Der Mord an Dr. Erich Klausener SS-Scherge erschoss den ehemaligen Adenauer Landrat 1934 in

Günther Schmitt

„Suchen Sie Klausener und erschießen Sie ihn.“ terialdirektor Klau- Sieben Worte von , seit 1934 sener. Langsam steigt Chef der Gestapo und später dann des Reichs- Gildisch die Treppe sicherheitshauptamtes, bedeuteten am 30. Juni hinauf und begegnet 1934 das Todesurteil für Dr. Erich Klausener, der Klausener, der sich vor 125 Jahren am 25. Januar 1885 in Düssel- soeben die Hände dorf geboren wurde. gewaschen hat. Klau- Erich Klausener galt als zentrale Figur des ka- sener sieht Gildisch tholischen Kirchenkampfes. Er war Vertrauter und erkennt zweifel- von Vize-Kanzler und von los sofort die Bedro- 1917 bis 1919 Landrat des damaligen Kreises hung. Einen Stock Adenau. Heute erinnert ein Bild im Ahrweiler höher, im Büro des Kreishaus an den Mann, der im Zuge des soge- Ministerialdirigenten Dr. Erich Klausener nannten Röhm-Putsches 1934 von einem SS- Othmar Fessler, läu- (1885-1934) Schergen hinterrücks gemeuchelt wurde – in tet das Telefon. Es ist seinem Dienstzimmer im Berliner Verkehrsmini- Klausener, seine Stimme klingt ängstlich: „Kom- sterium, sechs Tage nach seiner letzten Rede als men Sie bitte sofort zu mir.“ Fessler verlässt etwas Vorsitzender der Katholischen Aktion im Berli- erstaunt sein Büro, aber es ist schon zu spät. ner Hoppegarten. Vor rund 60 000 Teilnehmern Gildisch ist in das Zimmer von Klausener ge- hatte er sich in seiner Ansprache leidenschaftlich treten, und als Klausener sich, erstaunt darüber, gegen die Ausgrenzung von Menschen anderer verhaftet zu werden, umwendet, um seinen Hut Weltanschauungen durch die Nationalsozia- zu nehmen, schießt Gildisch. Ein Schuss in den listen ausgesprochen. Kopf. Dann ergreift er das Telefon, erstattet kurz Damals wurden neben führenden SA-Leuten Bericht und bittet um weitere Befehle. Selbst- auch konservative und christliche Gegner be- mord vortäuschen. Also drückt er Klausener seitigt. Mit Dr. Klausener wurde der führende seine Pistole in die Hand. Gildisch verlässt den Kopf der Katholischen Aktion ausgeschaltet, die Raum, sieht sich nicht einmal mehr um, hört sich u. a. für den Erhalt der christlichen Fami- aber noch den Amtsdiener mit entsetzter Stim- lie, die katholische Schulerziehung, die soziale me zu Fesseler sagen: „Der Herr Direktor hat Gestaltung des Wirtschaftslebens, Förderung der Selbstmord begangen, er hat sich eine Kugel in katholischen Presse, aber auch gegen Nationa- den Kopf gejagt.“ lismus und Kommunismus einsetzte. Bei einer Pressekonferenz führt Innenminister Der Mörder war der SS-Hauptsturmführer Kurt Hermann Göring den Vorfall neben anderen Gildisch, der von Heydrich am 30. Juni 1934 den Taten als „bedauerlichen Irrtum“ an. Insbe- verhängnisvollen Befehl erhielt. sondere von katholischer Seite gab es empörte Was dann geschah, hat der französische Histo- Proteste. Juristisch wurde von der Familie eine riker Max Gallo in seinem Buch „La nuit des Schadensersatzklage gegen das Deutsche Reich longs couteaux“ (Die Nacht der langen Messer) und das Land Preußen erhoben. Es erfolgten rekonstruiert. jedoch erhebliche Repressalien. So wurden die 13.00 Uhr: Vor dem Reichsverkehrsministerium mit der Sache betrauten Anwälte Werner Pün- fragt SS-Hauptsturmführer Gildisch nach Minis- der und Erich Wedell in sogenannte Schutzhaft

Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2011 u 195 verbracht. Und: Ein Vetter von Klausener, Leo Statz, Düsseldorfer Fabrikant, wurde später, am 1. November 1943 von den Nationalsozialisten nach einem Urteil des Volksgerichtshofes unter Vorsitz von Roland Freisler wegen „Wehrkraft- zersetzung“ ermordet. Während am 30. Juni 1934 Gildischs 18-köp- figes Mordkommando die Mordlisten abarbei- tete, die die Gestapo von Göring schon vor Wo- chen erhalten hatte, servierten livrierte Lakaien Göring und Himmler Getränke. Zeitsprung Beinahe wäre der Mord an Klausener unge- sühnt geblieben. Doch wurde 1949 dem damals 45-jährigen Gildisch seine Prahlerei zum Ver- hängnis. Im Jahr der Gründung der Bundesre- Klauseners Mörder: SS-Mann Kurt Gildisch publik Deutschland wurde er an einem Berliner (2. v.r.) Bahnhof von einem alten Bekannten erkannt, vor dem er sich 1934 des Mordes an Erich Klau- (1. Juli 1933), SS-Obersturmführer (1. Septem- sener gebrüstet hatte. Der Mann zeigte den ehe- ber 1933), SS-Hauptsturmführer (9. November maligen SS-Mann, der im Zweiten Weltkrieg zur 1933) ernannt worden. Division Nordland gehört und ein Bein verloren Gildisch wurde vergessen. Erich Klausener je- hatte, bei der Polizei an. Gildisch wurde verhaf- doch zu Recht nicht. tet und nach einem Verfahren beim Landgericht Berlin in den Jahren von 1951 bis 1953 vom Erinnerung an Dr. Erich Klausener Schwurgericht Berlin am 18. Mai 1953 wegen Das Adenauer Gymnsium trägt seinen Namen Mordes an Erich Klausener zu einer Zuchthaus- und hält die Erinnerung an ihn wach. Zu Eh- strafe von 15 Jahren verurteilt. Die lange Haft ren von Klausener gab die Deutsche Bundes- blieb ihm erspart, er starb noch im selben Jahr. post am 8. Mai 1984 eine Briefmarke heraus. Die Stadt Berlin erinnert an Klausener mit einer Die Karriere eines Mörders Gedenktafel in der Keithstraße 8 im Bezirk Berlin 1925 trat Kurt Gildisch (Jahrgang 1904) in die Tempelhof-Schöneberg sowie in der Behrenstra- Berliner Schutzpolizei ein. Nachdem sein Ruf ße im Bezirk Mitte. Auch haben etliche Städte in dort bereits seit einigen Jahren aufgrund von Deutschland Straßen, Plätze oder wie in Adenau, starker Unachtsamkeit und einem Hang zum Schulen nach ihm benannt. Alkohol gelitten hatte, wurde er 1931 wegen Es gibt heute bundesweit den Klausener-Bund, Verbindungen zur NSDAP entlassen. eine Gesellschaft zur Pflege christlicher Welt- Nach seinem Ausscheiden aus der Polizei trat anschauung. Das passt wieder zu Adenau, denn Gildisch der NSDAP offiziell bei (Mitglieds- die Bürger der einstigen Wirkungsstätte des dor- nummer 690762). Nachdem er kurzzeitig der tigen Landrates halten ihn hoch in Ehren – auch Sturmabteilung (SA) angehört hatte, trat Gil- wegen seines Eintretens für den katholischen disch Ende 1931 in die Schuttstaffel (SS) ein Glauben. Da passt es nur zu gut, dass auch eine (Mitgliedsnummer 123138). Im April 1933 wur- mögliche Seligsprechung Klauseners durch den de er zum Kommandeur des Führerbegleitkom- Papst in der Nachkriegszeit thematisiert wurde. mandos, der Leibwache Adolf Hitlers, ernannt. Aufgrund von massivem Alkoholismus wurde er Literatur: - Walter Adolph. Erich Klausener. Berlin 1955. im Juni 1934 durch Himmler aus dieser Position - Max Gallo: La nuit des longs couteaux. (Die Nacht der langen Messer). wieder entfernt. Zuvor war er zum Sturmführer Paris 1970.

196 u Heimatjahrbuch Kreis Ahrweiler 2011