Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Die Geschichte der Verbände der NS-Verfolgten in der sowjetischen Besatzungszone und der DDR war stark von der Einordnung in den zentralistisch strukturierten Staat geprägt. In diesem Klappbuch wer- den die Verbände kurz vorgestellt, wobei ein besonderes Augen­ merk auf der 1965 in der DDR gegründeten Lagergemeinschaft Neuengamme liegt.

KZ-Gedenkstätte Neuengamme | Reproduktion nicht gestattet 2 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Plakat zum Gedenktag im Sep- tember 1946.

(DHM, P 94/1100) Häftlingsverbände in Ostdeutschland 3

Der „Hauptausschuß Opfer des Faschismus“

Im Juni 1945 bildete sich in der Hauptausschuß Opfer des Faschismus (OdF) als ehrenamtliches Gegenstück zum entsprechenden Hauptamt beim Magistrat. Er war für die Anerkennung der NS-Verfolgten zuständig, organisierte in Zusammenarbeit mit dem Hauptamt deren Versorgung und bereitete Entschädigungsregelungen vor.

Der Hauptausschuß führte Gedenkveranstaltungen durch, bemühte sich um Aufklärung der NS-Verbrechen und gab Broschüren heraus. Der Hauptausschuß unterschied die NS-Verfolgten nach „Widerstandskämpfern“ und nach „Opfern des Faschismus“ und sprach sich 1947 dafür aus, dass bei der Beurteilung auch das Verhalten der Betrof­ fenen in der sowjetischen Besatzungszone in die Beurtei- lung einfließen solle.

Vor dem Hintergrund der politischen Auseinander­ setzungen in Berlin im Kontext des Kalten Krieges gab es auch im Hauptausschuß Konflikte um den Einfluss der KPD, ab 1946 der SED; die Westalliierten verweigerten zeitweise die Zulassung des Verbandes in ihren Berliner Besatzungs­ zonen. Einerseits waren im Hauptausschuß verschiedene Verfolgtengruppen vertreten, andererseits wurden die Ent­ scheidungen über seine Politik in der Regel in den Gremien der KPD bzw. SED getroffen. Ab Ende 1946 bereitete der Hauptausschuß die Gründung der „Vereinigung der Ver­ folgten des Nazi-Regimes“ (VVN) vor, in der er dann 1947 aufging.

Zum Weiterlesen: Elke Reuter/Detlef Hansel: Das kurze Leben der VVN von 1947 bis 1953, Berlin 1997. 4 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Postkarte der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes. Auf der Rückseite heißt es: „Wir gedenken unserer Toten. Wir weisen der Jugend den Weg.“

(SAPMO-BArch, BY 5 V 279/1)

In der antifaschistischen Kunst nach 1945 war die Darstellung von Kindern als Metapher für eine viel versprechende­ Zukunft sehr verbreitet. Der Entwurf stammt von Otto (Otje) Gröll- mann (1902–2000). Seit 1922 Mitglied der KPD, zeichnete Gröllmann zahlreiche Flugblätter und Transparente für die Partei sowie Titelbilder für die „Hambur- ger Volkszeitung“.­ 1933 bis 1945 war Otto Gröllmann mehrfach im Hamburger KZ und Polizeige­ fängnis Fuhlsbüttel inhaftiert, seit 1940/41 gehörte er der Widerstandsorganisation­ „Bäst- lein-Jacob-Abshagen“ an. Nach Kriegs­ende wurde er von seinem Freund Willi Bredel in die sowjeti- sche Besatzungs­ ­zone geholt, wo er zunächst in Schwerin, später in Dresden als Bühnenbildner arbei- tete.

Zum Weiterlesen: Holger Tilicki: Ein Nachruf auf Otto Gröllmann, in: Rund- brief, hg. v. d. Willi-Bredel-Gesellschaft, Geschichtswerkstatt e. V., 12. Jg., 2001. Häftlingsverbände in Ostdeutschland 5

Die „Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes“ (VVN)

Die VVN in der sowjetischen Besatzungszone bildete sich im Februar 1947 aus dem Hauptausschuß Opfer des Faschis- mus, bis zur Bildung beider deutscher Staaten 1949 war sie Teil der zonenübergreifenden VVN. Sie sammelte Informa- tionen über nationalsozialistische Verbrechen, organisierte Gedenkveranstaltungen, gab Veröffentlichungen­ heraus und setzte sich für Denkmäler und Gedenk­ stätten­ ein. Zunächst waren in der VVN noch verschiedene­ Richtungen des Widerstands gegen den Nationalsozialismus­ vertreten, dann wurde sie immer mehr in die Politik der SED eingebun- den.

Ab 1948 verließen zuerst Sozialdemokraten, dann auch andere nicht kommunistische Verfolgte die VVN. In der DDR erfolgte 1950/51 eine Überprüfung der VVN-Mit­ glieder durch die Parteikontrollkommissionen der SED, die sich vor allem gegen jüdische Mitglieder und solche mit Westkontakten richtete. Nach Verhören und Verhaftungen flüchteten Ende 1952/Anfang 1953 jüdische Mitglieder der VVN, auch des Zentralvorstands, und Mitglieder und Amtsträger der jüdischen Gemeinden nach Westberlin. Im Februar 1953 beschloss das ZK der SED die Einstellung der Tätigkeit der VVN; der Beschluss wurde von den Gremien der VVN umgesetzt. Als Begründung wurde angegeben, dass eine Organisation für die NS-Verfolgten überflüssig geworden sei, da in der DDR der Faschismus mit seinen Wurzeln ausgerottet sei. Anstelle der VVN wurde das „Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der 6 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Deutschen Demokratischen Republik“ gegründet, Treffen der VVN-Mitglieder in den Bezirken wurden untersagt. Die soziale Betreuung der Verfolgten des Nationalsozialismus (VdN) übernahmen die VdN-Stellen bei den Bezirken. Das Haus und große Teile des Archivs der VVN gingen an das Marx-Engels-Lenin-Stalin-Institut, die Aufnahmefragebögen an die Parteikontrollkommissionen der SED, das Buchen­ wald-Archiv an das Ministerium für Staatssicherheit. Häftlingsverbände in Ostdeutschland 7

Auszug aus dem Beschluss des Politbüros des ZK der SED zur Auflösung der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes vom 3. Februar 1953.

(SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/2-260 / Politbüro 3.2.53) 8 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Medaille für „Kämpfer gegen Faschismus und Militarismus 1933–1945“ (Vorder- und Rück­ seite), gestiftet am 22. Februar 1958. Die staatliche Auszeich- nung wurde durch den Vorsitzen- den des Ministerrates der DDR verliehen und war mit einem jähr- lichen Ehrengeld von 500 Mark verbunden.

(DHM) Häftlingsverbände in Ostdeutschland 9

Das „Komitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer der Deutschen Demokratischen Republik“

Nach Auflösung der VVN Anfang 1953 wurde das Komi- tee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR gegründet.­ Im Gegensatz zur VVN war das Komitee keine Mitgliederorganisation.­ Es wurde aus Staatsmitteln finan- ziert, die Mitglieder wurden vom ZK der SED berufen, die Beschlüsse­ im ZK vorbereitet. Das Komitee vertrat die DDR in den internationalen Verfolgtenorganisationen und Lager­ gemeinschaften. Es befasste sich mit der Gestaltung der Gedenkstätten in der DDR, veranstaltete Gedenkfeiern und veröffentlichte Bücher und Broschüren über den National­ sozialismus und den Widerstand. In der Volkskammer­ der DDR übernahm es die Mandate der VVN. Es arbeitete mit der Nationalen Front zusammen, ohne deren Mitglied zu sein. Mitte der 1960er-Jahre wurden innerhalb des Komitees Arbeitsgemeinschaften für die einzelnen Konzentrationslager­ ins Leben gerufen, Ende der 1970er-Jahre auch Bezirks- und Kreiskomitees gebildet. Nach der deutschen Vereinigung gründeten Mitglieder des Komitees 1990 den „Interes- senverband ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen­ Widerstandskampf, Verfolgter des Naziregimes­ und Hinter- bliebener“ (IVVdN). 1991 beschlagnahmte­ die Treuhand das Vermögen des Komitees. Nach mehrjährigen Verhandlungen schloss sich der IVVdN Mitte der 1990er-Jahre mit der west- deutschen und mit der Westberliner­ Organisation dann wie- der zu einem gesamtdeutschen­ Verband, der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten“ (VVN-BdA), zusammen.­ 10 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Auszug aus dem Beschluss des ZK der SED zu den Aufgaben des Komitees der Antifaschisti- schen Widerstandskämpfer vom 12. Februar 1964.

(SAPMO-BArch, DY 30/J IV 2/3-950) Häftlingsverbände in Ostdeutschland 11 12 Häftlingsverbände in Ostdeutschland Häftlingsverbände in Ostdeutschland 13 14 Häftlingsverbände in Ostdeutschland Häftlingsverbände in Ostdeutschland 15 16 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Tagung der Lagergemeinschaft Neuengamme 1973 in Greves­ mühlen. Links neben Renée Aubry, der Präsidentin der Ami- cale Internationale de Neuen­ gamme, Prof. Dr. Karl Kampfert, der Vorsitzende der Lagerge­ meinschaft.

Foto: unbekannt. (Privatarchiv Renée Aubry) Häftlingsverbände in Ostdeutschland 17

Die „Lagergemeinschaft Neuengamme“ (LAG)

Die Lagergemeinschaft Neuengamme wurde am 12. Juni 1965 in Ostberlin von Neuengamme-Überlebenden inner- halb des Komitees der Antifaschistischen Widerstands­ kämpfer gegründet, nachdem das ZK der SED 1964 die Re­organisation des Komitees beschlossen hatte. Vor­ sitzender war zunächst der Schauspieler Erwin Geschon- neck, Sekretär der Journalist und Historiker Dr. Rudi Gogu- el. Ernst Goldenbaum, Vorsitzender der Demokratischen Bauern­partei Deutschlands, einer der „Blockparteien“ in der DDR, fungierte als Vertreter des Komitees. Eine der ersten Aktivitäten der LAG war die Organisation der Teilnahme von 32 Personen an der Einweihung­ des internationalen Mahn­ mals in Neuengamme im November 1965.

Die Lagergemeinschaft stellte Kontakte zu Neuengamme- Überlebenden in der DDR her und sammelte Informatio- nen über das KZ Neuengamme. Sie beteiligte sich an der Ge­staltung und Betreuung von Denkmälern und Gedenk­ stätten, insbesondere des Wöbbelin-Denkmals in Ludwigs­ lust und des „Cap Arcona“-Ehrenmals in Grevesmühlen. Die Mitglieder der LAG beteiligten sich an Gedenkveran­ staltungen, vor allem in Grevesmühlen, und sprachen in Schulen und Betrieben. Sie hielten die Eröffnungsreden der jährlichen „Cap-Arcona-Sportfeste“ in Grevesmühlen und nahmen die Siegerehrungen vor.

1968 übernahm Prof. Dr. Karl Kampfert den Vorsitz der LAG, nach dem Rücktritt Rudi Goguels 1974 wurde Gün- ther Wackernagel Sekretär. In der Amicale Internationale de 18 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

­Neuengamme (AIN) arbeitete die LAG in der Geschichts­ kom­mis­sion mit und organisierte für Neuengamme-Über- lebende aus anderen Ländern Besuche in der DDR. Vor allem aber war sie die Vertretung der DDR in der AIN. Im Auftrag des Komitees vertrat sie die Interessen der DDR in Diskussionen um aktuelle Resolutionen. Nach der deut- schen Vereinigung schloss sich die Lagergemeinschaft mit der bundesdeutschen „Arbeitsgemeinschaft Neuengamme“­ zusammen. Häftlingsverbände in Ostdeutschland 19

Schreiben der Lagergemeinschaft Neuengamme im Komitee der Antifaschistischen Widerstands­ kämpfer an Neuengamme-Über- lebende in der DDR vom 30. Juni 1965.

(SAPMO-BArch, DY 57 K 91-7) 20 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Einige Bemerkungen zur Zusammenarbeit mit den sowje- tischen Genossen in unserer internationalen Lagergemein- schaft

Ähnlich wie in anderen Lagergemeinschaften haben sich in letzter Zeit auch in unserer Amicale Internationale de Neuen­gamme […] Tendenzen sozialdemokratischer und bürgerlicher Gruppen verstärkt, die politische Führung an sich zu reißen und kommunistische Funktionäre all- mählich zu verdrängen. […] Die Folge dieser Aktivität war eine Umgruppierung in den Leitungsgremien der Amicale zu­ungunsten der bis jetzt bestimmenden kommunistischen Kameraden. […]

Wenngleich man die politische Breitenwirkung der Arbeit der Lagergemeinschaften nicht überschätzen sollte, so soll- te man sie auch nicht unterschätzen, da die Organisationen der Widerstandskämpfer in einigen westlichen Ländern, z. B. Frankreich, Dänemark, Belgien usw., über erheblichen politischen Einfluß bis in die Regierungen hinein verfügen. Sie bieten geeignete Plattformen, um auf der Basis des anti­ faschistischen Widerstandskampfes breitere Schichten in den Kampf gegen den amerikanischen Imperialismus und seinen westdeutschen Verbündeten einzubeziehen. […] Häftlingsverbände in Ostdeutschland 21

Die Delegierten aus den sozialistischen Ländern und die kommunistischen Delegierten aus den kapitalistischen Län- dern sollten ihre Standpunkte auf geeignete Weise ko­ordinieren. Es muß allerdings auch gesagt werden, daß wir nur dann erfolgreich politisch operieren können, wenn unsere sowjetischen Kameraden auch aktiv an den laufenden Arbeiten der Lagergemeinschaften teil­ nehmen […]. Daher sollten wir versuchen, die sowjetischen verantwortlichen Genossen davon zu überzeugen, daß sie in die Gremien der einzelnen Lagergemeinschaften vor allem solche Genossen delegieren, die Häftlinge dieser Lager waren. […]

Arbeitsgemeinschaft Neuengamme

26.7.1971

Prof. Dr. Karl Kampfert, Vorsitzender

Rudi Goguel, Sekretär

Auszug aus einem Papier der Lagergemeinschaft Neuengamme. (SAPMO-BArch, DY 57 K 91-7) 22 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Von der Lagergemeinschaft Neu­en­gamme organisierte Gedenkve­ranstaltung der Amicale Inter­nationale de Neuengamme in Ludwigslust (DDR) im September 1966.

Foto: unbekannt. (ANg, 1994-959) Häftlingsverbände in Ostdeutschland 23

Internationale Gedenkkund­ gebung in Grevesmühlen (DDR) im September 1964.

Foto: unbekannt. (ANg, 1995-4547) 24 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

Erwin Geschonneck * 27.12.1906, † 12.3.2008

Seit 1928 Mitglied der KPD Berlin; 1933 Emigration nach Polen, 1934 in die Sowjetunion, 1939 in der Tschechoslowakei verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert; Konzentrationslager Sachsenhausen, Dach- au und Neuengamme; einer der etwa 350 Überlebenden der Bombar- dierung der „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945.

Erwin Geschonneck war von 1946 bis 1948 an den Ham­ burger Kammerspielen engagiert, bevor er 1949 nach Berlin wechselte, bei Brecht im spielte und im Spielfilmstudio Babelsberg der DEFA tätig war. Er wurde einer der bekanntesten Schauspieler der DDR und erhielt hier für seine Arbeit zahlreiche Auszeichnungen. 1993 wurde Erwin Geschonneck der deutsche Filmpreis für sein Gesamtwerk verliehen. Von den Filmen, in denen er Erwin Geschonneck, vermutlich 1960er-Jahre, bei einem Tref- mit­wirkte, sind „Nackt unter Wölfen“ (1962) und „Jakob der fen von Überlebenden der „Cap Lügner“ (1974) die bekanntesten. Erwin Geschonneck war Arcona“-Katastrophe. Bildaus- Mitglied der SED, der Akademie der Künste und des Prä- schnitt. sidiums des Komitees der Antifaschistischen Widerstands­ ­

Foto: unbekannt. (ANg, 2001-4026) kämpfer. Von 1965 bis 1972 war er Vorsitzender der Lager- gemeinschaft Neuengamme. Bei einem Besuch in kopierte er 1970 im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Unterlagen zum Neuengammer SS-Personal aus dem Hans-Schwarz-Archiv unter dem Vorwand, das Material für die Vorbereitung seines Films zum Untergang der „Cap Arcona“ nutzen zu wollen. Seine Zusammenarbeit mit dem MfS blieb punktuell. Geschon- neck galt als unbequemer Parteigenosse und kritischer Geist.

Zum Weiterlesen: Erwin Geschonneck: Meine unruhigen Jahre, Berlin 1984 (2., erweiterte Auflage 1995). Häftlingsverbände in Ostdeutschland 25

Rudi Goguel * 21.4.1908, † 6.10.1976

Mitglied der KPD; erste Verhaftung 1933, KZ Börgermoor, kompo- nierte dort das Lagerlied „Die Moorsoldaten“; nach Entlassung Wider- standstätigkeit, zweite Verhaftung 1934, Zuchthaus; 1944 KZ Sachsenhausen und Neuengamme; einer der etwa 350 Überleben- den der Bombardierung der „Cap Arcona“ in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945.

Nach seiner Rettung am 3. Mai 1945 kam Rudi Goguel in ein Lager für Displaced Persons in der U-Boot-Schule Neu­ stadt/Holstein. Hier war er drei Wochen „Blockältester“ des deutschen Blocks. Rudi Goguel ging dann nach Hamburg, wo er Mitglied des „Komitees ehemaliger politischer Gefan- gener“ wurde. Im Juni 1945 siedelte er zu seiner Verlobten­ nach Konstanz über.

1946 verfasste er seine Erinnerungen an die Haftzeit in den Rudi Goguel, Mitte der 1970er- Jahre. KZ Sachsenhausen und Neuengamme, in denen er das Ver­ halten einiger kommunistischer Häftlinge im KZ Sachsen­ Foto: unbekannt. (ASa, FP 10/329) hausen kritisch darstellte. Das Buch erschien 1947 unter dem Titel „Es war ein langer Weg“ im Westen. In Südbaden war er Mitglied des Landesvorstandes der KPD und kandi- dierte 1949 für den Bundestag. Kurz darauf wurde er von der KPD seiner Ämter enthoben. Da ihm 1952 als Leiter eines kommunistischen Verlages im Zusammenhang­ mit der Kommunistenverfolgung in der Bundesrepublik­ die Ver­ haftung drohte, siedelte er in die DDR über. Dort arbeitete er am Deutschen Institut für Zeitgeschichte. Anschließend war er an der Humboldt-Universität in Berlin tätig, wo er 1964 mit einer Ausnahmegenehmigung promovierte. 1965 war Rudi Goguel Mitbegründer der Lagergemein- schaft Neuengamme, deren Sekretär er von 1972 bis 1974 26 Häftlingsverbände in Ostdeutschland

war. 1972 wurde er Sekretär der Geschichtskommission­ der Amicale Internationale de Neuengamme. Im selben Jahr veröffentlichte er im Röderberg-Verlag, Frankfurt, sein Buch: „Cap Arcona. Report über den Untergang der Häftlings­flotte in der Lübecker Bucht am 3. Mai 1945“.

Zum Weiterlesen: Joachim Arndt: Rudi Goguel. Eine politische Biographie, Diplomarbeit, FB Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin, 1998. Häftlingsverbände in Ostdeutschland 27

Karl Kampfert * 3.10.1908, † 25.1.1994

Mitarbeit im Reichsverband freisozialistischer Studenten; 1934 ver­haftet und 1935 wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu 2 Jah- ren und 6 Monaten Zuchthaus verurteilt; Strafverbüßung in den Haftanstalten Hamburg-Fuhlsbüttel und Bremen-Oslebshausen; anschließend aufgrund eines Schutzhaftbefehls Überstellung in das KZ Sachsenhausen;­ 1940 KZ Neuengamme, Kapo in der Effektenkam- mer; 1944 Überstellung in die SS-Sonderformation­ Dirlewanger. Nach seiner Befreiung kehrte Karl Kampfert noch im Mai 1945 wieder nach Berlin zurück. 1948 wurde er Mitglied im Präsidium der zunächst gesamtdeutschen Arbeitsge­ meinschaft Neuengamme und arbeitete dort in der Kom­ mission „Widerstandsbewegung und Lagergeschichte“­ mit. Karl Kampfert wurde in der DDR Professor der Ökonomie. Karl Kampfert, 1945. Foto aus Von 1960 bis 1969 leitete er die Gewerkschaftshochschule­ seinem vom „Hauptausschuß des FDGB in Bernau bei Berlin. Seit ihrer Gründung 1965 Opfer des Faschismus“ ausge­ gehörte er der ostdeutschen Lagergemeinschaft­ Neuen­ stellten Ausweis. gamme an, deren Vorsitzender er von Anfang der 1970er- (LA B, C Rep. 118-01, Nr. 10022) bis Mitte der 1980er-Jahre war. 1972 wurde er ins Exekutiv­ büro der Amicale Internationale de Neuengamme (AIN) ge­wählt.

Karl Kampfert verfasste eine Reihe unveröffentlichter Texte zur Lagergeschichte des KZ Neuengamme. Sein Referat über den Widerstandskampf im KZ Neuengamme wurde auf der Generalversammlung der AIN vom 4. bis 9. April 1978 in Ostberlin lebhaft diskutiert. In seinen Redebei­ ­ trägen hob der bekennende Marxist immer wieder hervor, dass in der DDR dem Faschismus die „ökonomischen Wur- zeln“ genommen worden seien.