Bikram Choudhury Bikram-Yoga
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Bikram Choudhury Bikram-Yoga Der Weg zu Gesundheit und innerer Zufriedenheit MEINE GESCHICHTE UND DIE BEDEUTUNG DES YOGA Meine Yoga-Geschichte beginnt ICH KAM IN Kalkutta im indischen Bun- und sie in Ruhe kochen konnte. Während die desstaat Bengalen zur Welt. Mein Vater war anderen unterrichtet wurden, was etwa drei Buchhalter, und es ging uns gut, aber als ich Stunden dauerte, saß ich auf dem Schoß des noch ein sehr kleiner Junge war, gab es in Kal- alten Guru. Danach sagte der Meister: »Deine kutta eine Pocken-Epidemie, an der Tausende Freunde, dein Bruder und deine Schwester ler- von Menschen starben. Meine älteste Schwes- nen alle Hindi und Gesang, also bekommen sie ter Basanti, elf Jahre alt, starb weniger als 24 alle Süßigkeiten.« Es gab damals eine Süßig- Stunden, nachdem Sie sich infiziert hatte. keit aus Zucker, die man Prashat nannte. »Du Mein jüngerer Bruder Bacchu, noch ein Baby, hast nichts gemacht, also bekommst du auch starb einen Tag später. Ich litt acht Monate kein Prashat.« lang an den Pocken, meine andere Schwester Ich sagte: »Soll das ein Witz sein? Drei Stun- Jayanti mehr als ein Jahr lang, aber wir und den lang bin ich ruhig auf Ihrem Schoß geses- meine beiden älteren Brüder Ashim und Asis sen. Das war das Schwerste, was ich je gemacht überlebten. Nachdem zwei ihrer sechs Kinder habe. Darum habe ich Süßigkeiten verdient!« Meine Yoga-Geschichte gestorben waren, verlor meine geliebte Mut- Ich hatte auch damals schon immer eine große ter vor Kummer fast den Verstand. Sie saß nur Klappe. da, tat nichts und sprach nicht. Weil er dach- Der Guru sagte: »Nun, Regeln sind Regeln. Du beginnt te, sie werde vielleicht anderswo glücklicher musst etwas tun, wenn du eine Belohnung ha- sein, packte mein Vater alles ein, und wir zo- ben willst.« gen in den Nachbarstaat, nach Bihar, in eine »Und was soll ich tun?«, fragte ich ihn. Stadt namens Deoghar, wo meine Familie ein Er lächelte nur, packte meine Füße und hielt großes Haus besaß. (Später bekamen meine El- mich nach unten, sodass mein Kopf den Boden tern noch zwei weitere Kinder: meinen Bruder berührte. Man nennt das Sirsasana oder Kopf- Buddha, der in Japan Yoga lehrt, und meine stand. Später nahm er auch meine Hände und Schwester Lucy, die in Kalkutta lebt). Füße und hob mich in die Bogenhaltung. Ich Deoghar ist eine schöne Stadt, und wie das wusste nicht, dass er mich Yoga-Asanas lehrte. Schicksal es wollte, gilt sie auch als einer der Also ließ er mich jeden Tag, sieben Tage in der heiligsten Orte auf Erden. Viele große Yogis ha- Woche, kopfüber hängen und verschiedene ben dort Erleuchtung gefunden. Die Einwoh- Stellungen ausführen. Mir kam das alles sehr ner Bihars sprechen Hindi, und meine Mutter seltsam vor – und wie sich herausstellte, muss- wurde Mitglied in einem Frauenclub, wo ein te ich ja immer noch singen lernen. Aber ich alter Meister oder Guru bengalischen Kindern dachte nicht viel darüber nach: Ich tat es für wie uns Hindi beibrachte. Weil ich ein laut- die Süßigkeiten. starker und energischer kleiner Junge war und Kurz nach meinem sechsten Geburtstag zogen meine Mutter immer störte, mussten Ashim wir zurück nach Kalkutta, in ein Haus neben und Jayanti mich zum Club mitnehmen, damit einer Sporthalle und einem Spielplatz, wo ich meiner Mutter nicht ständig im Weg war alle Kinder aus der Nachbarschaft spielten. In 29 MEINE GESCHICHTE UND DIE BEDEUTUNG DES YOGA Meine Yoga-Geschichte beginnt einem Club im Obergeschoss der Sporthalle für Körperkultur, den es in den letzten 500 Jah- leichte Aufgabe, aber an diesem Punkt kommt Ich hatte nicht nur einen der großartigsten Gu- sah ich den Bodybuildern beim Training zu. ren gab. Er wurde mein Guru und der stärkste die Disziplin des Yoga ins Spiel. rus der Welt, sondern auch das Glück, an einer Das interessierte mich; Sie wissen, dass von Einfluss auf mein Leben. Ich blieb an seiner Wie streng war er? Mein Guru hängte ein sehr der großen Ashrams oder Schulen erzogen zu muskulösen Männern eine natürliche Faszi- Seite, studierte mit ihm und lernte in den fol- langes, sehr scharfes Schwert an die Wand werden – an der Ram Krishna Mission, ebenfalls nation auf kleine Jungen ausgeht. Eines Tages genden 20 Jahren von ihm alles, was ich über seiner Schule und drohte, uns den Kopf ab- in Deoghar. Ram Krishna war der Guru von ging ich mit meinen Freunden nach oben und Yoga weiß. Wenn Sie mich heute fragen, was zuschneiden, falls er sähe, dass wir uns nicht Swami Vivekananda, der 1893 als erster in- sah die Männer all das trainieren, was mir der ich tue, dann antworte ich: »Ich praktiziere die genug anstrengten. Ich habe nie gehört, dass discher Yogi die Botschaft der Selbst-Verwirk- alte Guru in Bihar beigebracht hatte! Einem Weisheit meines Guru.« er seine Drohung jemals wahr gemacht hätte, lichung in die USA brachte. Die Ausbildung, meiner Freunde gegenüber prahlte ich: »Hey, Bishnu Ghosh war Arzt und Ingenieur, Profes- aber ich wollte lieber nicht ausprobieren, ob die ich in der Mission erhielt, war eine Million ich kann das viel besser – die da machen es sor, Athlet, Dichter, Philosoph und Rechtsan- er es ernst meinte. Habe ich auch nur für eine mal härter als die intensive Yogatrainer-Aus- nicht einmal besonders gut.« Schüchtern war walt. Er war international bekannt und wurde Sekunde meines Lebens geglaubt, mein Guru bildung, die ich derzeit erteile. Ich möchte Ih- ich eben noch nie, nicht einmal als Kind. sogar einmal zum Mittagessen mit Präsident werde mir jemals direkten Schaden zufügen? nen nun einen Eindruck eines typischen Tages »Wirklich?«, sagte mein Freund. »Zeig’s mir.« Roosevelt ins Weiße Haus eingeladen. Er sam- Nein. Hat seine Taktik funktioniert? Oh ja. dort vermitteln. Also zog ich mein Hemd aus und begann die melte auch kleine Kinder auf, die in den Stra- Mein Guru motivierte uns, indem er uns an- Dong, dong, dong, dong – die Glocke läutet um Übungen mit meinem Freund durchzuführen. ßen um Geld bettelten, und half Ihnen, ihr schrie. Nichts, was wir taten, wie perfekt es 4.30 Uhr am Morgen. Die anderen Jungen und Ein Mann saß auf einem Bett am vorderen Potenzial als menschliche Wesen zu verwirkli- auch sein mochte, war jemals gut genug. Er ich stehen auf, spritzen uns ein wenig Wasser Ende des Raums und sagte: »Hallo, komm her. chen. Mit seinen durchdringenden Augen hat- weigerte sich zu essen, ehe ich eine Stellung zu ins Gesicht und gehen nach draußen zur Gar- Wie heißt du?« te er einen besonderen Blick, der ihm sofort seiner Zufriedenheit ausgeführt hatte. Mehr- tenarbeit. Kleine Kinder bei der Gartenarbeit! »Bikram«, antwortete ich. Als ich näherkam, enthüllte, was ein bestimmter Mensch auf die- mals schickte er das aufgewärmte Gericht Um 4.30 Uhr am Morgen! Dann gingen wir konnte ich sehen, dass der Mann sehr klein ser Welt tun sollte, wo seine wahren Talente wieder zurück, das seine Frau ihm bringen zu den Stallungen und räumten den Kuhmist war. Und ich bemerkte auch, dass er die durch- lagen und wie sein Karma-Yoga erfüllt werden ließ, bis ich endlich – in den frühen Morgen- auf, um dem Mann zu helfen, der die Kühe dringendsten dunklen Augen hatte, die ich könnte. Und für mich war es ein Segen, dass er stunden, als meine Beine schon zitterten und molk. Danach wuschen wir uns und spielten je gesehen hatte. Sie waren schwarz, und ihr in mir etwas Besonderes sah. Schaum aus meinem Mund tropfte – eine be- entweder Cricket oder Fußball. Anschließend Blick traf einen sofort, wenn der Mann einen Mein Guru liebte mich bedingungslos, aber stimmte Asana so durchführte, wie er sich das duschten wir. ansah. seine Liebe hatte nichts mit Verhätscheln zu vorstellte. Wenn Sie am äußersten Rand der Exakt um 6.45 Uhr gingen wir zum Tempel, um »Wo hast du das gelernt?«, fragte er. tun und bot keinen Raum für Ausreden. Statt- physischen, mentalen und emotionalen Er- in Sanskrit zu beten und zu singen. (Ich war »Beim punditji«, sagte ich ihm. (punditji bedeu- dessen war sie eine Herausforderung. Schwä- schöpfung stehen und ein rasender Irrer, der darin nie besonders gut, weil ich immer noch tet Meister). »In Deoghar.« che hatte da keinen Platz, ebenso wenig wie ein rasiermesserscharfes Schwert schwingt, Sie nur Bengali sprach, was eine völlig andere »Zeig mir mehr«, befahl er. Rauchen, Trinken oder Zeitverschwendung. so laut anbrüllt, dass Ihr Haar durch die Kraft Sprache ist.) Nach den Gesängen im Tempel Also zeigte ich ihm alle Stellungen, die ich Er bearbeitete mich mein Leben lang derma- seiner Stimme nach hinten geweht wird, dann war es Zeit für das Frühstück. In Amerika wäre kannte. »Ein kleiner Junge, der alle 84 Stel- ßen, dass mir niemand mehr einen Kratzer auf hören Sie ihm zu, das dürfen Sie mir glauben. das schon ein voller Arbeitstag, aber wir hat- lungen beherrscht!«, sagte er, sehr überrascht. meinem Körper, meinem Geist oder meiner Wenn ich heute aufgeben, einen Kompromiss ten noch nicht einmal unsere erste Mahlzeit »Komm jeden Tag her, ich werde dir noch Seele zufügen konnte. Er machte mich kugel- schließen oder einfach aufstehen und wegge- gehabt. Nach dem Frühstück hatten wir von mehr beibringen.« sicher, kältesicher, feuersicher, windsicher, ge- hen will, dann erscheint mir mein Guru, der 8 Uhr bis 11.30 Uhr in den üblichen Schulfä- Dieser Mann war Bishnu Charan Ghosh, der fühlssicher, sexsicher, geldsicher, stresssicher sein Schwert schwingt und sich benimmt wie chern Unterricht, dann war Mittagspause. jüngste Bruder Paramahansa Yoganandas, und – sicher gegen alles! Wie Sie sich denken kön- der zornigste Yogi auf Erden. Sie haben keine Nach der Mittagspause lernten wir bis 15.30 er gilt heute weithin als bedeutendster Experte nen, war das für keinen von uns beiden eine Vorstellung davon, wie sehr ich ihn vermisse.