Hubert chors anlässlich der Feierlichkeiten Lehrerinnen und Lehrer das traditionel- Kemper und Rolf Schlich gekommen. der Verbandsgemeinde Wissen „40 le polnische Geburtstagslied . . . Jahre Städtepartnerschaft mit Chagney Sto lat, sto lat, niech żyje, żyje nam. 10. bis 21. März 2003: Gegenbesuch ei- (Frankreich)“, „25 Jahre Städtepartner- Sto lat, sto lat, niech żyje, żyje nam. ner polnischen Schülergruppe. Wäh- schaft mit Letchworth (England)“ und Jeszcze raz, jeszcze raz, niech żyje, rend dieser Zeit findet am 15. März ein „10 Jahre Städtepartnerschaft mit Krap- żyje nam, niech żyje nam! Chorkonzert und Abendmesse an dem kowice (Polen)“. . . . und begeisterten damit die polni- die Chöre aus Krapkowice, Wissen und Deutsche und polnische Schüler und schen Gäste, die in das Lied lauthals dem Otto-Hahn-Gymnasium aus Saar- Schülerinnen pflanzen zum Zeichen einstimmten. brücken in der Pfarrkirche „Kreuzerhö- der Verbundenheit gemeinsam einen hung“ in Wissen teilnehmen. Ginkgo-Baum auf unserem Schulge- Auf dem Programm stand auch ein lände. Betreuende polnische Lehrer: gemeinsamer Besuch des ehemaligen Oktober 2003: Schulleiterseminar in Domenika Ochlast, Ilona Gruchot und Konzentrationslagers Ausschwitz-Bir- Niw­ki (Fortbildungszentrum der Region Frau Schneider. kenau, der wohl alle Teilnehmern emo-

92 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Burg mit der Wawel-Kathedrale, den Hauptmarkt, die Krakauer Tuchhalle und einige Kirchen kennen. Bei einem Rundgang durch das jüdische Viertel Kazimierz besuchte die Schülergruppe die Remuh-Synagoge sowie den dazu- gehörigen Friedhof. Abends traf man sich in einem jüdischen Restaurant zum gemeinsamen Abendessen, um koscher zu speisen, das mit Klezmer- tional tief bewegte. Ferner besuchte die le Schwerpunkt Office-Management Musik begleitet wurde. Zum Programm Gruppe das Nahe Oppeln sowie die alte besuchen mit ihren Lehrern Dagmar gehörte selbstverständlich auch der Be- Königsstadt Krakau, die mit ihren Cafés Spörhase und Gerhard Frömberg die such des ehemaligen Konzentrations- und Fiaker an die Zeit der k. und k. Partnerschule. lagers Auschwitz-Birkenau, das an die Monarchie erinnert. Zum Programm Gräuel der Naziherrschaft erinnert. Für gehörte ferner die Führung durch die 20. September 2017: Eine zwölfköpfige die Schülerinnen und Schüler bedeute- Schule, die im Schloss untergebracht Delegation von ehemaligen und aktiven te der Besuch eine erschütternde Erfah- ist, durch die Direktorin Barbara Kos. Lehrern besuchte die Partnerschule in rung und emotionale Auseinanderset- Der Veranstaltung in Polen war eine Krapkowice anlässlich des 70-jährigen zung mit der Vergangenheit. Der Hö- mehrtägige Begegnung deutscher und Schuljubiläums der polnischen Schule. hepunkt der Fahrt war der Besuch der polnischer Schüler in Berlin voraus- Im Rahmen eines Festaktes wurde auch polnischen Partnerschule „Oppelner gegangen. Der erste Teil der Begeg- eine feierliche Erneuerung des Partner- Piasten“ in Krapkowice. Nach der herz- nung stand unter dem Motto „deutsche schaftsvertrages unterzeichnet. Neben lichen Begrüßung durch Schüler der Schüler zeigen die Hauptstadt Berlin“. vielen Gesprächen über die zukünftige Partnerschule, im Hof der Schule wur- Bei einer Spreefahrt konnte das Re- Ausgestaltung der Partnerschaft stan- de ein „Herzlich Willkommen“ Plakat gierungsviertel erkundet werden. Ziel den auch dieses Mal wieder Besuche in aufgestellt. Es folgte die offizielle Be- der Fahrt war die East-Side-Gallery, das die Umgebung Krapkowices auf dem grüßung in der Aula, wo bereits Geträn- Mauerdenkmal mit beeindruckenden Programm, so ein ganztägiger Ausflug ke, Gebäck und Obst auf die deutschen Kunstmalereien. Ferner stand ein Ter- nach Wrocław, dem früheren Breslau. Gäste warteten. Beim anschließenden min im an, bei dem der Ab- Die alten Gebäude der Stadt, die Ende Rundgang präsentierten die polnischen geordnete Thomas Gebhart seine Arbeit des Zweiten Weltkrieges in Trümmern Schüler ihre Schule. Ein Kennenlern- erläuterte. Weiter Highlights waren der lagen, wurden in der Nachkriegszeit Spiel bot die Möglichkeit, neue Kon- Besuche des Pergamonmuseums und liebevoll wieder aufgebaut. Ein weiteres takte zu knüpfen, die während der im die Ausstellung „Frederico“ in Potsdam. Highlight war der Besuch des Schlosses April 2019 stattfindenden Projektwoche in Moszwa, das heute ein Gastronomie- im Rahmen der Feier zum 50-jährigen 17. Mai 2014: Anlässlich der Feier „45 betrieb und Hotel beherbergt. Jubiläum der BBS Wissen vertieft wer- Jahre BBS Wissen Hachenburger Stra- den sollen. ße“ besucht eine Delegation der Part- Im November 2018 besuchte das Beruf- nerschule Wissen. liche Gymnasium die polnische Part- April 2019: Wir freuen uns auf den Be- nerschule die ehemalige Hauptstadt sucher unserer polnischen Freunde, die Dezember 2014: 14 Schülerinnen und Polens, Krakau. Bei einer ausführlichen an der Feier teilnehmen werden. Schüler der Höheren Berufsfachschu- Stadtführung lernte man die Wawel-

Eine Schülergruppe verschiedener Klassen besuchte in Begleitung von Dr. Beate Bernhard und Helmar Breuer vom 15. bis 19. Oktober 2018 die Partnerschule in Krapkowice

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 93 [Rhein-Zeitung vom 14. Dezember 2007

94 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Besuch des Landschaftsmuseums in Hachenburg Besuch der Bank- und Verwaltungsklasse in Krapkowice

Chorkonzert in der Pfarrkirche in Wissen, Klarinettensolo einer polnischen Schülerin 60-jähriges Jubiläum der Partnerschule

v l. Reinhold Krämer, Michael Schimmel, Angelika Balogh, Hartmut Schock, Reiner Schneider, Peter Wilking, Hermann Schneider, Axel Böhnlein und Bernhard Stadtfeld. 60-jähriges Jubiläum der Partnerschule

Fahrt nach Mainz

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 95 Zehn Jahre Schulpartnerschaft (2002-2012)

96 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Erneuerung des Partnerschaftsvertrages 2017

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 97 Bleiben wir Menschen!

(Schulleiter Reinhold Krämer: seit 2003)

1010.1 Antrittsrede des der Weg ist das Ziel“, entwickelt er in halb leer, sondern als halb voll betrach- seiner Antrittsrede, die auszugsweise ten. Und wir heute? Sind wir Älteren neuen Chefs wiedergegeben wird, seine „Vision von wirklich optimistisch, wenn es um Zu- Schule“. Er fordert optimistisch in die kunftsfragen geht? Oder jammern wir Nach nur fünf Monaten wurde am 8. Zukunft zu blicken, an den Optimis- nicht viel über Nebensächlichkeiten? Juli 2003 die Stelle des Schulleiters neu mus der Nachkriegszeit, unserer Eltern Die Mehrheit unserer Jugend möchte besetzt. Einige Monate später, am 11. und Großeltern anzuknüpfen. viel lieber etwas von Zukunftschancen November, fand die offizielle Amtsein- „Sie wollten etwas leisten und sie ha- hören. Optimismus ist für mich als Pä- führung statt. ben etwas geleistet: Sie haben etwas dagoge – insbesondere als Leiter einer Ausgehend von der Leitidee unseres aufgebaut. Dieser Optimismus ließ sie Schule – natürlich auch ein gerütteltes schulischen Qualitätsprogramms „Visi- zuversichtlich auf die Chancen der Zu- Maß an Berufsoptimismus. Aber ich onen sind Strategien des Handels, denn kunft schauen und das Glas nicht als bin überzeugt, dass wir mehr Chan-

Amtseinführung

98 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Bleiben wir Menschen!

(Schulleiter Reinhold Krämer: seit 2003)

Mitglieder der Steuergruppe: Herr Schimmel, Herr Schmidt, Herr Conrad, Frau Balogh, Herr Wilking, Frau Seifner, Frau Mohr, Herr Windisch, Frau Dr. Otto, Frau Holzhüter und Herr Hornburg bei der Hauptversammlung am 03.04.2008

cen für die Gestaltung unserer Zukunft den Baublöcken unterrichtet hatte, gab meine ich: Jede Gesellschaft bekommt haben, als jede Generation vor uns – er uns – bei seiner Verabschiedung am die Jugend, die sie verdient. Unsere wir müssen diese Chance nur nutzen. 26.6.2001 – in seinem Berliner Dialekt Jugend – ist besser als ihr Ruf. Über- Diesen Optimismus bin ich nicht nur – mit auf den Weg: ‚Habt eure Schüler nehmen wir Verantwortung für die Zu- meinen Schülerinnen und Schüler en ganz kleen bisschen lieb – dann kunft unserer Jugend, aber zeigen wir schuldig, sondern auch insbesondere klappt det.’ ihnen vor allen Dingen, was uns unsere meinen jüngeren Kolleginnen und Kol- Wir dürfen auch nicht verschweigen, Zukunft wert ist. Zeigen wir uns op- legen. dass viele unserer Kinder und Jugend- timistisch – wir haben viele Gründe Und unsere Jugend selbst? Gerade jetzt lichen mehr Anstrengung und Leis- dazu.“ nach PISA sind wir manchmal geneigt tungsbereitschaft zeigen müssen. … Mit In seiner weiteren Rede fordert er Kom- zu glauben, wir hätten eine Looser-Ge- Anstrengung und Leistungsbereitschaft munikationsbereitschaft, denn „Part- neration. Aber die beschriebenen Prob- sind Erziehungswerte eingefordert, die nerschaft lebt vom Geben und Nehmen, leme sind nicht neu. Ich denke an eine nicht mit Können, aber mit Wollen zu vom Willen zur ernsthaften, gleichbe- Untersuchung des Deutschen Indust- tun haben. Diese Wertevermittlung be- rechtigten Zusammenarbeit und vom rie- und Handelskammertages (DIHT) darf der schulischen, aber mehr noch Vertrauen in die Arbeit des anderen. aus dem Jahre 1960, zu den Kenntnis- der gesellschaftlichen Unterstützung. Aber Partnerschaft lebt auch von der sen der Volksschulentlassenen. … Oder wie Günter de Bruyn es formu- kritischen und konstruktiven Ausein- Wir alle wissen, dass es auch Proble- lierte: ‚Die Schule aber, wenn sie mehr andersetzung.“ Und zum Schluss heißt me beim Umgang mit Jugendlichen will als Vermittlung von Wissen, kann es: „Bleiben wir bei allem Planen, Ent- gibt. Hierfür gibt es keine Patentrezep- an Erziehung nur geben, was die Ge- scheiden und Denken wir selbst – blei- te, aber ich gebe den Rat meines ehe- sellschaft ihr gibt.’ Wenn die Gesell- ben wir Menschen!“ maligen Kollegen Hansheinrich Bauch schaft weiß, was sie will, dann setzen weiter. Nachdem er 38 Jahre lang in die Schulen auch Werte um. Und daher

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 99 Bilder vom Studientag 2005

10.2 Der PISA-Schock Bildungsstandards und der jährlichen land die Unterschiede zwischen guten Durchführung zentraler Leistungstests und schlechten Schülern besonders Auch diesmal trat ein neuer Schul- in jeder Jahrgangsstufe auch die Vor- hoch. Kinder aus der Unterschicht ha- leiter in einer Phase des Umbruchs verlegung von Bildung und Unterricht ben demnach ungleich kleinere Chan- seinen Dienst an. Erinnern wir uns: in den Kindergarten.“2 cen auf ein Abitur oder einen mittleren Über Nacht waren Bildung und Erzie- Bei dem Test landete die Bundesre- Bildungsabschluss als in anderen In- hung zum Megathema der Medien auf- publik unter 32 teilnehmenden Staa- dustrieländern. Verstärkt werden diese gestiegen. „Das vernichtende Urteil … ten, im unteren Drittel (Plätze 20–25). Unterschiede offenbar durch das ge- [der PISA-Studie1] über die Leistungen Nachdenklicher als die Platzierung gliederte Schulsystem. deutscher Schüler im globalen Ver- müssen jedoch einige Aussage dieses Besonders stark ausgeprägt ist bei den gleich …, aber auch der Amoklauf von Tests stimmen: Danach durchlaufen 25 deutschen Schülern offenbar auch die Erfurt und die ständigen Klagen der Prozent der Jugendlichen das deutsche Abhängigkeit zwischen schulischen Wirtschaft und der Universitäten über Schulsystem, ohne die Kompetenzstufe Leistungen und sozialer Herkunft. Ge- Fachkräftemangel oder studierunfähi- zu erreichen, die einen Anschluss an rade Kinder aus sozial schwachen und ge Studenten haben die Politiker aller weiterführende Ausbildung überhaupt ausländischen Familien erreichen im Fraktionen aufgeschreckt. Erstmals in erst ermöglicht. Das deutsche Schulsys- Durchschnitt schlechtere Ergebnisse. der Geschichte der Bundesrepublik gab tem produziert mehr als die Bildungs- Die schlechten Werte bei ausländischen ein Regierungschef dazu im Bundes- systeme aller anderen europäischen Kindern sind jedoch weniger auf den tag eine Regierungserklärung ab. Bun- Länder Scheitern und Schulversagen. Ausländeranteil in Deutschland zurück- deskanzler Schröder räumte dort dem „In Deutschland“, so Gero Lenhardt, zuführen, der in anderen Ländern ähn- Thema ‚Bildung’ die höchste Priorität Mitarbeiter des Max-Planck-Instituts lich ist. Vielmehr scheint die schlechte ein und bezeichnete sie als ‚die soziale für Bildungsforschung in Berlin, „sei Integration, vor allem der in Deutsch- Frage des 21. Jahrhunderts’. Vermutlich die Vorstellung verbreitet, den meisten land geborenen Ausländerkinder, da- in Anspielung auf den so genannten Schülern sei eine anspruchsvolle Bil- für entscheidend zu sein. Möglicher ‚Sputnik-Schock’ vor ca. fünfzig Jah- dung nicht möglich. Das Festhalten an Erklärungsansatz: Mehr Förderung in ren sagte Schröder: ‚Wir können es einem gleichsam naturalistischen Be- Kindergärten und Ganztagsschulen, in uns nicht leisten, auch nur eine ein- gabungsglauben, der Grenzen der Bil- denen ausländische Kinder verstärkt zige Begabung ungenutzt zu lassen’. dungs- und Leistungsfähigkeit der Kin- die Gastsprache sprechen müssen, so- Und fast schon im Ton einer Großen der unterstellt und die sich daraus ab- wie spezieller Förderunterricht. Koalition rief der Kanzler die versam- leitende Orientierung des gegliederten Zudem geben die deutschen Bildungs- melten Volksvertreter zu ‚einer gemein- deutschen Schulsystems auf möglichst politiker mit rund 42.000 Dollar im samen Kraftanstrengung’ auf. Vier Mil- homogene Leistungsgruppen führt zu Schnitt weniger Geld für die ersten liarden Euro will der Regierungschef einer Praxis umfassender Auslese, Ab- zehn Schuljahre aus als andere Indus- in den nächsten vier Jahren aus dem stufung und zur Vernachlässigung von triestaaten. Noch krasser sind die Un- Bundeshaushalt für mehr Kinderbe- Fördermöglichkeiten, obwohl durch die terschiede im Primärbereich (Klassen treuung und Ganztagsschulen locker- PISA-Studie die leistungssteigernde eins bis vier) und im Vorschulbereich.“4 machen. Und die KMK erwägt neben Funktion von homogenen Lerngruppen Kein Wunder, dass ein Aufschrei quer der Einführung national verbindlicher hinreichend widerlegt wurde.“3 durch die Gesellschaft ging! Hektisch „Der Studie zufolge sind in Deutsch- wurden Gründe und Schuldige für das Versagen gesucht. Die Schulen in 1 Die OECD untersucht seit dem Jahr 2000 in einem dreijäh- rigen Turnus alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und 2 Rolf Maresch, 21.07.2002, Der Pisa-Schock. http://www. Fertigkeiten 15-jähriger Schüler/innen. Der Test deckt die heise.de/tp/r4/artikel/12/12929/1.html. Stand: 24.06.2009. Bereiche Mathematik, Lesefähigkeit und Naturwissenschaf- 3 http://www.loccum.de/material/bildung/pisa.html. Stand: 4 http://www.stellenboersen.de/studium/bildungspolitik/ ten ab. 24.06.2009. pisa-studie-2001-ueberblick Stand: 24.06.2009.

100 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Dafür stehen wir - die Leitsätze der BBS Wissen

Leitsatz 1 – Unterricht Leitsatz 5 – Aus- und Fortbildung Gute Schule bedeutet qualitativ gu- Teamarbeit in vielen Lernbereichen ten Unterricht auf der Grundlage und Organisationsstrukturen. von Respekt und Wertschätzung. Der Unterricht wird so gestaltet, Leitsatz 6 – Externe dass die Schülerinnen und Schüler Kommunikation und Kooperation größtmögliche Lernfortschritte er- zielen können. Gute Schule bedeutet die Öffnung zum Umfeld. Dies beinhaltet viel- fältige Kooperation und Kommu- Leitsatz 2 – Schulkultur nikation mit allen am Schulleben Gute Schule bedeutet eine gemein- beteiligten oder interessierten Per- same Gestaltung des Schullebens, sonen und Institutionen. auch über den Unterricht hinaus. Leitsatz 7 – Organisation Leitsatz 3 – Pädagogik Gute Schule bedeutet die Gestal- Gute Schule bedeutet die kompe- tung reibungsloser Abläufe und tente und engagierte Wahrneh- geringen organisatorischen Auf- mung des Erziehungsauftrages wand. durch Kollegium und Schullei- tung, insbesondere in schwierigen Leitsatz 8 – Raumgestaltung Situationen. Gute Schule bedeutet ein einladen- des und funktionales Lernumfeld. Leitsatz 4 – Teamarbeit Dazu gehören Schulgebäude, fach- gezielte Fortbildungsplanung als lich gestaltete Räume und Außen- Grundlage für die Weiterentwick- anlagen. lung der einzelnen Lehrkräfte und der Schule als lernende Organisa- tion.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 101 Die ernüchternde Bilanz nach einem Jahr Von den 170 Schülern (6 Klassen), Ministerrat im Zusammenhang mit Die Einträge eines Schuljahres werden die im Schuljahr 2004/2005 in der dem Haushaltsentwurf für 2016 be- im Archiv hinterlegt und können so Berufsfachschule starteten, schafften schlossen, die Auflösung der Agentur für die innerschulische Arbeit jederzeit nur 60 den Notendurchschnitt von für Qualitätssicherung, Evaluation und genutzt werden. Ziel dieser Erweite- 3,0, der zum Besuch der weiterfüh- Selbstständigkeit von Schulen (AQS) rung der EDISON-Datenbank ist es, renden Berufsfachschule II berech- mit Sitz in Bad Kreuznach zum Ende den Dialog zwischen Schulleitung und tigt. Von den Abgängern gingen 25 des Schuljahres 2015/2016 in die Wege Schulaufsicht im Kontext der Zielver- in ein Arbeits- oder Ausbildungsver- hältnis über, aber 86 sind ohne je- zu leiten. Die hierfür erforderliche Än- einbarungen zu vereinfachen und Zeit- de Perspektive. „Da sind Jugendliche derung des Schulgesetzes soll im Land- abläufe zu verkürzen.“ im Alter von 16 oder 17 Jahren, die tag mit der Einbringung des Haushalts Der Weg der Qualitätsentwicklung hat 1 jetzt nichts haben. Sie haben keinen angestoßen werden.“ Die Allgemeine das Kollegium der BBS Wissen schon Schulabschluss, können keine weitere Zeitung schrieb: „Es sei der Ministerin, vor Jahren bestritten. Das Qualitätspro- Schule mehr besuchen und eine Lehr- so heißt es, sichtlich schwergefallen, gramm ist nicht nur fester Bestandteil stelle bekommen diese Jugendlichen das Ende der Einrichtung zu verkün- der schulinternen Studientage, sondern auch nicht. Die Schulpflicht haben den. Es dürfte ihr nicht nur mensch- wurde auch in Form der „Hauptver- sie erfüllt.“ lich, sondern auch politisch schwerge- sammlung“ institutionalisiert. Rhein-Zeitung vom 23. Juli 2005 fallen sein. Zwar wird die Entscheidung Bereits seit 2014 ist die BBS Wissen Damit nicht genug: Mit 58 jungen, nun als ‚pädagogisch verantwortbarer auch EQuL-Schule. EQuL steht für Ei- nicht berufsreifen Jugendlichen be- Schritt‘ verkauft und der Blick von au- genverantwortung, Qualitätsmanage- gann das Berufsvorbereitungsjahr ßen auf die Schulqualität soll auch nicht ment und Lehr- und Lehrkultur. Hinter (BVJ), 15 haben eine berufliche Per- komplett abgeschafft werden. Doch das diesem Wortungetüm verbirgt sich ein spektive in Schule und Arbeitswelt, Aus für den Schul-TÜV ist vor allem Schulentwicklungsprojekt des Landes aber 43 gelten als chancenlos und für die CDU-Opposition im Landtag ein Rheinland-Pfalz, dass die Eigenverant- sind derzeit nicht versorgt. Triumph. Sie hatte die AQS schon im- wortung der berufsbildenden Schulen Gleichzeitig ist die Entwicklung mer abgelehnt – als praxisfern, zu bü- stärkt. Mithilfe eines eigenen Budgets an den Berufsschulen im Kreis be- rokratisch und zu teuer. 3,3 Millionen kann die Schule z. B. schulinterne Per- sorgniserregend. Im Vollzeitbereich wurden in Wissen im Schuljahr Euro im Jahr werden nun durch die sonalentwicklung durch Fort- und Wei- 2004/2005 786 Schüler beschult. Auflösung eingespart. ‚Wir freuen uns, terbildung fördern oder auch befristete Seit Sommer ist diese Zahl auf 860 dass die Landesregierung (...) endlich Personaleinstellungen vornehmen, um angestiegen. Im gleichen Zeitraum eine langjährige Forderung der CDU- plötzliche Unterrichtsausfälle zu ver- sank die Zahl der Schülerinnen und Landtagsfraktion umsetzt‘, heißt es in meiden. Schüler, welche in Teilzeitform un- der Presseerklärung der CDU.“2 terrichtet werden von 1019 auf 874. Nach dem Willen der Ministerin soll- Die Zahlen machen deutlich, dass ten die Schulen ihr Qualitätsprogramm 10.3 Das neue Schulgesetz weniger ausgebildet wird und viele (schulpflichtige) Jugendliche auf ei- weiterführen und weiterentwickeln, verändert die Schul­ nen Schulplatz in Vollzeitform ange- wie aus dem elektronischen Brief vom landschaft wiesen sind. 10. November 2016 an die Schulleitun-

Vgl. Rhein-Zeitung vom 24. September 2005 gen zu ersehen ist: „Zentraler Baustein Sicherlich hat auch das neue rheinland- der Qualitätssicherung und Qualitäts- pfälzische Schulgesetz seine Wurzeln entwicklung an den Schulen bleiben in der Pisa-Studie. Ab dem Schuljahr weiterhin die Zielvereinbarungen. Die 2004/2005 brachte es eine Reihe von Rheinland-Pfalz wurden aufgerufen, EDISON-Schuldatenbank wird künftig Veränderungen: Mehr Selbstständigkeit ein Qualitätsprogramm aufzustellen. um den Zugang ‚Schulische Qualitäts- für die Schulen, flexiblere Regeln beim Ferner wurde 2006 die Agentur für entwicklung‘ erweitert. Sie haben dann Einschulungsalter, das Ganztagsschul- Qualitätssicherung, Evaluation und unter den Stichworten ‚Zielvereinba- Programm und für uns eine Reform Selbstständigkeit von Schulen (AQS) rungen‘, ‚Sachstandsberichte‘ und ‚Ar- des berufsbildenden Systems. An ins Leben gerufen. Die AQS hat den chiv‘ die Möglichkeit, aktuell gültige die Stelle der Fachoberschule trat die Auftrag, in einem Turnus von fünf Jah- Zielvereinbarungen zu hinterlegen, Berufs­oberschule I, die zur Fachhoch- ren alle 1.600 staatlichen Schulen des neue Zielvereinbarungen abzuschlie- schulreife führt. Landes zu evaluieren und ihnen eine ßen und Vorschläge zu dokumentie- Die Berufsoberschule II, die im folgen- Rückmeldung zu ihrer Qualität zuge- ren, wie die gesteckten Ziele erreicht den Jahr eingerichtet wurde, eröffnet ben. Ziel ist es, ein möglichst umfas- werden sollen. Auch bereits erzielte Er- jungen Menschen nach der Ausbildung sendes und vollständiges Bild der Schu- folge können dort gespeichert werden. und ggf. dem Besuch der Berufsober- le zu zeichnen. Die externe Evaluation schule I die Möglichkeit zum Erwerb 1 Mitteilung vom 15. September 2015. https://bm.rlp.de/ versteht sich als unabhängiger Partner de/service/pressemitteilungen/detail/news/detail/News/ der fachgebundenen bzw. allgemeinen der Schulen, der die Schulen bei ihrer agentur-fuer-qualitaetssicherung-evaluation-und-selbst- Hochschulreife. staendigkeit-von-schulen-aqs-soll-zum-ende-des-1/ Stand: Qualitätsentwicklung unterstützt. 07.02.2019, 14.15 Uhr. Die Akzeptanz der neuen Schulform Umso überraschender kam das Aus. 2 https://www.allgemeine-zeitung.de/lokales/mainz/nach- war zunächst zufriedenstellend. Die richten-mainz/schul-tuv-in-rheinland-pfalz-zum-schul- „In seiner heutigen Sitzung hat der jahr-201617-aufgelost-cdu-und-lehrerverbande-triumphie- einsetzende Finanzkrise 2008 wirkte ren_16152748# Stand: 07.02.2019, 14.40 Uhr.

102 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Zum ersten Mal erhalten Absolventen der BOS II der Berufsbildenden Schulen des Kreises Altenkirchen ihr Abiturzeugnis

sich zudem negativ auf dem Arbeits- die Lehrkräfte eine große Herausfor- an der BBS Wissen und wurde von al- markt aus. Auszubildende wurden derung bei der Umsetzung neuer pä- len Beteiligten einhellig begrüßt. nach Abschluss der Ausbildung immer dagogischer Wege. Der Schulstart der So äußerte sich beispielsweise ein BF häufiger von den Betrieben nicht über- zwei Klassen BF I Wirtschaft stand im I-Schüler: „Mir hat gefallen, dass kein nommen. Statt Arbeitslosigkeit bot sich Schuljahr 2012/2013 z. B. unter dem Schüler anders behandelt wird als der die Fortbildungsmöglichkeit der BBS Motto „Vertrauen schaffen – Lernpro- andere, alle sind freundlich, alle be- an. Mit zunehmendem wirtschaftlichen zesse vorbereiten“. Um den Schülerin- kommen Hilfe.“ Und eine Mutter sagte: Aufschwung sank jedoch die Bereit- nen und Schülern die Eingewöhnung „Ich finde es toll, dass die Schüler hier schaft noch einmal die Schulbank zu zu erleichtern, starten die BF I-Klassen so viel Unterstützung bekommen, aber drücken, sodass die Berufsoberschule seit Jahren mit einem „sanften“ Ein- auch dass man sie auffordert, das Beste II im Jahre 2013 und die Berufsober- stieg, den Interaktionstagen. In den aus sich herauszuholen.“ schule I im Jahre 2017 an der BBS ersten drei Tagen lernen die Schüler Auch die Ausbildung der Erzieherin- Wissen nicht mehr fortgeführt werden sich selbst, ihre Klassenkameraden und nen und Erzieher wurde reformiert. konnte. Weiterhin besteht allerdings die Schüler näher kennen. Dazu hatten Künftig müssen die Erzieher/innen die ebenfalls 2004 eingerichtete Duale die Klassenlehrer gemeinsam mit den nach dem Besuch der Sekundarstufe Berufsoberschule I. sozialpädagogischen Mitarbeiterinnen3 I eine zweijährige Höhere Berufsfach- Die Berufsfachschule I (Wirtschaft und ein Konzept erarbeitet, mit dem die schule für Sozialassistenz absolvieren. Verwaltung, Hauswirtschaft, Gesund- Stärken der Schüler festgestellt wur- Diese Schulform nahm zum Schuljahr heit und Pflege) trat an die Stelle des den, bevor man sich den Schwächen 2006/2007 ihre Arbeit auf. Im An- ersten Jahres der bisherigen zweijäh- zuwandte. Während der ersten Woche schluss daran folgt die dreijährige Er- rigen Berufsfachschule. Gleichzeitig werden die Schüler durchgängig von zieher/innen-Ausbildung. Zunächst ist ersetzt sie das Berufsgrundschuljahr. zwei Bezugspersonen betreut. Die- zwei Jahre lang die Fachschule Sozial- Leistungsstarke Jugendliche haben die se beiden Lehrer haben einen großen pädagogik, die die Fachschule für Er- Möglichkeit in der Berufsfachschule II Stundenanteil in der Klasse. Dies Alles zieher seit dem Schuljahr 2004/2005 (Wirtschaft, Hauswirtschaft/Pflege), die zeigt den hohen Stellenwert, den man ersetzt, zu besuchen, es folgt dann das im Schuljahr 2005/2006 startete, die dieser Schulform an der BBS Wissen Anerkennungsjahr in sozial-pädagogi- „Mittlere Reife“ nachzuholen. Erklärtes beimisst. An den ersten drei Tagen schen Einrichtungen. Das Vorprakti- Ziel ist es, die Abbruchquote in diesem schlossen sich in diesem Jahr erstmalig kum entfällt in Zukunft. Die Reform Bereich zu senken. Als neue Schulform zwei Tage mit individuellen Aufnahme- der Höheren Berufsfachschulen gilt seit wurde im selben Jahr die Berufsfach- gesprächen zwischen Schülern, Eltern dem Schuljahr 2008/2009. Wie bereits schule I Holztechnik eingerichtet. und Klassenlehrern an. Dies war neu in vielen Berufsschulklassen trat an die Der Unterricht in der neu konzeptua- Stelle der Fächer „Lernbereiche/Lern- lisierten Berufsfachschule bedeutet für 3 In der zweiten Hälfte wurde die Sozialarbeit auch auf die felder“. Methodentraining und Projekt- berufsbildenden Schulen ausgeweitet.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 103 arbeit sind zentrale Anliegen dieser Bil- zusammengelegte Real- und Haupt- ren in der elften Klasse jeweils an drei dungsgänge. Hierdurch wird eine voll- schulen andererseits, die nach einer Tagen der Woche ein betriebliches kommen neue Unterrichtsorganisation gemeinsamen Orientierungsstufe ge- Praktikum in der gewählten Fachrich- notwendig. Ferner müssen die Schüler trennte Wege zum Abschluss nach Klas- tung. An den anderen beiden Tagen ein 8-wöchiges Betriebspraktikum ab- se neun oder zehn anbieten. In diesem und im gesamten 12. Schuljahr besu- solvieren, wofür hälftig die Sommerfe- Zweig der kooperativen Realschule ge- chen sie den Unterricht in der Schule. rien herangezogen werden. hen auch die berufsorientierten Dualen Bleibt anzumerken, dass in der nähe- „Mit einer neuen Struktur der weiter- Oberschulen auf.“1 Bei entsprechender ren Umgebung zwei Realschulen plus führenden Schulen neben dem Gym- Nachfrage kann eine Realschule plus den Bildungsgang anbieten: Altenkir- nasium will Bildungsministerin Doris um zwei Schuljahre aufgestockt werden chen (Technik sowie Gestaltung) und Ahnen bessere Bildungschancen errei- und zur Fachhochschulreife führen, so Hachenburg (Wirtschaft und Verwal- chen: In den Klassen fünf und sechs der Plan des Ministeriums. Obwohl die tung sowie Gesundheit und Soziales, der Orientierungsstufe soll es kleinere Fachoberschule organisatorisch mit der Schwerpunkt: Gesundheit). Klassen geben, die die Schulabbrecher- Realschule plus verbunden ist, bleibt Auch in der zweiten Dekade des 21. Jahr- quote drastisch verringert und die Auf- der Bildungsgang Teil des beruflichen hunderts wurden neue Bildungsgänge stiegsmöglichkeiten bis hin zur Fach- Schulwesens.2 Die Schülerinnen und eingerichtet: im Schuljahr 2013/2014 hochschulreife soll verbessert werden. Schüler der Fachoberschule absolvie- die Fachschule Sozialpädagogik in Teil- Ab dem Schuljahr 2009/10 soll der zeitform, im Schuljahr 2015/2016 das Umbau beginnen. Unter dem Dach der 1 Rhein-Zeitung vom 30. Oktober 2007. Berufsvorbereitungsjahr – Inklusion 2 Vgl. Punkt 5 Rahmenvereinbarung über die Fachoberschule Realschule plus finden sich dann die (Beschluss der KMK vom 16.12.2004 i.d.F. vom 6.5.2008). für Schüler mit Förderschwerpunkt Regionalen Schulen einerseits sowie S. auch Bildungsserver: https://realschuleplus.bildung-rp. G und das Berufsvorbereitungsjahr – de/fachoberschule.html, Stand: 08.02.2019.

Die ersten Absolventen der BOS I mit ihren Lehrern.

104 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Der erste Jahrgang Kaufleute im E-Commerce

Sprache für minderjährige Migranten; schaft und ab dem Schuljahr 2018/19 die Vertragsanbahnung und -abwick- den vorläufigen Abschluss bildete 2016 Fachpraktiker Service in sozialen Ein- lung sind ebenso wichtige und inter- die Errichtung der Fachschule Orga- richtungen sowie für den Ausbildungs- essante Themen wie das Online-Mar- nisation und Führung – Schwerpunkt beruf „Kaufleute im E-Commerce“ ein- keting oder die Kommunikation mit Sozialwesen. gerichtet. In dem 2018 neu geordneten den Kunden im Netz. Damit geht die Neuerungen gibt es aber auch in der Ausbildungsberuf werden die Auszubil- Berufsbildende Schule Wissen einen Berufsschule. Mit Wirkung vom 1. Au- denden darauf vorbereitet, Geschäfts- großen Schritt in Richtung Online- gust 2014 wurde der dreijährige Aus- prozesse im Online-Vertrieb zu entwi- Marketing und trägt damit den steigen- bildungsberuf „Kaufmann für Büro- ckeln und umzusetzen. Dies erfordert den Bedürfnissen der Industrie und management“ geschaffen. Er ersetzt zum Teil andere Kompetenzen als in des Handels Rechnung. E-Commerce- den Bürokaufmann. Im Schuljahr traditionellen Ausbildungsberufen: Die Kaufleute sind in Unternehmen tätig, 2016/2017 wurden Fachklassen für die Einrichtung eines rechtssicheren Web­ die Waren oder Dienstleistungen online Ausbildungsberufe Berufskraftfahrer shops, der Aufbau eines Sortiments, vertreiben. Dies betrifft nicht nur Groß- und (2015/16) Fachpraktiker Hauswirt- der Zahlungsverkehr im Onlinehandel, und Außenhandel sowie Einzelhandel oder Tourismusbranche, sondern auch Hersteller und Dienstleister. Das Schuljahr 2019/2020 wird den Höheren Berufsfachschulen einige Än- derungen bringen. Durch die Struk- turreform wird aus der HBF Organisa- tions- und Officemanagement die HBF Wirtschaft, aus der HBF IT-Systeme die HBF Informationstechnik und aus der HBF Hauswirtschaft die HBF Ernäh- rung, Service und Dienstleistungen. Abschließend sei angemerkt, dass ab dem Schuljahr 2010/2011 auch die Voll- zeitklassen der berufsbildenden Schule in die Schulbuchausleihe des Landes einbezogen wurden. Auf Antrag wer- den Schulbücher gegen Gebühr vom Schulträger ausgeliehen. In bestimm- ten Fällen kann auf diese Gebühr ver- Unter dem Motto „Vertrauen schaffen – Lernprozesse vorbereiten“ zichtet werden. standen die Interaktionstage

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 105 Von der Berufsfachschule zur Studienrätin: Nicole Krämer erfüllte sich ihren Kindheitstraum (Januar 2016)

Schon als Kind wollte ich Lehrerin chen, um staatlich geprüfte Fremd- konnte ich sowohl meine kognitiven werden. Eine Zeit lang sah es so sprachenassistentin zu werden. Als Fähigkeiten als auch meine persön- aus, als würde sich dieser Traum mich die Zusage für einen Platz in lichen Kompetenzen weiterentwi- nicht erfüllen, doch die Berufsbil- der „HBF 2002“ erreichte, war ich ckeln. dende Schule Wissen hat es möglich froh, die BBS Wissen erneut besu- gemacht. chen zu dürfen. In den zwei Jahren Studium und Referendariat in der Höheren Berufsfachschule konnte ich mich deutlich weiterent- Nun fühlte ich mich – dank der BBS Schulischer Werdegang wickeln und meine sprachlichen Fä- Wissen – in der Lage, ein Studium Nach dem Besuch der Orientie- higkeiten erweitern. Zwei Jahre nach aufzunehmen. An der Universität rungsstufe in Altenkirchen wurde der Anmeldung in der HBF durfte Siegen studierte ich schließlich Eng- mir aufgrund meiner damaligen ich mich dann „staatlich geprüfte lisch und Wirtschaft für das Lehramt Schüchternheit eine Empfehlung Fremdsprachenassistentin“ nennen. an berufsbildenden Schulen. Die für die Hauptschule ausgesprochen. Während meiner schulischen Lauf- schulische Ausbildung an der BBS Also besuchte ich für drei Jahre die bahn in der Höheren Berufsfach- Wissen kam mir dabei zugute, da ich Hauptschule in Altenkirchen. Wäh- schule hörte ich von weiteren Bil- durch diese in der Lage war selbst- rend dieser Zeit verabschiedete ich dungsgängen, die in der Berufsbil- ständig zu arbeiten und zu lernen. mich von meinem frühen Berufs- denden Schule Wissen angeboten Mir waren durch meine schulische wunsch und orientierte mich neu, wurden. Sehr interessiert war ich Ausbildung viele Lerntechniken be- da es zu dieser Zeit undenkbar war, an der Berufsoberschule, die 2004 kannt. Zum Wintersemester 2012/13 das Abitur zu absolvieren. Für mein erstmalig in der aktuell bestehenden verließ ich die Universität Siegen nächstes Ziel (eine Ausbildung in Form eingerichtet wurde. Die Be- mit dem ersten Staatsexamen und einem Büro oder einer Kanzlei zu rufsoberschule I (kurz BOS I) führt im Frühjahr 2013 begann ich mein beginnen) war es erforderlich, den zur Fachhochschulreife. Anschlie- Referendariat – natürlich an der BBS Sekundarabschluss I zu erreichen. ßend besteht die Möglichkeit, die Wissen. Nachdem ich das Referenda- Nach eingehender Beratung mit Berufsoberschule II (BOS II) zu be- riat im Herbst 2014 erfolgreich been- meinen Eltern entschied ich mich suchen, um die fachgebundene, oder det hatte, wurde ich als Studienrätin für eine Anmeldung in der Berufs- mit der Fremdsprache Französisch, übernommen. fachschule mit dem Schwerpunkt die allgemeine Hochschulreife zu Guten Gewissens kann ich die BBS Wirtschaft in Wissen. In der Berufs- erlangen. Mein Traum Lehrerin zu Wissen jedem empfehlen, der sich bildenden Schule Wissen fühlte ich werden rückte für mich zum ersten (schwerpunktmäßig im Bereich mich wohl. Hier konnte ich einen Mal wieder in greifbare Nähe. Wirtschaft) weiterbilden und weiter- großen Teil meiner Schüchternheit So meldete ich mich zunächst für entwickeln möchte. ablegen. Zu diesem Zeitpunkt wuss- die BOS I an und nach dem erfolg- (Nicole Krämer) te ich noch nicht, dass ich einige reichen Abschluss dieser Schulform Jahre später wieder hier zur Schule absolvierte ich die allgemeine Hoch- Rhein-Zeitung Kreis Altenkirchen gehen würde – denn ich hatte ja schulreife in der Berufsoberschu- vom Samstag, 30. Januar 2016, Seite 95 damals das Ziel, den Sekundarab- le II. Auch in diesen zwei Jahren schluss I zu erlangen. Nachdem ich die zweijährige Berufs- fachschule Wirtschaft erfolgreich ab- geschlossen hatte, bewarb ich mich unter anderem in einer Kanzlei, in der ich meine dreijährige Ausbil- dung durchlaufen durfte. Während dieser Ausbildung wurde mir klar, dass dieser Berufszweig nicht zu meiner Persönlichkeit passte und dass ich das Fach Englisch sehr ver- misste. Dies nahm ich zum Anlass, mich über weitere Bildungsgänge zu informieren. So meldete ich mich zum zweiten Mal an der BBS Wissen an. Hier hatte ich mich schließlich schon einmal wohlgefühlt. Diesmal wollte ich die Höhere Be- rufsfachschule Fremdsprachen besu-

106 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Die ersten staatlich geprüften Betriebswirte 2012

10.4 Neue Entwicklungen schaft und Unternehmensmanagement in der beruflichen mit dem Schwerpunkt Kommunikati- Dieser Qualitätsrahmen trat on und Büromanagement aufnahmen, durch „Gemeinsamen Beschluss Fortbildung sind nach vier Jahren am Ziel. Sie sind der Ständigen Konferenz der staatlich geprüfte Betriebswirtin/staat- Kultusminister der Länder in Traditionell sieht die BBS Wissen im lich geprüfter Betriebswirt. der Bundesrepublik Deutsch- Bereich der beruflichen Fortbildung ei- Vier Jahre lang haben sie wöchentlich land, des Bundesministeriums ne ihrer wichtigen Bildungsaufgaben. dreimal abends von 18.00 bis 21.15 für Bildung und Forschung, der Dabei steht sie auch in Konkurrenz neben dem Beruf die Schulbank ge- Wirtschaftsministerkonferenz mit außerschulischen Bildungsträgern, drückt. Wahrlich eine Herausforderung und des Bundesministeriums dies gilt im besonderen Maße für die – bedenkt man, dass noch so mancher für Wirtschaft und Technologie Fachschulen für Altenpflege, Altenpfle- Samstag zum Lernen hinzukam. zum Deutschen Qualifikations- gehilfe und Erzieher. Damit der Be- Die neu gebackenen Betriebswirte rahmen für lebenslanges Lernen such der Fachschule für Altenpflege als präsentierten nun im Rahmen dieser (DQR)“ am 1. Mai 2013 in Kraft. Weiterbildungsmaßnahme nach dem Feier ihre Abschlussprojekte. Clarissa Der DQR ist ein Instrument zur Arbeitsförderungsrecht gilt, ist eine Jungbluth, Manuela Zur und Thomas Einordnung der Qualifikationen Zertifizierung durch eine fachkundige Tietz entwickelten ein Konzept zur Stei- des deutschen Bildungssystems Stelle (CERTQUA) notwendig. Dies for- gerung der Effizienz des Softwareein- und macht diese vergleichbar zu dert seit dem 01.04.2012 das Gesetz zur satzes in der Firma Puderbach, Holz- Abschlüssen in anderen europäi- Verbesserung der Eingliederungschan- handel in Berod. Bastian Stark, Adam schen Staaten (EQR). cen am Arbeitsmarkt in Verbindung Maciejewski und Carina Weller analy- mit der Akkreditierungs- und Zulas- sierten die Umsätze und optimierten Zurzeit erfolgt die Zuordnung sungsverordnung – Arbeitsförderung den Personaleinsatz eines Einzelhan- wie folgt: – AZAV. Ziel des Gesetzgebers ist, ers- delsunternehmens in Betzdorf. Philipp tens mit dem Zulassungsverfahren die Rödder, Sebastian Klein und Daniel Absolventen der folgenden DQR- Qualität von Arbeitsmarktdienstleistun- Hoffmann wagten sich in der Firma Schulformen bzw . Ausbil- EQR- gen zu erhöhen, zweitens die Effizienz Carl Schreiber in Neunkirchen an die dungsberufen Niveau des arbeitsmarktpolitischen Fördersys- Verlegung einer Metallblocksäge mit ei- tems zu verbessern sowie drittens ei- nem Gewicht von 6,5 Tonnen. Die Fer- Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) ne Transparenz und Vergleichbarkeit tigungsabläufe und die Kostensituation Berufsfachschule I (BF I) 2 unter den Arbeitsmarktdienstleistern in der Firma konnten dadurch deutlich herzustellen. Die Zertifizierung der verbessert werden. alle 2-jährigen Ausbildungs- Fachschule erfolgte 2015. Bei der Verleihung der Zeugnisse hob berufe (z . B . Verkäufer, Hoch- 3 Eine Premiere feierten Absolventen, Studiendirektor Bernhard Stadtfeld her- baufacharbeiter) Schulleitung und Lehrer sowie Vertreter vor, dass alle Absolventen des Bildungs- der Unternehmen und Landrat Michael ganges eine Dreifachqualifikation er- Alle 3- und 3 ½-jährigen Lieber am Samstag, den 16. Juni 2012. worben haben: den Betriebswirt, die Ausbildungsberufe Die ersten Absolventen der Fachschu- Ausbildereignungsprüfung bei der IHK 3-jährige Berufsfachschule 4 Fachschule Altenpflege le Wirtschaft erhielten ihre Zeugnisse Koblenz und das IT-Essentials-Zertifi- Höhere Berufsfachschule und Diplome. Die jungen Frauen und kat der Firma Cisco – eines der weltweit Männer, die ihre berufliche Weiterbil- größten IT-Unternehmen, das auch Ko- Fachschule Sozialwesen dung in der Fachrichtung Betriebswirt- operationspartner der BBS Wissen ist. Fachschule Wirtschaft 6 Fachschule Technik

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 107 An dieser Stelle sollen auch nicht die unter einem Dach. Schülerinnen und Beschäftigungsverhältnisses. Der be- Absolventen vergessen werden, die Schüler können dort sowohl allgemeine rufsbegleitende Unterricht erstreckte nach zweijähriger Ausbildung den Abschlüsse, wie die Berufsreife oder sich über zwei Jahre und fand montags Abschluss als Betriebsfachwirtin/Be- die allgemeine Hochschulreife, als und mittwochs von 18 bis 21.15 Uhr triebsfachwirt abschlossen haben: Jan auch berufsqualifizierende Abschlüsse statt. Lorenz, Alexander Harder, Christan erwerben. Die Fachschule bietet ergän- Haller, Lilli Marsal, Mirjam Meurer und zend die Möglichkeit, Abschlüsse im Tobias Runkel. Rahmen der beruflichen Weiterbildung 10.5 Nur für fünf Jahre! In seiner Festrede führte Schulleiter zu erlangen, die im Deutschen und Ursprünglich nur als Provisorium ge- Krämer aus, dass die wirtschaftliche im Europäischen Qualifikationsrahmen dacht, entpuppte sich die Rückführung Leistungsfähigkeit und die Attraktivität (DQR, EQR) der gleichen Niveaustufe der nach Mudersbach ausgelagerten unserer Region nicht nur vom Ange- wie die Bachelorabschlüsse einer Hoch- Klassen als äußerst schwierig und uner- bot an Arbeitsplätzen abhänge, sondern schule zugeordnet sind. quicklich. Plötzlich wollte oder konnte auch von der Qualifikation der hier Die Fachschule Organisation und man sich nicht mehr an einmal gege- lebenden Menschen. Die Bedeutung Führung – Schwerpunkt Sozialwesen bene Zusagen erinnern. Die Interessen gut ausgebildeter Mitarbeiter hob auch verabschiedete 2018 die ersten staat- der beteiligten Parteien ließen sich nur Landrat Lieber hervor, der es sich neh- lich geprüften /anerkannten Fach- schwer unter einen Hut bringen. Im men ließ, dem Festakt beizuwohnen. wirte, Schwerpunkt Sozialwesen. Der November 2004 startete die Siegener Vier Jahre besuchte Daniel Hoffmann Bildungsgang wendet sich an Perso- Zeitung eine regelrechte Kampagne zur denselben Bildungsgang und empfing nen, die gerne mehr Verantwortung Erhaltung des Schulstandortes Muders- heute den Lohn seiner Arbeit: das Zeug- in ihrem Arbeitsbereich übernehmen bach als Außenstelle der BBS Wissen. nis des „Staatlich geprüften Betriebs- möchten und ihre Kenntnisse in Be- Voraus gegangen waren Monate lange wirtes“. Als erster Absolvent erhielt er zug auf Personalführung, rechtliche Be- Gespräche zwischen Schulleitung und darüber hinaus eine gesonderte Be- stimmungen, betriebliche Abläufe etc. Landrat, die Genehmigung der ADD scheinigung, nach dem der Abschluss vervollkommnen wollen. Aufnahme- für die Errichtung 13 neuer Unterrichts- laut DQR (Deutscher Qualifikationsrah- voraussetzung ist eine abgeschlossene räume und schließlich die Einigung men) der Niveaustufe sechs entspricht, sozialpflegerische, sozialpädagogische auf einen Anbau mit acht Unterrichts- d. h. dem Bachelorabschluss. oder pflegerische Berufsausbildung von räumen. Das neue Schuljahr 2009/10 Die berufsbildende Schule ist die mindestens dreijähriger Dauer sowie begann damit, dass zwei Container auf Schulart mit den meisten Schulformen der Nachweis eines hauptberuflichen dem oberen Schulhof aufgestellt wer-

Widerstand gegen „letztes Denkmal“ für Dr. Beth

Die CDU der Verbandsgemeinde Kirchen jüngste Äußerungen erntete Dr. Beth nun lang sei die Schule voll ausgelastet gewe- wehrt sich massiv gegen BBS-Anbau in heftige Kritik seiner Parteifreunde aus der sen, mit bis zu 600 Schülern: „Man kann Wissen zum Nachteil von Mudersbach Verbandsgemeinde Kirchen hier nicht von einer Fehlinvestition spre- Wenn kein (alter) Fehler gemacht wurde, Als sich Vorstand und Fraktion gestern chen.“ Im Gegensatz zum Kreis sei in der so ist dies noch lange kein Grund, einen vor Ort in Mudersbach trafen, sprach Verbandsgemeinde bereits eine gewisse neuen Fehler zu begehen. Auf diese sim- Gemeindeverbandsvorsitzender Georg Erkenntnis vorhanden gewesen, als man ple Formel lässt sich die Meinung der Becker von einer „sehr bedenklichen z. B. das Hallenbad geschlossen habe, so CDU in der Verbandsgemeinde Kirchen Entwicklung“ und wies die Vorwürfe Merzhäuser. Aktuell sieht die Belegung zum geplanten Anbau der Berufsbilden- des Landrats an die Kirchener Adresse des Gebäudes übrigens so aus: 52 Prozent den Schule in Wissen bringen. Wie von entschieden zurück. Angesichts einer in werden von der BBS genutzt, 14,5 Prozent der SZ berichtet, hatte Landrat Dr. Alfred allen Bereichen überstrapazierten Haus- von der Grundschule und 3 Prozent von Beth noch am Freitag ein klares Bekennt- haltslage sei ein Anbau in Wissen bei Vereinen. nis zu dem 1,5-Millionen-Projekt abgege- gleichzeitigem Leerstand in Mudersbach Bürgermeister Wolfgang Müller plädierte ben. Und gleichzeitig hatte er auch ge- nicht zu verantworten. Becker: „Der Kreis dafür, sorgfältig im gesamten Kreis die wisse „Fehler“ in der früheren Kirchener ist nicht in der Lage, die Probleme in Kir- Raumkapazitäten zu sondieren. „Auch an Schulbaupolitik unter der Regie von Bür- chen zu lösen; das soll er auch gar nicht. den berufsbildenden Schulen geht die de- germeister Paul Wingendorf angepran- Aber vielleicht ist Kirchen in der Lage, die mographische Entwicklung nicht vorbei“, gert. Für den Landrat ist die Unterbrin- Probleme des Kreises zu lösen.“ mahnte er und forderte ein langfristiges gung von Teilen der BBS Wissen im ehe- Ulrich Merzhäuser, Vorsitzender der Denken, denn: „Die Finanzen gehen uns maligen Hauptschulgebäude in Muders- CDU im Verbandsgemeinderat, verwahr- alle an.“ Der 1. Beigeordnete Werner Be- bach ein „Auslaufmodell“ – ohne Wenn te sich gegen den Eindruck einer falschen cker verwies in diesem Zusammenhang und Aber. Für diese Haltung und seine Planung in Mudersbach. Über zehn Jahre darauf, dass auf der alten Hauptschule

108 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Leserbrief: Auslagerung nur eine Übergangslösung Zum SZ-Artikel „Widerstand gegen „letztes Denkmal“ für Dr. Beth vom 16. November. In diesem Artikel heißt es, der frühere Schullei- ter habe erklärt, man sei in Mudersbach „bestens untergebracht“. Ich will nicht bestreiten, eine solche Aussage gemacht zu haben. Nur ist der Kontext, in den jetzt diese Äußerung gestellt wird, falsch. Auch in meinem Verständnis war die Auslagerung nach Mudersbach nur eine Übergangslösung. Seitens der Kreisverwaltung war seinerzeit ein Zeitraum von ca. fünf Jahren genannt worden. Vor diesem Hintergrund allerdings war die Unterbringung und Ausstattung der Friseur- und Erzieherklassen „bestens“. Noch vor Ablauf der Übergangszeit hat das frühere Schulleitungsteam zusammen mit dem örtlichen Personalrat einen detaillierten Um- und Erweiterungsplan ausgearbeitet, und diesen im förmlichen Antragsverfahren der ADD Koblenz und der Kreisverwaltung zugeleitet. Insofern steht die jetzige Schulleitung in der Kontinuität der jahrelangen Bemühungen, der Raumnot in Wissen Abhilfe zu schaffen. Bei den durchaus verständlichen Kostenvergleichen, die jetzt in Kirchen angestellt werden, ist übrigens ein wichtiger Posten übersehen worden. Während der Auslagerung waren viele Tausend DM und Euros an Fahrtkosten – wenn auch nicht vom Kreis oder der Ver- bandsgemeinde – zu zahlen. Aber schließlich sind das auch Steuergroschen aus dem Geldbeutel der Bürgerinnen und Bürger. Dr. Roland Dosch Siegener Zeitung vom 18. November 2004.

den mussten, um die Unterrichtsver- vember 2004 meldeten sich Vertreter stehen. „Und dieses Recht stehe auch sorgung zu gewährleisten. der CDU und der Kirchener Bürger- der BBS Wissen zu, die einen Ausbil- Anlässlich des 35-jährigen Bestehen des meister zu Wort. Dabei wurde (bewusst) dungsauftrag im kaufmännischen und Schulgebäudes Hachenburger Straße unsachlich und falsch informiert. sozialen Bereich für alle jungen Men- sagte Landrat Dr. Beth: „Wir wollen die Der Landrat rief nun zu mehr Sachlich- schen im Kreis von bis Nieder- BBS als eine Einheit begreifen und da- keit auf. Gleichzeitig machte er deut- schelderhütte habe.“2 zu ist eine Außenstelle nicht gerade lich, dass der Kreis nicht für die in Auch der ehemalige Schulleiter Dr. förderlich.“1 Kirchen gemachten Fehler aufkomme. Dosch wollte diese Äußerungen so Der Landrat führte ferner aus, dass der Schließlich sei das Raumüberangebot nicht stehen lassen: Kreis die Planungsmittel für einen An- erst durch den Neubau des DOS-Schul- Die emotional geführte Diskussion gip- bau im Haushalt aufgenommen habe. gebäudes auf dem Molzberg entstan- felt in der von der Siegener Zeitung Damit war die Katze aus dem Sack. den. Im Vordergrund der Diskussion ins Leben gerufenen Telefonaktion. Ein In der Siegener Zeitung vom 16. No- müssten neben wirtschaftlichen Über- Großteil der Anrufer sprach sich für die legungen die berechtigten pädagogi- schen Interessen der jeweiligen Schule 1 Vgl. Siegener Zeitung vom 13 November 2004. 2 Siegener Zeitung vom 17. November 2004.

noch ein jährlicher Schuldendienst von die CDU beobachtet, sei der Druck hin- auch dringend brauchen, denn der ei- 90.000 Euro laste. An Mieteinnahmen sichtlich eines Anbaus deutlich größer gene Kreisvorstand steht – nach einem erhält die Verbandsgemeinde Kirchen geworden. Beschluss während der jüngsten Klau- momentan rund 130.000 Euro vom Zwischen Kirchen und Friesenhagen ist surtagung – hinter dem Anbau in Wis- Kreis für die Nutzung durch die BBS. man jedenfalls bereit, im Kreistag für die sen. Schriftlich wurde festgehalten: „… Die Kommune würde durch einen Anbau weitere Nutzung der Mudersbacher Schu- bedeutet dies für den Kreis Altenkirchen, in Wissen folglich doppelt bestraft, denn le zu kämpfen. „Auch Dr. Beth hat nur dass an der BBS Wissen ein zusätzlicher schließlich müsse der Kreis diese Maß- eine Stimme“, stellte Wolfgang Zielinski Anbau nicht vermieden werden kann.“ nahme über Jahre hinweg vorfinanzieren klar. Wenn der Landrat sich in Wissen So hatte der Kreisvorsitzende Dr. Josef – und hier sitze die VG Kirchen über die ein „letztes Denkmal“ setzen wolle, dann Rosenbauer gestern in Mudersbach einen Umlage mit im Boot, erklärte Becker. müsse er mit Widerstand rechnen. Ul- schweren Stand und musste für seine rich Merzhäuser hofft dabei auch auf die „Neutralität“ ordentlich einstecken. Da Raumnot bewusst geschaffen Unterstützung der SPD, hatte sich die- half ihm auch nicht sein Hinweis auf die Für die Christdemokraten ist die „akute se im Kommunalwahlkampf doch ganz Forderung der ADD, wonach aus „pä- Raumnot“ in Wissen teilweise bewusst ähnlich geäußert. Kluge Ratschläge aus dagogischen Gründen“ ein Unterricht konstruiert worden, indem zum Teil be- Altenkirchen verbittet man sich jedenfalls in nur einem Gebäude verlangt werde. reits Klassen aus Mudersbach abgezo- in Kirchen. „Wir werden unsere eigenen Zielinski: „Das ist Unsinn. Pädagogik gen worden seien. Dabei habe es mit Schulaufgaben schon machen“, spielt sich im Klassenzimmer ab.“ der Außenstelle nie Probleme gegeben, sagte Zielinski. Siegener Zeitung vom 16. November 2004 meinte Müller. Der frühere Schulleiter Dr. Roland Dosch habe stets betont, dass Schwerer Stand für Dr. Rosenbauer man „bestens untergebracht“ sei. Erst mit Die Unterstützung aus anderen Parteien dem Wechsel in der Schulleitung, so hat werden die Kirchener Christdemokraten

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 109 schließendes Urteil erlauben. Es ste- he aber fest, dass die Ausbildung in Mudersbach bei den Schülerinnen und Schüler gut ankomme. Offenbar biete gerade die Situation der Auslagerung die Chance, neue pädagogische Kon- zepte zu fahren, projektbezogen und ohne starre Schulstundenregelung zum Beispiel.“2 Am 3. Dezember 2004 war dann in der Siegener Zeitung zu lesen, dass sich Hier baut … der Schulträgerausschuss des Kreises Altenkirchen einstimmig für den An- bau in Wissen ausgesprochen habe. Vo- rausgegangen war eine Entscheidung der Schulleitung. Nachzulesen in der Nutzung des Mudersbacher Schulge- Einige Fraktionsmitglieder der SPD im Haus-Info 21/2004. bäudes aus und zeigte wenig Verständ- Kreistag dachten laut über eine „Be- Es sollten jedoch noch weitere 20 Mo- nis für die Anbaupläne in Wissen. Der rufsschule für Sozial- und Hauswirt- nate verstreichen bis Landrat Dr. Beth, einhellige Tenor der Aussagen: „Die schaftswesen“ in Mudersbach nach und nicht mit der obligatorischen Schaufel, Politiker schmeißen mit Steuergeldern Fraktionsvize Bernd Becker meinte: sondern mit einem Bagger, den sym- um sich“.1 „Man könne sich als Kommunalpoliti- bolischen Spatenstich vollzog. Für den ker zu pädagogischen Fragen kein ab- 1 S. Siegener Zeitung vom 19. November 2004. 2 Rhein-Zeitung vom 23. November 2004.

BERUFSBILDENDE SCHULE WISSEN – SCHULLEITUNG Hausinfo Nr. 21 / November 2004

mit Herrn Landrat Dr. Beth und Herrn Bür- stunden!) wurde ein zusätzlicher Raumbedarf germeister Wagener zwei leidenschaftliche für unsere Schule von 13 Räumen festgestellt. Vertreter des Anbaus hier in Wissen haben, Aufgrund der aktuellen Raumnot haben wir Liebe Kolleginnen und Kollegen, weil diese unsere Arbeit anerkennen und die alle organisatorischen Möglichkeiten aus- liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, räumlichen Zwänge sehen. geschöpft und seit dem Schuljahr 2003/04 nachfolgend erhalten Sie einige aktuelle In- Ich gebe Ihnen im Folgenden einen Auszug Samstagsunterricht eingerichtet, so dass ei- formationen und Hinweise: aus einer vorbereiteten Presseerklärung, die ne effizientere Auslastung unseres Gebäudes wir jedoch nicht ohne Absprache mit den Ver- bei konstant gebliebenen Unterhaltskosten Hinweis: Unser E-Mail-Account funktioniert antwortlichen veröffentlichen werden. möglich ist. Dennoch stellt sich der Raum- wieder: Daher erhalten Sie diese Hausinfo in Auszug: bedarf an unserer Schule so drastisch dar, Papierform und per E-Mail. An unserer Schule werden im Schuljahr dass wir in ehemaligen Lager-Räumen mit 2004/05 1805 Schülerinnen und Schüler un- Oberlichtern unterrichten müssen. Weiter- Anbaumaßnahme terrichtet; hiervon 196 an unserer Außenstelle hin können wir den Differenzierungs- und Wie Sie sicherlich den Zeitungsberichten in Mudersbach. Von diesen 196 Schülerinnen Förderunterricht nicht so anbieten, wie er (Rhein-Zeitung und Siegener Zeitung) ent- und Schülern kommen 152 aus dem Kreis pädagogisch dringend erforderlich und vom nehmen konnten, ist eine mehr parteipoliti- Altenkirchen, 28 aus Nordrhein-Westfalen, Gesetzgeber gefordert ist. Die Raumkapazität sche als bildungspolitische Diskussion um 12 aus dem Kreis Westerwald und 4 aus dem ist so eng, dass bei der Stundenplangestal- unseren Anbau hier in Wissen entbrannt. Kreis Neuwied. Aufgrund der Entwicklung tung manche pädagogischen Erfordernisse Das Ganze gipfelte (m. E) in einer Telefon- der Planungsdaten (Schülerzahlen und Leh- in den Hintergrund geraten (z.B. Kernfächer aktion der Siegener Zeitung, bei der sich 40 rer-Wochenstunden) hat die BBS Wissen im in den Nachmittagsunterricht). Dass unser Bürger aus der VG Kirchen (23 aus Muders- Schuljahr 2004/05 den größten Raumbedarf Kollegium, unsere Schuleltern und unsere bach und 10 aus Niederschelderhütte) gegen seit dem Schuljahr 1979/80. In Zahlen aus- Schüler trotz dieser Umstände nicht öffent- einen Anbau in Wissen aussprachen, damit gedrückt; Schuljahr 1979/80: 1294 erteilte lich Protest anmelden, ist sicherlich der Ge- Mudersbach weiter genutzt wird. Lehrer-Wochenstunden; Schuljahr 2004/05: duld der Beteiligten, aber auch der über Jahre Unsere Schule, unser Kollegium, unserer 1863 erteilte Lehrer-Wochenstunden. Hiervon gewachsenen kooperativen und vertrauens- Schüler und unsere pädagogische Arbeit wer- werden zurzeit 209 Lehrer-Wochenstunden vollen Zusammenarbeit zwischen Schule und den im Moment öffentlich diffamiert und an der Außenstelle in Mudersbach unterrich- dem Sachkostenträger, der Kreisverwaltung für unmündig erklärt, da die Platznot hier tet. Altenkirchen, zu verdanken. Wir alle wissen, in Wissen diese „Sankt-Florians-Prinzip-Ak- In einem nach den Richtlinien des Landes er- dass die Zeiten knapper Kassen auch mehr tionisten“ offenbar nicht interessiert. Am Tag rechneten und genehmigten Raumprogramm Geduld und Kompromissbereitschaft von uns der offenen Tür haben Sie gehört, dass wir aus dem Jahre 2002 (1616 Lehrer-Wochen- abverlangen.

110 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Spatenstich

Anbau mit acht Klassenräumen stan- den rund 1,62 Millionen Euro bereit.3 Zum neuen Schuljahr 2007/2008 en- dete das Mudersbacher Exil. „Erleich- tert und froh zeigten sich die Vertreter der BBS Wissen, Oberstudiendirektor Reinhold Krämer und Studiendirektor Michael Schimmel, als sie kürzlich die Räume wieder an Florian Grundmeier und Frank Reifenrath von der VG Kir- chen zurückgeben konnten. „‚Man kann zwar einen Lehrer an ei- Jahre wurden, lag nach Ansicht vieler Oberstudiendirektor rekapitulierte die nem Tag in mehreren Klassen und in auch an kommunalpolitisch bedingten lange Geschichte des Anbaus, die er mehreren Räumen einsetzen, jedoch Verzögerungen bei der Genehmigung mit einem Triathlon (Disziplinen: Ge- nicht, wenn diese 30 Kilometer vonei- und Planung des neuen Anbaus.“4 spräche führen, Überzeugungsarbeit nander entfernt liegen’, sagt Reinhold Mit einer feierlichen Einweihung wur- leisten, Vereinbarungen treffen) ver- Krämer. ‚Ebenso muss man bedenken, de am 6. November 2007 das Gebäu- glich. ‘Der war lange vor dem Anrollen dass dadurch erhebliche finanzielle de übergeben. Insgesamt zehn Klas- des ersten Baggers vor 15 Monaten zu Aufwendungen für den Kreis und für senräume wurden für 1.526.000 Euro bewältigen.’ Die Bauphase selbst be- das Land verbunden waren.’ Ursprüng- errichtet. Damit blieben die Baukos- zeichnete Krämer dann als problemlos. lich war die Auslagerung nur für fünf ten genau 100.000 Euro hinter den Hier hob er vor allem den Architek- Jahre geplant. Dass es schließlich neun ursprünglichen Schätzungen. „Der ten, Klaus Kolb, und den Referatsleiter der Bauverwaltung, Oliver Weber, her- 3 S. Rhein-Zeitung vom 19. Juli 2006. 4 Rhein-Zeitung vom 24. Juli 2007.

BERUFSBILDENDE SCHULE WISSEN – SCHULLEITUNG Hausinfo Nr. 21 / November 2004

Zurzeit nutzen wir in Mudersbach 5 Klas- zung der Räume in Mudersbach für unsere wir auch zukünftig von keiner Anbaumaß- senräume. Dies bedeutet, dass die als Anbau Schule mit erheblichen Nachteilen verbun- nahme ausgehen können, so lange wir die geplanten 8 Klassenräume unabhängig von den ist, die in erster Linie durch die räumli- Räume in Mudersbach nutzen. einer möglichen späteren Nutzung in Mu- che Distanz zwischen den Schulstandorten Wir haben für diesen Fall Kontakte aufge- dersbach dringend jetzt und in Wissen benö- Wissen und Mudersbach sowie die extreme nommen, um vorübergehend Räume hier tigt werden, da nach dem Raumprogramm 13 Randlage von Mudersbach im Kreis bedingt in Wissen anzumieten. Damit ist es sehr Räume erforderlich sind. Ob wir nach dem sind. Daher war diese Auslagerung auch nur zeitnah (noch im Verlaufe dieses Schuljahres) Anbau der 8 Klassenräume weiterhin auf als Übergangslösung mehrheitsfähig. An- möglich, dem Grund für die Blockadepolitik die Räume in Mudersbach angewiesen sind sonsten wäre es unter meinem Vorgänger, die Nahrung zu entziehen. Weiterhin müssen oder durch die weitere Beibehaltung des Herrn Dr. Dosch, niemals zu einer Ausla- wir dann überlegen, ob wir aufgrund der Samstagsunterrichts auf die Raumnutzung in gerung nach Mudersbach gekommen (siehe räumlichen Enge zukünftig im Wahlschulbe- Mudersbach verzichten und hierdurch dem auch Leserbrief SZ vom 18.11.04). reich weiterhin die Parallelklassen wie bisher Schulträger und dem Land erhebliche Kos- In meiner Person als Schulleiter der BBS einrichten können und den Samstagsunter- ten ersparen können, darüber müssen wir Wissen werde ich auch weiterhin alles dafür richt ausweiten. entscheiden, wenn dies soweit ist. Nach den tun, die beruflichen Bildungsgänge unserer Ich bitte im Namen unserer Schule bei Ge- momentanen Planungsdaten und der ein- Schule für die Schülerinnen und Schüler des sprächen mit Freunden, Bekannten und Man- helligen Absicht unseres Kollegiums werden Kreises Altenkirchen – im Zentrum des Krei- datsträgern um Ihre Unterstützung. Klären wir gemeinsam alle Anstrengungen unter- ses - attraktiv und bedarfsorientiert zu ge- Sie die Leute über unsere Raumnot hier in nehmen unserer Schule wieder in Wissen stalten. Es geht nicht um eine nicht bezahlte Wissen auf, damit hier am Gebäude in Wis- zusammenzuführen. (…) Schule in Mudersbach und schon gar nicht sen der zeitnahe Anbau erfolgen kann und Wenn in bisher erschienen Artikeln von „letz- um Denkmäler – es geht um die berufliche damit hier in der BBS Wissen wieder ein tes Denkmal“, „...schmeißen mit Steuergel- Zukunft unserer Heranwachsenden und da- adäquates Raumangebot zur Verfügung steht. dern..“, „..teilweise bewusst konstruierter... mit um das arbeitsmarktpolitische Überleben Raumnot“, „Unsinn“ und „... ziehen das jetzt unseres Kreises. Hierfür trete ich ein. (…) Wissen, 24.11.2004 durch...“ gesprochen wird, so zeugt dies eher Am Montag, 29.11.2004 ist nun eine Kreis- von polemisch-polarisierendem Denken nach ausschusssitzung mit der möglichen Ent- Reinhold Krämer dem „Sankt-Florians-Prinzip“, als von einer scheidung zum Anbau. Oberstudiendirektor und Schulleiter sachlichen, zukunftsweisenden und bedürf- Schulleitung und Funktionsträger sind sich nisorientierten Schulpolitik für den gesamten einig, dass für den Fall, dass die Zustimmung Verteiler: E-Mail an Kollegium, Lehrerzimmer (Wissen, Muders- Kreis Altenkirchen. (…) zum Anbau nicht erfolgt, gehandelt werden bach), Schulelternsprecher H. Siedl (E-Mail), Büro, Hausmeister Ich möchte nicht verschweigen, dass die Nut- muss. Dann stellt es sich nämlich so dar, dass

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 111 Ein Aufzug in die Werkstatt vor. Beide hätten Weitblick erkennen umfassend renoviert. In diesem Zu- Die BBS soll einen Außenaufzug lassen und ergänzende pragmatische sammenhang wurde auch der dienstäl- bekommen, damit auch die beiden Lösungen kurzfristig realisiert. So vor teste Teppichboden des Kreises Alten- Untergeschosse II und III barriere- frei erreicht werden können. Diese allem den zusätzlichen Einbau einer kirchen verabschiedet. geplante Maßnahme haben die Kreis- Zwischendecke im Werkstattbereich, Und schon stehen weitere umfang- verwaltungs-Sachbearbeiter Marti- der dazu führte, dass insgesamt zehn reiche Sanierungs- und Umbaumaß- na Hofmann und Oliver Weber den neue Klassenräume entstanden sind. nahmen an. „Nach Begehungen mit Mitgliedern des Kreisausschusses Sein besonderer Dank galt zudem den Vertretern der Unfallkasse, des Brand- vorgestellt. Durch den Aufzug sollen Lehrerkollegen, die beim Umzug ho- schutzes, einem Schalltechniker und Werkstatträume für Holz- und Metall- hen persönlichen Einsatz gezeigt und einem Sachverständigen für Elektro- technik auch für Rollstuhlfahrer zu somit für eine reibungslose Rückfüh- technik steht nun der gesamte Umfang erreichen sein. Damit wäre die barrie- rung gesorgt hätten.“1 Krämer rief in der notwendigen Investitionen fest: Die refreie Erschließung des Schulgebäu- des komplett abgeschlossen. seiner Ansprache den Anwesenden zu: Brandschutzsanierung sieht unter an- Der Bauantrag für den Außenaufzug „Jetzt sind wir wieder ein Kollegium. deren einen Einbau von Brandschutz- ist mittlerweile gestellt und geneh- Das ist sehr schön und es war aller- türen, Brandschutzabschottungen und migt. In den aktuellen Kreishaushalt höchste Zeit.“ die haustechnische Umrüstung vor. ist für die Baumaßnahme eine Teil- Bei diesem Kraftakt darf nicht überse- Um das Schulgebäude behinderten- summe von 162.000 Euro eingestellt. hen werden, dass sich in dieser Zeit gerecht umzubauen, bedarf es eines Rhein-Zeitung vom 25.04.2018 auch an dem „alten“ Schulgebäude ei- Aufzugs, der Verbreiterung von Ein- niges tat: Klassenräume erhielten einen gängen und einer Behindertentoilette. 46 Klassenräume neuen Anstrich, neue Tische und Stüh- Daneben sollen durch das Vergrößern (überwiegend mit Internetzugang) le, die Hauswirtschaft bekam eine neue von Fensteröffnungen Nebenräume zu Großküchenzeile, die Fremdsprachler Unterrichtsräumen umgebaut werden. 7 Mehrzweckräume (Physik, Chemie, Kombiräume Theorie/Praxis) durften sich über ein Sprachlabor mit Da die Raumakustik in allen Unter- 25 PC-Arbeitsplätzen freuen und nicht richtsräumen unzureichend ist, werden 8 PC-Räume mit ca . 220 PC zuletzt wurde die Lehrertoilette und nun in sämtlichen Klassenzimmern 3 Werkstätten Holz und Metall verschiedene Büros der Schulleitung Akustikdecken installiert. Insgesamt sind fast alle Räume dieses zweitgröß- 3 Küchen und 3 Essräume 1 Rhein-Zeitung vom 7. November 2007. ten kreiseigenen Gebäudes von Um- 2 Textilpflegeräume

1 Musikraum

1 Altenpflegeraum

Sowie 50 mobile Laptop-Einheiten

baumaßnahmen betroffen. Die ermit- telten Kosten für die eine Förderung durch das Land erwartet wird, liegen bei 3,5 Millionen Euro.“2

10.6 Das Schulgebäude erstrahlt in neuem Glanz

Mit einer kleinen Feierstunde wur- de am 6. Oktober 2010 die offizielle Fertigstellung der umfangreichen Sa- nierungsmaßnahme gewürdigt. Dazu waren zahlreiche Gäste geladen, darun- ter die Staatssekretärin Vera Reiß vom Mainzer Bildungsministerium, Landrat Michael Lieber, der Leitende Regie- rungsschulddirektor Dietmar Hilb von Hausmeister Rolf Lungswitz (rechts) erhielt der Aufsichts- und Dienstleistungsdi- rektion (ADD) Koblenz, die Vertreter für seinen unermüdlichen Einsatz während der Baumaßnahmen

ein besonderes Dankeschön. 2 Rhein-Zeitung vom 2. Oktober 2008.

Rhein Zeitung vom 7. Oktober 2010

112 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Einweihung am 6. November 2007

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 113 Anbau von der Dörnerstraße gesehen

Zwei Bilder wurden statt des obligatorischen Schlüssels überreicht. V. l. Oliver Weber, Referatsleiter Bauverwaltung, Landrat Lieber, Künstler Kai Niederhausen, Oberstudiendirektor Rheinhold Krämer und Architekt Kolb.

114 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) des Kreises, der Stadt Wissen, der Kir- chen und der Architekt der Sanierungs- maßnahme Dipl.-Ing. Klaus Kolb sowie Vertreter der bauausführenden Firmen. Zu den Gästen gehörten unter anderem auch die ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, die Lehrkräfte, Angestellte und Bedienstete der Schule, die Ver- treter des Fördervereins und des Schul- ausschusses sowie der Schülersprecher Nazim Demiray. „Rund 300 neue Fenster und Türen, etwa 100 Kilometer Elektro-Leitungst- rassen und 5.100 Quadratmeter schall- schluckende Mineralfaserdecken in Klassenräumen und Fluren: imposan- te Zahlen, die nur einen Teil der um- fassenden Arbeiten beschreiben, die in den vergangenen Monaten … [am Schulgebäude] erfolgten. Mehr als 4.3 Millionen Euro (Mittel aus dem Kon- junkturprogramm II sowie vom Kreis Altenkirchen, dem Schulträger), wur- den in den vergangenen zwölf Monaten investiert.“ Die Schulräume sind nun weitgehend barrierefreie zugänglich, z. B. durch barrierefreie Zugänge, durch Einbau eines Behindertenaufzugs und zweier Behindertentoiletten. Ferner wurden die Lehrküchen modernisiert, 8.400 Quadratmeter Wand- und De- ckenflächen neu gestrichen, sowie die Klassenräume mit Beamern und elekt- rischen Leinwänden ausgestatte. Durch die baulichen Maßnahmen wer- den nun auch im Bereich des Brand-, Unfall- und Lärmschutzes die aktuellen Rhein Zeitung vom 13. September 2011 Anforderungen erfüllt. An der Moder- nisierung waren 32 Firmen beteiligt und zeitweise bis zu 60 Handwerker gleichzeitig im Gebäude beschäftigt – und das während des laufenden Schul- betriebs. In seiner Festrede betonte Oberstu- diendirektor Krämer: „Unsere Schule ist menschlicher, moderner, sicherer, schöner und angenehmer geworden.“ Besonders hob er die gelungenen Graf- fiti in den Treppenhäusern hervor, die von einem ehemaligen Schüler und inzwischen auch international tätigen Graffitikünstler Kai Niederhausen (alias SEMOR) geschaffen wurden. Der Dank des Schulleiters galt den Verantwortli- chen der Baumaßnahme, aber ganz be- sonders dem Hausmeister Klaus-Dieter Lungwitz, der für seinen unermüdli- chen Einsatz einen Präsentkorb erhielt. Wissen, was läuft, Nr. 45/2013

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 115 10.7 Das Berufliche um ‚G 8’ werden: in acht Jahren zum scheidung gegen die IGS beinhalte, Abitur. SPD-Chef Heijo Höfer ärgerte wurde die Zustimmung bei drei Enthal- Gymnasium 1 sich, dass das Ganze nicht im Gesamt- tungen erteilt.“ paket beraten wird – ein Argument, Da eine konkrete Antwort aus Mainz 10.7.1 Die unendliche Geschichte dem Wolf-Rüdiger Bieschke (FWG) und ausblieb, hakte der Abgeordnete Dr. Ro- Basierend auf einem Kooperationsmo- Gerd Dittmann (Grüne) folgen konn- senbauer am 24. Januar 2008 nach und dell stellten die Berufsschulen Betzdorf- ten. Die Befürchtung: Die Oberstufe an erhielt die Antwort, dass der Kreis Al- Kirchen und Wissen am 17. Juli 1995 der IGS könnte dem Berufsgymnasi- tenkirchen seinerzeit im Gegenzug zur einen gemeinsamen Antrag auf Errich- um geopfert werden. Im Raum Wissen/ Einrichtung einer Berufsoberschule auf tung eines beruflichen Gymnasiums. Hamm gäbe es dann womöglich nur die Beantragung beruflicher Gymnasi- Die beiden Schulen wollten gemeinsam noch das ‚Turbo-Gymnasium’. en verzichtet habe. an ihren Standorten drei Bildungsgän- Nachdem Michael Wagener für die „Rosenbauer, zugleich CDU-Kreis- ge (Wirtschaft, Hauswirtschaft/Soziales CDU signalisiert hatte, dass ein Ja zum

und Technik) anbieten, die zum Abitur beruflichen Gymnasium keine Vorent- 1 Rhein-Zeitung vom 28. August 2007. führen. Dieser Antrag sollte der Aus- gangspunkt für eine unendliche Ge- schichte werden. Ein Zeitungsartikel in der Rhein-Zeitung vom 14. Dezember 2002 fast anschaulich die Entwicklung zusammen. Trauerspiel Wie wir alle wissen, startete die Berufs- oberschule im Schuljahr 2004/2005. um Berufs-Gymnasium Allerdings war damit das Thema be- rufliches Gymnasium nicht vom Tisch. Nach sieben Jahren Vertröstung, die Ministerin in den Kreis bitten – Horst Der Kreisausschuss sprach sich am 27. Nassauer fordert „endlich verlässliche Aussagen“. August 2007 einstimmig für ein be- rufliches Gymnasium an den beiden Seit Jahren schleppt sich ein Thema durch die schulpolitischen Vorstellun- berufsbildenden Schulen aus. Zuvor gen im Kreis Altenkirchen – ganz so, als könne es nicht leben und nicht hatten die beiden Schulleiter, Gerhard sterben: Einführung eines Beruflichen Gymnasiums beziehungsweise einer Huke (Betzdorf) und Reinhold Krä- beruflichen Oberstufe an den berufsbildenden Schulen des Kreises. Jetzt will mer (Wissen) die Ausschussmitglieder die CDU-Fraktion des Kreistages einen Beschluss reanimieren, Ministerin „durch den ‚Dschungel’ der Schularten Doris Ahnen zu Gesprächen in den Kreis einzuladen. geführt, um das berufliche Gymnasium Die CDU-Fraktion des Kreistags hat sich mit einer Anfrage zur Einrichtung zu erklären. In Kürze: Dorthin kann eines beruflichen Gymnasiums beziehungsweise einer Beruflichen Oberstu- wechseln, wer die Mittlere Reife (Se- fe an den berufsbildenden Schulen an die Kreisverwaltung gewandt. Horst kundarstufe 1, ‚S 1’) an einer der Haupt-, Nassauer rief den Mitgliedern des Kreistages bei dieser Gelegenheit die Real-, Regional- oder Dualen Oberschu- historische Entwicklung ins Gedächtnis – falls sie damals nicht schon im len (DOS) mit mindestens 3,0 geschafft Kreistag gewesen sein sollten. hat. Danach geht es in drei Jahren Vollzeitunterricht zum Abitur. Nur ge- Der erste Antrag liegt inzwischen länger als sieben Jahre zurück und datiert ringfügig sind die Unterschiede zum aus der Amtszeit des damaligen Ersten Kreisbeigeordneten Nikolaus Roth, ‚normalen’ Gymnasium. So werden heute als Oberbürgermeister von Neuwied sicher mit anderen Problemen zum Beispiel weniger Pflichtstunden in befasst. Deutsch fällig, dafür zwei Fremdspra- Am 17. Juli 1995 stellten die beiden berufsbildenden Schulen im Kreis ei- chen. Huke wie Krämer meinen, dass nen ersten Antrag auf Errichtung eines beruflichen Gymnasiums mit den drei Fliegen mit einer Klappe geschla- Schwerpunkten Technik, Wirtschaft und Sozialwesen. Dieser Antrag wurde gen werden könnten: Mehr Jugendliche bisher in jedem Jahr erneuert. Schulträger Kreis – auch der aktuelle Kreistag zu Hochschulabschlüssen verhelfen, reihte sich in die Tradition ein – verlieh diesem vom Landtagsabgeordneten den Fachkräftemangel insbesondere im der SPD und CDU unterstützten Anliegen mit Beschlüssen Nachdruck. Ingenieurwesen mindern und mehr Ju- Probleme mit der Begründung gab es nie. Ansicht über Fraktionen hinweg: gendliche ohne Abitur Lehrstellen ver- Eine solche Oberstufe ist die dringend notwendige Ergänzung der Schul- schaffen, indem sie mit weniger Abitu- angebote im Kreis Altenkirchen. Entsprechend begabte und motivierte rienten konkurrieren müssen. Im An- Absolventen von Realschulen, Dualer Oberschule, Regionaler Schule, Be- schluss herrschte weitgehende Einig- rufsfachschule oder auch Integrierter Gesamtschule fänden hier eine ihnen keit, dass dies Sinn macht. Strittig war gemäße Perspektive. Nassauer: „Dieser Weg zur Hochschulreife ist, und das die Frage, inwiefern die Entscheidung Einfluss auf andere Gymnasialthemen hat. So möchte die IGS Hamm eine Oberstufe und das Wissener Gymnasi-

116 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) vorsitzender, erklärte jetzt zu diesem Einrichtung schon an, ohne dass das ein berufliches Gymnasium bekommt Schreiben: ‚Dieser Beschluss ist so nie Bildungsministerium die wiederholten – mit Schwerpunkt Wirtschaft/Verwal- gefasst worden. Wir brauchen die be- Anträge je berücksichtigt haben.“2 tung. ‚Wir sind alle maßlos enttäuscht’, ruflichen Gymnasien im Kreis Altenkir- Seit dem 23. Oktober 2008 ist es gewiss. fasste Schulleiter Reinhold Krämer die chen, um dieses Bildungsangebot end- Während Betzdorf-Kirchen ein berufli- Stimmung zusammen. ‚Die Entschei- lich auch bei uns zur Verfügung stellen ches Gymnasium (Schwerpunkt Metall- dung sei nicht nachvollziehbar. Man zu können. Die Schülerzahlen aus den technik) ab dem Schuljahr 2009/2010 suche nach den Gründen für die Ableh- Nachbarkreisen belegen das große Inte- einrichten darf, geht die BBS Wissen nung. Wenn nun davon geredet werde, resse der jungen Menschen an berufli- wieder leer aus. „Während es für Hu- dass gestern mit der Bekanntgabe ein chen Gymnasien.’ Dabei habe der Kreis ke gestern ein ‚richtig toller Tag’ war, guter Tag für den Kreis Altenkirchen die Bedeutung der beruflichen Gym- gab es in Wissen viel Frust. Denn dort gewesen sei, so meldet Krämer Skepsis nasien für die Zukunftsfähigkeit der hatte die BBS auch gehofft, dass man an.’ Der Landtagsabgeordnete Thorsten Region schon früh erkannt: Seit 1996 Wehner nennt einen Grund für die der- dauerten die Bemühungen um die 2 Rhein-Zeitung vom 15. März 2008. zeitige Nichtberücksichtigung der BBS

habe ich Kritikern unter meinen eigenen Berufskollegen gruppe sei mit einem Strukturkonzept zur beruflichen immer wieder gesagt, keine billige, unlautere, weniger Bildung betraut. Zöllner kündigte eine Zusage für die anspruchsvolle Konkurrenz zum gymnasialen Weg.“ neue Schulform für August 2002 an. „Geschehen ist Stattdessen, so Nassauer, entlaste dieses Angebot die nichts“, stellte Nassauer fest. Es sei „ein Trauerspiel, das Gymnasien. Und es sei eine notwendige Chance für Schü- wir uns alle bieten lassen müssen.“ ler mit eher praxisbezogenen Begabungsprofil. Nassauer Von der Aufsichts- und Dienstleistungs-Direktion genann- charakterisierte die Reaktion des Ministeriums auf sieben te Perspektiven für das Schuljahr 2003/04 waren für Antrags-Jahre: Hoffnungen wecken, unverbindliches Hin- Nassauer eine weitere Provokation. Einstweilen sollten halten, schließlich Ablehnung und Vertröstung auf das nämlich die bisherigen Fachoberschulen (also nicht die übernächste Schuljahr. berufliche Oberschule) intensiv beworben und fortge- Mal erfolgten die Ablehnung ohne Begründung, mal wur- führt werden. Wenn dann zu Beginn des Schuljahrs de auf finanzielle Probleme, mal auf den Vorrang der dies avisierte Strukturkonzept vorliegen sollte, könnte der Unterrichtsversorgung in den übrigen Bereichen der Be- Unterricht dann auf der Grundlage der ersten Stufe der rufsschulen hingewiesen. Was Nassauer verunsichert: Al- Berufsoberschule, die der Fachoberschule ähnle, gestaltet lein 1999 wurden andernorts zehn Anträge auf Errichtung werden. neuer Bildungsgänge genehmigt. Auch den Hinweis auf „Wenn ja, dann ja – wenn nicht, dann eben wieder nicht“, organisatorische Probleme mit dem Unterricht an drei stellt Nassauer fest. Zugleich nannte er es wenig sinnvoll, Standorten versteht Nassauer nicht, denn „das wurde von dass Dietmar Schumacher (SPD) ein drittes Modell vor- uns so nie vorgeschlagen.“1 schlage – und jetzt sogar ein viertes Fass aufmache „mit Im April 2000 teilte Minister Zöllner mit, es seien noch der unrealistischen Idee einer eigenständigen Oberstufe aktuelle Rahmenvereinbarungen der Kultusministerkon- mit Abiturabschluss an der IGS Hamm. ferenz zu berücksichtigen. Im Juni 2000 gab der Kreis Nach den genannten Erfahrungen erinnerte Nassauer an der Verwaltung grünes Licht, auch das Alternativmodell einen Beschluss des Schulträgerausschusses, einen hoch- Berufsoberschule zu verfolgen, falls ein solcher Antrag rangigen Vertreter des Mainzer Ministeriums, am besten eher Erfolg verspreche als das Ziel berufliches Gymnasi- die Ministerin selbst, zu einem Gespräch in den Kreis um. Ein Erfolg kam nicht in Sicht. zu bitten. Ziel: endlich eine verlässliche Aussage darüber Im März 2001 war vom Minister zu hören, eine Arbeits- „was konzeptionell vom Land nun eigentlich gewollt, was aufgrund der Schülerzahlen im Kreis möglich und was 1 Anm. d. Verf.: Am 2. April 1998 war in der Rhein-Zeitung zu lesen, dass Landrat Dr. finanziell dann machbar ist. Beth vorschlage, die leer stehende Hauptschule Mudersbach als Standort eines berufli- chen Gymnasiums zu nutzen. „Allerdings sollte den bisherigen Berufsschulstandorten Rhein-Zeitung vom 14. Dezember 2002 Wissen und Kirchen/Betzdorf kein Nachteil entstehen“, war der Meldung weiter zu entnehmen. Statt zu einem Gymnasium kam die BBS bekanntlich wegen der akuten Raumnot in Wissen zu einer Außenstelle Mudersbach.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 117 Wissen. Da müsse man die Schulent- Angebot an der BBS in Wissen, wo man Und auch angesichts der vielen ‚Sonn- wicklung im Kreis Altenkirchen sehen. auch 50 junge Leute benötige, dann hät- tagsreden’, dass man mehr in die Bil- Auch an der IGS in Hamm soll es ab te man sich vermutlich gegenseitig das dung investieren müsse, findet es Krä- dem nächsten Schuljahr eine gymna- Wasser abgegraben und weder Hamm mer nicht gut, dass die BBS Wissen au- siale Oberstufe geben. Zu deren Ein- noch Wissen hätten die Mindestzahl ßen vor geblieben ist. ‚Aber wir bleiben richtung sind mindestens 50 Schüler von 50 Schülern erreicht. Das Ergebnis: dran. Wir werden weiter aktiv sein, um notwendig. Weder in Hamm noch in Wissen gäbe das berufliche Gymnasium nach hier Hätte man zeitgleich noch das neue es ein neues Schulangebot. vor Ort zu bekommen’.“

Rhein-Zeitung vom 7. November 2009 118 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Der ersten Abiturienten-Jahrgang ist am Ziel.

Rhein-Zeitung vom 14. Juli 2014

10.7.2 Endlich geht es los „Wissener Jung“ Josef Sanktjohanser, Im Sommer 2010 ging es endlich los. Das Reifezeugnis erhielten: die die neue Schulform tatkräftig un- Für 56 Schülerinnen und Schüler terstützten. Sein besonderer Dank galt begann der Unterricht im neuen Bil- 2013 . . 37 2016 . . 40 dem Leiter des beruflichen Gymnasi- dungsgang des Beruflichen Gymnasi- 2014 . . 39 2017 . . 41 ums, Studiendirektor Peter Wilking, um Fachrichtung Wirtschaft (BGYW). 2015 . . 36 2018 . . 32 sowie den beiden Kursleitern Petra Drei Jahre später verließ zum ersten Schmidt und Andreas Blechinger. Land- Mal ein Abiturientenjahrgang die BBS. rat Lieber gratulierte den Abiturienten 37 junge Frauen und Männer erhiel- im Namen des Kreises und appellierte ten im Rahmen einer Feierstunde das ren Ansprachen die Freude und Hoch- an die jungen Leute, die Heimatregion Reifezeugnis. Nicht alle die angefangen achtung vor den Leistungen der jungen nicht zu vergessen: „Wir brauchen gut hatten, erreichten das Ziel. Schulleiter Absolventen aus. Krämers Dank galt ausgebildete junge Menschen, die die Reinhold Krämer und der Leiter des auch Landrat Michael Lieber, Bürger- Zukunft sichern“. BGYWs Peter Wilking drückten in ih- meister Michael Wagener sowie dem

Worin unterscheidet sich das BGYW vom allgemeinbildenden Gymnasium?

Es wendet sich ausschließlich an Absolventinnen und Absolventen mit dem Qualifizierten Sekundarabschluss I (Mittle- rer Schulabschluss) und besteht nur aus der Oberstufe (Jahrgangsstufe 11 – 13). „Der Erziehungs- und Bildungsauftrag besteht neben der Befähigung zum Studium an jeder Hochschule insbesondere darin, berufsorientierte Fachkenntnis- se zu vermitteln, zur Persönlichkeitsbildung der Schülerinnen und Schüler beizutragen, sie zu vernetztem Denken, zu werteorientiertem Verhalten sowie zur verantwortlichen Mitgestaltung des öffentlichen Lebens zu qualifizieren.“1 Nach einer Einführungsphase (Klasse 11), in der der Unterricht im Klassenverband stattfindet, schließt sich die Qua- lifikationsphase (Klasse 12 und 13) an. Hier findet der Unterricht in Kursen statt, die in Leistungs- und Grundfächern sowie zusätzlich wählbaren Fächern unterteil sind. Neben den fachrichtungsübergreifenden Pflichtfächern Deutsch, Mathematik, Englisch, 2. Fremdsprache (Französisch oder Spanisch), Religion bzw. Ethik, Sport, Gemeinschaftskunde und Informationsverarbeitungen werden die fachrichtungsbezogenen Fächer Betriebswirtschaft/Rechnungswesen, Naturwissenschaften (Biologie und Chemie) sowie Volkswirtschaftslehre unterrichtet. In der Klassenstufe 12 kommt ferner ein Fach aus dem künstlerischen Bereich (Bildende Kunst, Darstellendes Spiel oder Musik) hinzu. In der Qua- lifikationsphase müssen drei Leistungskurse belegt werden, wovon eines Betriebswirtschaftslehre/Rechnungswesen oder Volkswirtschaftslehre ist. Voraussetzung für die Aufnahme in die Jahrgangsstufe 11 eines BGY ist der Qualifizierte Sekundarabschluss I (Mittlerer Schulabschluss) oder ein gleichwertiger Abschluss mit einem Notendurchschnitt von mindestens 3,0. Dabei darf keines der Fächer Deutsch, Englisch und Mathematik schlechter als mit „ausreichend“ bewertet sein. Der Notendurchschnitt wird als arithmetisches Mittel aus den Zeugnisnoten der Pflicht- und Wahlpflichtfächer berechnet. Das BGY schließt mit der Abiturprüfung ab. Das Abiturzeugnis vermittelt die allgemeine Hochschulreife und berech- tigt zum Studium in allen Fachrichtungen wissenschaftlicher Hochschulen.

1 https://berufsbildendeschule.bildung-rp.de/schulformen-und-bildungsgaenge/berufliches-gymnasium-bgy.html. Stand: 20. Januar 2019, 12.00 Uhr.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 119 10.8 Kooperationen Zusammenarbeit zwischen der Be- rufsbildenden Schule und den Aus- bildungsbetrieben wird seit jeher in Wissen groß geschrieben. Neu sind Kooperationsverträge mit einzelnen Unternehmen und Schulen. Schon bevor der Startschuss für das BGYW fiel, unterstützte die REWE Group Köln das Projekt tatkräftig. Am 8. Februar 2010 unterzeichneten in einer Marcel Fuchs nimmt stellvertretend kleinen Feierstunde REWE-Vorstands- für die BGYW-Schüler einen Laptop in Empfang mitglied Josef Sanktjohanser und Ober- studiendirektor Reinhold Krämer einen Kooperationsvertrag, der den Schülern des neu einzurichtenden beruflichen ka im In- und Ausland. Im Septem- ternehmensphilosophie „gehe es nicht Gymnasiums die Möglichkeit bieten ber 2010 besuchten dann Schüler des nur um Supermärkte und klingende wird, betriebswirtschaftliche Prozesse beruflichen Gymnasiums mit ihren Kassen, sondern auch um einen wichti- und Abläufe in der Praxis kennenzuler- Lehrern und der Schulleitung die RE- gen Beitrag zur Entwicklung der Gesell- nen. Im Mittelpunkt der Kooperation WE-Zentrale in Köln. Eine kurzweilige schaft“. Als „Starthilfe“ erhielten alle steht der Austausch zwischen Schule Präsentation gab informative und be- Schülern des BGYW einen Laptop von und Unternehmen durch Exkursionen eindruckende Einblicke in die REWE- der REWE-Gruppe. in die Zentrale der Unternehmensgrup- Unternehmensstruktur. Eine Besichti- Auch im folgenden Jahr besuchten zum pe, die Teilnahme der Lehrkräfte der gung des REWE-Frischelagers in Lan- Auftakt des Schuljahres die Schüler der BBS an Schulungs- und Fortbildungs- gel vervollständigte das Programm. In Jahrgangsstufe 11 des BGYW die REWE- projekten der Unternehmensgruppe, seiner Begrüßungsrede betonte REWE- Zentrale. von Fachvorträgen durch Referenten Vorstandsmitglied Josef Sanktjohanser, Der Ruf nach gut ausgebildeten Fach- des Unternehmens in der BBS sowie dass Wirtschaft und Gesellschaft enge kräften ist auch in unserer Region zu die Unterstützung von Schülerprakti- zusammengehören. Gemäß der Un- vernehmen. Um hierfür noch mehr

v.r.n.l.: Frau Carina Arndt (Teamleiterin Human Resources ), Herr OStD Reinhold Krämer (Schulleiter) und Herr StD Björn Hornburg (Koordinator) bei der Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarung mit der Firma ALDI

120 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) zu leisten, haben die BBS Wissen, die Kreissparkasse Altenkirchen und die Kleusberg GmbH & Co. KG 2014 einen Kooperationsvertrag geschlossen. Er bietet Schülerinnen und Schülern des beruflichen Gymnasiums die Chance zu einem noch stärkeren Praxisbezug durch Vorträge und Betriebsbesichti- gungen. Ferner eröffnet er die Möglich- keiten für Workshops und Praktika. „Ganz uneigennützig aber gehen auch die Kreissparkasse und die bundesweit tätige Firma Kleusberg die Partner- schaft nicht ein. Für Andreas Reingen, Im Foyer der BBS Wissen unterzeichneten die vier Schulvertreter Vorstandsvorsitzender der Kreisspar- gestern den Kooperationsvertrag kasse Altenkirchen, sind die ‚Umkehr auf dem Ausbildungsmarkt‘ und der Rhein Zeitung vom 24.2.2011 (Foto: Nadja Hoffmann-Heidrich) ‚Wettbewerb um Auszubildende‘ zug- kräftige Argumente. Geschäftsführer Dabei sollen die Auszubildenden des (Michael Schimmel) unterzeichneten Hubert Kleusberg stellt die Schulpaten- Unternehmens in die Projekte integ- am 23. Februar 2011 einen Kooperati- schaft in eine lange Reihe von Koopera- riert werden. Ferner beabsichtigt das onsvertrag. Ziel ist die frühzeitige Ver- tionen mit Schulen, Universitäten und Unternehmen, über allgemeine Wirt- zahnung von allgemeiner und beruf- wissenschaftlichen Akademien. Bemer- schaftsthemen zu informieren und licher Bildung. Dies soll die Bildungs- kenswert sei etwa der Ausbildungsweg so zu einem praxisnahen Unterricht und Ausbildungschancen der Schüler des Dualen Studiums. Alles mit dem beizutragen. Vorgesehen sind z.B. Prä- nachhaltig verbessern. „Die Qualifikati- Ziel, die regionale Verbundenheit zu sentation verschiedener Ausbildungs- on der Schüler für die weiterführenden festigen und gut ausgebildetes Personal berufe, Betriebsbesichtigungen, Bewer- Bildungsgänge der berufsbildenden in der Region zu halten.“1 bertraining, Knigge-Training und auch Schulen (Höhere Berufsfachschulen Der weiteren Verzahnung von Schule Praktika. und berufliche Gymnasien) bildet ein und Wirtschaft dient auch der Ende Auch die Zusammenarbeit mit ande- Kernstück der neuen Kooperationsver- 2018 geschlossene Kooperationsver- ren Schulen dient der Verbesserung des einbarung.“ Insbesondere die Zusam- trag mit der ALDI GmbH & Co. KG Unterrichts. So wollen menarbeit der Lehrkräfte der beteilig- Montabaur. Schülerinnen und Schüler vier Schulen des Kreises in Zukunft ten Schulen steht im Mittelpunkt der sollen im Rahmen der Berufsorientie- enger zusammenarbeiten. Die Schul- Vereinbarung. rung die Möglichkeit geboten werden, leiter der Realschule plus Betzdorf (Do- Der Übergang zwischen Schule und betriebliche Abläufe sowie verschiede- ris John), der Realschule plus Wissen Universität sollte nicht zu hart sein, ne Ausbildungsberufe kennenzulernen. (Karlernst Stosch), der Berufsbildenden wünscht sich der Prodekan der Univer- Schule Wissen (Reinhold Krämer) so- sität Siegen, Professor Dr. Peter Krebs.2 1 Rhein-Zeitung vom 2. Mai 2014. wie der Berufsschule Betzdorf-Kirchen „Wir wollen gern dauerhaft mit dem beruflichen Gymnasium Wissen ko- operieren“, so der Professor. Die Zu- sammenarbeit erfolgt im Rahmen des „Beschleunigten Studiums“. Dieses un- terstützt gezielt leistungsstarke Studie- rende und Schüler und ist Teil des vom Bund geförderten Linus-Konzeptes zur Verbesserung der Studienbedingungen und der Studienerfolgsquote. Neun Ab- solventen des beruflichen Gymnasiums Wirtschaft nahmen 2015 an Klausuren der Betriebswirtschaftslehre teil. Sieben von ihnen waren erfolgreich und kön- nen die Prüfungsleistung bei einem Die Unterzeichnung der Kooperationsvereinbarungen war ein Grund zur Freude für späteren Studium an der Uni Siegen einbringen. (von links) Torsten Höfer und Hubert Kleusberg (beide Kleusberg GmbH & Co.KG), Andreas Reingen (Kreissparkasse Altenkirchen), Schulleiter Reinhold Krämer und IHK-Regionalgeschäftsführer Oliver Rohrbach. 2 Vgl. Rhein Zeitung vom 21.11.2015.

Rhein-Zeitung vom 2. Mai 2014 (Foto: Elmar Hering)

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 121 Eine Klasse für Elektroinstallateure. Vorne rechts: Laubert aus Togo und dahinter Herr Schneider, ein weiterer Togolese, der Rundfunk- und Fernsehmechaniker lernte. Anfang der 60er Jahre unterstützte der Togo-Verein die Ausbildung junger Afrikaner.

10.9 Unser Bunt hat viele Togolesen ausgebildet, die auch den Be- hatten ihre Kindern keine ausreichen- Farben: „Anderssein“ rufsschulunterricht besuchten. den Kenntnisse der deutschen Sprache. Etwas später kamen die ersten Schü- Infolge des Bürgerkriegs in Jugoslawi- hat Tradition in der BBS ler, deren Eltern als Gastarbeiter nach en flüchteten Anfang der 1990er Jah- Deutschland gekommen waren. Meist re viele Menschen vom Balkan, denen Um 1960 bildete sich in Altenkirchen ohne deutsche Sprachkenntnisse muss- im neuen Jahrtausend Flüchtlinge aus eine Gemeinschaft unter der Bezeich- ten sie in den Schulalltag integriert den Kriegs- und Krisengebieten Afrikas nung „Togo, eingetragener gemeinnüt- werden. Nach dem Ende des Vietnam- und Vorderasiens, insbesondere Irak, ziger Verein zur Förderung der Berufs- Krieges (1975) kamen dann die Kinder Afghanistan und Syrien, folgten. ausbildung junger Afrikaner“, die es der Boatpeople. Perestrojka und Glas- 2015 war der Zustrom so groß, dass im sich zur Aufgabe machte, Afrika zu hel- nost öffneten Ende der 1980er Jahre Rahmen des Berufsvorbereitungsjahres fen, und zwar nach dem Motto, „Nicht den Eisernen Vorhang und deutsche eine spezielle Klasse „Sprachen“ einge- Geld, sondern Wissen und Bildung Spätaussiedler konnten aus Polen und richtet wurde. Mehr als 50 Jugendliche helfen der Dritten Welt“. Im Kreis Al- der ehemaligen Sowjetunion in die zwischen 15 und 18 Jahren wurden und tenkirchen wurden über Jahre hinweg Bundesrepublik übersiedeln. Oftmals werden hier auf dem Weg der Integ-

Rhein Zeitung vom 13.5.2017 Wissen, was läuft, Nr. 27/2013

122 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Rhein-Zeitung vom 4. April 2019 ration in das Schulwesen, der Gesell- Sprache“ seien die jungen Leute da- rufsvorbereitungsjahr – Inklusion für schaft, der Ausbildung und den Beruf her nicht automatisch ausbildungsreif, Schüler mit dem Förderschwerpunkt G begleitet. Problematisch ist, dass die so der Schulleiter. „Das ist schon ein eingerichtet. Vorausgegangen war im Schul- und Ausbildungssysteme der Prozess von vier bis fünf Jahren.“ Er Schuljahr 2012/2013 eine Kooperation Herkunftsländer mit unserem nicht ist froh, dass fast die Hälfte der Ju- zwischen der BBS und der Förderschu- vergleichbar sind, deshalb fehlen den gendlichen einen Praktikumsplatz hat. le am Alserberg. Jugendlichen auch Grundlagen. Man- „Gottseidank ist die Bereitschaft der Die BBS Wissen erhielt am 25. März cher von ihnen hat bisher noch gar Unternehmen sehr groß“. Reinhold 2019 aus den Händen von Bildungs- keine Schule besucht. Ein reiner Spra- Krämer sieht seine Aufgabe darin, den ministerin Dr. Hubig den „Ehrenpreis cherwerb der deutschen Sprache reicht Jugendlichen möglichst viel mitzuge- Inklusiver Schulpreis 2018“ des Lan- daher nicht aus, will man die Jugendli- ben, sei es für eine Zukunft in Deutsch- des Rheinland-Pfalz für ihr besonderes che in unser duales Ausbildungssystem land oder für den Wiederaufbau in ih- Engagement bei der Organisation der bringen. rem Heimatland. Beschulung Beeinträchtiger. Nach dem „Berufsvorbereitungsjahr – Im gleichen Jahr wurde auch das Be-

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 123 Projekt der HBF12C – Migration

Anlässlich der Feier zur Einweihung des Schulgebäudes vor 45 Jah- ren stellte die Höhere Berufsfachschule 12C ihre Projektarbeit zum Thema Migration vor. Die Schülerinnen und Schüler gingen das Thema auf verschiedene Sichtweisen an. Nicht nur die Zuwanderung nach Deutschland in den vergangenen 50 Jahren wurde themati- siert, sondern auch der Aspekt der Auswanderung von Deutschen im 19. Jahrhundert. Dabei interessierten natürlich besonders die Ursachen und Gründe, die zur Zu- und Abwanderung führten und führen. Die Zahlen der aktuellen Migranten-Statistik verglichen die Projektmitglie- der mit Zahlen der BBS. Von den 1800 Schülern der BBS befragten sie 450 nach dem Hintergrund ihrer Herkunft. Die Auswertung ergab, dass 39,1 % einen Migrationshintergrund hatten. Bei der eigenen Klasse waren es sogar 13 von 23.

10.10 Mit Erasmus durch über der Europäischen Union größer der Ausbildung die Möglichkeit, Eu- und nach Europa wird und unsere europäische Werte- ropa kennenzulernen. 2018 war ein gemeinschaft vor einer ungewissen durch und durch europäisches Jahr für Zukunft steht, sollte es das Ziel sein, die BBS Wissen: Alleine im vergange- 10.10.1 Europa, wir kommen! Europa von einem abstrakten Brüsseler nen Sommer und Herbst entschlossen Erasmus+ eröffnet neue Regierungsapparat in ein spürbares Er- sich 15 Europa-Pioniere, den Weg ins Möglichkeiten für Berufsschüler lebnis zu transformieren. So erscheint Ausland zu gehen. Die meisten Aus- die Idee des internationalen Austausch- zubildenden nahmen am BWL-Weiter- Ein Praktikum in Madrid, London oder programms Erasmus+ heute wichtiger bildungskurs des European College of Dublin? Ein Austausch mit einem Col- denn je! Von der Europäischen Union Business and Management in London lege auf Malta? An der Berufsbildenden 2014 ins Leben gerufen und getreu dem teil. Erfreulicherweise wird dieses An- Schule (BBS) in Wissen ist das möglich. europäischen Credo „In Vielfalt geeint“, gebot auch nach dem Brexit fortbeste- In Zeiten, in denen die Skepsis gegen- bietet Erasmus+ jungen Menschen in hen, da sich das Vereinigte Königreich

124 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) jüngst dazu verpflichtet hat, auch nach Klein (Westerwald-Akademie der HWK Kompetenzen im internationalen Be- dem Ausscheiden aus der EU an euro- Koblenz) konnte die BBS Wissen mit rufsalltag, sondern leben Europa und päischen Austauschprogrammen teil- Erasmus-Koordinator Christian Lück tragen die europäische Idee. Den jun- zunehmen. bislang 28 Auszubildenden den Weg gen Menschen geht es auch darum, „so In Zusammenarbeit mit der Industrie- ins europäische Ausland ermöglichen. viel wie möglich von der Welt mitzu- und Handelskammer und Handwerks- Die Schülerinnen und Schüler wurden nehmen, zumal die Metropolen London kammer entsandte die BBS Wissen finanziell durch einen Mobilitätszu- und Madrid eine besondere Attraktivität erstmals im Herbst 2015 drei Berufs- schlag von ca. 1.200 Euro unterstützt. besitzen.“ Besonders interessant sind schüler in das Vereinigte Königreich. Sie nahmen unter anderem in London, zudem die Zertifikate, die durch die Die erste Teilnahme an Erasmus+ jähr- Dudley/Birmingham, Dublin und Mad- deutschen Auslandshandelskammern te sich im Herbst 2018 bereits zum rid an drei- bis vierwöchigen Weiterbil- und die hiesige IHK nach bestandener vierten Mal. In starker Kooperation dungskursen und Unternehmensprak- IHK-Prüfung am Ende der Ausbildung mit den Mobilitätsberaterinnen Loui- tika teil. Dadurch erwerben sie nicht vergeben werden („Kaufmann/-frau In- sa Krekel (IHK Koblenz) und Juliane bloß wertvolle beruflich-interkulturelle ternational“).

Teilnehmer am Erasmus+ Programm

Erasmus+ allgemeinen und beruflichen Bildung Auch im Bereich der Lehrerfortbil- Erasmus+ ist das Programm für Bil- sind zu nennen: dung ist künftig eine strategische dung, Jugend und Sport der Europä- Orientierung gefragt. Daher werden ischen Union. In Erasmus+ werden • Verwirklichung von lebenslangem nicht mehr Einzelmaßnahmen wie die bisherigen EU-Programme für le- Lernen und Mobilität; zum Beispiel die Teilnahme einer ein- benslanges Lernen, Jugend und Sport • Verbesserung der Qualität und Ef- zelnen Lehrkraft an einer Fortbildung sowie die europäischen Kooperations- fizienz der allgemeinen und berufli- im Ausland gefördert, sondern ein programme im Hochschulbereich chen Bildung; Bündel von Fortbildungsmaßnahmen zusammengefasst. Erasmus+ ist mit • Förderung der Gerechtigkeit, des einer Schule für einen längeren Zeit- einem Budget in Höhe von rund sozialen Zusammenhalts und des ak- raum. Künftig muss sich die Leitung 14,8 Mrd. Euro ausgestattet. Mehr als tiven Bürgersinns; einer Schule damit beschäftigen, wie vier Millionen Menschen werden bis • Bildungsbenachteiligung sollte und warum – also mit welchen bil- 2020 von den EU-Mitteln profitie- durch ein hochwertiges Bildungsan- dungspolitisch relevanten Zielen – sie ren. Das auf sieben Jahre ausgeleg- gebot für Kleinkinder und durch die europäische Fortbildungen ihres Per- te Programm soll Kompetenzen und Förderung der integrativen Schulbil- sonals in Europa für einen Zeitraum Beschäftigungsfähigkeit verbessern dung angegangen werden; von einem oder zwei Jahren durch- und die Modernisierung der Syste- • Förderung von Innovation und Kre- führen möchte. me der allgemeinen und beruflichen ativität einschließlich unternehmeri- Bildung und der Kinder- und Jugend- schen Denkens – auf allen Ebenen Erasmus+ im Schulbereich ist offen hilfe voranbringen. Der Pädagogische der allgemeinen und beruflichen Bil- für alle Organisationen, die Projekte Austauschdienst (PAD) im Sekreta- dung. im Bereich Schulbildung und beruf- riat der Kultusministerkonferenz ist liche Bildung planen. Sowohl öffent- als einzige staatliche Einrichtung in Bei den Schulprojekten werden künf- liche wie private Einrichtungen, aber Deutschland im Auftrag der Länder tig Themen wie die Senkung der auch Unternehmen sind antragsbe- für den internationalen Austausch Quote der Schulabbrecher, die Stär- rechtigt. und die internationale Zusammenar- kung der Lesekompetenz und der ma-

beit im Schulbereich zuständig. Als thematisch-naturwissenschaftlichen Auszug aus https://www.erasmusplus.de/ zentrale Ziele der europäischen Zu- Schlüsselkompetenzen und die frühe Stand: 29.01.2019, 13.20 Uhr. sammenarbeit auf dem Gebiet der Bildung in den Vordergrund treten.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 125 Lehrerdelegation der BBS besucht Malta

10.10.2 Lehrerdelegation bildenden Schule Wissen auf den Weg ca. 6500 Schülerinnen und Schülern der BBS Wissen besuchte Malta nach Malta. Hier gewannen sie Einbli- zurzeit ca. 180 Vollzeit- und über 300 cke in das maltesische Bildungssystem berufsbegleitende Teilzeitkurse an, an- Auch in der beruflichen Aus- und Wei- und die beteiligte Schule. gefangen bei einzelnen Zertifikaten bis terbildung sind internationale Erfah- Der Aufenthalt beinhaltete den Besuch zu Master-Abschlüssen über ein System rungen und damit verbundene Aus- von zwei Einrichtungen von MCAST von aufeinander aufbauenden „Levels“, landsaufenthalte heutzutage wichtige mit den Schwerpunkten im kaufmän- mit denen sich die Teilnehmer qualifi- Erfolgsbausteine zum Erwerb berufli- nischen, gewerblichen und pädagogi- zieren können. Das Ineinandergreifen cher Kompetenzen. schen Bereich und einer Besichtigung der verschiedenen Bildungsabschlüsse Annette Schimmel und Björn Rothen- von Foster & Clark, einem Unterneh- ermöglicht den Jugendlichen vielfältige pieler suchten im Frühjahr 2018 den men in der Lebensmittelproduktion. Wege. Durchlässigkeit ist das Stichwort. Kontakt mit dem „Malta College of Arts, Abgerundet wurde der Aufenthalt mit In Zukunft ist neben vielfältigen Aus- Science and Technology“ (MCAST) mit einer Führung durch das Parlament tauschprozessen auch ein Schüleraus- dem Ziel einer Erasmus-Kooperation. und einem damit verbundenen Ein- tausch geplant, durch den vor allem Um die Möglichkeiten für ihre Schüle- blick in dessen Geschichte und einem Vollzeitschüler aus sozialen Bildungs- rinnen und Schüler auszuloten, machte kulturellen Rahmenprogramm. gängen in ihren interkulturellen Kom- sich im Oktober eine Delegation von Die Berufsbildende Schule von Malta petenzen gefördert werden sollen. Lehrerinnen und Lehrern der Berufs- wurde 2001 gegründet. Sie bietet den

126 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Wer das liest, ist – nicht doof, sondern Schüler. Und muss hoffen, dass genügend junge Lehrer ihre älteren Kollegen ersetzen können, wenn diese sich massenhaft in den Ruhestand verabschieden.

Rhein-Zeitung vom 7. September 2009

10.11 Ich bin dann mal ken rechnet mit einer Verschärfung des Jahren stehen einige Pensionierungen pensioniert! 1 Fachlehrermangels …“ an. In der Rhein-Zeitung vom 7. September Auch die BBS Wissen ist von dieser Ent- Innerhalb von gut 10 Jahren mussten 2009 wurde eine Karikatur abgebildet, wicklung stark betroffen. Von den 100 mehr als 40 % der Lehrkräfte ersetzt die so manchen aufhorchen ließ. Kolleginnen und Kollegen des Schul- werden. Was man auf den ersten Blick Nach Zahlen des Statistischen Landes- jahres 2008/2009 verlor die Schule bis für unmöglich halten mag, gelang. Die amtes wird bis 2020 in Rheinland-Pfalz heute 42, wovon 31 aus Altersgründen. Personalliste vom 1. Februar 2019 ver- ein gutes Viertel der aktiven Lehrkräfte Am Ende des Schuljahres 2018/2019 zeichnet 40 neue Namen gegenüber an allgemeinbildenden und beruflichen werden weitere zwei Lehrkräfte aus- der des Schuljahres 2008/2009. Für Schulen die Altersgrenze für den Ruhe- scheiden und auch in den folgenden viele von ihnen ist die BBS Wissen die stand erreichen. Mit der größten Pen- erste Anstellung. 1 Claudia Renner, Ein Viertel der Lehrer sagt bis 2020 leise sionierungswelle rechnete man in der „Tschüss“, in: Rheinzeitung vom 07. September 2009. Zeit von 2015 bis 2020. In diesen fünf Jahren verlassen etwa 8500 Lehrkräfte die Schulen. „Am heftigsten trifft es die berufsbildenden Schulen. Ihre Kolle- gien sind im Schnitt ein gutes Jahr äl- ter, da viele vorher im Wirtschaftsleben tätig waren, erklärt der Landesvorsit- zende des Berufsverbandes vlbs, Ulrich Brenker. Deutlich mehr als ein Viertel der 5700 Lehrkräfte an den staatlichen berufsbildenden Schulen geht in den nächsten zehn Jahren in Pension. Als Alarmsignal gilt, dass der geplante Un- terrichtsausfall im vergangenen Schul- jahr erstmals wieder auf 6,9 Prozent geklettert ist. Das ist der Unterricht, der wegen Lehrermangels gar nicht erst von links: Uwe Bronnert,Gerhard Frömberg, Ursula Schörfke, Waltraud Wiekenberg, auf dem Stundenplan erscheint. Bren- Reiner Schneider, Bernhard Stadtfeld und Schulleiter Reinhold Krämer.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 127 10.12 Was sonst noch mischen beruflichen geschah Schule „Herzog Pi- astow Opolskich“ in Schule lebt von und mit den Schülern Krapkowice/Polen und Lehrern. Meist ist der Schulalltag feierte 10. Geburtstag. wenig spektakulär – halt Alltag. Den- Hierzu war extra eine noch hebt sich manches vom Alltag Delegation der polni- ab: Betriebsbesichtigungen, Studien- schen Schule ange- fahrten zur Wertpapierbörse, Bundes- reist. bank und Teilnahme an Aktionärsver- Eine Woche Projek- sammlungen, Klassenfahrten, Projekte, tarbeit endete mit Planspiele und Unternehmensspiele, dem Tag der offenen „Schnupperstudium“ an der Universi- Tür und der offiziel- tät Siegen, Diskussionen mit Politikern len Feierstunde. Mit und Bundeswehroffizieren, Autorenle- Musik von der Leh- sungen, Besichtigungen des Land- und rer-Schülerband „Pa- Bundestages, Teilnahme von Grund- ed Pur“ begann die schülern und Schülern der Realschule Feierstunde, zu der plus am Unterricht, Beteiligungen an Oberstudiendirek- Wettbewerben, Vorträge von Experten tor Reinhold Krämer aus der Praxis, Abschlussfeiern oder die Gäste begrüßte. auch ein besonders interessanter Un- In seiner Rede erin- terricht. Es würde jedoch den Rahmen nerte er an die vielen sprengen, wollte man über dies alles Frauen und Männer, berichten. die in 40 Jahren die Die Feiern anlässlich des 40. und 45. Geschicke der Schu- Jahrestages der Einweihung des Schul- le mit Kopf, Herz gebäudes in der Hachenburger Straße und Hand geleitet Rhein-Zeitung, Wir von Hier vom 10. Januar 2014 sind sicherlich Ereignisse, die geson- und begleitet haben. dert betrachtet werden müssen. Landrat Michael Lieber überbrachte die tes und für das Christliche Jugenddorf 2009 hatte man darüber hinaus zwei Glückwünsche des Kreises und Bürger- (CJD) und gratulierte mit Blick auf eine weitere Gründe zum Feiern; endlich meister Michael Wagener freute sich weiterhin gute Zusammenarbeit. Wolf- lag die Genehmigung zur Errichtung über Entscheidung des Ministeriums. gang Schneider, stellvertretender Schul- eines beruflichen Gymnasiums vor und Kurt Höblich sprach als stellvertreten- leiter aus Krapkowice überreichte einen die Schulpartnerschaft mit der ökono- der Vorsitzender des Schulelternbeira- eigens entworfenen „Geburtstagsbrief“

Mai 2006: Die Schüler des Berufsvorbereitungsjahres waren fleißig im Werkunterricht und verkauften ihre Produkte. Jetzt bekam Pater Schmitz (links) vom Orden der Heiligen Familie aus Betzdorf-Bruche 1100 Euro für das Projekt „Ein Haus in Brasilien“ überreicht. Mit dem Geld kann das Baumaterial für ein zweites Haus des Ordens gekauft werden. In Brasilien wirkt der Orden in der Stadt Sao Francisco. Seit vier Jahre unterstützt die BBS dieses Projekt. Der Dank galt den Schülern für ihr Engagement. Der Lehrer Winfried Maas, Schulleiter Reinhold Krämer (v. r.) und Felix Weller (4. v. r.) freuen sich, dass nun eine zweite besitzlose Familie ein Haus ermöglicht wird.

128 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) “Orwell“-Projekttage, Sicherheit und Überwachung (2006) Die Berufsschülerin- nen der BSHW 02-04 erstellten unter Assis- tenz von Dr. Thomas Stahl während einer mehrwöchigen Pro- jektarbeit eine Un- garn-Zeitung, mit der sie am Landesschü- lerwettbewerb Rhein- land-Pfalz teilnahmen und einen wertvollen Preis gewannen. Der Wettbewerb stand diesmal unter dem Motto: „Ungarn – eine Reise zu Freunden“. Vgl. Rhein-Zeitung vom 9. Juni 2005.

und dankte für zehn Jahre Partnerschaft, meiste Michael Wagener konnte Ober- Stand ist. Er dankte allen, die zur erfolg- aus der mittlerweile Freundschaft ge- studiendirektor Reinhold Krämer auch reichen Entwicklung der BBS Wissen worden sei. Ein gemischter Chor aus Gäste der Partnerschule begrüßen. Er beigetragen haben und beitragen. Fei- Jugendlichen der Partnerschule und der ließ in seiner Rede 45 Jahre Schulge- erlich umrahmt wurde der offizielle Teil BBS Wissen feierte Premiere und bilde- schichte Revue passieren und hob die des Empfangs von Musikbeiträgen ei- ten den musikalischen Abschluss der of- Bedeutung der Schule anhand zahlrei- nes Schülerchores der polnischen Part- fiziellen Teils. Anschließend hatten die cher Beispiel hervor. In den zurücklie- nerschule und der Lehrer-Schüler-Band Gäste die Möglichkeit die Ergebnisse genden viereinhalb Jahrzehnten wur- PädPur. der Projektarbeiten zu begutachten, die den 27 neue Bildungsgänge eingerichtet Im Rahmen einer Projektwoche hatten vom Flohmarkt bis hin zu Infos über und ca. 1700 Schülerinnen und Schüler Schülerinnen und Schüler zahlreiche Datensicherheit, von leckeren Speisen werden von nahezu 100 Lehrkräften in kreative Ideen umgesetzt. Die Ergeb- bis hin zu den kreativen Arbeiten der Teilzeit- und Vollzeitschulformen un- nisse von nahezu 50 Projekten wurden Metall- und Holzwerkstatt reichten. terrichtet. Fast ein Drittel (200) aller im den Gästen präsentiert: von reizvollen Fünf Jahre später feierte die BBS mit Kreis Altenkirchen erworbener Studi- Arbeiten aus den Werkstätten Holz, Me- einem Tag der offenen Tür das 45jähri- enberechtigungen wurden in der BBS tall und textiles Gestalten über Schü- ge Bestehen des Schulstandortes in der Wissen erlangt. Die abgeschlossene Sa- ler-Filmproduktionen, musikalischen Hachenburger Straße. Neben den Land- nierung und Erweiterung des Gebäudes Vorführungen, Quizspielen, Projekte tagsabgeordneten Dr. Peters, Thorsten sowie die Ausstattung der Schule trügen zu Ernährungsfragen, Marktwirtschaft, Wehner und Michael Wäschenbach so- dazu bei, dass die BBS heute wieder Migrationshintergrund der Schüler u. wie Landrat Michael Lieber und Bürger- gebäudetechnisch auf dem modernsten ä. sowie Attraktionen in der Sporthalle.

Abschluss an der Dualen Berufsoberschule

Wissen, was läuft vom 10. Mai 2012 Rhein-Zeitung vom 9. Juli 2016

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 129 Freude bei der BBS: Fußball-Kreissieger 2005. Studiendirektor Peter Wilking (links) überreichte die Trikots des Fördervereins an die erfolgreichen Fußballer und gratulierte der Mannschaft und dem Mannschaftsbetreuer Studienrat Rüdiger Pelzel (3. v. links) zusammen mit Schulleiter Oberstudiendirektor Reinhold Kramer (rechts) zu ihrem guten Abschneiden.

Große Freude herrschte bei den 21 Schülerinnen und Schüler der BFW 2001 b über ihren Erfolg bei der Teilnahme am 33. Schülerwettbewerb Rheinland-Pfalz „Die Deutschen und ihre östlichen Nachbarn auf dem Weg in ein vereintes Europa. L. hinten Dr. Thomas Stahl, der betreuende Lehrer.

[Rhein-Zeitung von 2003]

[Rhein-Zeitung vom 20. Juli 2005]

Die Projektgruppe FS Erzieher 2003 a sammelte 616,83 € für in Not geratene Kinder. Der Betrag kommt dem Kinderschutzdienst Kirchen zugute, der sich seit mehr als elf Jahren um misshandelte Kinder kümmert. [ Rhein-Zeitung vom 3. Dezember 2004] 130 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) [Rhein-Zeitung vom 7. Dezember 2004] Mit ihnen fing alles an. BSFL97_99

24. Oktober 2007: Tag der Logistik 10 Jahre Bildungsgang Lagerberufe 1997 – 2007

BSFL2007

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 131 Impressionen vom Tag der Offenen Tür 45 Jahre BBS

Rhein Zeitung vom 2. Juni 2012

Schüler des Fachbereichs Hauswirtschaft zu Gast bei Landtagsabgeordneten Haijo Höfer in Mainz 2017

132 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Aktives Kollegium

Lehrerausflug nach Valtenburg 2018

Um Wissen – Lehrerausflug 2013 Lehrerausflug nach Essen 2013

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 133 Schulpartnerschaft

(Qingdao Finance & Economics Vocational School (China)/Berufsbildende Schule Wissen)

1111.1 Besuch aus China Bei den geführten Gesprächen betonten die chinesischen Vertreter, dass man Ende 2016 besuchten Lehrer der „Qing- an einer Schulpartnerschaft mit einer dao Finance & Economics Vocational deutschen berufsbildenden Schule in- School“ Wissen. Neben der Vorstel- teressiert sei. Der Kontakt nach Wissen lung der BBS mit ihren vielfältigen kam übrigens dadurch zustande, dass Bildungsgängen und Schulabschlüssen eine andere Berufsschule aus Qingdao gewährte der Schulleiter Krämer und bereits eine Partnerschaft zur BBS Wes- die Mitglieder des Besuchsorganisati- terburg angebahnt hat. onsteams sowie Vertreter der Industrie- Auch wenn die Erwartungen beider und Handelskammer den Gästen ei- Schulen noch ein Stück auseinanderlie- nen Einblick in das duale Berufsausbil- gen, vereinbarte man, dass eine Lehrer- begrüßte der Schulleiter, Herr Kefu Qu, dungssystem und die Lehrerausbildung delegation im kommenden Jahr aus die Delegation. Übersetzt wurde vom in Rheinland-Pfalz. Im Gegenzug schil- Wissen nach China reist. Koordinator für Schulpartnerschaf- derte ein Vertreter der chinesischen ten in Qingdao, Herrn Yuxiang Cao, Schule die Struktur und die Stärken der der lange in Deutschland lebte. Der dortigen Bildungseinrichtung. Sie qua- 11.2 Im Land der Mitte Schulchor stimmte Schillers „Ode an lifiziert nicht nur den Nachwuchs für Zwölf Flugstunden trennen Wissen und die Freude“ an. Anschließend stand ein die Finanzbranche, sondern hat zum die chinesische Stadt Qingdao. Den- erster Rundgang durch die Schule mit Beispiel auch dem Gebiet des Sportma- noch entstand eine Schulpartnerschaft ihren ca. 1500 Schülerinnen und Schü- nagements einiges zu bieten. der Berufsbildenden Schule (BBS) Wis- lern, von denen 600 im schuleigenen Die Besucher aus dem Land der Mitte sen und der Qingdao Finance & Eco- Internat leben, auf dem Programm. stand ein dicht gedrängtes Besuchspro- nomics Vocational School, eine Schule Zu dem vielseitigen Programm ge- gramm bevor. Bei einer Besichtigung mit dem Schwerpunkt kaufmännische hörte natürlich auch der Besuch des der Firma Kleusberg lernten die chi- Berufsschule. Unterrichtes. Eine Unterrichtsstunde nesischen Lehrer einen der führenden Qingdao ist mit seinen über neun Mil- in Chinesisch, Rechnungswesen und heimischen Betriebe kennen, dessen lionen Einwohnern eine aufstrebende Englisch boten einen repräsentativen kaufmännische Auszubildende an der und pulsierende Metropole, wie nicht Querschnitt. Alle Schüler lernen Eng- BBS Wissen unterrichtet werden. Ein zuletzt der Bauboom belegt. Auf vielen lisch, einige auch Deutsch. Qingdao hat Besuch in Köln und des Landtages in Ebenen sucht die Stadt den Kontakt mit noch ein kleines von der Bausubstanz Mainz sowie eine Rundfahrt auf den Deutschland, besonders auch Rhein- her deutsch geprägtes Viertel. Zudem Spuren Raiffeisens rundeten das Pro- land-Pfalz. Das Land unterstützt die wurde die Tsingdao-Brauerein, die auch gramm ab. Anbahnung von Schulpartnerschaften. besichtigt wurde, von Deutschen ge- Im Dezember 2016 war eine Delegati- gründet. on der Qingdao Finance & Economics Der deutsch-chinesische Kontakt wird Vocational School zu einem ersten Be- auf industrieller Ebene deutlich. So be- such im Wissen und lernte Schule und findet sich ein entsprechender Indus- Region kennen. Die freundschaftlichen trie- und Ökopark im Aufbau, in dem Kontakte führten zur schnellen Organi- zum Beispiel deutsche Technologie ein sation des Gegenbesuches. Passivhaus ermöglichte. Ebenso stand Im April 2017 waren sechs Kolleginnen mit Haier ein großer Industriebetrieb und Kollegen der BBS Wissen dann auf der Besuchsliste, der zahlreiche in Qingdao. In der voll besetzten Aula technische Gebrauchsgüter herstellt,

134 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Schulpartnerschaft

(Qingdao Finance & Economics Vocational School Unterzeichnung des Partnerschaftsvertrags (China)/Berufsbildende Schule Wissen) vom Fernseher bis zum Computer und 11.3 Der Partnerschafts­ chen Austausch hinsichtlich der Unter- von der Waschmaschine bis zur Sitz- vertrag soll gelebt werden richtsgestaltung, speziell mit Blick auf dusche. die Methodik, wurde schon im Rahmen Der Zeitplan ermöglichte auch Stadt- Langsam wird der Partnerschaftsvertrag des ersten Besuches besonderen Wert und Hafenbesichtigungen. 2008, als mit Leben gefüllt. Nach dem im April gelegt. Besonders interessant gestaltete die Sommerspiele in Peking stattfan- in China der Vertrag unterzeichnete sich der Besuch des Studienseminars in den, wurden in Qingdao vor der impo- wurde, kam nun erneut eine kleine chi- Neuwied. Dort bot sich die Möglichkeit nierenden Skyline die Wettbewerbe im nesische Delegation zum Gegenbesuch zum Austausch über die Unterschiede Segeln ausgetragen. Ein Ausflug galt an die Sieg. in der Lehrerausbildung beider Staaten. dem Laoshan-Nationalpark. Dort konn- Im Mittelpunkt des neuerlichen Aus- Ein Ergebnis der Gespräche in Wissen: te ein taoistisches Kloster mit einer 30 tausches standen wieder die pädagogi- Nach den Besuchen auf Lehrerebene Meter hohen Laotse-Statue besichtigt schen Standards. Die chinesischen Kol- werden vom 19. bis 25. März 2018 nun werden. legen beobachteten äußerst interessiert zwölf Schülerinnen und Schüler aus Persönliche Kontakte vertieften die Ein- den Unterricht in verschiedenen Bil- unterschiedlichen Schulformen nach drücke. So fand auch ein Tischtennis- dungsgängen und diskutierten das Er- Qingdao reisen und den Unterricht an match zwischen Thomas Becker und lebte anschließend mit den jeweiligen der Partnerschule erleben. dem Schulmeister statt. Meist wurde deutschen Kollegen. Auf diesen fachli- mit den chinesischen Kolleginnen und Kollegen gemeinsam gegessen, zum Abschluss lud der Schulleiter sogar die Delegation nach Hause ein, um für sie 13 Schülerinnen und Schüler zu Gast zu kochen. bei der Partnerschule in China: 19. bis 25. März 2018 Der am letzten Tag von Schulleiter Kefu Es ist kein ganz gewöhnlicher Schüleraustausch: die Entfernungen enorm, die Sprach- Qu und dem Stellvertretenden Schul- unterschiede nicht minder. 13 Schülerinnen und Schüler reisten ins Reich der Mitte. leiter der BBS Wissen, Peter Wilking, Ihr Ziel die Partnerschule in der Neun-Millionen-Metropole Qingdao am Gelben Meer. unterzeichnete Partnerschaftsvertrag Die Schüler des beruflichen Gymnasiums sowie verschiedener kaufmännischer Aus- sieht Schüler- und Lehreraustausch vor. bildungsberufe, begleitet von ihren Lehrern Thomas Renji und Jonas Schäfter, beka- Dabei soll projektorientiert auf fachli- men eine Woche lang die Möglichkeit den Alltag eines wirtschaftlich und politisch im- cher oder kultureller Ebene gearbeitet mer mehr an Bedeutung gewinnenden Landes kennenzulernen. Neben der Teilnahme werden. am dortigen Unterricht und einer ausführlichen Führung über das beeindruckende Dem nächsten Besuch einer chinesi- Schulgelände standen Betriebsbesichtigungen und Ausflüge in die reizvolle Umge- bung Qingdaos auf der Tagesordnung. Besucht wurde auch die berühmteste Brauerei schen Lehrerdelegation im Oktober Chinas, die Tsingtao-Brauerei. Diese zahlreichen und vielfältigen Programmpunkte 2017 folgte dann im März 2018 eine ers- trugen neben der Unterbringung in Gastfamilien dazu bei, dass die Westerwälder Rei- te Fahrt einer Schülergruppe der BBS segruppe authentische Einblicke in die Kultur und Gepflogenheiten Chinas erhielten. Wissen nach Qingdao. 13 Schülerinnen und Schüler und zwei Lehrer konnten so den Partnerschaftsvertrag mit Leben füllen. Der Austausch bot die Möglich- keit, den Alltag eines wirtschaftlich und politisch immer mehr an Bedeutung gewinnenden Landes kennenzulernen. Neben der Teilnahme am dortigen Un- terricht und einer ausführlichen Füh- rung über das beeindruckende Schulge- lände standen Betriebsbesichtigungen und Ausflüge in die reizvolle Umge- bung Qingdaos auf der Tagesordnung. Ein geplanter Besuch einer Lehrer- und Schülergruppe aus Qingdao wird Ende 2019 erwartet. (Von StD Peter Wilking)

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 135 Wie wird es 12 weitergehen?

Schule ist immer auch ein Spiegelbild Neben Migration beherrscht das The- erschöpfliches Reservoir aufstiegsori- der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die ma Inklusion die pädagogischen Dis- entierter junger Menschen dar. Jedoch Ausbildungsplatzsuche war besonders kussionsforen der letzten Jahre. „Aus- darf ihre Ausbildung nicht am Geld in der ersten Dekade des neuen Jahr- wertungen des Bildungsberichts ‚Bil- scheitern. Die sozial-liberale Koalition tausends für Jugendliche unserer Regi- dung in Deutschland 2014‘ mit dem unter Kanzler führte am on sehr schwierig, da sich immer mehr Schwerpunkt ‚Bildung von Menschen 1. September 1971 das Bundesausbil- Unternehmen die Frage stellten, ob sie mit Behinderungen‘ zeigen, dass im dungsförderungsgesetz (kurz: BAföG) sich im härteren Wind eines globalisier- Schuljahr 2012/13 deutschlandweit ca. ein. Bedürftige Schüler und Studenten ten Wettbewerbs die hohen Kosten für 53.000, demnach 2,07 % der Schüle- erhielten Leistungen, die nicht zurück- eine Berufsausbildung überhaupt noch rinnen und Schüler mit einem son- gezahlt werden mussten.3 Diese Förde- leisten könnten? Dabei übersah man je- derpädagogischen Förderschwerpunkt rung verbesserte die Chancengleichheit doch, dass die Ausbildung junger Men- an beruflichen Schulen unterrichtetet im Bildungssektor und erhöhte den schen eine Investition in die Zukunft werden.“1 Hinzu kommen Schülerin- Anteil von Studenten an den Hoch- ist. Die Experten sagten voraus, dass es nen und Schüler mit mangelnder Be- schulen aus bildungsferneren Eltern- besonders im Hinblick auf die demo- rufsreife. „Verschiedene Studien zei- häusern. Das BAföG wurde seit dieser graphische Entwicklung in Zukunft an gen, dass ca. 20 % der Jugendlichen Zeit mehrfach geändert. Am 29. Januar Fachkräften mangeln werde. Heute, wo nicht mehr in der Lage sind, den ge- 2019 ließ ein Bericht in der Siegener die Wirtschaft wieder boomt, suchen sellschaftlichen Anforderungen gerecht Zeitung aufhorchen. Er war überschrie- Unternehmen händeringend Fachkräf- zu werden und dementsprechend eine ben mit „Auslaufmodel BAFÖG?“. In te. Schon denkt man daran, im Aus- mangelnde Ausbildungsreife und Defi- ihm wird berichtet, dass immer weni- land qualifizierte Arbeitnehmer anzu- zite in der Entwicklung von Schlüssel- ger Studenten und Schüler gefördert werben. Auch (jugendliche) Asylanten qualifikationen aufweisen.“2 Wahrlich würden. So sei die Gesamtzahl der Ge- könnten hier für eine Entspannung auf eine Herausforderung für die berufsbil- förderten von 979.000 im Jahre 2012 dem Arbeitsmarkt sorgen. Allerdings denden Schulen. auf 782.000 in 2017 zurückgegangen. gibt es derzeit in der Bundesrepublik Die berufsbildenden Schulen mit ihren Es ist zu hoffen, dass die anstehende politische Strömungen, die genau dies vielfältigen Schulformen stellen ein un- Gesetzes-Novelle einen Wendepunkt verhindern wollen. Überdies würde ih- re Eingliederung einen mehrjährigen 1 Eva-Maria Gesing und Christine Schmalenbach, Inklusion 3 Gegenüber dem Vorgängermodell, der seit 1957 existie- im Übergangssystem, in: Bildung und Beruf, Ausgabe renden Studienförderung (sog. Honnefer Modell), hatte Prozess voraussetzen. März 2019, S. 92. es einen breiteren Kreis von Empfangsberechtigten und 2 Ebenda. garantierte einen Rechtsanspruch auf Förderung.

136 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Wie wird es weitergehen?

der Entwicklung einleitet. Jugendliche bereitzustellen.5 Da die Umsetzung sonderen Stellenwert erhalten, da sie aus einkommensschwächeren Schich- des Digital-Paktes eine Grundgesetz- Jugendliche für die Anforderungen des ten der Bevölkerung müssen weiterhin änderung notwendig macht, befürch- Arbeitsmarktes fit machen müssen!“ die Chance erhalten, zu studieren, gilt teten die Bundesländer einen Eingriff Bei aller Euphorie über den Geldsegen es doch die Bildungs-Ressourcen aus- in ihre Hoheitsrechte und blockierten aus Berlin sollte man bedenken, dass zuschöpfen. zunächst das Vorhaben. Nachdem der die digitalen Medien nur ein pädagogi- Ende der 1970er/Anfang der 1980er Bundesrat am 15. März 2019 mit der scher Baustein im Unterricht sind und Jahre kamen mit Apple II, Commodore erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit keineswegs das Allheilmittel für alle C64, Atari ST und IBM-PC 5150 die erste dem Gesetz zugestimmt hat, ist nun gegenwärtigen Schulprobleme: Unter- Personal Computer mit schreibmaschi- der Weg frei für die Umsetzung. Von richtsausfall, Lehrermangel, Überfor- nenähnlicher Tastatur und Bildschirm den Bundesmitteln entfallen ca. 240 derung von Lehrern durch Inklusion auf den Markt, die auch für Privatper- Millionen Euro auf Rheinland-Pfalz. und Integration behinderter und aus- sonen erschwinglich waren. – Und am Karl-Heinz Fuß, Landesvorsitzender ländischer Schüler sowie durch zuneh- 12. März 1989 stellte Tim Berners-Lee des VLW, meldete bereits den beson- mende Gewalt an den Schulen. Hinzu erstmals sein Konzept vom „World Wi- deren finanziellen Bedarf der berufsbil- kommt die stetig wachsende Belastung de Web“ vor.4 Niemand konnte damals denden Schulen an. Im „newsletter des durch neue Aufgaben.7 ahnen, dass es unser Leben grundle- VLW Rheinland-Pfalz“ (Ausgabe vom Die Schulen sehen sich heute einem gend verändern würde. Der Computer 23. März 2019)6 heißt es u. a.: „Insbe- immer schnelleren Wandel der Gesell- hat mit seinen Weiterentwicklungen sondere die berufsbildenden Schulen schaft, ständig veränderten Vorausset- schon längst auch das Klassenzimmer benötigen erhebliche Finanzmittel, um zungen und Aufgaben konfrontiert. erobert. Die Bundesregierung beab- die Jugendlichen auf die digitalen An- Niemand vermag zu sagen, wie „Schu- sichtigte, ein mindestens 5,5 Milliarden forderungen des Arbeitsmarktes vorzu- le“ von morgen aussehen wird. . Euro schweres Investitionsprogramm bereiten.“ Und an anderer Stelle: „Die zur digitalen Ausstattung der Schulen berufsbildenden Schulen müssen bei den Planungen des Landes einen be-

4 Das Revolutionäre am „WWW“ war der simple Daten- transfer mit einem universellen Übertragungsstandard. 5 S. hierzu: https://www.bmbf.de/de/wissenswertes-zum-di- Alle Websites konnten unabhängig vom Computersystem gitalpakt-schule-6496.html. Stand: 24.03. 2019, 12.10 Uhr. über das gleiche Adressformat angesteuert werden. Zum 6 https://email.t-online.de/em#f=INBOX&m=136221247160 7 So die allgemeine Meinung beim Schulleiter-Kongress in Navigieren genügten Mausklicks auf elektronische Quer- 35410&method=showReadmail. Stand: 24.03.2019, 12.30 Düsseldorf vom 21. – 23. März 2019. Vgl. Siegener Zeitung verweise, sogenannte Hyperlinks. Uhr. vom 23. März 2019.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 137 A Anhang Schulformen und Bildungsgänge der BBS Wissen

1 Berufsschule in der 3 Berufsfachschule I 6 Fachschule Wirtschaft dualen Ausbildung (BS) (einjährig, BF1) - Kommunikation Berufsfelder: 3.1 Wirtschaft und Verwaltung und Büromanagement Wirtschaft und Verwaltung, Körperpflege, (BF1 WV) (FSKB) Hauswirtschaft, Gesundheit 3.2 Hauswirtschaft / Sozialwe- sen (BF1 HW) Fachklassen in alphabetischer Reihenfolge: 7 Fachschule Altenpflege • Bankkaufleute (BANK) 3.3 Gesundheit / Pflege (BF1 GP) (FSA/AH) • Berufskraftfahrer (BKF) 3.4 Holztechnik (BF1 HO) 7.1 Fachschule Altenpflege • Einzelhandelskaufleute (EK) / Verkäufer (VK) (FSA) • Fachkraft für Lagerlogistik, Fachlagerist (FL) 4 Berufsfachschule II 7.2 Fachschule Altenpflegehilfe • Friseure (FR) (einjährig, BF2) (FSAH) • Hauswirtschafter (HW) 4.1 Wirtschaft (BF2 WV) • Fachpraktiker Hauswirtschaft (PH) 4.2 Hauswirtschaft/Sozialwesen 8 Fachschule Sozial­ • Fachpraktiker Service (PS) ab 2018/19 und Ernährung, Gesundheit/ wesen (FSS/FSH/FSOF) Pflege (BF2 HG) • Industriekaufleute (IK) 8.1 Fachrichtung Sozial­ • Kaufleute für Büromanagement (BM) pädagogik (FSS) • Kaufleute im E-Commerce (EC) ab 2018/19 5 Höhere Berufsfach­ (in Voll- und Teilzeitform) • Kaufleute im Groß- und Außenhandel (GK) schule (zweijährig, HBF, 8.2 Organisation und Führung (FSOF) • Medizinische Fachangestellte (MFA) Reform 2019) • Pharmazeutisch-kaufm . Angestellte (PKA) 5.1 Wirtschaft (bisher: Organisa- • Verwaltungsfachangestellte (VW) tion und Officemanagement, 9 Berufsoberschule (BOS) HBFO) • Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) Duale Berufsoberschule 5.2 Informationstechnik (DBOS) (bisher: IT-Systeme, HBFI) 2 Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) 5.3 Ernährung, Service und 10 Berufliches Gymnasium 2.1 Vollzeit: Gewerblich-technischer Bereich: Dienstleistungsmanagement Metall / Holz / Kunststoff (BVJGT) (bisher: Hauswirtschaft, Wirtschaft (BGYW) HBFH) 2.2 Vollzeit: Hauswirtschaft / Sozialpflege (BVJHS) 5.4 Sozialassistenz (HBFS) 2.3 Vollzeit: Integrativ (BVJi) 2.4 Vollzeit: Inklusion (G-Schüler) 2.5 Vollzeit: Sprache (BVJ Sprache)

138 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Schullaufbahnen an der BBS

Stand: 1. Januar 2019

►► ►► ►►

►►

►► ►►

►► ►► ►►

►► ►►► ►► ►►

►►

►► ►►

►► ►►

►► ►►

►► ►► ►►

►►

►►

►►

►► ►►

►► ZUGANGSVORAUSSETZUNG

Erläuterungen

BF I – Berufsfachschule I BVB – Berufsvorbereitende Bildungsmaßname BF II – Berufsfachschule II dBOS – Duale Berufsoberschule (Abendunterricht) BGYW – Berufliches Gymnasium Wirtschaft HBF – Höhere Berufsfachschule BVJ-Integrativ – BVJ für Integrationsschüler FSA – Fachschule Altenpflege BVJ-Inklusion – BVJ für G-Förder-Schüler FSOF – Fachschule Organisat. u. Führung (Abendunterricht) BVJ-Sprache – BVJ Sprachförderung für Migranten FSS – Fachschule Sozialwesen - Sozialpädagogik BVJs – BVJ in Vollzeitform FSW – Fachschule Wirtschaft (Abendunterricht)

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 139 Funktionsträger der BBS Wissen seit dem 1. September 1965

Schulleiter Stellvertreter 2. Stellvertreter Abteilungsleiter Abteilungsleiter Abt.Leiter/Std Studiendirektor Studiendirektor Studiendirektor 1965 1966 JOHANNES BRAND 1967 *1927 +1991 1968 1969 KARL ULLRICH 1970 *1930 1971 1972 1973 1974 JOSEF REUBER JOSEF BENGESTRATE 1975 *1928 *1920 +2008 ELISABETH PAUL 1976 WALTER HOFFMANN *1915 +2002 GERHARD MOHR 1977 *1919 +2003 *1930 +2015 1978 1979 1980 WILHELM KÖNIG JOSEF BENGESTRATE INGRID WEICHHAUS 1981 *1925 +2005 *1920 +2008 *1933 1982 HERBERT SCHMIDT 1983 *1935 +2018 1984 1985 1986 1987 1988 GERHARD MOHR 1989 INGRID WEICHHAUS *1930 +2015 1990 *1933 HERBERT SCHMIDT SIEGFRIED DALLMANN *1935 +2018 1991 *1939 1992 1993 HORST BÖCKING 1994 *1947 1995 1996 DR. ROLAND DOSCH 1997 *1940 HORST BÖCKING HARTMUT SCHOCK 1998 *1947 *1954 1999 SIEGFRIED DALLMANN 2000 *1939 PETER WILKING BERNHARD STADTFELD SABINE NUGEL 2001 *1955 *1951 *1956 2002 2003 REINER SCHNEIDER 2004 *1952 2005 2006 MICHAEL SCHIMMEL 2007 *1961 2008 ANGELIKA BALOGH 2009 *1953 HARTMUT SCHOCK 2010 PETER WILKING *1954 HERMANN SCHNEIDER 2011 REINHOLD KRÄMER AXEL BÖHNLEIN *1955 *1958 2012 *1954 *1956 2013 2014 ANNETTE SEIFNER 2015 *1957 2016 2017 KATRIN WITSCHER ANNETTE SCHIMMEL 2018 *1972 JOCHEN WILHELMI *1966 *1970 BJÖRN HORNBURG 2019 *1970

140 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Funktionsträger der BBS Wissen seit dem 1. September 1965

Schulleiter Stellvertreter 2. Stellvertreter Abteilungsleiter Abteilungsleiter Abt.Leiter/Std Studiendirektor Studiendirektor Studiendirektor 1965 1966 JOHANNES BRAND 1967 *1927 +1991 1968 1969 KARL ULLRICH 1970 *1930 1971 1972 1973 1974 JOSEF REUBER JOSEF BENGESTRATE 1975 *1928 *1920 +2008 ELISABETH PAUL 1976 WALTER HOFFMANN *1915 +2002 GERHARD MOHR 1977 *1919 +2003 *1930 +2015 1978 1979 1980 WILHELM KÖNIG JOSEF BENGESTRATE INGRID WEICHHAUS 1981 *1925 +2005 *1920 +2008 *1933 1982 HERBERT SCHMIDT 1983 *1935 +2018 1984 1985 1986 1987 1988 GERHARD MOHR 1989 INGRID WEICHHAUS *1930 +2015 1990 *1933 HERBERT SCHMIDT SIEGFRIED DALLMANN *1935 +2018 1991 *1939 1992 1993 HORST BÖCKING 1994 *1947 1995 1996 DR. ROLAND DOSCH 1997 *1940 HORST BÖCKING HARTMUT SCHOCK 1998 *1947 *1954 1999 SIEGFRIED DALLMANN 2000 *1939 PETER WILKING BERNHARD STADTFELD SABINE NUGEL 2001 *1955 *1951 *1956 2002 2003 REINER SCHNEIDER 2004 *1952 2005 2006 MICHAEL SCHIMMEL 2007 *1961 2008 ANGELIKA BALOGH 2009 *1953 HARTMUT SCHOCK 2010 PETER WILKING *1954 HERMANN SCHNEIDER 2011 REINHOLD KRÄMER AXEL BÖHNLEIN *1955 *1958 2012 *1954 *1956 2013 2014 ANNETTE SEIFNER 2015 *1957 2016 2017 KATRIN WITSCHER ANNETTE SCHIMMEL 2018 *1972 JOCHEN WILHELMI *1966 *1970 BJÖRN HORNBURG 2019 *1970

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 141 Entwicklung der Schülerzahlen an der BBS Wissen seit 1979 (Daten aus der amtlichen Statistik)

Städt. Hauswirtschaft TZ 3 Jahre Lehrer-Wochenstunden-Ist Wochenstunden-Soll Lehrer- Gesamtschülerzahl Klassen Schuljahr Berufsschule in der dualen Ausbildung - TZ 2 bis 3 1/2 Jahre Berufvorbereitungsjahr 1 Jahr VZ Berufsvorbereitungsjahr - kooperativ 1 Jahr TZ Berufsgrundbildungsjahr Wirtschaft/Hauswirtschaft 1 Jahr VZ I Berufsfachschule Wirtschaft; Hauswirtschaft; Gesundheit; Holztechnik 1 Jahr VZ II Berufsfachschule Wirtschaft; Hauswirtschaft; Gesundheit; Holztechnik 1 Jahr VZ Berufsfachschule Wirtschaft; Hauswirtschaft VZ 2 Jahre Berufsfachschule Wirtschaft 1 Jahr VZ Berufsfachschule Höhere Betr.wirtsch.;Datenverarb.; HauswirtschaftFremdspr.; VZ 2 Jahre Berufsfachschule Höhere Sozialassistenz VZ 2 Jahre Fachoberschule Sozialwesen TZ 2 Jahre Berufsoberschule I (bis Schj.03/04 Fachobersch.) Wirtschaft 1 Jahr VZ Berufsoberschule (dual) TZ 2 Jahre Berufsoberschule II Wirtschaft 1 Jahr VZ Fachschule Erzieher/Sozialpädagogik VZ/TZ 3 Jahre Fachschule Heilpädagogik TZ 3 Jahre Fachschule Altenpflege/Altenpflegehilfe TZ 3 Jahre Fachschule Wirtschaft: (Betriebswirtschaft; 3; Informationsverarbeitung) TZ 2½ Jahre Fachschule

1979/80 1.088 70 0 105 207 8 40 30 168 42 1.294 1.824 1.758 80 1980/81 809 58 45 104 167 22 68 50 160 34 1.176 1.544 1.517 80

1981/82 811 56 49 104 195 99 45 169 37 1.343 1.640 1.567 83

1982/83 812 55 51 104 209 115 43 166 41 1.436 1.751 1.605 85 1985/86 1983/84 813 53 53 103 222 130 40 168 54 1.478 1.739 1.636 86

1984/85 867 54 51 103 216 147 34 135 55 Schj . ab eingerichtet 1.413 1.623 1.607 71 1985/86 859 37 52 74 228 160 29 127 80 22 1.370 1.605 1.668 82 1986/87 808 30 55 66 224 188 20 88 91 25 1.369 1.641 1.595 78

1987/88 736 33 54 33 201 172 eingerichtet TZ Jahre 2 25 62 106 23 1.375 1.584 1.445 69 Fachoberschule Sozialwesen Fachoberschule 1988/89 748 38 67 45 172 152 34 44 100 31 1.333 1.591 1.431 78 nur in Schuljahr 1991/92 und 1992/93 und 1991/92 Schuljahr in nur ausgelaufener Bildungsgang ausgelaufener

1989/90 711 41 71 35 154 133 26 45 91 34 1993/94 Schuljahr ab eingerichtet 1.333 1.469 1.341 76 1990/91 728 41 71 25 144 106 24 46 1994/95 Schuljahr ab eingerichtet 87 30 1.256 1.386 1.318 72 1991/92 746 59 67 26 99 88 11 31 68 58 39 1.296 1.407 1.292 74 1992/93 699 53 86 0 120 88 8 27 96 43 49 1.221 1.318 1.269 69 1993/94 638 71 78 0 142 95 33 122 64 25 19 1.285 1.372 1.287 71

1994/95 607 82 82 26 170 144 14 2004/05 Schuljahr ab neu 145 25 72 42 15 1.296 1.471 1.424 75 neu ab Schuljahr 2005/06 Schuljahr ab neu 1995/96 573 63 86 36 179 161 2006/07 Schuljahr ab neu 20 159 19 98 27 9 1.458 1.708 1.430 72 1996/97 590 69 82 37 190 183 21 208 36 102 30 5 1.551 1.766 1.553 80

1997/98 846 75 77 37 200 205 21 211 15 82 33 0 1.599 1.766 1.802 87 1998/99 820 68 66 52 196 217 0 181 29 58 37 17 1.603 1.861 1.741 83 1999/00 895 71 95 41 187 196 0 176 29 61 46 19 1.612 1.827 1.817 84

2000/01 860 81 82 45 Berufsfachschule-Oberstufe 2-jähriger Stelle an 2005/06 Schuljahr ab neu 200 210 0 148 15 52 45 13 1.692 1.805 1.753 83 2001/02 838 84 114 67 195 228 0 111 39 52 62 0 1.663 1.727 1.770 82

2002/03 858 78 86 63 Berufsfachschule 2-jähriger und (VZ) Berufsgrundbildungsjahr Stelle an 2004/05 Schuljahr ab neu 184 235 0 95 19 49 26 0 1.616 1.728 1.693 81 2003/04 812 72 109 54 199 268 31 127 60 40 21 28 1.782 1.928 1.821 92 2004/05 783 58 117 169 87 281 21 27 139 14 57 33 19 1.863 1.975 1.805 93

neu ab Schuljahr 2013/14 Schuljahr ab neu 2005/06 796 71 55 185 60 307 24 25 15 184 32 66 28 16 1.872 1.920 1.864 87

2006/07 745 67 36 172 48 292 59 2010/11 Schuljahr seit Gymnasium Berufliches 13 28 15 168 20 64 20 0 1.747 1.917 1.757 87

2007/08 810 72 25 159 56 TZ Sozialpädagogik Sozialwesen/ Fachschule 268 95 20 21 13 139 20 70 20 14 1.747 1.918 1.802 90 siehe BFI siehe Bildungsgang, 2008/09 810 59 40 ausgelaufener 147 57 292 98 17 21 16 110 20 69 20 9 1.830 1.952 1.785 92 2009/10 803 69 42 149 58 266 127 24 22 16 88 18 65 25 11 1.762 1.953 1.783 92

2010/11 800 65 19 123 50 207 127 57 23 30 13 112 18 76 41 1.787 1.922 1.761 89

2011/12 719 54 17 115 45 172 104 105 26 30 17 131 15 82 42 1.704 1.870 1.674 88 2012/13 705 66 11 85 34 175 105 138 11 28 13 160 12 93 24 1.715 1.903 1.660 89

2013/14 680 58 13 98 22 22 170 106 137 17 20 164 12 101 25 TZ J . 2 1.722 1.851 1.645 85 BVJ-Sprache BVJ-Sprache für Migranten für Fachschule 2014/15 637 61 16 106 37 43 168 101 140 18 15 175 15 107 36 1.742 1.850 1.675 84 2015/16 592 70 0 20 106 41 63 161 109 154 14 17 166 13 121 23 Führung . / Organisat 1.783 1.834 1.650 84 2016/17 606 77 0 63 102 40 60 186 109 136 14 28 160 9 120 42 20 1.821 1.958 1.772 90 ausgelaufener Bildungsgang, siehe BFI/BFII siehe Bildungsgang, ausgelaufener

2017/18 641 97 0 54 105 43 69 171 109 126 0 21 ausgelaufen 163 0 94 36 12 1.779 1.934 1.741 89 2018/19 646 105 0 31 89 43 78 149 102 131 0 16 159 0 91 23 16 1.768 1.854 1.679 87

142 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Entwicklung der Schülerzahlen an der BBS Wissen seit 1979 (Daten aus der amtlichen Statistik)

Städt. Hauswirtschaft TZ 3 Jahre Lehrer-Wochenstunden-Ist Wochenstunden-Soll Lehrer- Gesamtschülerzahl Klassen Schuljahr Berufsschule in der dualen Ausbildung - TZ 2 bis 3 1/2 Jahre Berufvorbereitungsjahr 1 Jahr VZ Berufsvorbereitungsjahr - kooperativ 1 Jahr TZ Berufsgrundbildungsjahr Wirtschaft/Hauswirtschaft 1 Jahr VZ I Berufsfachschule Wirtschaft; Hauswirtschaft; Gesundheit; Holztechnik 1 Jahr VZ II Berufsfachschule Wirtschaft; Hauswirtschaft; Gesundheit; Holztechnik 1 Jahr VZ Berufsfachschule Wirtschaft; Hauswirtschaft VZ 2 Jahre Berufsfachschule Wirtschaft 1 Jahr VZ Berufsfachschule Höhere Betr.wirtsch.;Datenverarb.; HauswirtschaftFremdspr.; VZ 2 Jahre Berufsfachschule Höhere Sozialassistenz VZ 2 Jahre Fachoberschule Sozialwesen TZ 2 Jahre Berufsoberschule I (bis Schj.03/04 Fachobersch.) Wirtschaft 1 Jahr VZ Berufsoberschule (dual) TZ 2 Jahre Berufsoberschule II Wirtschaft 1 Jahr VZ Fachschule Erzieher/Sozialpädagogik VZ/TZ 3 Jahre Fachschule Heilpädagogik TZ 3 Jahre Fachschule Altenpflege/Altenpflegehilfe TZ 3 Jahre Fachschule Wirtschaft: (Betriebswirtschaft; 3; Informationsverarbeitung) TZ 2½ Jahre Fachschule

1979/80 1.088 70 0 105 207 8 40 30 168 42 1.294 1.824 1.758 80 1980/81 809 58 45 104 167 22 68 50 160 34 1.176 1.544 1.517 80

1981/82 811 56 49 104 195 99 45 169 37 1.343 1.640 1.567 83

1982/83 812 55 51 104 209 115 43 166 41 1.436 1.751 1.605 85 1985/86 1983/84 813 53 53 103 222 130 40 168 54 1.478 1.739 1.636 86

1984/85 867 54 51 103 216 147 34 135 55 Schj . ab eingerichtet 1.413 1.623 1.607 71 1985/86 859 37 52 74 228 160 29 127 80 22 1.370 1.605 1.668 82 1986/87 808 30 55 66 224 188 20 88 91 25 1.369 1.641 1.595 78

1987/88 736 33 54 33 201 172 eingerichtet TZ Jahre 2 25 62 106 23 1.375 1.584 1.445 69 Fachoberschule Sozialwesen Fachoberschule 1988/89 748 38 67 45 172 152 34 44 100 31 1.333 1.591 1.431 78 nur in Schuljahr 1991/92 und 1992/93 und 1991/92 Schuljahr in nur ausgelaufener Bildungsgang ausgelaufener

1989/90 711 41 71 35 154 133 26 45 91 34 1993/94 Schuljahr ab eingerichtet 1.333 1.469 1.341 76 1990/91 728 41 71 25 144 106 24 46 1994/95 Schuljahr ab eingerichtet 87 30 1.256 1.386 1.318 72 1991/92 746 59 67 26 99 88 11 31 68 58 39 1.296 1.407 1.292 74 1992/93 699 53 86 0 120 88 8 27 96 43 49 1.221 1.318 1.269 69 1993/94 638 71 78 0 142 95 33 122 64 25 19 1.285 1.372 1.287 71

1994/95 607 82 82 26 170 144 14 2004/05 Schuljahr ab neu 145 25 72 42 15 1.296 1.471 1.424 75 neu ab Schuljahr 2005/06 Schuljahr ab neu 1995/96 573 63 86 36 179 161 2006/07 Schuljahr ab neu 20 159 19 98 27 9 1.458 1.708 1.430 72 1996/97 590 69 82 37 190 183 21 208 36 102 30 5 1.551 1.766 1.553 80

1997/98 846 75 77 37 200 205 21 211 15 82 33 0 1.599 1.766 1.802 87 1998/99 820 68 66 52 196 217 0 181 29 58 37 17 1.603 1.861 1.741 83 1999/00 895 71 95 41 187 196 0 176 29 61 46 19 1.612 1.827 1.817 84

2000/01 860 81 82 45 Berufsfachschule-Oberstufe 2-jähriger Stelle an 2005/06 Schuljahr ab neu 200 210 0 148 15 52 45 13 1.692 1.805 1.753 83 2001/02 838 84 114 67 195 228 0 111 39 52 62 0 1.663 1.727 1.770 82

2002/03 858 78 86 63 Berufsfachschule 2-jähriger und (VZ) Berufsgrundbildungsjahr Stelle an 2004/05 Schuljahr ab neu 184 235 0 95 19 49 26 0 1.616 1.728 1.693 81 2003/04 812 72 109 54 199 268 31 127 60 40 21 28 1.782 1.928 1.821 92 2004/05 783 58 117 169 87 281 21 27 139 14 57 33 19 1.863 1.975 1.805 93

neu ab Schuljahr 2013/14 Schuljahr ab neu 2005/06 796 71 55 185 60 307 24 25 15 184 32 66 28 16 1.872 1.920 1.864 87

2006/07 745 67 36 172 48 292 59 2010/11 Schuljahr seit Gymnasium Berufliches 13 28 15 168 20 64 20 0 1.747 1.917 1.757 87

2007/08 810 72 25 159 56 TZ Sozialpädagogik Sozialwesen/ Fachschule 268 95 20 21 13 139 20 70 20 14 1.747 1.918 1.802 90 siehe BFI siehe Bildungsgang, 2008/09 810 59 40 ausgelaufener 147 57 292 98 17 21 16 110 20 69 20 9 1.830 1.952 1.785 92 2009/10 803 69 42 149 58 266 127 24 22 16 88 18 65 25 11 1.762 1.953 1.783 92

2010/11 800 65 19 123 50 207 127 57 23 30 13 112 18 76 41 1.787 1.922 1.761 89

2011/12 719 54 17 115 45 172 104 105 26 30 17 131 15 82 42 1.704 1.870 1.674 88 2012/13 705 66 11 85 34 175 105 138 11 28 13 160 12 93 24 1.715 1.903 1.660 89

2013/14 680 58 13 98 22 22 170 106 137 17 20 164 12 101 25 TZ J . 2 1.722 1.851 1.645 85 BVJ-Sprache BVJ-Sprache für Migranten für Fachschule 2014/15 637 61 16 106 37 43 168 101 140 18 15 175 15 107 36 1.742 1.850 1.675 84 2015/16 592 70 0 20 106 41 63 161 109 154 14 17 166 13 121 23 Führung . / Organisat 1.783 1.834 1.650 84 2016/17 606 77 0 63 102 40 60 186 109 136 14 28 160 9 120 42 20 1.821 1.958 1.772 90 ausgelaufener Bildungsgang, siehe BFI/BFII siehe Bildungsgang, ausgelaufener

2017/18 641 97 0 54 105 43 69 171 109 126 0 21 ausgelaufen 163 0 94 36 12 1.779 1.934 1.741 89 2018/19 646 105 0 31 89 43 78 149 102 131 0 16 159 0 91 23 16 1.768 1.854 1.679 87

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 143 Kurze Schulchronik

1896 Beginn des Berufsschulwesens im Kreis. 1979 Einrichtung der Höheren Berufsfachschule Die Fa. Jung, Kirchen, errichtet am 16. Janu- Wirtschaft. (zunächst: Schwerpunkte Fremd- ar eine Fortbildungsschule in Betzdorf. sprachen, Betriebswirtschaft. seit 2008: Handel und E-Commerce, Organisations- 1903 In Wissen öffnet eine Fortbildungsschule. und Officemanagement).

Einrichtung der Höheren Berufsfachschule 1919 Die Weimarer Verfassung sieht eine allge- 1982 meine Berufsschulpflicht vor Hauswirtschaft.

Einrichtung der Fachschule Wirtschaft, 1924 Die Fortbildungsschule Wissen ändert ihren 1985 Namen in Berufsschule Schwerpunkt Datenverarbeitung. (ausgelaufen 2004). 1936 Die Berufsschulen im Kreis werden zur Kreisberufsschule zusammengefasst. 1988 Einrichtung der Höheren Berufsfachschule Datenverarbeitung (seit 2008: IT-Systeme Die zentrale Verwaltung wird in Wissen ein- – Kfm. Anwendungsentwicklung). gerichtet 1989 Einweihung der Sporthalle. 1949 Umzug in das Gebäude „Im Kreuztal“. Die Handelsschule (spätere Berufsfachschule) wir eingerichtet. 1990 Einrichtung der Fachschule Wirtschaft, Schwerpunkt Bürokommunikation. 1963 Die Schule nennt sich „Berufsschule ­Wissen“ 1991 Dr. Roland Dosch wird Schulleiter.

1965 Johannes Brand wird Schulleiter 1991 Einrichtung der Fachoberschule Sozialwesen (ausgelaufen 2003). 1969 Das neue Gebäude in Wissen, Hachenburger Straße, wird am 15. August 1969 bezogen. 1993 Einrichtung der Fachschule Hauswirtschaft: Es bietet 36 Klassenräume und diverse Fach- Meister/in für städtische Hauswirtschaft räume. (ausgelaufen 2010).

Einrichtung der Fachschule Heilpädagogik 1973 Einrichtung des Berufsvorbereitungsjahres 1994 (zunächst Sonderberufsgrundschuljahr). (ausgelaufen 2016)

Raumnot zwingt zur Einrichtung der Außen- 1971 Wilhelm König wird Schulleiter. 1998 stelle in Mudersbach (Fachschulen: Erzieher, Altenpflege; Berufsschule: Friseure). 1971 Einrichtung der Fachschule Erzieher (später Fachschule Sozialwesen). 2000 Die BBS Wissen wird offizieller Partner der Firma CISCO Systems und hat damit den 1972 Einrichtung der Fachoberschule Wirtschaft Status einer Local Academy. (spätere Berufsoberschule I). 2000 Reform der Berufsschule in der duale Aus- 1977 Einrichtung des Berufsvorbereitungsjahres- bildung. kooperativ (bis 2015). Statt Fächer werden Lernfelder unterrichtet. 1978 Einrichtung der Fachschule Altenpflege. 2000 Reform des Berufsvorbereitungsjahres. 1979 Die gewerblichen und technischen Berufe bekommen in Kirchen, Auf dem Molzberg, 2002 Einrichtung der Fachschule Altenpflegehilfe. ein neues Gebäude. Die zweite Berufsbilden- de Schule im Kreis nennt sich BBS Betzdorf- 2002 Partnerschaftsvertrag mit der Oppelner Pias- Kirchen. ten, Krapkowice (Polen).

1979 Einrichtung der einjährigen Berufsaufbau- 2003 Raumnot zwingt zur Organisation von schule Wirtschaft (bis 1981). 14-tägigem Samstagsunterricht. (2007 wieder aufgelöst).

144 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Kurze Schulchronik

2003 Reinhold Krämer wird Schulleiter. 2011 Einrichtung der Fachoberschulen an Real- schule plus, als Schulform der Berufsbilden- den Schulen. 2004 Die 2-jährigen Berufsfachschulen und die Berufsgrundbildungsjahre werden neu strukturiert und durch die Berufsfachschu- 2013 Einrichtung der Fachschule Sozialpädagogik len I und Berufsfachschulen II abgelöst. in Teilzeitform.

2004 Die Fachoberschulen werden neu struktu- 2014 Die BBS Wissen wird EQuL-Schule. riert und durch die Berufsoberschule I abge- Schulentwicklungsprojekt Rheinland-Pfalz löst (ausgelaufen 2017). mit schulisch erweiterter Selbständigkeit durch Stärkung von Eigenverantwortung, Qualitätsmanagement und Lehr- und Lern- 2004 Einrichtung der Dualen Berufsoberschule. kultur (EQuL).

Einrichtung der Berufsfachschule I 2005 2015 Zertifizierung der Fachschulen Altenpflege, Holztechnik. Altenpflegehilfe, Erzieher (VZ und TZ) als zugelassenen Weiterbildungsmaßnahme 2005 Einrichtung der Berufsoberschule II. nach dem Recht der Arbeitsförderung, Es ist erstmals das Erreichen des Abiturs CERTQUA. über das berufsbildende Schulwesen im Kreis möglich (ausgelaufen 2013). 2015 Einrichtung des Berufsvorbereitungsjahres – Inklusion (für Schüler mit Förderschwer- 2006 Einrichtung der Höheren Berufsfachschule punkt G). Sozialassistenz. 2015 Einrichtung des Berufsvorbereitungsjahres – 2006 Einrichtung des Berufsvorbereitungsjahres Sprache (für minderjährige Migranten). – Integrativ (für Schwerpunktschüler abge- bender Schulen). 2016 Einrichtung der Fachschule Organisation und Führung. 2006 Reform der Fachschule Sozialwesen – Erzie- her (Fachschule Sozialpädagogik). 2017 Partnerschaftsvertrag mit der Finance Voca- tional School, Qingdao (China). 2007 Anbau von 8 Klassenräumen und Erschlie- ßung von 2 weiteren Klassenräumen im 2017 EU-Partnerschaftsprogramm (ERASMUS Werkstattbereich. plus) mit der Malta College of Arts, Science and Technology, MCAST (Malta). 2008 Fertigstellung des Anbaues und Rückfüh- rung der Außenstelle Mudersbach. 2019 Strukturreform der Höheren Berufsfach- schule. Neu: Wirtschaft (vorher: Organisa- 2008 Strukturreform der Höheren Berufsfach- tions- u. Officemanagement), Informations- schule. technik (vorher: IT-Systeme) sowie Ernäh- Einrichtung: IT-Systeme - Kfm. Anwen- rung, Service und Dienstleistungen (vorher: dungsentwicklung, Handel und E-Commer- Hauswirtschaft). ce (ausgelaufen 2013), Organisations- und Officemanagement, Hauswirtschaft (weiter- 2019 Die BBS Wissen, Hachenburger Straße, geführt) wird 50 Jahre alt. Festakt am 12. April 2019, Tage der offenen Erneute Reform der Höheren Berufsfach- 2008 Tür am 12. und 13. April 2019. schule Sozialassistenz.

2010 Einrichtung des Beruflichen Gymnasiums Wirtschaft.

2010 Fertigstellung umfassender Bau- und Sanie- rungsmaßnahmen (u.a. Brandschutz, Un- fallschutz, Lärmschutz, Barrierefreiheit, Si- cherheitstechnik, Energiesparmaßnahmen).

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 145 Die Sponsoren. Für die Unterstützung der Projektwoche und Festschrift danken wir unseren Partnern und Förderern:

n Förderverein der Berufsbildenden Schule Wissen e.V. n KLEUSBERG n Sparkasse Westerwald-Sieg n Thomas Magnete n Westerwald Bank eG

146 • Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) Das Kollegium im Herbst 2018.

Fünfzig Jahre Berufsbildende Schule Wissen (1969-2019) • 147