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österreichischer Rundfunk Landesstudio Steiermark Marburgerstraße 20 A-8042 Graz VERANSTALTER UMD IHFORMATIOH:

ORF Kartenverkauf: Landesstudio Steiermark Zentralkartenbüro Graz, Herrengasse 7 musikprotokoll (Passage), 8010 Graz Marburger Straße 20, 8042 Graz Telefon: {o 31 6) 83 02 55 Telefon: (o 31 6) 470, OW 224, 227, Kartenreservierung: Fax: 253 E-mail: [email protected]

Intendant: Kurt Bergmann Preise: Programm: Christian Scheib Eintritt: Vorverkauf Abendkassa Organisation: Rosalinde Vidic Einzelkonzert ÖS 110.- ÖS 130.- Technische Leitung: Wolf Hannes Seif­ Tagespaß ös 300.- Os 350.- ried Festivalpaß ÖS 900.- Os 1.100.- Meßdienst-Leitung: Christian Zagler Paß-Ermäßigung: Studenten, Schüler, Arbeitslose 50% Internet: http://info.mhsg.ac.at E-mail: an hofer@iem .m hsg.ac.at musikprotokoll-Programmbuch: Os 60.­ musikprotokoll-Buch „Das Rauschen": Veranstaltungsorte: ÖS 180.- Grazer Congress, Sparkassenplatz 1, 8010 Graz Impressum: Neue Galerie, Sackstraße 3, 8010 Graz Medieninhaber und Herausgeber: Hochschule für Musik und darstellende österreichischer Rundfunk, Kunst, Institut für elektronische Musik, Landesstudio Steiermark Jakoministraße 3-5, 8010 Graz Für den Inhalt verantwortlich: Christian Scheib Büro im Grazer Congress: Eingang Albrechtgasse 3, 2. Stock Redaktion: Telefon: (o 31 6) So 49-0 Sandra Schwinn, Christian Scheib Umschlagentwurf und Layout: Karl Markus Maier Herstellung: Universitätsdruckerei Klampfer Ges.m.b.H., Weiz

2 1MHALTSVERZEICHM IS

Vorwort Seite 5 Internet-Info Seite 7 Programmübersicht Seite 8

Mittwoch, 19.30 Uhr Olga Neuwirth Akroate Hada/ Seite 10 lsabel Mundry no one Seite 13 Psacal Ousapin Quatuor III Seite 14

Mittwoch, 21.00 Uhr Gerard Pesson Le gel, par jeu Seite 16 George Lopez Balztanz und Fahneneid Seite 17

Mittwoch, 22.00 Uhr Philip Jeck Widescreen Seite 20

Donnerstag, 19.30 Uhr Silvia F6mina Permanenza Seite 22 Beat Furrer Quartett Seite 27

Donnerstag, 21.00 Uhr Alvin Luder Seite 30 Theme Seite 30 Navigations for Strings Seite 31 Nothing /s Real (Strawberry Fields Forever) Seite 32

Donnerstag, 22.00 Uhr Alvin Luder Sound on Paper Seite 43 Peter Ablinger Weiss/Weisslich 15 Seite 43 G. X. Jupitter-Larsen The Thinking Ross Did Seite 47 Robert Höldrich und Winfried Ritsch Superposition Seite 48 Winfried Ritsch und Robert Höldrich Das Auge des Taifun Seite 49 Gunter Schneider (R)OHR Seite 49

Freitag, 19.30 Uhr Roman Haubenstock-Ramati Vermutungen Ober ein dunkles Haus Seite 52 Jose Luis de Deläs Textos Seite 54 Wolfram Schurig Schleife Simultan Solo Seite 55 Pascal Ousapin L'Aven Seite 57

Freitag, 21.00 Uhr Fred Frith Trouble with Trafflc Seite 58

Freitag, 22.00 Uhr Rebecca Saunders CRIMSON. Molly's Song :z Seite 60 Stefano Gervasoni Concerto pour Alto Seite 61

Freitag, 23.00 Uhr Klammer&Gründler Duo Neues Programm Seite 64

Samstag, 19.30 Uhr Robert Ashley lmprovememt (Don Leaves Linda) Seite 66

Samstag, 21.00 Uhr Bernhard Lang Versuch Ober das Vergessen 2 Seite 90

Samstag, 22.00 Uhr Christian Ofenbauer unordentliche inseln / de la motte fouque-vertonung Seite 92

Samstag, 23.00 Uhr Vlenna Art Orchestra Nine lmmortal NonEvergreens for Eric Dolphy Seite 96 Biographien Seite 101

3

/_, MERKUR~ ~ Die Versicherung T für gesunde Egoisten

4 VORWORT

Dieses musikprotokoll versteht sich als grund. Gemeinsam mit zwei Instituten ein kontroversielles Protokoll über den der "Hochschule für Musik und darstel­ Stand gegenwärtiger Musik. An die lende Kunst Graz", dem "Institut für Stelle eines übergreifenden Themas tritt Elektronische Musik" und dem "Institut eine bewußt heterogene Programmge• für Wertungsforschung", sowie der staltung einerseits, die Erforschung "Neuen Galerie" und dem "ORF-Kunst­ eines radikalen Themas andererseits. radio" wird mit Kunstwerken, Vorträgen und einem im Wolke-Verlag erscheinen­ Große Individualisten, verschiedenste den Buch "Das Rauschen" von ver­ Genres, die Divergenz, Schönheit und schiedensten Blickwinkeln aus Widersprüchlichkeit heutiger neuer betrachtet und gehört. Musik bestimmen diese Konzertpro· gramme. Vom Eröffnungskonzert am Konzerte, Performances, live-Radio, Vor­ Mittwoch Abend mit zwei Uraufführun• träge, Lectures, Symposion, Bücher, Ver­ gen von in Wien lebenden Komponi­ nissage, Präsenz im Internet: Die stinnen • das Arditti String Quartet Präsentationsforen in und um dieses spielt neue Streichquartette von Olga musikprotokoll sind vielfältig. "Musik, Neuwirth und lsabel Mundry - führt das die Hörer entblößt; sie schutzlos, ohne Programm in schroffen Schnitten und Geschichte, Kultur, Verteidigung und weiten Bögen in das Samstag-Pro­ Glauben antrifft" ist eine Möglichkeit; gramm mit wiederum zwei Uraufführun• Musik, die Hörern "während des Hörens gen von österreichischen Komponisten das eigene Hören bewußt macht" eine - Bernhard Lang und Christian Ofen­ andere (Fomina, Luder). Musik mit dem bauer -, sowie dem Auftritt des New Ziel unmittelbarer Wirkung; Reflexion Yorker Sänger-Ensembles rund um und über Musik; Musik, die ihrerseits Refle­ mit dem Komponisten Robert Ashley xion über Wahrnehmung auslösen will: und als Abschluß von vier Tagen Musik Dieses musikprotokoll ist eines der Her­ für Zeitgenossen folgt die Premiere des ausforderung und der Widersprüche, neuen Programms von Mathias Rüegg verlangt verschiedene Hörperspektiven, mit dem . ermöglicht das Eintauchen in Wohl­ klang, provoziert das Aufschrecken ob Als Verknüpfung von Kunst und Wis­ des Ungewohnten, regt an zur Reflexion senschaft fungiert ein kleiner, radikaler über das Klingende, liefert sich dem Schwerpunkt: Das Rauschen. Ein unver­ improvisatorischen Augenblick aus, prä• meidliches akustisches Phänomen wird sentiert ausformulierte kompositorische durch die ästhetische Lupe betrachtet: Preziosen zum Hinhören. Komponisten und Wissenschaftler ver­ wandeln einen vermeintlichen Hinter­ grund in einen irritierenden Vorder- Christian Scheib

5 AUTOREN, KOMPONISTEN UND MUSIKVERLEGER

1111111 The British Council

6 musikprotokoll '95 im Internet: http://info.mhsg.ac.at

--•mus1kprotokoll '95 Im steirischen herbst 3i

·--~t;o,--a.---... .. C ::: ._ ~ .:J~ .! .!l !! ---,~,,_,., -,-,~~.=-=-:.1--~----~ muslkprotokoll ·95 Im steirischen herbst

--Ch~----.----trw.. ~ ~l,r"~lGl,t."'"l Das Rauschen ,....._,,...... __.Nl,._lff4~ hM_..._.. ..._._lir"f.,-~tl--t'lltU ==~~~ ~ t,,_,...... ~ ...... ,...... __

7 MITTWOCH, DONNERSTAG, 4. OKTOBER 5. OKTOBER

Hochschule für Musik und darstel­ lende Kunst Institut für elektronische Musik 14.00 • 17 .oo Uhr Musik-Lecture: Das Rauschen John Mollno: Chaos in Coherence AMn Luder: Music in Things

Grazer Congress Grazer Congress

19.30 Uhr, Stefaniensaal 19.30 Uhr, Stefaniensaal Olga Neuwlrth Akroate Hadal (UA) SIMa F6mlna Permanenza (ÖE) lsabel Mundry no one (UA) Beat Furrer Quartett (ÖE) Pascal Dusapln Quatuor III (ÖE) Klangforum Wien Arditti String Quartet Dirigent: Johannes Kalitzke

21.00 Uhr, Saal Steiermark 21.00 Uhr, Saal Steiermark G&ard Pesson le gel, par jeu (ÖE) Alvln Luder Theme (ÖE), Navigations George Lopez Balztanz und Fahneneid For Strings (ÖE), Nothing is Real (ÖE) (Strawberry Fields Forever) szene instrumental Arditti String Quartet, Dirigent: Wolfgang Hattinger .. Ashley/Humbert/1..aBarbara/Buckner, Alvin Lucier

22.00 Uhr, Kammermusiksaal 22.00 Uhr, Neue Galerie, Grazer Phlllp J~ Widescreen (UA) Congress Vernissage: Das Rauschen

Neue Galerie Peter AbUnger weiß/weißlich 15 (UA) Alvln Luder Sound on Paper Grazer Congress G.X. Jupltter-larsen The Thinking Ross Did (UA) Robert HOldtfch / Winfried Rl1sch Superposition (UA) Winfried Rl1sch / Robert HOldtfch Im Auge des Taifun (UA) Gunter Schneider (R)OHR

8 FREITAG, SAMSTAG, 6. OKTOBER 7. OKTOBER

Hochschule für Musik und darstel• Hochschule für Musik und darstel­ lende Kunst lende Kunst Institut für Wertungsforschung Institut für Wertungsforschung 09.00 · 17.00 Uhr 09.00 · 17 .oo Uhr Musiksymposion: Das Rauschen Musiksymposion: Das Rauschen ,.laß singen, Gesell, laß rauschen ... " ,.laß singen, Gesell, laß rauschen ... " Zur Ästhetik und Anästhetik in der Zur Ästhetik und Anästhetik in der Musik Musik

Grazer Congress Grazer Congress

19.30 Uhr, Stefaniensaal 19.30 Uhr, Stefaniensaal Roman Haubenstock-Ramatl Vermu­ Robert Ashley lmprovement tungen über ein dunkles Haus. (Don Leaves Linda) (ÖE) hommage a kafka. Ashley-Ensemble Jos6 Luls de Deläs Textos (UA) •Pause• Wolfram Schurtg Schleife Simultan 21.00 Uhr, Saal Steiermark Solo (UA) Bernhard lang Versuch über das Ver• Pascal Dusapln L'Aven (ÖE) gessen 2 (UA) ORF-Symph·onieorchester Dimitrios Polisoidis, Robert Lepenik, Dirigent: Arturo Tamayo - Winfried Ritsch Eva Furrer • Flöte Anton Reininger, Hans Moralt • Ton­ band-Realisation 22.00 Uhr, Kammermusiksaal Otrtstlan Ofenbauer unordentliche 21.00 Uhr, Kammermusiksaal inseln / de la matte fouque-vertonung Fred Frlth Trouble With Traffic (UA) (UA) Klangforum Wien 22.00 Uhr, Saal Steiermark Dirigent: Johannes Kalitzke Rebecca Saundeas CRIMSON. Mol/y's Song 1 (UA) Stefano GeMISOnl Concerto pour Alto 23.00 Uhr, Stefaniensaal (ÖE) Vlenna Art Orchestra Nine lmmortal Klangforum Wien NonEvergreens For Eric Dolphy (UA) Dirigent: Johannes Kalitzke •

23.00 Uhr, Kammermusiksaal Klammer&GrOndler Duo neues Pro­ gramm (UA)

9 Olga Neuwirth Mittwoch, Akroate Hadat ,,Kunst als Strategie der Vergewaltigung, 4. Oktober des Hasses; Kunst als Täuschung, als 19.30 UHR, STEFAMIEMSAAL Fiktion, als Lüge; Kunst als trügerischer Schein, also als 'Schönheit"': Diese eruptive Skizze zu einer Kunsttheorie entstammt der Vilem Flusserschen Beschreibung eines fiktiven, krakenähn• lichen Tiefseewesens, des Vampyro· theutis lnfernalis, erfunden von Louis Bec. Diese kunsttheoretische Parodie • im mittelalterlichen Wortsinn · ist bitter­ ernst. Denn sie handelt von einem Archetypus der westlichen Kunst dieses Jahrhunderts, von der Faszination an der Schönheit im Abgrund und des Abgrunds. Ob Beckett oder Bacon oder Messiaen, sie zelebrierten eine Schön• OLGA Olga Neuwirth heit des Abgrunds oder abgründige NEUWIRTH Akroate Hadal Schönheit. Die andere Seite der für Streichquartett Medaille der jüngeren Kunst ist eine in 1995, UA gewissem Maße didaktisierende Gelas­ Kompositionsauftrag der Akademie Graz senheit von Duchamp zu Cage und War­ hol, doch davon weiß Vampyrotheutis lsabel Mundry lnfernalis so wenig wie wir das Dunkel no one unserer eigenen Tiefen wahrnehmen 1994/95, UA wollen. Doch genau um ein Wahrneh­ mungssensorium für diese Tiefen zu Pascal Dusapin entwickeln, wurde die Fabel vom Tief­ Quatuor III seewesen geschrieben. für Streichquartett Die Komponistin Olga Neuwirth wählte 1993, ÖE als Titelgeber ihrer jüngsten Arbeiten ebendiese Fabelwesen. Zwei Jahre zuvor wurde eine unermüdliche Schling­ Arditti String Quartel pflanze, die Lonicera Caprifolium, zur lrvine Arditti • Violine werktitelgebenden Metapher. Die Fabel­ Graeme Jennings • Violine tierwesen der Gattung Vampyrotheutis Garth Knox • Viola sind in ihrer skelettlosen Beweglichkeit Rohan de Saram · Violoncello und ihrer Liebe zum hemmungslosen Verschlingen ein ideales Bild für Olga Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, Neuwirths Musik. Wegen der Skurrilität 11.10.1995, 23.00 Uhr und vor allem wegen der Artifizialität

10 dieser Wesen treffen sie die Essenz Olga stierende Hintergundfolie einer akusti­ Neuwirths Musik noch genauer als die schen - wenigstens fiktiven - Normalität vorhin erwähnte Schlingpflanze. abgeht. Mit Klängen von präparierten Geigen­ Bewegungen lösen weitere Bewegungen und Cellosaiten beginnt das Spiel der aus, doch in keiner nachvollziehbar "Akroate Hadal" und verfremdet, ver­ erscheinenden Konsequenz. Eine Win­ zerrt wird es auch wieder enden. Die dung hier scheint wohl irgendwie aus­ Präparierung als Gegensatz zum tradi­ gelöst von einer Zuckung dort, doch die tionellen Spiel beinhaltet in diesem Fall vier Stimmen • als Fangarmindividuen? noch eine historisierend-semantische - sind viel zu eigensinnig, als daß ein Komponente: der verzerrte, unreine Ton gemeinsames Ziel der Bewegungen for­ ist Sinnbild von Künstlichkeit, von muliert werden könnte. Ein einziges Mal Abnormalität. Die Vorstellung des Arti­ bündelt sich die Energie der "Akroate fiziellen setzt dieses Stück ebenso in Hadal" zu einer kollektiven Sechzehn­ Gang wie insgesamt die musikalische telseptolenpassage, um als energeti­ Phantasie von Olga Neuwirth selbst. Es scher Anstoß zu weiterer Bewegung zu gibt ohnedies keine logisch-natürliche fungieren. Die Harmonik des Stücks Welt, der Glaube daran ist hilfreicher scheint ebenfalls infiziert von den unre­ Selbstbetrug. Die Musik, die Kunst gelmäßig pulsierenden Veränderungen erforscht also das Energiepotential die­ des Dichtheitsgrades. Geballte, kom­ ses trügerischen Scheins, versucht den plexe Schichtungen unterbrechen Pas­ Antrieben und Trieben des Ungewußten sagen einer auf wenige Bezugstöne und Nichtvorhersehbaren neue Facetten reduzierten harmonischen Grundlage, im abzugewinnen, zeichnet ein Bild der stetigen Verwandlungsprozeß klaffen ständigen Veränderung unter stärkstem Löcher im harmonischen Verlauf. "Akro­ Druck, widmet sich verschrobener Arti­ ate Hadal" (und auch der Ensemblevet­ fizialität als Sinnbild menschlicher ter „Vampyrotheone") sind skelettlos, Abgründe. ein wandelbarer Mollusk, schnell, Die relative Homogenität eines Streich­ sprunghaft und maßlos. Die Harmonik quartettklangs steht quer zu Olga Neu­ verleiht dieser Komposition eine dies­ wirths Besetzungsvorlieben der letzten bezüglich adäquate Körperlichkeit. Die­ Zeit. Die durch heterogene und auch ses akustische Fabeltier kommt niemals räumlich verteilte Ensemblegruppen zur Ruhe, windet sich rund um alles in zuckende Bewegung und Aufsplitterung seiner Nähe und um sich selbst, und jenes Werks "Vampyrotheone", das saugt vor allem seine eigenen klangli­ kommende Woche in Donaueschingen chen Charaktere und Anregungen wie­ zur Uraufführung gelangt, ist im Streich­ der in sich auf. quartett ins Innere verlagert, verinner­ "Man könnte sagen, daß die Bewegung licht. "Akroate Hadal" windet sich um einen Spannungsunterschied voraus­ sich selbst herum, verwindet sich. Die setzt, den sie auszugleichen sucht", durch alle Präparierung hindurch deut­ schreibt Gilles Deleuze in einem Text liche Homogenität des Streichquartetts über Henri Bergson, der Bergsons verhilft diesem Wesen zu einer parado­ Schlußfolgerungen daraus behandelt, xen Künstlichkeit, der jegliche kontra- daß es ein Ganzes nicht gäbe: .,Wenn

11 das Ganze nicht bestimmbar ist, dann was wir erleben, und wir sind kurz und deswegen, weil es das Offene ist und gut das, wo die Umwelt erlebt wird. Es die Eigentümlichkeit hat, sich unauf­ geht um ein Gewebe konkreter Relatio­ hörlich zu verändern oder plötzlich nen": Eine Klarstellung von Vilem Flus­ etwas Neues zum Vorschein zu bringen, ser vor der Beschreibung des kurz, zu dauern". Der Inhalt von Olga krakenähnlichen Vampyrotheutis lnfer­ Neuwirths Musik ist damit beschrieben: nalis. Denn im Verschränktsein dieser Dauer ist nicht etwas, während dessen Relationen liegt die fabelhafte Negati­ etwas anderes passiert, eine themati­ onsanalogie dieser fiktiven Wesen mit sche Entwicklung, eine Klangfarbenex­ den Menschen. Die Art der Relation von ploration, was immer. Dauer, also eine Wesen zu Welt läßt das Werk „Akroate konstituierende Konstante des Klingens Hadal" von der auskomponierten Dau­ selbst, ist als sie selbst das Thema die­ ernkompression und Expansion zu ser Musik, eben in jenem Bergsonschen einem Ebenbild des Krakenmonsters Sinn, daß „man jedesmal auf die Exi­ werden. ,.Für uns [Menschen] sind die stenz eines sich verändernden und Objekte Probleme, die uns im Weg ste­ irgendwo offenen Ganzen schließen hen und wir behandeln sie, um sie aus kann, wenn man sich vor oder innerhalb dem Weg zu räumen. Kultur ist daher einer Dauer befindet" (G. Deleuze). Die für uns Projekt gegen die feststehenden akustische Gestaltung rastloser Verän• Objekte, eine Befreiung vom Gesetzten derung und Bewegung ist sich selbst (von den Naturgesetzen). Für Vampyro­ Thema insofern, als sich in synchron theutis sind die Objekte Brocken in gestalteten Dauern der Blick auf die nur einer Wasserströmung, die auf ihn ein­ aus Relationen zueinander bestehende stürzen. Er saugt sie an, um sie sich ein­ Welt öffnet. Die skelettlose Beweglich­ zuverleiben. Daher ist Kultur für ihn ein keit und Unvorhersehbarkeit mehrerer Diskriminieren zwischen verdaulichen kompositorischer Schichten ist die prin­ und unverdaulichen Brocken, d.h. eine zipielle Verhältnismäßigkeit der Wirk­ Kritik an den Eindrücken. Nicht Projekt lichkeit. Das durch Bewegung, also gegen die Welt ist Kultur für ihn, son­ Veränderung, also Dauer definierte und dern diskriminierend-kritische Injektion notwendigermaßen offene Ganze ent­ der Welt ins Subjektinnere." Eine Kom­ steht in Olga Neuwirths Musik aus position und insbesonders ein Kunst­ Klang, aus dem Klang abgehörten werk, das die Künstlichkeit auch noch Eigenschaften und willkürlichen Eingrif­ im Banner trägt, ist prototypisch für die­ fen. Diese Kompositionen sind eine gro­ sen eben geschilderten menschlichen teske Geisterbahnfahrt als Abbild des Kulturbegriff des Operierens gegen oder Ganzen in seiner hilflos machenden über das Vorgegebene hinaus. Doch in Relationalität von Wirkungen. Grotesk sich selbst versucht „Vampyrotheone" gestaltete Dauer als Thema ihrer selbst das infernalische Gegenteil: Klänge offenbart den komischen Schrecken des scheinen davon zu leben, vorangegan­ Zeitverlusts, und „von der Dauer selber gene zu schlucken. Ihre Energie saugen können wir sagen, sie ist das Ganze der sie aus der dabei gewonnen Erkenntnis. Relationen". Dieserart sich unersättlich weiterbewe­ .,Konkret ist die Umwelt nichts als das, gend „begreifen" sie die Umwelt, also

12 die Realität des Klingens. Begreife n lsabel Mundry aber bedeutet für den Vampyrotheutis - no one wie für „Akroate Hadal" - Greifen im Wortsinn: Was nicht gefühlt, geschluckt, ,,no one" ist das kompositorische Resul­ betastet, begriffen ist, ist nicht kulturell tat der einjährigen Studien am IRCAM, wahrgenommen. Als Gegenbild des wobei sich die Anwendung des Compu­ Menschen - ,,erhobene intelligente Bäu• ters lediglich auf die Kalkulation forma­ che, nicht erhobene Gehirne; nur ist bei ler und harmonischer Prozesse ihnen das nach unten [in die Kö rper­ konzentrierte, auf die Erstellung von mitte[ gewanderte Gehirn komplexer als „Spielregeln", denen die Handsch rift das unsere" - begreift dieses Wesen folgte. ganzkörperlich. Spüren ist Begreifen ist Grundgedanke war es, alle Momente Erkennen lautet der aggressive vampy­ der Komposition - und diese sind rotheutische Lebensentwurf, den Olga grundsätzlich welche der Bewegung Neuwirth in ihrer Komposition zu Klang­ bzw. Veränderung - in je vier verschie­ leben erweckt. Hier schließt sich der denen Formungen zu repräsentieren, Kreis zur eingänglich zitierten Kunst­ entsprechend der vier beteiligten Instru­ theorie und ihrer Beschwörung des Dun­ mente. So kommt jedem der Interpre­ klen und Unbeherrschbaren. Davon ten die Rolle eines Solisten zu, bei erzählt Olga Neuwirths Komposition: gleichzeitiger Einbindung in eine über• von grandioser Unverläßlichkeit, von greifende Ordnung, welche selbst wie­ steter Überraschung und dem dazu­ derum in sich die Idee der polyphonen gehörigen aristotelischen Staunen, und Aufspaltung trägt. Diese Polyphonie von der nimmersatten Gier des Begrei­ vollzieht sich auch auf der zeitlichen fens. Ebene; der überwiegende Verzicht auf Postskriptum: ,,Wie die meisten Fabeln einheitliche Taktierung intendiert ein ISABEL handelt auch diese scheinbar von Tie- streckenweise asynchrones Spiel, bei MUNDRY ren" vermerkt Flusser. Hört man Olga Neuwirths Kompositionen als Erzählung, wird klar, auch diese Fabel handelt sinn­ bildlich von unseren Relationen zur wahrgenommenen Welt, spiegelt sich in uns und uns in sich: ,, Einander spie­ gelnde Spiegel - ist das nicht die -- Absicht einer jeden Fabel?"

Christian Scheib

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13 dem die individuelle Auslegung des (Gedanken) von einem konzeptionellen Zeitverlaufes vorrangig ist, nicht die Abschnitt zum nächsten entfaltet? Wel• gemeinsame Fixierung durch ein über• ehe Form nimmt unser - freies und ein• geordnetes metrisches Raster. zigartiges - Denken im Übergang von So entsteht vielleicht ein Bild - von vier einer Form zur andern an?" Reisenden, die zwar die gleichen Orte Dusapin selbst bezeichnet den ersten ansteuern, jedoch verschiedene Wege Satz als das „theoretische Herz" des und Tempi wählen, sich gelegentlich Quartetts. Gemeint ist damit nicht treffen, einige Schritte gemeinsam zuletzt, daß hier das harmonische gehen, dann wieder trennen ... Grundgerüst des ganzen Werkes (mit Tritoni und kleinen Sekunden als domi­ lsabel Mundry nierenden Intervallen) exponiert wird. Zwar ist das Grundtempo eher ruhig­ gemächlich, doch spielen die Instru­ mente bald Rgurationen von Pascal Dusapin wirbelwindartiger Geschwindigkeit, und Quatuor III erst allmählich setzt sich ein maßvoller für Streichquartett (1992) Duktus in akkordischen Sequenzen durch. War Ousapin in seinem ersten Streich­ Der zweite, der Wirkung nach langsame quartett der Versuch, eine „unausge• Satz kreist anfangs um ein beredtes, wogene Form" zu entwerfen, nach lebhaft bewegtes Bratschensolo - eine eigenem Bekenntnis nicht gelungen, so Art imaginärer (osteuropäischer?) Volks­ ging er im viersätzigen dritten Quartett musik, in tiefer Lage „gedrosselt". Nach bewußt das Risiko einer „Unausgewo• kurzer Pause setzt das Solo wieder ein, genheit durch zuviel Symmetrie" ein. nun begleitet von einem langsamen, Der Umgang mit dem Medium ist hier weit ausschwingenden „Cantus firmus", ungleich „klassischer" als in den älte• der sich von der zweiten Violine bis in ren Quartetten oder auch in anderen, die übrigen Instrumente ausbreitet. Von früher entstandenen Werken für Strei­ da an gewinnt die Musik immer mehr cher wie dem Trio ,,Musique fugitive". an Schwung und Dynamik und mündet Glissandi und Mikrotöne werden nur schließlich in die verkürzte Exposition sparsam und meist isoliert verwendet - dessen, was man ein Scherzo nennen ausgenommen ein durchdringendes, um könnte (einschließlich einer klassischen einen Viertelton erhöhtes Cis am Ende .,Reprise"). des ersten Satzes und durchgehend im Der dritte ist ein langsamer Satz von zweiten Satz. Und daß alle vier Instru­ anderer Art: Seine zögernd repetierten mente gleichzeitig agieren, ist eher die Noten suggerieren (um Lutoslawskis Regel als die Ausnahme. -Satzbezeichnungen seiner „zweiten Sin­ „Hier geht es", so kommentiert der fonie" zu zitieren) einen „Hesitant"-Teil, Komponist, .,um das Denken. Nämlich: der ständig die Erwartung eines nach­ Was denken wir, wenn wir ein Stück folgenden „Direct"-Teils schürt. In Musik verfolgen, auf welche Gedanken gewisser Weise wird diese Erwartung bringt uns die Musik? Wie werden Ideen auch wirklich erfüllt durch den Einsatz

14 eines vierten Satzes, dessen Beginn deutlich auf den Anfang des Quartetts zurückverweist. Doch statt das Werk nach herkömmlicher Art in quasi zykli· scher Manier abzurunden, liefert dieser Schlußsatz ein höchst eigenwilliges Anti-Finale. ,.Er versucht", so formuliert es der Komponist, ,.sich dem Kopfsatz anzugleichen, bricht jedoch aus in rhythmische Spiralen, die allesamt der• selben Obsession des Abweichens vom rechten Pfade erliegen." Was d~s abrupte, jede Schlußwirkung verwei· „Wiewohl es vollkommen determiniert ÄRDITTI gernde Ende betrifft, so führt der Korn· ist und dergleichen Dimensionen auf• 5TRING ponist ein Zitat von Flaubert an: ,.La weist, hat es keine anderen Determina· QUARTET betise consiste ä vouloir conclure" (Die tionen als seine formalen Eigentümlich· Dummheit besteht darin, schließen zu keiten, äquidistante Scheitelpunkte und wollen). Zentrum, keine anderen Inhalte oder Ein weiteres Zitat, das Dusapin in Inhaber als die vier gleichen Personen, umfassenderem Sinn gleichsam als die es ständig durchlaufen. Es ist Schlüssel zu seinem jüngsten Quartett irgendein geschlossener, global defi· verstanden wissen will, stammt aus nierter Raum." „ L'Epuise" von Gilles Deleuze und bezieht sich dort auf Samuel Becketts Richard Toop, November 1993 (merkwürdig an Kagel erinnerndes) Übersetzung aus dem Englischen: Musiktheaterstück „Quad" von 1984: Monika lichtenfeld

15 Gerard Pesson Mittwoch, Le gel, par jeu Da ich auf einen Untertitel verzichtet 4. Oktober habe, muß ich diesen "Frost, zum Spiel" 21.00 UHR, SAAL STEIERMARK erklären. Es handelt sich um einen Totentanz, oder genauer gesagt, um eine Folge von kleinen gespenstischen Tänzen, von schrillen und lichtscheuen Bildern. Der Totentanz ist das einzige fröhliche musikalische Genre, das auch tief sein kann. Ich habe auf die paar Requisiten, Gerard Pesson nach denen er verlangt, nicht verzich­ Le gel, par jeu tet: etwa der Klang der Holzlatten, der für sechs Instrumente der Tradition gemäß Knochengeklapper 1991, ÖE versinnbildlicht; doch dem etwas kon­ ventionellen Xylophon habe ich das George L6pez geheimnisvollere und gedämpftere Balztanz und Fahneneid Marimbaphon vorgezogen. Das "Dies für Viola solo, Violine, 2 Violoncelli und irae" kommt ebenfalls vor, doch in solch Kontra baß verschlüsselter Form, daß ich selbst 1995, ÖE bereits die Prozeduren seiner „Auf• pfropfung" vergessen habe. Erkennbar sind hingegen die „Schicksalsschläge" szene instrumental der V. Symphonie, die von der Parade Dirigent: Wolfgang Hattinger herüberklingen, und die funebren Akkorde des op. 19 von Schönberg. Löpez: Barbara Peyr - Violine Dies sind weniger Zitate als Klangfar­ Rudolf Leopold - Violoncello ben, ruhige Figuren der Eitelkeit inmit­ Ruth Straub - Violoncello ten des rauschenden Aufruhrs. Simon Jäger - Kontrabaß Diese Musik ist „spektral" auf ihre Solist: Dimitrios Polisoidis - eigene Art, da ja Gespenster vorüber• Viola ziehen. Durchzogen ist sie von Chroma­ tismen (das Skelett unserer armen Pesson: Arno Steinwidder - Flöte kleinen Tonleitern), überstürzt, voller Manuela Höfler - Klarinette Luftzüge und Kratzen; Sicilianos, Walzer Tim Purcell - Horn - und allmählich gefrieren und erstarren Ulrike Stadler - Baßmarimba die Tänze. Barbara Peyr - Violine Das Stück ist mein erster Totentanz und Ruth Straub - Violoncello auch mein erster Versuch in einem strikt kontinuierlichen Stil, was man einst Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, "stile concitato" nannte. 29.11.1995, 23.00 Uhr Der Titel ist die freie Übersetzung (von

16 Guy Jean Forgue) eines Verses von Emily Dickinson, Provinzengel von Massachu­ setts, die ihr Leben damit verbrachte, Beerdingungen zu folgen; ein leuchten­ des, kaum inkarniertes Genie, das vor einem Jahrhundert die beiden Themen jedes Totentanzes - und auch dieses hier - (Panik und Ironie) transzendiert hat: .,The Frost beheads it at it's play."

Gera rd Pesso n

George Löpez Balztanz und Fahneneid

Es fallt mir immer schwerer, über meine Musik zu schreiben, da die Werke mehr und mehr Suchaktionen zu werden scheinen. Bei „Balztanz und Fahneneid" war ich ursprünglich auf der Suche nach einem „Solostück", es ist aber eine Musik entstanden bzw. gefunden wor­ den, die einen Großteil ihres Inhalts aus den wechselnden Beziehungen zwi­ schen der Solo-Bratsche und dem „Ensemble" (einem tiefbesetzten Streichquartett) gewinnt. Führt nun der Solist einen Monolog Ist er vielleicht wie der „Patient" bei der WOLFGANG oder führt er das Ensemble? Kommen­ klassischen Psychoanalyse? (Es gibt HATTINGER tiert, unterbrochen, kontrapunktiert, sogar einen Pizzicato-Versuch - .,rubato angegriffen - wenn die anderen sein poco esitando" - , sich in die Quartett· Staren-Lied wiederspiegeln, ist das als gesellscha~ artig einzugliedern.) Mokieren oder als „Objektivieren" zu Auf wen oder was wird der „Fahneneid" verstehen? Diese Geige, mit der er sogar (Hauptstrophe: T. 151-153) geschworen? ein kurzes „Liebesduett" (T. 144- 145) Was steckt dahinter? spielt, ist sie nur Phantasie, oder Pro­ Bezüglich der Form: .,Es ist ein Gesetz jektion, oder -? (Auf jeden Fall ist sie ... , daß diese Zwangshandlungen immer bewußt genug, um aus „Herzog Blau­ barts Burg" zitieren zu können.) mehr in den Dienst des Triebes treten Warum die übergroße Entfernung und und immer näher an die ursprünglich das Fehlen des Augenkontaktes zwi­ verbotene Handlung herankommen." schen dem Solisten und den anderen? (Irgendwann habe ich bemerkt, daß

17 bewußte Konstruktion oft einer Zensur ähnelt.) Die Materialien (d.h. jetzt die Noten) stammen fast ausschließlich aus mei­ nem Orchesterstück „Breath-Hammer• Lightning" (T. 129-132, Hauptorchester). Was dort durch die Bewegung der Masse (Bezug auf Canettis „Masse und Macht ...") dargestellt worden ist, wird hier durch das Auf-das-Podest-Stellen des Individuums zu detailliertem Aus­ druck gebracht. Vogelbalz hat ja damit etwas zu tun. Zur Stunde höre ich „kon• krete" Stimmen der selbstdarstellenden GEO RG E Suche, während der Arbeit LÖPEZ (Februar- März 1995) habe ich manchmal an den australischen Alleebauer (Bower bird) gedacht. Die Komposition dieses Werks wurde von dem Bratschisten Dimitrios Polisoi­ dis angeregt, das Stück ist ihm gewid­ met.

George L6pez

18 Philip Jeck Mittwoch, Widescreen „Widescreen" ist die Musik zu einem 4. Oktober imaginären Film, eine Landschaft in 22.00 UHR , KAMMERMUS IKSAAL einem nicht existierenden land. Kom­ poniert wurde „Widescreen" für das musikprotokoll '95; verwendet werden vier Schallplattenspieler und zwei Casio­ Keyboards . .. canvass the town and brush the back­ drop" (Brian Wilson, Van Dyke Parks)

Philip Jeck

Eines Tages in den frühen achtziger Jah­ ren kaufte Philip Jeck einen alten „Dan• sette"-Schallplattenspieler auf einem Flohmarkt. .. Sobald ich zu Hause war, PHILIP bemerkte ich, das ist es, das ist genau ]ECK das Richtige für mich. Vielleicht fas zi­ nierte mich das Grobe der Ausführung: Das Gerät geht von 16 Upm direkt auf 78; es hat eigene Lautsprecher, d.h. man kann es spielen, ohne es an ein anderes Tonsystem anzuschließen. Genau damit wollte ich arbeiten, obwohl ich zeitweise auch modernere Geräte einsetze." Philip Jeck verwendet Schallplatten mit verschiedenster Musik. Die Gegensätzlichkeit dieser Materialien löst sich auf in Geschwindigkeitswech­ seln, kurzen Überlappungsschleifen und Verzerrungen. Die fortschreitende Mate· Philip Jeck rialdegeneration durch sukzessives Wie­ Widescreen deraufnehmen ist stilbildend in Jecks for 4 record-players and 2 casio key­ Strukturästhetik. boards Für Kataloge und für das Cover seiner Kompositionsauftrag des musikprotokoll neuen CD „Loopholes" schuf sein Kol­ 1995, UA lege Jan Wozencroft eine schöne opti­ sche Analogie zu Jecks Musik, indem er Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, Fotos von VHS-Aufnahmen bearbeitete, 30.11.1995, 23.00 Uhr die beim Filmen von Fernsehbildern ent-

20 standen. Das Medium überlappt sich wickelte er seinen ganz persönlichen selbst, unterstreicht seine eigene cha­ Stil auf der Bühne vor Publikum, was rakteristische Qualität: .,Es ist ähnlich seinen Stil mehr der Performance-Kunst der Methode, wie ich Töne erzeuge: nur eines Paul Burwell und Max Eastley Strukturen und Landschaften. Man ist annähert. sich nicht sicher, was es ist, und es ist Jecks Musikgeschmack ist breit gestreut auch nicht wichtig", sagt Jeck • und eklektisch: Er hört Musik von Brian .,Durch akustische Schleifen von Ton­ Wilson und den Beach Boys, Sinatra's band oder Schallplatte beginnt die Capitol-Aufnahmen, John Cale und Nico, Technik, ihre eigene Rhythmik zu finden. God, Material/Bill Laswell, befreundete Ich höre den Ton und ändere dann die Plattenspieler-Manipulatoren wie Chri­ Klangregulierung am Aufnahmegerät. stian Marctay und Discjockey Krush, Und ich benutze tatsächlich nur zwei sowie die derzeit obligaten „Drei" aus Effekte - einen alten billigen Klangre­ Bristol: Massive Attack, Tricky und Por­ flektor, der auch manchmal schlecht tishead. Für Performance-Zwecke jedoch funktioniert und ein Gitarrenverzöge• zieht Jeck Musikaufnahmen vor, die er rungspedal - ich werke daran herum, auf Flohmärkten findet und die anson­ bis es richtig klappt." sten im Nirgendwo landen würden. Jeck wurde am Dartington College für In der kurzen und spartanischen Infor­ visuelle Kunst ausgebildet und arbeitete mation, die auf der CD-Broschüre zu in den siebziger Jahren an Performance­ „Loopholes" erscheint, findet man ein Projekten. Für kurze Zeit war er lateinisches Zitat: 'Versa est luctum cit­ Discjockey bei Kaufhausparties, bei hara mea •• .'. .,Das ist aus einem Musik­ denen er die neuen Plattenspielertech­ stück, das ich wirklich mag", erklärt niken imitierte, die er auf amerikani­ Jeck, .,eine Begräbnis-Motette des spa­ schen Aufnahmen von Grandmaster nischen Komponisten Victoria. Es Flash & The Furious Five's „Adventures bedeutet: 'Meine Harfe ist auf Trauer On The Wheels Of Steel" gehört hatte. gestimmt'. Und ich trauere über viele Schließlich, während einer fünf- bis Dinge in dieser Welt, in diesem Land." sechsjährigen Zusammenarbeit mit der zeitgenössischen Tänzerin Laurie Booth, Nach einem Text von Phil England aus die ihn durch ganz Europa führte, ent- Wire 8/95

21 Silvia Fömina Donnerstag, Permanenza für mikropolyphonisches, im Raum ver­ 5. Oktober teiltes Orchester 19 . 3 0 UHR , STEFANIENSAAL bestehend aus 20 Live-Instrumenten und einer computerunterstützten Reali­ sation von 50 Einzelstimmen

Über die Notwendigkeit Man wählt sich nicht selbst, - man beschließt das nicht, man wird davon ergri ffen - sich der Suche, der Interpre­ tation, der Widerspiegelung des menschlichen Schreis zu widmen; der hörbaren Darstellung dieses Zustandes, in dem ein Mensch sich vor sich selbst schutzlos findet; dieses Zustandes, in dem die Masken, die Rüstungen, die Verteidigungs-Prothesen, die die Gesell­ schaft feilhält, schon nicht mehr hinrei­ chen, die Eigenschaft des Grotesken JOHANNES besitzen, nicht mehr helfen können, die l

22 nen Elend ausgeliefert findet. Das ist es, weshalb ich komponiere: um zu versuchen, das innerlich Gel­ tende zu widerlegen und einzureißen um mich zu ertränken, ohne nach Luft zu ringen (der Produktion gebe ich nach mit Widerwillen und aus Erstickungsge­ fahr) um Konturen, Gewicht und Akkumula­ tion des Raums und der Zeit aufzulö• sen, zu sublimieren um die Härte und Verhornung der Gedanken fließend zu machen um mein Dach aufzusprengen, und mei­ nem St rom sich Bahn brechen zu las­ sen, der hier im Inneren zersetzt, aber draußen bildet, beruhigt, heilt, tröstet

um den eigenen Kampf vor den ande­ rial hätte, als Produkt, ein einziges Ziel: S ILVIA ren zu vermeiden den Hörer zu treffen, bevor sich die f ÖMINA um mich selbst zu besiegen Assoziation mit seinen Umständen ein­ um meinen eigensinnigen Widerstand stellt, bevor sie ihm gestattet, seinen nicht aufzugeben Wiedererkennungsmechanismus des um ein Produkt uneben, deutlich und von ihm erlernten, akzeptierten, dicht wie Stein zu erreichen, das ermög• bekannten Kontextes in Gang zu setzen. licht, diese Existenz rechtfertigen zu Eine Musik, die ihn entblößt, schutzlos, können ohne Geschichte, Kultur, Verteidigung um sich dieser Existenz hinzugeben und und Glauben antrifft. Die ihn auf seinen sich zur Absolut-Notwendigkeit als dem ersten Bezugspunkt verweist. Ursprüng• einzigen Grund künstlerischer Produk­ lich, frei im Ausdruck zu werden, wie er tion zu bekennen (- naiver, bequemer, am Anfang war. Denn diese Materie prätentiöser, überheblicher, scheinbar spricht vom Schrei. Und der hat keine freier Intellektualismus ohne eine reak­ Geschichte. Weil er alles umfaßt. Denn tionsfähige, verantwortliche Haltung er ist der erste Grund. Der Notwendige. erzeugt auch Ungeheuer: In der mensch­ Und der letzte. lichen Natur existiert die Unbeweglich­ keit nicht. Man generiert Bewegung, Silvia Fömina oder man verhindert sie). Es wäre widersprüchlich, ein Klangma­ terial in eine technisch-deskriptive Ana­ lyse zu pressen, das im wesentlichen keine Vermittlung sucht, das heißt, getreulich der behandelten Materie dient und in jedem Augenblick identisch mit ihr ist. Diese Identität Materie-Mate-

23 On Water Ober Wasser (übersetzt von Jörg Paulus und Helga There are to be talks on water Lutz) in the framework of the multilateral pro­ cess Über Wasser the politicians have prophesied it soll im Rahmen der multilateralen Ver­ the public has demanded it handlungen gesprochen werden the newspapers have written commen­ so haben es die Politiker vorhergesagt taries upon it so hat es die Öffentlichkeit gefordert There are to be talks on water und die Zeitungen haben es kommen­ the day shall be hot, the perfectly cir­ tiert cular Es soll über Wasser gesprochen werden burnished mahogany table surface shall an einem Tag. der so heiß ist, daß die be installed vollkommen like a mirage in the conference room; a runde spiegelblank polierte Mahagoni­ single Platte decanter of clear water shall be set at wie eine Fata Morgana im Konferenz­ the middle of it; raum schwebt; eine einzelne there shall be glasses, as many glasses Karaffe voll klaren Wassers wird in die as there are representatives of govern­ Mitte des Tisches gestellt werden; ments and organizations Die Anzahl der bereitstehenden Was­ that have an interest in water. And there sergläser sha/1 be talks wird der Zahl der anwesenden Regie­ on water ... On water ••• On the glimmer rungs-Vertreter und der Sprecher der of it, Organisationen, on the suppressed sparkle, the murmur die sich mit Wasser beschäftigen, ent­ also the hiss sprechen. Und es soll über Wasser as weil as the little bubbles that are car­ gesprochen werden ••. ried along with it, Ober Wasser! Über sein Schimmern, the way it fills up a glass to the brim über das unterdrückte Perlen, sein plus a little extra, Gemurmel und Zischen, the meniscus, yes, the surface tension, sowie die winzigen Bläschen, die damit the necessity einhergehen, for it, the thought of it, the odor, the und darüber, wie es ein Glas füllt bis an craving, the presence of it at last den Rand - und noch etwas höher, on the tongue and in the throat. den Meniskus, und die Oberflächen• spannung, seine Notwendigkeit, Jonathan Treitel und wie es die Gedanken erfüllt, wie es riecht, wie es verlockt, und schließlich seine reale Gegenwart auf der Zunge und im Schlund.

24 Ober Permanenza Labile Gleichgewichte, der II. Teil des Dieses Werk repräsentiert die dritte Werks, besteht aus der Übereinander• Facette eines Zyklus, dessen zentrales schichtung von 70 verschiedenen, in Konzept auf die Erforschung und Ent­ äquidistanten - isorhythmischen - Zeit­ wicklung von Mikrotonhöhen-, mikro­ proportionen gestalteten Klangflächen. rhythmischen und mikroräumlichen Die sieben im Raum verteilten Laut­ Proportionen durch Kombination inter­ sprecher, die die 50 Einzelstimmen aus­ vallisch und rhythmisch äquidistanter strahlen, vermitteln zusammen mit den Tonsysteme zielt. Es ist der erste 20 Live-Quellen - hierarchisch, im Rah­ Ansatz, die Übertragung mikrointerval­ men einer umgekehrten pyramidenför• lischer auf mikrorhythmische Verhält• migen Konstellation, von unten nach nisse unter Verwendung akustischen, oben im Raum verteilt - die punktuelle instrumentalen Klangmaterials zu reali­ Differenzierung des Materials durch 70 sieren. gleichzeitige, verschiedene Geschwin­ "Permanenza" zielt auf eine neue, über• digkeiten in ständiger Phasenverschie­ sättigte Form äußerst differenzierter bung, ausgehend von einer äußerst Kontinuität, eine Art klangfarblichen langsamen Periodik (im Bereich der Pointillismus; eine Mikrofragmentierung Wahrnehmung von Diskontinuität) bis des Zeitraums in diskrete Schritte, die zum Erreichen von Geschwindigkeitsab­ aufgrund der Unterschreitung der läufen, die weit unterhalb der Verwi­ Grenze unseres rhythmischen Unter­ schungsgrenze liegen und die eine scheidungsvermögens (Verwischungs­ krista/lsplitterartige klangliche Konti­ grenze) durch Geschwindigkeit bzw. nuität bilden. Die punktierte Zweiund­ Dichte der einzelnen punktuellen Sig­ dreißigstelnote (= 1/32s, ca. 31 nale eine neue, instrumentale Klang­ Millisekunden) dient in diesem Teil als qualität aus einer gefalteten Melodik kürzester Unterteilungswert, als gemein­ aus Tonknoten und Tonknäueln schafft. samer Denominator oder virtuelle Zähl• Ist die Erzeugung solcherart mikro­ einheit für die 70 verschiedenen rhythmischer Sukzessionen in der Live­ Perioden. Instrumentalmusik nicht möglich, so ist Die Spannung, die die gleichmäßige, eine in Millisekunden steuerbare starre äußere Formstruktur der wieder­ Abfolge - in diesem Werk bestehend kehrenden isorhythmischen Perioden aus 1450 verschiedenen feinen Ton­ der afrikanischen Polyphonie südlich höhennuancen - mit akustischem Mate­ der Sahara (z.B. der Banda Linda) im rial durch Computer durchführbar (der Kontrast mit den inneren, asymmetri­ kleinste Zeitwert von Chrononen*, dem schen, äußerst komplexen Patterns 1. Teil der Komposition, ist die punk­ schafft, welche sich, beruhend auf einer tierte Vierundsechzigstelnote, d.h. eine virtuellen, hyperschnellen Pulsation bis 1/64-Sekunde oder ca. 16 ms). zu 12 pro Sek (MM= 720), gleichzeitig überlagern und in Phasenverschiebung * Chronon: Im Bereich der theoretischen stehen, war eine meiner wichtigsten, Physik wird das Chronon als hypotheti­ erneuerndsten Erfahrungen mit poly­ sches Partikel für die Quantelung der phonischen Strukturen. Gemeinsam mit Zeit postuliert. der rhythmisch-metrischen Ambivalenz

25 der hemiolen-artigen Musik der Zeit der ten akustischen Instrumentalmaterials, Mensuralnotation (Ars Subtilior. XIV. Jh.) noch der präformierten Prägnanz des haben diese beiden Hauptquellen ein charakteristisch elektronischen "Sound" tiefes Zeichen in meiner Denkweise über (Vorgeformte elektronische Klangqua­ Polyphonie gesetzt. lität ist nicht das letzte Wort, sondern Das Werk ist reine Instrumentalmusik; was übriggeblieben ist). selbst besondere Instrumentaleffekte "Permanenza" strebt die Repräsentation gibt es in ihm nicht. Der scheinbar ver­ einer äußerst differenzierten, mehrdi­ fremdete Gesamtklang beruht auf der mensionalen Vielschichtigkeit, gleich­ Anwendung des klangfarblichen Poin­ sam ein stereoskopisches Bild in tillismus: Durch das Übereinander• ständiger Bewegung, an. Es bedeutet schichten einer großen Anzahl einzelner auch ein Zurückfordern, eine Bitte, eine Fundamental- und Obertöne in mikro­ Liebeserklärung, einen Appell: Eine intervallischer Relation; Geschwindig­ Hommage an die Unwiederholbarkeit keiten unterworfen, die die Sukzes­ des Einzelnen, an das Charakteristische sionsverwischungsgrenze unterschrei­ des Winzigen, an die einmalige Brillanz ten; mittels einer diskreten Verteilung des Momentes, an das nicht-ersetzbare der einzelnen Klangquellen im Raum, Eigene. Es ist letztendlich die entschie­ entstehen illusionäre Klangfarben, die dene Verweigerung vor jedem Zeichen sich wesentlich von den Klangfarben passiver Neutralisierung dessen, was ich der üblichen Instrumentalkombinatio­ noch als originales, unterscheidbares, nen unterscheiden. Diese neue Farb­ differenziertes, einmaliges Individuum qualität entspricht weder der verstehe. erkennbaren Qualität des zu-sehr-deter­ minierten, von Konnotationen gepräg- Silvia F6mina

26 Beat Furrer Quartett

Das Kreisen einer Aluminiumschiene auf einem Holztisch gerät ins Stocken; ein gepreßtes Entlangstreichen verlangsamt sich, so daß einzelne unregelmäßige Impulspunkte hörbar werden; ein ange­ spanntes Donnerblech wird plötzlich losgelassen, klingt und verklingt; das zarte, unregelmäßige Aufprallen gestreu­ ter Reiskörner verwandelt sich in sprachartige Strukturen: In den vier Sät• zen der Schlagzeugkomposition „Quar• tett" ist jeweils eine Geste der Ausgangspunkt. Die Bewegungsgeste korrespondiert mit der Gestik des BEAT Klangs. Jedes Klingen und Verklingen FURRER hat eine ihm eigene Gestik. Den Ton als nente Dramatik explizit als Musikdrama Ereignis, um nicht zu sagen Wesen, in aussprach .•Narcissus " erzählt (unter der ihm eigenen Gestik zu begreifen, anderem) die Verwandlung eines und die in der Gestik angelegte Drama­ Wesens in seine Stimme. Die Nymphe tik aus sich selbst heraus zu entwickeln, Echo transzendiert ihre Körperlichkeit in mithin das Dramatische des Verschwin­ Schall. Die vier Sätze von „Quartett" dens als existentielles Trauma, das uns aus 1995 explorieren einzelne Nuancen gerade deswegen zum Weitermachen und Aspekte dieser unerbittlichen und zwingt, nicht in Musik zu bannen, son­ zugleich schönen Geschichte. dern der Musik als strukturierte Erzäh• Das Kreisen einer Aluminiumschiene auf lung zu entreißen: Das ist die Musik von einem Holztisch gerät ins Stocken (1. Beat Furrer. Satz). Die Regelmäßigkeit des kreisen­ ,,A un moment de terre perdu" heißt ein den Rauschens verliert das Gleichge­ zwanzigminütiges Werk aus 1990, das wicht. Diese Irregularität scheint den den vibrierenden Zuständen zwischen Energiefluß zu stören. Doch das aus­ Verklingen und Klingen exemplarisch eine Fülle energetischer Konstellationen komponierte Zögern und Stocken ist abgewinnt. Das Sterben eines Tons als letztlich die Kraftquelle der Musik, die Inbild drohender Entropie wird konter­ ansonsten im Energiegleichgewicht kariert von Energiezufuhr in Form von geblieben wäre. Aus dem Gleichgewicht regelmäßig Pulsierendem, von auskom­ geraten, offenbaren die Klänge zuvor ponierten Einschwingvorgängen, von geheime Aspekte. Ein gepreßtes Ent­ Verwandlung der Körperlichkeit eines langstreichen verlangsamt sich, so daß Klangs in dessen pure, immaterielle einzelne unregelmäßige Impulspunkte Energie. 1994 gelangte jenes Werk zur hörbar werden (2. Satz). Was zu stocken Uraufführung, das diese klangimma- scheint, erweist sich immer wieder als

27 die Plötzlichkeit eines Beginns. Ein Wie kaum ein anderes Instrumentarium angespanntes Donnerblech wird plötz• lassen die Klänge des Schlagzeugs des· lieh losgelassen, klingt und verklingt (3. sen Material (Fell • Holz • Metall • Kunst· Satz). In Wasser getaucht verwandeln stoff) in Erscheinung treten. Dabei sich Klangmuster. Das Bewegungsmu· spielen Material und Form des lnstru• ster wird zugespitzt, die Sequenzie• mentes selbst in gleicher Weise wie rungsmuster werden aus dem Material und Form des Schwingungser• Donnerblechrauschen herausgearbeitet. regers (Schlägel • Lineal • Reibestock • Das zarte, unregelmäßige Aufprallen Bogen • Finger • Reiskörner etc.) eine gestreuter Reiskörner verwandelt sich in Rolle. sprachartige Strukturen (4. Satz). Die Klang: Darstellung von Bewegungs­ Anschlag- und Ausklingcharakteristik ist energie. Elementare Bewegungsmodelle so sehr ins Zarte überführt, daß sie wie noch eng verbunden mit jener Körper• in einem Vexierbild zu schwingen lichkeit der Schlagzeugklänge, so zum beginnt. Aus dem vorgeblich regel· Beispiel das Kreisen einer Aluminium• mäßigen Rauschen der aufprallenden schiene auf einem Holztisch, bilden Reiskörner entwickelt sich ein parlando, Ausgangspunkte ei ner Reihe von Pro­ die feinen lrregularitäten gewinnen zessen, die in der Vervielfachung bezie• semantische Strukturen. Die dem Mate· hungsweise Überlagerung jenes rial und dem Körper eigene Gestik gestischen Modells des Klangs, dessen transzendiert in strukturierten Klang. Entmaterialisierung beziehungsweise KLANG­ Aus Eigenheiten von Klang entsteht dessen Verwandlung in pulsierende FO RUM Musik. Flächen erfahrbar machen. Gestische WIEN Christian Scheib

28 Ordnungen werden zu modularen Ord­ nungen. Darstellung von Bewegung (Strobosko­ pie), vergleiche Duchamp „Akt, die Treppe hinabsteigend". „Ober die Vorstellung hinausgehen und absolut stillstehen. Wie im Mittelpunkt eines Sprungs •.. "

Beat Furrer

29 Alvin Luder Auf Klangeigenschaften. die im alltäg• Donnerstag, lichen Musikbetrieb meist ignoriert wer­ den, beruht die Musik Alvin Luders: der 5. Oktober Charakteristik von Resonanzräumen, dem Klang bestimmter Materialien, den 21.00 UHR, SAAL STEIERMARK Schwebungen zwischen zwei Tönen.

Theme

Vier Sprecher rezitieren den Text des Gedichtes "Theme" von John Ashbery. Zwischen ihnen stehen Gefäße ver­ schiedener Größe. Das kleine Mikro­ phon in jedem der Gefäße ist mit einem Verstärker verbunden. Wenn die Spre­ cher den Text rezitieren und die Mikro­ phone die Stimmen aufnehmen, werden Alvin Luder die Stimmen von der Klangcharakteri­ stik des Resonanzraums des jeweiligen Theme Gefäßes verändert und geprägt. for 4 readers with amplified sonorous vessels Gedicht von John Ashbery Theme 1994, ÖE John Ashbery

Sprecher: lf I were a piano shawl Jacqueline Humbert a porch on someone's house Joan La Barbara ftooding the suave timbre. Sam Ashley Thomas Buckner Then forty, he, a unique monsieur Navigations for Strings and yet he never wanted to look into it. 1992, ÖE "Have you forgotten your little Kiki?" Arditti String Quartet Smoke from the horses' nostrils wreathed the pump by the weil. Nothing ls Real (Strawberry Fields Forever) The stink of snow 1990 was everywhere. Too bad it looks so good. Alvin Luder - Klavier O beautiful and true Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, thou that glitterest, 19.10.1995, 23.00 Uhr in storms,

30 starting to discuss gardening. 1 don't Töne, die in unnatürlicher Regelmäßig• want to throw cold water keit wiederkehrten. Ich erfuhr später, an this. daß es sich dabei um Signale des Omega Navigator Systems handelte, die That music has changed my life zur Positionierung und Überwachung a tot, since I made the von Flugzeugen und Schiffen auf der mistake of learning it. ganzen Welt verwendet werden. Ich war von den natürlichen ionosphärischen Another passionless day. The peach Tönen hingerissen, von den unaufhör• forms a stain lich menschlichen Tönen des Omega at the end of the line. Netzwerkes jedoch ziemlich irritiert. Weder Filterung noch Bearbeitung konn­ Learn to lock love enjoy: ten sie eliminieren. „The dream I dreamed Über Jahre hinweg haben mich diese was not denied me; Töne „verfolgt". Oft bemerkte ich, daß ich sie während meiner täglichen Arbeit hence my love is mad­ einfach so dahinsummte oder pfiff. Mit a castle's satin walls der Zeit habe ich sie in eine Melodie folded in blood." aus vier Noten komprimiert, die aus zwei fallenden Ganztonintervallen (h, a, The deputy returned b, as) bestand, also eine kleine Terz the pea shooter. 1 have learned umfaßten. Oft dachte ich daran, sie in to plait wasps einem musikalischen Werk zu verwen­ den. into a bronze necropolis. Als ich dann mit diesem Quartett be­ The ticket and the water auftragt wurde, beschloß ich, diese only endure, as one can freundlichen, aber unnachgiebigen musikalischen Geister zur Ruhe zu in the right circumstances, legen. Ich würde die Omega-Töne ver­ man eher Tommy. 1 think the theme schwinden lassen. Eine Möglichkeit war, created itself somwhere die Terz langsam in einen einzigen Ton zu zwingen. Mittels eines einfachen Zah­ around here and cannot find itself. lensystems schrieb ich aus den origina­ len vier Tönen einen langen Fluß von kontinuierlich wechselnden melodischen und instrumentalen Kombinationen. Alvin Luder Indem sich die Musiker durch diese Navigations for Strings Kombinationen bewegen, heben und senken sie die Tonhöhe in unmerklich Die Idee zu „Navigations for Strings" kleinen Dosen, von denen einige für das kam mir 1980, als ich auf einem Berg­ menschliche Ohr gar nicht wahrnehm­ gipfel in Colorado ionosphärische bar sind. Während die Intervalle kleiner Klänge aufnahm. Als ich mir die Auf­ werden, verringert der Spieler stufen­ nahmen anhörte, bemerkte ich hohe weise die Dynamik und verlangsamt das

31 Tempo - somit erlaubt er den Tönen, Melodiefragmente werden gespielt, als sich wie Schatten zu dehnen und in die Cluster ausgehalten und mit einem Cas­ Umgebung des Raums einzutauchen. settenrekorder aufgenommen. Nach Während des gesamten Werkes sind dem Ende dieses Teils wird das Band Schwebungen zu hören, deren Häufig• zurückgespult und durch einen kleinen keit vom Abstand der Tonhöhen zuein­ Lautsprecher in einer auf dem geschlos­ ander bestimmt wird. Beginnend mit 14, senen Klavier stehenden Teekanne wie­ 13 und 12 Schwebungen pro Sekunde - der abgespielt. Während des Abspielens ein Rhythmus, der den lntervallverhält• wird der Teekannendeckel gehoben und nissen der ursprünglichen Töne ent­ gesenkt und zweimal die Teekanne vom spricht - nehmen die Schwebungen Klavier genommen, wodurch sich die langsam ab, bis vollkommener Gleich­ Klangcharakteristik verändert. klang erreicht ist. Bei reinen Intervallen können die Spieler ihre Stimmung über• Alvin Luder prüfen, indem sie auf die Anzahl der Schwebungen zwischen den benach­ barten Tönen hören.

Alvin Luder Nothing ls Real (Strawberry Fields Forever)

Im Frühling 1990 bat mich die Pianistin Aki Takahashi, ein Klavierarrangement eines Beatles-Songs für sie zu schrei­ ben. Sie hatte erfolgreich Musik von Erik Satie auf CD herausgebracht und die Plattenfirma bat sie, als nächstes eine Sammlung von Lennon- und McCartney­ Melodien einzuspielen. Sie nahm unter der Bedingung an, daß sie die Kompo­ nisten selbst aussuchen könne, die die Arrangements schrieben. Da ich mich nicht selbst auf ein bestimmtes Lied und die daran geknüpfte Stimmung und Erwartung festlegen lassen wollte, bat ich sie, ein Lied für mich auszusuchen. Sie wählte "Strawberry Fields Forever". Als ich sie fragte, warum sie gerade die• ses Lied ausgesucht hatte, antwortete sie, die Textzeile "Nothing is Real" erin­ nere sie immer an meine Musik.

32 Das physikalische Experiment als Kom­ digen Ansatz. Seit den sechziger Jahren positionsmodell gelingen Luder musikalische Komposi­ Zur Musik von Alvin Luder tionen, die wichtige, ja, grundlegende Aspekte des für unser Jahrhundert cha­ Von Sabine Sanio rakteristischen Denkens und Erlebens ansprechen und verdeutlichen. Dabei ist Die entscheidende Anregung für sein das, was man gewöhnlich unter „Kom• Komponieren fand der Amerikaner Alvin ponieren" versteht, radikal verändert. Luder überraschenderweise in Europa, Denn im gewohnten Sinn ist diese wo er sich mit einem Fulbright-Stipen­ Musik nicht komponiert: .,Ich habe dium 1960 und 1961 aufhielt. Auf den gesagt, daß ich keine Noten zusam­ Darmstädter Ferienkursen sowie kurze mensetze, aber ich füge sicherlich noch Zeit später in Italien erlebte er Konzerte Dinge zusammen, ich stelle ein Orche­ des Pianisten David Tudor und lernte ster neben elektronische Klangwellen John Cage kennen. Sie führten ihm die und ich verdrahte Lautsprecher." Aus­ Möglichkeit einer völlig anderen Art von drücklich besteht er jedoch auf dem Musik vor Augen, die durch nichts an ästhetischen Charakter dieser Arbeit: die europäische Tradition gebunden zu „Ich schaffe die Situation, ich muß sie sein schien. erfinden, das ist künstlich und das ist Andererseits hat Luder in Italien zum Kunst, es ist Teil von Kunst."2 ersten Mal in einem elektronischen Stu­ Alvin Luders vielleicht bekanntestes dio, nämlich in dem berühmten Mailän• Stück „1 am sitting in a room" führt die der Studio Fonologia des italienischen umfassende akustische Transformation Rundfunks, gearbeitet. Von der konkre­ eines vom Komponisten selbst gespro­ ten, körperlichen Art dieses Arbeitens chenen Textes vor, dessen akustische war er ungeheuer fasziniert . .,Der übli• Qualität sich im Verlauf dieser Ton­ che Arbeitsgang in diesem Studio war bandkomposition so sehr verändert, es, einen Katalog von Klängen auf Band daß er schließlich nicht mehr zu verste­ aufzunehmen, die man dann in Längen hen ist. Bevor wir uns diesem Transfor- von fünf oder sechs Fuß (1,75 oder 2,10 . mationsprozeß zuwenden, werfen wir m) zerteilte, beschriftete und an die kurz einen Blick auf den Text. Dieser Wände im Studio heftete. Wenn man lautet in der deutschen Übersetzung: Klänge für seine Kompositionen „Ich sitze in einem anderen Raum als brauchte, schnitt man verschiedene Län• dem, in dem Sie sich in diesem Moment gen des gewünschten Materials ab - die befinden. Ich nehme den Klang meiner Zentimeter, die für eine Zeit benötigt sprechenden Stimme auf und spiele ihn wurden, waren abhängig von der wieder und wieder in diesem Raum ab, Geschwindigkeit des Tonbandgeräts -, bis die Resonanzfrequenzen des Raums klebte sie zusammen und mischte sie sich selbst verstärken, so daß jede Ähn­ zu einem Endprodukt ab."1 lichkeit zu meinem Sprechen, mit Aus­ Italien zeigte Luder daher wichtige nahme vielleicht des Rhythmus, zerstört Alternativen zur europäischen Tradition. ist. Was Sie dann hören werden, sind In den folgenden Jahren fand er zu die natürlichen Resonanzfrequenzen des einem auch Cage gegenüber eigenstän- Raums, durch Sprechen artikuliert. Ich

33 betrachte diese Aktivität nicht so sehr darin, einen Text, in einem bestimmten als Demonstration eines physikalischen Raum immer wieder auf Band aufzu. Faktums, sondern eher als einen Weg, nehmen, in genau diesem Raum vom alle Unregelmäßigkeiten, die meine Band wieder abzuspielen, und diese Stimme haben könnte, zu beseitigen." neue Version erneut aufzunehmen und Der Text ist eine knappe Beschreibung so fort. Das Resultat des Versuchs führt des Versuchs, der die Grundlage dieser die Komposition im genauen Nachvoll· Komposition bildet. Gleich zu Beginn zug des Versuchablaufs vor. Ein Raum der Komposition wird man also über hat • wie jeder weiß • ganz bestimmte den Prozeß ihrer Herstellung informiert Klangeigenschaften, kann hallig, trocken und befindet sich • einer der erstaun· oder dumpf sein, je nachdem, ob man lichsten Aspekte dieses Stückes • sich in einer großen Kirche, einem Zirn· bereits auf der Metaebene der ReOe• mer voller Möbel und Vorhänge oder xion. Dies gelingt nur, weil der Text eine einem niedrigen feuchten Gewölbe doppelte Funktion hat: er erklärt die befindet. Lucier hat durch die Wieder· Komposition und bildet zugleich ihr holung des Aufnehmens diese Reso• Klangmaterial. Der Komponist führt die· nanzfrequenzen immer weiter verstärkt. sen Versuch so konsequent durch, daß Sie wirken für die Frequenzen des ihm nichts bleibt, was noch komponiert gesprochenen Texts als Filter, der werden müßte. schließlich nicht mehr zu verstehen ist. ALVIN Der Versuch • um Luciers Beschreibung Man hört nur noch „reinen", bedeu• LU CIER kurz zu verdeutlichen • besteht einfach tungsfreien Klang.

34 Dieses Tonbandstück stellt eine beson­ immer als Prozeß von großer Komple­ ders gelungene Komposition von Luder xität mit unzähligen Momenten und Ele­ dar, in der sich seine Vorgehensweise - menten auffaßt, konzentriert sich Lucier nicht zuletzt wegen der erwähnten meist auf einzelne Phänomene, um ihre selbstreftexiven Verwendung der sprach­ verschiedenen Facetten anschaulich lichen Ebene - in prägnanter und ver­ erfahrbar zu machen. Doch wie Cages dichteter Form zeigt. Gelungen ist die Musik sind auch Luciers Kompositionen außergewöhnliche Verwendung des Ton­ keine Werke oder Objekte, sondern bands, offensichtlich die angemessene musikalische Prozesse mit flüchtigem, Form der Darstellung und Aufführung, ,,ephemeren" Charakter. mit der die Genese der Komposition Sein erstes Stück mit eigenständigem und der Prozeß der Transformation des musikalischen Ansatz, die „Music for ursprünglichen Klangmaterials fixiert Solo Performer", zeigt eine Mischung und für den Hörer nachvollziehbar von szenischen, visuellen und akusti­ gemacht werden kann. Musikalisch am schen Momenten. Hier arbeitet Luder faszinierendsten ist jedoch die Umwand­ mit einer Apparatur bestehend aus lung eines ganz alltäglichen sprachli­ einem Paar Elektroden, einem Differen­ chen Kommunikationsakts in ein im tialverstärker und einem Bandpaßfilter, Sinn der Kommunikation völlig bedeu­ der nur die vom Gehirn im meditativen tungsfreies, rein klangliches Ereignis. und bewegungslosen Zustand erzeug­ ,,1 am sitting in a room" ist eine unge­ ten Alphawellen von 10 Hz passieren wöhnliche Komposition, die gar nicht läßt. Diese Apparatur benutzt der Kom­ wirklich „komponiert" ist, sondern die ponist, um ein Schlagzeugensemble, innere Logik eines physikalisch-akusti­ das direkt vor den angeschlossenen schen Versuchs unmittelbar übernimmt. Lautsprechern aufgestellt wurde, in hör• Diese Kompositionstechnik, die sich bei bare Schwingungen zu versetzen. Dabei allen Stücken Luders seit 1965 in immer macht er sich das Phänomen zunutze, neuen Variationen zeigt, verweist auf daß die Lautsprechermembran wegen ein vom traditionellen deutlich unter­ der entstehenden unhörbaren Unter­ schiedenes Musikverständnis. schall-Impulse gleichwohl zu schwingen Gerade an diesem Tonbandstück zeigen und auszuschlagen beginnen, und sich deutlich bestimmte Differenzen zu schließlich die eigentlich nicht zu hören• Cage. Denn während Cage Wiederho­ den Impulse indirekt hörbar machen. lungen immer vermeiden wollte, um Zu Recht hat Luder darauf hingewiesen, den einzelnen Klang in seiner spezifi­ daß „Solo for Performer" nicht nur die schen Qualität herauszustellen, arbeitet erste Komposition war, die Gehirnwel­ Lucier gern und häufig mit Formen der len einsetzte, sondern auch die erste, in Wiederholung, wie z.B. eben der stän• der ein Interpret allein durch völliges digen, immer nur kaum merklich verän• Stillhalten Klänge erzeugt. Insofern stellt derten Wiederholung des gesprochenen sie eine faszinierende Version von Texts, die vom Hörer eine viel stärkere Cages Forderung dar, von den eigenen Konzentration auf die kleine Differenz Wünschen und Vorstellungen abzusehen verlangt, um die Entwicklung des Stücks und einen Zustand der Absichtslosigkeit zu verfolgen. Und während Cage Musik zu erreichen. Denn allein im Zustand der

35 Absichtslosigkeit kann die Aufführung Cage immer beharrt hat. In vielen dieses Stücks gelingen: ,,Wer dieses Stücken von Lucier zeigt das musikali­ Stück richtig aufführen will, darf nichts sche Material neben seinen akustischen vorsätzlich tun. Du sollst meditieren, Qualitäten räumliche und optische nicht den Verlauf der Aufführung steu­ Eigenschaften. ern und versuchen, sie auf die eine oder Bei seinen Kompositionen spielen phy­ andere Weise interessant zu machen."3 sikalische Experimente als Vorbilder oft Das Einzigartige dieser Komposition eine wichtige Rolle. In den Bereichen erfährt man jedoch erst bei einer Auf­ der Physik und Akustik beruht unser All­ führung, die man live miterlebt, nämlich tagswissen zwar weitgehend auf den wenn man den „Solo Performer" auf Ergebnissen dieser Experimente, es ist seinem Stuhl sitzen sieht, regungslos, uns jedoch oft nur ganz abstrakt gegen­ aber verdrahtet, während ohne sicht­ wärtig. Diese Experimente verwendet bare Ursache, also auf fast magisch Luder, um unserem Alltagswissen erscheinende Weise plötzlich die anschauliche Erfahrungsformen zu bie­ Becken, Gongs, Pauken und Trommeln ten. Wenn er sich unmittelbar auf ein zu schwingen und zu klingen anfangen. Experiment als Vorbild bezieht, so „Music for Solo Performer" ist eines aus immer in einer Form, die dessen der Gruppe von Stücken, in denen Anschaulichkeit unterstreicht und ver­ Lucier das Unhörbare hörbar macht. Es stärkt. entstand 1965 und zeigte, daß er nun Einige Kompositionen beschäftigen sich über Möglichkeiten jenseits des tradi­ mit den akustischen Eigenschaften von tionellen Komponierens verfügte. Das Räumen. So hat er in seiner Installation Faszinierende dieser Möglichkeiten sieht „Chambers" das Innere einer Teekanne er selbst darin, daß nicht seine eigenen oder einer Streichholzschachtel mit klei­ Vorstellungen und Gefühle im Mittel­ nen klangerzeugenden Gegenständen punkt stehen, sondern die Klänge und wie Miniatur-Radios oder Spielzeugen ihre verschiedenen Formen, sich zu arti­ dem Betrachter akustisch erfahrbar kulieren. gemacht. In dem Stück „Vespers" Wie in der „Music for Solo Performer", verwendet er ein elektronisches Instru­ bei der das Publikum die transformier­ ment, das die Fähigkeit der Fleder­ ten Gehirnströme nicht nur als akusti­ mäuse zur räumlichen Orientierung sche Ereignisse, sondern auch als durch Schallwellen nachahmt, dazu, sichtbare Bewegungen der Schlagwerke dem Publikum eine akustische Zeich­ und Gongs wahrnehmen konnte, spielt nung der verdunkelten Umgebung zu dieser visuelle Aspekt bei Lucier sehr liefern, die durch die je nach ver­ oft eine große Rolle. Klänge denkt er änderter Umgebung unterschiedlichen offensichtlich nicht allein als akustische akustischen Rückmeldungen dieses Ereignisse, sondern ebenso als optische Instruments entsteht. Phänomene, als Bewegungen im Raum, Eine andere Werkgruppe Luders die sich auf unterschiedliche Art und beschäftigt sich vor allem damit, Klänge Weise auch visualisieren lassen. Lucier sichtbar zu machen. In der „Queen of realisiert damit auf sehr eigenwillige the South" werden die Möglichkeiten Weise die Einheit der Künste, auf der erforscht, durch Klangumformer Platten

36 zum Schwingen zu bringen, so daß auf widersprechen scheint. Spürbar wird, ihnen befindliche Materialien wie Sand daß natürliche, nicht vom Menschen oder Pigmente visuelle Muster bilden. intentional gesteuerte Vorgänge eine In verschiedenen anderen Stücken hat ganz andere Dramaturgie aufweisen und sich Luder mit der Beziehung von Klang oft einen längeren, gleichmäßigeren und Licht beschäftigt und mit klang­ Atem zu haben scheinen. empfindlichem elektrischen Licht gear­ Die Komposition „Sferics" führt in ihrem beitet. ntel die Abkürzung für „athmosferics", Die „Music for Pure Waves, Bass Drums den natürlichen Emissionen auf der and Acoustic Pendulums" stellt eine Radio-Frequenz, verursacht durch elek­ weitere Möglichkeit, Klänge sichtbar zu tromagnetische Energie in der Ionos­ machen, vor. Vor Lautsprechern aufge­ phäre. Diese nachts am deutlichsten stellte Trommelfelle werden durch reine auftretenden Signale kommen im Hör• Sinustöne zum Schwingen gebracht, so bereich des Menschen vor und können daß sie vor ihnen aufgehängte Tisch­ mit Antennen empfangen und dann ver­ tennisbälle zum Pendeln bringen. Die stärkt werden. Die aus kurzen, in zeitli­ verschiedenen Schwingungsphasen der cher Folge montierten „Samples" Sinustöne wie der Trommelfelle überla• bestehende Aufnahme von der nächtli• gern sich auf unterschiedliche Weise chen Aktivität der Ionosphäre ist und können das Schwingen der Bälle ebenso wie „1 am sitting in a room" verstärken oder wieder abschwächen. eine geradezu klassische Komposition Charakteristisch ist die nicht vorherzu­ für Tonband oder Schallplatte. sehende Unregelmäßigkeit dieser Vor­ Ebenfalls ein Klangpotential unserer all­ gänge. Bisweilen schlagen die Bälle in täglichen Umgebung, nämlich Papier, einem groß angelegten Crescendo hat Luder bei dem Stück „Sound on immer heftiger und häufiger gegen die Paper" verwendet. Sechs gerahmte Trommeln, um dann ebenso urplötzlich Bogen Papier von unterschiedlichem wieder „aus dem Takt zu geraten", was Gewicht und unterschiedlicher Dichte sofort zu einer Abschwächung der sind auf Staffeleien vor kleinen Laut­ Bewegung und des Klanggeschehens sprechern aufgestellt, in die aus einem führt. Durch die Verwendung mehrerer Oszillator ein Sinuston mit 32 Schwin­ Trommeln und Bälle ergeben sich gungen pro Sekunde geleitet wird. Die zudem unvorhersehbare und komplexe vom Lautsprecher abstrahlenden Klang­ Verschiebungen und Überlagerungen wellen bringen die Papierbögen je nach der einzelnen akustischen Vorgänge. Die den physikalischen Eigenschaften des Musik changiert so ständig zwischen Sinustons (Tonhöhe und Lautstärke) großer Dynamik und einer ins Medita­ und des Papiers (Dichte und Gewicht) tive weisenden Statik. in unterschiedlicher Weise zum Schwin­ Während bei diesem Stück eine, wenn gen. Durch die extreme Verstärkung ent­ auch ungesteuerte, zufällige Dramatik stehen Klänge wie bei einem starken deutlich zu hören ist, haben die nun zu Gewitter, das sonst so leise Rascheln besprechenden Kompositionen einen oder Knittern des Papiers erhält etwas ausgeprägt meditativen Charakter, auch Bedrohliches. Aus der gewohnten wenn bisweilen die Lautstärke dem zu Umgebung gerissen und gewissermaßen

37 unters Vergrößerungsglas gelegt, wird seit Anfang der achtziger Jahre, aus­ dieses alltägliche Phänomen fremd und gelöst durch Kompositionswünsche und kann nun ganz neu gehört werden. -aufträge von Musikern und Ensembles, Die „Music on a long thin wire" macht verschiedene Stücke für klassische den Einfluß eines Magnetfeldes auf Orchesterinstrumente geschrieben. Bei Klang hörbar. Am Ende eines Metall­ diesen Kompositionen - zu nennen sind drahts, der an die Ausgänge eines mit .,Crossings" (1982-84) für Kammeren­ einem Oszillator verbundenen Verstär• semble, .,Septett" für drei Blas- und vier kers angeschlossen ist, wird ein hufei­ Streichinstrumente (1985), .,In memo­ senförmiger Magnet angesetzt. Die riam Jon Higgins" (1984) für Klarinette, Interaktion des Magnetfelds mit den alle, wie die groß angelegte Komposi­ elektrischen Impulsen bringt den Draht tion „Still and Moving lines of Silence zum Schwingen. Da die Frequenz nicht in Families of Hyperbolas" (1982- } verändert wird, sind allein die akusti­ immer mit einem Oszillator kombiniert, schen Auswirkungen von physikalischen - geht es um die Erforschung der ver­ Phänomenen wie Temperaturschwan­ schiedenen Formen und Eigenschaften kungen, Luftströme u.ä. zu hören, die von Schwebungen. Diese Stücke ver­ der Komponist nicht beeinflussen kann. langen vom Interpreten nicht so sehr Da die Klänge mit zunehmender Länge Virtuosität, sondern eine experimentie­ des Drahtes faszinierender werden, hat rende Haltung, sowie Geduld und Auf­ Lucier immer längere Drähte verwendet, merksamkeit für das aus dem eigenen der längste maß 28 Meter. Tun resultierende klangliche Geschehen. Diese Musik hat einen sehr meditativen Es war Cage, durch den Luder dazu Charakter. Das Klanggeschehen entfal­ kam, seine Musik als Erfahrungsprozeß tet sich, da es vom Komponisten nicht zu konzipieren. Entscheidend war Cages strukturiert wird, nach seinen eigenen Distanzierung von der verbreiteten Vor­ Gesetzen. Besonders der andere zeitli­ stellung der Musik als einer Kommuni­ che Charakter fällt auf. Diese rhythmisch kation, bei der der Komponist Gefühle kaum akzentuierte Musik hat etwas auszudrücken oder Ideen darzustellen Strömendes oder Rießendes, den Hörer, versuche, die der Interpret musikalisch der sich in einem Raum mit dem Draht möglichst so realisiere, daß sie der befindet, Umschließendes oder Durch­ Hörer ohne große Schwierigkeiten oder strömendes, bei subtilen Umwandlun­ Anstrengungen verstehen könne. Lucier gen von Harmonik und Klangfarbe. Läßt versteht seine Musik als ein Geschehen man sich auf den deutlich verlangsam­ mit akustischen, aber auch visuellen ten Prozeß der Veränderungen ein, übt und szenischen Aspekten. Seine Kom­ dieser eine starke Faszination aus. Es positionen sind in einem sehr strengen ist dann fast so, als hätte der Draht, wie und radikalen Sinn reine Akte des Vor­ Luder es formuliert, ein eigenes Leben. zeigens und Demonstrierens von Ereig­ Während diese Stücke fast ohne nissen und ihren Eigenschaften. menschliche Akteure auskommen und Konzeptuelle Voraussetzung, jedoch stattdessen mit Hilfe der Elektronik eine nicht Teil der Komposition ist die Über• Verfremdung unserer alltäglichen aku­ zeugung, diese demonstrierende Geste stischen Umgebu~g erreichen, hat Lucier als Kunst zu begreifen. Die Erfahrung

38 wird zum zentralen Thema in Luders dem naturwissenschaftlichen Denken Musik. Als Hörer und Betrachter kann und Vorgehen bezeugt: man die akustischen, räumlichen und ., Von [meinen] Stücken baut die Mehr­ auch die visuellen Eigenschaften der zahl auf elektronischer Technologie auf. Klänge wahrnehmen und erleben, die [ ••• ] Akustische Testgeräte sind ihrer sonst meist völlig unbeachtet bleiben. Natur nach frei von Bedeutungen. Was Auf der anderen Seite unterscheidet in ein zu untersuchendes Material oder sich diese Musik radikal von solchen eine Umgebung eingeht, muß neutral Kompositionen, in denen ein Komponist sein, so daß die Ergebnisse unbeein­ einen musikalischen Zusammenhang flußt sind. Und da der Prozeß des Unter­ welcher Art auch immer intentional her­ suchens, Erprobens, Erforschens in stellt. Da Luder auf diese Intention völ• meiner Arbeit oft die kompositorische lig verzichtet, ist nur das zu hören, was Struktur und Aufführungstätigkeit aus­ durch seine Musik, die sich als physi­ macht, sind diese Technologien perfekte kalische Versuchsanordnung realisiert, Werkzeuge meiner Arbeit. "4 freigelegt wird. Dies ist oft ganz unspek­ Auf der anderen Seite darf jedoch auch nicht in Vergessenheit geraten, daß takulär und verlangt vom Hörer und diese Haltung nicht wirklich neutral ist. Zuschauer die Neugier für die kleinen, Es ist gerade das Absehen von der oft gar nicht mehr wirklich wahrgenom­ Intention in der experimentellen Situa­ menen Phänomene in seinem Alltag: tion, die ihre Verwirklichung sehr das Rascheln von Papier, die Knackser erleichtert hat. Denn durchs Untersu­ im Radio. Es ist der Prozeß der Erfah­ chen, Erforschen und Erproben wird das rung als ganzer, der hier in seiner ästhe• Material, also der Untersuchungsgegen­ tischen Bedeutung vorgeführt wird: stand oder die natürliche Materie, wenn wir Dinge und Ereignisse als sinn• schließlich beeinflußbar und für die liehe, visuelle oder akustische Phä• eigenen Interessen nutzbar. Die Natur­ nomene frei von jeder Bedeutung wissenschaften suchen seit der Renais­ erleben, entreißen wir sie ihrer alltägli• sance durchs Erforschen des Materials chen Funktionalität und können mit Wege, die Intention der Naturbeherr­ ihnen neue, überraschende Erfahrungen schung zu verwirklichen. Deshalb neh­ machen. men die Naturwissenschaften eine Luder ist es gelungen, die Erkenntnisse weitgehende Atomisierung und Auf­ der Physik so zu nutzen, daß sie spaltung ihres Untersuchungsmaterials bestimmte Aspekte unseres alltäglichen vor, das gegenüber den alltäglichen Lebens bewußt und auf faszinierende Situationen, in denen uns Natur sonst Weise ästhetisch erfahrbar machen. begegnet, als radikale Verfremdung Insofern ist seine Musik wirklich eine erscheint. unseres Jahrhunderts, das ohne die Luder versteht es, diese im physikali­ Erkenntnisse der Naturwissenschaften schen Experiment erzielte Verfremdung so nicht denkbar wäre. Er selbst nimmt ästhetisch produktiv zu machen. Auch für sich eine Haltung in Anspruch, die ästhetische Erfahrung beruht ja oft der eines Naturwissenschaftlers sehr gerade darauf, den alltäglichen Zusam­ ähnlich sieht und großen Respekt vor menhang zu sprengen, um in einer von

39 alltäglichen Gewohnheiten und Ver­ fend der paradoxen Struktur naturwis­ pflichtungen entlasteten Situation eine senschaftlichen Vorgehens: in der neue, intensive Erfahrung möglich zu Absicht der Naturbeherrschung kommt machen. es zur Erkenntnis, daß diese nur durch Zugleich zeigt die Thematisierung die­ fast mimetische Angleichung an das ser Form naturwissenschaftlichen Arbei­ Objekt der Herrschaftsintention möglich tens, wie selbstverständlich und ist: indem man quasi in die Natur hin­ vertraut es für uns geworden ist. Die einzukriechen versucht, ihr Innerstes Physik dagegen ist längst an einem erforscht, kann man sie zwar nicht will­ Punkt angelangt, an dem sie fast jede kürlich beherrschen, jedoch ihre Mög• Anschaulichkeit verloren hat und sich lichkeiten entdecken und für sich nur noch über aufwendige Apparaturen nutzen. Die Naturwissenschaften haben und Technologien der Realität zuwen­ Seiten der Natur freigelegt, die dem det, unter ihrem elektronisch geschärf• Menschen fremd sind, aber ihm nützlich ten Blick nur ein abstrakter Meßwert. So sein können. Auch sie betreiben die Öff• bringt Lucier eine wichtige, oft ver­ nung für das fremde in seiner spezifi­ schüttete Einsicht wieder ans Licht, schen Eigenart. Das Geschehen wird in nämlich die, daß Kunst und Naturwis­ seiner eigenen inneren Logik beobach­ senschaften eine gemeinsame Haltung tet, die Kunst besteht darin, diese offen­ haben, die sich als ein Verfahren der zulegen. Verfremdung des Gewohnten mit dem Luders faszinierende Fähigkeit ist der Ziel neuer Erfahrungen und Einsichten des Naturwissenschaftlers nicht fern. Er beschreiben läßt. Sie verlangt Neugier hat das Experiment aus dem Labor und den Blick für das Unbekannte. geholt und es in einer Weise inszeniert, Zugunsten des sinnlich wahrnehmbaren die es vielen klassischen Kompositio­ Geschehens nimmt sich das Subjekt nen in seiner Faszinationskraft an die zurück. Lucier selbst hat darauf aus­ Seite stellt. drücklich hingewiesen: .,In nahezu allen meinen Arbeiten sind Veränderungen, wo immer sie auftreten, fast nie von bewußter geistiger (kompositorischer) oder körperlicher (aufführender) Tätig• 1 Alvin Lucier, Untersuchen, Erproben keit bestimmt, sondern durch etwas, Erforschen. Die Werkzeuge meiner was innerhalb oder sogar außerhalb Arbeit, - in: MusikTexte 16, Köln Okto­ eines gegebenen Systems existiert."5 ber 1986, S.26 Besonders deutlich war dies bei der 2 Alvin Lucier, Nachdenken wie man .,Music for Solo Performer": der Auf­ zuhört, Gespräch mit Gisela Grone­ führende erzeugt Alphawellen, während meyer, - in: MusikTexte Heft 16, Köln sich das Geschehen als solches von ihm Oktober 1986, S. 35 weitgehend unbeeinflußt entfaltet: er 3 a.a.O., S.33 stellt seine Gehirnaktivitäten in Form 4 Alvin Lucier, Untersuchen, Erproben, von elektrischer Energie zur Verfügung, Erforschen, a.a.O., S.31 und greift nicht in das Geschehen ein. 5 Alvin Luder, Untersuchen, Erproben, Diese Verhaltensweise ähnelt verblüf- Erforschen, a.a.O., S.31

40 Donnerstag,. 5. Oktober 22.00 UHR. MEUE GALERIE. GRAZER COMGRESS

Grazer Congress. Kammermusiksaal

G.X. Jupitter-Larsen The Thinking Ross Did 1995, UA Kompositionsauftrag des ORF-Kunst­ radio

Neue Galerie Im Radio: live in Österreich 1, Kunst­ radio-Radiokunst, 22.20 Uhr Alvin Luder Sound on Paper 1985 Grazer Congress, Ausstellungsfoyer

Robert Höldrich und Winfried Ritsch Neue Galerie Superposition 1995, UA Peter AbUnger Kompositionsauftrag des musikprotokoll Weiss/Weisslich 150 mit freundlicher Unterstützung der 5 Räume, Lautsprecher, gefärbte Stille Robert Bosch AG Österreich in den Farben 1, E, A, 0, U Weiss/Weisslich 15b jeder Wechsel von einem Raum in einen Grazer Congress, Markhl-Saal anderen 1995, UA Winfried Ritsch und Robert Höldrich Kompositionsauftrag des musikprotokoll Im Auge des Taifun 1995, UA Entwicklung: Kompositionsauftrag des musikprotokoll Elektronisches Studio der TU Berlin, Folkmar Hein System: Grazer Congress Norbert Schnell Produktion: Gunter Schneider Hochschule für Musik, Institut für Elek- (R)OHR tronische Musik, Robert Höldrich 1991-95

42 Alvin Luder Peter Ablinger Sound on Paper Weiss/Weisslich 15a+b

"Sound on Paper" zählt zu jenen Wer­ Das Rauschen / Stichworte ken im CEuvre von Alvin Lucier, die sich Von Peter Ablinger mit dem Sichtbarmachen von Klang befassen. In dieser Arbeit fließen elek­ PROLOG tronisch erzeugte reine Wellen von Laut­ sprechern durch mehrere Blätter Papier Zeit - Raum - X unterschiedlichen Gewichts, unter­ (also: zuerst die Zeit, dann der Raum; schiedlicher Dichte und Größe. Dabei was ist das weiterführende und zugleich schwingen die Papiere entsprechend, beide beinhaltende Dritte?) und der entstehende Klang wird durch Ein Begriffstryptichon als Antwort: die physikalischen Eigenschaften des Licht Papiers bestimmt. Außerdem wird das x = Rauschen Papier durch die Klangwellen in Bewe­ vollständige Affirmation gung versetzt und so das klangliche [Notizbücher 90/91) Phänomen sichtbar dargestellt. Papiere unterschiedlicher Größe werden gerahmt und an den Wänden der Gale­ VORAUSSETZUNGEN rie aufgehängt. Hinter jedem dieser gerahmten Papiere wird ein kleiner - Die Weiss/Weisslich-Serie (seit 1980) Lautsprecher befestigt, an den ein Oszil­ (: ,,weiße Tasten bis weißes Rauschen") lator mit einer auf die Papiergröße - Einton- und Allton-Stücke (Instrumen­ abgestimmten Frequenz angeschlossen tal- und Vokalstücke nach „Ensemble") ist. Beim Betreten des Raumes hören : Eintonstücke immer reduzierter, die Besucher das Gemisch der Klänge, Alltonstücke immer dichter; das durch die vibrierenden Papiere ent­ Wo sie sich treffen: Redundanz steht. Man kann sich auch den einzel­ - das Ungeteilte (- statt „Harmonie", nen Papieren nähern und genauer statt „Dissonanz") zuhören. Die erste Version von "Sound - die Erfahrung sehr dichter Zustände on Paper" wurde im Herbst 1985 als im Free Jazz Klanginstallation bei der Ausstellung - Rauschlisten (Kataloge aufgenomme­ „Writing on the Wall" im lslip Art ner Rauschklänge von Instrumenten und Museum gezeigt. aus der Umgebung)

Alvin Lucier BEOBACHTUNGEN

- Der Wind: in verschiedenen Getreide­ sorten, Gräsern und Baumarten; - Das Wasser: Bäche, Flüsse, Wasserlei­ tungen, Meer, Wasserfall, Regen (Weiss/Weisslich 9, 10 und 11); - Situationen großer Dichte im Alltag:

43 - (Verdichtung: Kondensation) - Komplementäre Klänge: (auch als „Weiss/Weisslich", noch ohne Nummer) Arbeit mit Klängen, die als einzelne noch einen „harmonischen", spektralen Gehalt haben, zusammen genommen aber Rauschen ergeben (Freiburg, April 95) - Rauschen + Rauschen = Raum: ,. ... das heißt aber: Wenn R mit R addiert mehr ergibt als R, dann war R noch nicht „alles"! Raum ist weder in R noch in R enthalten, entsteht aber aus PETER Selbstverlust, .,Mystik des Alltags" der Überlagerung von R mit R. Wenn ABLINGER [Notizbuch 1987], Hineinsacken in den aber im (weissen) Rauschen noch nicht Hintergrund, Starre, Stress, Bahnhof, alles enthalten ist: was ist es dann, das Autobahn, Kaffeehaus; darin fehlt? Was fehlt? Ist das Komple· - Weiss/Weisslich 12 (die Kirchen auf ment zu Rauschen die Illusion?, oder DAT) die Stille?" : das Rauschen_enthält alle lnformatio· „Wenn die Phasenverschiebung beim nen über den Raum, den Ort, Beschaf· Rauschen hörbar ist, heißt das, daß die fenheit, Größe, Luftfeuchtigkeit, Position verschobene Phase nicht im ursprüngli· im Raum, .. . chen Rauschen enthalten war. Das (Dieses „Beinhalten" widerspricht der heißt, daß das Rauschen nicht alles ist. Gegenüberstellung von Information und Die Addition von Alles mit Allem ergibt Rauschen) nicht Alles. Sie ergibt etwas anderes. Da dieses Andere aber eine Verdopplung von Allem ist, ist alles nur die Hälfte ERGEBNISSE des anderen. Alles ist nur die Hälfte. (Alles existiert so wenig, wie sein Korn· - Rauschen: vertikale Serie: 1000 Vari· plement: Nichts: die Stille)" anten des Gleichen: gleichzeitig (ebenfalls als Weiss/Weisslich ohne - Vertikalisierung ~.Alles Immer") : Nach Nummer) 1 Jah r kompositorischer Abstinenz begonnener Werkkomplex: ,.IEAOU" (: NOCH EINIGE NOTIZEN: ABGRENZUNG Instrumentale und elektro-akustisch VON DER OPPOSITION INFORMATION · ortsbezogene Verdichtung). Alles was RAUSCHEN horizontal passiert, wird hochgeklappt in die Vertikale; alles was nacheinander Information IST Redundanz: geschieht, ist in jedem Moment: Keine „Die Tautologie sagt laut Wittgenstein Metapher mehr, sondern präzise techni· nichts aus über die Welt und hält kei· sehe Formulierung (: Computer: Peter nerlei Beziehung zu ihr (Tractatus). Ich Böhm) glaube dagegen, daß die Tautologie das

44 Grundprinzip von Sprache überhaupt ist. wir den Ausschnitt fokussieren, einen­ Beziehungsweise das Grundprinzip der gen, ein Detail beobachten, und Detail Beziehung von Sprache und Welt. Jede heißt, einen Rahmen setzen. Rahmen Beschreibung, Erklärung, Analyse, Defi­ kann eine Denkweise, eine Methode, nition ist genau in der analogen Weise ein Kriterium - irgendeine Art von Filter Verdopplung, Wiederholung, Redundanz sein .•. " wie das die Tautologie auch ist. Etwas entsprechendes gilt auch für „Informa• Die Polaroid-Brille: tion". Es ist nicht so, daß Information .,Die Welt wird plastischer durch sie. das ist, was sich vom Redundanten Das heißt aber, daß Plastizität ein Effekt abhebt. Es ist vielmehr umgekehrt, daß der Reduktion ist, ein Erkenntniseffekt. Information ohne Redundanz gar nicht Keine Wahrheit. Dreidimensionalität ist möglich ist. Redundanz hat etwas zu ein Erkenntnismedium, keine Sache, die tun mit „Rahmen"; etwas wiederholen selbst Gegenstand der Erkenntnis sein heißt, es näher zu fassen kriegen, es müßte. (Tatsächlich beschäftigen wir fixieren, ausschneiden aus seiner Umge­ uns viel mehr mit dem Medium, als mit bung, es rahmen. Auch für „Bedeutung" dem, wofür es geschaffen wurde.) gilt das Gleiche: Bedeutung und Ver­ Vergleiche auch Johann Michael Fischer dopplung oder Unterstreichung, Hervor­ (* 1692-1766, Rokoko-Architekt, z.B. die hebung sind ohnehin fast synonym. Stiftskirchen von Oberbeuren, Zwiefal­ Bedeutung, Information, Begreifen sind ten, Rott am Inn): Er benützt die Per­ alles redundanz-abhängige Transforma­ spektive, um sie zu widerlegen, um den tionen dessen, was ist. Aber das was Raum zu desillusionieren. Er benutzt die ist, ist das Unbedeutende, Nicht-Infor­ optische Illusion, um die räumliche Illu­ mative, Unbegriffene: die Welt, so wie sion (· die, mit der wir alle leben) zu sie uns umgibt und wir in ihr sind." entlarven!"

Der Rahmen: Figur und Grund: „Unser Blickfeld ist zu weit, um zu „Einerseits: Die Dichotomie zwischen sehen. Unser Leben ist zu viel, um es Figur und Grund ist - nichts weiter als - wahrzunehmen. Sehen und Erkenntnis die Dynamik. (Das ganze Thema führt kommt nur aus der Einengung, Ein­ nur zu expressiven Kategorien, Gegen­ grenzung. Wir sehen etwas, wenn wir satzdenken) eine Brille (Sonnenbrille) aufsetzen, Andererseits: Wenn bisher der Unter­ wodurch der Rahmen etwas kleiner und schied zwischen Vorder- und Hinter­ die Lichtmengen etwas reduzierter wird, grund nur durch dynamische oder manchmal reicht es auch schon, Unterschiede formuliert werden konnte, aus dem Fenster zu blicken - oder auch so ist es jetzt möglich, das einzelne im Geiste durch ein „Fenster" zu Instrument von seiner Fläche durch blicken, also z.B. sich in einer Land­ geringste lntonationsabweichungen zu schaft zu befinden und sie mit den unterscheiden, die alte Dichotomie ist Blicken eines Anderen, einer anderen überwunden." Situation, eines Gemäldes oder Films zu betrachten. Wir erkennen etwas, sobald (andere Alternativen zu „Figur und

45 Grund": verschiedene Stadien von Kör• um das illusorische Alles von Stille, nigkeit bis zur glatten Fläche) Raum und Zeit, sondern um das reali­ stische Alles von Schweigen, Ort und SCHLUß Augenblick. Peter Ablingers Musik sind Beschreibungsformeln genau dieses Rauschen: Sich dem Rauschen stellen: Realen. Wörtlich: musikalisch: als Klang: in aller Ein Reales nicht in espressivo-Katego­ Konsequenz (: Ertrinken): und nicht rien von außen zu beschreiben, sondern (nur) als Entgegensetzung von Rau­ die Beschreibung selbst zu einem adä• schen und Etwas. quaten Realen zu formen, erfordert For­ meln, Anrufungen, Litaneien. Denn in Wenn ich vom Rauschen eine Beetho­ der Wiederholung fokussiert sich dieser ven-Symphonie abziehe, fehlt: nichts. R Blick. Deswegen ist die Litanei der Rah­ bleibt R. Dagegen wenn ich von R einen men zur Wirklichkeitswahrnehmung und der in „IEAOU" verdichteten Klänge sub­ eben gleichzeitig wahrzunehmende strahiere, verändert sich die Farbe des Wirklichkeit. Daß der Rahmen, durch Rauschens. Klang und Rauschen sind den Wirklichkeit wahrnehmbar wird, die keine Gegensätze mehr. Wiederholung, die Redundanz ist, bedeutet, daß Tautologie und Redun­ (Ende der Stichworte zu „Das Rau­ danz wie ein Filter wirken. Dieser Filter schen" von Peter Ablinger) bewirkt Erkennbarkeit und Erkenntnis. Tautologie und Redundanz sind also nicht die strukturellen Feinde von Infor­ mation, sondern die Ermöglicher. Höch• Der Komponist Peter Ablinger ist ein ste Redundanz entspricht • auch als Mystiker der Aufklärung. Seine Anru­ mathematische Formel• höchster Infor­ fungen und Litaneien zielen auf das mation. Ein mehr an Information als Erkennen. Die im Erkennen, in der Auf­ weißes Rauschen kann es demnach klärung angelegte Transzendenz ist das anscheinend nicht geben. Das Alles zu Geheimnis seiner monoton klaren beschreiben ist dennoch unmöglich, Musik. Das Hinwegschreiten in eine auch das Rauschen beschreibt nicht andere Wirklichkeit fußt auf der Nicht­ alles. Hörend ist das an der akustischen wahrnehmbarkeit einer einzigen, das Veränderung bei der Überlagerung Ganze umfassenden Wirklichkeit. Des­ zweier Rauschen erkennbar. Um Rau­ wegen gerät jede (künstlerische) schen unabkömmlich zu machen, also Beschreibung eines Teiles dieser Wirk­ um seinen Informationswert im Ablin­ lichkeit erstens selbst zu einer eigenen gerschen Sinn als das realistische Alles Wirklichkeit und zweitens zur Transzen­ von Schweigen, Ort und Augenblick dierung derselben in jenen Versuch des wahrnehmbar machen zu können, muß Alles im Jetzt, der erfolglos bleiben ein Filter der Redundanz zu wirken muß. Peter Ablingers Musik formuliert beginnen. Dieser zu suchende Filter dieses Dazwischen, diesen Aufenthalt macht das Rauschen zum Ausschnitt, an der unmöglichen Bruchstelle zwi­ zum wahrgenommenen Realen. Die schen Allem und Allem. Es geht nicht Möglichkeit der Manipulation am Rea-

46 len ergibt sich aus der Präzision der G.X. Jupitter-Larsen Substraktion von Rauschen von Rau­ The Thinking Ross Did schen. Erst wenn eine Möglichkeit gefunden ist, ein von einem Rauschen Mein hauptsächliches Anliegen ist, alten Weggenommenes als Differenz wahrzu­ Symbolen neue Bedeutungen und nehmen, wird Reales in diesem Sinn neuen Symbolen alte Bedeutungen zu erfahrbar. Das fünfmal gefärbte Rau­ verleihen, um zu beschreiben, wie schen und die dazwischenliegenden absurd ich Verwesung und Verfall finde. Übergänge von "Weiss/Weisslich 15" Was ich an Verwesung und Verfall so sind genau diese erfahrbare Differenz absurd finde, ist die Tatsache, daß Bio­ und darin - ebenso wie Litanei und Wie­ logie darauf beruht, daß unstabile derholung - die Manipulation am Rea­ Moleküle Energie zwischen stabilen len. Sie sind Erschaffung einer Molekülen hin und her transferieren. Wirklichkeit im Bewußtsein des not­ Dieser Prozeß, der Leben schenkt, wendigen Scheiterns beim Versuch, ein nimmt es gleichzeitig auch wieder weg. endgültiges Alles, auch nur beschreiben Weil die Moleküle, die die Energie trans­ zu können. Es geht nicht um das illu­ ferieren, unstabil sind, ereignet sich der sorische Alles von Stille, Raum und Zeit, Prozeß des Alterns. Das ist Ironie. sondern um das realistische Alles von .,Re-Information" • also neue Bedeu­ Schweigen, Ort und Augenblick. Peter tungen zu verleihen - verstärkt Entropie. Ablingers Musik sind Beschreibungsfor­ Diese „Re-Information" vollzieht sich meln genau dieses Realen. durch Variation über ein Thema und durch den Kontrast zwischen Medium Christian Scheib und Botschaft sowie "between medium and massage"[sic]. Ein Beispiel für Re-Information findet man beim Walisi­ schen Mathematiker Ross Rhesymol­ waith (1911 • 1983), der zu sagen pflegte, daß ihn das zufällige Radiorau­ schen der atmosphärischen Elektrizität an Denken erinnere. In seinem Buch .,PLAT RHIF CAR" (1964) schrieb er: „Denken gleicht jeder anderen Form des weißen Rauschens. Atmosphärische Elektrizität hält nie still". Meine Performance und Radioarbeit .,The Thinking Ross Did" besteht darin, daß ich ungefähr 40 Minuten lang einen Taschenrechner an grobem Schmirgel­ papier reibe. Ein Kontaktmikrophon, das am Taschenrechner montiert ist, über• trägt und verstärkt das daraus resultie­ rende weiße Rauschen. Zwei Durchgänge sind über die zwei Stereo-

47 kanäle zu hören. Der Zuhörer findet sich Robert Höldrich und Winfried Ritsch in einem Spiralwind zermalmenden Rau­ Superposition schens wieder. Rhesymolwaiths Hinweis auf eine "Schönheit, die aus dem Ver­ Durch die Überlagerung von informa­ schleiß von Zahlen kommt" wird tionshaltigem Klangmaterial wird eine während der Aufführung und der so große Dichte erreicht, daß die ein­ Radioübertragung spürbar werden. zelnen Klangelemente nicht mehr iso­ liert wahrnehmbar sind und zu einem G.X. Jupitter-Larsen „Quasi"-Rauschen verschmelzen. Wie in der Informationstheorie durch die Entro­ pie beschrieben, besitzt dieses Rau­ schen „maximale" Informationsdichte.

Robert Höldrich und Winfried Ritsch

48 Winfried Ritsch und Robert H6ldrich Gunter Schneider Im Auge des Taifun (R)OHR

"Im Auge des Taifun" versucht durch Als ich das Rohr zum ersten Mal hörte, Klang Stille zu erzeugen. Das Aufeinan­ wußte ich, hier bin ich zu Hause. dertreffen von mehreren Klängen wird Im Oktober 1986 arbeitete ich bei einer dabei nicht, wie gemeinhin erwartet, die Produktion des K&K-Experimentalstu­ Lautstärke erhöhen, sondern vermin­ dios im Klagenfurter Künstlerhaus mit. dern. Zu den Requisiten des Bühnenbildes gehörte ein ca. 3 m langes und 13 cm Winfried Ritsch und Robert Höldrich lichtes Rohr aus 8 mm dickem Karton. In einer Probenpause legte ich aus Neu­ gier ein Ohr an eine Öffnung des Rohrs, ohne zu ahnen, was mich erwartete. Das Phänomen Rauschen wird in der Das Rohr klingt. Und in seinem Klang Informationstheorie, oft auch in der verbinden sich alle Schallereignisse der Akustik, als unerwünschte Größe ver­ Umgebung zu einer wunderbaren Har­ standen, die das informationshaltige monie. Sie werden durch das Teilton­ Signal - den gewünschten Klang - beein­ spektrum des Rohrklangs in ein zartes trächtigt. Bezeichnenderweise bedeutet Gewebe von Melodien verwandelt. Stel­ das englische Wort für diese Störung, len Sie sich vor, daß in allen Rohren "Noise", im Deutschen sowohl Rau­ ständig derartige Musik zu hören ist. schen als auch Lärm. Seit den Anfängen Die Aufnahme, die ich damals machte, der Nachrichtentechnik und der elek­ ist zwar technisch nicht besonders gut, troakustischen Reproduktion von Klang in ihrer spezifischen Atmosphäre und beschäftigt man sich daher mit Rausch­ ihrem Charme für mich jedoch uner­ unterdrückung, der Verminderung die­ reicht, nicht zuletzt auch wegen des ser Störgröße. ungeplanten Auftritts des pfeifenden In den letzten 10 Jahren wurde im und aufgrund der Melodie später iden­ Bereich der Lärmbekämpfung der Ver­ tifizierten Künstlerhaus-Cafe-Wirts. Ich such unternommen, Schall nicht nur zu nützte die Ruhe einer Probenpause für dämmen, sondern ihn aktiv mit die Aufnahme. Der Wirt nützte dieselbe "Antischall" zu kompensieren. Im Eng­ Ruhe, um sich umzusehen. Daß er fast lischen wird dieses Verfahren als „active genau in derselben Tonart (B-Dur) pfiff, noise cancellation" bezeichnet. in der das Rohr klang, natürlich ohne es hören zu können, ließ es mir zuerst kalt "Im Auge des Taifun" ist - aus anderer den Rücken hinunterlaufen und hat Warte betrachtet - eine Installation, mich dann zu verschiedenen Hypothe­ deren ästhetischer Kern ein Paradox sen angeregt, die letztlich aber alle beschreibt, in dem sich die Hybris der unbefriedigend waren. Als ich dem Wirt Metaphysik wiederspiegelt, wenn durch Jahre später davon erzählte, blieb er zuviel Alles ein Nichts erschaffen wird. völlig unbeeindruckt. In Innsbruck ging ich in ein Geschäft für Christian Scheib Spannteppiche, um mir ein Rohr zu

49 liches fürs Hören: sich zu öffnen. Neh­ men Sie sich Zeit, das Ohr braucht einige Minuten, bis es sich dem klang­ lichen Reichtum des Rohrs, das heißt seinem Obertonspektrum, öffnet. Sie werden feststellen, daß Sie immer mehr hören - der anfangs undifferenzierte grundtönige Klang löst sich in ein fei­ nes Geflecht von Obertonmelodien auf: die Luftsäule im Rohr wird durch den Umgebungsschall frequenzspezifisch in Schwingung versetzt: ein akustisches Ereignis in der Umgebung des Rohrs GUNTER besorgen. Auf s m langen Kartonrohr- regt die entsprechenden oder benach­ S CHNEIDER kernen waren tausende von Teppichrol· barten Frequenzen im (harmonischen) len ausgestellt. An einem Stapel Teiltonspektrum der Luftsäule im Rohr ausgeschiedener Rohre machte ich zum Schwingen an und wird so gefiltert meine Hörversuche. Voll Skepsis beob­ harmonisch dargestellt/abgebildet/hör• achteten mich die Lagerarbeiter; sie hat­ bar. Zweierlei geschieht: die Umgebung ten den Klang der Rohre noch nie des Rohrs, Menschen, Maschinen, Natur, wahrgenommen, obwohl sie schon werden durch die Obertonstruktur des mehrere Jahre da arbeiteten. Sie began­ Rohrs gehört - oder umgekehrt, die nen es mir nachzumachen. Auf ihren Obertöne des Rohrklangs werden hör· Gesichtern mischte sich ungläubiges bar gemacht durch den Lärm der Umge­ Staunen mit dem Ausdruck von Freude. bung. Die meisten Menschen, denen ich das In Zeiten intensiver Beschäftigung mit Rohr vorspielte oder die mich darauf dem Rohr hörte ich ihm für viele Stun­ ansprachen, weil sie es auf CD oder im den zu, bis ich schließlich auch in die­ Radio gehört hatten, zeigten sich auf ser Weise hörte, wenn ich ihm nicht eine ganz besondere, sehr persönliche mehr zuhörte. Was hatte sich geändert? Art berührt davon. Einmal stellte ich das Rohr in einem Vortrag an der Tech ni­ Gunter Schneider schen Fakultät der lnnsbrucker Univer­ sität vor. Ein Student fragte: .,Was ist Kunst, wenn einer eine CD veröffent· licht, auf der zu hören ist, was jeder als Wäh rend des musikprotokoll '95 wer­ Kind selber gemacht und gehört hat?" den von einem der im Grazer Congress Ich konnte nicht herausfinden, was er ausgestellten Rohre Live-Aufnahmen hörte. direkt auf CD angefertigt. Diese Einzel­ Das Phänomen bedeutet mir Grundsätz- CDs sind erhältlich.

50 Roman Haubenstock-Ramati Vermutungen über ein dunkles Haus - Freitag, hommage a franz kafka

6. Oktober Zwei Jahre lang arbeitete Roman Hau­ 19.30 UHR. STEFAHIEHSAAL benstock-Ramati an der Kafka-Oper „Amerika", die zumindest auf dem Roman Haubenstock-Ramati musiktheatralischen Sektor sein Haupt­ Vermutungen über ein dunkles Haus - werk darstellt. Nach der Uraufführung hommage a franz kafka 1966 in Berlin nahezu in Vergessenheit für drei Orchester, zwei davon auf einem geraten, wurde die Wiederinszenierung vorher zu produzierenden Tonband des Werkes in Graz 1992 zu einer der 1. Vermutungen über ein dunkles Haus großen Freuden in den letzten Lebens­ 2. Für K jahren des Komponisten. 3. Die Ausweisung Noch vor Vollendung der Oper faßte 1962/63 Haubenstock-Ramati drei geschlossene Instrumentalsätze aus den bereits ferti­ Jose Luis de Delas gen Teilen der Partitur unter dem ntel Textos "Vermutungen über ein dunkles Haus" 1995, UA zusammen. Innerhalb der Oper haben Kompositionsauftrag des musikprotokoll diese drei Sätze ihre genau bestimmte dramaturgische Funktion. Es ist hier (Pause) nicht der Ort, detailliert auf diese Funk­ tionen einzugehen, die man ganz allge­ Wolfram Schurig mein mit Begriffen wie Interpunktion, Schleife Simultan Solo Formgliederung, Kommentar charakteri­ 1995, UA sieren könnte: der Hinweis muß genü• Kompositionsauftrag des ORF gen, daß Ort und Aufgabe dieser Stücke dem Komponisten eine von szenischer Pascal Dusapin Aktion relativ unabhängige Haltung, L'Aven wenn auch nicht vollkommene, so doch für Flöte und Orchester weitgehende musikalische Autonomie 1981, ÖE abverlangen, und darum sollten die „Vermutungen" nach dem Willen des ORF-Symphonieorchester Komponisten unabhängig von der Oper Dirigent: Arturo Tamayo als selbständige Komposition für den Eva Furrer - Flöte Konzertsaal bestehen bleiben. Anton Reininger, Hans Moralt - Ton­ In allen drei Sätzen geht es Hauben­ band-Realisierung (Haubenstock­ stock-Ramati um die mehrdimensionale Ramati) Entwicklung musikalischer Grundgestal­ ten. Die Mehrdimensionalität entsteht in Im Radio: live in Radio Steiermark den Sätzen I und III aus der Konzeption Österreich 1, ZEIT-TON, dreier unterschiedlich im Raum postier­ 18.10.1995, 23.00 Uhr ter Orchester. Diese Anordnung läßt

52 nicht nur drei verschiedene Aspekte Tonband gespielt, werden nach einem desselben musikalischen Materials aufgezeichneten Plan miteinander ver­ gleichzeitig erscheinen, sie beeinflußt knüpft und in variabler Dichte überein• auch die Wechselwirkung zwischen andergeschichtet. Wiederum fallen alle Musik und Publikum: Der Hörer steht Klangverfremdungen fort, doch wird das der Musik nicht gegenüber, er befindet radiophonische Mittel der Montage sich innerhalb des musikalischen genutzt. Aus dem Wechsel der Kombi­ Geschehens. 1958 und 1959 wurden in nationen ergeben sich sowohl Variation Donaueschingen mit den "Gruppen für wie Wiederholung und Mehrdimensio­ drei Orchester" von Karlheinz Stock­ nalität, der genau fixierte Plan läßt for­ hausen, mit "Poesie pour pouvoir" von male Geschlossenheit entstehen. Pierre Boulez, mit „Rimes pour dif­ "Für K" lautet der ntel des zweiten ferentes sources sonores" von Henri Satzes. Diese lapidare Formulierung Pousseur und "Allelujah 11" von Luciano könnte der ganzen Komposition als Berio ähnliche Bestrebungen realisiert. Überschrift dienen, denn sie ist nach Allerdings wird man bei den "Vermu­ des Komponisten Worten eine Huldi­ tungen" nur ein Orchester erblicken. gung an Kafka, eine Hommage, in dem Aus praktischen Gründen hat Hauben­ sich all das verdichtet hat, was Persön• stock-Ramati vorgesehen, daß die Par­ lichkeit und Werk Kafkas in Hauben­ tien zweier Orchester vorher auf Band stock-Ramati an schöpferischen Impul­ aufgenommen und im Konzertsaal über sen auslösten, nicht nur in der Nach­ Lautsprecher - ohne elektroakustische schilderung bestimmter Situationen, Klangmanipulation - abgespielt werden, sondern vor allem an rein musikalischen indessen der dritte Orchesterpart real Ideen. erklingt. Was die ausdrucksmäßige Haltung Josef Häusler anbelangt, so bewegt sich der erste Satz - ein reines Streicherstück - in hin­ tergründiger Geheimnishaftigkeit, der dritte dagegen - Besetzung: Streicher, Blechbläser und Schlagzeug - beruht auf einem von starken Spannungen durchzogenen, schmerzlichen und dra­ matischen Gestus. Die seit Hauben­ stock-Ramatis „Mobile for Shakespeare" (1960) allmählich immer subtiler ent­ wickelten Gestaltungsprinzipien der .. dynamisch-geschlossenen Form" beherrschen alle drei Sätze. Die Ver­ schränkung von Variation und Wieder­ holung, aus der diese Formkonzeption erwächst, wird besonders sinnfällig am zweiten Satz. Er ist im wahrsten Sinne „montiert": 26 Partikel, von Bläsern auf

53 Jose Luis de Deläs Textos

Der ntel „Textos" bezieht sich auf einen Aspekt des Stückes, nämlich auf ver• schiedene Artikulationsformen des musikalischen Diskurses. Es gibt im Stück mehrere Formen von musikali· sehen Texten: Einige haben eine deutli· ehe Sprachähnlichkeit und bilden infolgedessen Lin ien, die man als melo· disch bezeichnen kön nte. Andere dage· gen sind isolierte klangliche Elemente, die sozusagen für sich allein stehen, fast zusammenhangslos, das heißt im Sinne einer „Losigkeit", um den tref· fenden Ausdruck zu gebrauchen, den Elmar Tophoven dem Beckett-Text .,Sans" gegeben hat und den dann Mar· tin Erdmann in einem Band der Musik· Jost Lurs DE DELAS Konzepte benutzte, um über Morton Feldmans Musik zu sprechen. Natürlich ist dies keine spezielle Beson• derheit von „Textos", denn in den mei· sten Stücken Neuer Musik kann man diese Skala zwischen noch sprachähnli· chen Ansätzen und isolierten Erschei· nungen beobachten. In „Textos" aber habe ich dieser Gegensätzlichkeit der Fo rmulierungen eine besondere Auf· merksamkeit gewidmet. Dies ist aber, wie gesagt, nur ein Aspekt dieses Stückes, andere möchte ich hier nicht ausdrücklich erwähnen. Sie zu klären (wobei immer noch irrationale Momente bleiben) kann nur durch eine sehr ein· gehende musikalische Analyse erfolgen.

Jose Luis de Deläs Wolfram Schurig „kollektives" Solo verhalten. Das gilt Schleife Simultan Solo letztlich auch für den ganzen Orche­ sterapparat, wo er als solcher in Die Problematik bei der Wahrnehmung Erscheinung tritt. formal-struktureller Symmetrien inner­ Unterstützt werden diese Eigentümlich• halb zeitlich gebundener Phänomene ist keiten durch ein der lsorhythmik ver­ bekannt. Entsprechend betrifft sie auch wandtes Verfah ren. Arg vereinfacht die akustische Wahrnehmung. Grund­ könnte man sagen, daß alle Instru­ voraussetzung für die Arbeit an diesem mente immer das gleiche isorhythmi­ Fragenkomplex war die Überlegung, daß sche Modell spielen, allerdings in allen klingendes Material a priori bewußtlos nur erdenklichen zeitlichen Dimensio­ bleibt gegenüber dem Versuch, es nen. Durch Stauchungen und Dehnun­ abstrakt über symmetriebildende struk­ gen sowohl im makro- wie im turelle Maßnahmen zu definieren. Die mikrozeitlichen Bereich wird so die Mor­ Aufgabe bestand dementsprechend phologie der Klanggestalten ebenso ge­ WOLFRAM darin, herauszufinden, was alles mitge­ steuert, wie durch die Dissoziation der SCHURIG dacht werden muß, damit der Symme­ trie, über ihre - normalerweise unter der Höroberfläche verharrende - struktur­ und formbildende Funktion hinaus, sinnstiftende, d. h. wahrnehmbare Qua­ litäten zugeschrieben werden können. Dieser prinzipielle Ansatz steuert nicht nur die formalen Strategien und die der Binnenstrukturen, er greift auch radikal in die Phänomenologie des Klanges ein. So sind etwa bestimmte Tonhöhenach• sen so gewählt, daß Spiegelungen zu extremen Verzerrungen in der Lagen­ disposition der Instrumente führen. Dadurch werden einerseits die Regi­ strierungen der Lagen innerhalb der ein­ zelnen Instrumente selber geregelt, andererseits aber die Instrumentierung der Orchestergruppen und schließlich des ganzen tutti-Apparates. Dieser Umstand ist ausgesprochen bedeutsam für das Verständnis der Orchesterkon­ zeption in „Schleife Simultan Solo": Er bewirkt, daß die Spieler innerhalb der Instrumentalgruppen stets als Solisten fungieren, die Aktivitäten der Gruppen selber sich aber auf sehr ähnliche Weise wie die der Instrumentalsolisten wie ein

55 einzelnen Glieder des isorhythmischen der Mitte krebsgängig. Der vierte (letzte) Modells. Das führt im Extremfall dazu, Abschnitt ist zudem zur Gänze um eine daß einzelne Klanggestalten instrumen­ Tonhöhenachse gespiegelt. Die Achsen­ talisiert werden. Das ist wörtlich zu ver­ konst ruktionen der Binnensymmetrien stehen: Sie verhalten sich wie des ersten Teils sind nun so ausgelegt, Instrumente. Es gibt also nicht nur Soli daß ihre Wiederkehr in der zweiten von Instrumenten und Instrumenten­ Hälfte des Stückes im Krebs bzw. in der gruppen (bzw. des ganzen Orchesters), Retrogradinversion einerseits völlig sondern auch solche von morphologisch identisch sein kann, andererseits aber charakteristischen Klangelementen. sich völlig verändert präsentiert. Zudem Zur Erfassung der formalen Konzeption werden selbständige Schichten (Strei­ mag ein Vergleich hilfreich sein: Jeder che r, manche Aktionen im Schlagzeug), kennt den Möbiusstreifen - ein Band, die zunächst als Referenzebenen zum dessen Enden seitenverkehrt zu einer Hauptstrang des musikalischen Gesche­ Schleife zusammengefügt sind. Die sym­ hens fungieren, im Verlauf der ersten metrische Anlage von „Schleife Simul­ Hälfte dermaßen von diesem absorbiert, tan Solo" ist der absurden Situation daß sie in der Folge im zweiten Teil völ­ ähnlich, trotz augenscheinlichen Vor­ lig verschwinden. So entsteht, trotz handenseins zweier Ebenen, sich end­ rigoroser spiegelbildlicher Wiederho­ los auf der immer gleichen fo rt­ lung, dennoch eine Form, deren cha­ zubewegen. Man betritt also immer wie­ rakteristischer Duktus vielmehr durch der die gleichen Stellen, obwohl man eine eigentümliche Form linearen Fort­ sich nur in eine Richtung auf dieser schreitens geprägt ist. einen Ebene bewegt. Das Stück ist um seine Mittelachse gespiegelt, also ab Wolfra•;1 5churig

ARTURO TAMAYO

56 Pascal Ousapin L'Aven

Ein Zitat zum Stück: „Das Wort 'Aven' bezeichnet eine tiefe brunnenähnliche Aushöhlung, verur­ sacht durch eindringendes Wasser."

Ein Zitat für den Flötisten (laut Partitur): „Gib acht auf die Töne und die Töne werden auf sich selbst achtgeben." (Lewis Carol!)

A propos Zitate: „Wiewohl es vollkommen determiniert

ist und dergleichen Dimensionen auf­ PASCAL weist, hat es keine anderen Determina­ OUSAPIN tionen als seine formalen Eigentümlichkeiten, äquidistante Schei­ telpunkte und Zentrum, keine anderen Inhalte oder Inhaber als die vier glei­ chen Personen, die es ständig durch­ laufen. Es ist irgendein geschlossener, global definierter Raum." (Gilles Deleuze, zu „ L'Aven" ausgewählt vom Komponisten)

(ä propos de QUAD de Samuel Beckett .. .) EVA fURRER

57 Fred Frith Freitag, Trouble With Troffic .,ls it high? 6. Oktober ls it low? ... 21.00 UHR, KAMMER M USIKSAAL Are there two? Are there more than two? ls it a piano? Why isn't it? ... ls it a noise? ls it music? ... When will it stop? What's coming? ls it time?"

from „Silence" by John Cage

Es gibt eine beobachtbare Zurückhal• tung, das Wort „Improvisation" zu ver­ wenden. Das mag an dem verbreiteten Urteil liegen, Improvisation geschehe ohne Vorbereitung und ohne Überle• gung, ei ne völlig ad hoc durchgeführte Aktivität, unbedacht und inkonsequent, ohne Gestaltung und Methode. Manche wehren sich gegen diese Zuschreibun­ gen, weil sie aus eigener Erfahrung wis­ sen, daß sie falsch sind. Sie wissen, daß es keine musikalische Aktivität gibt, die größere Geschicklichkeit und Hin­ gebung verlangt, mehr Vorbereitung, Training und Der-Sache-VerpHichtet-Sein.

FRED FRITH aus: ,,Improvisation" von Derek Bailey

... abgesehen von jenem Moment der Fred Frith Entscheidung, wann zu werfen ist, und Trouble With Tro{fic abgesehen von der Zusammensetzung 1995, UA und Auswahl der Farbe, und abgesehen von der Auswahl jenes Teils des Gemäl• Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, des, auf den es zu werfen gilt, ist auch 24.10.1995, 23.00 Uhr Winkel und Stärke des Wurfs zu berück-

58 sichtigen, was offensichtlicherweise sehr von der Übung abhängt und davon, eine Menge zu wissen von Dingen, die passieren, wenn Farbe in einer bestimmten Geschwindigkeit und einem bestimmten Winkel geworfen wird.

David Sylvester, »Interviews with Fran­ cis Bacon"

"When I feel like dyin' the sun come out Stole my fear'n gone Who's afraid of the spirit with the blues­ ferbones Who's afraid of the fallin' ditch"

Don van Vliet (from "Fallin' Ditch")

Fred Frith

59 Rebecca Saunders Freitag, CRIMSON. Molly's Song 1

6. Oktober Angeregt wurde das Stück durch den 22 . 00 UHR , SA A L STEIERMARK Schlußmonolog der Molly Bloom in James Joyce's „ Ulysses", der mit unun­ terbrochen aufregender Intensität über 35 Seiten dahinfließt: ..... and the sea the sea crimson some­ times like fire ... " Durch verschiedenfarbige Perspektiven einzelner Töne versuche ich, die Palette der Klangfarben von el f Solisten mit­ einander zu verschmelzen und dadurch eine intensiv-wütende lyrische Energie aus Stille zu modellieren. REBECCA Ich wollte von Beginn des Komponie­ 5AUNDERS rens an mit Farben umgehen und auch mit dem Schatten von Klangfarben; Schatten, die für mich die Stille sind. Rebecca Saunders Die Stille ist nicht stumm und wenn CR/MSON. Molly's Song 1 für 12 Solisten, mechanische Metro­ plötzlich drei Takte Stille sind und vor­ nome, Pfeifen, Spieldose und Dirigent her was und danach was, ist diese Stille 1995, UA voll mit Erwartung oder Geräusch, Reso­ Kompositionsauftrag des musikprotokoll nanz. Die Stille hat auch eine Farbe, eine Art von Spannung, an der ich Stefano Gervasoni arbeiten will. Concerto pour Alto Auf der Suche nach neuen Möglichkei• für Viola und 14 Spieler ten von musikalischem Ausdruck und 1 Auszählreim Artikulation beschäftige ich mich nun II Märchen III Lied damit, mehr-dimensionale Perspektiven IV Capriccio der Farbe eines Tons zu zeichnen. Ich V Abschied erforsche die Farbe der Schatten von 1994/95, ÖE Tönen, indem ich für jedes Instrument und für jede Instrumentengruppe Palet­ ten von Klangfarben erfinde. Und ich Klangforum Wien suche nach direkter und sehr intensiver Dirigent: Johannes Kalitzke Musik. Das führt mich zu reduzierten, Genevieve Stro sser · Viola skelettartigen Texturen hoher Spannung, geprägt von vielfach aufgefächerten Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, 23.00 Uh r, 25 .10.1995 Klängen. (Saunders), 29.11.1995 (Ger­ Ich möchte die verschiedenen Rollen vasoni) von Schatten und Stille erforschen, um

60 verschiedenste Paletten von musikali- Stefano Gervasoni scher Farbe und Energie zu erschaffen. Concerto pour Alto Eine tickende Metronomhorde oder die Melodie einer kleinen Spieldose erge- Was die Kompositionen Stefano Gerva- ben den Hintergrund zu dieser „puren" sonis kennzeichnet, ist einerseits die Stille. Das ermöglicht mir, mit der Arti- genaue Beachtung der klanglichen kulation einer noch direkteren Musik als Gegebenheiten - die bei ihm aus einer in früheren Stücken zu experimentieren Vertrautheit mit den avantgardistischen und soll auch dazu dienen, die Rolle der Ästhetiken herrührt - und andererseits Stille weiter zu intensivieren. die beständige Suche nach einem Sinn, Während ich weiterhin den schmalen der dem sensiblen musikalischen Mate- Grat zwischen „Geräusch" und „Musik" rial qualitativen Wert verleihen könnte. erforschen will, tendieren die neueren Dies führt ihn dazu, die verborgensten Werke vermehrt zu quasi-theatralischen klanglichen Möglichkeiten der beteilig­ Elementen. ten Instrumente und deren Ausdrucks­ GENEVltVE elemente auszuloten. Auch geringste, 5TROSSER Rebecca Saunders

61 unbedeutend scheinende Begebenhei­ ten werden bei Gervasoni Quelle viel­ fältiger Reize. Seine poetische Sprache weist rohe und schwülstige Gesten von sich, und sein Komponieren befindet sich an der Grenze zum Verzicht auf Unm ittelbarkeit. Der „Blick" des Kom­ ponisten ist, obwohl immer scharf ana­ lytisch, nicht zielgerichtet, sondern divergent, nicht geradeaus gerichtet, sondern schräg. Das „Concerto pour Alte" - das hier in einer erweiterten und völlig überarbei• teten Version im Vergleich zur Pariser Erstaufführung des Jahres 1994 präsen•

5TEFANO GERVASONI tiert wird - gibt eine gewollt einfache, ja fast knappe Schreibart vor, in der die - allerdings äußerst unterschiedlichen - Gesten auf das Wesentliche reduziert sind; die klangliche Atmosphäre erscheint auf diese Weise zugleich mit Einfachheit und Rätselhaftigkeit ausge­ stattet. Die Viola, das vielleicht scham­ hafteste und am meisten introvertierte Instrument des Orchesters, wird dank einer genauen und detaillierten Kom­ positionsweise in seinen virtuosen Mög• lichkeiten unterstützt, welche sich im letzten Winkel eines Atemzugs verber­ gen können oder in der äußersten Raf­ finesse der Figurationen. Der Dialog mit dem Ensemble - und speziell mit der zweiten Bratsche - besteht aus impli­ zierten Verweisen, aus zarten Steige­ rungen mikrothematischer und klangfarblicher Natur, wo die Wiederho­ lung eine wichtige Rolle für den zeitli­ chen Zusammenhalt spielt. Der Ausgangskern des extrem reduzierten Materials besteht aus der Note g, wel­ che zum Gravitationszentrum für die äußerst heterogenen Elemente wird.

Carlo Migliaccio

62 Klammer&Gründler Duo Freitag, neues Programm Das „neue Programm" des Klam• 6. Oktober mer&Gründler Duo ist eine strukturierte Improvisation für Schlagwerk, Gitarre, 23.00 UHR, KAHHERHUSIKSAAL Live-Electronics und 4-Kanalanlage. Klammer&Gründler betrachten sowohl die von ihnen selbst erzeugten Klänge/Geräusche als auch die sie umgebenden Schallquellen/Geräuscher• zeuger als Ressource, aus der das aktu• eile elektroakustische Ereignis zur Konzertzeit herausgeschält wird. Gitarre und Schlagwerk werden als musikali· sehe Erinnerung mitgeführt, demge· genüber der Ge· und Mißbrauch von allerlei digitalem Zeugs die virtuell-elek· Ironische Komponente repräsentiert. Allzuoft wird vergessen, daß es nicht um das Produzieren von perfekten KLAMMLER& Oberflächen, sondern um Begreifen von GRÜNDLER Bedeutungen geht. Duo Klammer&Gründler Duo Der Mangel an geeigneten öffentlichen neues Programm Interfaces und die reine Freude am 1995, UA sozialen Ereignis des Zusammenkom­ Kompositionsauftrag des musikprotokoll mens und Musizierens bringt sie dazu, ihre Ergebnisse mittels bewegter Luft Seit 1983. Strukturiert - improvisiert - (sogenannten Konzerten oder Tonträ· elektr. akustische Musik. Konzerte in gern) zugänglich zu machen. Manche Europa und den USA. nennen es Musik, ein spannender Wech· sei von kalkulierten Sound-Tüfteleien Seppo Gründler: (midi)guitar, low­ mit der improvisatorischen Dynamik budget midi and abseits ausgefahrener Jazz-Rock-Kli· signal processing schees. (sampler/synthesizer, computer, machines) Klammer&Gründler Duo Josef Klammer: (midi)drums, alternative midi· controllers (samp· ler/effects)

Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, 17.10.1995, 23.00 Uhr

64 Robert Ashley Samstag, lmprovement (Don Leaves Linda) Erzählt wird die Geschichte von Linda, 7. Oktober die von Don verlassen wird, auf ihrem 19.30 UHR, STEFANIENSAAL Weg zum Aughafen mit der Unwichtigen Familie fährt und sich am Kartenschal­ ter der Fluggesellschaft einer Reihe von Fragen stellen muß, ehe sie ihr Augzeug besteigen kann. Auf dem Flug trifft sie Mr. Payne, der sie und ihren Sohn Junior, Jr. zu sich nach Hause einlädt. Im weiteren Verlauf findet sich Linda in der großen Stadt, trifft dort auf unter­ schiedliche Ereignisse und Menschen. Die Erzählung endet beim Bridgespiel mit Freunden, während dessen sie einen Robert Ashley Brief ihres Sohnes vorliest und sich an lmprovement (Don Leaves Linda) die Höhepunkte ihres Lebens erinnert. Eine aus einem Quartett kurzer Opern Mit dieser aus dem Alltag gegriffenen Musik und Libretto von Robert Ashley Geschichte des Lebensweges einer Frau 1984/89/91, ÖE ' nach einer Trennung übersetzt Ashley in "lmprovement" bildhaft die Geschichte Sänger: der Vertreibung der Juden aus Spanien Linda Jacqueline 1492 (ein Datum, das auch für die Humbert Geschichte Amerikas von Bedeutung Don - Mr. Payne - Linda's Companion ist), den Weg des jüdischen Denkens Thomas Buckner über Europa in die Neue Welt in die Junior, Jr. Sam Ashley Form eines amerikanischen Roadmovie. Now Eleanor Joan La Barbara Die Allegorie soll die Geschichte jüdi• The Doctor Marghreta Cor- schen Denkens, Bewußtseins, wie es in dero die amerikanische Gesellschaft ein­ Mr. Payne's Mother Amy X Neuburg gegangen ist und sich mit anderen The Narrator Robert Ashley Strömungen verbunden hat, versinn­ bildlichen. Abmischung und Elektronik: Tom Hamilton Kostüme: Jacqueline Die Rollen und ihre Allegorien in Humbert .,lmprovement (Don Leaves Linda)": Tontechnik: Cas Boumans Linda Die Juden Produktion: Mimi Johnson Don Das Spanische Eleanor Amerika Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, Junior, Jr. Die Nachkommen 12.10.1995, 23.00 Uhr (von Juden und

66 Nicht-Juden, also Süd Campo dei fiori z.B. wir) (Geschichte) Mr. George Payne West Atlantis „as far back Giordano Bruno as you can go (at Mr. Payne's mother least, on this system) Die römisch­ katholische Kirche Steptanzen Die Kunst der .,Die Anekdote erscheint mir ein cha­ Erinnerung rakteristisches Element amerikanischer Das Auto mit dem Klappsitz Kultur zu sein. Mit Erzählformen wie die­ Integrierte ser leisten die Amerikaner ihre Erinne­ Philosophie rungsarbeit. In „ lmprovement" spielt linkshändig Golfspielen darüberhinaus noch die Befragung, das Kosmologie (Brunos) Verhör eine entscheidende Rolle. Insge­ Der Erzähler Allwissenheit samt ist die Erzählung in „lmprove­ Der Schalter der Fluglinie ment" so strukturiert, daß man erst in Die Inquisition der 19. Szene, als Linda den Brief ihres Der Text über zusammenhänge Sohnes vorliest, tatsächlich in der Forschung Gegenwart anlangt. Alles Vorangegan­ Die Unwichtige Familie gene entpuppt sich dann als Erinne­ Das Star-Zimmer rung. Der Text über Gleichgültigkeit Ein entscheidendes aufführungsprakti­ Affirmation sches Element in „lmprovement" ist die Wieder zu Hause Arbeit mit voraufgenommener Musik. Einiges widerrufen Was in Pop und anderen Genres üblich Ein Augenblick (sehr spät) ist, wird in „lmprovement" zeitweise zur Exil künstlerischen Irritation eingesetzt: das Die Großstadt Assimilation live-Singen zum vorproduzierten Band. ROBERT Der Analytiker Analyse (Marxismus, Die kleinsten Phasenverschiebungen AsHLEY etc.) Das gute Leben Kunst Schwierigkeiten Politik Ein Besitz am Land Israel Glück, Wohlstand Amerika 1952 Das Büro Das Idealbild eines historischen Zufluchtsortes (Holland) Das Bridge-Spiel Selbstbildnis Nord Berlin (Stil) Ost River Rouge (Die Bewegung)

67 zeitigen dann räumliche Wirkungen. Die lmprovement (Don leaves linda) Adaption der jeweiligen Aufführung an den Konzertsaal erfolgt über die feine (Zusammenfassung/ Kurzfassung/Aus­ Abstimmung dieser zeitlich minimalen züge aus dem Libretto) Veränderungen." (R. A.) Als eine Art Passacaglia folgt das Werk t. Akt über die vierundzwanzig Szenen hinweg einem 24-tönigem Motiv. Tonvorrat und Präludium Tonfolgen sind daraus abgeleitet. Für Die Argumentation die interpretatorisch/kompositorische (Der Erzähler) Umsetzung des Librettos gilt ein strenger Formelkanon basierend auf Um fortzufahren, Zeilenlänge und Silbenanzahl. Der Kom­ Muß ich eine Idee erläutern, position liegen mehrere solche, ein­ Die ich nicht in Musik ander überlagernde formale Gerüste Ausdrücken kann ... zugrunde. Was als schwebend dekla­ Now Eleanor~s ldea mierte, leichtfüßige Musik erklingt, ist Als ob in einem Lichtblitz zugleich errechnete Struktur. "Of course Das Geschenk von Bildern l'am a serialist", sagte Robert Ashley 0m Gegensatz zum mosaischen Bilder­ einmal in Anspielung auf die jüngere verbot) Musikgeschichte, "What eise would 1 Als eine radikale Form des Judentums do?" erschiene, Die - ohne anerkannt zu sein • Auf uns gekommen ist, so wie auch Protestantismus, Die Modeme, Die Wissenschaft Und das Theater in der Form, in der wir es kennen, Auf uns gekommen sind. Ihre Ideen machen Zumindest ihr selbst klar, wie Alle diese Dinge zusammengehören Und wie Unterschiede verschwinden. Aus Gründen der Argumentation ist Don das Spanien im Jahr 1492 Und Linda ist die Juden.

1. Szene Sonnenuntergang an einer Autobahn­ raststätte (Chor)

Don verläßt linda.

68 Zwei Menschen vor dem Horizont. Irgendwo im Südwesten der USA. Das Eis schmilzt in der Thermoskanne. Welch schöne Weise, eine Geschichte zu beginnen. Etwas entfernt klickt eine Kamera. Ein Hund bellt. Auf der linken der beiden Türen steht 'Damen'. Er geht zum Auto. Im Radio geht ein Lied zu Ende. Er fährt weg. Er kommt zum Flughafen. wann sind sie beendet, und deswegen JACQUELINE 2 . Szene bleiben sie uns ein Rätsel. Zwischen HUMBERT Am Schalter der Fluglinie den Pyramiden aber gibt es präzise (Don /alias Carlos) Übereinstimmungen und zusammen­ hänge. Und die sind viel komplexer, als Das Flugticket ist für zwei Personen daß ein Konzept der „Unterwürfigkeit" ausgestellt. (. ..) Der Mietautovertrag sie erklären könnte. Do you know what auch. Er hat auch ihr Gepäck. Er I mean? bestätigt, sie wegen einer anderen Frau Naja, ungefähr. verlassen zu haben. Das Flugticket wird schließlich als gültig anerkannt. Er fliegt 4. Szene allein. Die Fahrt in die Stadt (Die Unwichtige Familie) 3. Szene Der Text über zusammenhänge Eine Familie bietet Linda an, sie im Auto (Don und Chor) in die Stadt mitzunehmen. Linda akzep­ tiert. Don denkt nach. Wie ist in einer kom­ Go for it, Linda. Good Luck. plizierten Welt eine Übereinstimmung Der Familienvater spricht ohne Unterlaß. von Zweck und Handlung zu erreichen , Mein Name ist Unwichtig und wir sind wenn nicht durch Unterwürfigkeit. (. ..) die Unwichtige Familie. Sie scheinen Wir haben eine besondere Sichtweise allein zu sein, ein Opfer der Umstände der Welt. Straßen, zum Beispiel, ver• · selbstverursacht oder nicht, Ansichts· stehen wir. Sie erscheinen uns als eine sache. Sie wurden offensichtlich verlas­ verständliche Übereinstimmung von sen? Passiert ständig, besonders an Zwecken, weil sie, so wie ich das sehe, dieser Stelle. Perfekter Ort dafür: Wüste, keinen Zeitrahmen haben. Wann begin­ keine Telefonzellen, das kosmische nen sie und wann enden sie ... ? (... ) Die Gefühl einer einzigartigen Beziehung zu Pyramiden dieser Welt - von Ur über Gott, das Gefühl, von den Dingen die­ Ägypten zum World Trade Center - hin­ ser Welt losgelöst zu sein. Wir kommen gegen haben einen Zeitrahmen, irgend- oft hierher. (. .. ) Meine Frau kümmert

69 sich um das Picknick und ich putze den lektuelle Degeneration gar nicht statt­ Kombi. Das ist unser leben. Sie glau­ finden, ohne sich in der äußeren ben mir nicht, daß hier ständig jemand Erscheinung bemerkbar zu machen. von jemandem verlassen wird? Sie sind Man hätte mein Flugticket niemals von der Einzigartigkeit Ihres Schicksals akzeptiert, sähe ich aus wie eine Bett­ überzeugt? Lassen Sie sich sagen, sie lerin oder eine Verrückte. Die Ironie hin­ täuschen sich. Die Fahrt am Klappsitz ter diesem bedrohlichen Aspekt von ist unbequem, ich weiß. Sogar die Gleichgültigkeit kann hier nicht weiter Landschaft sieht abgenutzt aus. Nicht ausgefilhrt werden. (. .•) die Straße, sondern die Landschaft Ich vertrieb meinen Mann mit meiner meine ich, und die Gefilhle, die sie aus­ Zufriedenheit und meiner Gleichgültig• löst. So viele fühlten hier schon das­ keit. Irgendwann in der Vergangenheit selbe. Jetzt sind wir endlich am haben wir beide die Grenze tolerierba­ Flughafen. Viel Glück mit Ihrem Flug­ rer gegenseitiger Ähnlichkeit über• ticket. Wir wären Ihnen gerne behilflich, schritten. früher war die Beziehung aber vermutlich würde das alles noch mysteriös und exotisch gewesen. Er schlimmer machen. hatte seine eigene Sprache. Aber er wurde mir ähnlicher, weil ich eine Frau 5. Szene bin, so wie ich ihm ähnlicher wurde, Am Schalter der Fluglinie weil er ein Mann ist. Wir alle, glaube (linda /alias Carla) ich, mögen Imitationen unsererselbst nicht. Die Trennung wuchs in uns. Ich Das Flugticket ist für zwei Personen vertrieb ihn, um die Welt wieder wahr­ ausgestellt. (... ) Sie hat kein Gepäck. zunehmen. Das Mietauto ist schon zurückgegeben worden. Sie bestätigt, wegen einer 7. Szene anderen Frau von ihrem Mann verlassen Wieder zu Hause gibt sie sich für jeman­ worden zu sein. Das Flugticket wird den anderen aus. schließlich als gültig anerkannt. Sie (linda und Chor) fliegt allein. (Linda am Telephon) 6. Szene Hello. Der Text über Gleichgültigkeit No. (linda) I mean, no, irs not she. No. Allen erscheine ich zufrieden und gleich· No. gültig. In der Tat bin ich zufrieden, weil Wrong again. mir gleichgültig ist, wie ich erscheine. No. Ich bin wohlgenährt und gut gekleidet. She hasn ~t been at this number in some (. ..) Die Erscheinung verrät aber nichts time. - wenn Sie mir gestatten, das Wort zu No. verwenden - über mein spirituelles oder I wish I could help you. intellektuelles Befinden. Unserer Erfah­ Man erzählt ihr, Don mit Eleanor ge­ rung nach kann spirituelle oder intel- sehen zu haben.

70 Hello. - so wie den Geldbörseninhalt - den No. Inhalt eines Gefäßes gemerkt hätte, das Weil, ••. alle Erfahrung beinhaltet. (... ) Das Flug­ Yes. zeug landet. Nach einem anständigen Really. Zeitraum - of days, of weeks, of No. months, whatever- treffen sie einander I can't say rm exadly surprised. wieder und pfeifen auf Vorwände. Sie No. gehen aus am Sonntagnachmittag. Da Of course. spielt Mr. Payne üblicherweise Golf. Er Yes. möchte, daß Linda auch Golf spielt. Sie Goodbye. könnten heiraten und jeden Sonntag­ nachmittag miteinander verbringen. 8. Szene Linda begreift: Der Golfplatz, der Geld­ Schließlich freundet sie sich mit börseninhalt, Erinnerungssysteme, Mr. Payne an, einem Italiener, der Step­ unterwegs am Klappsitz mit dem Auto tänzer ist. der Unwichtigen Familie: Alles hatte ein (Mr. Payne, Linda und Chor} gemeinsames Muster, und das Muster zu kennen, bedeutet, alles zu kennen; Nein, George: meine Mutter, deine Mut­ in jedem Moment der sich ständig ver­ ter und Geburtenkontrolle. Das sind drei ändernden Welt. (•.. ) Mr. Payne lädt Gründe, nicht zu heiraten. Mr. Payne Linda und ihren Sohn Junior, Jr. zum zählt noch viele Gründe auf, dennoch zu Abendessen bei seiner Mutter ein. heiraten. (... } Doch Linda lehnt ab. LINDA SEES THE 10. Szene CONTENTS OF HER PURSE Abendessen bei Mr. Paynes Mutter IN RETROSPECT (Mr. Paynes Mutter, Linda und Chor) 9. Szene Der Inhalt ihrer Geldbörse (••. ) Mr. Paynes Mutter erzählt - nach (Linda, Mr. Payne und· Chor} wiederholtem Fragen von Linda - über Eigenheiten und Gepflogenheiten einer (.•. } Linda erinnert sich: Den Tränen aus Italien - by the southem route - in nahe läßt sie am Fluglinienschalter ihre die USA gekommenen Familie: der Geldbörse fallen. All ihre Habe liegt ver­ Klang von Familiennamen, das Essen streut am Boden. Der ihr noch unbe­ von Nudeln. Drei Stunden sind so unge­ kannte Mr. Payne hilft ihr. Alles, was bis fähr das längste, das irgendeiner von zu diesem Augenblick in meinem Leben uns vorausblicken kann. Daher ist es schief gegangen war, verschwand. Wie möglich, sich auszurechnen, wieviele sie später erkennt, merkt er sich präzise Kalorien man während der nächsten den ganzen Inhalt ihrer Geldbörse. Erin­ drei Stunden verbrauchen wird, und, da nerungssysteme. (... } Im Flugzeug reden die Nudeln eine sehr konstante Maßein• sie über so gut wie alles. Linda wech­ heit bieten - ungefähr 300 Kalorien pro selt schnell die Themen. Er scheint über Portion, mit Sauce -, ißt man nicht mehr alles Bescheid zu wissen. Als ob er sich als notwendig. Die Wichtigkeit von

71 Nudeln ist die Wichtigkeit von Stan­ linda ist nicht eigentlich älter gewor­ dards.(. ..) den, aber sichtlich verändert. Mit wem STELLEN SIE SICH NUN JUNIOR, JR. VOR, sie spricht, sieht man nicht. Sie spricht JAHRE SPÄTER, ALS SOEBEN IN PEN­ sanft, aber mit Nachdruck. Wir sehen SION GEGANGENEN PRÄSIDENTEN zu. Und die anderen sehen zu. Sie fühlt EINER RIESIGEN FIRMA. ER ERINNERT sich offensichtlicherweise unverstanden. SICH AN FRÜHER. (... ) (Hinter ihr im Gang; vier, filnf Leute; das heimliche, aber spürbare Vergnügen

11. Szene an Alkohol; sie bemerken lindas Er versucht, Junior, Jr. beizubringen, Unglück; sie winken ihr, mitzukommen.) linkshändig Golf zu spielen. 0, wie wenig wir verstehen. Oh, how we Ounior, Jr., Mr. Payne und Chor) misunderstand.

Ich liebte zweifärbige Schuhe. Ende des ersten Aktes Ich liebte die Golftasche. Ich liebte die Namen; 2. Akt die Vorstellung, ganze Clubs für besondere Anlässe zu kultivieren 13. Szene bis zu genau jenem Augenblick, Die Großstadt (Aber nur wie im Traum) an dem sie benötigt werden. (Now Eleanor und Chor) Ich liebte das alles, aber ... DAS IST DIE TRAUER: DIESER VER­ DIESER AKT HANDELT, GROB GESPRO­ STECKTE KLANG VON UNGEDULD IN CHEN, VON - ÄH • DER ÖFFENTLICHEN SEINER STIMME MEINUNG. ABER, SELBSTVERSTÄND­ (. ) .. LICH, NUR WIE IM TRAUM. Damals: überall Tänzer jeden Tag, Linda zieht in die Großstadt. Im Radio Alibi-Kinder, Mütter aus zweiter Hand, läuft ständig ein bestimmtes Lied. linda außer am Wochenende. Samstag-Markt. verabscheut dessen Moral, aber Irgend­ Wilde Blumen. Angst vor Pilzen. etwas an diesem Lied trifft auf sie zu: Fremde Dinge. Von den Bauern: Ober Wanderung und Veränderung. Und Zwiebel für die verheiratete Schwester. etwas über Ironie, Sprache und Gier. 0 GEORGE, DAS WÄR NICHT NOTWEN­ (Tarzan-Song) DIG GEWESEN Here come Tarzan. Dann, am Sonntag, linkshändig Golf­ Look at that suntan. spielen. He's a big swinger. Der Golfclub. Geschäftsleute. Aktien. He got a wife an - Das land braucht nicht so viele Tänzer. Her name Jane an - Rechtshändig Golfspielen. She's a humdinger. They got a son an - 12. Szene He name Boy an' Ein Augenblick (sehr spät) in einem He's a gunslinger durchgehend geöffneten Imbiß livin' in a tree an' (Der Erzähler, Linda und Chor) Hopin - to be a

72 Rock and roll singer Tarzan regard as HANGIN'AROUND W/TH THE APES All A social Corrective. DAY HANGIN'AROUND WITH THE APES All WHAT A WAY TO RA/SE A FA-MO-LY. DAY One day here come WHAT A WAY TO RA/SE A FA-MO-l Y. lnto that jungle like all the rest of us, A movie director. Tarzan and Jane sometime He see Tarzan Fee/ sentimental. Doin' his thing an' The pool is cool but He quite affected. The flow is slow an' He say Tarzan The drain's temperamental. Have a cigar, man. The neighbours are animals, You been selected. Strange in their ways, You represent that Whose troubles are mental. One element that Oh, bring it back, please, Can 't be corrected. The house in the trees an' HANG/N'AROUND WITH THE APES All The breeze sweet and gentle. DAY HANGJN'AROUND W/TH THE APES All WHAT A WAY TO RA/SE A FA-MO-l Y. DAY Tarzan and Jane sign WHAT A WA Y TO RA/SE A FA-MO•l Y. Up with the man for Some compensation. Das Lied berührt jeden in der Stadt. lock up the hut an' Wenn es nicht einmal in der Welt­ Wash up the boy an' hauptstadt des Kapitalismus gut ist, wo leave from the station. sonst? Doch die Berühmten sterben wei­ Takin' their thing to terhin an Enttäuschung. Die sehr Armen The world capital of sterben weiterhin an Hunger. Die Uner­ Civifization. kannten sterben weiterhin an Ehrgeiz. Hopin'to achieve, if Die Party geht weiter. Man tauscht You can befieve self- Träume mit Fremden aus. Reafization. HANGIN'AROUND W/TH THE APES All DAY 14. Szene WHAT A WAY TO RA/SE A FA-MO-l Y. Der Doktor/Analytiker (Alles auf einmal) Now Boy doin' Fine. (Linda und der Analytiker) Got a thing goin '. He gone electric. Letzte Nacht träumte ich, daß - Tarzan and Jane, man, (Einen Augenblick, bitte.) They got a thing that's Entschuldigung. letzte Nacht träumte Very se/ective. ich, daß - und ich wußte, daß das ein lotta Fine clothes an' für mich ganz gewöhnlicher Traum Three or four cars an' ist -, aß ich auf einer schönen Wiese A private detective. stand. Die Wiese schien sich endlos To guard all the things that über die Hügel zu ziehen, bedeckt mit

73 Frühsommerblumen. Die Sonne schien. (Die Sprache dieser Beschreibung ist (Einen Augenblick, bitte.) voll böser Vorahnung.) Entschuldigung. Die Sonne schien. Ich Ich weiß nicht, wie ich die Gechichte war allein und zufrieden. Ein rarer sonst erzählen sollte, ohne darauf zu Moment. Und keine bösen Vorahnun­ verzichten, die Gleichzeitigkeit von gen. Überraschung und Selbstverständlich• (Der Traum hatte schon mit bösen Vor­ keit zu vermitteln. ahnungen begonnen: Vorweg anzuneh­ (Das Bild dieses Traums beinhaltet böse men, der Traum sei gewöhnlich, ist eine Vorahnung in seiner Struktur.) Form von bösen Vorahnungen.) Entschuldigung. Jemand aus dem Flug­ Entschuldigung. Es gab keine bösen zeug rief meinen Namen. Ich konnte es Vorahnungen. Sollte ich diesen Eindruck so klar verstehen, als hätte sich der vermittelt haben, war das ein Fehler. Es Rufer in ein paar Meter Entfernung gab keine bösen Vorahnungen. Das war befunden. Aber im Klang der Stimme ja das Besondere: Im Gegensatz zu den war doch die Entfernung deutlich spür• meisten Situationen in meinem leben, bar. kam dieser Traum ohne böse Vorah­ (Einen Augenblick, bitte.) nungen auf mich zu. Entschuldigung. Die Diskrepanz war (Einen Augenblick, bitte.) groß zwischen dem Klang des Rufes Entschuldigung. Schwierig zu erklären und jenem Klang, den ich aus so großer ist, daß mir die Ereignisse im Traum so Entfernung erwartet hätte, insbeson­ selbstverständlich erschienen und ich ders, da das Motorengeräusch so natür• gleichzeitig von ihnen überrascht wurde. lich klang. (Einen Augenblick, bitte.) (Eine Frau ist beunruhigt, weil das Bild Entschuldigung. Die riesige Wiese war des Traums sich unterscheidet von den zugleich der Vorgarten meines Hauses. Bildern ihrer Erfahrung.) Ich weiß nicht, warum mir das klar war, Entschuldigung. Der Traum machte mich aber ich erinnere mich an ein deutliches glücklich, weil alles gleichzeitig so über• Gefühl der Identität. raschend und selbstverständlich war. (Es ist die Sprache, an der man die (Einen Augenblick, bitte.) bösen Vorahnungen erkennt, seien sie Entschuldigung. Ich bin schon fertig. bewußt oder unbewußt. Die Form der Das wars. Ich stand auf einer Wiese, die Sprache der Erzählung beschreibt ein irgendeine fühlbare Bedeutung hatte. In Bild mit zwei Identitäten. Die Erinnerung großer Höhe flog ein Propellerf/ugzeug. an den Traum versöhnt die beiden wie­ Eine Stimme aus dem Flugzeug rief mei­ der.) nen Namen. Es war alles ganz deutlich. Entschuldigung. Ich stand auf der Wiese, als ein altes Propellerflugzeug in (Der Doktor) großer Höhe darüberflog. Es war so Das Geschenk von Bildern (im Gegen­ hoch oben, daß ich es kaum sehen satz zum mosaischen Bilderverbot) konnte, aber zugleich konnte ich den ersetzt als spirituelle Tätigkeit den Klang des Propellermotors deutlich Wunsch, eine eigene Vision zu finden, hören. Der Eindruck von Entfernung war einen Weg der Wahrheit. Das Geschenk sehr deutlich. von Bildern kategorisiert menschliche

74 Tätigkeit und bietet die Summe dieser strukturell zu ändern -, also nicht inten­ Kategorien dann als Summe von Mög• siver als dieses Gefühl, aber ebenso lichkeiten und Alternativen an, von intensiv, nun aber ohne die Behinde­ denen jede gleich gut und gleich wert­ rung durch Bilder. Ich denke, das ist voll sein muß, sonst bricht dieses dann pure Glückseligkeit. Gefühl ohne System der Kategorien zusammen. So Bild. wie die Modeme, die Wissenschaft und Der größte Prophet, Moses, der erste Theater in der Form, in der wir es ken­ Jude, an den wir uns erinnern, hielt nen, sind das Geschenk von Bildern nicht viel von Bi/dem. Er hielt jeden Ver­ und der Protestantismus - Hand in such, die Welt in der Vorstellung durch Hand - egalitär, demokratisch und kom­ Bilder zu beleben, um der Welt Sinn zu munistisch. Das Geschenk von Bildern geben, für einen Fehler. hat sich in unserer Zeit im Judentum zu Wieder direkt zu Linda: Remember who einem säkularen Korrektiv zu Mystizis­ you are. And don 't give up. Schlußend• mus und Individualismus entwickelt. lich finden Sie die pure Glückseligkeit. Das Geschenk von Bildern ist die Säku• Die Bilder werden verschwinden. larisierung des Judentums, wie der Pro­ DANKE, DOKTOR. NICHT SONDERLICH testantismus die Säkularisierung des GUT AUSGEDRÜCKT, ABER IMMERHIN. Christentums, die Modeme die Säkula• risierung des Geschmacks, die Wissen­ 15. Szene schaft die Säkularisierung der Das gute Leben Erinnerung, und Theater in der Form, in (Linda und ihr Begleiter, mit Now der wir es kennen, die Säkularisierung Eleanor und Junior, Jr.) von Erfahrung. Es gäbe noch mehr Bei­ spiele, aber jetzt sollten Sie eine Vor­ Linda wundert sich über sich selbst: stellung davon haben. Daß sie dem ihr fremden Doktor/Analy­ (... ) Der Doktor/Analytiker referiert über tiker in einem Lokal ihren Traum ,.Sprache" und „Bilder", über das feh­ erzählte, obwohl sie ihn eben erst ken­ len von von allen gleich verstandenen nengelernt hatte. Es war, als hätte ich Worten und über die Bindung der Bilder ihm die Familienphotos aus meiner an eine vorsprachliche Welt. An intensi­ Geldbörse gezeigt. Doch das Frage- und ven Gefühlen lassen sich Widersprüche Antwortspiel geht - Erinnerungssysteme wie diese am deutlichsten ablesen. - mit ihrem jetzigen Begleiter weiter. Stellen Sie sich vor - sagt er zu Schlußendlich soll sie anläßlich eines linda -, für einen Augenblick und ohne Gesprächs über Ernährung alle während Änderung Ihrer geistigen Einstellung in eines Tages aufgenommen Geschmäcker einen Zustand permanenter Verzückung aus der Erinnerung aufzählen. einzutreten, vielleicht nicht intensiver Zahnpasta. als jenes Gefühl des Wohlbehagens, das Ich bekam Seife in den Mund. sie hatten, als sie im Traum auf der Eine Dosis Antihistamin. Wiese standen, beim Namen gerufen Ein halbes Valium. wurden, von einem Lebewesen oder Zwei Tassen Tee ohne. Wissenden System in erhöhter Position Ein Glas Orangensaft. - um das Bild zu vereinfachen, ohne es Ein Stück Toast mit Butter.

75 Zwei Tassen schwarzer Kaffee. 16. Szene Zwei Nikotin-Zigaretten. Schwierigkeiten Ein wenig Kokain. (Now Eleanor und Chor) Zahnpasta. Vier Zigaretten. Während dieser Unterhaltung beginnt einer aus einer Gruppe von Betrunke­ Schwarzer Kaffee. nen, linda und ihren Begleiter zu belä• Mehlspeise. stigen. Sie fürchtet sich. Drei Nikotin-Zigaretten. Ein wenig von einer Marihuana-Ziga­ 15. Szene rette. Das gute Leben (Fortsetzung) Eine Nikotin-Zigarette. Ein Glas Rotwein. Wir sollten gehen, denke ich. lgnorier Zwei Schnitten Brot mit Butter. die Typen einfach. Wir können beim In Milch mit Mehl gekochte Eier mit klei­ Rausgehen zahlen. nen Gemüsestücken, fast zu klein, um aufgezählt zu werden. 16. Szene (Wie stehts mit dem Schwierigkeiten (Fortsetzung) Schmecken? Warum zählst Als die beiden an den Betrunkenen vor­ Du sie auf?) beigehen, beginnen diese eine Schlä• Ein wenig Salat mit Öl, billiges Olivenöl, gerei mit lindas Begleiter. Andere Gäste und Essig und Knoblauch. des Lokals beginnen sich einzumischen. Schwarzer Kaffee. Blut fließt. Polizei kommt. Der Kellner Eine Nikotin-Zigarette. hat die Polizei gerufen. Er hatte die Ein wenig von einer Marihuana-Zigarette Schwierigkeiten kommen sehen. Als die (. .. ) Polizisten da sind, gibt es kaum eine Könntest Du einen Tag ganz Diskussion. Das ist der Grund für poli­ auf Dich allein gestellt über• zeiliche Autorität. Die Betrunkenen wer­ stehen? den abgeführt. Ohne zu beten, meinst Du? Sehr witzig. Betest Du? 15. Szene Zählen Stimmungen dazu? Das gute Leben (Fortsetzung) Wie meint Du das? Vier Nikotin-Zigaretten. Manchmal bin ich in einer Stimmung, Ein klein bißchen Brandy. von der ich denke, daß Beten so ähn• Marihuana. lich sein muß. Kein Kokain mehr. Viel/eicht. Aber ich dachte, Fünf Körnchen Valium Du hättest das Bedürfnis, Zahnpasta. Dich zu erniedrigen oder so (Mit künstlichem Pfefferminzge- etwas. schmack). Wenn Du das so siehst: Ich denke nicht, WOMIT DIE SCHWIERIGKEITEN BEISEITE daß ich bete. GESCHOBEN WÄREN. EIGENTLICH MEHR

76 INS INNERE VERSCHOBEN. AM BESTEN (... ) NICHT DARAN DENKEN. Sobald man den Glauben an die Auto­ rität der eigenen Erfahrung zu Hilfe neh­ 17. Szene men will, wird das Ausmaß an Ein Besitz am Land Erfahrung zum Gradmesser, inwieweit (Now Eleanor, der Doktor, Mr. Paynes sie tatsächlich erlebt oder bloß erträumt Mutter, mit Linda und Junior, Jr.) ist. In letzterem Fall muß man auf ganz andere Hilfe als auf die eigene Erfah­ Sie macht sich beruflich einen Namen. rung hoffen. Sie gewinnt in der Lotterie. Jahre vergehen. This is as high as I can go Es ist vergessen. How do you know that you know it? Einfach vergessen. Sie wird aus einem steckengebliebenen Was beweist, daß Aufzug mit großem Medienecho befreit. eine Erfahrung Empfangen von live-TV Kameras erklärt Unter vielen genau sie: ,,Nähert man sich der Gegenwart, Eine unter vielen ist. lerne Bridge spielen wird die Zeit in ein unendliches Jetzt Die Genugtuung, nicht allein zu sein gepreßt, unendlich schnell" (Welch Erinnerungssysteme Gedankengang, linda!) Früher rauchte ich Zigaretten This is as high as I can go Früher liebte ich das Tanzen How do you know that you know it? Früher blieb ich lange auf Sie kauft sich eine Wohnung in der Linda denkt zurück. Stadt. Sie erbt einen Besitz am Land. Am besten in Erinnerung ist mir Mr. Sie besichtigt ihn einmal und verwaltet Payne. ,,Alles kann so plötzlich enden ihn dann treuhänderisch: "For cousins, und wer erinnert sich dann noch an Of cousins, From cousins, Forever". Gründe?" Lange nachdem es passiert This is as high as I can go ist, hörte ich von einer ernsthaften Ver­ How do you know that you know it? letzung, die ihm widerfahren ist. Ich Sie besucht Europa - teilweise beruflich konnte mir das gar nicht vorstellen. - und sieht zu viel, das sie an die USA Etwas Leidendes hatter er immer an erinnert, aber ein Hauch von Vergan­ sich, das schien ihm eingeschrieben. genheit ist dennoch spürbar. Aber Schmerz ist etwas anderes als Lei­ This is as high as I can go den. Daß ein und dieselbe Person bei­ How do you know that you know it? des ertragen kann, scheint mir WIR SIND BEINAHE AM ENDE DER unvorstellbar. GESCHICHTE ANGELANGT. STELLEN SIE Der nächste Mann, an den ich mich SICH VON NUN AN EINE ÄLTERE DAME erinnere, war - wie heißt er gleich? VOR, IMMER NOCH EINE SCHÖNHEIT, Wenn man den Namen vergißt, kann MIT FREUNDEN BRIDGE SPIELEND. die Person nie Teil von einem gewesen sein. Der Doktor/Analytiker erzählte mir 18. Szene einmal eine Geschichte von einem Glück, Wohlstand und Vergeßlichkeit Mann, dem während der Verlobungs­ (Chor mit Now Eleanor und Linda) feier beim Vorstellen der Name seiner

77 Verlobten plötzlich nicht einfiel. Sie ver­ klang bringen." ließ die Feier und sagte die Trauung ab. Sein Spezialgebiet - so weit ich das ver­ Der Doktor meinte, sie hätte die einzig stehe - ist die Messung des Energiever­ richtige Entscheidung getroffen. Der brauchs von • wie er das nennt - Mann, dessen Namen ich vergessen ,,Unbekannten Systemen". Ich glaube, habe, verstand nie, was ich ihm von mir er erforscht, ob sich Menschen von erzählte. Ich verließ ihn. etwas anderem ernähren können, als Der nächste in meiner Erinnerung? 0. ia. von dem, was wir heute Nahrung nen­ meine Tage mit dem Gründer des „Pari• nen. Stellt Euch das vor: Vitamine hält ser Schönheitssalons". Wunderbare er für altmodisch, wenn auch für kein Aussicht, Designer-Möbel, einen übles Konzept. Ich nehme Vitamine. Schrank voll französischer Kleider. Er Gott weiß, was Junior, Jr. zu sich nimmt. war ein Charmeur. Sonnenschein. Das Ich liebe seine Briefe, auch wenn ich sie Idealbild einer perfekten Maschine. nicht verstehe. Er tut so geheimnisvoll. Bewundert. Mitternächtliche Tanzpar­ Aber was er mir heute nicht erzählt, ties. Pures Glück, sollte dieses Wort erfahre ich morgen aus den Zeitungen irgendwas bedeuten. Und - das ist ver­ oder dem Fernsehen. Einfach warten gnüglicher, als ich dachte - Wohlstand. und beobachten. Schlußendlich das Idealbild vom per­ UND DAS IST DAS ENDE VON LINDAS fekten Körper. Vergeßlichkeit. GESCHICHTE. MIT BRIDGESPIELENDEN FREUNDEN ERINNERUNGSBILDER AUS­ 19. Szene TAUSCHEN, DIE FÜR DAS MEDIUM PHO­ Das Bridge-Spiel TOGRAPHIE ZU KOMPLIZIERT SIND. (Linda, Junior, Jr. und Chor) NUN KOMMT DER NACHSPANN. ES WIRD SCHON SPÄT. NORD. OST. SÜD. Ich möchte Euch diesen Brief von mei­ WEST. nem Sohn vorlesen. Ich bin grenzenlos stolz. Kein Groll gegen den Vater. Kein 20. Szene Groll gegen die Mutter, hoffe ich. Wie Norden (Berlin/Ein Tango) kam er eigentlich zu solchem Selbst­ (Chor und Linda) vertrauen, nach all dem, was er durch­ gemacht hat? Versprengte Erinnerungen an eine ,,Liebe Mama, alles ist in bester Ord­ geteilte Stadt. nung. Das Büro plant ein neues, großes Projekt, benannt nach einem berühm• 21. Szene ten Maler. Du wirst davon in den Zei­ Osten (River Rouge) tungen lesen. Mehr kann ich im (Linda und Chor) Moment nicht erzählen. Ich treffe die interessantesten Leute hier. (. ..) Meine The biggest building Spezialgebiete decken sich mit den In the world Aufgabenbereichen des neuen Projekts. Pays me five a day. Vermutlich haben sie mich deswegen Brand new suit, engagiert. Ich will das Unmeßbare ver­ Cigarettes, messen, das Unvergleichbare in Ein- I don 't care what you say,

78 Words can never change it. Some islands Money talks GONE NOW Work is here to stay. The first among us TALKED ABOUT 22. Szene Süden (Campo dei Fiori, Rom) Some islands (Linda und Chor) GONE NOW Safe place for sailors Ich sagte zu ihnen, schaut, Achtund­ TALKED ABOUT zwanzigmillionenzweihundertachtund­ siebzigtausendvierhundertsechsund­ Some islands sechzig (erst die Zahl macht es wirklich), GONENOW alle schauen in dieselbe Richtung, lost in an instant Hände erhoben, lassen sich auf ein Bild TALKED ABOUT bannen (. ..) Es ist unaussprechlich. Ein Lichtblitz. Achtundzwanzigmillionen­ Some islands zweihundertachtundsiebzigtausendvier­ GONENOW hundertsechundsechzig (weil es sich Still in the papers einmal tatsächlich ereignete) können in TALKED ABOUT einem Lichtblitz untergehen. WHAT COMES NEXT 15 WHAT WAS FIRST, OR 50 THEY SAY. Ende der Oper AS FAR BACK AS WE CAN GO. (AT LEAST ON TH/5 SYSTEM)

23. Szene Westen (Atlantis) Zusammenfassung/Kurzfassung/Auszüge (Linda und Chor) aus dem Libretto: Christian Scheib

79 Arbeit am amerikanischen Mythos1 formance-Art3. Mitte der 7oer Jahre Zu den Opern Robert Ashleys begann Ashley seine unterschiedlichen Interessen, elektro-akustische Musik, Von Barbara Barthelmes psycho-akustische Forschung, Mixed­ Media, Film und Video in dem Konzept Robert Ashleys Werke provozieren. Nicht einer "televised opera", d.h. einer im selten überschreitet er die feine Grenz­ Medium Fernsehen gestalteten Musik­ ziehung zwischen Komponist und Publi­ dramaturgie, zu bündeln. Das erste Pro­ kum, irritiert und enttäuscht Erwartungs­ jekt, in dem er Sprache, Musik und haltungen. Es ist kaum möglich, sich bewegtes Bild in einem einheitlichen seine Werke auf Anhieb zu erschließen Konzept zusammenfügte, war "Music oder gar bestimmten Kategorien zuzu­ with Roots in the Aether" (1976)4. Auf­ ordnen. Sie sind sind organisiert, wei­ sehen erregte damals Ashleys unge­ sen Struktur auf, aber nicht redundant wöhnliche lnterviewmethode, ebenso wie die der seriellen Musik der 6oer seine Kameraführung und Bildgestal­ Jahre. Seine Werke eröffnen den an der tung (es wurde nur eine Kamera ver­ Aufführung Beteiligten einen eigenen wendet, kontinuierliche Bilder, keine Handlungsspielraum, verweigern sich Schnittechnik). Er kreierte nicht nur ein aber entschieden einer Alles negieren­ visuelles Äquivalent zu den charakteri­ den neodadaistischer Attitüde. Seine sierten Komponistenpersönlichkeiten, Stücke tragen mitunter konzeptuelle sondern konnte die Qualitäten einer Züge, klingen reduziert, kommen mit Live-Performance ins Medium Video minimalen Gesten aus, als pure Minimal übertragen. Music sind sie jedoch nicht faßbar. Die Auf diese erste Annäherung an das Attribute des Avantgardisten, so sehr Fernsehen im eher dokumentarischen sie heute auch diskursiv verschlissen Modus folgte die bereits zwischen 1979 sind, scheinem ihm wie keinem ande­ und 1983 entstandene, durch den eng­ ren zu passen: lischen Sender Channel 4 1984 berühmt "He is an unusually adventurous artist gewordene Fernsehoper „Perfect Lives", who risks much, generally keeps a few ein Gemeinschaftsprodukt von Robert years ahead of trend, and pays a high Ashley, dem Videokünstler John San­ price in terms of audience acceptance. born, dem Pianisten "Blue" Gene He ist older than any of the other artists Tyranny und den Sängern und Kompo­ in this program, but he ist also the only nisten Jill Kroesen und David Van Tieg­ of them who chose to come to this hem. ,,Perfect Lives" mit seinen sieben highly visible concert with a challenging halbstündigen Episoden war der Aus­ new idea instead of a safe old one. gangspunkt für neue Opern, die sich More power to him. lt is refreshing to konzeptuell um diese erste Oper grup­ find avant-gardists who continue to be pieren und zu einer Trilogie in einem avant-gardists, even as they approach komplizierten Gefüge angewachsen 50". 2 sind. Dazu gehören außerdem In den 6oer Jahren galt er als einer der „Atalanta" (Acts of God), 1982 und Pioniere der Mixed-media bzw. der Per- „Now Eleano(s ldea", 1984-1988; diese

80 wiederum besteht aus "lmprovement" sich aus unzähligen kleinen Nebenge­ (Don Leaves Linda), 1984, .,Foreign schichten zusammen. Ich bin sehr Experiences", 1986, ,,Now Eleano(s sicher, daß solche Erzählstrukturen übri• ldea", 1986 und „el/Aficionado", 1987.S gens global gebräuchlich sind. Eine Diese Opern sind auf das Fernseh-For­ Erzählweise, in der der Ereigniskern mat hin konzipiert, uraufgeführt werden überraschend winzig ist, kennen viele sie allerdings in einer Konzert- bzw. Völker."6 Bühnenversion, die dann als Vorberei­ Für diese Art von Erzählung taugt eher tung für die Fernsehproduktion benutzt das Bild eines Labyrinths mit unter­ wird. schiedlichen Zugängen, einem Gewirr von Kreuz- und Querverbindungen und II Abzweigmöglichkeiten. Sein Stoff ist die Wenn Robert Ashleys Opern mit großen Sprache, so wie sie im Alltag, in erzählerischen Werken wie der llias oder Gesprächen, im Sprechen, im Bewußt• Dantes Göttlicher Komödie verglichen sein als Produzentin von Sinn wirkt. werden, wenn die Faszination, die von Sich seine Erzählungen als pure Repro­ ihnen ausgeht, mit dem Gefühl eines duktion der Realität vorzustellen, wäre ursprünglichen Menschseins - .,he is jedoch verfehlt. Realität tritt uns reftek• Adam- and Eveing us" - umschrieben tiert und überarbeitet in formaler Struk­ wird, ist der mythische Charakter des tur und klanglicher Gestalt gegenüber. von ihm kreierten Typus der Oper Die scheinbare Abwesenheit von Ord­ gemeint. Ashley gelingt etwas für nung oder klarer stringenter Entwick­ unsere Tage sehr Seltenes - und auch lung ist oftmals Ursache der da wird er seiner ihm zugeschriebenen provozierende Effekte. Vorreiterrolle gerecht - , die Schaffung Wie aber wird aus der banal anmuten­ einer unserer Zeit gemäßen mythischen den Ansammlung von Alltagsgeschich­ Erzählung. Er überliefert uns eine Erzäh• ten ein Mythos? Über die Form, die als lung von einem Sänger Raoul de Naget, eine assoziierende, von Moment zu von Buddy „the world greatest piano Moment variierende beschrieben wer• player", von Helen und John, Ed und den kann, wird unter der Oberfläche der Gwyn, Linda und Don, Junior und Mr. Ereignisketten der Erzählung das Payne, von Max Ernst, Bud Powell, Wil­ Geheimnis der Technik des Denkens, lard Reynolds, von Außerirdischen mit das unbewußte Funktionieren des bestimmtem Auftrag, über Atalanta und Bewußtseins sichtbar. Die Opernfolge den drei goldenen Äpfeln, einer Flucht, „Atalanta", ,,Perfect Lives", ,,Now Autofahrten, einem Bankraub, Golfspiel, Eleano(s ldea" stellt „the history of Parties usw. Kürzere und längere Episo• our consciousness as Americans" dar.7 den, Fragmente, Erfahrungen, Schilde­ Entsprechend der labyrinthischen Struk• rung von Stimmungen und inneren tur des Librettos gibt es viele Möglich• Monologen folgen wuchernd aufeinan­ keiten, den Faden zu diesem Mythos der und fügen sich zu einer dicht aufzunehmen. Eine davon ist die Anord­ gewebten Kette von Ereignissen. nung der Opern in der Zeit. „Die Oper ist eine Art riesiges Netzwerk Innerhalb der Folge ist „Perfect Lives" mit einer Hauptgeschichte. Die setzt chronologisch zuerst entstanden, nimmt

81 aber in der Konzeption die mittlere beim Bridgespiel mit Freunden, während Position ein. .,Atalanta" steht am dessen sie einen Brief ihres Sohnes vor­ Beginn, verkörpert die Vergangenheit, liest und sich an die Höhepunkte ihres die früheste Form von amerikanischem Lebens erinnert. Bewußtsein, seine europäischen Wur­ Mit dieser aus dem Alltag gegriffenen zeln. Gemeint ist allerdings nicht das Geschichte des Lebensweges einer Frau schwarze amerikanische Bewußtsein nach einer Trennung übersetzt Ashley in oder das indianische, sondern das „lmprovement" bildhaft die geschichte weiße, jüdisch-christliche Bewußtsein. der Vertreibung der Juden aus Spanien .,Perfect Lives" spielt in der Gegenwart, 1492 (ein Datum, das auch für die in der die Menschen sich durch ihre Geschichte Amerikas von Bedeutung Beziehungen zur Umwelt und zueinan­ ist), den Weg des jüdischen Denkens der denken, definieren, und nicht durch über Europa in die Neue Welt in die die Rückbeziehung auf die Vergangen­ Form eines amerikanischen Roadmovie. heit. Die letzte Oper „Now Eleano(s Die Allegorie soll die Geschichte jüdi• ldea" blickt auf die Zukunft und ver­ schen Denkens, Bewußtseins, wie es in sucht, die mögliche Entwicklung des die amerikanische Gesellschaft ein­ amerikanischen Bewußtseins vorauszu­ gegangen ist und sich mit anderen sehen. Mit den verschiedenen Zeit­ Strömungen verbunden hat, versinn­ ebenen der Opern korrespondiert ein bildlichen. unterschiedlicher Erzählstil. In Dieser chronologischen Achse, die die „Atalanta" ist er anekdotisch; denn das drei Opern verbindet, entspricht eine ausgedehnte Erzählen von Anekdoten räumliche Disposition. Die Geographie, charakterisiert von sich aus, so Ashley, in denen sich das Geschehen abspielt, eine Bezugnahme auf Vergangenes. Im ändert sich von Oper zu Oper. Gegensatz dazu wird „Perfect Lives" im ,,Atalanta" spielt an der Ostküste, ,,Per­ Reden bzw. in Redensarten erzählt, die fect Lives" im mittleren Westen und nur noch Fragmente von Anekdoten „Now Eleano(s ldea" im äußersten darstellen. In der ersten Oper der Westen. Die Geographie der Vereinigten Tetralogie „Now Eleano(s ldea", Staaten findet in der Erzählung ihren „lmprovement" bedient sich Ashley des Niederschlag, in dem sie einerseits die Erzählmodus der Allegorie. Erzählt wird Überwindung von Raum und von Hin­ die Geschichte von Linda, die von Don dernissen symbolisiert: die Appalachien verlassen wird, auf ihrem Weg zum Flug­ an der Ostküste, das riesige Mississip­ hafen mit der Unwichtigen Familie fährt pibecken und an dessen anderem Ende und sich am Kartenschalter der Flugge­ die Rocky Mountains. Andererseits sellschaft einer Reihe von Fragen stel­ schlägt sich die von Landschaft und len muß, ehe sie ihr Flugzeug besteigen Klima geprägte Art zu Leben und zu kann. Auf dem Flug trifft sie Mr. Payne, Denken in der Komposition der der sie und ihren Sohn Junior, Jr. zu sich Gesänge nieder. ,,Perfect Lives" als Mit­ nach Hause einlädt. Im weiteren Verlauf telstück verklammert die symbolische findet sich Linda in der großen Stadt, Bewegung des amerikanischen Bewußt• trifft dort auf unterschiedliche Ereignisse seins durch Zeit und Raum durch die und Menschen. Die Erzählung endet zentrale Geschichte eines Bankraubs,

82 den Ashley selbst einen „conceptual Ashley den Klang der Sprache, die Art, joke", eine Metapher für etwas Philo­ wie ihm von verschiedenen Menschen sophisches nennt. Das Geld wird nicht Dinge, Ereignisse, Mitteilungen gesagt gestohlen, um sich zu bereichern. Es oder erzählt worden sind, aus der Erin­ wird nur für einen Tag entwendet. Der nerung kompositorisch hervorgeholt. Clou besteht darin, alle wissen zu las­ Diese klanglichen Reminiszenzen wur­ sen, daß es fehlt. Ein eigentlich unsin­ den dann aneinandergefügt, ohne Rück• niger Bankraub als Witz inszeniert, hebt sicht auf einen roten Faden der die Ordnung aus den Angeln, kann als Erzählung, vergleichbar mit einer Samm­ ein Freisetzungs-Akt interpretiert wer­ lung von kleinen Bildern oder Postkar­ den, als das Zeichen, das in den Opern ten, die man sich an die Wand pinnt. die konkrete sprachlich materielle Form In „Atalanta" dagegen ist es ein Kom­ (den Signifikanten) mit dem Symboli­ ponieren bzw. Texten in bestimmten schen (dem Signifikat) verbindet, als „Tonalitäten"11, allerdings nicht im der Punkt, von dem aus der Erzählung Sinne der Dur-Moll-Tonalität, sondern im ein Mythos erwächst. Sinn der griechischen Ethoslehre, nach der Tonarten und Tongeschlechtern III Bedeutungen zugeordnet werden. Nach der Suprastruktur seiner Opern­ Ashley versuchte den Charakter, die Sin­ folge und den zugrundeliegenden Ideen nesart einer bestimmten Weise, zu gefragt, antwortet Ashley mit einer sprechen, einzufangen, den Ton, den Schilderung seines Kompositionspro­ man anschlägt: freundlich, wachsam, zesses8. Ausgangspunkt war die aggressiv, kriegerisch usw. Absicht, eine groß angelegte Erzählung In „lmprovement" macht sich Ashley die zu schaffen. Begonnen hat Ashley aber Tatsache zu nutze, daß jeder Stimme dann zunächst mit dem Schreiben von eine eigene Tonhöhe bzw. Lage eigen „songs", .,to put American words with ist, und dies zu einem wesentlichen Teil music"9. Mit „song" ist weder das zum Charakter einer Person beiträgt. Kunstlied noch der Song der Unterhal­ „lmprovement" besteht aus 24 Szenen tungsmusik gemeint. Ashley vergleicht und in jeder dieser Szenen wird dem seine „songs mit den „Gesängen" der jeweiligen Hauptdarsteller, bzw. dem antiken Dichtung10• Leadsänger, eine zentrale Tonhöhe Ihn interessiert der Klang, der die Rede­ zugeordnet. Diese Stimme singt aber weisen begleitet. Der spezifische die Tonhöhe nicht einfach nur nach bzw. ,.speech sound" in „Perfect Lives" folgt einem monotonen Singsang, wie begründet darauf, sich verschiedene dies oft fälschlicherweise in Bezug auf Situationen und Szenen und den für sie Ashleys Opern interpretiert wird. Der charakteristischen Sprachklang bildhaft jeweilige Sänger oder die jeweilige Sän• zu vergegenwärtigen. Jedes Bild hat für gerin ist aufgefordert, in der ihr eigenen Ashley einen bestimmte musikalische Weise zu singen, zu sprechen, sich aus­ Farbe, so wie die Sprache in einer Inter­ zudrücken, den Inhalt des Textes zu view-Situation eine andere Klangspur interpretieren. hat als in einer Bar, als beim Autofahren Dieses Konzept von Sprachklang führt oder in der Kirche. In „Perfect Lives" hat zu einer Identität oder Deckungsgleich-

83 heit von kompositorischem und poeti­ lage er dann weitere „songs" kompo­ schem Prozeß. Es müssen die Worte nieren und einfügen kann. Das Hinzu­ und Rhythmen gefunden werden, die kommen jedes neuen Elements der Erzählung ihre wechselnden klang­ bedeutet eine Umstellung der gefunde­ lichen Modi verleihen. Ashley löst aus nen Anordnung und damit auch eine der Realität des Sprechens bestimmte Veränderung der Gesamtstruktur. Da Aspekte ab: Die affektive und emotio­ sich eine Struktur, eine Bedeutung erst nale Gestimmtheit, die sich im Ton einer ab einer bestimmten Menge von Mitteln Rede niederschlägt, und den Klang und und deren Befragung ergibt und nicht Rhythmus unterschiedlicher Diskursfor­ durch einen vorab gefaßten Plan, unter­ men. scheidet sich das tatsächlich verwirk­ Doch wie kommt er zu der bereits lichte Projekt von der ursprünglichen beschriebenen Suprastruktur, die seine Absicht. Es findet die Verschiebung umfangreichen Opern in einen Zusam­ statt, die die Surrealisten mit „objekti• menhang setzt? vem Zufall" bezeichnet haben. Ashley verhält sich wie der Bastler12, der mit dem, was er an einem bestimm­ IV ten Zeitpunkt an Materialien und Werk­ Der narrative Stil, der eine Pluralität von zeugen vorrätig hat, eine Struktur Diskursformen, Sprachgesten, nach aufbaut, und nicht wie der Gelehrte, der Klangfarbe und Tonfall ausgesuchtes vor der Realisierung eines Projekts Sprachmaterial miteinander kombiniert einen Plan entwirft und eigens für diese und zu einer Gesamtperspektive ordnet, Zwecke neue Materialien und Werk­ beeinflußt die musikalische Zeitgestal­ zeuge entwickelt. Das Vorhaben der tung. Oper, nämlich die Geschichte des ame­ „Die narrative Form gehorcht einem rikanischen Bewußtseins zu erzählen, Rhythmus, sie ist die Synthese eines war nicht von vornherein in einem Ent­ Metrums, das den Takt in regelmäßigen wurf festgeschrieben, der dann im ein­ Abständen schlägt, und eines Akzents, zelnen ausgefüllt und ausgearbeitet der bestimmte Perioden in Länge oder wird. Ashley koordiniert einzelne Stärke modifiziert. Diese schwingende ,.songs", von denen jeder für sich exi­ und musikalische Eigenschaft erscheint stiert, zu einem vielschichtig struktu­ in aller Klarheit in der rituellen Aus­ rierten Komplex. Nachdem eine führung bestimmter Cashinawa-Erzäh• bestimmte Menge solcher „songs" lungen"13. geschrieben und komponiert ist, findet Das äußere „Format"14 der Opern ist eine Bestandsaufnahme des bereits Vor­ durch das Zeitraster bestimmt, das das handenen statt. Ashley tritt in eine Art Medium Fernsehen auszeichnet. Eben­ Dialog mit seinem Material, um heraus­ falls allen Opern gemeinsam ist ein zufinden, welche Verbindungen, Wege, durchgehender Puls, ein Grundschlag Antworten in Bezug auf das gefaßte von 72 Schlägen pro Minute. Davon Vorhaben in den einzelnen Gesängen ausgehend wird die sozusagen gleich­ selbst liegen. Er liest an den einzelnen mäßig fließende Zeit in unterschiedlich disparaten Teilen eine Ordnung, den lange Strecken geteilt. Beispielsweise sogenannten Plot ab, auf dessen Grund- werden in der Episode „lmprovement"

84 aus „Now Eleano(s ldea" die Zeilen des seriellen Musik, aus der sich sowohl die Textes durchgezählt. Die Zeitdauer, in horizontalen als auch die vertikalen der jede Zeile gesprochen werden soll, Dimensionen einer Komposition ablei­ wird festgelegt: Im Vorspiel des ersten ten lassen. Akts hat jede gezählte Zeile 3 Schläge, Im Fall von „lmprovement" besteht das heißt 2,5 Sekunden bei einem diese „Passacaglia-Matrix" aus 24 Grundschlag von 72. Dies ergibt eine Tönen, die sich aus dem Tonvorrat von Geamtdauer von 1·30 bei 36 Zeilen. Im b-moll und f-moll rekrutieren. Konkret zweiten Akt beträgt die Zeitdauer der umgesetzt wird diese Matrix beispiels­ Zeilen 4 Schläge, das ergibt 3,33 Sekun­ weise in der Entscheidung des Kompo­ den. Über die Textzeilen wird der gleich­ nisten, jeder der 24 Szenen einen der mäßige Fluß der Zeit, verkörpert im 24 Töne aus der Passacaglia zuzuwei­ Grundschlag Schlägen pro Minute in sen, der zu dem noch dem Charakter gleichlange Einheiten untergliedert, ver­ des jeweiligen Protagonisten der Szene gleichbar mit dem Prinzip der traditio­ bzw. dem Charakter der Stimme des nellen Takte. Da aber die Zeilen aufführenden Sängers entspricht. Die unterschiedlich lang sind, entsteht ein begleitenden Stimmen beziehen sich Rhythmus, der von der Geschwindigkeit auf die für die vorangegangenen Sze­ abhängt, in der die Silben der Zeilen nen zentralen Töne. Ist eine Szene vier­ gesprochen werden müssen, um den stimmig angelegt, hat die erste Stimme zeitlichen Rahmen von beispielsweise 3 die spezifische Tonhöhe der Szene, die Schlägen nicht zu überschreiten. Ashley zweite die der davor, die dritte der vor­ nennt diese Zeitform „metrical templa­ letzten usw. Die Tonreihe der Passa­ tes", metrische Schablonen. caglia wird so in unterschiedlich kleine Auch für die harmonische und melodi­ oder große Fragmente aufgebrochen sche Struktur in „lmprovement" ver­ und schiebt sich in der Harmonik als wendete Ashley eine Schablone. Er legt Ostinato im übertragenen Sinn von dieser Oper die Form der „Passacaglia" Szene zu Szene. zugrunde und nutzt sie auf zweifache Sowohl die metrischen Schablonen als Weise für seine Zwecke. Auf der sym­ auch die konzeptuelle Handhabung des bolischen Ebene greift die Passacaglia Prinzips der Passacaglia verweisen auf in den Kontext der Allegorie ein, da sie eine spezifische Auffassung von Kom­ nicht nur ethymologisch, sondern auch position, von der Tätigkeit des Kompo­ als musikalisches Artefakt ihren nisten, die Robert Ashley vertritt. Ursprung im Spanischen bzw. in der Komponieren ist nicht so sehr das spanischen Gitarrenmusik hat. Auf der Erstellen von fertigen, abgeschlossenen musikalischen Ebene benutzt Ashley Werken, das Selbstbild entspricht nicht weniger das meist mit der Passacaglia so sehr dem musikalischen Architekten, verbundene Merkmal einer melodischen sondern dem des Arrangeurs, der ein Figur, die als Ostinato die Basis für end­ Set von abstrakten Formeln gleichsam lose Variationen und Improvisationen orchestriert. bietet. Er interpretiert die Passacaglia Ein Schablonenprozeß besagt nichts mehr als ein abstraktes Konzept, ver­ anderes als daß von einem vorgefertig­ gleichbar mit der Matrix der Reihe in der ten Raster ausgegangenen wird und

85 dieses einem bereits vorhandenen Material - im Fall von „ lmprovement" dem Text des Librettos - übergestülpt werden. Die Funktion der Schablonen ist den von Levi-Strauss beschriebenen . t ot emistischen Klassifikationen" ver­ gleichbar, nämlich Beziehungen herzu­ stellen. In Bezug auf Ash leys Opern bedeutet das, Regeln auszuarbeiten, die die Koor­ dinaten eines musikalischen Satzes auf­ einander beziehen und eine musikalische Interpretation des Textes ermöglichen. Dieses Verfahren garantiert nicht nur die Sinnstiftung innerhalb der musikalischen Parameter, zwischen Musik und Text; sie wird von Ashley auch benutzt, beispielsweise in „Perfect Lives", um Musik und Bild zu korrelie­ ren oder einen Kontext zwischen den an der Oper beteiligten Sängern und Musi­ kern herzustellen. Sie bilden den Rah­ men, der gemeinsames Arbeiten ermöglicht, innerhalb dessen der ein­ zelne Künstler die Freiheit hat, zu improvisieren, zu erfinden oder seinen eigenen künstlerischen Stil einzubringen und damit an einer Version des Stückes mitzuarbeiten. ROBERT ÄSHLEY Durch die ungewöhnliche Länge seiner Opern scheint Ashley einen hohen Preis in puncto Publikumsgunst zu bezahlen. Denn höchstens eine Minderheit, die sich entweder beruflich oder mit Vor­ liebe mit derart Kunstwerken befaßt, geht heute in ein Konzert, das länger als zwei Stunden dauert, wer liest die llias oder die Göttliche Komödie in einem Stück. Eine Mehrheit jedoch hat die Gewohnheit, sehr viel Zeit vor dem Fernseher zu verbringen. Hier scheint Zeit keine Rolle zu spielen. Auf diese Gewohnheit und die damit verbundene

86 Wahrnehmungshaltung zielt Ashley ab, ihrer jüngsten Werke aufführen. wenn er sagt: 5Diese Angaben zur Trilogie sind dem "My idea of my music is to jump in bed, Programm des Festivals „Inventionen with whatever you like to be in bed '92", Berlin 1992, S. 189ff entnommen with, drinks and whatever, there·s the 6Aus: "Kein Geld in der Bank". Robert TV, the music is coming out of the TV, Ashley in einem Interview über seine and you watch it for six hours, or three Video-Oper "Perfect Lives" von Gislind hours. You can·t do that in a concert Nabakowski, in: Kunstforum Bd. 77/78, hall or on records. You see, 1 don·t 9-10, Jan./Febr. 1985, S. 93 know anybody who watches television 7Aus: Interview with Robert Ashley, in: for three minutes. People who watch Melody und Michael Sumner, Kathleen television literally watch it for a long Burch (ed.): The guests go in to supper, time, there·s no such thing as a three• Chapter 2, San Francisco, 1986, S. 106 minute television watcher. You can do 8ebenda S. 104ff a half an hour without even taking a 9ebenda S. 105 breath." 15(5.101) 10"1fs not poetry, ifs sang. 1rs sang in the same way that the lliad was a song 1 Dieser Text stellt eine veränderte und ..• if you read any one line, irs not that erweiterte Fassung des in der Zeitschrift interesting in itself, but if you read a Positionen 22, 1995 erschienen Artikels hundred they start to make sens." dar. ebenda S. 108 2Tom Johnson, The voice of new music, 11Ashley schreibt „tonality", ebenda S. Eindhoven 1989, S. 326 116 3Dazu zählen Stücke wie "Public Opi· 12Levi-Strauss schildert in seinem Buch nion Descends upon Demonstrates" .,Das wilde Denken", Frankfurt 1973, S. (1961), ein Stück, in dem auf Publi­ 25ff die unterschiedlichen Wege der kumsreaktionen elektronische Klänge Organisation von Erkenntnis, von Klas­ reagieren und in einem interaktiven Pro­ sifikationen mit dem Vergleich zwischen zeß sich gegenseitig provozieren. Des Bastler und Gelehrtem. weiteren gehören dazu "lnterludes for 13Auf diese Weise beschreibt Lyotard the Space Theatre, sound-producing eines der charakteristischen Merkmale dance" (1964), .,Purposeful Lady Slow des narrativen Wissens im Gegensatz Afternoon" (1968) oder die „Wolfman zum wissenschaftlichen Wissen. In: Motorcity Revue" (1968). Jean-Frantois Lyotard, Das Postmoderne 4Diese Arbeit besteht aus 14 Videos Wissen. Ein Bericht, Graz, Wien, 1986, von je einer Stunde Dauer. Es werden S.72 Interviews mit David Behrman, Philipp 14So nennt Ashley die Dauer der Opern Glass, Alvin Luder, Gordon Mumma, und ihrer einzelnen Episoden Pauline Oliveros, Terry Riley und Ashley 15Aus: Interview with Robert Ashley selbst gezeigt. Ashley führte sechs a.a.O. S. 101 Interviews, er selbst wurde von Robert Sheft befragt. An jedes Interview schließt sich ein weiterer Teil an, in dem die 7 Komponisten eines oder mehrere

87 Produktionshinweise zu lmprovement (Don leaves llnda)

Das Einspielband wurde von David Rosenboom und Robert Ashley produ­ ziert. Die Stimmen wurden am Center for Contemporary Music, Mills College, Oakland, Cal., aufgenommen; Tonmei­ ster und Computer: Tom Erbe. Die end­ gültige Abmischung besorgte Tom Hamilton in 10 Beach Street, New York, NY. Die Stimmen und die Rhythmus­ gruppe für Akt 1 (bis auf das Vorspiel und die Szenen 8 und 10) mischte Tom Erbe, jene für Akt II (und Vorspiel sowie Szenen 8 und 10 des ersten Aktes) mischte Tom Hamilton ab. Zusätzliche Orchesterstimmen für die letzte Fassung wurden von Robert Ashley und Tom Hamilton gestaltet und programmiert. Der Tarzan-Song in Szene 13 wurde von Sam Ashley aufgenom­ men und produziert. Die Gesänge der Sanuma und Yekuana (Strophen 1 und 5) wurden nahe ihrer Heimat am Rio Paragua in Venezuela aufgenommen. Der „Alehandro" genannte Sanuma ist der beste Sänger seines Dorfes; der Yekuana Matias Fortunato half bei der Anleitung der Sanuma und Yekuana. Die Gesänge aus der Dominikanischen Republik wurden am Rio San Juan in der Dominikani­ schen Republik aufgezeichnet, die haitianischen Lieder in Port au Prince auf Haiti. Die Tetralogie Now Eleanor's ldea wurde gefördert durch The Rockefeller Foun­ dation (1984), The National Endowment for the Arts' Opera Musical Theater Pro­ gram (1985), das National Institute for Music Theater (1985-1986), den Com­ posers Performance Fund, den New York State Council on the Arts and die Philip Morris Companies, lnc.

© für das Libretto bei Robert Ashley

88 Bernhard Lang Samstag, Versuch über das Vergessen 2 Die Texte: 7. Oktober Bergsan Materie und Gedächtnis 21.00 UHR , KAMMERMUSIKSAAL Deleuze Differenz und Wiederholung Burroughs Der Job Christian Loidl ICHT

Die Konzepte: Digital Memory PLAYBACK Gedächtnis Deformation Wiederholungen Martin ArnoLd Geschichte

man wiederholt, um sich zu erinnern, man wiederholt, indem man sich erin­ W INFRIED RITSCH DIMITRIOS POLISOIDIS nert, man wiederholt, weil man sich nicht mehr erinnert;

Die Macht der Komposition Leni Rie­ fenstahl ::Über die Ohnmacht

PLAYBACK es gibt mich trotz und infolge meiner erinnerungen, ROBERT LEPENIK BERNHARD LANG varietas, die kunst des vergessens, repetition, die kunst der bewußtlosig• Bernhard Lang keit, Versuch über das Vergessen 2 rausch der indifferenz als inszenierte für Violine, E-Gitarre und 4 Delays selbstaufhebung der differenz, 1995, UA rausch der differenzen als szenario Kompositionsauftrag des Bundesmini­ eines sich in seiner selbstbestimmung steriums für Wissenschaft, Forschung vergeblich suchenden ichs. und Kunst

Dimitrios Polisoidis • Violine Bernhard Lang Robert Lepenik • E-Gitarre Winfried Ritsch • Elektronik

Im Rad io: Österreich 1, ZEIT-TON, 23.10.1995, 23.00 Uhr

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91 Christian Ofenbauer unordentliche inseln / de la matte Samstag, fouque-vertonung

7. Oktober „Die Musik ist nicht an und für sich so 22.00 UHR, SAAL STEIERMARK bedeutungsvoll für unser lnnres, so tief erregend, daß sie als unmittelbare Sprache des Gefühls gelten dürfte; son­ dern ihre uralte Verbindung mit der Poe­ ---= J.Jr .z =-.l! ,-, sie hat so viel Symbolik in die .1 ;; tv-++ J MI, ·+:r S..... lfn,-t· rhythmische Bewegung, in Stärke und Schwäche des Tones gelegt, daß wir : jetzt wähnen, sie spräche direct zum ...,_, Innern und käme aus dem Innern. Die dramatische Musik ist erst möglich, wenn sich die Tonkunst ein ungeheures Bereich symbolischer Mittel erobert hat, durch Lied, Oper und hundertfältige Ver­ suche der Tonmalerei. Die ,absolute Musik' ist entweder Form an sich, im rohen Zustand der Musik, wo das Erklingen in Zeitmaß und verschiedener Stärke überhaupt Freude macht, oder die ohne Poesie schon zum Verständnis redende Symbolik der Formen, nachdem in langer Entwicklung beide Künste ver­ bunden waren und endlich die musika­ lische Form ganz mit Begriffs- und Gefühlsfäden durchsponnen ist. [ ••• ] An sich ist keine Musik tief und bedeu­ Christian Ofenbauer tungsvoll, sie spricht nicht vom ,Willen', unordentliche inseln / de la motte vom ,Dinge an sich'; das konnte der fouque-vertonung lntellect erst in einem Zeitalter wähnen, für Ensemble welches den ganzen Umfang des innern 1995, UA Lebens für die musikalische Symbolik Auftragsarbeit für das Klangforum Wien erobert hatte. Der lntellect selber hat diese Bedeutsamkeit erst in den Klang hineingelegt: wie er in die Verhältnisse von Linien und Massen bei der Archi­ Klangforum Wien tektur ebenfalls Bedeutsamkeit gelegt Dirigent: Johannes Kalitzke hat, welche aber an sich den mechani­ schen Gesetzen ganz fremd ist." Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, 16.10.~995, 23.00 Uhr Nietzsche

92 Wie unscheinbar das sensationellste Moment dieser Passage formuliert ist, erstaunt: die Reduktion der materiellen Bestimmung der Musik auf sage und schreibe nur noch zwei Parameter, näm• lich „ rhythmische Bewegung" sowie „Stärke und Schwäche des Tones", zur Einheit des Phänomens sodann zusam­ mengefaßt als „Erklingen in Zeitmaß und verschiedener Stärke". Melodik und Harmonik kommen überhaupt nicht mehr vor. Es ist, als hätte Nietzsche, der ein großer Antizipator war, schon jene Theorie gekannt und stillschweigend vorausgesetzt, die erst anfangs der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts von Karlheinz Stockhausen entworfen ward, um die Möglichkeit des integralen seri­ ellen Konstruktivismus zu fundieren: Tonhöhen und Klangfarben seien, weil durch Schwingungsvorgänge in der Zeit hervorgebracht, die sich durch ihre Pha­ sen längen jeweils definieren, eben in sehen Poesie und Musik, einer der eh r­ CHRISTIAN Wahrheit auch nichts anderes als Rhyth­ würdigsten Bestände wohl sogar aus OFEN BAUER men - .. Mikrorhythmen" halt -. die sich dem phylogenetischen Inventar der von den anderen - den „Makrorhyth• Menschheit, endgültig zerbrochen war, men" - zwar durch ihre spezifische weil Geschichte alles auflöst, entstand Wahrnehmungsqualität kategorial unter­ als Versuch, den verlorengegangenen scheiden, aber denselben kom­ Sinn des Verhältnisses zwischen Wort positionstechnischen Organisations­ und Ton zu rekonstruieren, ja ihre Ver­ prinzipien unterworfen werden können einigung neu zu stiften, die Vertonung. wie alles Zeitliche hinieden. Man unter­ Sie ist also eine willentlich veranstaltete schätze also nicht die Avanciertheit des Operation des kompositorischen Sub­ Musiktheoretikers Nietzsche, dessen jekts, nichts diesem natürlich oder kul­ Reflexionen allerdings im Hinblick auf turell Verbürgtes, mögen auch Bräuche Christian Ofenbauers unordentliche auf diesem Gebiet eingerissen und inse/n / de /a motte-fouque-vertonung ganze Gattungen aufgekommen und mehr unter dem zu mannigfaltigen Zwei­ wieder verschwunden sein: schließlich feln, letztlich zur Verzweiflung ein­ gehört die allermeiste Vokalmusik - ladenden Aspekt der „Bedeutsamkeit" einschließlich sogar liturgischer Formen von Geschriebenem und Erklingendem - im Kulturkreis des alphanumerischen interessieren. Historisch zugegangen Codes dem Vertonungstypus zu. sein könnte es nämlich folgender­ Dieser ist selbstredend einem Kompo­ maßen. Als die „uralte Verbindung" zwi- nisten, der unlängst eine Oper vollen-

93 det hat. konstitutionell nicht fremd. erfolgte dann das. was Ofenbauer als technisch ohne Einschränkung zugäng• „Umlenkung" beschreibt: ,.Das Ganze lich und im Prinzip kaum unsympa­ hat sich in eine andere Richtung ent­ thisch. Den Wunsch. Friedrich de la wickelt." Motte-Fouques außerordentliche Zeilen. Der Vokalpart verflüchtigte sich zu die einem den Atem stillstehen lassen. Nichts. zugleich ging er zur ästhetischen zu vertonen. kann man ihm nachfühlen. Totalität auf: er wurde der geheime Bau­ muß sich aber, um den Fortgang des plan des Stücks. Der Instrumentalparti­ Abenteuers zu verstehen. wenn nicht tur, in welche gemäß der Hegelschen sofort. so doch nach und nach von der „Furie des Verschwindens" und der dilettantischen Vorstellung verabschie­ Adornoschen „negativen Dialektik" die den, der Künstler sei in dieser Welt der­ Vertonungsabsicht umgeschlagen ist. jenige, dem es vergönnt sein möchte. steht als Lesemotte eine Vertonung der sich seine Wünsche - zumindest seine de la Motte-Fouqueschen Worte im Vio­ künstlerischen - zu erfüllen. Zum Pro­ linschlüssel, aber nicht für Singstimme. blem wurde ihm nämlich zunächst die voran: nicht aufzuführen. Diese textier­ Präsenz einer Sängerin im Stück. Wieso? ten und für die Imagination des Lesers Mag er keine Sängerinnen? 0 ja. wahr­ durch minutiöseste Vortragsbezeich­ scheinlich sogar sehr. Allein. darauf nungen gesicherten Noten sind die kommt es nicht unbedingt an, denn es eigentliche Programmeinführung in könnte sein. daß eine Musik. die als unordentliche inseln / de la motte-fou­ Phänomen so wenig mit der Cageschen que-vertonung, die keine Vertonung ist, gemein hat wie die Ofenbauersche, ihr ähnlich wie das über diesen Zeilen ste­ in einem einzigen Punkt, den man frei­ hende Nietzsche-Motto diese Pro­ lich nicht gleich für ihr Wesen zu halten grammeinführung expliziert, die keine braucht, gleicht: vielleicht ist sie relativ ist. unabhängig von den Vorlieben und Die „Umlenkung" entband manche für Abneigungen ihres Verfassers. Daß es Ofenbauer neue Techniken. deren denk­ darüber eine ältere, leider mittlerweile bare - oder undenkbare - Folgen in sei­ vergessene Theorie gibt, soll noch nem künftigen CEuvre dahinstehen. gestreift werden, wenn der narrative Teil deren Ort in diesem Stück jedoch genau dieser Einführung vorüber ist. Die definiert ist: Wiederholung von Partikeln Sängerin rückte also in einem fortge­ als Beitrag zur Schwebe. in der das schritteneren Stadium des Komposi­ Ganze gehalten wird. dessen Formsinn tionsprozesses ans Ende des Stückes. mitnichten von einem Anfang zu einem was aber nicht reichte. sie dem Kom­ Ende läuft. Gemeint ist Ewigkeit, doch ponisten - oder der Komposition? - „es währt nicht lang". Der leise Schluß erträglich zu machen; vielmehr wurde ist. wie der Komponist durchblicken sie zum Gegenstand von Erwägungen ließ • .,ein Rest der Sängerin". - Nimmt darüber, ob sie mit dem Rücken zum man die „umgelenkte" Komposition als Publikum singen oder ob gar als Sub­ einen Sieg des Werks über den Künst• stitut ein Tonband mit dem elektroaku­ ler. so muß, um das kunsttheoretische stischen Abbild ihrer Stimme in die Verständnis eines derartigen Vorgangs Aufführung „ei~zuspielen" sei. Es nachzuholen. jetzt an Willi Baumeisters

94 Buch Das Unbekannte in der Kunst erin­ mißlingen ihre Absichten, weil ihre nert werden, das im zweiten Weltkrieg, Arbeit Eigenkräfte entwickelt, die so während der deutschen Mörderherr• stark sind, daß der Künstler nichts schaft, auf der Flucht vor der Gestapo gegen sie vermag. ,,Objektive" Kräfte, geschrieben und 1947 publiziert worden wie sie stets in der Erzeugung authen­ ist. Den Kern der Baumeistersehen tischer Kunstwerke wirken, scheren sich Abhandlung bildet die These, daß Epi­ um nichts, am allerwenigsten darum, ob gonen und originalen Künstlern die fast der Künstler selber sie begrüßt oder unvermeidliche Gemeinsamkeit eignet, beklagt: sie gravitieren ins Unbekannte. daß sie sich Ziele vornehmen, die sie zu Daher wird Fortschritt einzig durch sie erreichen trachten; diese Ziele sind prin­ ermöglicht. Für das Maß ihrer Abwei­ zipiell bekannt, zumindest den jeweili­ chung von der Zielgeraden der künstle• gen Künstlern. Epigonen zeichnen sich rischen Intention führte Baumeister den nun dadurch aus, daß sie ihre Visionen Begriff des „schöpferischen Winkels" - vorausgesetzt, es gebricht ihnen nicht ein. Offenbar ist er im Falle von un­ am erforderlichen technischen Können ordentliche inseln / de la motte-fouque­ - zu verwirklichen verstehen: es ist ihre vertonung beträchtlich. Funktion, die Kultur des Bekannten zu tragen. Originalen Künstlern hingegen Heinz-Klaus Metzger

95 Vienna Art Orchestra Nine /mmortal NonEvergreens for Eric Samstag, Dofphy

7. Oktober Prolog 23.00 UHR, STEFANIENSAAL Die zwei Jazzsängerinnen Anna Lau­ vergnac und Monika Trotz, die seit län• gerer Zeit im Duo arbeiten, stellen verschiedene Themen von Dolphy vor, u.a. "Serene", "Something Sweet", .,Sketches of Melba", "Les", "Hat & Beard" sowie den "Jitterbug Waltz".

Out There (comp. by E. Dolphy, arr. by M. Rüegg) Dieses schnelle Thema von der gleich­ namigen Platte "Out there" charakteri­ Vienna Art Orchestra siert Dolphys Auffassung von Melodik Nine /mmortal NonEvergreens for Eric treffend. Dolphys äußerst virtuoser Dolphy Solopart wird von Dickbauer und Bram­ 1995, UA böck unisono gespielt.

Hat & Beard (comp. by E. Dolphy, arr. Anna Lauvergnac & Monika Trotz by M. Rüegg) vocals Dieses Thelonious Mank gewidmete Matthieu Michel spröde Thema läßt im Original Tony Wil­ Bumi Fian trumpet liams viel Freiraum für sein bravouröses Herbert Joos Spiel über die ungeraden Metren. Dol­ phy zog in seiner konsequentesten Klaus Dickbauer reeds Platte das Vibraphon dem Piano vor, Florian Bramböck reeds weil ihm der Sound des Vibraphons Andy Scherrer reeds offener, vieldeutiger erschien. Die freien Strukturen habe ich zum Claudia Pontiggia frenchhorn Anlaß für ausgedehnte Statements über Christian Muthspiel trombone das Thema und vom Thema weg genommen. Franck Tortiller vibes Uli Scherer piano 245 (comp. by E. Dolphy, arr. by M. Heiri Känzig hass Rüegg) Thomas Alkier drums Dieser Blues mit Dolphys sehnsüchtiger Mathias Rüegg leader, arranger Melodik und an Parker erinnernden Chorussen stammt von Dolphys erster Im Radio: Österreich 1, ZEIT-TON, Platte, .,Outward Sound". Das Arrange­ 10.10.1995, 23.00 Uhr ment bleibt relativ nahe beim Original,

96 wobei Bramböck und Matthieu die Soli­ sten sind.

Miss Ann (comp. by E. Dolphy, arr. by U. '.>cherer) Eines der Paradestücke Dolphys, an das sich auch Braxton & Muhal R. Abrahams im Duo herangewagt haben, wird hier in einer Trioversion mit Dickbauer, Sche­ rer & Tortiller präsentiert.

Gazzelloni (comp. by E. Dolphy, arr. by M. Rüegg) Hinter diesem seltsamen Namen ver­ birgt sich der italienische Flötenvirtuose, von dem Dolphy sichtlich beeindruckt war. Aus dem schnellen, quartenlasti­ gen, 13-taktigen Thema entsteht hier eine längere Suite, wobei weitere The­ men wie „Straight up and down" und „Out to lunch" aus der gleichnamigen Platte verarbeitet werden.

Something Sweet, Something Tender (comp. by E. Dolphy, arr. by M. Rüegg) Das Arrangement dieser Ballade, die von Herbert Joos und Andy Scherrer interpretiert wird (ebenfalls auf „Out to / lunch" zu finden), entfernt sich nicht all­ MATHIAS RÜEGG zuviel vom Original, wobei das Thema am Schluß von den Bässen unisono gespielt wird. Einer der Höhepunkte auf vorliegender Aufnahme. Jitterbug Waltz (comp. by F. Waller, arr. Straight Up & Down by M. Rüegg) In diesem kurzen Fragment von „Out to Dolphy gibt Fats Waller als ersten Jazz­ lunch" versteckt sich eigentlich ein musiker an, von dem er bewußt was Blues. Zuerst spielen wir das Stück in gehört hatte. Jitterbug Waltz ist das ein­ etwa so, wie es vielleicht Mingus zige fröhliche, unbeschwerte Stück, das gespielt hätte (Solist Bumi Fian), dann Dolphy unter eigenem Namen aufnahm. gibt es eine Bebop-orientierte Version Und so wollen wir den Abend auch und am Schluß führt Muthspiel die beschließen. Band wieder an die Originalversion heran. Mathias Rüegg

97 Outward Bound: Dolphy, Freddie Hub­ .. bard (trpt), Jaki Byard (p), George Tucker (b), Roy Haynes (d) Rec. 4/60 OJC Out There: Dolphy, Ron Carter (vc), George Duvivier (b), Roy Haynes (dr) Rec. 8/60 OJC Far Cry: Eric Dolphy, Booker Little (trpt), Jaki Byard (p), Ron Carter (b), Roy Hay­ nes (dr) Rec. 12/60 OJC Out to lunch: Dolphy, Freddie Hubbard (trpt), Bobby Hutcherson (v), Richard Davis (b), Tony Williams (d) Rec. 2/64, Blue Note

VIENNA ART ÜRCHESTRA Quellen .,Eric Dolphy" by V. Simsko + B. Tep­ permann Down Beat, September 1960 Nat Hentoff 1964

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l/8(/:JSf/8S86U91/~V LJnLJ:JS '8 1epe7 BIOGRAPHIEN

Peter Ablinger unter ihnen ist der „Choc"-Preis von Le Monde de la Musique für die CD mit der Geboren 1959 in Schwanenstadt, Ober­ Musik von John Cages, der "Grand Prix österreich. Graphikstudium in Linz, Kom­ du Oisques Academie Charles Clos" und positionsstudium in Graz und Wien bei der "Internationale Record Critics-Preis" Gösta Neuwirth und Roman Hauben­ für ihre Elliott Carter-Aufnahme sowie stock-Ramati. Seit 1982 in Berlin. 1988 der Deutsche Schallplattenpreis für ihre Gründung des Ensembles "Zwischen­ Aufnahme von Henze, Rihm und Xena­ töne". Bis 1992 Leitung des Festivals kis - Streichmusik. „Klangwerkstatt". 1993 Gastprofessur Im Jänner 1991 wurde ihre zweite CD für an der Musikhochschule Graz. die New Yorker Grammavision für den Grammy Award nominiert. Das Arditti Quartet bereitet gerade eine größere Serie von CD's für Disques Montaigne Arditti String Quartet Paris vor, 15 von ihnen sind bereits erschienen. Seit der Gründung durch lrvine Arditti im Jahr 1974 erlangte das String Quar­ tet weltweiten Ruf als ständige Inter­ Robert Ashley preten zeitgenössischer Musik sowie Musik des 20. Jahrhunderts. Von einigen Geboren am 28. März 1930 in Ann Ausnahmen abgesehen, hat das Quar­ Arbor. Studierte Musiktheorie, Klavier, tett bereits mit allen gegenwärtigen Komposition und Akustik an der Uni­ Komponisten dieser Musik gespielt; es versität von Michigan und an der Man­ betrachtet dies als vitalen Beitrag zum hatten School of Music. Er war einer der interpretorischen Prozeß moderner Gründer des ONCE Festivals (1960-1967) Musik. Ziel ist es, Komponisten aller und er unternahm von 1966 bis 1976 Stilrichtungen dazu zu ermutigen, für mit der Sonic Arts Union Tourneen in das String Quartet zu komponieren. Das Amerika und Europa. Von 1969 bis 1981 Arditti Quartet hat "Meisterklassen" in war er Direktor des Center of Contem­ vielen Ländern für Musiker und Kompo­ porary Music am Mills College, Oakland. nisten veranstaltet, und seit 1982 sind Seither lebt und arbeitet er in New York. die Quartet-Mitglieder immer wieder Opern von Robert Ashley: .,in memo­ Tutoren für Streichinstrumente in den riam ... Kit Carson" (1962), "Music with Sommerkursen für Neue Musik in Darm­ Roots in the Aether" (1976), "Perfect stadt. lives" (1980), .,Atalanta (Act of Gods)" Das Schallplattenverzeichnis des String (1982), .,lmprovement (Don Leaves Quartels beträgt über 30 CO's, die welt­ linda)" (1989), "el/Aficionado" (1991), weit erhältlich sind. Viele von diesen „Now Eleanor's ldea" (1992), "Foreign erlangten Preise durch die Weltpresse: Experiences" (1993).

101 Orientzauber '95 Das Tepp1cherc1gnis in Österreich knapp 5000 handgeknüpfte Orientkp­ p,che ,m Gesamtwert von über 100 M,11,onen Schil­ ling.angefangen von alten Kaukasen über feinste Sc,­ denteppiche bis hin zu mo­ dernen Var1at1onen Es gibt kaum e,ne Art, Größe oder Preisklasse. die 111cht beim Orientzauber '95 vertrt::ten wäre. Damit der Besucher nicht den Überblick verliert. sind die Räume thematisch gegliedert und 1m (kosten­ losen) Ausstellungsführer ausführlich beschrieben D,e d1es1ähnge Sonder­ ausstellung ·11 Rah - der Weg der Bacht1an­ Nomaden (Iran)" zeigt Pho­ Europas größte Orientteppich­ tographien des Ethnogra­ phen und Dokumentarfil­ Verkaufsausstellung auf Schloß mers Farhad Varahram Kornberg Zwei moderne Teppichar­ ten, Tollu und Yayla, bilden den Schwerpunkt der Aus­ stellung. Außerdem zu se­ hen: "Wohnkultur· - eine Ausstellung führender stei­ rischer Tischlereien Bis 15. 10. (tägl. 10- 1 Bh) beim Kunstmarkt auf Schloß Kornberg bei Feldbach/Oststeiermark. lnformatipnen unter Tel. 0 31 52/42 00. N CJbi.~Q;J'ff f!lloltani 8010 Graz. Münzgralx:nstr 10

102 Ashley-Ensemble weithin Beachtung. Zuletzt erschien als Mitglieder des Ensembles von Robert eine Kooperation mit dem Dichter Ken­ Ashley neth Goldsmith der Liederzyklus n73 Poems" bei „Lovely Music". Sam Ashley entwickelte einen persönli• Amy X Neuburg ist Komponistin und chen Performance-Stil auf Basis seiner Sängerin. Vor allem in Kalifornien und Vorliebe für schamanistische Mystik. an ihrem Wohnort San Francisco ist sie Sowohl als Sänger als auch als Perfor­ in der Szene zeitgenössischer Musik mance-Künstler in der Szene elektroni­ tätig, beispielsweise mit ihrer Band scher Musik tritt er seit 15 Jahren auf. ,.Amy X Neuburg & Men". Thomas Buckner hat als Tenor mehr als 100 Werke zeitgenössischer Musik urauf­ geführt, von denen die meisten für ihn Jose Luls de Deläs geschrieben worden waren. Als Auf­ traggeber und Interpret bestimmt er die Geboren 1928 in Barcelona. Er studierte (hauptsächlich) amerikanische zeit­ Musik (Violine und Theorie) in seiner genössische Musik mit. Kürzlich erschie­ Heimatstadt, später Komposition und nen zwei CDs ("Full Spectrum Voice" Dirigieren an der Musikhochschule in und "Sign of the Times") mit neuen München und bei Hermann von Wal­ Werken beim Label „Lovely Music". tershausen. 1954 kehrte er nach Spa­ Marghreta Cordero wuchs in einer Fami­ nien zurück. Bis 1957 dirigierte er lie wandernder Musiker in New Mexico Konzerte, in denen er dem spanischen auf. 1992 begann sie, mit Robert Ashley Publikum erstmals Musik von Nano, zu arbeiten. Stockhausen, Berio u.a. vorstellte. 1957 Tom Hamllton arbeitet sowohl als Ton­ entschloß er sich aus politischen Grün• techniker als auch als composer/perfor­ den, Spanien zu verlassen. Er lebt seit mer eigener elektronischer Musik. Als 1960 als freischaffender Komponist in Solist und mit der Gruppe "Act of Fin­ Köln. 1968 bis 1970 war er Mitarbeiter ding" gab er Konzerte hauptsächlich in des Studios für Elektronische Musik an den wichtigsten New Yorker Clubs und der Rijksuniversiteit in Utrecht. Seit in Europa. 1993 ist er als Dozent für Komposition JacqueUne Humbert arbeitet seit 15 Jah­ ren als Sängerin sowie als bildende und Analyse an der Musikfakultät der Künstlerin, insbesonders als Kostüm• Universität von Alcala de Henares bei bildnerin. Sie hat in beiden Bereichen Madrid tätig. mit wichtigen Künstlern zusammenge­ arbeitet, vor allem mit Filmemachern, Choreographen und Komponisten. Pascal Dusapln Joan La Bmbara ist eine der vorrangigen Sängerinnen zeitgenössischer Musik. Geboren am 29. Mai 1955 in Nancy. In Sowohl ihre Interpretationen von Wer­ seiner Jugend spielte er Orgel, doch ken von Komponisten wie Morton Feld­ ohne berufliche Ambition. An der Sor­ man, John Cage oder Robert Ashley, als bonne besuchte er 1974-78 die Kurse auch ihre eigenen Performances finden von lannis Xenakis, der eine starke Fas-

103 winschaft und kulrur gehören zusammen.

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104 zination auf ihn ausübte. Ihr Verhältnis von 50 Einzelstimmen, Uraufführung: wurde später so eng, daß Xenakis ihn März 1995 in Paris durch das Chamber eine Zeit lang als seinen einzigen Orchester of Europe. Dirigent: C. .,Schüler" betrachtete. In Vincennes stu­ Abbado dierte er 1979 bei der Musikwissen­ schaftlerin lvanka Stoianova und begegnete anläßlich eines Seminars Fred Frith Franco Donatoni, der ihm wertvolle handwerkliche Ratschläge gab. Mit 22 Geboren 1949 in England. Jahren erhielt er den Preis der Fondation An der Cambridge Universität war Frith de la vocation und wurde 26jährig Sti­ 1968 Mitbegründer von „Henry Cow". pendiat der Villa Medici in Rom. Dusa­ Während des zehnjährigen Bestehens pin hat heute eine wichtige Stellung in machte die Gruppe zahlreiche Aufnah­ der französischen Musik inne. men und tourte mehr oder weniger regelmäßig durch Europa. Als Improvisator hat er mehrere hundert Konzerte gegeben. von Soloauftritten Silvia Fomina auf selbstgebauten Instrumenten bis zu Auftritten mit großen Gruppen wie der russischer Abstammung, geboren in „company" von Derek Bailey oder der Argentinien, in Deutschland lebend ,.2000 Statues" von Eugene Chad­ 1978-1985 - Erste musikalische Ausbil­ bourne. ,.Guitar Solos". 1974 aufge­ dung in Buenos Aires nommen. bildet einen Meilenstein in 1989-1990 - Stipendiatin des DAAD der Geschichte dieses Instruments. (Deutscher Akademischer Austausch­ Zu seinen kompositorischen Arbeiten dienst) zählen u.a. drei Liederalben mit Gedich­ seit 1989 vom Komponisten György ten von Chris Cutler (als Art Bears) und Ligeti als Privatschülerin aufgenommen Stücke für Gruppen wie Curlew. Aksak 1991 Kompositionsauftrag des WDR, Maboul. Material. Dense Band. Köln (Uraufführung März 1992 in Köln Ist Baßspieler in John Zorn•s „Naked durch das Asko-Ensemble, Holland) City". 1991 Erster Preis bei dem Internationa­ laufende Projekte inkludieren „The len Wiener Kompositionswettbewerb Guitar Quartet" (mit Rene Lussier, Nick unter der künstlerischen Leitung von Didkovsky und Mark Howell), .. stone, Claudio Abbado (Aufführung von „Im Brick, Glass, Wood, Wire" (graphische Halbdunkel" durch das Asko-Ensemble Partitur für alles bis zu 21 Musikern). im Oktober 1992 in Wien) und „Portraits des lnconnus". eine 1993 Auftrag der Berliner Festspiel Installation mit dem Pariser Maler Bea­ GmbH für die Festspiele im September trice Turquand d'Auzay. 1995: .. Permanenza" für mikropolypho­ Der Dokumentarfilm „Step across the nisches, im Raum verteiltes Orchester, border" von Nicolas Humbert und Wer­ bestehend aus 20 Live-Stimmen und ner Penzel, der den Award gewann. einer computerunterstützten Realisation stellt Fred Frith in den Mittelpunkt.

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106 Beat Furrer Musikhochschule Wien bei Wolfgang Schulz und erhielt den Würdigungspreis Geboren am 6. Dezember 1954 in für besondere künstlerische Leistungen Schaffhausen (Schweiz}; erhielt an der vom Bundesministerium für Wissen­ dortigen Musikschule seine erste musi­ schaft und Forschung. kalische Ausbildung (Klavier}. Nach sei­ Eva Furrer hat mit dem Tonhalle Orche• ner Übersiedlung nach Wien im Jahr ster Zürich bei den Luzerner Festwo­ 1975 studierte er an der Hochschule für chen, mit dem ORF-Symphonieorchester Musik und Darstellende Kunst Dirigieren unter Hans Zender und dem Wiener bei Otmar Suitner sowie Komposition Jeunesse Orchester zusammengespielt. bei Roman Haubenstock-Ramati. Seit 1990 ist sie Mitglied des Klangfo­ 1985 gründete er das Klangforum Wien rum Wien. (ursprünglich "Societe de 1' Art Acou­ stique"}. Im Auftrag der Wiener Staatsoper schrieb er seine erste Oper „Die Blin­ den" (ausgehend von Maurice Maeter­ lincks gleichnamigem Stück und Platons Stefano Gervasoni "Höhlengleichnis"}, die bei Wien modern 1989 im Odeon erstmals aufge­ Geboren 1962 in Bergamo (Italien}. Er führt wurde. Unter Claudio Abbado studierte Komposition bei Luca Lom­ gelangte sein Werk „Face de la Chaleur" bardi, Niccolo Castiglioni und Azio für Flöte und Orchester 1991 im Wiener Corghi am „G. Verdi"-Konservatorium in Musikverein zur Uraufführung. Mailand. 1990 besuchte er Kurse von Seit Herbst 1991 ist Furrer ordentlicher György Ligeti. 1992 konnte er, aufgrund Professor für Komposition an der Hoch­ von Stipendien, die er 1988 erhalten schule für Musik und Darstellende Kunst hatte, den Kompositions- und musikali­ in Graz. Seine Oper „Narcissus" wurde schen Informationskurs (1992/93} bei am 1. Oktober 1994 im Rahmen des IRCAM in Paris besuchen, wo er auch „steirischen herbstes" an der Grazer derzeit lebt. Oper uraufgeführt. Er gewann mehrere internationale Preise: So wurde er für die „Internatio• nale Gaudeamus Musik-Woche" 1989, 1990 und 1991 ausgewählt; 1992 für das Eva Furrer .,Forum Junger Komponisten" (Köln}. 1993 erhielt er einen Auftrag vom Flötistin. Geboren 1965 in Judenburg, „Ensemble lnterContemporain" und Österreich. Mehrfach gewann sie einen anderen vom französischen Kul­ „Jugend musiziert"-Wettbewerbe in turministerium. Leoben. Von 1987 bis 1990 war sie Seine Kompositionen - bei Ricordi ver­ Soloflötistin des Gustav Mahler Jugend­ legt - wurden bei zahlreichen Festivals orchesters unter Claudia Abbado. 1988 in Italien und in anderen Ländern auf­ diplomierte sie mit Auszeichnung an der geführt.

107 Sicher ist sicher. HYPO-Pfandbriefe. ■

I.Nd>fS HYPOTH[l([,..lVJio( SlEIER.l.tl.AK 8010GRAZ. RAOETZKVSTRASSE 1S-17 r {Ol16fl0 SH)• Graz • ~M.,r - ~ • FMblctl F~-,.• leitntt• l•1f'l'l• l~• ~ • ~

108 Wolfgang Hattinger 1947-1950 war er Leiter der Musikab­ teilung von Radio Krakau, 1950-1956 in Geboren 1962 in Bruck/Mur. Studien aus Tel Aviv Direktor der Zentralen Musik­ Philosophie, Psychologie und Pädago• bibliothek sowie Professor an der gik an der Universität Graz. Seit 1983 Musikakademie. 1957 kehrte er nach Studium an der Hochschule für Musik Europa zurück, arbeitete zunächst am und darstellende Kunst in Graz. Haupt­ Studio de Musique Concrete in Paris, fächer Komposition (Andrzej Dobro­ wo er wichtige Anregungen durch Oli­ wolski) und Klarinette (Karl vier Messiaen erhielt, und wurde dann Steinwidder); 1990 Kompositionsdiplom Lektor und musikalischer Berater der mit Auszeichnung und Sponsion zum Universal-Edition Wien; in Wien nahm er Mag. art. Mitarbeiter am Institut für Wer­ auch seinen ständigen Wohnsitz. Gast­ tungsforschung und Lehrbeauftragter für professuren in Buenos Aires, .Stockholm Musiktheorie an der MHS Graz; 1992 sowie an der Yale University. 1973 nahm Dirigiermeisterkurs bei Peter Eötvös. er eine Berufung an die Wiener Hoch­ Gastdirigent del Klangforum Wien; 1994 schule für Musik und darstellende Kunst Portraitkonzerte zeitgenössischer Kom­ an, wo er bis 1989 als ordentlicher ponisten für den ORF (Klaus Huber, Hochschulprofessor eine Klasse für lsang Yun); 1995 Organisator und Pro­ Komposition leitete. Neben der Kompo­ grammgestalter von „open music", sitionstätigkeit widmete sich Hauben­ einer Konzertreihe für heutige Musik in stock-Ramati der Entwicklung neuer Graz. CD-Einspielung „A lo Nuevo" mit Notationsformen und der ~usikgraphik. dem „Quinteto Tango". Träger des Staatspreises für Musik. Werke für Kammerensembles, Chor, Orchester, Elektronik und radiophone Arbeiten. Auftritte als Komponist, Instru­ Robert Rainer Höldrich mentalist und Dirigent. Rundfunk- und Fernsehproduktionen. Geboren 1962 in Linz. Wissenschaftliche Arbeiten (u.a . .,Wenn 1983 · 1991 Studien in Graz (Komposi­ sich einer kratzt, ohne genau zu wissen, tion, Elektrotechnik). wo es ihn juckt. Bemerkungen zur Post­ Arbeitet am Institut für Elektronische modernediskussion." Veröffentlicht in: Musik Graz. Otto Kolleritsch (hrsg.), Studien zur Wer• tungsforschung Bd. 26.) Philipp Jeck

Roman Haubenstock-Ramati Philipp Jeck wurde in visueller Kunst am Dartington College für Kunst in Devon, Geboren am 27. Februar 1919 in Krakau; England, geschult. In den frühen acht­ studierte dort Musikwissenschaft und ziger Jahren begann er Komposition mit Philosophie sowie Komposition bei Kassettenrekordern und Bändern zu Artur Malawski und nahm dann noch erforschen. Unterricht bei Jözef Koffler in Lemberg. Seither spielt er Konzerte in Europa, oft

109 Hef188 Musik-Kon:z:c~e Claudlo Monteverdi Sonderband Um die Geburt der Oper Darmstadt• etwa 100 Seiten, DM 24.-· Dokumente öS t87,·/ sfr25, · 1 ISBN 3·68377·495·2 Musik-Konzepte • 88 :=c-..; V) Claudlo ~_:: ::, "' Monteverdl ;.. Um die Geburt • "C ·.; der Oper :i:: C 0 > C Cl> .0 Cl> CJ) Sonderband Cl> Darmstadt-Dokumente CJ) V) Band 1 e::, Cl> etwa 330 Seiten, :i:: ca. DM 60.·· ca. öS 468.··/ str 61,·· • ISBN 3·68377·487·1 Heft 89/90 Plerre Boulez etwa 150 Seiten. DM 36, •• Musik-Konzepte öS 281.-·/ sfr 37.-· 87 ISBN 3·88377·506·1 Johann =·~ Sebastian Bach Musik-Konzepte Der a::_ __ _ 89/90 C Choralsatz als Pierre ~ i musikalisches Boulez -~ 'i: Kunstwerk 0 D, E ==.. GI .a ::, Hef187 GI .c Johann Sebastian Bach Der Choralsatz als ·;; musikalisches Kunstwerk 11111:: Verlag GI 11 2 Seiten. DM 24.·· edltlon text + krltlk öS 187,··/ sfr 25.·· Levellngstraße 6a Ä ISBN 3·68377-494·4 81673 München

110 ---- mit der Tänzerin/Choreographin Laurie Ein Stipendium der Studienstiftung des Booth zusammen (Gastspiele und Deutschen Volkes ermöglichte ihm Tourneen). Jeck trat bei Festivals in einen Studienaufenthalt in Paris am For­ Gent, Salzburg und Freiburg, sowie im schungszentrum IRCAM. Dort war er in Kanal 4 TV und BBC 2 TV auf. Er arbei­ dieser Zeit Schüler von Vinko Globokar, tete mit dem Visual-Künstler Lol Sargent in Köln von Hans Ulrich Humpert (elek­ beim Vinyl Requiem (eine Aufführung tronische Musik). mit 180 Kassettenrekordern und zwölf Sein erstes Engagement als Dirigent Videoprojektoren sowie zwei Filmpro­ führte Johannes Kalitzke 1984 an das jektoren) zusammen und gewann in Gelsenkirchener „Musiktheater im Time Out (London) den "Performance"­ Revier", wo er in den Jahren 1988 bis Preis 1993. ,,Vinyl Requiem" wurde beim Sommerfestival am 25. und 26. August 1990 Chefdirigent war. Darüber hinaus 1995 in Hamburg gezeigt. Außerdem übernahm er dort 1986 die Leitung des arbeitete er mit der Violonistin Sianed ,,Forums für Neue Musik" in der Nach­ Jones bei „Glimmer to gleam" (eine Auf• folge von Carla Henius. Seit 1991 ist er führung für 30 Plattenspieler und Violi­ außerdem künstlerischer Leiter und Diri­ nen) zusammen. gent des Ensembles für Neue Musik des Seine Solo-CD „Loopholes" erschien Landes Nordrhein-Westfalen „Musikfa• kürzlich bei Touch Label. brik". Außerdem ist er regelmäßig als Gastdirigent bei Ensembles und Sinfo­ nieorchestern tätig. Als Komponist ver­ G.X. Jupitter-Larsen zeichnet Johannes Kalitzke Erfolge mit Ensembles wie London Sinfonietta, Eigene Berufsbezeichnung: Artist and Ensemble lntercontemporain, Klangfo­ Noisecian. Circa 250 Aufführungen rum Wien und Orchestern wie Sinfonie­ während der letzten Jahre hauptsächlich orchester des SWF. Er arbeitet zur Zeit auf Bühnen und im Radio. Beschäftigt an einer Oper, ,,Moliere oder die Henker sich seit Jahren mit Geräusch, Rauschen, des Komödianten", eine Auftragsarbeit Lärm, Abfall, Störung als Kunst und in für das Land Schleswig-Holstein. Kunst. Veröffentlichte dutzende Tonträ• ger. Arbeitet seit drei Jahren als Sound- Designer von Survival Research Laboratories. Klammer&Grilndler Duo

Seit 1983. Strukturiert-improvisiert-elek­ Johannes KaUtzke troakustische Musik. Konzerte in Europa und den USA. Geboren 1959 in Köln. Nach dem Abitur Seppo Gründler: (midi)guitar, low-bud­ studierte er an der Kölner Musikhoch­ get midi and signal processing (samp• schule Klavier bei Aloys Kontarsky, Diri­ ler/synthesizer, computer, machines) gieren bei Wolfgang von der Nahmer Josef Klammer: (midi)drums, alternative und Komposition bei York Höller. midi-controllers (sampler/effects)

111 ie Kugd roll!. Der .Rou~e & Notr·· DSekt prickelt. Der Jackpot fällt. Ob in der Caslno-Unroc!c r am Spkltlsch. Ob rustikal nm olTcncn Kamin oder feudal Im ralats Ester· hazy. Sie mac'hcn Ihr Sptcl In cxkluSl\'Cr Atmosphäre. Bel Roulelle. llaccar.1. lllark Jack. Poker. Red Dog. ~:uropcan$t\·cn Eleven. Sie ßo. Glücksrad und Splclau1omatrn mit dem MEGA­ Austrta·Jnckpol. llm6S 260.-crhaltcn Sie ~rü.ßun~~.Jetons tm Wrrt von öS 300.-. C, CASINOS AUSTRIA l2x In Östmtich CASl"-0 BAOU CASJ:'iO BADGA.Sltl't • CASlliO BRt.Gt:fl · CASl'(O GIIAZ • CASl,O '"!fSBlll'CI · CASl,-0 IITT'llCHtL C\.St'iO Xt.tL,.rALStatAl. • CASl.'(0 LI!I! CASl'iO SAUBl!IIG • CAsi,o surtLD · (ASL,o \'tll)['I • CASolS.) WJU

Olga Neuwirth seit 1995 bei R1cord1

In Graz Akroate Hadal (1995) für St reichquartett/ UA; Gro~ Mus,kp rotokoll. 4.10.95

Nöct,ste Uraufführung Vampyrolheone ( 1995) für drei Ensembleformationen mit 3 Solisten / UA' Donaueschingen. Musiktage. 22.10.95

George Lopez ------

in Graz Balztanz und Fahneneid ( 1995) für Via SOIO, VI .. 2 Vc. und Kb./ UA Essen. tGNM-WellmJsktoge. 25 6 1995

Nöchste Uraufführung Scene aux chomps / Morche au supplice (1995/96) fur Ensembto / w,en. 18.3.1996

w~~ve,,og G lkOi'OI & Co ~()Sf1o6o 0. (}-a5622 fet,o;ICf'len t) Mt.,x:neri Tel (•4Q89 Q9 15 0:).-0, Fc.o: W3 88 !,9) RICORDI

112 Klangforum Wien Auseinandersetzung mit Elektronischer Musik und computerunterstützter Kom­ 1985 von Beat Furrer gegründet, ist position, ausgehend von Arbeiten am inzwischen das wichtigste Solistenen­ Institut für Elektronische Musik Graz. semble für zeitgenössische Musik in Lehrauftrag für Harmonielehre und Ton­ Österreich. Spartenüberschreitende Pro­ satz an der Musikhochschule Graz. Auf­ jekte mit Tanz, Bildender Kunst und führungen verschiedener Werke im In­ Literatur sowie regelmäßige didaktische und Ausland. und animatorische Arbeit gehören ebenso zum Selbstverständnis des Ensembles wie die kontinuierliche Kon­ Robert Lepenik zerttätigkeit in den wichtigen Musik­ zentren. Seit der Saison 1993/94 Geboren 1966 in Graz gastiert das Klangforum Wien auf den Gitarrenstudium am Konservatorium großen Podien der Musik (Salzburger Graz Festspiele, Centre Pompidou Paris, Wie­ 1986 • 1994 Studium (Klassische Gitarre ner Festwochen, Biennale Venedig, Wien und Instrumentalpädagogik) an der modern, steirischer herbst, Huddersfield Hochschule für Musik und darstellende Festival, Festival Witten, Darmstädter Kunst Graz. Ferienkurse für Neue Musik). Konzerte etc. als Gitarrist in diversen Als österreichisches Ensemble, dessen Rockbands (S.K., Blow, Marketender, Kern aus 16 Musikern besteht, möchte das Klangforum Wien eine intensive Privat Curtain, Red Lake, Unserious Auseinandersetzung mit dem unmittel­ Acoustic Comix) bar zeitgenössischen Schaffen realisie­ Gitarrist und Komponist der Hardcore­ ren - unter dem Blickwinkel rein band „Fetish 69" qualitativer Orientierung, um damit den Werken der Modeme ein Forum authen­ tischer Aufführungspraxis zu bieten sowie einer interessierten Öffentlichkeit verbindliche Möglichkeiten der Rezep­ George L6pez tion zu vermitteln. Geboren am 30.11.1955 in Havanna (Kuba), 1960 in die USA ausgewandert, Bernhard Lang in New York City und Chicago aufge­ wachsen. Erste Kompositionsversuche Geboren am 24. Februar 1957 in Linz. ab 1970, durch die Musik von lves, Mah­ Philosophie- und Germanistikstudium, ler, Berg, Messiaen, Stockhausen und Jazztheorie- und Klavierstudium. Har­ Xenakis angeregt. monielehre- und Kompositionsstudium Musikstudium in Kalifornien 1971-1975, bei A. Dobrowolsky, Kontrapunkt bei H. danach Vernichtung fast aller früheren M. Pressl. Wesentliche Anregungen Arbeiten. durch Begegnungen mit Gösta Neuwirth. 1976 Aufenthalt in Chicago (Fabrikar-

113 lirazer Messe ~ International ~

beiter), danach in den Bundesstaaten Alvin Luder ldaho und Arizona. Im Frühjahr 1977 Umzug nach Portland Alvin Lucier gründete 1966 zusammen (Oregon), Film- und Videoarbeiten. mit den Komponisten Robert Ashley, Im Frühjahr 1983 Umzug nach dem David Behrman und Gordon Mumma die Methow Va lle im Norden des Bundes­ „Sonic Arts Union". Lucier ist einer der staates Washington (einer verhältnis• Pioniere der zeitgenössischen musikali­ mäßig einsamen und unerschlossenen schen Komposition und Aufführung. In Gegend an der Ostseite der Kaskaden­ den letzten Jahren ist er mit einer Serie kette). Forst- und Landarbeit, intensive von Sound-Installationen sowie mit Beschäftigung mit Umweltpolitik. Kompositionen für Solo-Instrumente, Ab 1987 längere Aufenthalte in Deutsch­ Kammerensembles und Orchester her­ land, im Herbst 1990 Umzug nach vorgetreten. In diesen Werken werden Europa, wohnt seit Herbst 1991 im Möll­ durch genaues Stimmen Klangwellen in tal (Oberkärnten, Österreich). Aufführungen in Europa, ebenso Förde• räumliche Bewegung versetzt. Alvin rungen (Akademie der Künste, Berlin; Lucier arbeitet in Nordamerika, Europa Siemens-Stiftung; Paul-Sacher-Stiftung, und Asien. 1989 installierte er sein Basel; Heinrich-Strobel-Stiftung des ,,Music on a Long Thin Wire" in Kyoto. Südwestfunks; österreichisches Staats­ 1990 war er sechs Monate lang Gast des stipendium 1995). DAAD in Berlin und 1992 Gastkomponist

114 beim Festival „nme Of Music" in Viita­ heim Zobt. Wesentliche Anregungen saari, Finnland. durch die Begegnung mit Adriana Hölszky. Auslandsaufenthalt am „Con• servatory of Music" in San Francisco bei lsabel Mundry Elinor Armer. 1993/94 Studium bei Tristan Murail in Geboren 1963 in Schlüchtern, aufge­ Paris sowie am IRCAM. Jurymitglied der wachsen in Berlin. 1983-1991 Komposi­ „Münchner Biennale für Neues tionsstudium an der Hochschule der Musiktheater" 1994, Aufträge von und Künste Berlin bei Frank Michael Beyer Aufführungen bei: (u.a.) Wiener Fest­ und Gösta Neuwirth, gleichzeitig Bele­ wochen, Musikprotokoll Graz, Stuttgar­ gung der Fächer Musikwissenschaft, ter Tage für Neue Musik, Arditti Streich­ Kunstgeschichte und Philosophie an der quartett, Donaueschinger Musiktage. TU. Anschließend Kompositionsstudium an der Musikhochschule in Frankfurt a. M. bei Hans Zender. Von 1992 bis 1994 Christian Ofenbauer in Paris, zunächst als Stipendiatin an der Cite des Arts, dann am lrcam im Geboren am 24. März 1961 in Graz. Stu­ Rahmen eines Informatik- und Kompo­ dium an der Wiener Musikhochschule sitionskurses. bei Herbert Tachezi (Orgel), Alfred Uhl Lehraufträge für Musiktheorie seit 1986, (Tonsatz) und Friedrich Cerha (Kompo­ zunächst an der Berliner Kirchenmusik­ sition), Privatstudien zur Aufführungs• schule, von 1991 an der Hochschule der Künste Berlin. Zur Zeit kompositorisch praxis Alter Musik mit Josef Mertin, 1986 tätig in Wien sowie Lehrtätigkeit in Ber­ Studienaufenthalt in Paris (Kontakte zu lin. Pierre Boulez), 1988 Abschluß des Stu­ Die Kompositionen wurden u.a. vom diums mit dem Magister Artium. Kon­ Ensemble Modern, Klangforum Wien, zerte und Rundfunkaufnahmen als Ensemble Recherche, Musikfabrik Nord­ Organist und Komponist im In- und Aus­ rheinwestfahlen sowie Ensemble Reso­ lan~, 1982-1987 Titularorganist an der nanz der Jungen Deutschen Philhar­ Votivkirche, 1983-1987 intensive Zusam­ monie interpretiert. menarbeit mit Theater Angelus Novus (u.a. 1987 Produktion „ Tod des Hektor" mit 12-stündiger Aufführungsdauer), seit Olga Neuwirth 1986 als Gastdozent an verschiedenen Hochschulen und Universitäten im In­ Geboren 1968 in Graz. Kompositions­ und Ausland tätig, ab 1989 Lehrauftrag workshops bei Hans Werner Henze und an der Wiener Musikhochschule für Gerd Kühr (1983-1986). Kompositions­ Satzlehre, Gehörbildung und Formana­ studium an der Hochschule für Musik in lyse. Wien bei Erich Urbanner (Magisterium 1991-92 Gastprofessur an der Universität 1993) sowie am Elektroakustischen Gießen (Seminare über „Die Oper als Institut bei Dieter Kaufmann und Wil- Ort des Theaterwissenschaftlers" und

115 szenisches Projekt "Fatzermaterial von sischer Musik bis zur neuesten Avant­ Bertold Brecht"); garde reicht. Aufträge: ORF. Wiener Konzerthausge­ Auch Ausflüge in die Oper (Zemlinskys sellschaft. Gesellschaft der Musik­ Florentinische Tragödie und Der Zwerg freunde Wien. steirischer herbst Graz, unter Gerd Albrecht im Theater an der Festival Wien Modem. Konzerte und Wien. Bernsteins A Quiet Place unter Rundfunkaufnahmen als Organist und der Leitung des Komponisten in der Komponist im In- und Ausland. Mitglied Wiener Staatsoper, sowie Schrekers Die des Ensembles „die reihe". Seit 1994 Gezeichneten bei den Wiener Festwo­ Gastprofessur für Komposition am chen 1989) hat das ORF-Symphonieor­ Mozarteum. chester unternommen. Im September 1989 übernahm der 1945 in Israel geborene. in den USA ausge­ ORF-Symphonieorchester bildete Pinchas Steinberg die Chefdiri­ genten-Stelle des Orchesters. Mit ihm unternahm es seine erste Japan-Tournee 1969 im Zuge der Reorganisation des (1991) sowie im März 1992 eine Spa­ österreichischen Rundfunks gegründet. nien-Tournee. löste das ORF-Symphonieorchester das bis dahin bestehende Große Rundfunk­ orchester ab und übernahm auch die besten Musiker aus anderen Formatio­ Gerard Pesson nen der verschiedenen österreichischen Rundfunkstudios. Erster Chefdirigent 1958 in Torteron (Cher) geboren. Stu­ wurde Milan Horvat. der die vom ORF dierte Literatur und Musikologie in gestellte Zielsetzung. ein leistungsfähi• Paris, Orchestration (bei Marius Con­ ges Symphonieorchester primär für die stant). Analyse (bei Betsy Jolas) und speziellen Aufgaben des Rundfunks - Komposition (bei lvo Malec). Komposi­ zumal im Bereich der nationalen und tionspreise (u.a. in Toulouse). Studien­ internationalen Musik des 20. Jahrhun­ aufenthalt in der Villa Medici in Rom derts - aufzubauen, schnell erfüllte. (1990-92). Gründung der Zeitschrift Neben Horvat. der 1975 durch den jun­ „Entretemps". Als Produzent tätig bei gen Finnen Leif Segerstam abgelöst Radio France. Dozent für Analyse am wurde, wirkten namhafte Dirigenten wie Konservatorium in Vitry-sur-Seine. Ernest Bour, Bruno Maderna. Wolfgang Sawallisch. David Oistrach. Vaclav Neu­ mann. Carl Melles, Gerd Albrecht. Lam­ Dimitrios Polisoidls berto Gardelli. Michael Gielen. Christoph von Dohnanyi, Charles Mackerras. Geor­ Geboren 1961 in Thessaloniki/Griechen­ ges Pretre. Argeo Quadri. Jerzy Semkow land. Violinstudium in Thessaloniki bei u.a. Dani Dossiou und in Graz bei Christas Mit dem dritten Chefdirigenten Lothar Polyzoides. Violastudium bei Herbert Zagrosek (1982-1986) wurde ein breites Blendinger. 1989-1993 Stimmführer der Repertoire erarbeitet. das von vorklas- Bratschen im Grazer Philharmonischen

116 Orchester. Seit 1982 intensive Beschäf• Musik Stuttgart, bei verschiedenen Pro­ tigung mit Neuer Musik und Improvisa­ jekten in Schottland, Deutschland und tion. Dänemark. Kompositionsaufträge u.a. Seit 1993 Mitglied des „Klangforum Hebrides Ensemble (Schottland), Jacob­ Wien". Gründungsmitglied des Contrast son Prize Commission (Wales), Heidel­ Trio und Atelier Instrumental (CD-Pro• berg Festival Ensemble, Zanfonia duktion mit österreichischen Komponi• (London). Aufführungen der SDR, HR, sten 1993). Zahlreiche Plattenaufnah­ SR und WDR. men und CD·Einspielungen. Busoni Förderpreis 1995 der Akademie der Künste, Berlin. Zur Zeit wohnt sie abwechselnd in Winfried Ritsch Schottland und Deutschland und hat drei Monate des Jahres beim Kompo­ Geburt und Kindheit in Tirol. Studium nieren in New York verbracht. Elektrotechnik-Toningenieur (TU Graz). Beschäftigt als Assistent am Institut für Elektronische Musik an der Musikhoch­ Gunter Schneider schule Graz. Gründung des Klangateliers Algorythmics. Geboren 1954. Studierte Gitarre und Beschäftigung mit dem Medium Radio, Musikwissenschaft in Innsbruck, unter­ Realisation von Performances, Installa­ richtet an der Hochschule für Musik und tionen und Skulpturen zu diesen The­ darstellende Kunst in Wien. Improvisa­ men. Arbeiten an telematischen tor, Interpret Neuer Musik mit Ensemble Projekten (Netzwerke). Modern Frankfurt, Klangforum Wien, CALL BOYS INC., Burkhard Stangls MAXIXE, K&K-Experimentalstudio, Radu Rebecca Saunders Malfatti, Barre Phillips, Malcolm Gold­ stein, Robert Dick. Duo mit Ehefrau Bar­ Geboren 1967 in London. Musikstipen­ bara Romen. Zusammenarbeit mit diatin an der Universität Edinburgh in Komponisten von Ager bis Zwetkoff. Schottland 1991-1994, Hauptfach Geige. Mehrere haben für ihn Stücke geschrie­ Studierte Komposition bei Nigel ben, u.a. Gerold Amann, Fernando Osborne und bei Wolfgang Rihm (an der Grillo, Dieter Kaufmann, Werner Pirch­ Hochschule für Musik Karlsruhe: 1991/92 ner, Haimo Wisser. Fraser Schorlarship; 1992-1994 DAAD­ Stipendiatin). 1994-1997 „Premier" Dok­ torandenstipendium der Edinburgh Wolfram Schurlg Universität (seit Oktober 1994). Aufführungen u.a. bei Frankfurt Feste, Geboren am 30. Dezember 1967 in Blu­ lllingen Festival, bei der ECAT series in denz (Vorarlberg). Nach Absolvierung Scotland, bei der Portobello Concert des Musikgymnasiums in Feldkirch Lehr­ Series in London, Heidelberg Festival, amtsstudium (Blockflöte) am dortigen Arbeitstagung Darmstadt, Tage für Neue Konservatorium (1989 Lehrdiplom). Ab

117 1989 Blockflötenstudium bei Kees ihrer Ausbildung und Berufsausübung Boeke an der Musikhochschule Zürich intensiv mit zeitgenössischer Musik (1993 Konzertdiplom), Komposition bei befaßt haben. ,,szene instrumental" ist H.-U. Lehmann. 1992-1993 Kompositi­ dennoch kein Spezialistenensemble, da onsstudien bei Helmut Lachenmann alle Beteiligten auch in Orchestern und (Musikhochschule Stuttgart), Preisträger Ensembles tätig sind, die sich der klas­ beim Kompositionswettbewerb des sisch-romantischen Tradition widmen. WDR Köln, Stipendiat der Villa Musica in Mainz. 1994 Staatsstipendium des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst. Aufführungen seiner Werke in Köln, Dresden, Wien, Berlin, Bologna, Arturo Tamayo Lugano, Zürich u.a. Rundfunkaufnahmen beim ORF, WDR und SFB. Geboren in Madrid. Dort zunächst Stu­ dium an der juridischen Fakultät, ab 1964 dann Musikstudium am Königli• chen Konservatorium in Madrid (Klavier, Genevieve Strosser Schlagzeug, Musiktheorie, Komposi­ tion). 1969 Dirigierkurs bei Pierre Bou­ Seit ihrer Ausbildung in Strasbourg und lez, 1970 Studienabschluß in Madrid mit Paris spielt die Bratschistin mit Ensem­ Auszeichnung. 1971 Übersiedlung nach bles wie ltineraire, Ensemble lntercon­ Freiburg/Baden. Besuch der Staatlichen temporain und dem Chamber Orchestra Hochschule für Musik (Komposition bei of Europe mit Dirigenten wie Pierre Bou­ Wolfgang Fortner und Klaus Huber, Diri­ lez, Hans Zender, Claudia Abbado, Niko­ gieren bei Francis Travis). 1976 Dirigier­ laus Harnoncourt, Sir Georg Solti. Das kurs bei Witold Rowicki in Wien. Viola-Konzert von Stefano Gervasoni ist Von 1977 an rege Konzerttätigkeit und zahlreiche Rundfunkproduktionen, ihr gewidmet. besonders im Bereich der Neuen Musik. Zusammenarbeit mit allen bedeutenden europäischen Orchestern, Auftritte bei verschiedenen Festivals (Donaueschin­ szene Instrumental gen, Musikprotokoll, Schwetzingen, Ber­ liner Festwochen, Frankfurter Feste, Das Ensemble wurde 1994 von Wolf­ Wien Modem u.v.a.). Dirigiertätigkeit gang Hattinger für die Gestaltung von u.a. an der Deutschen Oper Berlin, der ORF-Komponistenportraits gegründet Pariser Oper, der Wiener Staatsoper und und war von Beginn an als Projekten­ am Teatro Lirico Nacional in Madrid. semble konzipiert. Aus einem Pool von Während der letzten Jahre dirigierte Musikern werden die unterschiedlich­ Arturo Tamayo u.a. Konzerte mit dem sten Kammermusikbesetzungen zusam­ RSO Berlin, der Basel Sinfonietta, dem mengestellt. Das Ensemble umfaßt nun Orchester der RAi Mailand, dem ORF­ etwa 25 Musiker/innen, die allesamt Symphonieorchester, dem Orchestre dem Umfeld der Grazer Musikhoch­ Philharmonique de Radio France und schule entstammen und sich im laufe dem RSO Stuttgart.

118 Vienna Art Orchestra

1977 begann mit einem klassischen Subkultur-Konzert im Wiener Lokal der Musikverlag Boosey & Hawkes Jazz-Gitti die Karriere des von Mathias Rüegg geleiteten VAO. Die 1979 ver­ NEUE WERKE öffentlichte Platte „Tango From Obango" fand Beachtung und von da an wuchsen Reputation und Repertoire. Louis Andriessen Tourneen führten das Orchester rund Zilver um die ganze Welt. Mit den Plattenver­ für Kammerensemble öffentlichungen „Suite for the Green Harrison Birtwistle Eighties" (1982), .,From No Time to Rag The Cry of Anubis Time" (1983) und „The Minimalism of für Tuba und Orchester Erik Satie" (1984) zeichnete sich die eklektizistische Linie des Orchester­ Panic für Saxophon, Schlagzeug repertoires virtuoser, verfremdender und Orchester Bearbeitungen ab. Die wichtigen Jazz. preise, die wichtigen Jazzfestivals, die Elliott Carter wichtigen Schallplattenpreise wurden Adagio Tenebroso vom VAO im laufe der mittlerweile fast für Orchester zwanzigjährigen Existenz erobert. Als die seit Jahren bedeutendste Groß• UnsukChin formation im österreichischen Jazz for­ Fantaisie mecanique für fünf Instrumentalisten muliert das VAO immer wieder neue Blicke und Perspektiven auf Tradition York Höller und Widerspruchsgeist. Nach (u.a.) Jelly Aura Roll Morton, Erik Satie, Charles Mingus, für Orchester Franz Schubert, Duke Ellington gilt die Auseinandersetzung des Herbst '95-Pro­ Steve Reich jekts Eric Dolphy. Cityllfe für Ensemble

Wolfgang von Schweinitz Wir aber singen (Hagener Fassung) für Cello und Orchester

Justus-v.-Liebig-Str. 22, 53121 Bonn, Tel. 0228-9886951, Fax 0228-9886911 Österreich: Thomas-Sessler-Verlag, Bösendorferstr. 4, A-1010 Wien

119 Das musikprotokoll '95 wird unterstützt von:

steirischer herbst '95

- '1/i,J~ ~ llllla11B IDIIII AUTOREN, KOMPONISTEN UND MUSIKVERLEGER

HIERKU~ Die Versicherung V für gesunde Egoisten

AKADEMIE GRAZA

Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung, Kunst

UiUiIThe British Council

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