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Leonhard Euler

Autor(en): Emil A. Fellmann

Quelle: Basler Stadtbuch

Jahr: 1983 https://www.baslerstadtbuch.ch/.permalink/stadtbuch/f109628c-d89d-4d81-a3ea-6f629aa4e5aa

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Es ist das Schicksal der Elefanten, Hauptperioden von Eulers Wirken stets kleiner gezeichnet zu werden, als sie in Wirklichkeit sind. 1707-1727 Basel Jonathan Swift 1727-1741 Petersburg 1741-1766 Berlin 1766-1783 Petersburg Prolog Basel, St. Petersburg (Leningrad) und Berlin bis zu seiner sechzehnseitigen sieren. Ihr Glanz sollte erst überstrahlt werden von Berlin und St. Petersburg. Im neunzehn­ von der , wie man Euler ge­ den Bildhauer Heinrich Ruf (1878) die heute nannt hat, der als Phänomen ebenso einzigar­ in der Eingangshalle des Bernoullianums ste­ tig in der Geschichte der Wissenschaften da­ hende Marmorbüste Leonhard Eulers anferti­ steht wie seine Vaterstadt am Rheinknie in der gen und benannte eine Strasse nach ihrem Geschichte Europas. grossen Sohn, die - leider wohl nur durch Zu­ Man tut Basel unrecht mit dem (oft erhobe­ fall - die Fortsetzung der Leonhardstrasse ist, nen) Vorwurf, Euler ungebührlich schlecht so dass wir heute eine haben. Doch als schönsten ( und teuer­ nug erkannt zu haben, bloss weil man den sten!) Tribut, den die Stadt Basel Leonhard noch nicht zwanzigjährigen Jüngling nicht Euler bis heute gezollt hat, ist wohl der im gleich zum Professor gemacht hat, als er sich 200. Todesjahr erschienene stattliche Ge­ im Frühjahr 1727 um den physikalischen denkband* zu nennen, der auf 555 Seiten Lehrstuhl bewarb. Denn erstens hatte Euler dreissig Beiträge von neunundzwanzig Ge-

121 lehrten aus zehn Nationen und vier Kontinen­ und fordert ihn ent­ ten vereinigt - lauter Arbeiten, die nach dem scheidend durch Hinweise auf die Werke der neuesten Stand der Eulerforschung das unge­ Meister, vor allem jedoch durch seine persön­ wöhnlich breit gefächerte Spektrum von Eu­ liche Unterweisung in den damaligen Front­ lers wissenschaftlichen Aktivitäten nach ei­ gebieten mathematischer Forschung. nem wohlüberlegten Plan abdecken. 1727 Euler bewirbt sich mit einer Dissertation Auf nationaler Ebene gedachte man 1979 des <Über den Schall > um die vakante Physikpro­ grössten Baslers aus dem kleinsten Kanton fessur in Basel, kommt jedoch als erst Zwan­ mit der kleinsten Banknote grössten Umlaufs zigjähriger nicht in die Ränge. So folgt er ei­ (die leider mit mehr als nur einem einzigen nem durch die Bernoullis vermittelten Ruf an peinlichen Sachfehler behaftet ist), und die die 1725 von Peter dem Grossen gegründete Edition von Eulers Gesamtwerk, ein Millio­ Akademie der Wissenschaften in St. Peters­ nenunternehmen (!), wurde und wird seit burg. Hier wirkt er zunächst als Adjunkt, 1907 nicht nur von der Privatindustrie, son­ dann seit 1730 als Professor und Akademie­ dern auch von eidgenössischen Instanzen mitglied (ohne Lehrverpflichtung, wenn man grosszügig unterstützt und gefördert. von der Autorschaft elementarmathemati­ Man kennt Eulers Grösse wohl: er war nicht scher Unterrichtmittel absieht). Die Haupt­ nur der weitaus produktivste Mathematiker werke dieser < ersten Petersburger Periodo der bekannten Menschheitsgeschichte, son­ sind die zweibändige , die Musik­ dern auch einer der grössten Gelehrten aller theorie > und die doppelbändige < Schiffstheo­ Zeiten. Kosmopolit im wahrsten Sinne des rie >, die allerdings erst später im Druck Wortes - er verlebte seine ersten zwanzig Jah­ erschien. re in Basel, wirkte über dreissig Jahre in St. Pe­ 1734 Anfang Januar Heirat mit Katharina tersburg und ein Vierteljahrhundert in Berlin Gsell, einer Tochter des in St. Petersburg wir­ - gelangte er wie nur wenige Gelehrte zu einer kenden Schweizer Kunstmalers Georg Gsell. Popularität und Berühmtheit, wie sie nur et­ Ende November Geburt des Sohnes Johann wa mit derjenigen von Galilei, Newton oder Albrecht, der als einziger Sprössling Leon­ Einstein verglichen werden kann. hards Mathematiker und in der Akademie sein Nachfolger werden sollte. Von den insge­ Kurzvita Leonhard Eulers samt 13 Kindern Leonhard Eulers überleben 1707 am 15. April in Basel als Sohn des refor­ ihn bloss drei, die ihm jedoch 21 Enkel hinter­ mierten Pfarrers Paul Euler und der Margare­ lassen. tha Brucker geboren. 1738 Verlust des rechten Auges durch einen 1720 Leonhard bezieht die Basler Universität, gefährlichen Abszess. welche schon im Jahre 1460 gegründet wurde. 1741 Im Hinblick auf die politischen Wirren Anfänglich studiert er Theologie, orientali­ im russischen Reich akzeptiert Euler einen sche Sprachen und Geschichte, bald jedoch Ruf Friedrichs des Zweiten an die neu zu Mathematik bei Johann Bernoulli gründende Preussische Akademie () und siedelt mit seiner Familie Newton (1643-1727) zum weltgrössten Ma­ nach Berlin über. Dort amtiert er als Präsident thematiker avanciert. Bernoulli erkennt im der Mathematischen Klasse. Maupertuis, der jungen Euler schon früh den zukünftigen sich mit der spektakulären Lapplandexpedi-

122 berühmt gewordenen datiert noch aus der Berliner Zeit. Während dieser Periode unterhält Euler ohne Unterbruch aktive Be­ ziehungen zur Petersburger Akademie und wirkt als zwischen zwei Akademien mit Weltgeltung. 1766 Das Unverständnis und Fehlverhalten Friedrichs des Zweiten erleichtert Euler die Annahme eines Rufes der russischen Kaiserin Katharina II. nach Petersburg, wo er bis zu seinem Tod verbleibt. 1771 Als Folge einer missglückten Staropera­ tion verliert der Mathematiker auch sein linkes Auge und erblindet fast völlig. Während der grossen Feuersbrunst in Petersburg wird er mit knapper Not vom Basler Handwerker Peter Grimm aus dem brennenden Haus gerettet. Nun steigert er seine Produktion ins Unvor­ stellbare: rund die Hälfte seines gewaltigen Opus entsteht in der , darunter die dreibändige Hntegralrech- nung>, die ebenfalls dreibändige so­ wie die endgültige Fassung der . 1773 Nach dem Tod der Gattin Katharina heiratet Euler 1776 deren Halbschwester Ab­ igail Gsell. 1783 Am 18. September erleidet Euler einen Leonhard Euler. Ölgemälde von Emanuel Handmann Schlaganfall und stirbt rasch und schmerzlos. (1756). Aula der Museen an der Augustinergasse in Basel. Eulers Charakter Über den Charakter Eulers äussem sich alle tion von 1736 (Gradmessung zwecks Nach­ Zeitgenossen und Biographen einhellig: er weis der Abplattung der Erde) einen Namen war ein Sonnenkind, wie die Astrologen sagen gemacht hat, wird Präsident der Akademie; würden, von offenem und heiterem Gemüt, als Wissenschafter jedoch stand er weit unter unkompliziert, humorvoll und gesellig. Ob­ Euler. wohl in seiner zweiten Lebenshälfte recht In der Berliner Periode entstehen neben Hun­ wohlhabend, war er in materieller Hinsicht derten von Abhandlungen Eulers Hauptwer­ bescheiden, stets frei von jeglichem Dünkel, ke zur Variationsrechnung, zur Funktionen­ niemals nachtragend, dabei selbstbewusst, theorie, zur Differentialrechnung, sowie die kritisch und draufgängerisch. Zuweilen konn­ sogenannte und die Philo­ te er leicht aufbrausen, um sich jedoch so­ sophischen Briefe>. Auch das Konzept der so gleich wieder zu beruhigen, ja über seinen ei­

123 genen Ausbruch zu lachen. In einem Punkt gehört, gesehen oder geschrieben hatte, aber verstand er keinen Spass: in der Frage der scheint sich ihm für immer fest eingeprägt zu Religion und des christlichen Glaubens. Eu­ haben. Davon gibt es unzählige zeitgenössi­ lers Strenggläubigkeit ist der Schlüssel zum sche Zeugnisse. Noch in hohem Alter soll er Verständnis vieler wichtiger Fakten in seinem beispielsweise seine Familienangehörigen, Leben, so zum Beispiel seiner unerbittlichen Freunde und Gesellschaften mit der wortge­ Verfolgung der Leibnizschen Monadenlehre treuen (lateinischen) Rezitation jedes beliebi­ Wolffscher Prägung wie auch seiner heftigen gen Gesanges aus Vergils Aeneis entzückt ha­ Attacken gegen gewisse Enzyklopädisten und ben, und Protokolle der Akademiesitzungen andere , die er 1747 in seiner kannte er nach Jahrzehnten (!) noch auswen­ theologischen Schrift < Rettung der göttlichen dig - von seinem Gedächtnis für mathemati­ Offenbarung .. .> ritt. Trotzdem war Eulers sche Belange ganz zu schweigen. Zweitens war (gelebte!) Toleranz bei weitem ehrlicher und seine gewaltige Gedächtniskraft gepaart mit ausgeprägter als diejenige seines königlichen einer seltenen Konzentrationsfähigkeit. Lärm Herrn, der sich ihrer nur als Schlagwort be­ und Betrieb in seiner unmittelbaren Umge­ diente und sie stracks vergessen konnte, wenn bung störten ihn kaum in seiner Gedankenar­ ihm ihre Anwendung auch nur im geringsten beit. «Ein Kind auf den Knien, eine Katze auf hinderlich war. dem Rücken, so schrieb er seine unsterblichen Auch in wissenschaftlichen Besitzansprüchen Werke», berichtet sein Freund und Kollege war Euler überaus bescheiden ; er kannte - im Thiébault. Der dritte Faktor des besteht schlicht aus steter, ruhiger Ar­ ten - nie Prioritätshändel, ja er verschenkte beit. zuweilen generös neue Entdeckungen und Er­ kenntnisse. In seinen Werken versteckt er Zum Werk nichts, sondern legt die Karten stets offen auf Allein schon im Hinblick auf seine Produkti­ den Tisch und bietet dem Leser die gleichen vität ist Euler ein einzigartiges Phänomen. Voraussetzungen und Chancen, Neues zu fin­ Das 1910-1913 erschienene Verzeichnis (Gu­ den, ja er führt ihn oft dicht an die Entdeckung staf Eneström) von Eulers damals gedruckt heran und überlässt ihm die Entdeckerfreu­ vorliegenden Schriften weist 866 Nummern den - die einzig wahre Pädagogik! Das macht auf, und die grosse (schweizerische) Euler- Eulers Bücher dem Lernenden zum Erlebnis, Werkausgabe, an welcher seit der letzten Jahr­ unterhaltsam und spannend zugleich. Das hundertwende viele Fachleute verschiedener Gefühl des Neides muss diesem erstaunlichen Nationen gearbeitet haben und noch immer Menschen absolut fremd gewesen sein; er arbeiten, umfasst bis heute rund 70 Quartbän­ gönnte jedem alles und freute sich stets auch de, denen noch 14 Bände < Briefe und Manu- an den neuen Entdeckungen anderer. Dies al­ skripto folgen sollen. (Die Edition erfolgt stets les war ihm nur möglich, weil er geistig so un­ in Eulers Originalsprachen, also mehrheitlich ermesslich reich und psychisch in selten anzu­ in Latein und Französisch, selten deutsch). treffendem Masse ausgeglichen war. Rein vom Umfang seiner Arbeitsleistung her Das Phänomen Euler ist wesentlich an drei gesehen, bleibt Euler nicht hinter den produk­ Faktoren gebunden : erstens an die Gabe eines tivsten Vertretern des Menschengeschlechts, wohl einmaligen Gedächtnisses. Was Euler je wie etwa Voltaire, Goethe, Leibniz oder Tele-

124 mann, zurück. Hier sei eine nach Dekaden ge­ der Aufklärung zu kolonisieren galt. Die Rolle ordnete tabellarische Übersicht über die des ersten Kolonisators grössten Stils - den Quantität der von Euler druckfertig gemach­ Konquistadoren nach Columbus vergleichbar ten Schriften wiedergegeben (allerdings ohne - fiel Leonhard Euler zu. Berücksichtigung einiger Dutzend Arbeiten, In der sogenannten reinen Mathematik schuf die noch nicht datiert werden konnten): er gleich in grandiosem Wurf einige neue For­ schungsdisziplinen und bildete sie systema­ tisch aus: die (analytische) Zahlentheorie, die Jahre Arbeiten % Funktionentheorie, die Theorie der unendli­ 1725-1734 35 4 chen Reihen, die höhere Algebra und die Va­ 1735-1744 50 10 riationsrechnung. Die entsprechenden Lehr­ 1745-1754 150 19 bücher wirken bis in unsere Zeit nachhaltig 1755-1764 1 10 14 und sind auch heute noch - dank Eulers le­ 1765-1774 145 18 bendiger Darstellung und vorbildlicher Di­ 1775-1783 270 34 daktik - mit Gewinn und Genuss zu lesen. Die heute gebräuchliche mathematische Symbo­ Auf die Fachdisziplinen bezogen ergibt sich lik geht weitgehend auf Euler zurück, ja in der der jeweilige prozentuale Anteil etwa folgen- Trigonometrie wurde sie unverändert beibe­ dermassen : halten. Schon in der Einleitung zu seiner Mechanik Algebra, Zahlentheorie, Analysis 40% von 1736 entwarf Euler ein umfassendes Pro­ Mechanik, übrige Physik 28% gramm dieser Wissenschaft. Hauptmerkmal Geometrie, einschliesslich dieses damals hochmodernen Werkes war die Trigonometrie 18% konsequente Anwendung der Infinitesimal­ Astronomie 11 % rechnung auf die aktuellen Probleme der Me­ Schiffswesen, Architektur, Artilleristik 2% chanik. Die Anwendung der Variationsrech­ Philosophie, Musiktheorie, Theologie nung auf die Theorie der Balkenbiegung führ­ und anderes 1 % te Euler zur - heute nach ihm benannten - Knickungsformel, die aus der modernen Inge­ (In dieser Aufstellung sind die ca. 3000 bis nieurwissenschaft nicht wegzudenken ist, und heute bekannten Briefstücke sowie die noch als Spezialfall einer allgemeinen Theorie fand unedierten Manuskripte nicht berücksich­ er die optimale Profilform der Flanken bei tigt). Zahnrädern (). Ihre Mit der ersten formalen Ausgestaltung des technische Realisierung erfolgte erst im von Leibniz und Newton konzipierten Infini­ 19. Jahrhundert und ist seitdem im Maschi­ tesimalkalküls (Differential- und Integral­ nenbau unentbehrlich. rechnung), der die Naturvorgänge nunmehr in In der Domäne der Hydromechanik war Eu­ ihrem Bewegungsablauf zu beschreiben ge­ lers erste grosse Arbeit sein umfassendes Werk stattete, entdeckten ein paar Forscher, mit in über das Schiffswesen. Darin behandelt er die der vordersten Front die Basler Brüder Jakob allgemeine Gleichgewichtstheorie schwim­ und Johann Bernoulli, ein neues, unermessli­ mender Körper und studiert - damals ein No­ ches Reich des Geistes, das es nun im Zeitalter vum - Stabilitätsprobleme sowie die Wirkung

125 kleiner Schwankungen in der Nachbarschaft zusammenstellte, gestattete die Bestimmung des Gleichgewichtszustandes. Mit seinen An­ der geographischen Länge eines Schiffes auf wendungen der allgemeinen Theorie auf den hoher See mit damals sonst unerreichter Spezialfall eines Schiffes hat Euler eine neue Exaktheit. Die Euler-Mayerschen Mondta­ Wissenschaft begründet und auf die Entwick­ feln wurden vom britischen Parlament mit ei­ lung der Seefahrt sowie des Schiffsingenieur­ nem hohen Geldpreis prämiert und in alle wesens nachhaltig eingewirkt. In der Technik­ Navigationsalmanache aufgenommen; mit geschichte wohlbekannt sind Eulers Versuche ihnen wurde über ein Jahrhundert lang seege­ über die Segnersche Wasserkraftmaschine und fahren. seine an sie anknüpfende Theorie der Wasser­ Eulers philosphisches Vermächtnis bilden die turbinen. Vor etwa 40 Jahren wurde von Ja­ Briefe an eine deutsche Prinzessin (), kob Ackeret (f 1982) eine Turbine genau nach die er 1760-1762 an die Markgräfin Sophie Eulers Vorschriften und Formeln angefertigt Charlotte von Brandenburg im Auftrag von und dabei festgestellt, dass ihr Wirkungsgrad deren Vater schrieb. Das dreibändige Werk er­ über 71% liegt - ein erstaunliches Resultat, schien von 1768 an im Druck und erwies sich wenn man bedenkt, dass man heute mit den als Schlager: es wurde sogleich in alle Kultur­ modernsten Mitteln und vergleichbaren Di­ sprachen übersetzt und war lange Zeit die mensionen den Wirkungsgrad einer solchen meistverbreitete Synopsis populärer natur­ Turbine mit nur wenig über 80% ansetzen wissenschaftlicher und philosophischer Bil­ muss! dung. Die umspannen Musiktheorie, Mit der Optik hat sich Euler zeitlebens be­ Philosophie, Physik, Kosmologie, Theologie schäftigt. Auch auf diesem Gebiet schuf er die und Ethik fast gleichermassen und gipfeln im ersten eigentlichen Lehrbücher im heutigen berühmt gewordenen Widerlegungsversuch Sinne und gab eine geschlossene Theorie der des Berkeleyschen absoluten Idealismus und Linsenfernrohre (Refraktoren). Sein Anteil an der Konzeptionen Humes sowie in einer der Erfindung achromatischer (farbfehlerfrei­ grossangelegten Attacke gegen die damals er) Linsensysteme ist beträchtlich. In seinen stark verbreitete Monadenlehre Wölfischer Opera omnia nehmen die Schriften zur Optik Prägung. Eulers Stellung in der Geschichte sieben Bände ein. der Philosophie ist bis in unsere Tage umstrit­ Eulers Arbeiten zur Astronomie weisen ein ten, doch lässt sich immerhin ein mehr oder breites Spektrum auf: Bahnbestimmung von weniger direkter Einfluss auf Kant nicht von Kometen und Planeten aus nur wenigen Be­ der Hand weisen. obachtungen, Sonnenparallaxe, Theorie der Noch viele Schätze sind in Eulers Werk zu he­ atmosphärischen Strahlenbrechung. Seine be­ ben, doch es wird noch geraume Zeit verstrei­ deutendsten Abhandlungen stehen direkt chen, bis das gewaltige Opus vollständig im oder indirekt mit der (von Newton begründe­ Druck zugänglich sein wird. Eine angemesse­ ten) Elimmeismechanik in Zusammenhang - ne Werkbiographie des prominentesten Aus­ einem Forschungszweig, der den grössten landschweizers steht noch aus - freilich: ein Mathematikern jener Zeit die höchsten An­ solches Unterfangen wäre gleichbedeutend strengungen abverlangte. Seine Mondtheorie, mit der Abfassung einer Geschichte der ma­ mit deren Hilfe der Göttinger Astronom Tobi­ thematischen Wissenschaften des achtzehn­ as Mayer 1755 seine berühmten Mondtafeln ten Jahrhunderts!

126 Hauptwerke Leonhard Eulers (in Kurztiteln), chronologisch nach Druckjahren geordnet

1736 (2 Bände) 1738Ì 1740i Rechenkunst (2 Bände) 1739 Tentamen novae theoriae musicae () 1744 Methodus inveniendi () 1744 Theoria motuum planetarum et cometarum () 1745 Neue Grundsätze der Artillerie 1745 Rettung der göttlichen Offenbarung gegen die Einwürfe der Freygeister 1748 Introductio in analysin infinitorum (, 2 Bände) 1749 Scientia navalis (< Schiffstheorie >, 2 Bände) 1753 Theoria motus lunae () 1755 Institutiones calculi differentialis (, 2 Bände) 1762 Constructio lentium objectivarum (< Achromatische Linsem) 1765 Theoria motus corporum () 1766 Théorie générale de la dioptrique () 1768 Lettres à une Princesse d’Allemagne (

* Leonhard Euler 1707-1783, Beiträge zu Leben und Werk. Gedenkband des Kantons Basel-Stadt. Birkhäuser Verlag, Basel 1983.

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