Zeitung des Deutschen Kulturrates

Nr. 01/10 · Jan. – Feb. 2010 www.kulturrat.de 3,00 E · ISSN 1619-4217 · B 58 662

Kulturfinanzierung Koalitionsvertrag 20 Jahre Deutsche Einheit WDR als Kulturakteur Kulturelle Bildung Müssen sich Museen der Ökonomi- Welche gesellschaftspolitischen Im- War die Deutsche Einheit ein Trans- Welche Rolle spielt der WDR als Kul- Ist die Kulturschule ein weiteres sierung unterwerfen? Ist der Staat plikationen hat der Koalitionsvertrag? formationsprozess oder doch eine turakteur? Hat er eine Bedeutung für Modell der Ausdifferenzierung der nur für den Bau der Museen ver- Wie finden sich die teilweise wider- feindliche Übernahme? War der Fall das kulturelle Leben in Nordrhein- Bildungslandschaft? Werden die äs- antwortlich? Welche Auswirkungen streitenden Interessen von CDU/CSU der Mauer von West-Berlin aus zu Westfalen? Der Prolog von Olaf Zim- thetischen Fächer in den „normalen“ haben die Einsparungen der letzten und FDP wieder und wo liegt der erspüren? Diese Fragen stehen hinter mermann zur Studie „Der WDR als Schulen leiden, wenn Kulturschulen Jahre bereits? Mit diesen Fragen Sprengstoff für die Koalition in diesem den Interviews, die Olaf Zimmer- Kulturakteur“ wirft grundlegende ausgebaut werden? Joachim Reiss setzt sich Martin Roth im Leitartikel Vertrag? Mit diesen Fragen analysiert mann mit Dieter B. Herrmann und Fragen zum öffentlich-rechtlichen setzt sich mit dem Modell der Kul- auseinander. Max Fuchs den Koalitionsvertrag. Wilfried Mommert geführt hat. Rundfunk auf. turschule auseinander. Seiten 1 und 2 Seite 3 Seiten 6 bis 8 Seiten 11 bis 13 Seite 15

Editorial Kampf um die verbleibenden Töpfe Kooperationsverbot Öffentliche Museen spüren jetzt die Folgen der Wirtschaftskrise • Von Martin Roth undesbildungsministerin An- Länder-Kooperationen sind in der Allenthalben ist von Krise die Rede. wird. Deutschlands Museen sind Bnette Schavan (CDU) will den Vergangenheit beispielsweise im Nun hat sie die deutsche Museums- nicht aufgestellt, alles dem Spiel der Ländern weitere Gelder für den Bil- Rahmen der Übergangsfinanzierung landschaft erreicht und muss dort Marktkräfte zu überlassen. Denn dungsbereich geben und die dürfen nach der deutschen Vereinigung oder bewältigt werden, auch wenn man schließlich ist nicht Wettbewerbsfä- die Gaben nicht annehmen. Es waren auch beim Ganztagsschulprogramm vor wenigen Monaten noch glauben higkeit Zweck der Museen. Sie haben die Länder selbst, die in der Födera- möglich gewesen. Auch das von der wollte, dass die Spur der Krise um einen Wirtschaftswert, der sich nicht lismusreform I eine Grundgesetzän- Kulturstiftung des Bundes geförderte Deutschland herumführe. Sponsoren auf Besucherzahlen reduzieren oder derung durchgesetzt haben, die es Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ brechen weg, Stellen müssen abge- mittels Zahlen erfassen lässt. dem Bund verbietet, Investitionen stellt Bundesmittel für eine kommu- baut, Projekte werden qualitativ bis Ein sächsischer Ministerpräsi- im Bildungsbereich zu tätigen. Jetzt nale Aufgabe bereit. „Jedem Kind zur Langweiligkeit heruntergestuft. dent (v)erging sich einst im Vergleich ist selbst der Bundesbildungsminis- ein Instrument“ ist auch deshalb ein Allem voran aber wirft die Krise die von Kultur mit dem Bau von Auto- terin, die äußerst länderfreundlich gutes Beispiel für die positiven Wir- Frage auf, ob und inwiefern es über- bahnen. Der Staat sei dabei derjeni- auftritt, der Geduldsfaden gerissen. kungen von Bundesmitteln, weil sich haupt sinnvoll war, dass sich Museen ge, der die Museen errichte und bau- Es sei falsch gewesen, sagte sie in das Land NRW verpflichtet hat, nach auf Sprache und Arbeitsweise der lich unterhalte. Die Autos, die darauf der Wochenzeitung „Die Zeit“, die Auslaufen der Bundesförderung in Ökonomie eingelassen haben? Und führen, sprich die Sammlungen und Zusammenarbeit zwischen Bund die Förderung verstärkt einzutreten. auch: Warum sie sich darauf einlas- deren Pflege, müssten allerdings und Ländern in der Bildungspolitik Der Bund kann und darf meines sen mussten? Mäzene garantieren. Dieses Modell zu verbieten. Erachtens die kommunale und die erweist sich jetzt einmal mehr als Im neuen Artikel 104b GG wurde Länderkulturfinanzierung nicht as öffentliche Museum ist ein nicht tragfähig, schon gar nicht 2006 das sogenannte Kooperations- übernehmen. Er kann und sollte DOrt des Sammelns und Bewah- für die Zukunft. Der Staat muss als verbot geregelt, das klarstellt, dass aber in besonderen Ausnahmefällen rens, Archiv der Gegenstände und Garant für die Museen in die Pflicht der Bund künftig keine Finanzhilfen einspringen können. Gerade weil Gedächtnisspeicher. Es ist darüber genommen werden (können). Er mehr geben darf, wenn die aus- die Länder die Verantwortung für die hinaus ein Ort des Forschens, des fördert, sichert und bewahrt damit Martin Roth Foto: David Brandt schließliche Gesetzgebungskompe- Kulturfinanzierung haben, dürfen sie Verstehens und des Vermittelns: des den eigenen Staatsschatz. Er ist mit tenz der Länder betroffen ist. Dies sich bei dieser Frage nicht aus ihrer Erforschens und Begreifens der Ver- seinen Steuergeldern der Hauptgeld- sich kreatives Potenzial und wissen- gilt neben dem Bildungsbereich Verantwortung herausstehlen. Wenn gangenheit und der Gegenwart – und geber und das wird er auch künftig schaftliche Kompetenz verstärken. auch für die Kultur. Der Deutsche die Länder den Bund auffordern zu im besten Falle ein Ort des Lernens bleiben (müssen). Wenn der Staat es Im Ergebnis können Kooperationen Kulturrat hatte damals im Rahmen helfen, kann er es trotz Artikel 104b für die Zukunft. Museen leisten vor zur Bedingung macht, dass Museen entstehen, wie wir sie derzeit er- der parlamentarischen Anhörungen GG tun. allem eine unermessliche Bildungs- private Gelder einwerben, dann stellt folgreich mit Berlin und München das Kooperationsverbot scharf kriti- Die Bundesbildungsministerin arbeit für unsere Kinder und Enkel. er seine eigene Aufgabe in Frage in Vorbereitung einer gemeinsamen siert. Diese unglückselige Grundge- hat in „Die Zeit“ auch noch gesagt, Das ist nicht zum Nulltarif zu haben. und führt sich selbst ad absurdum. Ausstellung im Sommer 2010 in Pe- setzänderung muss nun auch dafür dass das sogenannte Kooperations- Was aber ist davon zu halten, wenn Eine Selbstverständlichkeit ist, dass king praktizieren. Aber wer in Peking herhalten, dass der vom Deutschen verbot ein Fehler war, den heute nur der Staat sich in der Rettung bank- sich die Museen darum bemühen, Ausstellungen organisieren kann, der Kulturrat geforderte „Nothilfefonds noch eine Handvoll Politiker wie- rotter Unternehmen ergeht und die von verschiedenen Seiten Gelder kann auch mehr Gemeinsames zu Kultur“ von Kulturstaatsminister derholen würden. Moderne föderale Kultur geht leer aus? Wie könnten zu organisieren, um beispielsweise Hause leisten. Und weshalb nur auf (CDU) aus verfas- Systeme fördern vielmehr das ge- alle Museen gemeinsam – mit nur ein attraktives Angebot an Sonder- der nationaler Ebene? Wer hindert sungsrechtlichen Gründen zunächst meinsame Arbeiten von Kommunen, einem geringen Teil dieser Mittel ausstellungen vorhalten zu können. uns daran, Gemeinschaftsunter- zurück gewiesen wurde. Ländern und der Bundesebene. Recht – europäische Kulturgeschichte, eu- Der Krise geschuldet funktioniert nehmen mit Museen auf derselben Gerade jetzt, wo sich die ersten hat unsere Bundesbildungsministe- ropäisches Wissen und Wertesystem das nun weniger. Zwar kann durch Augenhöhe auf europäischer Ebene Auswirkungen der Wirtschaftskrise rin! Also, ihr Länder, zeigt, dass ihr feiern. Schon jetzt ist absehbar, dass Erfolge bei der Gewinnung von zu organisieren? Was wir allerdings auf den Kulturbereich zeigen, wo stark seid und den Mut habt, einen der Mangel an kulturellem Nach- Sponsoren der Staat partiell ent- dazu brauchen, ist eine größere landauf und landab die Hiobsbot- Fehler zu korrigieren. wuchs, der durch Kürzungen und lastet werden, darin liegt allerdings Solidarität unter Museumsleuten! schaften über Einsparungen beson- Verhängung von Wiederbesetzungs- die Gefahr, dass er sich auch immer Diese Interviews, in denen schön ders in den kommunalen Kulturetats Olaf Zimmermann, Herausgeber sperren entstanden ist, auf Dauer weiter aus der Kulturverantwor- geredet wird, weil es der Minister sich häufen, darf der Bund nicht von politik und kultur, Geschäfts- eine Verringerung der Qualität der tung zurückzieht und mit einem so will, sind eine höhere Form der helfen? führer des Deutschen Kulturrates kulturellen Arbeit mit sich bringen – „Gut gemacht! Dann kannst du Selbstverleugnung. Nur wenn wir Der Vorschlag des Deutschen das Budget im nächsten Jahr auch gemeinsam deutlich machen, dass Kulturrates für einen Fonds des selbst einwerben, wir ziehen das die Mitarbeiterzahlen jenseits des Bundes für in Not geratene Kultur- vorsorglich schon mal von deinem Zulässigen sind, dass die reduzierten einrichtungen, kulturelle und künst- Haushalt ab“ – verabschiedet. Dar- Mannschaften sich selbst ausbeuten lerische Initiativen in den Städten über hinaus ist es unmöglich, gute und dass der daraus resultierende und Gemeinden soll nur in extremen Kultur-Mensch Ausstellungen hundertprozentig Verlust an Kultur einhergeht mit der Notfällen Hilfe leisten. Dabei muss im Voraus zu planen, verwendete Zerstörung der eigenen Identität, ha- natürlich gesichert sein, dass ein Kennziffern sind nur selten wertvoll ben wir überhaupt eine Chance. Das solcher Nothilfefonds keinen Ver- Seit dieser Legislaturperiode gibt es und Überraschungen, die in diesem durch den Föderalismus begünstigte schiebebahnhof in den kommunalen neben dem Staatsminister für Kultur Aufgabenbereich mitunter eintre- Einzelkämpfertum wird durch den Etats auslöst, sondern tatsächlich und Medien im Bundeskanzleramt ten, können nicht abgedeckt oder Kampf um die verbleibenden Töpfe und vorübergehend die kommunale Bernd Neumann, MdB auch eine vorher bestimmt werden. Auch die noch erhöht. Das alles sind Vorboten Kulturinfrastruktur unterstützt, um Staatsministerin für Kultur und Bil- beliebte „Eintrittsgelderschraube“ existentieller Verteilungskämpfen, nachhaltigen Schaden von der Kul- dung im Auswärtigen Amt, Cornelia hält nur bedingt zur Kompensation bei denen es nichts mehr zu vertei- tur abzuwenden. Die Kommunen Pieper, MdB. her. Vielmehr ist es denkbar, dass len gibt. müssten verbindlich versichern, Cornelia Pieper ist eine ausgewie- im Rahmen größerer Beweglichkeit Kultur war und ist eine Art Boll- dass sie nach der Bundeshilfe die sene Bildungspolitikerin mit einem die Zusammenarbeit verschiedener werk gegen politische Fehlleistungen. Finanzierung wieder in eigener Regie starken Bezug zur Kultur. Sie tritt Museen im Sinne eines Netzwerkes Aber Kultur muss auch weiterhin weiterführen. für eine selbstbewusste Kultur- und künftig eine größere Rolle spielt. Je Angesichts der täglich neuen Bildungspolitik des Bundes ein und enger das Netz, desto wirkungsvoller Schreckensnachrichten, die aus den wird sicherlich auch in der Auswär- könnten synergetische Effekte ent- Weiter auf Seite 2 Kommunen inzwischen eintreffen, tigen Kultur- und Bildungspolitik ihre stehen: um finanzielle Ressourcen zu müssen Bund und Länder noch ein- Akzente zu setzen wissen. mobilisieren, Qualität zu verbessern mal gemeinsam überlegen, wie der und die Reichweite der kulturellen Kultur in den Kommunen geholfen © Fotostudio Faust Angebote zu erhöhen. Im Sinne 4:l;W werden kann. Solche mutigen Bund- eines engmaschigen Netzes könnten Leitartikel / Zwischenruf politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 

Fortsetzung von Seite 1 Mehr Kultur wagen Kampf um die Antwort von Frank-Walter Steinmeier auf das Editorial von Olaf Zimmermann in politik und kultur 6/2009 verbleibenden Töpfe Im Editorial der letzten Ausgabe von haben, gemeinsam mit den politisch gewollt sein. Dabei sind „politik und kultur“ schildert Olaf Kulturstaatsminister eingebunden und Sponsoren und Mäzene als Surplus, Zimmermann seine Entfremdung den Finanzminister gewonnen haben. als Mittel zur Qualitätssteigerung von der SPD. Man erfährt von man- Der Deutsche Kulturrat sei noch ein- Zwischenruf durchaus gewollt und wünschens- gelnder Gesprächskultur zwischen mal erinnert an Veranstaltungen des Manch einer mag sich über Beiträge rigen Ausgabe von politik und kultur wert. Es ist nun aber an der Zeit dem dem Kulturrat und der SPD und liest Auswärtigen Amtes, zu denen er nicht in der einen oder anderen Ausgabe direkt zu reagieren. Staat einmal mehr zu erklären, was von verletzenden Einlassungen, die nur eingeladen, sondern an deren von politik und kultur gefreut oder In dieser Ausgabe schreibt Frank-Wal- er aufgibt, wenn er ihnen diese Auf- dem Geschäftsführer des Deutschen Konzeption er beteiligt war. geärgert haben, manch einer mag sich ter Steinmeier zum Editorial von Olaf gabe vollkommen überlässt. Es muss Kulturrates vor elf Jahren zugefügt Dass Olaf Zimmermann und herausgefordert gefühlt haben, darauf Zimmermann in der letzten Ausgabe Schluss sein mit erdbodentiefen Ver- wurden und die offensichtlich weder der Deutsche Kulturrat sich in den zu reagieren und eine zustimmendes von politik und kultur. beugungen und Betteleien der Mu- durch die Pflege des Deutschen Kul- letzten Jahren nicht genügend wahr Votum oder auch eine andere ganz Wir freuen uns auf weitere Zwischen- seen und deren Direktoren. Museen turrates unter Julian Nida-Rümelin genommen, angenommen und ge- andere Position zu veröffentlichen. In rufe. tun sich schwer mit der Sprache der noch unter Christina Weiss wieder hört gefühlt haben, treibt uns als der Rubrik „Zwischenruf“ gibt es die Ökonomie, und sie tun gut daran. Es geheilt wurden, sondern erst mit dem Sozialdemokraten dennoch um, und Möglichkeit auf Beiträge in der vorhe- Die Redaktion ist eine Sprache, der Museen nicht Balsam konservativer Medizin. wir werden die Gelegenheit nutzen, unterliegen sollten und die zu spre- mit ihnen wieder mehr ins Gespräch chen von ihnen nicht vorausgesetzt Das ist bedauerlich – und zu kommen. sprächen hier in Deutschland, überall derung unter Christina Weiss erweitert werden darf. Diese Sprache geht den Das ändert aber nichts daran: Das habe ich davon profitiert. Und wer haben, auch das gehört dazu. Museen an die Substanz. Der Staat ist befremdlich unmittelbare Gespräch mit Künstlern das Engagement von Künstlern wie Wir haben, das sage ich nicht als Garant von Kultur in der Pflicht. Meine persönliche Gesprächsbereit- und Intellektuellen wird weiter einen Uli Matthes und Till Brönner, Mario ohne Stolz, in den letzten elf Jahren Vielleicht fiele es ihm leichter, diese schaft war da, und wer gesehen hat, ganz besonders wichtigen Platz in Adorf und Günter Grass anlässlich die Kultur dieses Landes verändert. Aufgabe auch als seine Kern- und eine welchen Stellenwert Kulturpolitik in meiner Agenda haben. Das mag man unserer Feier „Hauptsache Kultur – 10 Und ich sage ganz bewusst: wir haben Querschnittsaufgabe für alle Bereiche meiner Arbeit als Außenminister und kritisieren. Ich halte es für richtig. Jahre Bundeskulturpolitik“ vor einem das gemeinsam mit vielen Künstler­ anzuerkennen, wenn sich Kultur als Vizekanzler eingenommen hat, der Denn auch das hat die Kultur Jahr wahrgenommen hat, der weiß, innen und Künstlern, Intellektuellen Staatsziel künftig in der deutschen weiß, dass es nicht bei der Gesprächs- unseres Landes in den letzten elf wovon ich spreche. und Kulturleuten getan. Der Deut- Verfassung fände. bereitschaft geblieben ist. Um nur ein Jahren zum Besseren verändert: Dass Aber weit darüber hinaus: Dass wir sche Kulturrat war uns dabei immer konkretes Beispiel zu nennen: Die Kultur und Politik wieder miteinan- Sozialdemokraten die Kulturpolitik auf ein wichtiger Partner. Und das wird Der Verfasser ist Lösung der Frage der Rahmenfristen der ins Gespräch gekommen sind. Bundesebene mit Michael Naumann er hoffentlich bleiben. Generaldirektor der Staatlichen beim Arbeitslosengeld war nur mög- Ins unmittelbare, direkte und offene begründet, mit Julian Nida-Rümelin Kunstsammlungen lich, weil wir auch hier das Gespräch Gespräch. Bei meinen Reisen ins und der Kulturstiftung des Bundes Der Verfasser ist Vorsitzender der Dresden mit dem Verband gesucht und geführt Ausland, bei meinen zahlreichen Ge- verankert und der Reform der Filmför- SPD-Bundestagsfraktion Inhaltsverzeichnis

EDITORIAL DER WDR als Kirche und Kunst müssen aufeinander zugehen Kooperationsverbot Kulturakteur Burkard Jürgens interviewt Das Musik-Kultur-Politik-TV-Programm der nmz Von Olaf Zimmermann 1 Gefühlte Wahrheit Philip Gröning 18 Von Olaf Zimmermann 11 KULTUR-MENSCH LUTHER 2017 Der WDR: Besser als sein Ruf taktlos Cornelia Pieper 1 Von Olaf Zimmermann und Luther 2017 – eine ökumenische Gabriele Schulz 12 Chance LEITARTIKEL Von Volker Leppin 18 Das EUROPA Kampf um die verbleibenden Töpfe KULTURLANDSCHAFT Musikmagazin Von Martin Roth 1 Europa entdeckt die Kulturelle Bildung DEUTSCHLAND ZWISCHENRUF Von Kristin Bäßler 14 Handlungsfeld „heimatliche Region“ Von Ekkehard Müller und taktlos #138: Ausgespielt – Wenn Künstler nicht mehr können. Mehr Kultur wagen! Arbeitsmarkt Antje Burghardt 19 Was kommt nach der großen Karriere für Sänger, Tänzer, Von Frank-Walter Steinmeier 2 kultur Instrumentalisten? KULTURELLES Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik für taktlos spezial; Livemitschnitt vom 24. Oktober aus dem Capitol in AKTUELLES LEBEN Offenbach: Jenseits von Tuten und Blasen. Sinfonische Blasmusik die Kultur. Resolution des Deutschen in Deutschland. In was für einer Gesellschaft wollen Kulturrates zu den arbeitsmarkt- und Erb Gut Kunst wir leben? sozialpolitischen Aussagen des Ko- Von Anette Rein 20 Von Max Fuchs 3 alitionsvertrags, den Kulturbereich betreffend 14 InternetGuide durch den Videostrecke PORTRAIT Kunstdschungel KULTURELLE BILDUNG Von Tom Koesel 20 Die kulturelle Einheit steht noch aus „Die Kulturschule“ – exklusiv Der Kampf um die Stadt „WESPE 2009“ Von Andreas Kolb 4 und allzu weich? Von Kristin Bäßler 21 Von Joachim Reiss 15 Kulturfinanzierung Die Marsmenschen und wir RECHT Von Georg Ruppelt 22 Experten-Rat für die Kunstpolitik WESPE – seit 2008 steht dieses Wort für die „Wochenenden der in Zeiten der Krise Frieden durch Sonderpreise“ von „Jugend musiziert“. In diesem Rahmen wird in KULTURWIRTSCHAFT Von Ernst Elitz 5 Gerechtigkeit Münster der Klassikpreis verliehen, bei dem die Teilnehmer sich Von Peter Loock 16 Resolution des Deutschen Kultur- mit berühmten Kompositionen des 18. und 19. Jahrhunderts aus- 20 JAHRE Deutsche rates zur Fortsetzung der „Initiative einandersetzen. Sieben Duos nahmen dieses Jahr an der „WES- Ohne Grenzen Kultur- und Kreativwirtschaft der PE Münster“ Teil; jeweils einen Satz ihrer Auftritte präsentieren Einheit Von Andreas Richter und Bundesregierung“ 23 wir in voller Länge auf unserer Homepage. Und bald erscheint an Wissenschaftler mit Einschränkungen Andrea Kerner 16 gleicher Stelle zusätzlich ein umfassender Feature-Film über den und Privilegien KURZ-SCHLUSS Klassikpreis 2009 in Münster. Olaf Zimmermann interviewt KULTUR UND KIRCHE Dieter B. Herrmann 6 Wie ich einmal meine geistige Leis- Papst trifft Künstler vor dem tungsfähigkeit kulinarisch steigern Hitze des Magmas im Vulkan Jüngsten Gericht wollte der DDR Von Thomas Jansen 17 Von Theo Geißler 24 Olaf Zimmermann interviewt Wilfried Mommert 8 Max Fuchs: Kulturpolitik und Zivilgesellschaft ÜBER DEN Analysen und Positionen - Aus politik und kultur 4 TELLERRAND Das Buch enthält Beiträge von Prof. Dr. Max Fuchs, dem Vorsitzenden des Deut- Entwicklungen in Seoul schen Kulturrates, aus politik und kultur, beobachten der Zeitung des Deutschen Kulturrates. Von Christine M. Merkel 9 Hg. v. Olaf Zimmermann und Theo Geißler kostenlos unter: 184 Seiten ISBN 9783934868212, E 12,90 Exklusiv und kostenlos unter GOETHES Welt www.nmzmedia.de Erhältlich in allen Buchhandlungen www.nmz.de Goethe in Südamerika oder unter www.kulturrat.de/shop.php Von Katharina Nickoleit 10 Aktuelles politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 

In was für einer Gesellschaft wollen wir leben? Zu den politischen Leitbildern des Koalitionsvertrages • Von Max Fuchs Man kann gute Gründe dafür finden, aus dem engeren Kreis der Akteure dass es nicht die rhetorischen Ele- z.T. mehrbändige Zeitdiagnosen und mente und Leitformeln sind, die in Kulturphilosophien vor. Das Konzept einem Text wie dem Koalitionsver- der Sozialen Marktwirtschaft ist näm- trag das Wichtigste sind. Da inter- lich überaus anspruchsvoll im Hin- essieren doch schon sehr viel mehr blick auf seine geistigen Grundlagen, die konkreten Angaben darüber, wobei gerade die – auch personellen wie es in der Steuer- und Sicher- – Verbindungen zur katholischen heitspolitik, in der Wirtschafts- und Soziallehre deutlich sind. Sozialpolitik weitergehen soll. Und Während also die heutige CDU trotzdem ist es vielleicht nicht mit diesem Konzept an ihre geistigen uninteressant, sich die zentralen Wurzeln anschließt, ist es für die FDP Begriffe und Leitbilder anzuschauen: erheblich schwieriger. Als Partei der Unter welche globalen Perspektiven Bürgerrechte muss sie ebenso in werden Einzelmaßnahmen gestellt, ein Spannungsverhältnis zu Ideen mit welchen Begriffen beschreibt eines starken Staates geraten wie als man diese Vorstellungen – und (neoliberale) Wirtschaftspartei. Ihre auf welche Begriffe, die noch vor ebenfalls existierende sozialliberale kurzem diese Aufgabe erfüllt haben, Traditionslinie, die in der deutschen verzichtet man. Solche generellen Geschichte gut verankert ist – etwa Aussagen und Leitformeln findet in der DDP der Weimarer Zeit – hat man in der Gesamtüberschrift, in der dagegen keine Probleme mit dieser Anordnung und in den Überschriften sozialstaatlichen Ausrichtung. Das der Kapitel und in den ersten Zeilen heißt, dass Auseinandersetzungen eines jeden Kapitels. in der FDP vorprogrammiert sind, da Richtungsunterschiede in einer ie Programmatik beginnt bereits handelnden Regierungspartei nicht Dbei der Überschrift. Dass Wachs- mehr so leicht rhetorisch überspielt tum – also die Wirtschaftspolitik werden können wie in einer Opposi- – an zentraler Stelle sowohl in der tionspartei. Überschrift („Wachstum, Bildung, Zu der Traditionslinie der So- Zusammenhalt“) als auch in der zialen Marktwirtschaft passt auch Kapitelanordnung steht, verwundert die Zusammenlegung der Themen angesichts der Herkulesaufgabe, Jugend, Familie, Ehrenamt, Soziales, die sich in diesem Feld stellt, nie- Gesundheit, Religion, Geschichte Bundeskanzleramt © Bundesregierung/Bernd Kühler manden. Dass aber Bildung und und Kultur in einem einzigen Kapitel, Zusammenhalt, also eher weiche wobei Bildung in einem gesonderten Aktivierungsrhetorik (aktivierender wiederum das Integrationsproblem starken Verwaltung wollten. Politisch Themen, diese Prominenz erhalten, Kapitel behandelt wird. Zu letzterem Sozialstaat, aktivierender Kultur- stellt: Wie müssen heute angesichts scheint mir dies allerdings zuneh- ist neu. Und dies setzt sich fort. Be- ist positiv anzumerken, dass – anders staat etc.) verzichtet hat. Das ist gut des „flexiblen Kapitalismus“ (Sennett) mend ein Hauptproblem zu sein: Die reits in der ersten Textzeile wird als noch als rund um den missglückten so. Denn eine genauere Analyse des die Subjekte beschaffen sein, wenn schleichende Aushöhlung der Demo- „wirtschaftpolitische Leitlinie“ die „Bildungsgipfel“ der Großen Koaliti- dahinterstehenden Menschenbildes sie noch die Vision einer autonomen kratie und hierbei der Parlamente Soziale Marktwirtschaft benannt. on, wo die Kanzlerin noch vollmun- und Politikverständnisses zeigt, dass Lebensgestaltung aufrechterhalten durch eine übermächtige Exekutive Es ist also nicht von Neuer Sozialer dig von Deutschland als einer (bereits durch diese Staatsideologie des Akti- wollen? Vor diesem Hintergrund in Berlin und Brüssel, wobei es in Marktwirtschaft die Rede, so wie es existierenden) „Bildungsrepublik“ vierens, wenn sie praktisch umgesetzt wird sogar verständlich, dass Kin- dieser Exekutive weniger die poli- seinerzeit bei dem gesprochen hat – nunmehr beschei- wird, eine Grunderrungenschaft der der- und Jugendpolitik auch in der tische Leitung, sondern vielmehr der Leipziger Parteitag als neue Linie den unser Land „auf den Weg zu einer europäischen „Leitkultur“ (hier trifft Koalitionsvereinbarung wieder vor Verwaltungsapparat der Ministerien durchsetzen wollte. Dabei wird diese Bildungsrepublik“ gebracht werden der Begriff tatsächlich zu), nämlich allem Familienpolitik ist, da man die ist, der die Macht ergriffen hat. Ein alte Leitidee als bloß wirtschaftspo- soll. Dies deckt sich doch sehr viel das Konzept des autonomen Indi- Hoffnung hat, diese ehemals zentrale Slogan wie „Wir wollen mehr Demo- litische Leitlinie unter Wert verkauft. mehr mit den Ergebnissen der stän- viduums, zerstört wird. Denn es soll Sozialisationsinstanz stärken zu kön- kratie wagen!“ wäre also durchaus Denn es geht hierbei um einen voll- digen Evaluationen des deutschen in einer solch „aktivierenden“ Politik nen. Ob sich allerdings das Rad der angebracht, wobei er heute eine deut- ständigen Gesellschaftsentwurf, ganz Bildungswesens gerade in Hinblick der Einzelne in die Verantwortung Zeit zurückdrehen oder zumindest lich anti-etatistische Stoßrichtung so, wie es die Betonung von „Bildung“ auf misslingende Integration, auf genommen werden für die Über- aufhalten lässt, ist zweifelhaft. Weiter haben müsste, die neben den Par- und „Zusammenhalt“ im Gesamttitel den weltmeisterlich hohen Zusam- nahme und Lösung gesellschaftlich würde an dieser Stelle eine Neukon- teien gerade auch die demokratisch zeigen. Dazu passt, dass das große menhang von Herkunftsfamilie und produzierter Risiken. Es zielt dabei zeptionierung der Jugend- (Kultur- verfassten zivilgesellschaftlichen Kapitel III: Sozialer Fortschritt, an- Schulerfolg. Warum dieses gute Ziel die ganze Politik des Forderns und und Bildungs)-Politik führen, so wie Organisationen stärkt. Leider findet ders als die anderen Kapitel keine mit völlig unrealistischen Superla- Förderns darauf ab, ihn bloß wieder sie das Bundesjugendkuratorium der sich zu diesem Thema einer „Weiter- eigene programmatische Formel hat. tiven konkretisiert werden muss (es als Rädchen des eigentlich wichtigen letzten Regierung (als Kombination entwicklung der Demokratie“ recht Man hält offensichtlich das zentrale müssen gleich die besten Schulen, Wirtschaftskreislaufs funktionsfähig von Unterstützung, Befähigung, Teil- wenig (am ehesten noch in Kapitel Bekenntnis zur Sozialen Marktwirt- Hochschulen und KiTas sein), ist mir zu machen (Lessenich: Neuerfindung habe und als Generationenpolitik) IV: Freiheit und Sicherheit). Mögli- schaft am Anfang des Textes gerade allerdings unverständlich. Mir würde des Sozialen, 2008). Dies ist das ge- vorgeschlagen hat („Zur Neuposi- cherweise liegt hier sowohl zwischen auch in diesem Feld für ausreichend. schon ein guter Mittelplatz ausrei- naue Gegenteil einer Politik des Libe- tionierung von Jugendpolitik“, Mai CDU und FDP als auch innerhalb der Dieser bewusste Anschluss an ein chen, bei dem jedoch das erwähnte ralismus und der Sozialen Marktwirt- 2009). FDP das größte Konfliktpotential. früheres Erfolgsmodell wird gezielt „Bürgerrecht Bildung“ vollständig schaft, bei der das Individuum und Die ursprüngliche Idee eines so- Denn das Spannungsverhältnis zwi- verstärkt durch die Kapitelüberschrift und ohne Diskriminierung ganzer dessen Wohlergehen im Zentrum der zialen Staates, so wie sie sich heute schen Sicherheit (und einem starken „Wohlstand für alle“. Dies ist der Titel Bevölkerungsgruppen umgesetzt Politik steht. Eigentlich müssten sich noch in angelsächsischen Ländern Staat, der diese garantieren will) und eines Buches von Ludwig Erhard, werden würde. Immerhin sagt der hierauf alle demokratischen Parteien findet, wo Bildungs- und Kulturpo- Freiheit (und einem Staat, der seine dem politischen „Vater“ dieses Kon- Koalitionsvertrag implizit in diesem einigen. Denn auch die Traditionsli- litik selbstverständlicher Teil einer Stärke darin sieht, sich nicht ständig zeptes, aus dem Jahre 1957. Zusammenhang, welcher Fehler nie eines „ethischen Sozialismus“ in entsprechend verstandenen Sozial- in alle Belange des Lebens der Bürger Es lohnt sich, an die geistigen mit der letzten Föderalismusreform der Sozialdemokratie beruft sich auf politik als einer Politik des Sozialen einmischen zu wollen) wird eher Ursprünge dieser Vision zu erinnern. (und Grundgesetzänderung) gerade Kant mit seiner zentralen Forderung, sind, wurde auch so in Deutschland noch größer werden, konkret: Der Entstanden ist sie als Reaktion auf in der Bildungs- und Kulturpolitik dass der Einzelne niemals Zweck für in der ersten Hälfte des 19. Jahrhun- Konflikt zwischen Justiz- und Innen- die Weltwirtschaftskrise Ende der angestellt wurde, bei der der Bund etwas anderes sein dürfe. derts entwickelt. Dabei wurde der ministerium ist vorprogrammiert. Zwanziger Jahre. Sie war ein Protest weitgehend auf seine diesbezüg- Die Zusammenlegung der ge- Aspekt der Integration und Verge- Wenn vorsichtig ein Fazit gezogen gegen den Manchester-Liberalismus, lichen Kompetenzen verzichtete. Der nannten heterogen erscheinenden sellschaftung des Einzelnen stark werden soll, so könnte man sagen: der nach Meinung fast aller Experten Widerspruch zu dieser – vermutlich Politikfelder in einem gemeinsamen überlagert durch die lange Zeit feh- Die CDU ist wieder näher an ihre zu dem Zusammenbruch der Welt- bald wieder aufzuhebenden – Än- Kapitel („Sozialer Fortschritt“) hat lende politische Integration. Auch Wurzeln gerückt. Obwohl scheinbar wirtschaft geführt hat. Gegen einen derung besteht etwa in der Idee der eine lange Tradition in Deutsch- hier greift der Koalitionsvertrag auf die FDP an Stärke gewonnen hat, unbegrenzten Markt – man sprach Bildungsgutscheine, mit denen der land, die bis in die Anfänge einer ein altes Leitbild, nämlich die Idee ist der Koalitionsvertrag – zumin- bereits von „Neoliberalismus“, der zu Bund erneut (grundgesetzwidrig) bis öffentlichen Sozial-, Bildungs- und einer (europäischen) „Kulturnation“ dest in seinen Leitbildern – eher bekämpfen war – wollte man einen auf die lokale Ebene fördern will. Zur Kulturpolitik unter dem Titel einer zurück. Dieser Begriff muss heute die christdemokratisch imprägniert. Es starken Staat setzen, der für eine gute Vision der Sozialen Marktwirtschaft guten „Polizey“ bis ins frühe 19. multiethnische Zusammensetzung könnte sein, dass die zukünftigen soziale Absicherung der Risiken sorgte gehört nämlich die Grundidee, die Jahrhundert zurückreicht. Lorenz von der Bevölkerung in Deutschland innerparteilichen Richtungskämpfe und der der Wirtschaft die Spielregeln in den sechziger und siebziger Jahren Stein, konservativer Sozialreformer, berücksichtigen, kann sich also nicht in der FDP die zwischenparteilichen vorgab. Dieter Haselbach spricht in von den sozialliberalen Regierungen der bereits vor Marx und Engels die mehr auf scheinbar sichere Traditi- Auseinandersetzung sogar noch seiner hervorragenden Analyse von durchgesetzt wurde: Aufstieg durch entstehende Industriegesellschaft als onen einer „deutschen Leitkultur“ überlagern. Denn beide Richtungen einem „Autoritären Liberalismus“ Bildung (so auch kürz- spannungsvolle Klassengesellschaft beziehen. Doch scheint mir diese der FDP, die Bürgerrechts- und die (1991). Der Kreis der Gelehrten die lich in einem Grundsatzartikel in der charakterisiert hat, ist hier zu nen- semantische Neujustierung sehr Wirtschaftpartei, stellen prominente diese Konzeption entwickelten und FAZ). Würde die konservative Partei nen. Die damals entscheidende Fra- viel leichter zu sein als eine entspre- Vertreter in der Regierung. Die CDU vertraten, war denkbar bunt: Wäh- hier auch noch auf die international ge, die sich in ähnlicher Weise heute chende demokratische Umdefinition hat jedenfalls mit diesem Dokument rend Müller-Armack sich problemlos völlig indiskutable Dreigliedrigkeit wieder stellt, betrifft das Verhältnis des autoritären Kulturstaatsbegriffs. allen Grund zur Gelassenheit. Die dem Nazistaat zur Verfügung stellte, des deutschen Schulsystems verzich- des Einzelnen zur Gemeinschaft. Die Notwendigkeit einer Aktua- SPD als Oppositionspartei könnte ging Rüstow aus Protest ins Exil nach ten, wäre sehr viel Leid aus der Welt Damals brachen die Traditionen der lisierung historischer Begriffe stellt daraus lernen, dass man nicht unge- Istanbul, wo ein modernisierungswil- gebracht. Ständegesellschaft weg, so dass sich sich natürlich bei allen verwendeten straft Parteitraditionen verletzen darf, liger türkischer Staat vielen europä- Kapitel III (Sozialer Fortschritt) das Integrationsproblem als Grund- Konzepten. Auch die durchaus eman- sondern es sich vielmehr lohnt, das ischen Gelehrten eine Zuflucht bot. fällt wie erwähnt dadurch auf, dass problem für Pädagogik, Kultur und zipatorisch gemeinte Wohlfahrtspo- eigene Profil mit sozialer Gerechtig- Zum Teil ordnete sich dieser Denkan- kein eigenes Kapitel-Leitbild formu- Politik erstmals mit Vehemenz stellte. litik von Lorenz von Stein wurde in keit im Zentrum zu schärfen. satz in die kulturpessimistische (und liert wird. Es fällt zudem auf, dass Heute verändert der Kapitalismus der Traditionslinie von Carl Schmitt konservative) Kapitalismuskritik seit man auf die in den letzten Jahren – auch aufgrund der digitalen Revolu- und Ernst Forsthoff missbraucht, Der Verfasser ist Präsident des der Jahrhundertwende ein. So liegen beliebte, aber höchst umstrittene tion – erneut sein Wesen, so dass sich die einen autoritären Staat mit einer Deutschen Kulturrates portrait politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 

Die kulturelle Einheit steht noch aus Luc Jochimsen, kulturpolitische Sprecherin von DIE LINKE, im Portrait • Von Andreas Kolb Ihre ersten Artikel veröffentlichte alpolitik der rot-grünen Regierung Es war Nachkriegszeit, Aufbruchs- Lukrezia Jochimsen als 16-Jährige ablesen. Dazu kam, dass sie 1994 aus zeit, eine neue Zeit, voller starker in der damaligen Frankfurter Neu- Großbritannien nach Frankfurt zu- politischer Ideen. Jochimsen legte en Presse. Das war 1952. Für das rückgekommen war und annahm, sie 1956 in Frankfurt ihre Abiturprüfung Mädchen stand bereits fest, dass käme in ein vereintes und verändertes ab und studierte dann in Hamburg sie Journalistin werden wollte. Damit Deutschland. „Ich war naiv, in Hessen Soziologie, Politikwissenschaft und die Redaktion nicht erfuhr, dass es und Frankfurt war nichts anders. Als Philosophie. 1961 promovierte sie bei ein junges Mädchen war, was da Journalistin erlebte ich diese geradezu Helmut Schelsky an der Universität schrieb, verkürzte sie ihren seltenen paranoide Ausgrenzung der PDS. Den Münster über „Zigeuner heute – Un- Vornamen auf Luc. Er ist bis heute Umgang im Bonner Parlament mit der tersuchung einer Außenseitergruppe ihr Markenzeichen. Die kleine Anek- PDS fand ich undemokratisch, wider- in einer deutschen Mittelstadt“. dote steht für ein zentrales Thema lich und nicht hinnehmbar.“ Luc Jochimsens Karriere beim im Berufsleben von Luc Jochimsen, Sie empörte sich darüber, dass in öffentlich-rechtlichen Rundfunk fing die Frauenfrage. den großen politischen Sendungen an wie bei vielen anderen: als Freie der ARD immer die CSU vertreten Autorin beim Hörfunk zunächst für n vielen Fällen war sie die erste war, die PDS mit dem Argument, sie den NDR, dann den HR. Ihre ersten IFrau, die in gewisse Positionen sei eine Regionalpartei des Ostens, Fernsehsachen machte Luc Jochimsen kam. 1975 etwa als erste Redakteurin nicht eingeladen wurde. Es blieb nicht Anfang der 1970er-Jahre. Jetzt war des ältesten deutschen politischen bei der Empörung, sie erfand ein TV- sie nicht mehr als Solistin, sondern Fernsehmagazins „Panorama“ unter Format, das Abhilfe schuf. arbeitsteilig unterwegs. „Am Anfang Peter Merseburger. „Meine Themen „Im Dritten Programm des Hes- wollte ich gar nicht fürs Fernsehen waren Schule, Hochschule, Frauen sischen Rundfunks entwickelte ich arbeiten. Die Angst, dass ich meine und § 218. Merseburger hatte um in Absprache mit Intendant und Pro- Texte dem Bild unterordnen muss, hat diese Zeit das Gefühl, das Frauenthe- grammdirektor eine Politiksendung, mich zunächst sehr geprägt. Zudem ma kommt jetzt auf uns zu und wir „3 zwei eins“, zu der wir ganz bewusst fand ich die Form der Radiofeature müssen in den Sendern ab und zu und gezielt PDS-Politiker eingeladen mit bis zu zwei Stunden dauernden Luc Jochimsen, MdB Foto: Laurence Chaperon mal eine Frau haben.“ So wurde sie haben: drei Moderatoren sprachen Sendungen mit Musikanteilen ein so die erste Frau in der Panorama-Re- mit zwei kontrovers agierenden Po- reiches Feld.“ Günter Grass und dem Willy Brand Jochimsen fordert eine Milliarde Euro daktion, die bisher von Journalisten litikern über ein Thema. Ich habe in Wider Erwarten entpuppte sich Kreis vor: Man sollte das Dokumen- für einen nationalen Fond für die kul- wie Merseburger, Gerhard Bott, Ulrich dieser Zeit viele PDS-Politiker ken- das Arbeiten in der Gruppe, das sich tationszentrum an die Grenze verle- turelle Infrastruktur. Denn wenn ein Happel und Lutz Lehmann geprägt nengelernt und eingeladen: nicht nur auf Kamerakunst einlassen, als großer gen, Frankfurt/Oder böte sich sehr Theater erst einmal geschlossen sei, worden war. , weil er so unterhaltend Genuss und Herausforderung. So stieg gut an: An beiden Seiten des Flusses „dann ist es weg“, wenn ein Museum Zwischen 1985 und 1988 war Luc ist, sondern auch die spröderen, An- sie schnell in die Fernsehreportagen könnten Räumlichkeiten entstehen einmal zugemacht würde, „dann wird Jochimsen ARD Korrespondentin in dré Brie und alle. Als mich Dietmar und Fernsehdokumentationen ein und man könnte den Menschen eine es wahrscheinlich nie mehr eröffnet.“ London. 1988 bis 1991 war sie ver- Bartsch 2002 anrief und fragte, ob ich und stieß 1973/74 durch die Initiative Möglichkeit geben, über eine Brücke Sechzig Jahre existiert die Bundesre- antwortlich für die Abteilung Feature/ als unabhängige Kandidatin für die von Peter Merseburger zu dem poli- hinüberzugehen. Derart ließe sich der publik Deutschland, ein Drittel ihrer Auslandsdokumentation des NDR PDS kandidieren würde, habe ich das tischen Magazin „Panorama“. Versöhnungsgedanke kulturell und Existenz in wiedervereinter Form. und von 1991 bis 1993 arbeitete sie sehr gerne getan.“ Ist man heute im Kulturbereich mit politisch vermitteln.“ Nach einem Resümee von zwei Jahr- als Leiterin des ARD-Fernsehstudios einem Kamerateam unterwegs, dann Unter dem Eindruck der Wirt- zehnten Wiedervereinigung gefragt, in London. 1994 wurde sie für sieben Bombennächte und demo- öffnen sich alle Türen – zumindest die schaftskrise und ihrer Folgen forderte antwortet Jochimsen nüchtern, dass Jahre Chefredakteurin Fernsehen des der professionell agierenden Presse- Luc Jochimsen in ihrer ersten Rede in eine kulturelle Einheit immer noch Hessischen Rundfunks und moderier- kratische Verantwortung stellen. In den 1970er-Jahren – und der neuen Legislatur ein Soforthilfe- ausstünde. Dass sie das aber kühl te unter anderem die Politiksendung Als wichtigste biografische Prägung als Vertreter eines kritisch-investiga- programm für Kultur: „Der Bund ist lässt, oder gar resignieren, davon ist „3 zwei eins“. nennt Jochimsen die Bombennächte tiven-linksorientierten Journalismus gefordert, da kann man sich nicht nicht auszugehen. In dieser Zeit war Journalismus in Düsseldorf, die sie als Sechs- bis – war es umgekehrt: „Tauchte man rausreden, man hätte sich mit der ein Männerberuf. Doch Mitte der Neunjährige miterleben musste, und mit einem Kamerateam auf, liefen die Föderalismusreform II die Hände Der Verfasser ist Redakteur von 90er-Jahre gab es unter den elf Chef- die antifaschistische Haltung ihres Leute eher weg. Und wenn wir sagten, gebunden.“ politik und kultur redakteuren in der ARD mit ihr im- Vaters Adolf Schleussinger. wir kommen von „Panorama“, dann merhin schon zwei, kurz danach drei Ihre beiden Eltern erzogen sie waren die Fabriken, die Behörden, Frauen. Das männliche Machtgefüge als politisch denkenden Menschen: die Ministerien verschlossen. Auch Mitglieder des Ausschusses für Kultur kam erstmals ins Wanken, als Marion „Jetzt nach dem Krieg, kommt eine wenn man zum Telefonhörer griff, von Haaren Chefredakteurin des neue Zeit, es kommt die Befreiung, war es sehr schwierig, da weiter zu- und Medien des Deutschen Bundestages Westdeutschen Rundfunks wurde. es kommt die Demokratie und die kommen.“ Luc Jochimsen erinnert sich: „Von bedeutet, dass man sich als Mensch da an waren wir insgesamt vier und für die Gesellschaft engagiert. Aber Wege zur Kultur Vorsitzende: Petra Merkel, MdB siehe da: Da von Haren den größten die gesellschaftliche Verpflichtung Prof. Monika Grütters, MdB Olaf Scholz, MdB Sender innerhalb der ARD vertrat, war das eine. Das andere: Ich wollte Spätestens seit ihrer Korresponden- (CDU/CSU) Peer Steinbrück, MdB wurden Frauen ernst genommen schon immer Journalistin werden. tenzeit in Großbritannien wurde Stellvertretende Vorsitzende: und man konnte mit den Männern Meine Mutter behauptet, ich hätte das Thema Kultur sehr prägend für Angelika Krüger-Leißner, MdB FDP-Fraktion verhandeln. Vorher war man als Frau schon als Vierjährige aus der Zeitung die Fernsehjournalistin. Kultur ist in (SPD) 4 Mitglieder: Außenseiterin.“ vorgelesen. Allerdings hätte ich die ihren Augen ein großer umfassender Sebastian Blumenthal, MdB Zeitung umgekehrt gehalten und Begriff unseres Lebens, eine Trennung CDU/CSU-Fraktion Reiner Deutschmann, MdB (Kultur- Der Weg zur PDS meinen Eltern Geschichten aus der hier Politik, da Kultur, möchte sie 9 Mitglieder: politischer Sprecher und Obmann) Zeitung erzählt.“ nicht vollziehen. Als kulturpolitische Dorothee Bär, MdB Patrick Kurth, MdB 2002, im Jahr nach ihrer Pensionie- Der Vater war Speditionsfach- Sprecherin der Linken hat die Kul- Wolfgang Börnsen, MdB Burkhardt Müller-Sönksen, MdB rung, ließ sich Jochimsen als unab- mann aus Nürnberg, die Mutter turpolitikerin im zu allen (Kulturpolitischer Sprecher) hängige Parlamentarierin in Hessen stammte aus einer Gastwirtsfamilie. aktuell von der Bundesregierung vor- , MdB Stellvertreter für die PDS aufstellen. Heute arbeitet Auf ihre journalistische Leidenschaft gelegten Themen ihre Gegenstimme Prof. Monika Grütters, MdB Helga Daub, MdB sie im Ausschuss für Kultur und Me- bezogen, gab es für die junge Repor- abgegeben. Christoph Poland, MdB Lars Lindemann, MdB dien, im Unterausschuss Auswärtige terin keine Vorbilder, man muss sie „Ich finde es nach wie vor eine , MdB , MdB Kulturpolitik sowie im Kunstbeirat wohl zu den geborenen Journalisten Schmach, dass der Palast der Repu- , MdB Dr. Claudia Winterstein, MdB des Deutschen Bundestages mit. In zählen. blik verschwunden ist. Ich bin nicht , MdB (Obmann) allen diesen Gremien ist sie die Spre- Mit siebzehn ging Luc Schleussin- für den Erhalt, aber dass bei einem Dagmar Wöhrl, MdB Fraktion die linke cherin bzw. Obfrau der Fraktion DIE ger für ein Jahr als Austauschschülerin Neubau nicht ein Teil davon mit ein- 3 Mitglieder: LINKE. Weiterhin ist sie Vorsitzende nach Amerika. Viele ihrer Erlebnisse bezogen wird, ist mir unverständlich. Stellvertreter Dr. , MdB der Deutsch-Irischen Parlamen- in den Vereinigten Staaten sandte sie Ich bin gegen die Konstruktion eines , MdB Dr. Lukrezia Jochimsen, MdB (Kultur- tariergruppe und stellvertretende in Form von Geschichten und Repor- Einheits- und Freiheitsdenkmals , MdB politische Sprecherin und Obfrau) Vorsitzende der Deutsch-Britischen tagen an Zeitungen und bot sie auch – da gehen zwei Dinge ineinander Dr. , MdB Kathrin Senger-Schäfer, MdB und Deutsch-Italienischen Parlamen- dem Hessischen Rundfunk an. über, die nicht zusammenpassen. , MdB tariergruppe. Ihr Vater sagte, eine Aussteuer Auch halte ich den Standort auf dem , MdB Stellvertreter „Solange ich journalistisch gear- gebe es nicht, aber die Finanzierung leeren Sockel auf dem Schlossplatz Dr. Günter Krings, MdB Herbert Brandt, MdB beitet habe, habe ich mich von keiner des Studiums seiner Tochter wurde für falsch. Ich bin auch gegen das , MdB , MdB Partei direkt vereinnahmen lassen. Als als selbstverständlich erachtet. Die Dokumentationszentrum Flucht, , MdB Dr. , MdB Journalist darf man meiner Meinung junge Reporterin empfand es als eine Vertreibung und Versöhnung in Ber- , MdB nach nicht Mitglied einer politischen Verpflichtung, gerade auch als Frau lin. Der Versöhnungsgedanke ist in Fraktion bündnis 90/ Partei sein. Ich hätte diesen Spagat auf eigenen wirtschaftlichen Beinen Berlin überhaupt nicht vermittelbar. SPD-Fraktion Die grünen nicht ausgehalten.“ zu stehen. Mir schweben Vorschläge wie von 5 Mitglieder: 3 Mitglieder: Jochimsen hat nie einen Hehl Siegmund Ehrmann, MdB (Kulturpo- , MdB (Kulturpoli- daraus gemacht, dass ihre politischen litischer Sprecher und Obmann) tische Sprecherin und Obfrau) Positionen linke Positionen waren. Die kulturpolitischen Sprecher im Portrait Angelika Krüger-Leißner, MdB Tabea Rößner, MdB „1998 habe ich mit den größten Hoff- , MdB , MdB nungen SPD gewählt und gehofft, In dieser Ausgabe wird die Portraitreihe MdB portraitiert. In dieser steht die Dr. h.c. , MdB dass jetzt eine neue Zeit anbricht, der kulturpolitischen Sprecher der im kulturpolitische Sprecherin der Bun- , MdB Stellvertreter nach 16 Jahren Kohl. 2001 ging ich in Deutschen Bundestag vertretenen destagsfraktion Die Linke Dr. Lukrezia , MdB den Ruhestand: Es lagen drei Jahre Parteien fortgesetzt. In der letzten Jochimsen, MdB im Mittelpunkt. Die Stellvertreter Dr. , MdB schrecklicher Enttäuschungen hinter Ausgabe (6/2009) wurde die kultur- Portraits der anderen kulturpolitischen Martin Dörmann, MdB Wolfgang Wieland, MdB mir.“ Diese Enttäuschung konnte politische Sprecherin von Bündnis Sprecher folgen. , MdB man an ihren ARD-Kommentaren 90/Die Grünen Agnes Krumwiede, Die Redaktion über die Außen-, Innen- und Sozi- Kulturfinanzierung politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 

Experten-Rat für die Kunstpolitik in Zeiten der Krise Der Landeskunstbeirat Baden-Württemberg legt seine Empfehlungen vor • Von Ernst Elitz Baden-Württemberg zeichnet sich Aktivitäten, zur Selbstevaluation der durch eine vielfältige regionale Einrichtungen und zur Gewinnung Kunstszene aus und beherbergt neuer Publika. Soweit die Empfeh- Sammlungen von internationaler lungen Ressorts der Landesregierung Bedeutung, die sich in kommu- betreffen, werden sie dem Ministerrat naler, staatlicher oder privater vorgelegt und die Entscheidungen Hand befinden. Die Wirtschaft des mit dem Kunstbeirat rückgekoppelt. Landes pflegte und pflegt eine Als grundlegend für seine Arbeit Kultur des Stiftens und Förderns. betrachtete der Landeskunstbeirat In den vergangenen Jahren hat die die Erklärung des Ministerpräsi- Landesregierung vor dem Hinter- denten, dass Baden-Württemberg grund der historisch gewachsenen in der Kunstförderung eine Pflicht- Kunstlandschaft systematisch neue aufgabe des Staates sieht. 90 Prozent Akzente gesetzt. So entstand in der Kulturfinanzierung werden durch Karlsruhe das ZKM unter Leitung die öffentliche Hand gewährleistet. von Peter Weibel, in Mannheim die Diesen staatlichen Beitrag könne Pop-Akademie, in Ludwigsburg die privates Engagement nicht ersetzen, Filmhochschule und jüngst die Aka- erklärte der Ministerpräsident. demie für Darstellende Kunst. Das Für die private Kulturförderung Bewusstsein für Innovation, das den schlägt der Kunstbeirat eine umfas- Wirtschaftsstandort Baden-Würt- sende Analyse der Stiftungslandschaft temberg so erfolgreich gemacht hat, in Baden-Württemberg und die Ein- prägte auch die kunstpolitischen richtung eines Kompetenzzentrum für Entscheidungen. Fundraising, zum Informationsaus- tausch und zur Professionalisierung ls sich 2006 abzeichnete, das an- der einzelnen Institutionen vor. Es Agesichts eines gesamtwirtschaft- gibt in Baden-Württemberg 300 Stif- lich gebotenen Sparkurses der öffent- tungen, die dem Zweck der Kunst lichen Haushalte auch im Kunstetat und Kultur gewidmet sind. Der Kunst- des Landes keine oder nur minimale beirat möchte gerade die kleineren Prof. Ernst Elitz (r.) übergibt Ministerpräsident Günther H. Oettinger (M.) und Kunststaatssekretär Dr. Dietrich Birk (l.) die Zuwächse zu erwarten waren, berief Stiftungen zu gemeinsam getragenen Schlussdokumentation mit den Empfehlungen des Landeskunstbeirats. Quelle: Staatsministerium Baden-Württemberg Ministerpräsident Günther Oettinger Förderprojekten ermutigen. ein Expertengremium aus Künstlern Im Gespräch der Experten mit Eine ähnliche Konzentration emp- Vorzuziehen wäre es, einen in diesem literarisch wertvolle Computerspiele und Kulturmanagern. Durch seine Vertretern der Kulturszene, auch auf fiehlt der Landeskunstbeirat für die Bereich erfahrenen freien Träger mit und neue Wege der Literaturvermitt- Empfehlungen sollte dieser Kunst- kommunaler Ebene, wurde deutlich, vielfältige Festival-Landschaft. Dort dieser Aufgabe zu betreuen. lung unterstützt werden. Zudem wird beirat, dessen Arbeit vorerst auf vier dass im Land, das über ein dichtes wo das Land mitfinanziert, muss Im Kontext der demographischen empfohlen, bei der Stipendienverga- Jahre begrenzt war, die Landesregie- Netz von Kulturangeboten verfügt, kontinuierlich überprüft werden, ob Entwicklung und der Integrationsauf- be die dramatische Literatur stärker rung dabei unterstützen, die Kunst- Bedarf an einem geregelten insti- die Festivals folgende Bedingungen gabe durchzieht die Empfehlungen zu berücksichtigen. förderung bei gleichbleibendem Etat tutionalisierten Informationsaus- erfüllen: des Kunstbeirates der staatliche Auf- Für die Museums- und Samm- zu sichern und weiter zu entwickeln. tausch und einer kontinuierlichen · Erarbeitung von Eigenprodukti- trag zur kulturellen und ästhetischen lungspolitik des Landes wird vor- Im vorgegebenen Rahmen sollte das Diskussion über Modelle der best onen, Bildung. Künstlerische, musikalische geschlagen, einen Kapitalfond zur Experten-Gremium Anregungen für practice besteht, um erfolgreiche · finanzielle Beteiligung der Kom- und ästhetische Bildung ist neben der Realisierung von Ankaufsvorhaben neue Akzentsetzungen und Förder- Maßnahmen mit Blick auf Kreativität, munen an einer Mindestzahl von Bildung mit rein kognitiv geprägten einzurichten. Nach den Erfahrungen notwendigkeiten geben. Von Anbe- Publikumsansprache und wirtschaft- Veranstaltungen, Fächern gleichwertiger Teil des Bil- von Verkäufen von Kunstgegenstän- ginn war deshalb die Beratung des lichen Mitteleinsatz landesweit zu · eine für auswärtige Besucher er- dungs- und Erziehungsauftrags der den aus privatem Besitz auf dem Haushaltes eine wichtige Aufgabe kommunizieren und zur Übernahme kennbare Attraktivität, Schulen. Es ist wichtig, dass sich die freien Markt empfiehlt der Landes- für den Kunstbeirat. Die Empfeh- anzuregen. · überregionale und nationale, im Schulen künftig systematisch dem kunstbeirat, öffentliche und private lungen wurden der Landesregierung Dem Ziel einer Optimierung des besten Fall internationale Aus- künstlerischen Umfeld in der Region Sammlungen von nationalem Wert zeitnah übermittelt und konnten so Mitteleinsatzes und der künstleri- strahlung, öffnen und ergänzend zu ihrem Bil- in das „Gesamtverzeichnis national in die landespolitischen Planungen schen Aktivität dient auch eine vom · angemessener Anteil der Eigenfi- dungs- und Erziehungsauftrag Kon- wertvollen Kulturgutes“ aufzuneh- eingehen. Da alle Länder und auch Kunstbeirat empfohlene Neupositio- nanzierung. takt mit den professionellen Künsten men. Dadurch würde der Verkauf ins der Bund vor ähnlichen Finanz- und nierung der Medien- und Filmgesell- Zeitlich notwendigerweise be- suchen, fordert der Kunstbeirat. Ausland erschwert. Für Archive wie für Strukturproblemen stehen, kann die schaft Baden-Württemberg (MFG). fristete Festivalereignisse in kulturell Er empfiehlt, zuvörderst in den Museen gilt, dass durch eine vermehr- Berufung eines solchen Sachverstän- Die MFG sollte zu einer umfassenden unterversorgten Regionen können Ganztagsschulen kulturelle und äs- te Ausstellung von Kulturgütern – aus digen-Gremiums zur Politikberatung Innovationsagentur und zum zentra- nach Ansicht der Experten eine nach- thetische Bildung flächendeckend den Regalen und aus dem Depot – den als exemplarisch und nachahmens- len Ideengeber weiter entwickelt wer- haltige Eigeninitiative und regionale in regelmäßig stattfindenden Zusat- Bürgern die kulturhistorische Bedeu- wert angesehen werden. den und darüber hinaus die Aufgaben Kulturstrukturpolitik nicht ersetzen. zangeboten einzuführen und diese tung der Werke näher gebracht und Angesichts der erfolgreichen einer Clearing- und Beratungsagen- Sie dürfen nicht Ersatz, sondern sie Zusatzangebote pädagogisch sinnvoll Begeisterung dafür geweckt werden baden-württembergischen Kunst- tur für alle Finanzierungsformen zu- können nur Ergänzung einer konti- in den Tagesablauf der Schüler zu kann. Nur so ist die erstrebenswerte politik der vergangenen Jahre sah es gewiesen bekommen. Grundsätzlich nuierlichen regionalen Kunst- und integrieren. Die ästhetischen Akti- Identifikation mit den Kunstschätzen das Expertengremium nicht als seine präferiert der Landeskunstbeirat an- Kulturpolitik sein. vitäten sind als Bildungs- und nicht des Landes zu erreichen . Aufgabe an, „Visionen“ oder Pläne stelle des Aufbaus neuer Bürokratien Alle Kulturinstitutionen leiden als Betreuungsauftrag zu verstehen. Wenn die Gesellschaft vermittelt für grundstürzende Neuerungen die Erweiterung und Zuweisung von unter einem Rückgang der Publi- Die Künstler müssen auf die pädago- durch die Politik eine Leistung von den zu entwickeln. Ein Grossteil der Aufgaben an dafür durch ihren Sach- kumszahlen. Als besonders schwie- gischen Anforderungen vorbereitet Kultur- und Kunstinstitutionen ver- Mitglieder des Beirats verfügte über verstand prädestinierte bestehende rig erweist sich die Ansprache von werden und die Vergütung für ihre langt, muss sie auch entsprechende Managmenterfahrungen in erfolg- Institutionen. Migranten, in deren Familien andere Arbeit muss sich an den Entgelten der Ressourcen bereit stellen. Isolierte re- reichen Wirtschafts-, Kultur- oder Die Vielfalt der kulturellen Land- kulturelle Prägungen vorherrschen. Lehrer an den allgemeinbildenden gionale und ressortbezogene Betrach- Medieninstitutionen, so Nicola Lei- schaft Baden-Württemberg ist be- Die Zukunft der Kulturpolitik ist Schulen orientieren. Künstler dürfen tungen und Förderungsstrategien binger-Kammüller, die Vorsitzende eindruckend. Dennoch vermisst der interkulturell. Angesichts der demo- nicht schlecht bezahlte Ausputzer führen in die Irre. Aus diesem Grunde der Geschäftsführung der Trumpf Landeskunstbeirat Schwerpunktset- graphischen Entwicklung wird das für die Versäumnisse der Politik bei empfiehlt der Kunstbeirat entweder GmbH, Isabel Pfeiffer-Poensgen als zungen, die nach innen und außen Publikum der Kulturinstitutionen in der kulturellen und ästhetischen eine Konzentration der Zuständig- Generalsekretärin der Kulturstiftung den kulturellen Anspruch des Ge- Zukunft in seiner Mehrheit ein Publi- Bildung sein. keiten und Budgets für die Kunst- und der Länder, der Filmproduzent Nico samtstaates Baden-Württembergs kum sein, das von Migrationserfah- Der Kunstbeirat hat sich auch in- Kulturförderung auf drei Ministerien Hofmann, der Direktor des Deut- erkennbar machen. So zeichnet sich rung, von Inter- und Transkulturalität tensiv mit der Museums- und Samm- (Staatsministerium, Finanzminis- schen Literaturarchivs Marbach, das Land durch eine Fülle von Kultur- geprägt ist. Bei staatlich geförderten lungspolitik des Landes, mit der terium, Ministerium für Kunst und Ulrich Raulff, der Präsident der Bay- preisen in unterschiedlichen Sparten Projekten für Migranten führt jede Literaturförderung, mit der Struktur Wissenschaft) oder einen interminis- erischen Theaterakademie Klaus mit unterschiedlichen Dotierungen Trennung zwischen Sozialpolitik, der Sinfonie- und Kammerorchester teriellen Koordinierungsausschuss Zehelein, der ehemalige Intendant aus. Der Landeskunstbeirat empfiehlt Bildungspolitik und Kulturpolitik und mit der Theaterlandschaft befasst unter Federführung des Ministeriums des Süddeutschen Rundfunks Her- deshalb, dass Baden-Württemberg zwangsläufig in Sackgassen. Ziel der und Vorschläge zu ihrer inhaltlichen, für Kunst und Wissenschaft. mann Fünfgeld und der ehemalige die weitgehend aus Mitteln der Lan- Integrationspolitik muss es sein, die organisatorischen und finanziellen Zur Verbesserung der Kommuni- Kulturbürgermeister der Stadt Görlitz desregierung finanzierten und ent- Migranten an die Kunst und Kultur Entwicklung unterbreitet. Der Kunst- kation zwischen Land und Kommunen Ulf Grossmann. Insgesamt hatte der sprechend ausgestatteten Preise als des Landes heranführen, in dem sie beirat empfiehlt generell für alle möchte der Kunstbeirat eine „Ständi- Kunstbeirat sechzehn Mitglieder. Staatspreise des Landes hervorhebt, ihren Lebensmittelpunkt haben und Kunstintitutionen eine Abkehr vom ge Kulturkonferenz – Kommunen und Im Zentrum ihrer Arbeit standen um damit auch eine nationale und mit ihren Familien die Zukunft gestal- starren kameralistischen System und Land“ institutionalisieren. Weiterhin Empfehlungen für dringende ressort­ internationale Aufmerksamkeit zu ten wollen. plädiert für die generelle Erlaubnis wird die unbefristete Einsetzung eines übergreifende Zukunftsaufgaben erzielen. Bei seinen Anhörungen hat der zur Bildung von Rücklagen, aus de- Kunstbeirates auf gesetzlicher Grund- etwa die kulturelle und ästhetische Der Kunstbeirat empfiehlt, einen Landeskunstbeirat feststellen müssen, nen größere künstlerische Vorhaben lage vorgeschlagen. Dieses kontinu- Bildung und die Partizipation von Staatspreis für Literatur, einen Staats- dass selbst in benachbarten Kommu- auch über den Zeitraum eines Haus- ierlich arbeitende Expertengremium Migranten am kulturellen Leben. preis für Musik, einen Staatspreis für nen häufig keine Kenntnis über die haltsjahres hinaus realisiert werden hätte den Auftrag, in Absprache und Die Sachverständigen analysierten angewandte Kunst, einen Staatspreis erfolgreiche Einbeziehung von Mit- können. auf Anregung der Kunstinstitutionen Fehlsteuerungen im Geflecht von für Film und einen Staatspreis für bürgern mit Migrationshintergrund in Für die Förderung der Literatur in des Landes neue Projekte zu begut- Zuständigkeiten der Landesregie- Bildende Kunst und Malerei aus- die Kulturarbeit besteht. Projekte, die Baden-Württemberg empfiehlt der achten sowie öffentliche und private rung, der Gebietskörperschaften zuschreiben. Die Staatspreise des in einer Kommune erfolgreich sind, Kunstbeirat einen „Innovationsfond Finanzierungsquellen zu erschließen. und der Kommunen. Sie verwiesen Landes Baden-Württemberg müssen misslingen in anderen. Aus diesem Literatur“, aus dem das kreative In dem zu schaffenden Kunstbeirat auf weitreichende Optimierungs- in der Systematik der Auslobung, in Grunde empfiehlt der Landeskunst- Zusammenspiel von Literatur und sollten auch Vertreter der Wirtschaft möglichkeiten im Management auf ihrer Ausstattung und in ihrem Qua- beirat ein entsprechendes Referat neuen Medien gefördert werden Baden-Württembergs sowie die Re- den unterschiedlichen Ebenen der litätsanspruch vergleichbar und als auf Ebene der Landesregierung, das kann. Mit einem Innovationspreis Li- Kunstpolitik und sie erarbeiteten Vor- eine herausragende Gesamtinitiative initiierend und fördernd, steuernd teratur könnten literarische Internet- Weiter auf Seite 6 schläge zur Konzentration kultureller des Landes erkennbar werden. und moderierend tätig sein kann. Aktivitäten, interaktive Hörbücher, 20 Jahre Deutsche Einheit politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 

Sponsoren dürfen nicht den Eindruck Diese Zielvorgaben sollten innerhalb chen selbstgesetzter oder vorgege- Krise Möglichkeiten zur kreativen Fortsetzung von Seite 5 gewinnen, dass die von ihnen bereit der Häuser erarbeitet und nicht von bener Ziele und es ist eine hilfreiche Entwicklung, zur Erhöhung der gestellten Mittel nur kurzfristig und staatlicher Seite vorgegeben wer- Unterstützung beim Auftritt gegenü- Attraktivität und zur erfolgreichen Experten-Rat nach dem Zufallsprinzip verwendet den. Künstlerische Leistungen sind ber fördernden Institutionen und bei Ansprache neuer Publikumskreise werden. nur begrenzt objektivierbar. Die der Ansprache privater Sponsoren. geboten werden können. präsentanten großer Kulturstiftungen Verlässlichkeit ist auch auf Seiten Vermittlungsleistung von und für Der Kunstbeirat geht davon aus, einbezogen werden. Dieser Beirat der Kulturinstitutionen geboten. Kunst, die den Institutionen obliegt, dass das Land Baden-Württemberg Der Verfasser ist Gründungs- hätte die Erarbeitung und kontinuier- Jedes Kulturinstitut – das ist die Vor- kann jedoch weitgehend anhand von auf der Grundlage dieser Empfeh- intendant des Deutschlandradios liche Fortführung einer verbindlichen gabe des Kunstbeirats – muss sich Leistungskatalogen bewertet werden. lungen den Einsatz der zur Verfügung und Vorsitzender des Kunstbeirates Landeskulturentwicklungsplanung klare Ziele für seine künstlerische Dieses Instrumentarium dient intern stehenden Mittel optimieren und den der Landesregierung kritisch zu begleiten. Mäzene und und seine Vermittlungsarbeit setzen. der Vergewisserung über das Errei- Kunstinstutionen auch in Zeiten der Baden-Württemberg Wissenschaftler mit Einschränkungen und Privilegien Olaf Zimmermann im Gespräch mit Dieter B. Herrmann, ehemaliger Direktor der Archenhold-Sternwarte in Berlin politik und kultur: Herr Herrmann, Sie waren Direktor der Archenhold Sternwarte in Berlin, Gründungsdi- rektor des Zeiss-Grossplanetariums, angesehener Wissenschaftshistoriker, als Moderator einer Wissenschafts- sendung ein Fernsehstar, Honorar- professor an der Humboldt-Uni, und das alles in der DDR. Wie haben Sie sich gesehen? Was waren Sie in der DDR? Gehörten Sie zur Nomenklatur, waren Sie ein Teil des Machtapparates der DDR? Dieter B. Herrmann: Also zum Macht- apparat zugehörig habe ich mich nicht gefühlt. Ich war ein Wissen- schaftler in der DDR mit der sehr starken Intention, Wissenschaft auch an die Öffentlichkeit zu bringen, das heißt zu popularisieren. Und ich hatte das große Glück, einen Apparat für di- ese Vision in die Hand zu bekommen, wie man ihn sich in einer solchen Lage nur wünschen kann. Was meine ich damit? Ich meine damit erstens, dass ich Direktor dieser Sternwarte wurde, dieser traditionsreichen Ein- richtung der Volksbildung. Dass dann auch noch mein immer formulierter Wunsch erfüllt wurde, ein großes Planetarium für Ost-Berlin zu bauen und auch der Leiter dieses Hauses zu Mond Titan über den Saturnringen Foto: Dieter Schütz/www.pixelio.de werden und drittens vor allen Dingen natürlich, was die Massenwirksam- Herrmann: Da müssten Sie mir jetzt Bundesrepublik persönlich kannte. legien standen mir zu. Wenn ich ein die mit der Zeit abgestellt würden. Das keit anbelangt, dass ich das Glück sagen, was Sie unter Privilegien ver- Die Privilegien, die mir eingeräumt Buch publizierte, ein Buch, das dann ist ja klar. Also Leute wie ich, da kann hatte, eine Fernsehsendung über 15 stehen? wurden, gingen aber nicht so weit, auch auf dem westlichen Markt für man nun wieder sagen, einschließlich Jahre als Moderator mitgestalten zu puk: Das größte Privileg, was man, wie bei manchen Künstlern, die stän- die DDR Devisen einbrachte, dann vieler Bürgerrechtler, waren ja der können, die ebenfalls Wissenschaft glaube ich, damals in der DDR ha- dig ihren Pass hatten und jederzeit wollte ich nicht einsehen, dass dazu Meinung, dass eine Reformierung die- an die Öffentlichkeit brachte. Also ben konnte, war die Möglichkeit zu nach Westberlin fahren konnten. So erforderliche Literaturstudien etwa ser Gesellschaft irgendwann passieren ich war ein Wissenschaftler mit all reisen. war es nicht. Es musste immer alles in einer Westberliner Bibliothek, nur muss. Danach würde man dann den jenen Einschränkungen, denen wir Herrmann: Ja, insofern gab es Privi- beantragt werden. Ich erinnere mich weil die Mauer dazwischen stand, für besseren Sozialismus, den wahren Wissenschaftler damals in der DDR legien, nicht von Anfang an, aber ab auch, wenn zum Beispiel ein Besuch mich nicht möglich sein sollte. Sozialismus aufbauen. Das war die ausgesetzt waren, eingeschränkte einer bestimmten Zeit. 1976 bin ich in der Staatsbibliothek vorgesehen puk: Diese Privilegien konnte man oft Denkweise. Viele, die hinter dem Reisemöglichkeiten in das westliche Direktor geworden, ab den 1980er war, dann musste die Liste der ein- nur genießen, wenn man Mitarbei- standen, haben ja das System nicht Ausland, Schwierigkeiten bei der Jahren konnte ich schon mal ei- zusehenden Bücher vorgelegt werden ter der Staatssicherheit war. Das ist kritiklos zur Kenntnis genommen, Beschaffung westlicher Literatur, nen Reiseantrag stellen, um in die einschließlich der Negativ-Scheine bei Ihnen ja nicht der Fall gewesen! sondern versucht es zu verbessern. aber andererseits auch mit großen Staatsbibliothek nach Westberlin zu als Beweise, dass diese Bücher in Warum nicht? puk: Dann kam die Wende, die fried- Möglichkeiten. fahren und dort Literatur einzusehen den Bibliotheken im Ostteil der Stadt Herrmann: Man hat es versucht. Man liche Revolution. Über diesen Begriff puk: Das hat Sie doch auch für den oder auch mal auf Einladung einen nicht zu haben waren. Das war schon ist zu mir gekommen. Man hat ein gibt es heftigen Streit. Die Wende ist Staat wichtig gemacht? Vortrag in Stuttgart oder Hamburg etwas aufwändig. Ich habe mir dann solches Gespräch geführt. Ich habe der Begriff, den Egon Krenz kreiert Herrmann: Das habe ich so nie ge- zu halten. Insofern hatte ich etwas immer überlegt, will ich jetzt mal erklärt, dass ich mich dafür nicht hat, besonders die Bürgerrechtler sehen. Aber es wird so gewesen sein. mehr Beweglichkeit, die mir übri- wieder ein paar Tage nach Westberlin geeignet fühle und gleichzeitig na- hören diesen Begriff verständli- Wenn man das rational analysiert, gens nach der Wende dadurch sehr rüber fahren, soll ich mir das wieder türlich erkennen lassen, dass ich die cherweise nicht gern, also besser muss es so gewesen sein. zugute kam, dass ich meine un- antun? Das war immer ein großer Wichtigkeit der Aufgaben des Minis- die friedliche Revolution. Wie auch puk: Gab es deshalb Privilegien? mittelbaren Kollegen aus der alten bürokratischer Aufwand. Aber es war teriums für Staatssicherheit einsehe. immer, es kam zu einer Vereinigung. immerhin möglich. Das hat dann dazu geführt, dass in Manche sagen, es kam auch zu einer puk: Wenn man dieses Privileg ge- dieser Frage keiner weiter mehr auf Übernahme. Wie haben Sie das da- nießt, bedeutete das, dass man quasi mich zugekommen ist. Ich hätte das mals empfunden? 20 Jahre Deutsche Einheit: auch mehr an den Staat heranrücken nicht gewollt und auch nicht gekonnt, Herrmann: Ich habe es in meiner Lei- musste, als man das vielleicht getan Mitteilungen zu machen über Kolle- tungsverantwortung erlebt, wie mit Transformation oder feindliche Übernahme? hätte, wenn man dieses Privileg nicht gen von mir, also eben Spitzeldienste uns von westlicher Seite umgegangen genossen hätte? Wurde sie durch die zu leisten. Das hat man schon in der wurde. Ich hatte schon das Gefühl, In den Ausgaben 1/2009 bis 6/2009 Übernahme?“ In dieser Reihe geht Privilegien korrumpiert? Studentenzeit versucht. Da gab es dass das nicht besonders sensibel erschienen Interviews mit Künstlern es um die Zeit nach der deutschen Herrmann: Das Gefühl hatte ich schon mal einen solchen Versuch. geschehen ist. Es fing damit an, dass aus Ost- und Westdeutschland sowie Vereinigung, um die Veränderungen nicht. Ich war ja, was meine politische Dem bin ich damals dadurch aus- im Kulturbereich – und die Sternwar- Beiträge von Künstlern zum Thema in den Kultureinrichtungen und Grundhaltung anbelangt, im Kon- gewichen, dass ich mich einfach zu te zählte zu DDR-Zeiten immer zum 20 Jahre Mauerfall. Gefragt wurden der Kulturszene speziell in Ost- sens mit dem Staat. Ich war ja kein ungeschickt angestellt habe. Ich habe Kulturbereich – alle Leiter bis zu einer insbesondere ostdeutsche Künstler deutschland, aber nicht nur dort. Bürgerrechtler oder Dissident. Ich ein paar Mitteilungen gemacht, die gewissen Ebene herunter einen Brief und Kulturmenschen, wie sie den Fall Am Anfang stehen zwei Gespräche war kritisch. Ich habe vieles kritisiert solche Trivialitäten beinhalteten, die bekamen, in dem es hieß, wir seien der Mauer erlebt haben, was dieses die der Herausgeber von politik und und hatte mich auf die Position bege- ohnehin jeder wusste und dann kam nur noch bis zu einem bestimmten Ereignis für sie bedeutet hat, welche kultur Olaf Zimmermann geführt hat. ben, vieles, was ich nicht billige, was man wohl zu dem Schluss, mit dem Datum beschäftigt und dann auto- Tragweite es hatte. Zu Wort kamen: Eines mit dem langjährigen Leiter draußen passiert, auch in der Kultur Mann können wir nichts anfangen. matisch gekündigt und sollten dieses die Autorin Regine Möbius, Jürgen der Archenhold-Sternwarte, Dieter oder in der Wissenschaft, wird in dem puk:: Diese Kontakte zur Staatssi- Papier auch noch unterschreiben. Haase, Progress-Filmverleih, der Maler B. Herrmann, der einer der wenigen Bereich, in dem ich Verantwortung cherheit wären Ihnen nach der Wen- Das empfand ich als eine Ungeheu- Johannes Heisig, der Verleger Chris- Leiter von Kultureinrichtungen war, trage, nämlich in meinen beiden de fast zum Verhängnis geworden. erlichkeit, weil ich überhaupt nicht toph Links, die Musikpädagogin Birgit die übernommen wurden. Ein zweites Häusern, anders gemacht. Und das Man hat zwar beim Studium ihrer einsah, mit welcher Begründung ich Jank und die Sängerin Suse Jank, der mit Wilfried Mommert, dem Leiter habe ich auch tatsächlich getan. Akte festgestellt, dass sie nicht IM plötzlich unterschreiben sollte, ab Rundfunkjournalist Steffen Lieberwir- des Kulturressorts bei dpa, zunächst Und das war auch möglich. Das war der Staatssicherheit waren, aber das sofort nicht mehr Leiter dieser Stern- th, der Schriftsteller Christian Lehnert in Westberlin und dann im Haupt- meine Art sozusagen, den Sozialis- System auch nicht aktiv abgelehnt warte zu sein. Ich habe aber auch und der Beauftragte der EKD für die stadtbüro von dpa, der die kulturelle mus, wie ich ihn mir vorstellte, im haben, sondern hinter dem System viele Leiter aus dem DDR- Kultur- Luther-Dekade Stephan Dorgerloh. Entwicklung in Ost- und Westberlin kleinsten Maßstab mit einer gewissen gestanden haben. bereich kennen gelernt, die damals Im Jahr 2010 widmet sich politik vor und nach der Vereinigung jour- Blauäugigkeit – muss man natürlich Herrmann: Ich bin natürlich immer eine andere Haltung eingenommen und kultur in einer neuen Reihe nalistisch begleitet hat. dazu sagen – zu realisieren. Aber davon ausgegangen, dass das System haben, die mir gesagt haben, das der Frage „20 Jahre deutsche Ein- korrumpiert habe ich mich dadurch lernfähig ist und die vielen Dinge, die heit: Transformation oder feindliche Die Redaktion nicht gefühlt. Im Gegenteil. Ich hatte nicht nur mir, sondern auch vielen Weiter auf Seite 7 das Gefühl, diese so genannten Privi- anderen, nicht gefallen haben, dass 20 Jahre Deutsche Einheit politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 

dann kamen andere Probleme auf bestimmt, wie auch den Brotpreis sind ein Teil der Bildungs- ,Wissen- Fortsetzung von Seite 6 uns zu. Es gab zwei Sternwarten in und ähnliche Dinge mehr, – Verstöße schafts- und Kulturlandschaft in Berlin, im Westen und im Osten, das gegen ökonomische Gesetze, die ja an Berlin und insofern kann man sagen, müssen wir jetzt unterschreiben, könne man nicht bezahlen, sagte der Tagesordnung waren und sicher wir haben die Wende zwar nicht ohne unsere Zeit ist vorbei. Und ich habe man uns. zur ökonomischen Katastrophe der Schürfwunden und Verletzungen, auch viele kennen gelernt, die das puk: Das war ja ein grundsätzliches DDR beigetragen haben. aber schließlich doch erfolgreich unterschrieben haben und deren Zeit Problem von so gut wie allen Kultur- puk: Es gab also jetzt zwei Planetarien überstanden. damit auch vorbei gewesen ist, – von einrichtungen in Berlin. Sie waren in Berlin. heute auf morgen. Aber ich sah für zumindest doppelt, manche sogar Herrmann: Ja, und da habe ich dem Das Gespräch mit Dieter B. mich keinen Grund. Ich musste mich dreifach oder noch öfter vorhanden. Senat von Berlin gesagt, wenn wir Herrmann führte Olaf Zimmer- für meine Arbeit nicht schämen oder Es gab einfach zuviel von allem? uns Stuttgart, Hamburg, Münster, mann, Herausgeber von politik verstecken und ich habe diesem Brief Herrmann: Ja! Das war das Problem. Mannheim usw. anschauen, in de- und kultur widersprochen. Und das Planetarium erforderte deut- nen große Planetarien stehen und Es gab sogar westliche Kollegen lich höhere Unterhaltskosten als die die Einwohnerzahlen dieser Städte Dieter B. Herrmann hat unlängst von mir, die mir, als sie davon er- Sternwarte. Die Sternwarte hätte man berücksichtigen, dann hat Berlin mit seine Autobiographie unter dem Titel fuhren, erklärt haben: „Sie besitzen ohnehin letzten Endes nicht schlie- zwei Planetarien eigentlich immer „Astronom in zwei Welten“ veröffentlicht doch einen gültigen Arbeitsvertrag, ßen können. Das ist die historische noch zu wenige. (Mitteldeutscher Verlag Halle/Saale, der kann doch gar nicht so ohne wei- Sternwarte Berlins, was nun wieder puk: Wenn Sie so ein Résumé über 2008, ISBN 978-3-89812-557-4) teres aufgehoben werden, schon gar die Westberliner Beamten gar nicht Ihren beruflichen Werdegang nach nicht durch einen solchen Brief.“ Und wussten. Immerhin, wir hatten 30 der Wiedervereinigung ziehen soll- auf diesen Standpunkt haben sich Jahre Mauer. Sie haben Ostberlin ja ten. Steiler Aufstieg in der DDR und Dieter B. Herrmann auch viele Kulturschaffende gestellt sehr fremd gegenüber gestanden. Die Cover der Autobiographie Dieter B. dann? und haben dann das Rote Rathaus be- haben natürlich gedacht, na ja, mein Hermanns Herrmann: Ich bin einer der wenigen, geb. 1939 in Berlin. 1957-1963 setzt. Das war eine spektakuläre Ak- Gott, wir haben in Westberlin eine die nach der Wiedervereinigung das Studium der Physik an der Hum- tion, die dazu geführt hat, dass man Sternwarte, die in Ostberlin kann ja genügend Druck gemacht habe, um weiter machen konnten, was sie vor boldt-Universität zu Berlin. 1963- sich letzten Endes dieser Frage etwas nur schlechter sein. Und als wir ihnen dieses Planetarium letzten Endes der Wiedervereinigung in der DDR 1969 Tätigkeit in der Staatlichen sensibler näherte. Für viele war es dann sagten, das ist die Sternwarte zu erwirken, nicht ohne politische gemacht haben. Was ich mir aufge- Zentrale für Strahlenschutz der DDR aber schon zu spät. Sie waren schon mit dem längsten Fernrohr der Erde, Begründungen übrigens. Ich habe baut hatte, was ich im Leben machen (Spezialgebiet Messung radioaktiver verschwunden. Sie hatten schon die ist 1896 gegründet worden und immer gesagt, wir können doch nicht wollte, war auch nach der Wende Edelgase). Freier Mitarbeiter der Ar- das Handtuch geworfen, vielleicht steht unter Denkmalschutz, da fragte zusehen, wie in Westberlin seit den weiterhin möglich, ausgenommen chenhold-Sternwarte. 1969 Promo- auch aus Jahrzehnte langem Training mich dann einer: Und wer war dieser 1960er Jahren ein Planetarium steht meine TV-Präsenz. Ich muss aber tion zum Dr. rer. nat. 1970 bis 1976 heraus, wenn der Staat einem so ein Archenhold? Das war doch wahr- und wir als das Land, das Planetarien auch sagen, dass ich mir das wirk- Leiter der Abteilung Astronomiege- Papier auf den Tisch legt, muss man scheinlich so ein kommunistischer in alle Welt exportiert, haben keines lich erkämpft und erstritten habe, schichte der Archenhold-Sternwarte, es halt unterschreiben. In der DDR Antifaschist, da müssen wir vielleicht in der Hauptstadt der DDR. Und indem ich nicht schuldbewusst den 1976 bis 2004 Direktor der Archen- wäre das wahrscheinlich so gewesen, den Namen ändern. Da herrschte also Honecker hat das Planetarium einge- Kopf nach unten gesenkt habe. Wir hold-Sternwarte, 1977 bis 1991 da hätte man nichts machen können. pure Ahnungslosigkeit. weiht, das stimmt. Er hat mir bei der sind nicht die Kinder eines Verbre- Moderator der populärwissenschaft- Aber hier konnte man etwas machen, puk: Archenhold war Jude, der ver- Gelegenheit auch erzählt, dass er als cherstaates. Ich habe mich nie als lichen Fernsehsendung „AHA“ des nämlich mit rechtsstaatlichen Mit- folgt wurde. Kind gern in ein solches Planetarium Verbrecher gefühlt und ich habe mich DDR-Fernsehens. 1986 Habilitation teln Widerspruch bekunden. Das war Herrmann: Und der sehr gelitten gegangen wäre und sein Vater ihm er- auch deshalb nicht zu jener Kategorie zum Dr. sc. phil. Honorarprofessor durchaus etwas Neues, das wir erst hat. Auch die Familie hat gelitten. klärt hätte, ihm fehle das Geld dafür. gezählt, weil ich die Idee des Sozi- an der Humboldt-Universität zu Ber- einmal lernen mussten: Der Staat Mitglieder der Familie sind im Kon- Solche romantisch revolutionären alismus (nicht zu verwechseln mit lin. 1987-2004 Gründungsdirektor will hier etwas von mir und ich sage zentrationslager Theresienstadt ums Ideen spielten bei Honecker immer seiner Realisierung!) ja mein Leben des Zeiss-Großplanetariums Berlin, nein. Und das hat dann in meinem Leben gekommen. Andere konnten wieder eine große Rolle. Deshalb lang begrüßt hatte. Und mit diesem 1991 bis 1996 eigene regelmä- Fall dazu geführt, dass man sich der emigrieren. Die Familie ist heute über wurde der Eintrittspreis auch auf aufrechten Gang bin ich in die Verei- ßige Wissenschaftssendungen im Sache differenziert genähert hat, dass die ganze Welt verstreut. zwei Ostmark gehalten, obwohl man nigung gegangen. Im Übrigen auch Rundfunk. 1995 Lehrbeauftragter wir ins Gespräch gekommen sind, puk: Das Planetarium war ein Lieb- eigentlich bei einem 70 Millionen mit sehr positiven Erwartungen, die der Technischen Universität Berlin, dass man sich meine Biographie lingskind von Erich Honecker ge- teuren Bau durchaus 10 Mark Eintritt zum großen Teil auch erfüllt worden 1997 bis 1999 Sprecher des Rates angeschaut hat. Dann kam später wesen. hätte nehmen müssen, damit sich das sind. Und wenn ich das heute resü- Deutscher Planetarien, seit 2006 noch die so genannte Stasiüber- Hermann: Na ja, Lieblingskind von irgendwann mal amortisiert. Das war miere, dann sage ich, die Mühe hat Präsident der Leibniz-Sozietät der prüfung, die ja für alle Mitarbeiter Erich Honecker... ich schreibe mir bis aber mit Honecker nicht zu machen. sich gelohnt! Die Häuser existieren, Wissenschaften zu Berlin. des öffentlichen Dienstes galt, und heute zu, dass ich anhaltend lange Der hat den Eintrittspreis persönlich die Häuser leisten ihre Arbeit, sie

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Hitze des Magmas im Vulkan DDR Olaf Zimmermann im Gespräch mit Wilfried Mommert, ehemaliger Leiter der dpa-Kulturredaktion Berlin politik und kultur: Sehr verehrter tern. Was aber auch schon zu West- vor. Manchmal wurde aber auch der Herr Mommert, zum Anfang gleich Berliner Zeiten das Besondere und „Genosse Oberst“ zu Hilfe gerufen, die obligatorische Frage: wie sind Sie Spannende an diesem Arbeitsplatz denn es gab auch Fälle, wo keine Ein- eigentlich kulturpolitischer Journalist war, dass ich neben den West-Berliner reisegenehmigung vorlag. Da haben geworden? Terminen auch Reisekorrespondent sie sich später zwar entschuldigt und Wilfried Mommert: Aus Liebe zur für Premieren in Ost-Berlin wurde. von irgendeiner „Panne“ gesprochen Kultur und ganz praktisch durch ein Das heißt, ich übernahm für den dpa- – aber den Termin konnte ich nicht langsames Reinwachsen in die Mate- Basisdienst, also ganz Deutschland, wahrnehmen. rie in der Redaktion. Ich war – damals die Berichterstattung über herausra- puk: Sie mussten wieder gehen? noch in West-Berlin – lange Jahre Chef gende Kulturereignisse in der „Haupt- Mommert: Ja, dann musste ich wieder vom Dienst, das heißt der Redakteur, stadt der DDR“, wie Ost-Berlin von zurück nach West-Berlin. der feste Schichten „am Tisch“ fährt der SED genannt wurde. puk: Und wurden Sie beobachtet oder und Nachrichten aus allen Ressorts Das war nun zusätzlich zu meiner beeinflusst? herausgibt. Ich habe mich von Anfang West-Berliner Kultur ein wirklich Mommert: Ich nehme an, ich wurde an immer für Kultur interessiert und unheimlich spannender Bereich beobachtet. Selbstverständlich. Die bin dann bei der damals amtierenden meiner Arbeit. Das war auch ambi- Stasi hat wahrscheinlich alles regis- Kulturredakteurin, die das Kulturres- tioniert deswegen, weil ich dadurch triert, was ich geschrieben habe, und sort in West-Berlin leitete, der feste versuchte, den Lesern im Bundesge- sie werden mich auch beobachtet Mitarbeiter geworden. Es ist bei dpa biet von Flensburg bis zum Boden- haben wie alle Westkorrespondenten, immer so gewesen, dass auch Kolle- see, DDR-Kultur nahe zu bringen, das war ja im Osten „übliche Praxis“. gen am sogenannten Tisch, also als nicht als Propaganda, das gibt es Ich habe aber bis heute meine Stasi- Chef vom Dienst, ein Neigungsgebiet bei dpa sowieso nicht, sondern mit Akte, falls es denn eine geben sollte, zugeteilt bekamen wie zum Beispiel dem Impetus zu zeigen, dass es nicht gelesen. Für mich war klar, so- auch Wirtschaftspolitik oder Soziales. selbstverständlich auch im anderen bald ich diese „Einreiseformalitäten“, Die Kultur brauchte wie die anderen Teil unseres Vaterlandes ein aktives die ja gespenstisch waren, passiert Ressorts immer Unterstützung und Kulturleben gibt, ganz egal, ob man hatte, bewegte ich mich in einem Zuarbeit, auch von der ganzen Re- das jetzt gut fand oder nicht – ich total kontrollierten und überwachten daktion. hatte darüber zu berichten und das Gebiet. Das war auch nicht immer puk: Sie sind also Kulturredakteur aus tat ich gerne. angenehm, auch bei Kontakten da Neigung geworden? Natürlich musste ich das für west- drüben. Mommert: Ich könnte sagen, die Nei- deutsche Leser auch immer wider puk: Haben Sie, der mit beiden Kul- gung war fast schon „von Geburt an“ einordnen und verständlich machen, turszenen vertraut war, den Fall der da. Aber es ist einfach so, ich wollte denn die Leser kannten ja viele Hin- Mauer frühzeitig gespürt? immer schon Journalist werden, tergründe nicht, die in West-Berlin Mommert: Also nicht den Fall der schon in der Schule. Und aus der Lust an der „Nahtstelle“ der Systeme so- Mauer, sondern sagen wir mal: Von zum Schreiben hat sich bei mir im- zusagen, viel besser bekannt waren der zunehmenden Hitze des Magmas mer die Neigung auch zu musischen – wenn man sich dafür interessierte. im Vulkan DDR konnte ich natürlich Themen entwickelt; als interessierter Denken Sie allein daran, dass man viel mehr im Laufe der Jahre mit- Laie zunächst. Dann habe ich einfach in beiden Teilen Berlins die jeweils bekommen als jeder Westdeutsche immer mehr Termine aus diesem Be- anderen TV- und Radiosender emp- und das war ja mein Privileg, weil ich reich übernommen, weil ich die dpa- fangen konnte. Ich habe auch über mehrmals im Monat drüben war. Und Wilfried Mommert Foto: Alina Novopashina Kulturredakteurin entlasten konnte DDR-Schriftstellerkongresse und es ist auf den Bühnen der DDR zu- und wollte, das heißt, sie hat mich vieles andere, was sich in der offiziell nehmend brisanter zugegangen, dort deutsche Zeitungen und die meisten Prozess, weil zwei Kulturlandschaften dann auch schon zu Filmfestspielen zensierten Kulturszene in der DDR wurde auch unter dem Deckmantel Rundfunk- und Fernsehstationen. aufeinandertrafen und auch -prall- mitgenommen, sie hat mir Premieren abspielte, auch was „unter der Decke“ der klassischen Stücke verhandelt, Wenn ich berichtet habe, hatte das ten, da brach dann auf beiden Seiten von Theatern gegeben, wo ich ihr passierte. Theaterpremieren im Berli- was die Leute bewegt und beschäftigt natürlich ein gewisses Echo, das auch einiges zusammen. auch über Schulter sehen konnte, ner Ensemble, im Deutschen Theater hat. Also Inszenierungen von Alexan- hatte dann andere Ausmaße – und Und nach der Wende habe ich und so wuchs ich einfach rein. Und oder in der Ost-Berliner Volksbühne der Lang, Thomas Langhoff und spä- das machte mir aber Spaß, das macht viele hochinteressante dpa-Ge- als die Kollegin in Rente ging, das war wurden im Laufe der Jahre immer ter Heiner Müller waren der reinste jedem Vollblutjournalisten Freude. spräche mit vielen Kulturpersönlich- 1983, hat dann der damalige Büro- dramatischer und spannender für gesellschaftspolitische „Sprengstoff“, puk: Dann kam die Wiedervereini- keiten auf beiden Seiten „meiner“ leiter gemeint „Naja, Sie sind es doch westliche Beobachter. eine Rolle, die das Theater im Westen gung und dieses Spannende, von wieder zusammenwachsenden schon. Dann übernehmen Sie die Das habe ich alles noch vor dem nie hatte. Da wurde über Freiheit, dem Sie eben gesprochen haben, Stadt geführt, die unheimlich auf- Kultur doch.“ Das habe ich dann auch Fall der Mauer mit begleiten dürfen. freie Rede und andere Tabus gespro- das hat ja auch einiges an Spuren regend und spannend waren – von gern gemacht und habe es nie bereut. Es war allerdings auch so, dass das chen, natürlich immer versteckt und hinterlassen? Hermann Kant bis Dieter Mann, Seit 1983 bin ich verantwortlicher Interesse im Westen daran, je weiter mit Andeutungen gespickt. Und ich Mommert: Das ist dann die nächste dem letzten DDR- Intendanten am Kulturredakteur und -korrespondent weg man von Berlin war, zunächst merkte immer mehr, besonders in der Phase gewesen. Übrigens die letzte Deutschen Theater. Mit solchen bei dpa in Berlin – erst West- und sehr, sehr dezent war. Es ist ja eine zweiten Hälfte der 80er Jahre, dass es „Explosion“ habe ich noch erlebt im Leuten Gespräche zu führen, mit dann im vereinten Berlin. eher traurige Binsenweisheit, dass in der DDR und also auch im Theater Oktober 1989, in der Volksbühne, eine den Protagonisten eines kulturellen puk: Zunächst in West-Berlin? sich die Ostdeutschen mehr für und unter den Intellektuellen immer Inszenierung von Christoph Schroth Explosionsgemischs in Deutschland Mommert: Ja, zunächst in West- den anderen Teil ihres Vaterlandes unruhiger wurde. Das war eigentlich von Schillers „Wilhelm Tell“. „Fort – also ich meine, Spannenderes kann Berlin. Dann kam die Vereinigung interessierten als umgekehrt. Ich das Aufregende für die Künstler in der muss er, seine Uhr ist abgelaufen... es ja wohl nicht geben für einen und das war natürlich für mich auch habe also versucht zu trommeln DDR, die hatten einen ungeheuren Wir haben es aufgebaut, wir wissen‘s Chronisten. Und dann kamen auch beruflich ein großer Einschnitt und und Aufmerksamkeit mit meinen Stellenwert in der Gesellschaft, trotz zu zerstören“. Da tobte der Saal. Also die West-Berliner „Kulturerschütte- wohl auch das größte Erlebnis. Dass berichten im Westen zu erregen. Das Zensur. Oder wegen Zensur. Jedes da habe ich gespürt, es war Oktober rungen“ dazu bis hin zur spektaku- sich hier in dieser Stadt zwei Kultur- bedeutete manchmal auch, schon in Wort auf der Bühne war manchmal 1989, hier explodiert was. Ein Staat lären Schließung des Schillertheaters welten vereinten, das war für einen den eigenen Reihen der Redaktion eine Sensation oder verursachte ei- zerfällt, geht in die Knie. Die SED oder der umstrittenen Vereinigung Journalisten, der praktisch hautnah Überzeugungsarbeit zu leisten (in nen Skandal. Das kann man sich hier hatte plötzlich keinen Zugriff mehr der Ost- und West-Berliner Akade- diesen geschichtlichen Umbruch in Hamburg!), manchmal auch mit eher im Westen gar nicht vorstellen, wel- auf das, was auf der Bühne und dann mien der Künste mit Walter Jens und der Kultur mit betreuen, mit begleiten frustrierenden Erlebnissen, aber oft che Bedeutung Theater oder Kunst auch auf der Straße verhandelt wur- Heiner Müller an der Spitze. Und es und darüber schreiben durfte, ein mit wirklichen Erfolgen. überhaupt hatte, manche Bilder auf de. Da merkte ich wirklich, jetzt geht gab herbe Einschnitte in der Kultur Glücksfall der Geschichte. Ich hätte puk: Sie waren in der DDR nicht fest Kunstausstellungen wie in Dresden es dem Ende zu. Obwohl ich auf den hüben wie drüben. eigentlich schon vor 1989 einen Ruf in akkreditiert? wurden genau aufs Korn genommen. Mauerfall überhaupt nicht vorberei- die Hamburger Zentrale annehmen Mommert: Nein, ich war sogenann- Einige Bilder oder Plastiken von Wolf- tet war. Wir alle nicht. Und danach Lesen Sie in der nächsten Ausgabe die können. Man hatte mich damals ter Reisekorrespondent. Das heißt, gang Mattheuer zum Beispiel, das dann, die Wiedervereinigung, war für Fortsetzung des Gesprächs zum Thema gefragt, ob ich dort das Kulturressort ich war in West-Berlin stationiert, waren Sensationen. mich insofern ein hochinteressanter „Umbau in der Medienwelt“. für ganz Deutschland leiten wollte. und der dpa-Kollege, der nach dem puk: Der „Jahrhundertschritt“ von Das habe ich abgelehnt, weil ich Grundlagenvertrag akkreditiert wur- Mattheuer zum Beispiel. schreiben wollte, einfach schreiben. de, hatte mit der Politik meist „so viel Mommert: Ja, diese monsterhafte Wilfried Mommert Und der Ruf nach Hamburg hätte be- am Hals“, der konnte sich um Kultur Figur „Der Jahrhundertschritt“, oder deutet, fast nur noch Tischredakteur und Premieren nur selten kümmern. da gab es auch mal das Bild einer Bri- geb. am 22. Dezember 1944 in sein Volontariat bei dpa in West-Berlin zu sein, wenn auch verantwortlich. Also fuhr ich jedes Mal von West- gadefrau, die müde und abgekämpft Nauen (Osthavelland/Brandenburg), (am Savignyplatz), wurde nach der Aber ich bin ein „Schreiber von Ge- Berlin aus mit einem Antrag an das an ihrem Küchentisch sitzt. Diese kam mit der Familie 1950 nach West- Ausbildung Redakteur für Aktuelles/All- blüt“, wie man so schön sagt. Das Außenministerium der DDR, Abtei- Kunst hatte dort eine Aufgabe, die es Berlin. Dort machte er die Mittlere Rei- gemein, dann auch Chef vom Dienst ich das abgelehnt habe, war, wie sich lung journalistische Beziehungen, natürlich im freien Land nicht hat. fe (nach einem Jahr Schüleraustausch mit immer stärkerer Einbindung in das herausgestellt hat, ein Glücksfall, von dort kam dann per Fernschreiber Theater, Kunst und Literatur hatte ja in Frankreich) und absolvierte ab Kulturressort, das er schließlich ab denn so etwas wie 1989 kann man in der Regel die Antwort: „Erteilen in der DDR Kompensationsaufgaben, 1961 bei Ullstein eine dreijährige Leh- Januar 1983 übernahm. auch in meinem Beruf nur einmal so Zustimmung zur Berichterstattung sie ersetzten Zeitungen, die nur voller re als Verlagskaufmann. Dabei lernte Mit dpa zog er nach der Wiederverei- hautnah wie in Berlin erleben, auch über....Einreiseunterlagen am Grenz- „Parteichinesisch“ waren und keine er auch noch die echte Schwarze nigung in die Marienstraße und jetzt in der Kultur. übergang Friedrichstraße hinterlegt. wirkliche Informationsaufgaben Kunst kennen, also mit Setzkasten, Reinhardtstraße in Mitte, von wo puk: Erzählen Sie, wie haben Sie Ministerium für Auswärtige Ange- erfüllten. Linotype und Rotationsmaschinen. aus es im nächsten Jahr in das alte als Kulturjournalist in West-Berlin legenheiten, Abt. Journalist. Bezie- puk: Dann haben Sie doch eine wich- Nach der Lehre arbeitete er einige Zeitungsviertel an der Markgrafen- gearbeitet? hungen“. Ich musste dann an dem tige Rolle gespielt, weil Sie durch Ihre Jahre in dem Beruf im Ullstein (dann /Koch-/Rudi-Dutschke-Straße in die Mommert: Natürlich habe ich alle Grenzübergang Bahnhof Friedrich- Artikel bekannt gemacht haben, was Axel-Springer-Verlag), und zog noch Axel-Springer-Passage gehen wird. klassischen Themen und Termine straße in dieses Labyrinth und zu dem in der DDR gärt. vom Druckhaus Tempelhof (dem alten Den machte er aber nicht mehr als wahrgenommen von der Berlinale Mann hinter der Glasscheibe sagen: Mommert: Ja, sicher. Ich habe na- Ullsteinhaus) in den Springer-Neubau festangestellter Redakteur mit, da er über die Berliner Festwochen bis hin „Für mich liegt eine Einreisegeneh- türlich bestimmte Ereignisse, Sen- in die Kochstraße um, wo das Hoch- mit Erreichen der Altersgrenze Ende zu den Pressekonferenzen der Staat- migung vor“, dann habe ich ihm das sationen auf DDR-Bühnen per dpa haus 1966 in einem Festakt eröffnet 2009 in den Ruhenstand geht – nach lichen Bühnen (mit Schillertheater), Fernschreiben hingelegt und in der bekannt gemacht. Denn das darf man wurde. Am 1. April 1968 begann er über 40 dpa-Jahren. auch mit Hilfe von freien Mitarbei- Regel lag auch eine Genehmigung nicht vergessen, dpa beliefert 100 Über den Tellerrand politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 

Entwicklungen in Seoul beobachten Kulturelle Vielfalt im Spannungsfeld zwischen Handelsabkommen und Völkerrecht. Das Beispiel Korea • Von Christine M. Merkel Im Herbst 2009 unterzeichnete der Millionen Zuschauern auf 130 Milli- Präsident der Republik Korea den onen. Koreanische Filme gewannen Ratifizierungsvorschlag, der jetzt der Preise auf internationalen Festivals koreanischen Nationalversammlung und vermittelten dem interessierten zur Beratung vorliegt. Damit ist vier internationalen Publikum ein neues Jahre nach der Verabschiedung der Korea-Bild. Das Internationale Film Konvention in Paris eine erste wich- Festival in Pusan, 1996 begründet, tige Hürde genommen, um Vertrags- gilt inzwischen mit als wichtigstes partei der UNESCO-Konvention zum Filmfestival in Asien. Schutz und zur Förderung der Vielfalt Als kleiner aber dezidierter Player kultureller Ausdrucksformen (2005) behauptet Korea einen sichtbaren zu werden. Was steht hinter dieser Platz in der weltweiten Statistik der Verzögerung? Welche Dynamik ist Kulturwirtschaft, u.a. mit Spezialitäten zu erwarten? wie Trickfilm, Videospielen, Comics, digitalen Schallplatten und weiteren iel wird davon abhängen, ob Mediendiensten. Während sich der V sich die koreanische National- koreanische Import von Lizenzge- versammlung dafür ausspricht, das bühren zwischen 1996 und 2005 UNESCO-Übereinkommen ohne Vor- fast verdoppelte (von 2,34 Millionen behalte und mit voller Anerkennung US $ auf 4,39 Millionen US $), ver- aller Bestimmungen, einschließlich zehnfachte sich der koreanische Ex- der Nicht-Unterordnung gegenüber port an Lizenzen im selben Zeitraum anderen Verträgen (Artikel 20) und (IWF-Zahlungsbilanzdaten, Quelle des vorgesehenen Mechanismus zur UNCTAD Weltbericht Kulturwirtschaft Beilegung von Streitigkeiten (Artikel 2008 S. 315). Die Republik Korea zählt 25), annimmt. Was steht hier auf dem zu den Top Ten Importeuren kultu- Spiel? Warum dauert der Anlauf zur reller Güter und Dienstleistungen Ratifizierung in Korea nun schon unter den Entwicklungsländern, Platz verhältnismäßig lange? fünf als Durchschnittswert, ist aber Im Oktober 2005 gehörte die Re- die Nummer eins – also unter den publik Korea zu der großen Mehrheit Entwicklungsökonomien der größte von 148 Staaten, die in Paris dieses Importeur – bei Papierprodukten, neue UNESCO-Übereinkommen Audiovisuellen Dienstleistungen und annahmen. Das Übereinkommen Film. Als Exporteur ist Korea Nummer stellt sicher, dass auch bei sich öff- 1 im Bereich digitale Schallplatten, nenden Märkten und fortschreiten- vor Indien, Singapur, China und der der Deregulierung im Rahmen der Türkei. Welthandelsorganisation (WTO) Regierung und Zivilgesellschaft und der Europäischen Union (EU) maßen u.a. deshalb der Möglichkeit weiterhin Kulturpolitik und öffent- eines neuen Rechtsraums zu Schutz liche Kunst- und Kulturförderung und Förderung der Vielfalt kultureller möglich bleiben. Bei internationalen Ausdrucksformen schon früh hohe Handelsvereinbarungen muss der Bedeutung bei. Bereits 2001 formierte besondere Doppelcharakter von kul- sich eine Gruppierung aus Film- turellen Dienstleistungen als Kultur- verbänden und Gewerkschaften als und Wirtschaftsgut berücksichtigt „Koalition für die kulturelle Vielfalt der werden. ‚moving images’“, die enge Arbeits- Die Republik Korea, Asiens viert- beziehungen mit der kanadischen, größte Ökonomie und seit über der chilenischen und der franzö- zehn Jahren Mitglied der OECD, sischen Koalition für Kulturelle Vielfalt Die Kunst der Koreanischen Kalligraphie © Kulturabteilung der Botschaft der Republik Korea setzt auf Kreativität und Innovation. pflegte, bis 2005 dann eine breitere Unterstützt durch aktive Kultur- und koreanische Koalition für Kulturelle an der Entwicklung kulturpolitischer Unterstützung, Komplementarität mission hat den Beitritt Südkoreas Medienpolitik entstand eine vielfäl- Vielfalt gegründet wurde. Im Juni 2004 Netzwerke beteiligt. So gründete und Nicht-Unterordnung) und Arti- zur UNESCO-Konvention zur Vor- tige Kulturszene. Neben zahlreichen organisierte diese Gruppierung ein sich auf Initiative der koreanischen kel 25 (Beilegung von Streitigkeiten) bedingung gemacht. Zugleich wird Aktivitäten im Kulturerbebereich vielbeachtetes Drittes Internationales UNESCO-Kommission ein Asien- zu ratifizieren, da sie Konflikte mit erwartet dass eine Unterzeichnung – Korea verzeichnet acht UNESCO- Treffen kultureller Berufsverbände Pazifik Regionalzentrum (APRCCN) den Regeln der WTO befürchteten. der Abkommens EU-Korea im Laufe Welterbestätten und mehrere Meis- in Seoul, in enger Kooperation mit des weltweiten Culture Link Netzes, Dies stieß auf massiven Protest bei des Jahres 2010 die Ratifizierung des terwerke mündlich überlieferter dem damaligen Minister für Kultur das Kultureinrichtungen wie Museen, Abgeordneten der Nationalversamm- Handelsabkommens mit den USA Traditionen, hat einen Memory of und Tourismus Mr Chang-dong Lee, Bibliotheken, Theater und Konzert- lung und bei der Zivilgesellschaft. beschleunigen würde. Dies könnte the World Preis für Dokumentenerbe seines Zeichens von Beruf Filmre- spielstätten und weitere Künste und Mit dem Fortschreiten der Ver- jedoch die alten Befürchtungen gestiftet und richtet derzeit ein UN- gisseur. Dieser Kongress fiel zeitlich Künstler zusammenbringt, v.a. zum handlungen mit den USA eskalierte reaktivieren, dass Artikel 20 auf Vor- ESCO-Fachzentrum zur Förderung zusammen mit dem erfolgreichen Informationsaustausch und zur kol- dieser Konflikt bis hin zu militanten behalte stoßen könnte. Umgekehrt des Immateriellen Kulturerbes in der Abschluss der ersten Arbeitsphase legialen Fortbildung, zuletzt mit der Demonstrationen, Zusammenstößen kann jedoch auch ein Schuh draus Region Asien-Pazifik ein (u.a. Schwer- am UNESCO-Übereinkommen – und Culturelink Asia-Pacific Cultural Po- und Aktionen in den Straßen Seouls werden: Möglicherweise stehen punkt traditionelles Kinderspielzeug) mit dem Kick-Off Meeting der Bun- licy Conference vom November 2009 im Frühjahr 2007. Die Regierung die Vorzeichen 2010 günstiger als – liegt der Schwerpunkt bei Film- und desweiten Koalition Kulturelle Vielfalt (Cultural Network: A New Leader of priorisierte die Freihandelsverhand- 2007: Das Grundsatzurteil des Eu- Medienproduktion. in Berlin! Das Spannungsverhältnis the Information Society in the 21st lungen: Im Juli 2007 wurde das Ab- ropäischen Gerichtshofs vom März Mit Hilfe eines nuancierten Quo- zwischen gestaltender Kultur- und Century, vgl. www.unesc.or.kr/eng). kommen mit den USA unterzeichnet, 2009 (vgl. dazu ausführlich Merkel tensystems, das alle nationalen Spiel- Medienpolitik und den aktuellen So lag an sich nichts näher, als es ist jedoch bislang nicht ratifiziert. in politik und kultur, Sept/Okt 2009) stätten verpflichtete, 40% der Spielzeit Trends in Handelsabkommen, die zeitgleich mit Indien und China, die Nach Koreas Zeichnung von weiteren hat die Wirksamkeit von Artikel 20 für koreanische Filme zu reservieren Notwendigkeit der aktiven Beteiligung als erste asiatische Staaten 2006 das Freihandelsübereinkommen mit Chi- positiv bestätigt. Erstmalig hat 2009 (de facto ca. 106 Tage pro Jahr) hatte professioneller Kulturorganisationen neue UNESCO-Übereinkommen zur le, Singapur, der EFTA und den asia- auch ein WTO-Schiedsgericht das sich die koreanische Filmindustrie in der internationalen Handelspolitik Vielfalt kultureller Ausdrucksformen tischen ASEAN Ländern paraphierte 2005-er UNESCO-Übereinkommen seit 1990 entscheidend entwickelt: und Stärkung des Kulturarguments in ratifizierten, Vertragspartei zu wer- Südkorea am 15. Oktober 2009 das als positive Bezugsgröße anerkannt Der Marktanteil koreanischer Filme den multilateralen Handelsvereinba- den. Der erste koreanische Ratifizie- Freihandelsübereinkommen mit der (USA vs. China). Korea ist aus der stieg zwischen 1990 und 2005 von 20 rungen waren die Hauptthemen der rungsanlauf begann denn auch sofort EU, das im Laufe des Jahre 2010 unter- jüngsten Finanzkrise gestärkt her- % auf gut 50 %. Das Kinopublikum hat Debatte. 2006/2007. Hier wirkte sich jedoch schrieben werden soll. Es enthält ein vorgegangen, seit April 2009 Mitglied sich in den fünf Jahren zwischen 1999 Darüber hinaus hatte sich Korea die Stagnation der Doha-Runde als spezielles Kulturprotokoll, das Zugang des Financial Stability Board und im und 2004 mehr als verdoppelt, von 58 bereits seit 1997 in der Region aktiv Bremsfaktor aus. Als Folge begann die zu europäischen Koproduktionen November 2010 als erstes asiatisches Bush-Administration eine Verhand- ermöglicht. Letzteres tritt jedoch erst Land Gastgeber eines G20 Gipfels lungsserie für bilaterale Freihandels- in Kraft, wenn sowohl Korea als auch der zwanzig stärksten Ökonomien abkommen, im Falle Koreas v.a. mit alle 27 EU-Mitgliedsstaaten Vertrags- der Weltwirtschaft. Innenpolitisch den Schwerpunkten Autoindustrie parteien des 2005-er UNESCO Über- werfen ein problematisches neues Über den Tellerrand und AV-Sektor (vgl. dazu den ausführ- einkommens geworden sind (vgl. Mediengesetz und die Verhaftung In der letzten Ausgabe von politik und nach Artikel 133 EG-Vertrag für die lichen Beitrag von Hans-Jürgen Blinn, dazu den ausführlichen Beitrag von von Journalisten neue Kultur- und kultur wurde mit einer neuen Reihe GATS-Verhandlungen in Brüssel, hat politik und kultur, Nov./Dez. 2009, S. Hans-Jürgen Blinn, politik und kultur, Menschenrechtsfragen auf. Politisch „Über den Tellerrand“ begonnen. über das Freihandelskommen der EU 38). Offenbar hatten die USA Eingriffe Nov./Dez. 2009, S. 38). Nach China ist wird entscheidend sein, dass Korea Im Mittelpunkt stehen Berichte von mit Südkorea informiert. in die bisherige Medienpolitik zur die EU der zweitgrößte Handelspart- das UNESCO-Übereinkommen ohne Tagungen, Veranstaltungen und ak- Vorbedingungen von Verhandlungen ner Koreas und zudem größer auslän- Vorbehalte und Opting Out Klauseln tuellen Entwicklungen zur Umsetzung In dieser Ausgabe steht wieder Süd- gemacht. Anfang 2007 halbierte die discher Investor in Korea. Korea ist ratifiziert. Die Entwicklungen in Se- der UNESCO-Konvention zum Schutz korea im Mittelpunkt. Christine M. koreanische Regierung plötzlich die der achtgrößte Handelspartner der oul wollen 2010 aufmerksam beglei- und zur Förderung kultureller Vielfalt. Merkel schildert die Komplexität der bislang gehandhabte Quote von 40 EU. Das Handelsvolumen zwischen tet und beobachtet werden. In der letzten Ausgabe hat Christine Ratifizierung der UNESCO-Konvention % Sendezeit für koreanische Filme der EU und Korea erreichte im Jahre M. Merkel, Deutsche UNESCO-Kom- Kulturelle Vielfalt in Korea vor dem auf 20 %. Einige Fachministerien be- 2008 98,4 Milliarden US $. Die Verfasserin ist Leiterin des Fach- mission, vom Weltgipfel für Kunst und Hintergrund der laufenden Doha-Run- gannen Rückzieher zu machen und So steht die koreanische Rati- bereich Kultur, Memory of the World, Kultur in Südafrika berichtet. Hans- de der GATS-Verhandlungen. waren nur noch bereit das UNESCO- fizierung des UNESCO-Überein- Deutsche UNESCO-Kommission und Jürgen Blinn, Beauftragter des Bun- Übereinkommen unter Vorbehalt kommens zur Vielfalt Kultureller der Nationalen Kontaktstelle für das desrates im Besonderen Ausschuss Die Redaktion gegenüber den Artikeln 20 (Verhältnis Ausdrucksformen im Kontext eines UNESCO-Übereinkommen zur Viel- zu anderen Verträgen: wechselseitige doppelten Junktims: Die EU-Kom- falt kultureller Ausdrucksformen Goethes Welt politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 10

Goethe in Südamerika In den Goethe-Instituten in Südamerika wird nicht nur Deutsch gelehrt, sondern auch die deutsche Kultur vorgestellt • Von Katharina Nickoleit Die neuen Kurse haben angefangen, Krise“ in Argentinien durchgeführt und im Goethe-Institut in Boliviens und Studenten der Filmhochschule Hauptstadt La Paz herrscht ein reges Babelsberg werden in verschiedenen Kommen und Gehen. Die meisten Hauptstädten des Kontinents Film- Schüler, die sich in dem hübschen, aufnahmen zum Begriff „Unabhän- denkmalgeschützten weißen Altbau gigkeit“ drehen. zum Deutschunterricht anmelden, Neben Deutschkursen und Kul- sind Anfang 20. So wie Cyntia Ablas. turarbeit ist die Weiterbildung von „Ich möchte gerne meinen Master südamerikanischen Deutschleh- in Deutschland machen, und damit rern eine weitere große Aufgabe der ich mich um einen Studienplatz und Goethe-Institute. „Wir veranstalten ein Stipendium bewerben kann, Seminare und schicken Lehrer mit mache ich hier einen Deutschkurs.“ Stipendien nach Deutschland, damit Die 22jährige ist eine von rund 500 sie auf dem Laufenden bleiben, was Kursteilnehmern, die sich jedes Jahr sich in Deutschland tut und in ihrem für einen Deutschkurs am Goethe- Unterricht ein aktuelles Deutsch- Institut in La Paz einschreiben. landbild vermitteln können“ erklärt Wie fast überall in Südamerika ist Sigrid Savelsberg. „Denn nichts ist Goethe auch in Bolivien die einzige langweiliger als ein Lehrer, der im- Einrichtung, in der Erwachsene mer nur davon erzählt, wie es vor 20 Deutsch lernen können. Jahren ausgesehen hat.“

Alles, was Deutschland an Die Bibliothek als Herz- Kultur zu bieten hat stück des Zentrums eutschkurse sind aber bei wei- Nicht nur, aber auch für die Deutsch- D tem nicht das Einzige, was das lehrer ist die Bibliothek des Goethe- Goethe-Institut in La Paz anbietet. Instituts eine wichtige Einrichtung. Mindestens ebenso wichtig ist die „Wir haben hier insgesamt rund 5.000 Kulturarbeit. Cyntia fand vor allem Medien und damit eine vergleichswei- das Konzert einer deutschen Jazz- se kleine Bibliothek“, erklärt Sigrid Sa- gruppe großartig. Die Palette an Kul- velsberg. Natürlich stehen Werke von turveranstaltungen ist so breit, wie Goethe in den Regalen – aber nicht das Kulturangebot in Deutschland: nur. Michael Ende, Erich Kästner, Eine Gerhard Richter-Ausstellung Ingrid Noll, Martin Walser und der Co- mit Originalen im Nationalmuseum miczeichner Tom Körner sind ebenso – sicherlich in La Paz einer der kul- vertreten. Auch 15 ausgewählte Zeit- tureller Höhepunkte des Jahres 2009. schriften, wie der Spiegel, Stern, Die Ein Seminar zum Thema Migration, Zeit oder Art liegen hier immer aktuell geleitet von einem deutschen Pro- aus. Auch Deutsche Filme kann man fessor. Ein Workshop mit einer Graf- sich hier ausleihen: Stummfilme aus fiti-Künstlerin aus Leipzig, dessen den 20er Jahren, Vertreter des „Neuen krönender Abschluss das Gestalten Deutschen Films“ wie Werner Herzog einer öffentlichen Wand in La Paz oder Rainer Werner Fassbinder oder ist. „Es geht uns nicht nur darum zu auch die jüngsten Werke deutscher zeigen, was es an klassischer Kunst Regisseure. „Goodbye Lenin“ und aus Deutschland gibt, sondern wir „Alles auf Zucker“ sind besonders möchten genauso die deutsche Ge- erfolgreich. Ganz neu sind die Com- genwarts- und Subkultur vorstellen“ puter, die die kleine Bibliothek mit der erklärt Sigrid Savelsberg, die Leiterin Welt vernetzen und zu einem kleinen des Goethe-Institutes in Bolivien. Das Goethe-Institut in La Paz Foto: Christian Nusch Medienzentrum machen. Manch ein Als urdeutsche Einrichtung fördert Deutscher, den ein Studium oder das Goethe-Institut auch Künstler, melpfennig inszenieren wollte. So mer lernen, wertvolle historische 8.400 Menschen lernen so jedes Jahr ein Job nach La Paz verschlagen hat, die sich mit deutschem Kultur- etwas unterstützen wir natürlich.“ Dokumente zu restaurieren. Deutsch, die meisten belegen gleich findet hier ausreichend Nachschub gut beschäftigen. „Es gab da zum Und manchmal geht es auch um Sigrid Savelsberg ist eine zupa- mehrere Kurse hinter einander. Und für lange Leseabende. Und auch für Beispiel einen Regisseur, der ein ganz Praktisches: Beispielsweise in ckende Frau in den 40ern. „Bei allem, das Interesse daran, Deutsch zu ler- die Deutschschüler ist die Bibliothek Theaterstück von Roland Schim- einem Seminar, in dem die Teilneh- was wir tun, bemühen wir uns immer nen, nimmt durch die Globalisierung das Herzstück des Institutes. „Am darum, bei den Veranstaltungen eine überall in Südamerika zu. Anfang habe ich mich nicht so recht gute Mischung zu finden, bei der für an deutsche Bücher herangetraut“ jeden etwas dabei ist.“ Bolivien ist 200 Jahre Unabhängigkeit erinnert sich Cyntia. „Aber dann ihre zweite Station in Südamerika, habe ich mit Kinderbüchern ange- aber, so hofft sie, nicht die Letzte. – Goethe feiert mit fangen und wage mich jetzt an mein In den Jahren 2009 und 2010 fei- erstes Buch für Erwachsene heran.“ Regionale ert Südamerika das „Bicentenario“ Wenn alles so klappt, wie sie sich – 200 Jahre Unabhängigkeit. Auch das vorstellt, wird Cyntia im Herbst Zusammenarbeit in den Goethe-Instituten in His- 2010 mit ihrem Masterstudium in Zur Förderung der internationalen panoamerika wird sich unter dem Deutschland anfangen. „Am liebsten kulturellen Zusammenarbeit veran- Titel „Die Kunst der Unabhängigkeit. Berlin“, schwärmt sie, „darüber habe staltet das Goethe-Institut allein in Der Zeitgenössische Pulsschlag“ ich hier im Goethe-Institut schon so La Paz jedes Jahr zwischen 40 und alles rund um dieses Thema drehen. viel gehört und gelesen, dass ich da 50 Kulturevents, zu denen Künstler Das Projekt lädt Intellektuelle und unbedingt einmal hin will.“ und Intellektuelle aus Deutschland Künstler aus Lateinamerika und eingeladen werden. Damit sich die aus Deutschland zum Dialog ein. Die Verfasserin ist Journalistin Kosten für die Veranstaltungen im Kernstück ist die Wanderausstellung Rahmen halten, werden die Be- „Menos tiempo que lugar“ (weniger suche vom Goethe-Institut in Sao Zeit als Raum), die am 25. März 2010 Paulo koordiniert, das für die Gäste in Buenos Aires eröffnet wird, und Goethes Welt immer eine Rundreise zu mehreren mit der das Goethe-Institut zu den Instituten in Südamerika organisiert. Feierlichkeiten beitragen will. Süd­ In der Ausgabe 5/2009 hat der Insgesamt gibt es in Südamerika 13 amerikanische und deutsche Künst- Präsident des Goethe-Instituts Goethe-Institute, acht Goethe-Zen- ler setzen sich in ihren Arbeiten mit Klaus-Dieter Lehmann in seinem tren, die qua Kooperationsvertrag der Frage auseinander, was Freiheit Leitartikel über die Neuausrichtung angeschlossen sind und ansehnlich und Unabhängigkeit heute bedeutet, des Goethe-Instituts berichtet. In gefördert werden, sowie 24 Kulturge- und blicken auf 200 Jahre Unabhän- der letzten Ausgabe von politik und sellschaften, die mit Projektmitteln gigkeit zurück. Im Anschluss geht die kultur (6/2009) begann unter der unterstützt werden. Zehn dieser Kul- Ausstellung auf Reisen und wird in Überschrift „Goethes Welt“ eine turgesellschaften stießen erst Anfang den kommenden zwei Jahren in ver- neue Reihe: Goethe Institute auf den 2009 zur Goethe-Familie dazu. schiedenen Ländern Lateinamerikas verschiedenen Kontinenten werden Die Institute in Brasilien, Argen- und in Deutschland zu sehen sein. vorgestellt, große und kleine, neue tinien und Chile sind wesentlich grö- Daneben geht auch die eigens zum und alte. Das bereits erschienene ßer als die Dependance in Bolivien, Bicentenario gegründete Musikgrup- Portrait des Instituts in New York und erreichen auch einen noch er- pe „Ensemble Nuevo“ auf Tournee. (6/2009) und das in dieser Ausgabe heblich größeren Kreis an Menschen, Sie besteht aus jungen Musikern aus veröffentlichte über La Paz (Bolivien) die sich für Deutschland und seine verschiedenen Ländern des Subkon- lassen bereits erkennen, wie unter- Kultur und Sprache interessieren. tinents und sie wird mit einer eigens schiedlich die Anforderungen und wie Alles in allem verzeichnen die Goe- für diesen Anlass komponierten vielgestaltig die Aufgaben sind. the-Institute in Südamerika jährlich Musik auftreten. Außerdem wird im rund 21.000 Einschreibungen für ihre April ein internationales Kolloquium Die Redaktion Ein Werk des Leipziger Graffiti-Künstlers MadC in La Paz Foto: Christian Nusch zweimonatigen Deutschkurse – rund zum Thema „Unabhängigkeit und Der wdr als kulturakteur politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 11

Gefühlte Wahrheit Regelmäßige Evaluation des öffentlich-rechtlichen Kulturauftrags unabdingbar • Von Olaf Zimmermann Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, auch der Westdeutsche Rundfunk, steht deutlich in der Kritik. Es ist erst wenige Wochen her, dass der zweite Mann im Staat, Bundestags- präsident , dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk Versagen vorgeworfen hat. Statt die konstituierende Sitzung des Parlaments im „Ersten“ oder im „ZDF“ zu übertragen, brächten die Sender Komödien und Seifenopern. „Mit souveräner Sturheit“ stellten sie Unterhaltung vor Information, sagte Lammert und verwies darauf, dass der gebührenfinanzierte öffent- lich-rechtliche Rundfunk sein „üppig dotiertes Privileg“ dem Parlament verdanke. Insofern sei die Program- mentscheidung „im wörtlichen Sinne bemerkenswert“.

ielen im Kulturbereich wird der V Bundestagspräsident aus der Seele gesprochen haben. Immer mehr Unterhaltung, immer weniger Information und Kultur? Auch die Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ des Deut- schen Bundestages hat in ihrem Abschlussbericht im Dezember 2007 vor der „Popularisierung des Kultur- angebotes“ im öffentlich-rechtlichen Rundfunk gewarnt. Als Mitglied dieser Enquete-Kommission ist mir noch gut in Erinnerung, dass kein anderes Thema der Enquete, und derer waren sehr viele, in den fast vier Jahren der Erarbeitung des Ab- schlussberichtes so emotional und fundamental diskutiert wurde, wie die Frage nach dem Kulturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und seiner Erfüllung. Am deutlichsten wurde mir aber, dass der öffentlich-rechtliche Rund- funk ein massives Akzeptanzproblem Nach zweieinhalbjähriger Bauzeit wurde in der Kölner Innenstadt das von Professor Gottfried Böhm entworfene Einkaufs- und Kommunikationszentrum hat, als der Deutsche Kulturrat, der WDR Arkaden (im Bild links, rechts das WDR-Archivhaus über der Nord-Süd-Fahrt) fertiggestellt und am 23. Oktober1996 seiner Bestimmung bergeben. Der West- Deutsche Gewerkschaftsbund und deutsche Rundfunk als Hauptmieter bietet seinen Mitarbeitern auf 5 Etagen modernste Büroräume, die Transparenz und Offenheit des öffentlich-rechtlichen Rund- der Verbraucherzentrale Bundes- funks dokumentieren. © WDR/Klaus Barisch verband im Juni des letzten Jahres auf einer gemeinsamen Pressekon- zierten Kulturbetrieb brauchen den verständnisses, auch wenn sie wohl bestätigen oder widerlegen, muss entwickeln will. Das symbiotische ferenz forderten, dass die Online- Multiplikator öffentlich-rechtlicher in ihrer Radikalität letztlich nur ein das Ziel sein. Gerade der Kulturbe- Verhältnis zwischen Kulturbereich Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunk, um ihre Einrichtungen Wunschtraum ist. Trotzdem wird die- reich, der vom Wohl und Wehe des und öffentlich-rechtlichen Sendern Rundfunks nicht beschränkt werden der Öffentlichkeit präsentieren zu se gewünschte Autonomie gerade bei öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird in den nächsten Jahren auf dürfen und gegen diese Empfehlung können. Und die gerade in den letz- der überlebensnotwendigen Zusam- unmittelbar betroffen ist, kann es einige Bewährungsproben gestellt Kulturverbände lautstark öffentlich ten Jahren von der Politik so hoch menarbeit mit den großen Sendern sich nicht leisten, seine Beurtei- werden. Wir sollten bei diesen wich- demonstrierten. gepriesene kleine Kulturwirtschaft, auf eine harte Probe gestellt. lungen zu einem nicht geringen An- tigen Diskussionen zumindest die Viele Künstler, Kulturschaffende die Filmproduktionen, die freien Doch was ist wirklich dran an teil aus dem Bauch heraus zu treffen. Fakten kennen. und Kulturpolitiker sehen die Arbeit Dokumentarfilmer, die Autoren und den Vorhaltungen aus dem Kultur- Aber auch der öffentlich-rechtliche des öffentlich-rechtlichen Rundfunks freien Journalisten, können meist bereich an dem öffentlich-recht- Rundfunk wird, davon bin ich fest Der Verfasser ist Geschäftsführer des kritisch. Und wer hat sich selbst noch ohne die Auftraggeber aus den öf- lichen Rundfunk in Deutschland. überzeugt, die Unterstützung aus Deutschen Kulturrates. Der Beitrag nicht über die ein oder andere ver- fentlich-rechtlichen Sendern nicht Sinkt das Niveau wirklich ins Bo- dem Kulturbereich brauchen und um ist der Prolog zum Buch „Der WDR meintliche „Kulturlosigkeit“ von ARD überleben. Aber ohne die vielen denlose? Gewinnt die seichte Un- sie kämpfen müssen, wenn er sich in als Kulturakteur. Anspruch – und ZDF mokiert. Interessant dabei freien Kulturschaffenden und kleine terhaltung wirklich die Oberhand den nächsten Jahrzehnten weiter- Erwartung – Wirklichkeit. ist, dass fast immer das Fernsehen Kulturunternehmen müssten wohl über die seriöse Information und die im Fokus der Kritik steht. Der große auch die Sender ihren Betrieb rasch ernste Kultur? Beuten die Sender die öffentlich-rechtliche Teil Radio und einstellen oder zumindest sehr stark freiberuflichen Kulturschaffenden Zwischen Anspruch, Erwartung und Wirklichkeit: das zunehmend wichtiger werdende einschränken. wirklich immer mehr aus? Werden Studie des Deutschen Kulturrates »Der WDR als Kulturakteur« Internet werden selten kritisiert, aber Trotz dieser Symbiose sind die die Kultursendungen wirklich im- auch nur selten gelobt. Und beim Machtverhältnisse zwischen den mer mehr in die Spartenprogramme Fernsehen fällt auch selten der Blick Sendern und den Kulturschaffenden, oder in die späten Nachtstunden Der WDR ist die größte ARD-Anstalt. auf die Dritten Programme, sondern zumindest gefühlt, keineswegs aus- verschoben? Er verfügt über das größte Budget, eigentlich stehen Das Erste und das geglichen. Gerade einzelne Künstler Nach meinen Erfahrungen als er hat die meisten Mitarbeiter, er versorgt das bevölkerungsreichste Sendegebiet, ZDF im Blickpunkt. Bei dieser Medi- und kleine kulturwirtschaftliche Un- Mitglied in der Enquete-Kommis- er repräsentiert die ARD auf internationaler enkritik aus dem Kulturbereich sind ternehmen fühlen sich den großen sion „Kultur in Deutschland“ des Ebene. Er ist ein Sender der Superlative! die Kritiker in erster Linie Nutzer des Sendern auf Wohl und Wehe ausge- Deutschen Bundestages lassen mich Trotzdem wird der WDR auch aus dem öffentlich-rechtlichen Angebotes, liefert. Und unzweifelhaft ähneln die diese Fragen nicht ruhen. Für das Kulturbereich heraus kritisiert. aber mit einer deutlichen kulturellen großen Sender, mit ihren tausenden Kapitel „Kulturauftrag und kultu- Š Sinkt das Niveau wirklich ins Bodenlose? Vorliebe. Mitarbeitern und ihren ausgeklügel- relle Tätigkeit des Rundfunks“, in Š Gewinnt die seichte Unterhaltung wirklich Neben der reinen Nutzung spielt ten hierarchischen Strukturen, ihren dem dem Deutschen Bundestag die Oberhand über die seriöse Information und die ernste Kultur? der öffentlich-rechtliche Rundfunk Rechts- und Honorarabteilungen, oft vorgelegten Abschlussbericht der Š Beutet der Sender die freiberufl ichen Kulturschaffenden wirklich immer mehr aus? aber auch als wirtschaftlicher Partner mehr einem Ministerium als einem Enquete-Kommission, wurde letzt- Š Werden die Kultursendungen wirklich immer des Kulturbereiches eine bedeutende Kulturbetrieb. Und auch wahr ist, lich keine wirkliche Untersuchung mehr in die Spartenprogramme oder in die Rolle. Wenn man mit Komponisten, dass viele Mitarbeiter in den Sendern unternommen, sondern eine gefühl- späten Nachtstunden verschoben? Literaten und anderen Künstlern bewusst oder unbewusst diese struk- te, von hauptsächlich persönlichen spricht, wird schnell deutlich, dass turelle Macht auch ausstrahlen. Fernseh-Erlebnissen der Mitglieder es ein symbiotisches Verhältnis zum Eine Symbiose zwischen zwei der Enquete geprägte, Analyse wurde Der gefühlten Wahrheit Fakten gegenüberzustellen, die die Gefühle bestätigen oder öffentlich-rechtlichen Rundfunk so ungleichen Partnern ist kein zum Faktum erklärt. Die Enquete- widerlegen, ist das Ziel der Studie. Gerade der Kulturbereich, der vom Wohl und Wehe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unmittelbar betroffen ist, kann es sich nicht leisten, gibt. Ohne den BR, den SWR, den einfaches Unterfangen. Gerade weil Kommission war sich dieser Situati- seine Beurteilungen zu einem nicht geringen Anteil aus dem Bauch heraus zu treffen. RBB, den WDR, das ZDF und die an- viele Freiberufler aus dem Kultur- on sehr wohl bewusst, auch deshalb deren öffentlich-rechtlichen Sender bereich den öffentlich-rechtlichen regte sie eine regelmäßige Evaluation würden viele ihre künstlerischen Rundfunk brauchen und weil sie der Erfüllung des Kulturauftrags Der WDR als Kulturakteur Obsessionen nicht leben können, die Ungleichgewichtigkeit bei der durch den öffentlich-rechtlichen Anspruch t Erwartung t Wirklichkeit Herausgegeben vom Deutschen Kulturrat aber auch die Sender hätten fast kein Zusammenarbeit spüren, sind sie, Rundfunk an, die wirkungsvoll durch Autoren: Gabriele Schulz, Stefanie Ernst, Olaf Zimmermann neues sendefähiges Material. so meine These, die heftigsten Kri- eine externe Institution durchgeführt Berlin 2009. 464 Seiten. 24,90 Euro ISBN 978-3-934868-22-9 Intendanten von Theatern, Aus- tiker des Systems. Die Autonomie werden sollte. stellungsmacher und andere Men- des Künstlers ist eine tragende Säule Der gefühlten Wahrheit Fakten Zu beziehen über jede Buchhandlung oder unter: http://www.kulturrat.de/shop.php schen aus dem öffentlich finan- des zeitgenössischen Künstlerselbst- gegenüberzustellen, die die Gefühle Der wdr als kulturakteur politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 12

Der WDR: Besser als sein Ruf Von Olaf Zimmermann und Gabriele Schulz Der WDR ist die größte ARD-Anstalt. tung der musikalischen Bildung als Er verfügt über das größte Budget, Teil der Allgemeinbildung aber auch er hat die meisten Mitarbeiter, er der künstlerischen Ausbildung. Ohne versorgt das bevölkerungsreichste musikalische Bildung heute wird Sendegebiet, er repräsentiert die es morgen weniger Künstler geben. ARD auf internationaler Ebene. Damit dieses nicht eintritt, engagiert Ein Sender der Superlative?! Sehr sich der WDR folgerichtig in der För- schnell kann dieser Eindruck ent- derung des Nachwuchses und sucht stehen. hierbei die Zusammenarbeit mit Verbänden und Organisationen. er WDR prägt mit seinen Bauten D das Stadtbild der Medienstadt Am Anfang war – Köln. Dank des WDR bestand in Köln bereits eine breite Medienszene mit nicht das Wort einer Vielzahl an freien Journalisten, Obwohl das Wort in der Anfangsphase an Produktionsfirmen, an tech- des Hörfunks im Unterschied zur nischen Betrieben usw., auf die RTL Musik eben keine herausragende und andere privatwirtschaftliche Rolle spielte, ist Hörfunk heute ohne Rundfunkunternehmen zurück- Wort nicht denkbar. Wort im Hörfunk greifen konnten, als sie sich in Köln ist mehr als Nachrichtenbeiträge angesiedelt haben. Ulrich Soénius, oder Berichte. Mit Diskussionen IHK Köln, spricht im Interview für wie dem „Funkhausgespräch“, mit die Studie „Der WDR als Kulturakteur. Hörspielen und Features leistet der Anspruch, Erwartung, Wirklichkeit“ WDR einen wichtigen Beitrag für das von der unvergleichlichen Bedeutung künstlerische Wort. Als einzige öf- des WDR für die Kulturwirtschaft in fentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Köln, die seines Erachtens gar nicht gehört er dem „Verein Deutscher Hör- hoch genug geschätzt werden kann. buchpreis“ an. Mit dem „Deutschen Er bezeichnet Köln nicht als Medien- Hörbuchpreis“ werden eben nicht sondern als Musikstadt und lenkt die am besten verkauften Hörbücher, damit den Blick auf einen oftmals in sondern die künstlerisch besten aus- Luftaufnahme mit den WDR-Gebäuden in der Kölner Innenstadt © WDR/Hans Joachim Schulze der Wahrnehmung unterschätzten gezeichnet. Die Förderung des Hör- Bereich im WDR. spiels, des Hörbuchs, der Literatur Rechtsinstanzen durchgefochten und Keine Kritik von Nöten? marktbedingt allerdings deutlich insgesamt ist ein großes Anliegen von damit einen wichtigen Beitrag zur nach unten entwickelt. Dabei muss Musik, Musik, Musik WDR 5, dem Wortkulturprogramm Kunstfreiheit geleistet. Bei einer so erfolgreichen positiven diskutiert werden, ob der WDR sich des WDR. Die Unterstützung der Gesellschaftliches Engagement Bilanz von den Stärken des WDR wirklich bei der Entlohnung nach Fast ein roter Faden in der erwähnten „litCologne“, dem jährlich stattfin- zeigt der WDR aber auch mit sei- drängt sich die Frage auf, ob tatsäch- marktüblichen Prinzipien zu ver- Studie ist die große Bedeutung, die denden Literaturfestival in Köln, ist nem „Kinderrechte-Preis“, mit der lich „alles in Butter ist“ und die Kritik halten hat, oder ob er nicht in der der WDR für das Musikleben hat. ein weiterer Beleg für die Wertschät- „WDR-Lehrstellenaktion“, mit der vor allem aus Neid herrührt oder ob Verantwortung für faire Marktbedin- Seine vier Klangkörper sind nur ein zung der Literatur durch WDR 5. er seit vielen Jahren hilft, dass junge der WDR ein perfekter Blender ist? gungen steht. Hier sind vor allem die besonders prägnanter Ausdruck der Der Hörspielautor Edgar Lipki Menschen einen Ausbildungsplatz Beide Fragen greifen letztlich zu Kulturpolitiker der Bundes-, Landes- Musikpflege durch den WDR. In fünf bezeichnet im Interview den WDR erhalten, mit Wettbewerben wie kurz. Das oben Geschilderte zeigt die und der europäischen Ebene gefragt, seiner sechs Radioprogramme ist Mu- als einen verlässlichen und koo- „Wir sind Manager“ oder „Roots“, eine Seite des WDR. Und die für diese da derzeit der WDR aufgrund euro- sik das tragende Element, populäre perativen Auftraggeber, der ihm die jungen Menschen Freiräume zum Studie erhobenen Daten bestätigen päischer Vorgaben verpflichtet ist, Rock- und Popmusik in 1LIVE, etab- Planungssicherheit für seine aufwen- Ausprobieren geben. diese Seite. Marktpreise zu zahlen. Die Urheber- lierte populäre Musik in WDR 2, ernste digen Produktionen gibt. Zugleich Seine eigenen Anstrengungen in Der WDR verwendet im Hörfunk und Leistungsvergütungen, die ent- Musik und Jazz in WDR 3, Schlager, betont er, dass ihm der WDR keine der Ausbildung gehören ebenfalls den größten Teil seiner Mittel für die weder direkt oder als Ausschüttungen Operetten und andere Formen der Einschränkungen auferlege. Von der dazu. Der WDR bildet über seinen im Sinne eines engen Kulturbegriffs der Verwertungsgesellschaften den leichten Musik in WDR 4 und Welt- ersten Idee, über das Exposé bis zur eigenen Bedarf hinaus aus, um jun- besonders kulturhaltigen Programme Künstlern zufließen, sind insgesamt musik in WDR Funkhaus Europa. Mit Abgabe der Produktion sei er in seiner gen Menschen durch eine solide und WDR 3 und WDR 5. Jene Programme, von 1999 bis 2009 gestiegen. diesen fünf Radioprogrammen deckt Arbeit autonom. anerkannte Ausbildung den Einstieg die im Vergleich zu den anderen die Kultur spielt im Programm eine der WDR ein sehr breites Spektrum in das Berufsleben zu ermöglichen. wenigsten Hörer haben. Seine Auf- wichtige Rolle. Im WDR Fernsehen musikalischer Stile ab. Der WDR sen- Kulturelle Vielfalt als In jedem Jahr sind Auszubildende des wendungen für Musik in WDR 3 sind beträgt der Kulturanteil 40%, davon det Aufzeichnungen von Konzerten, WDR in den verschiedenen Berufs- seit 1999 relativ stabil geblieben. Im können 16% einem weiten Kulturbe- Live-Konzerte und natürlich jede Verpflichtung feldern unter den Kammersiegern Wortbereich gab es einen Aufwuchs, griff zugeordnet werden, 15% einem Menge Musik von Tonträgern. Kulturelle Vielfalt ist für den WDR zu finden, einige sind sogar Landes- der vor allem auf die Verlagerung der mittleren und immerhin 9% einem Mit Preisen wie „1LIVE-Krone“ nicht nur ein Lippenbekenntnis. sieger geworden. Auch den Abbau an Redaktionsgruppe Aktuelle Kultur engen. Sendungen des mittleren Kul- zeichnet er Newcomer aus, im „1LIVE WDR Funkhaus Europa ist schon Stellen hat der WDR sozialverträglich von WDR 5 zu WDR 3 zurückzu- turbegriffs leisten auch einen wich- Heimatkult“ gibt er jungen Bands lange kein „Gastarbeiterprogramm“ abgefedert, in dem verschiedene In- führen ist. Wird diese Verlagerung tigen Beitrag zur Identitätsbildung des eine Chance, der „WDR-Jazzpreis“ mehr, sondern zeigt die kulturelle strumente der Teilzeitbeschäftigung berücksichtigt, zeichnen sich auch Landes NRW. In seiner werktäglichen, ist für Jazzmusiker nicht nur in fi- Vielfalt in Deutschland. Die Sendung und Ruhestandsregelungen genutzt die Aufwendungen für WDR 5 durch regionalspezifischen Sendung „Lokal- nanzieller Hinsicht wichtig, er trägt „Cosmo TV“ im WDR Fernsehen wurden. Die Zahl der Mitarbeiter ist Konstanz aus. Bei seinen beiden zeit“ ist ein Kulturanteil von rund 17% zu deren Bekanntheit wesentlich bei. befasst sich mit Fragen des Zusam- über einen langen Zeitraum bemer- Kulturradios hat der WDR also keine festzustellen. Der überwiegende Teil Der letztjährige Preisträger Gabriel menlebens in einer multikulturellen kenswert konstant. Einsparungen vorgenommen. Und der Kulturberichte ist hier dem engen Pérez sagte im Interview, dass was Gesellschaft. auch seine Klangkörper finanziert Kulturbegriff zuzuordnen. der WDR mache, seiner Meinung Der vom WDR initiierte „Civis- WDR vernetzt er stabil. Im Vergleich zum BR, NDR Im Hörfunk hat Kultur eine noch nach unbezahlbar und Köln als Mu- Preis“ zeichnet Beiträge zum Thema und SWR sendete er im Jahr 2007 herausragendere Rolle. Der weitaus sikstadt durch den WDR durch und Integration aus. Im Jahr 2006 richtete Der WDR bringt sich in Gremien doppelt so viele Hörspiele, widmete größte Teil (79%) des WDR Hörfunks durch geprägt sei. Er lobt die Arbeits­ der WDR zusammen mit dem ZDF und Diskussionen ein. Er sucht das also dieser Kunstform eine besondere ist Kulturprogramm. Davon entfallen atmosphäre der WDR Big Band und und dem französischen Rundfunk politische Gespräch mit Verantwor- Aufmerksamkeit. Und auch der Anteil 39% auf den weiten Kulturbegriff, 12% sieht dank des WDR Köln als Magnet eine große Tagung zum Thema kul- tungsträgern. Beispiele hierfür sind der Uraufführungen an den Hörspie- können den mittleren zugeordnet für Musiker der ganzen Welt. Franz turelle Vielfalt in den Medien in der seine Mitwirkung in den verschie- len ist beim WDR deutlich höher als werden und 28% dem engen. Hier Xaver Ohnesorg, Klavier-Festival Zeche Zollverein Essen aus. Im Herbst denen Initiativen zur Informations- beim BR und NDR und immer noch spiegelt sich die große Bedeutung des Ruhr, geht noch einen Schritt weiter, 2009 hat er sich in einem Symposion gesellschaft, die die Bundesregie- beträchtlich höher als beim SWR. WDR für den Musikbereich wieder er sagt im Interview, dass der WDR in mit dem Thema „Heimat im Film“ rung in den Jahren 1994 bis 2002 Im Fernsehen gibt es in den Sach- und zwar sowohl in kulturwirtschaft- die Kulturinstitutionen hineinhöre auseinandergesetzt. Weiter fördert gestartet hat. Der WDR war bei den aufwendungen der einzelnen Pro- licher Hinsicht als auch mit Blick auf und entsprechend ein erstklassiges er gezielt den journalistischen Nach- GATS-Verhandlungen präsent. Er hat grammbereiche zwar Schwankungen, die Pflege des Musiklebens und der Echo zurückerhalte. Gerade für jun- wuchs mit Migrationshintergrund. den Kontakt zu den Kulturverbänden wenn einzelne außergewöhnliche, zeitgenössischen Musik. ge Künstler ist seines Erachtens die und der UNESCO gesucht, um zu größere Projekte anstehen. – Dieses Ausstrahlung eines Konzerts im Radio Gesellschaftliches verhindern, dass audiovisuelle Me- trifft vor allem auf den Programm- Die andere, die optimale Förderung. Mit dem dien der weltweiten Liberalisierung bereich Fernsehfilm, Kino und Serie „Deutschen Klangkunstpreis“ und Engagement als Profil von Dienstleistungen zum Opfer zu. – Im Großen und Ganzen haben subjektive Sicht der Beteiligung an der „Sound Art“ Der WDR steht für gesellschaftliches fallen. sich die Anteile der einzelnen Pro- Doch gibt es auch andere Seiten des fördert er moderne Kunst im Schnitt- Engagement im Fernsehen. Sei es Der WDR sucht in Parlamenta- grammbereiche an den Gesamtauf- WDR. In den im Anhang der Studie feld von Bildender Kunst und Musik. durch Magazinsendungen wie Mo- rischen Mittagessen und Abenden wendungen Fernsehen aber relativ abgedruckten Interviews mit Edgar Längst sind nicht mehr Karlheinz nitor, sei es durch seine Dokumen- das Gespräch mit Abgeordneten des wenig verändert. Es gibt keine große Reitz, mit Michael Meert, mit Didi Stockhausen und „Das Studio für tationen und Reportagen. Oder sei Deutschen Bundestags, um sie für die Verschiebung von Programmmitteln Stahlschmidt, mit Ulli Schauen, mit elektronische Musik“ der Ausweis für es durch die Dokuspiele, die Heinrich internationalen Entwicklungen im aus den Programmbereichen Kultur Jürgen Terhag kommt Kritik, teilweise die Förderung der zeitgenössischen Breloer mit seinem Haussender, Handelsrecht zu sensibilisieren und und Wissenschaft oder Fernsehfilm, Resignation zum Ausdruck. Nun sind Musik durch den WDR. Der WDR hat dem WDR, entwickelt hat. Hier wird Bündnispartner zu gewinnen. Kino und Serie zur Unterhaltung. diese Interviews Einzelmeinungen, sich klugerweise immer wieder auf Fiktionales und Nicht-Fiktionales in Die Kulturpartnerschaften von Die Verträge mit Auftrags- oder Ko- sie sind nicht repräsentativ und neue Strömungen und Richtungen einem Film gemischt. Und auch in WDR 3 sind ein Meisterwerk an Ver- produktionen unterlagen von 2001 wahrscheinlich könnte jedem dieser der zeitgenössischen Musik eingelas- seinen Fernsehfilmen nimmt sich netzung mit dem Kulturbereich. Die bis 2006 zwar Schwankungen, diese Kritiker des WDR gleich ein glühender sen. Die Förderung der Klangkunst ist der WDR gesellschaftlichen Fragen Wertschätzung, die dem WDR in den Schwankungen sind aber branchen- Verehrer daneben gestellt werden. ein solches Beispiel. an. Beispiele aus jüngster Zeit sind Interviews mit den Kulturpartnern typisch und lassen auf keine überpro- Doch würde das nicht zu kurz greifen? Zur Musik gehört die musika- „Wut“ oder auch „Contergan – Eine entgegengebracht wird, ist unüber- portional sinkenden Aktivitäten des Geben diese subjektiven Eindrücke lische Bildung. Durch die Beteiligung einzige Tablette“. Gerade die Aus- trefflich. Der WDR hat sich mit den WDR in diesem Bereich schließen. an verschiedenen Projekten und strahlung des letztgenannten Films Kulturpartnern Freunde gemacht, die Die Durchschnittsminutenpreise für Weiter auf Seite 13 Preisen betont der WDR die Bedeu- hat der WDR durch verschiedene zu ihm stehen. Auftragsproduktionen haben sich Der wdr als kulturakteur politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 13

verloren. Er ist der Auffassung, dass im mer mehr Leistung für dasselbe Geld scharf reagiert. Es kann nicht sein, zu beschäftigen und das Programm Fortsetzung von Seite 12 WDR eine ganz und gar konservative verlangt werde und dass letztlich der dass der WDR nicht der Beste ist. tatsächlich in seiner ganzen Breite Haltung Einzug gehalten habe. Er, als Hörfunk sich in seiner Arbeitsweise Kritische Nachfragen werden durch wahrzunehmen. Die in der Studie zu- nicht einem Großunternehmen, das Intendant, würde die Redaktionen mit dem Fernsehen anpasse. Das führe eine Fülle an Material erstickt. Diskus- sammengestellten Daten liefern eine sich im Aufmerksamkeitsmarkt der Menschen besetzen, die auch wirklich dazu, dass eine Autorenhandschrift sionswürdige Entwicklungen im Pro- Fülle an Material, dem die Leistung Medien positionieren muss, sehr eine Liebe zur Filmkunst haben und nicht mehr gewünscht sei sondern gramm werden wortreich begründet des WDR für die Kulturwirtschaft, wertvolle Hinweise? dieser Leidenschaft und Liebe auch nur noch ein bestimmtes Format. Die oder aber schlicht abgebügelt, dass aber auch das kulturelle Leben zu Ist es nicht bedenkenswert, wenn langfristig vertrauen. Gefahr der Formatierung wurde auch die anderen eben nicht verstünden, entnehmen ist. Gerade mit Blick auf Michael Meert ausführt, dass jedes Spricht aus diesen Worten von von Jürgen Terhag angesprochen. Er worum es gehe. Die öffentliche Rund- die politisch gewünschte Förderung Medium mit einer Massifizierung vi- Meert und Reitz ausschließlich ent- bedauert, dass in der Musik – immer- funkratssitzung im Februar 2009 war der Kulturwirtschaft ist es wichtig, die sueller Inhalte kämpfe. Er konzediert, täuschte Liebe, sind es tatsächlich hin eine der Stärken des WDR – so ein gutes Beispiel dafür, wie es eben Verflechtungen und das gegenseitige dass die legendären Fernsehspiele der nur Einzelmeinungen, denen ebenso wenig Unvorhersehbares zu hören sei, nicht geschehen sollte. Wenn Kritik Bedingungsgefüge von Kulturwirt- 1970er heute nicht mehr machbar viele oder vielleicht sogar noch mehr dass alles den definierten Musikfar- geübt wurde, wurde sie als fachlich schaft, öffentlich finanziertem Kultur- wären, sieht aber ein Vakuum bei andere gegenübergestellt werden ben untergeordnet werde. Und auch falsch oder unsachlich abqualifiziert, sektor und gemeinwohlorientiertem gesellschaftlich engagierten Filmen, können? Es wäre zu einfach, würden Didi Stahlschmidt sieht anders als so gewinnt niemand Freunde. – Scha- Kulturbereich stärker in den Blick die einen künstlerischen Anspruch diese kritischen Anmerkungen ein- die Macher von 1LIVE, die Stärke des de eigentlich. Der WDR könnte viel zu nehmen. Diese Studie liefert eine haben. Er beschreibt als Problem, fach abgetan werden. Und das nicht Programms eben nicht in der Entde- selbstbewusster auftreten. ganze Reihe von Argumenten und Da- dass nach seinem Eindruck in den nur, weil es sich um Persönlichkeiten ckung neuer Künstler und Musikstile, ten, wie speziell die Kulturwirtschaft Redaktionen Grundideen entwickelt handelt, die einen Ruf in der Filmsze- sondern als etablierte Abspielstation. Besser als sein Ruf durch den öffentlich-rechtlichen werden und diese Produzenten ange- ne haben, sondern auch, weil sie zum Wirkliche Innovationen gehen seines Rundfunk unterstützt wird. boten werden, die ihrerseits Autoren Ausdruck bringen, was viele gefragt Erachtens vor allem von den Campus- Im Prolog der genannten Studie wird Der WDR ist besser als sein Ruf. ansprechen. Die Autoren können in und ungefragt aussprechen. Es ist der Radios aus. die Frage aufgeworfen, was dran ist an Dieses wird ihm auf die Dauer aber der Ungewissheit, ob sie einen Auftrag Eindruck, dass das Fernsehen gespal- Alles Einzelmeinungen? Vielleicht. den Vorhaltungen aus dem Kulturbe- nicht helfen, denn sowohl die Wirt- bekommen, nicht umfänglich in Vor- ten ist, in einen Massenmarkt, in dem Aber alles welche, die ernst genom- reich über den öffentlich-rechtlichen schaft – ebenso die Kulturwirtschaft leistung gehen. So entsteht nach sei- auf einem professionell hohen Niveau men werden sollten. Jeder dieser Rundfunk in Deutschland. Ob das – als auch die Medien funktionieren nem Eindruck die Tendenz, standar- „Stangenware“ geliefert wird, und Einzelmeinungen kann mit einer Fülle Niveau wirklich ins Bodenlose sinke zu einem erheblichen Teil über Psy- disierte Exposés abzuliefern. Ob ein einen sehr kleinen Markt für künst- an Sendungen und Beiträgen aus dem und die seichte Unterhaltung wirk- chologie. Der WDR muss sich seiner solches, sicherlich marktkonformes lerische Leistungen. Hier scheinen vielfältigen WDR-Programm der letz- lich die Oberhand über die seriöse strukturellen Macht bewusst werden, Vorgehen dazu führt, dass tatsächlich sich zumindest die in dieser Studie ten Jahre begegnet werden. Jede dieser Information und die ernste Kultur diese kritisch hinterfragen, da es eine immer Qualität geliefert wird, muss in befragten Filmemacher beim WDR Einzelmeinungen kann mit Daten und gewinne? Ob die Sender die freibe- geliehene Macht ist, und sehr sorgsam Frage gestellt werden. Autoren haben nicht so gut aufgehoben zu fühlen. Statistiken widerlegt werden. ruflichen Kulturschaffenden wirklich mit ihr umgehen. Wenn der WDR den aufgrund ihrer ökonomischen Situati- Die Lieferung dieser Stangenware ist Doch wenn der WDR so wichtig immer mehr ausbeuten? Und ob die Kontakt zu den Menschen verliert, die on nicht den langen Atem, um immer Handwerk. Sie entspricht nicht dem für das kulturelle Leben und die Kultursendungen wirklich immer Kultur machen und Kultur genießen, wieder Projekte vorzufinanzieren. Verständnis eines Künstlers. Kulturwirtschaft in NRW ist, wie es mehr in die Spartenprogramme oder wenn seine Glaubwürdigkeit dort Meert sieht zugleich, dass auch Und wenn über die Bedeutung dargestellt wurde, dann muss er auf in die späten Nachtstunden verscho- leidet, dann helfen ihm auch alle im fiktionalen Bereich mehr und eines Senders wie dem WDR für die diese Stimmen hören. Dann muss ben werden? Statistiken nicht. Der WDR muss ein mehr industrielles Vorgehen zur Kulturwirtschaft gesprochen wird, er gerade ein Ohr bei jenen haben, Alle diese Fragen können mit dem normales Verhältnis zu seiner Stärke Regel werde. Die Sender suchen muss auch darüber nachgedacht die Multiplikatoren im Kulturbereich empirischen Material klar mit einem entwickeln, dann braucht er keine nach seinem Eindruck eher nach werden, ob diese Bedeutung vor allem sind, auf jene hören, auf deren Wort Nein beantwortet werden. Der WDR Überheblichkeit und kann als Sender gut funktionierenden Handwerkern, in der Massenware liegt oder ob er Acht gegeben wird. Er darf sie nicht dörrt seine Kulturprogramme nicht der Superlative selbstbewusst seine die Fernsehserien erstellen, als nach ausreichend Luft lässt für Sonderan- erschlagen mit Material, sondern aus, seine Vergütungen entsprechen kulturellen Leistungen zeigen. Künstlern. fertigungen, um im Bild zu bleiben. muss das Gespräch suchen, um seine den mit den Gewerkschaften ausge- Ein Filmkünstler ist Edgar Reitz. Ob er für künstlerische Projekte ge- Leistungen zu verdeutlichen. handelten Vereinbarungen, Kultur Olaf Zimmermann ist Geschäfts- Sein Monumentalwerk Heimat 1 und nügend Offenheit hat und diese auch findet im Vollprogramm seinen Platz. führer des Deutschen Kulturrates. Heimat 2 wäre ohne den WDR nicht ausstrahlt. Medienkoloss WDR Im Hörfunk leistet sich der WDR gleich Gabriele Schulz ist Stellvertretende möglich gewesen und er erinnert im Beim WDR scheint nach diesen zwei Kulturprogramme. Er unterstützt Geschäftsführerin des Deutschen Interview an die damaligen Mitar- Beobachtungen in dieser Hinsicht ein überempfindlich? mit Preisen und Auszeichnungen die Kulturrates. Der Beitrag ist die beiter des WDR, die das Vorhaben Defizit zu bestehen. Denn auch Ulli Erstaunlicherweise erweist sich der künstlerische Szene. An die Kultur- Zusammenfassung der Ergebnisse ermöglicht haben. Seines Erachtens Schauen spricht im Interview für den Sender der Superlative, der Medien- szene und auch die Kulturpolitiker ist der Studie „Der WDR als Kulturak- hat der WDR jedoch seine Vorrang- Hörfunk davon, dass zu wenig Zeit koloss WDR, immer wieder als äußerst daher der Appell zu richten, genauer teur. Anspruch – Erwartung – stellung im Bereich Film an den BR zum Recherchieren bleibe, dass im- empfindlich. Auf Kritik wird teilweise hinzuschauen, sich mit den Daten Wirklichkeit.

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wdr"VT-VTUBN)zSFO Europa / Arbeitsmarkt Kultur politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 14

Europa entdeckt die Kulturelle Bildung EU-Rat „Bildung, Jugend und Kultur“ verabschiedet Schlussfolgerung zur Förderung einer kreativen Generation in Europa • Von Kristin Bäßler Der EU-Reformvertrag ist unter Dach die sich explizit mit der Rolle und · Einbeziehung der spezifischen Inter- und Fach. Am 01.12.2009 ist der den Rahmenbedingungen der kul- essen und Bedürfnisse von Kindern, Lissabon Vertrag in Kraft getreten turellen Bildung befasst. Der Appell Jugendlichen und jungen Kultur- und nun geht´s ab zum Endspurt der Schlussfolgerung des Rates an schaffenden in Programmen und der Lissabon-Strategie. Ziel der im die Mitgliedstaaten und die EU-Kom- Politiken der Mitgliedsstaaten; Jahr 2000 verabschiedeten Lissa- mission lautet: Wenn Ihr Eure Kinder · Ermöglichung eines breiteren bon-Strategie war es, die EU bis zu Menschen ausbilden möchtet, die Zugangs zu Kulturangeboten im 2010 zum wettbewerbsfähigsten mit den Herausforderungen des 21. schulischen und außerschulischen und dynamischsten wissensge- Jahrhunderts kompetent und flexi- Bereich, auch durch strategische stützten Wirtschaftsraum der Welt bel umgehen können, dann müsst Partnerschaften auf institutioneller zu machen. Im Rahmen dieser Be- ihr neben der Vermittlung der allge- und politischer Ebene; mühungen wird nun auf EU-Ebene meiner Kompetenzen auch Kultur · Optimierung des Potentials im Bil- die Notwendigkeit der kulturellen bzw. kulturelle Bildung vermitteln. dungswesen durch die Verbesse- Bildung entdeckt. Vor allem wird Nur so legt man den Grundstein für rung der Förderung der Kreativität damit aber einem wichtigen Ziel Kreativität, als eines der wichtigsten im Bereich Kultur und kulturellem der EU-Kulturagenda Rechnung ge- Instrumente in einer wissensbasier- Ausdruck; tragen, nämlich der Förderung der ten Gesellschaft. · Stärkere Betonung der kulturellen Kreativität in der Bildung und der Europa braucht eine kreative Ge- Bildung und des kulturellen Be- Einbeziehung dieser Dimension in sellschaft, so der Tenor der Schluss- wusstseins in Schulen; die Maßnahmen für die allgemeine folgerung. Kultur sowie kulturelle · Verstärkte Nutzung von Informa- Bildung sowie das lebenslange Ler- Ausdrucksformen werden als Instru- tions- und Kommunikationstech- nen. Welche Potentiale bietet die mente angesehen, um mit Heraus- niken zur Förderung von Kreativität Vermittlung kultureller Bildung und forderungen wie globaler Mobilität, durch Kultur und kulturellen Aus- die künstlerische Betätigung, um in steigendem Wettbewerb, Verände- druck; einer wissensbasierten Gesellschaft rungen im Beschäftigungssektor, · Spezialisierung der Fort- und Wei- kompetent agieren zu können? dem demografischen Wandel sowie terbildung für Lehrer und anderer der zunehmenden multikulturellen Akteure im Feld Bildung, Kultur und uf nationaler Ebene ist die Ar- sowie vernetzten und digitalen Welt Jugend; A gumentation über den Wert der umzugehen. Dafür bedarf es, so der · Förderung der Kreativität aller Kin- kulturellen Bildung relativ unstrittig. Rats-Entschluss, einer langfristigen der und Jugendlichen durch die Ein- Dass kulturelle Bildung wichtige Po- Perspektive, die die Entwicklung von beziehung der Kultur in Strategien tentiale für die Bildungsbiographie Kreativität und innovativem Potential der sozialen Eingliederung, beson- insbesondere von Kindern und Ju- von Kindern und Jugendlichen ins ders für Kinder und Jugendliche mit gendlichen in sich birgt und damit ei- Auge fasst. erhöhtem Förderbedarf; nen wichtigen Teil der ganzheitlichen Insgesamt sechs Prioritäten nennt · Überprüfung der Kosten für kul- Brüssel Foto: Kristin Bäßler Bildung darstellt, kann beispielsweise der Europäische Rat, um eine kre- turelle Bildungsangebote, um die an dem stetig wachsenden Engage- ative Generation von Kindern und Teilhabe von allen Kindern und Wenn die Bundesländer diesen Ne- es zwar die Aufgabe der Europäischen ment des Bundes abgelesen werden. Jugendlichen in Europa zu fördern. Jugendlichen zu erhöhen; bensatz ernst nehmen, dann würde Gemeinschaft, zur Entwicklung einer Dass dieses Thema nun aber auch auf Dabei werden nicht nur Handlungs- · Animierung von Netzwerken sowie damit möglicherweise eine nützliche qualitativ hoch stehenden Bildung EU-Ebene explizit angesprochen wird, empfehlungen an die Mitgliedsstaa- die verstärkte Nutzung von Evalu- Argumentationshilfe an die Hand ge- und zur Entfaltung der Kulturen der ist verhältnismäßig neu und dürfte u. ten formuliert, sondern auch an ationen, um zukünftige politische geben werden, beispielsweise wenn Mitgliedstaaten unter Hervorhebung a. auch auf die Expertengruppen die EU-Kommission, die sich nach Aktivitäten zu bessern. es darum geht, Stundenpläne zu des gemeinsamen kulturellen Erbes „Synergien in Bildung und Kultur“ zu- Einsetzung der designierten EU- Das Hauptanliegen ist die Förde- ungunsten der ästhetischen Fächer beizutragen, aber die Verantwortung rückzuführen sein, die im Rahmen der Kommissarin für Bildung, Kultur, rung der Kreativität, das Vehikel dazu „einzudampfen“ oder fachfremde der Mitgliedstaaten für die Gestaltung Methode der offenen Koordinierung Mehrsprachigkeit und Jugend An- ist aber die kulturelle Bildung, der Lehrer Kunst- und Musikunterricht des Bildungssystems sowie der Vielfalt im August dieses Jahres ihren ersten drulla Vassiliou aus Zypern ebenfalls sowohl in der formalen als auch in der erteilen zu lassen. ihrer Kulturen in ihren nationalen und Zwischenbericht „On developing stärker um das Thema kulturelle non-formalen Bildung eine wichtige Im Rahmen der Europäischen regionalen Dimensionen steht mit synergies with education, especially Bildung bemühen wird. und übergreifende Rolle zugewiesen Kulturagenda sollen diese Schluss- Blick auf das Subsidiaritätsprinzip arts education“ vorgelegt hat. Die in der Ratsentschließung for- wird. So weist der Rat der Europä- folgerungen nun von den Mitglied- unter strenger Beobachtung. Aller- Auf dem im November stattgefun- mulierten Argumente zur Förderung ischen Union darauf hin, dass: „… die staaten sowie der EU-Kommission dings ist es aber auch die Aufgabe denen Rat der Europäischen Union der Kreativität und damit zur Verbes- Förderung von Kultur und kultureller berücksichtigt werden. Auch wenn der Europäischen Union, die Kennt- „Bildung, Jugend und Kultur“ haben serung der kulturellen Bildung sind Ausdrucksformen in Schulen und an- die Schlussfolgerungen nicht rechts- nis und Verbreitung der Kultur und die Vertreter der Mitgliedsstaaten nun nicht neu. Handlunsgempfehlungen deren Bildungseinrichtungen sowie verbindlich sind, so geben sie doch Geschichte der europäischen Völker eine Schlussfolgerung über die „För- wie der breite Zugang zu Kulturein- in nicht-formalen Lernumgebungen, wichtige Impulse für die zukünftige zu verbessern und das kulturelle derung einer kreativen Generation: richtungen, Kontakt zu Künstlerinnen sowohl als spezifische Themen als Auseinandersetzung mit dem The- Erbe von europäischer Bedeutung Förderung der Kreativität und In- und Künstlern und zum kulturellen auch als attraktive Lehransätze in ma Kreativität, Kultur und kulturelle zu schützen. Die stärkere Förderung novationsfähigkeit von Kindern und Erbe insbesondere in der frühkind- den verschiedenen Bereichen des Bildung. Wie diese dann vor allem der kulturellen Bildung auch auf EU- jungen Menschen durch kulturellen lichen Bildung sind bereits in der UN- Wissens, einen Beitrag für die volle von der EU-Kommission umgesetzt Ebene würde dazu beitragen. Ausdruck und Zugang zur Kultur“ ESCO Road-Map for Arts Education Entfaltung des Einzelnen leisten werden, wird sich zeigen, vor allem (http://www.consilium.europa.eu/ aus dem Jahr 2006 angesprochen. So soll, um die Lernmotivation sowie vor dem Hintergrund, dass sich die Die Verfasserin ist wissenschaftliche uedocs/cms_data/docs/pressdata/ empfiehlt der Rat den Mitgliedstaaten die Entwicklung von Kreativität und Mitgliedstaaten in Sachen Kultur Mitarbeiterin des Deutschen en/educ/111502.pdf). verabschiedet, und der EU-Kommission: Innovationsfähigkeit zu verbessern.“ nicht gerne reinreden lassen. So ist Kulturrates Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik für die Kultur Resolution des Deutschen Kulturrates zu den arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Aussagen des Koalitionsvertrags, den Kulturbereich betreffend Berlin, den 09.12.2009. Der Deut- · Künstlersozialversicherung Evaluierung des Bologna losengeld I geprüft werden sollen. Der sollte eine enge Zusammenarbeit mit sche Kulturrat, der Spitzenverband · Evaluierung des Bologna-Prozesses, Prozesses Deutsche Kulturrat erinnert daran, dass den jeweiligen Fachverbänden gesucht der Bundeskulturverbände, befasst · Arbeitslosengeld I, eine Evaluierung der in der letzten Wahl- werden. Ebenfalls sieht der Deutsche sich intensiv mit dem Arbeitsmarkt · Aufgabenkritik der Bundesagentur Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass periode getroffenen Regelungen zum Ar- Kulturrat das Erfordernis, dass die Kultur sowie arbeitsmarkt- sowie so- für Arbeit. die Umsetzung des Bologna-Prozesses beitslosengeld I geplant ist. Die Neurege- Zugangsmöglichkeiten für Künstler zu zialpolitischen Fragen. Der Deutsche Der Deutsche Kulturrat unterstreicht mit evaluiert werden soll. Der Deutsche lung in der letzten Legislaturperiode war Weiterbildungsmöglichkeiten verbes- Kulturrat hat sich daher in verschie- dieser Stellungnahme, dass es ohne Kulturrat sieht mit Sorge, dass die starke zwar ein Schritt in die richtige Richtung, sert und realistische Zeitspannen der denen Stellungnahmen zur Künst- Künstler und andere im Kulturbereich Verschulung in einigen Disziplinen wie löst die bestehenden Probleme aber nicht Erfolgsmessung eingeführt werden. lersozialversicherung, zum Arbeits- hauptberuflich Tätige, sei es in den z.B. Architektur oder Design zu einem grundlegend. Der Deutsche Kulturrat losengeld I, zur Künstlervermittlung Kulturwirtschaft, in den Kultureinrich- Weniger an Qualifikationen geführt hat fordert daher die Bundesregierung auf, Weitere arbeitsmarkt- durch die Bundesagentur für Arbeit, tungen oder den Kulturvereinen kein und der Bachelor-Abschluss nach drei mit der Evaluierung rasch zu beginnen zu den arbeitsmarkt- und sozialpoli- so ausdifferenziertes kulturelles Leben Jahren nicht berufsqualifizierend sein und bereits heute weitergehende Modelle und sozialpolitische An- tischen Empfehlungen des Schluss- in Deutschland gäbe. Kultur ist perso- kann. Der Deutsche Kulturrat hält es für zum Arbeitslosengeld I für kurzzeitig Be- forderungen berichts der Enquete-Kommission nalintensiv. Angemessene Arbeits- und erforderlich, dass bei der Evaluierung auf schäftigte zu entwickeln. des Deutschen Bundestags „Kultur Produktionsbedingungen sind für den die Besonderheiten der künstlerischen Der Deutsche Kulturrat sieht mit in Deutschland“ positioniert. Aktuell Kulturbereich unerlässlich. Studiengänge, die teilweise individuelle Aufgabenkritik der Bun- Sorge, dass das sogenannte Normal- arbeitet der Deutsche Kulturrat an Aufnahmeprüfungen voraussetzen und desagentur für Arbeit arbeitsverhältnis, das im Kulturbereich einer grundlegenden Stellungnahme Künstlersozialversicherung die durch ein enges Lehrer-Schüler- ohnehin nur in Teilen vorhanden ist, zum Arbeitsmarkt Kultur. Verhältnis geprägt sind, eingeht. Weiter Der Deutsche Kulturrat sieht in der weiter erodiert. Diese Erosion hat nicht Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass müssen die internationalen Anforde- geplanten Aufgabenkritik der Bundesa- nur heute für die Betreffenden negative In dieser Resolution geht der Deutsche der eingeschlagene Weg der Stabili- rungen an die Berufsqualifikation stärker gentur für Arbeit die Chance, dass den Auswirkungen, zusätzlich steigt mit dis- Kulturrat auf der Grundlage seiner be- sierung der Künstlersozialversicherung berücksichtigt werden, dieses gilt gerade Angehörigen der künstlerischen Berufe kontinuierlichen Erwerbsbiografien das stehenden Positionen auf ausgewählte fortgesetzt werden soll. Der für das Jahr auch mit Blick auf die Studiendauer. größere Aufmerksamkeit gewidmet Risiko der Altersarmut. Der Deutsche Aussagen im Koalitionsvertrag für die 2010 wiederum sinkende Abgabesatz wird. Der Deutsche Kulturrat sieht das Kulturrat sieht die Notwendigkeit, dass 17. Legislaturperiode zwischen CDU, (Künstlersozialabgabe) macht deutlich, Arbeitslosengeld I Erfordernis, dass für diese Berufsgrup- in dieser Legislaturperiode Modelle zur CSU und FDP „Wachstum. Bildung. dass die gewählten Rezepte zur Stabi- pen in den Job-Centern fachkundige Alterssicherung von Selbständigen, die Zusammenhalt“ ein. Er konzentriert lisierung der Künstlersozialversicherung Der Deutsche Kulturrat begrüßt, dass Ansprechpartner vorhanden sein müs- nur ein geringes Einkommen erzielen, sich dabei auf folgende Fragestel- nach wie vor richtig sind und sich be- weitere Vereinfachungen für Saisonar- sen, die mit den Spezifika der künst- entwickelt und gesetzgeberisch auf lungen: währt haben. beitskräfte beim Bezug für das Arbeits- lerischen Berufe vertraut sind. Dabei den Weg gebracht werden. Kulturelle Bildung politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 15

„Die Kulturschule“ – exklusiv und allzu weich? Ein neuer Begriff und was sich in ihm verbirgt • Von Joachim Reiss Max Fuchs ist zuzustimmen, wenn er in puk 5/2009 die „kulturelle Schulentwicklung“ als wichtiges „gemeinsames Projekt von Schul-, Jugend- und Kulturpolitik“ bezeichnet und begründet. Der Begriff „Kultur- schule“ birgt zur Zeit aber Gefahren, denen man nur begegnen könnte, wenn die Bedingungen, an die Max Fuchs solche Profilschulen knüpft, auch zusammen mit dem Begriff durchsetzbar wären: „Künstlerischer Fachunterricht auf hohem Niveau“, „eine gute, ästhetisch sensible Lern- kultur in anderen Fächern“, „eine lebendige Schulkultur“ u.a..

m Verhältnis zu diesen komplexen I und schwer zu erreichenden Zielen ist der Begriff „Kulturschule“ allzu schön und politisch verführerisch leicht zu vermitteln. Und er passt ausgezeichnet in die bildungspo- litische Landschaft, deren aktuelle Marken u.a. „Schulautonomie“ und „Profilschulen“ heißen. Das macht den Begriff durchsetzbar – gilt das aber auch für das differenzierte und umfassende Konzept? Der Begriff Kulturschule benennt implizit ein wichtiges bildungspoli- tisches Ziel: Die vollständige Integrati- on der kulturell-künstlerischen Fächer, Projekte und kreativer Methoden in die Lern- und Umgangskultur der Schulen © Presse- und Informationsamt der Stadt Bochum insgesamt, damit in Übereinstimmung mit Gehirn- und Lernforschung und terschiedliche Orte brauchte. Dieser Projekt der Schulentwicklung des weise, indem die dort angelaufene tusminister es sich dort leisten, gegen den internationalen Studien die kul- Strategie entzieht die Ganztagsschule Hessischen Kultusministeriums ohne regionale Schulentwicklungsplanung die Fächer der ästhetischen Bildung turelle Bildung allen Schülerinnen den Boden. Der Weg, den die BKJ seit erkennbare Beteiligung der anderen die Jugendhilfe, Sozialverwaltung zu argumentieren und das Fach Thea­ und Schülern zugute kommt – ganz im Jahren unter Führung von Max Fuchs Ministerien, auf die Max Fuchs hofft. und Kulturinstitutionen einbezieht. In ter auszuschließen, indem sie sich Sinne der Enquete-Kommission „Kul- neu gewählt hat, geht daher wieder Nicht einmal die in Hessen eigentlich Hamburg sind außerdem als einzigem für die kreative Nutzung von Nischen tur“, der Road Map for Arts Education auf die Schulen zu, insbesondere die gut aufgestellten Verbände und Ex- Bundesland alle künstlerischen Fächer und Lücken des Schulsystems stark der UNESCO und bildungspolitischen Ganztagsschulen, und propagiert die perten der schulischen ästhetischen tatsächlich etabliert und ausgebaut, machen sowie für „interdisziplinäre Sonntagsreden. Kooperation der einst so feindlichen Bildung (Kunst, Musik, Theater) oder nicht nur Musik und Kunst. Projekte“, was deutlich moderner und Wenn alle Schulen in ihrer Schul- Brüder. Das ist zu begrüßen, erstens der außerschulischen kulturellen Was aber passiert mit den Koope- offener klingt als Fachunterricht, den entwicklung anstreben, eine Kultur- weil die wichtigen Erfahrungen und Bildung oder Kulturinstitutionen wur- rationswünschen der Jugendkunst- sie für die Kernfächer natürlich nicht schule zu werden, dann bedeutet der Konzepte außerschulischer Bildung den an der Entwicklung des Konzepts schule, der Musikschule oder des infrage stellen. Begriff Kulturschule eine Orientie- in der Schule gebraucht werden und beteiligt. Theaters, wenn die Schulen in ihrer Den exklusiven Charakter von Kul- rungsmarke bzw. eine Zielperspektive die Schulreform unterstützen und Selbst wenn man annimmt, dass unmittelbaren Nachbarschaft keine turschulen kann man nur vermeiden, mit vielen Entwicklungsstadien und vorantreiben können, und zweitens, dieser Prozess nach der Pilotphase Kulturschule ist und die Ressourcen für wenn sie keine besonderen Profilschu- Variationen. Wenn der Begriff aber weil die Freizeit-Angebote und ihre mehr als 5 Schulen ermöglicht wird, die Kulturschulen aufgebraucht sind? len sind, sondern wenn „kulturaktive“ exklusiv verwendet wird und Kultur- Basen erhalten bleiben. dauert es erheblich mehr als die von Was passiert im ländlichen Raum, in oder „kulturelle Schulentwicklung“ schulen Schulen mit einem ganz spe- Allerdings: Ganztagsschule be- Max Fuchs zitierten 30 Jahre, um alle dem die Möglichkeit der individuellen von jeder Schule gefordert wird. Es ziellen und besonderem Profil sind, die deutet nicht automatisch kulturelle 2000 Schulen einzubeziehen. Etwas Schulwahl noch viel eingeschränkter macht Sinn, besonders engagierte sich von den meisten anderen Schulen Bildung. Daher kommen der BKJ die ganz anderes scheint mir realistisch ist? Schulen wie in Hamburg auszuzei- unterscheiden, dann wird die Mehr- Autonomie-Entwicklung der staatli- und erwartbar: Profilbildung von Die von Max Fuchs angeführten chnen, wenn jede Schule dieses Ziel heit der Schüler hiervon ausgegrenzt chen Schule und die damit verbunde- Schulen macht nur Sinn, wenn die Pro- wichtigen Kriterien für Kulturschulen erreichen könnte. Kulturelle Schul- und es entsteht eine weitere Form der ne Profilbildung gerade recht, wenn file unterschiedlich sind, also wird es – wie künstlerischer Fachunterricht auf entwicklung könnte also gefördert Eliteschule. Durch die Beteiligung der es sich um künstlerische Schulpro- Schulen mit naturwissenschaftlichem, hohem Niveau, eine ästhetisch sen- werden durch angeführten Politik- und Verwaltungs- gramme handelt. Und wenn das noch sportlichem, sozialwissenschaft- sible Lernkultur in anderen Fächern, · Ausbau einer Basis für ästhetisch- bereiche (Schule, Soziales, Jugend, in der marktfähigen Bezeichnung „Kul- lichem, sprachlichen Profilen bzw. nachhaltige Beziehungen zum Stadt- kulturelle Bildung in den Fächern Kultur) würde sie mit Bedeutung und turschule“ gipfelt, wie in Hessen und Schwerpunkten geben – und diese Pro- teil u.a. – geraten für die Mehrzahl der Kunst, Musik und Theater, ergänzt Exklusivität noch mehr befrachtet und Hamburg, dann scheint das Scharnier filbildung ist mancherorts schon im Schulen in Gefahr, wenn nur einzelne um Medien- und Tanzprojekte u.a., in einen Sonderstatus gebracht, der die zwischen Schule und „kultureller Kin- Gange. Wieso in PISA-Zeiten jemand Schulen sich als Kulturschule profi- · Schaffung von Lehrerstellen für diese Allgemeingültigkeit kultureller Bildung der- und Jugendbildung“ einzurasten. erwartet, dass eine größere Menge an lieren können, weil sie sich von den Basisfächer, möglicherweise gefährdet, weil sie zur Denn es ist vernünftig und erwartbar, Schulen ausgerechnet ein Kulturprofil anderen in der Region unterscheiden · Unterstützung von Schulen und Sache weniger gemacht wird, die die dass Schulen, die einen kulturellen wählen wird, ist mir unklar. Die durch wollen oder müssen. Diese Gefahr ist regionalen Kultur-/Bildungseinrich- Mehrheit davon entlastet, kulturelle Schwerpunkt haben, besonders eng ihren Theaterschwerpunkt bekannte mit der Kulturschule nicht zwangs- tungen bei der Bildung regionaler Schulentwicklung anzugehen. mit den außerschulischen Bildungs- Helene-Lange-Schule in Wiesbaden läufig verbunden, aber angesichts zu Partnerschaften (z.B. in regionalen einrichtungen und Anbietern im hat trotz ihrer PISA-Erfolge und viel kleiner Bildungsetats und dem ver- Bildungskonferenzen), Exkurs: Ganztagsschule als künstlerisch-kulturellen Bereich sowie Strahlkraft leider nur ganz wenige breiteten Hang zu Symbolpolitik und · Fördermittel oder Zeitressourcen für mit Kulturinstitutionen kooperieren Nachahmer gefunden. Autonomie- und Modellförderung schulische Konzeptentwicklung und Herausforderung müssen und dass hierfür auch bisher Hamburg hat die Kulturschule durchaus wahrscheinlicher als eine Projekte, Die jüngere Geschichte der außer- nicht vorhandene Mittel für „Schulau- ebenfalls entdeckt und einen etwas erfolgreiche kulturelle Schulentwick- · Gemeinsame Förderung der Schul- schulischen kulturellen Bildung macht tonomie“ sowie Teile des Personaletats anderen Zugang gewählt, weil die lung in der Fläche. entwicklung und Partnerschaften die Zuneigung zum Konzept der Kul- von Schulen winken. „kulturaktiven Schulen“ dort auf alle Eine Gefahr besteht also darin, dass aus den Ministerien oder Ämtern für turschule durchaus verständlich. Bildungsregionen verteilt werden Kulturschulen exklusiv und wenige Soziales / Jugend / Bildung / Schule Die Ganztagsschule erschwert das Umsetzung der sollen, was in einem städtischen bleiben, während die große Mehrheit / Kultur, frühere Nebeneinander von Bildung Ballungsraum immerhin einer ge- der Schulen nicht einmal die Basics · Aufbau von regionalen Vermittlungs- in Schule und Freizeit, weil sie an den Kulturschule wissen Schülerklientel den Zugang künstlerischer Fächer erfüllen. und Beratungszentren, Ressourcen der Außerschulischen Dies ist erfreulich für die betroffenen eröffnet. Nur sehr bildungsbewusste Die andere Gefahr sehe ich in der · Schaffung von Koordinationsstun- nagt, insbesondere an der Kapazität Schulen und außerschulischen An- Eltern nehmen die Chance indivi- fachlichen Unschärfe, den der Begriff den in der Schule. von Kindern und Jugendlichen, an ih- bieter. Aber wie viele sind das und wie dueller Schulauswahl wahr, aber die „Kulturelle Bildung“ beinhaltet. Der Wenn sich die interessierten und rem Freizeitkontingent. Aber auch der sehen die Entwicklungschancen aus? Kulturschulen haben wenigstens Begriff der kulturellen Bildung, vor betroffenen Verbände und Institu- wachsende Anteil an armen Kindern In Hamburg sollen 22 von 800 Schulen die Möglichkeit, sich im unmittel- dem die Bildungsforscherin Anne tionen in jede Diskussion über die und Jugendlichen und solchen, die und in Hessen 5 von 2000 zu „Kultur- baren Wettbewerb der Schulen zu Bamford (London/UNESCO) gele- Einführung von Kulturschulen und in nicht aus traditionell bildungsbürger- schulen“ werden. Hierfür werden Son- bewähren. Hamburg hat dafür auch gentlich warnt, könnte sich als nicht jeden Prozess dahin – auch beim Auf- lichen deutschen Familien stammen, dermittel bereitgestellt, die in Hessen einen Preis geschaffen, was bedeuten tragfähig genug erweisen, wenn er bau regionaler Bildungslandschaften macht den Außerschulischen zu schaf- stark mit einem fächerübergreifenden könnte, dass jede Schule sich darum mit der Idee fächerübergreifenden – einmischen und diese Forderungen fen, solange die staatliche oder private Konzept „Kultureller Praxis“ verbun- bewerben kann, d.h. dass grundsätz- Arbeitens im „Krüppelfach Ästhetische einbringen, könnten Begriff und Kon- Förderung nicht in gleichem Maße den sind. Das sog. „KulturMobil“ be- lich jede Schule die Möglichkeit hat, Bildung“ (Siehe Stellungnahme des zept der Kulturschule u.U. zu einer steigt. Um sich bildungspolitisch zu treut den 3-jährigen Entwicklungspro- „kulturaktive Schule“ zu werden. Es Deutschen Kulturrats) verwechselt positiven Schulentwicklung für alle profilieren und die damit verbun- zess der 5 ausgewählten Schulen, die gibt hier also eine Belohnung und wird. Wer im Begriff die künstlerisch- beitragen. dene staatliche Förderung für gute, zusätzliche Personalmittel erhalten, Auszeichnung für Engagement in der ästhetische Dimension vernachlässigt nicht-elitäre Projekte und Angebote um die ganze Schule, also auch die kulturellen Bildung, die zunächst alle und sich darauf verlässt, dass gerade Der Verfasser ist Leiter des Schul- zu erhalten, schien es längere Zeit Lehrer aller Fächer, in die „kulturelle Schulen einbezieht, nicht ein exklu- die Nichtfachleute schon wissen, was theater Studios in Frankfurt am nötig, eine gewisse Gegensätzlichkeit Schulentwicklung“ einzubeziehen. Ein sives Etikett „Kulturschule“. Darüber gemeint ist, sollte bei „Kinder zum Main. Er ist Stellvertretender Sprecher der Bildungsansätze von Schule und gutes Konzept für diese 5 Ausnahme- hinaus erfüllt Hamburg die Kriterien Olymp“ oder anderen Gelegenheiten des Rates für darstellende Kunst und Freizeitbildung zu behaupten, die un- Schulen, allerdings ein reinrassiges von Max Fuchs zumindest ansatz- mal genau hinhören. Z.B. können Kul- Theater im Deutschen Kulturrat recht politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 16

Frieden durch Gerechtigkeit Mediation im Kulturbereich • Von Peter Loock „Vor Gericht und auf hoher See ist unversöhnlich scheinenden Kon- rektorin Marie Luise Graf-Schlicker rechnen. Die deutsche Wirtschaft in einer branchenspezifischen Ver- man allein in Gottes Hand“, sagt fliktpartner haben bei respektvoller die darin beschriebenen Positionen, geht offensiv mit den neuen Entwick- einigung. der Volksmund. „Recht haben und gegenseitiger Wertschätzung ihre die uneingeschränkt auch von der lungen um. Ihr Round Table „Media- Besonders im Kulturbereich und Recht bekommen sind zweierlei“, Unterschiedlichkeiten akzeptiert. Sie neuen Bundesregierung weiter ver- tion & Konfliktmanagement“ mit den in den Medien haben persönliche bestätigen die Fachjuristen. Wohl schufen sich mit dem Friedensschluss folgt werden, verlautete es soeben Vertretern von SAP, E.ON, Audi, Sie- Belange häufig eine herausragende jeder von uns weiß zu diesem Thema gewissermaßen ihr eigenes Gesetz im Ministerium. Danach bleibt be- mens, Deutsche Bahn, EnBW, Bayer, Bedeutung. Hinzu kommen die oft aus eigenen Erfahrungen zu berich- (lex contractus). Vielleicht gelang absichtigt, weit über die europä- Fraunhofer Gesellschaft, Bombardier, komplizierte Rechtslage und zeit- ten. Auf die Justiz sei kein Verlass, seinerzeit ja tatsächlich ein Frieden ischen Vorgaben hinaus zu gehen. Deutsche Telekom und E-Plus erar- licher Druck wegen besonderer Eil- meint man nicht nur am Stammtisch. durch Gerechtigkeit, das Wunschziel Das deutsche Mediationsgesetz soll beitete ein eigenes Positionspapier bedürftigkeit. Bahnt sich ein Streit an Spiegelt sich hier eine Hilflosigkeit eines jeden Mediationsverfahrens. nicht nur für grenzüberschreiten- zur Umsetzung der EU-Mediations- oder kommt es zur offenen Auseinan- des Rechtsstaates wider? Wenn Bahnbrechend war es damals allemal de, sondern zur Vermeidung einer Richtlinie. Im Wesentlichen unter- dersetzung, drohen kostspielige und auch zunächst zögerlich will sich und vieles spricht dafür, in Münster Rechtszersplitterung ausdrücklich stützt und ergänzt es die Leitlinien langwierige Prozesse. Oft wird dabei die Politik inzwischen solchen Her- zumindest eine der Geburtsstunden auch für nationale Streitigkeiten des Bundesministeriums. jede Menge wertvolles Porzellan zer- ausforderung nachhaltig stellen. der Mediation anzusiedeln. Ob sich gelten. Zwingend geregelt werden Auch der Kulturbereich hat sich schlagen. Hier die reichhaltigen Mög- Zwar nimmt die breite deutsche die Entstehung der Mediation gar die Bereiche Verjährung während auf die bevorstehenden Änderungen lichkeiten einer Mediation zu nutzen, Öffentlichkeit davon bisher noch zu als evolutionärer Schritt begreifen der Mediation, Vollstreckbarkeit einzustellen. Allen Konfliktparteien unterblieb bisher nicht selten allein wenig wahr. Doch wir befinden uns lässt, wie der Mediator Hans-Georg von Mediationsvereinbarungen und wird künftig weit mehr Eigenverant- aus Unkenntnis. Als überregionaler längst inmitten eines tiefgreifenden Mähler meint, wird die Geschichte Vertraulichkeitsstellung der in die wortlichkeit abverlangt, als jemals Fachverband für den Kultur- und Me- Veränderungsprozesses. Der Mensch zeigen. Die heute gebräuchlichen Mediation eingebundenen Personen. zuvor – eine große Chance! Neben dienbereich wurde 2005 in München von heute und erst recht der von Mediationsverfahren und Strukturen Auch das Berufsrecht der Mediatoren dem noch unabsehbaren finanziellen das Mediatorennetzwerk MiMMA e.V. morgen wird nicht mehr daran vorbei entwickelten sich vor rund 30 Jahren einschließlich Aus- und Fortbildung Einsparpotential eröffnen sich bisher (mediation in the media, music & the kommen: Mediation – „ein vertrau- zunächst in den USA. Wegen der sowie die in verschiedenen Inter- ungeahnte Möglichkeiten einer flexi- arts) unter Prof. Dr. Mathias Schwarz liches Konfliktregelungsverfahren, durchgreifenden Akzeptanz bei den essengruppen unterschiedlich be- bel gestaltbaren Konfliktbereinigung. gegründet. Hier haben sich Media- bei dem streitende Parteien frei- Beteiligten sowie der im Vergleich zu urteilten Themen einer förmlichen Vorhandene Ressourcen lassen sich toren und Mediatorinnen zusammen willig und eigenverantwortlich eine herkömmlichen Gerichtsverfahren Anerkennung bzw. Zertifizierung schonen, neue erschließen. Nicht we- geschlossen, die über langjährige einvernehmliche Lösung anstreben. beachtlichen Erfolgsquoten fanden sollen in das Gesetz einfließen. Mit nige Verhandlungsstrategien werden Praxiserfahrungen in der Film-, Mu- Dabei ziehen sie einen fachlich aus- sie bald den Weg nach Europa. Bei an- den geplanten neuen Kostenerstat- grundsätzlich zu überdenken sein. sik-, Kunst- oder Medienwirtschaft gebildeten neutralen Dritten ohne fangs hauptsächlicher Beschränkung tungsregelungen kündigt sich sogar Bisherige Mediationserfahrungen verfügen. Im besonderen Maße Entscheidungsbefugnis (Mediator/in) auf problematische Familiensachen ein Paradigmenwechsel an. Das zeigen, dass nicht nur nahezu 70 Pro- können sie daher auf die speziellen heran“, so die Definition des Bundes­ wird Mediation mittlerweile in na- Mediationsgesetz will mediationswil- zent aller Verhandlungen mit einer Ei- Bedürfnisse der Kunstschaffenden, ministeriums der Justiz. Im Mai 2008 hezu allen Bereichen als Alternative ligen Konfliktparteien finanzielle An- nigung (win-win-Situation) endeten, der Kultur- und der Medienbetriebe trat die Europäische „Richtlinie über eines Konfliktlösungsverfahrens an- reize schaffen. Demjenigen könnten sondern auch in fast 40 Prozent der eingehen. bestimmte Aspekte der Mediation geboten, wenn auch noch immer viel Gerichtskosten erlassen werden, der Einigungen Konfliktstoff mitgeregelt Nicht unerwähnt soll bleiben, in Zivil- und Handelssachen“ in zu selten in Anspruch genommen. nach Klageeinrichung einer Media- wurde, der bis dahin überhaupt nicht dass Mediation kein Allheilmittel für Kraft. Bis spätestens Mai 2011 ist Doch es darf realistisch angenommen tion zustimmt. Die Bewilligung von Streitgegenstand gewesen war. alles und jeden ist. Beispielsweise die Richtlinie in nationales Recht werden, dass nicht zuletzt wegen der Prozesskostenhilfe könnte davon ab- Es gibt verschiedene Formen der erscheint sie ungeeignet, wenn ein umzusetzen. Was bedeutet das im durch die EU-Richtlinie beschleu- hängig gemacht werden, ob zuvor ein Mediation wie die außergerichtliche Präjudiz gewünscht wird, ein Mus- Allgemeinen und für den Kulturbe- nigten nationalen Gesetzgebungen Mediationsversuch unternommen (unabhängig von einem Gerichtsver- terprozess geführt werden soll, vor- reich im Besonderen: sich diese Zurückhaltung in den kom- wurde. Und nicht zuletzt soll sich die fahren), die gerichtsnahe (während läufiger Rechtschutz geboten ist oder menden Jahren rapide ändern wird, allgemeine Kostenverteilung nicht eines Gerichtsverfahrens außerhalb Notfristen einzuhalten sind, wenn ediation ist ein gar nicht so zumal dies den Intensionen nahezu mehr nur am reinen Prozessergebnis des Gerichts) und die gerichtsinterne die Gegenseite Verschleppungs- oder M neumodischer Begriff, wie ver- aller nationalen und internationalen orientieren, sondern sich auch nach (während eines Gerichtsverfahrens Ausforschungsabsichten hegt oder mutet werden könnte. Bereits 1643 Gesetzgebungsorgane in Europa der Bereitschaft zur Teilnahme an innerhalb eines Gerichts vor einem sie schlicht und einfach keinen Eini- wurde Aloysius Contareno (Alvise entspricht. einem Mediationsverfahren richten. anderen Richter). Welcher dieser For- gungswillen hat. Aber was heute in Contarini) vom Venezianische Se- Das deutsche Bundesministeri- Noch die alte Bundesregierung hatte men der Vorzug zu geben ist, kann in Streitfällen die Regel ist, könnte schon nat als „Legatus et Mediator“ nach um der Justiz verfasste am 20.8.2008 für die Erarbeitung der notwendigen der Regel jeder für sich entscheiden, morgen die Ausnahme sein. Münster entsandt, wo vor allem dank Leitlinien zur Umsetzung der euro- Gesetzesgrundlagen eine Experten- es hängt aber auch teilweise von den seiner unverdrossenen Vermittlungs- päischen Mediations-Richtlinie. Vor gruppe eingesetzt. Nach inzwischen jeweiligen Gegebenheiten ab. Die Der Verfasser ist Rechtsanwalt und bemühungen fünf Jahre später der dem 13. Mediations-Kongress der erfolgtem Regierungswechsel ist mit meisten außergerichtlich tätigen Wirtschaftsmediator mit staatlicher Westfälische Friede den Dreißigjäh- Centrale für Mediation am 3.4.2009 der Vorlage eines ersten Referenten- Mediatoren haben sich in einem Anerkennung als Gütestelle in rigen Krieg beendete. Die damals in Berlin unterstrich Ministerialdi- entwurfes zur Jahresmitte 2010 zu Berufsverband organisiert, manche Karlsruhe Ohne Grenzen Von Andreas Richter und Andrea Kerner Die 2007 im Auftrag der Generaldi- stimmten zwei Drittel der Befragten Durch die Umfrageergebnisse sah Europa zu einer aktiveren kulturellen den regionalen Tellerrand hinausge- rektion Bildung und Kultur der Euro- der These zu, dass die Europäischen sich die Europäische Kommission Rolle verhelfen. blickt und -gedacht haben. Neben päischen Kommission durchgeführte Länder über eine Vielzahl kultureller in der Ausformulierung der in der Während sich Europas Verwal- den Bildenden Künstlern waren und Eurobarometer-Umfrage über die Gemeinsamkeiten verfügten. Insge- Kulturagenda festgelegten Kernziele tung noch – zu Recht – Gedanken sind es vor allem die Musiker, die sich kulturellen Werte in Europa lieferte samt also ein klares Bekenntnis zum bestätigt: Förderung der kulturellen macht, wie Kulturprojekte helfen Europa eroberten, ob Mozart mit für alle kulturell Aktiven und an Kul- gemeinsamen Kulturraum Europa Vielfalt und des interkulturellen können, Europas Identität für seine der Postkutsche oder Pierre Boulez tur Partizipierenden Europas ein er- und zu Kultur als festem Bestandteil Dialogs, der Kultur als Katalysator Bürger und Bürgerinnen fassbarer und Claudio Abbado heute mit dem freuliches und ermutigendes Ergeb- Europäischer Identität. für Kreativität sowie der Kultur als zu machen, haben sich bereits eine Flugzeug. nis: 89% der befragten EU-Bürger Schlüsselelement internationaler ganze Reihe höchst erfolgreicher Kul- Letzterer hat sich besonders um bescheinigten europäischer Kultur er Begriff Kultur wird dabei viel- Beziehungen. Konsequenzen dieser turinstitutionen entwickelt, die den den interkulturellen Dialog verdient eine wichtige Rolle „um den Bürgern D fältig interpretiert: Werte, Philo- Zielfestschreibung sind unter ande- Traum vom demokratisch vereinten gemacht, indem er Zeit seines Lebens der verschiedenen Mitgliedstaaten sophie und Religion werden genauso rem die Unterstützung der Mobilität Europa längst in ihrem Arbeitsalltag Orchester gründete, die Künstler aus zu helfen, sich gegenseitig besser zu damit assoziiert wie Sport, Spaß und von Künstlern und von im kultu- umgesetzt haben. Möglich, dass allen Ländern der Welt zusammen- verstehen“. Kultur und kulturellem Freizeit oder Wissenschaft, Sitten, rellen Bereich Beschäftigten sowie sich Künstler grundsätzlich leichter bringen, um ihre spezifischen kultu- Austausch wurde außerdem von Traditionen und Umgangsformen. die Verbesserung der Verbreitung tun, wenn von Grenzüberschreitung rellen Traditionen und Hintergründe 88% eine Verständnis und Toleranz Immerhin denken insgesamt 63% von Kunstwerken über nationale die Rede ist – lebt doch jede Kunst ins gemeinsame Musizieren einflie- fördernde Wirkung zugesprochen, dabei an Kunst, wobei davon 39% Grenzen hinweg. Ferner soll Kreativi- vom Ausweiten der Grenzen, vom ßen zu lassen. Mit dem European dies vor allem vor dem Hintergrund darstellende und bildende Kunst tät als Grundlage für die Europäische Austausch und der Vielfalt. Auch der nach wie vor ambivalent emp- und 24% Literatur und Dichtkunst Wettbewerbsfähigkeit gefördert und der Blick in die Historie belegt, dass fundenen Globalisierung. Weiter im Sinn haben. Maßnahmen unterstützt werden, die Europas Künstler schon immer über Weiter auf Seite 17

Das Mahler Chamber Orchestra Foto: Elisabeth Carecchio kultur und Kirche politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 17

Jahr geht es über die europäischen aus nationaler und europäischer Auftrittsland besteuert. Das führt Nicht umsonst gibt es hier vielfäl- Forsetzung von Seite 16 Grenzen hinaus nach Japan, China, Rechtssprechung. bei international tätigen Künstlern tige EU-Rechtsprechung. Arabien, Südamerika oder in die Vor allem drei Bereiche sind es, zu sehr komplexen, von Land zu Ensembles aus freien Künstlern, Union Youth Orchestra, dem Cham- USA. Fixpunkte gibt es gleichwohl, die die ganz praktische Kulturarbeit Land abweichenden Besteuerungs- das trifft nicht nur Orchester sondern ber Orchestra of Europe, dem Gustav die sogenannten Residenzen, in in einer europäischen Dimension tatbeständen. Die nationale Steu- Schauspielgruppen, Tanzcompagni- Mahler Jugendorchester, dem Mahler denen das Orchester zwei- bis drei- behindern: ergesetzgebung entspricht dabei en etc. genauso, sind in diesen Fällen Chamber Orchestra, dem Orchestra mal im Jahr längere Proben- und · Fragen der Aufenthalts- und Ar- häufig nicht dem aktuellen Stand besonders gehandicapt. Dabei sind Mozart und dem Lucerne Festival Konzertphasen verbringt. Seit 1998 beitserlaubnis: Für Staatsange- der EU-Rechtsprechung. Selbst in es gerade sie, die den kreativen Hu- Orchestra hat Claudio Abbado zudem zählten dazu die oberitalienische hörige eines Mitgliedsstaates der Europa gibt es nur bilaterale Dop- mus für ein geeintes Europa bilden Klangkörper geschaffen, die auf de- Stadt Ferrara, das Festival in Aix- Europäischen Union stellen sich pelbesteuerungsabkommen, die und nähren. Und es will einem nicht mokratische Strukturen und auf den en-Provence, seit 2003 das Lucerne hier grundsätzlich keine Probleme. zudem voneinander abweichen. so recht in den Kopf, dass es zwar Orchestermusiker als gleichberech- Festival und seit Frühling 2009 das Ganz anders sieht es aber bei An- Nicht in jedem Fall kann daher eine den Euro gibt, aber er in jedem Land tigte Künstlerpersönlichkeit setzen Bundesland Nordrhein-Westfalen. gehörigen von Drittstaaten aus, Doppelbesteuerung der Künstler anders besteuert und bewertet wird. – Modelle, die dem traditionellen Residenzorchester zu sein ermögli- selbst wenn sie einen Aufenthalts- vermieden werden. Was wir brauchen ist eine Vereinheit- Orchesterbild Canettischer Prägung cht dem MCO Aktivitäten über die titel in einem Mitgliedsstaat der · Fragen der Sozialversicherung: lichung aller beschriebenen Bereiche (der Musiker als Vollstrecker des hö- reine Konzerttätigkeit hinaus, die Europäischen Union haben. Natio­ Jedes Land hat sein eigenes So- in einer Weise, wie sie die Freiheit der heren Dirigentenwillens) eine klare längeren Aufenthalte erlauben eine nales Recht entscheidet, welcher zialversicherungssystem. Diese Menschen und der Kunstausübung Absage erteilen. wesentlich engere Bindung an das Künstler in welchem Umfang im Systeme werden durch europäische fördert und nicht behindert. Das Mahler Chamber Orchestra Publikum. Auftrittsland tätig sein darf. Dies Rechtsverordnungen mit Hilfe von Das MCO und andere Ensembles (MCO) ist hier besonders hervorzu- Aufgrund seiner Struktur und stellt bei internationalen Tourneen Kollisionsnormen koordiniert, was setzen sich jeden Tag aktiv mit Eu- heben. Seine Musiker entwickelten Arbeitsweise vereinigt das MCO eine eine große Herausforderung dar, seinen greifbarsten Ausdruck im ropas Themen und Fragestellungen ein Orchestermodell, das höchste Vielzahl an Aspekten und Fragen, die da für jedes Auftrittsland einzeln Orchesteralltag im Formular E101 auseinander. Sie tun dies mit der künstlerische Ansprüche mit einem das Zusammenleben der Nationen in geprüft werden muss, was gilt. findet. Im Falle von Drittstaaten- Selbstverständlichkeit, die nur der- Wertekanon vereinigt, der letzten Europa, aber auch Europa in seinem Dies trifft in verstärktem Maße für angehörigen mit ständigem Auf- jenige aufbringen kann, der nicht Endes auf den Prinzipien der europä- Verhältnis zum Rest der Welt, mit sich Drittstaatenangehörige zu, die enthalt außerhalb Europas finden nur überzeugt von etwas ist, sondern ischen Aufklärung basiert. Zu Beginn bringen. Im großen Gegensatz zu den keinen ständigen Aufenthaltstitel die entsprechenden bilateralen es verinnerlicht hat. Zusammen stand der Wille, etwas fortzusetzen, Intentionen und Kernzielen der Eu- für einen Mitgliedstaat der Euro- Sozialversicherungsabkommen in Europa leben und arbeiten und das fast abgeschlossen schien: Der ropäischen Kulturprogramme stehen päischen Union haben. Auch hier Anwendung. Was abstrakt simpel auf einer gemeinsamen Basis die Geist des internationalen Jugendor- freilich die zahlreichen Hemmnisse muss individuell geprüft werden, klingt, bereitet einem international individuellen Besonderheiten zur chesters, in dem hochbegabte junge durch nationale, rechtliche und or- wo welche Visa erforderlich sind. tätigen Orchester mit Musikern aus Entfaltung bringen, kann nur gesche- Musiker aus aller Welt mit hochka- ganisatorische Hemmnisse, die das Eine zentrale Beantragung von Visa über 20 Nationen, das projektweise hen, indem interkultureller Dialog rätigen Dirigenten und Solisten pro- Leben einer derartigen Organisation scheitert bei einem international arbeitet, vielfältige Schwierigkeiten. und Mobilität nicht mehr diskutiert, jektweise zusammenarbeiten, sollte und der in ihr arbeitenden Künstler besetzten Orchester häufig daran, Diese ergeben sich nicht nur aus sondern gelebt wird. in einen professionellen, selbst- mit großer Regelmäßigkeit erschwe- dass die Musiker alle unterschied- den sehr komplexen nationalen verantwortlichen Zusammenhang ren wie auch wertvolle Ressourcen liche Wohnsitze haben. Regelungen, die zudem verschie- Andreas Richter ist Intendant des gestellt werden. Eine geographische unnütz binden. Die aktuellen Pro- · Fragen der Steuergesetzgebung: dene sozialversicherungsrechtliche Mahler Chamber Orchestra und Mit- Heimat im Sinne einer fixen Spiel- bleme ergeben sich zumeist durch Die Besteuerung von Künstlern ist Statute eines Künstlers kennen, glied des Fachausschuss Europa im stätte hat das Orchester nicht, Ein- das Fehlen europäischer Standards nationales Recht. Im Gegensatz zu sondern auch aus der praktischen Deutschen Kulturrat. Andrea Kerner ladungen erfolgen aus allen Ländern in den verschiedenen Gebieten wie sonstigen Berufsgruppen werden Handhabung von EU und natio- ist Communications Managerin des Europas, und mindestens einmal pro auch nicht selten in der Diskrepanz Künstler grundsätzlich auch im nalem Recht durch die Behörden. Mahler Chamber Orchestra Papst trifft Künstler vor dem Jüngsten Gericht Der Vatikan sucht Freundschaft mit Kulturschaffenden • Von Thomas Jansen Eine illustre Künstlerschar war es, VI. an. Der polnische Papst warb vor die der ungewöhnlichen Einladung zehn Jahren in einem Brief an die Benedikts XVI. in die Sixtinische Künstler für ein „fruchtbares Bündnis Kapelle am 20. November folgte: Zu zwischen Evangelium und Kunst“. 35 ihr zählten bedeutende Architekten Jahre zuvor, 1964, hatte Paul VI. mit wie Daniel Libeskind (Jüdisches einem ersten Künstlertreffen in der Museum, Berlin) und die aus dem Sixtinischen Kapelle versucht, den, Irak stammende Zaha Hadid (Phae- wie er sagte, „verlorenen Faden“ im no Museum, Wolfsburg) ebenso wie Gespräch zwischen Kirche und zeit- der estländische Komponist Arvo genössischer Kunst wiederaufzuneh- Pärt und sein eher aus dem Kino men. Anders als Benedikt XVI. feierte bekannter Kollege Ennio Morricone Paul VI. in der Sixtinischen Kapelle („Spiel mir das Lied vom Tod“). Aus damals noch eine Messe und empfing den Niederlanden war der Schrift- nahezu ausschließlich italienische steller Cees Noteboom angereist. Künstler. Auch der deutsche Theaterregisseur Der amtierende Papst hingegen Peter Stein, der britische Filme- hat den Kreis der Gäste erheblich macher Peter Greenaway und der erweitert: Unter ihnen waren nun amerikanische Videokünstler Bill neben Katholiken auch Christen Viola suchten das Gespräch mit anderer Konfessionen, Anhänger dem Kirchenoberhaupt. Als promi- nichtchristlicher Religionen sowie nentester Vertreter der kurzweiligen Agnostiker und Atheisten vertreten. Unterhaltung hatte sich der itali- Dass allein die ästhetische Qualität enische Schauspieler Terence Hill sowie eine Offenheit für existenzielle vor Michelangelos Jüngstem Gericht Fragen und nicht etwa der Taufschein recht eingefunden. für die Einladung ausschlaggebend war, betonte auch Erzbischof Gian- nsgesamt waren 260 Künstler der franco Ravasi, Präsident des Päpstli- I Einladung Benedikts XVI. gefolgt. chen Kulturrates und Organisator der Fünfhundert hatte der Vatikan im Zusammenkunft. Sommer eingeladen. Viele hatten Der Erwartung, dass nun umge- jedoch wegen langfristig geplanter hend eine Erneuerung der sakralen anderweitiger Verpflichtungen ab- Kunst anstehe, trat der Erzbischof sagen müssen: So etwa der Rockstar schon im Vorhinein entgegen. Zwar Bono und der Dirigent und Pianist hatte eine Gruppe von Künstlern Daniel Barenboim. und Intellektuellen, unter ihnen der An dem hochsymbolischen Ort Schriftsteller Martin Mosebach, kurz streckte Benedikt XVI. seinen Gästen vor dem Treffen die Renaissance eine Hand entgegen: Er rief zur Er- einer „wahrhaften und zutiefst ka- neuerung der Freundschaft zwischen tholischen“ Kunst gefordert; 1.300 Kirche und Kunst auf. Die Künstler Unterzeichner unterstützen bislang bezeichnete der Papst als „Hüter den Appell. Ravasi stellt sich die An- Der Petersdom in Rom Foto: Kristin Bäßler der Schönheit“ und „Botschafter näherung zwischen Kirche und Kunst der Hoffnung für die Menschheit“. jedoch behutsamer und vor allem men neben Peter Stein noch weitere drehte 2006 als Stipendiat der deut- umfassende Abteilung hatte Paul VI. Zugleich erinnerte er sie an die trans- weniger zweckgerichtet vor. Gäste: der Schriftsteller Uwe Timm, schen Kunstakademie Villa Massimo 1973 eröffnet. Neben Werken von zendenten Quellen ihres Schaffens. Der Kurienerzbischof bereitet ge- der Regisseur Philip Gröning und in Rom unter anderem ein Video über Marc Chagall, Salvador Dali, Henri Das Kirchenoberhaupt warnte vor genwärtig die Teilnahme des Vatikans der Videokünstler Christoph Brech. den berühmten Blick auf den Peters- Matisse sind dort auch Gemälde von einer „verführerischen, aber heuchle- an der Biennale in Venedig 2011 vor. Ferner der Musiker Carsten Nicolai dom durch das Schüsselloch auf dem Paul Klee, Otto Dix und Ernst Ludwig rischen Schönheit“, die sich gelegent- Erstmals will der Kirchenstaat mit sowie Frau und Tochter des vor zwei Hügel Aventin. Kirchner zu sehen. Die Sammlung lich in Obszönität und Provokation einem Pavillon an der Kunstschau Jahren verstorbenen Architekten Einen Eindruck davon, wie es endet allerdings mit Kunstwerken um ihrer selbst willen ergehe. Am teilnehmen. Ravasi wird das Treffen Oswald Mathias Ungers. Der Ham- um das Gespräch zwischen Kirche aus der zweiten Hälfte der siebziger Ende stand eine versöhnliche Bot- in der Sixtina genutzt haben, um burger Timm hatte zuletzt etwa mit und moderner Kunst derzeit bestellt Jahre. Initialzündung für die Einrich- schaft: „Der Glaube nimmt nichts von weitere Kontakte in die Kunstszene der Erzählung „Der Freund und der ist, konnten sich die 260 Gäste des tung dieser Sammlung war das erste eurem Genius, Eurer Kunst weg.“ herzustellen. Der Schweizer Archi- Fremde“ von sich reden gemacht. Papstes tags zuvor in der Sammlung Künstlertreffen im Jahr 1964. Mit der Begegnung knüpfte Be- tekt Mario Botta bestätigte später Gröning wurde 2005 durch sein für moderne Kunst der Vatikanischen nedikt XVI. an die Initiativen seiner einen entsprechenden Kontakt. Aus Kartäuser Porträt „Die große Stille“ Museen machen. Diese etwa 500 Der Verfasser ist Redakteur der Vorgänger Johannes Paul II. und Paul dem Heimatland Benedikts XVI. ka- bekannt. Der Schweinfurter Brech Bilder, Skulpturen und Grafiken KNA in Rom kultur und Kirche / Luther 2017 politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 18

Kirche und Kunst müssen aufeinander zugehen Burkard Jürgens im Gespräch mit dem Regisseur Philip Gröning zum Künstlertreffen mit Benedikt XVI. Papst Benedikt XVI. ist am 21. sprache wenig verstanden haben. Ich Kunst müssen aufeinander zugehen, Folgen haben. Bill Viola zum Beispiel Kirche und für den gemeinsamen November im Vatikan mit rund 260 hatte noch keine Zeit, die englische und das hießt: von beiden Seiten. Das stellt für die Saint Paul‘s Cathedral in Ursprung von Kunst und Religion. Künstlern aus aller Welt zusammen- Übersetzung zu lesen. Als Grundbot­ hat heute vielleicht begonnen. London ein Altarkunstwerk als Video­ Es war eine große Geste, uns alle gekommen. Der deutsche Regisseur schaft nehme ich mit, dass der Papst puk: Erzbischof Gianfranco Ravasi als installation her. Das sind Prozesse, dorthin einzuladen, um zu sagen: und Filmemacher Philip Gröning war gesagt hat, die Kirche brauche die Präsident des Päpstlichen Kulturrats die langsam beginnen. Der Papst Die Kirche braucht Künstler, die einer von ihnen. Der 50-Jährige, Künstler. Schön fand ich auch, was sprach von einem Dialog. Dafür war kann das nur anstoßen. Wir Künstler nach dem Transzendenten forschen. der 2005 mit dem Film „Die große er über die Beziehung zwischen der diese Begegnung wohl nicht der rich- und die Kirchenverantwortlichen vor Gerade die Fresken Michelangelos in Stille“ über das Leben der Kartäuser Schönheit und dem Transzendenten tige Rahmen. Ort müssen es fortführen. der Sixtina stammen von jemandem, für Aufsehen sorgte, äußerte sich gesagt hat. Gröning: Dass es eine monologische puk: Ein Vortrag in der Sixtinischen der in tiefen Konflikten steckte, und in einem Interview in Rom über die puk: Ist damit das Eis zwischen Kunst Veranstaltung würde, war klar. Das er- Kapelle, Musik aus dem 16. Jahrhun- diese Konflikte machen die Tiefe Begegnung. und Kirche gebrochen? gibt sich aus der Funktion des Papstes dert – war das ein gelungenes Setting seiner Kunst aus. Das muss auch der Gröning: Es war ein bisschen der Duk- und aus der Menge der Teilnehmer. für den Dialog mit der zeitgenös- Ausgangspunkt für die Begegnung politik und kultur: Herr Gröning, wie tus dieser Veranstaltung, wir als zeit- Der Dialog muss auf den Ebenen sischen Kunst? zwischen Kirche und Kunst sein: Ge- war es beim Papst? genössische Künstler müssten uns darunter beginnen – so wie Ravasi Gröning: Das Setting war großartig, rade Künstler, die Konflikte mit der Philip Gröning: Leider war die Akustik von der Kirche aufgenommen fühlen. und ich ein bisschen miteinander ein Symbol für den jahrtausende- Kirche haben, können tiefgehende sehr schlecht, so dass wir von der An- Das müssen wir gar nicht. Kirche und gesprochen haben. Das Treffen wird alten Dialog zwischen Kunst und Werke schaffen. LUTHER2017 Luther 2017 – eine ökumenische Chance Von Volker Leppin Wie einfach waren frühere Reforma- nur bei sich und seiner reformato- des 14. Jahrhunderts lesen. Nun aber von kleinen Schritten statt von tionsfeiern: Protestanten konnten rischen Entdeckung gesucht, sondern radikalisierte er deren Gedanken: großen Schnitten spricht, würden fröhlich feiern, taten dies manchmal bei seinem geistlichen Vater Johannes Auch durch besondere Frömmigkeit alle Katzen grau, mancher hätte es auch im Namen der ganzen Nation Staupitz, der mit der päpstlichen bin ich nicht Priester, sondern allein lieber in dem einem Jubiläum an- – und die Katholiken schauten bes- Kirche nie gebrochen hat: „Staupi- durch die Taufe. Und er richtete dies gemesseneren Schwarz-Weiß – aber tenfalls zu, schlimmstenfalls reagier- cius hat die doctrinam angefangen“, als Begründung und Appell an die vielleicht kann man sich wenigstens ten sie polemisch. So einfach ist dies sagt er noch im Frühjahr 1533. So Adeligen, denen er damit das Recht darauf verständigen: So wird das im 21. Jahrhundert nicht mehr. Zu lässt sich sein neues Verständnis des zur Kirchenveränderung zusprach Bild bunter. den größten Errungenschaften des Verhältnisses von Gott und Mensch und zugleich ein Programm vorstell- Und wo ein Bild bunter wird, vergangenen Jahrhunderts gehört nicht als radikaler Bruch verste- te, das in vielem an Reformvorschläge kann auch die Auseinandersetzung die Entwicklung der Ökumenischen hen, sondern als eine allmähliche des 15. Jahrhunderts anknüpfte. damit in der Gegenwart bunter, und Bewegung, die Christinnen und Chris- Transformation von Gedanken, wie So bündelten sich Theologie und das heißt vor allem: differenzierter ten unterschiedlichster Herkunft ins er sie in der Frömmigkeitstheologie Reform, und Fürsten hatten einen werden. Das gezeichnete Bild macht gemeinsame Gespräch gebracht und vor allem der Mystik des späten Grund, sich an die Umsetzung zu es für die katholische Seite möglich, hat. Auch wenn die hochgesteckten Mittelalters vorgefunden hat. Die­ machen – eine Umsetzung, die das nachzuvollziehen, wie sie selbst Ziele einer Einigung lange nicht er- se Transformation folgte eigenen Selbstverständnis des Römischen auch dank der Reformation wurde, reicht sind, auch wenn mancher eine Entdeckungen, manchmal halfen Reiches nachhaltig ändern sollte, was sie ist. Und die evangelische „Ökumenische Eiszeit“ zu registrieren ihm gegnerische Angriffe zur Klä- und an deren Ende die Vielfalt der Seite mag stärker nachempfinden, meint – hier handelt es sich allen- rung, manchmal brachten ihn auch Konfessionen stand. welche Abwägungen und Entschei- falls um eine „Kleine Eiszeit“. Denn Freunde und Gefährten auf weitere Die Entwicklung erfolgte Stück dungen im Einzelnen nicht nur das Niveau, auf dem man klagen Formulierungen. für Stück, in einem in der Rückschau zur evangelischen Kirche geführt darf, ist hoch. Dass aus diesen theologischen immer noch rasanten, im Einzelnen haben, sondern auch dazu, dass Gedanken Geschichte wurde, ver- aber kontinuierlich erfolgenden Pro- eine Kirche unter dem Papst erhal- reilich: Man klagt. Während die dankte sich einerseits einer Zuspit- zess. Dieses Geschehen ist mit ein- ten blieb. Dann haben beide Seiten F einen 2017 allzu laut jubilieren zung durch Luther selbst, anderer- fachen Gegensätzen von „neu“ und Gründe des Nachdenkens und der wollen, treten die anderen auf die seits einer glücklichen Konstellation: „alt“ schwer zu fassen – entscheidend Freude – und können, bei allen Begeisterungsbremse und sprechen 1520 trat der Reformator mit dem ist die Wandlung, die Transformation, erhaltenen Unterschieden, das Jahr statt von einem Reformationsjubi- Gedanken an die Öffentlichkeit, die sowohl die evangelische Fröm- 2017 auch als eine Chance nutzen, läum lieber von einem bloßen Ge- dass jeder Glaubende ein Priester sei migkeit hervorbrachte als auch die neue Schritte der ökumenischen dächtnis – als gäbe es an Luther und – und hebelte so die kirchenrecht- moderne römisch-katholische Fröm- Verständigung zu gehen. der Reformation nur für die evange- liche Unterscheidung von Klerikern migkeit, die mit der mittelalterlichen lische Seite etwas zu feiern. und Laien aus. Dass nicht allein die nicht einfach identisch ist. Mancher Der Verfasser ist Professor für Kir- Tatsächlich ging die Wirkung der Weihe den Priester macht – auch fürchtet, wenn man in dieser Weise chengeschichte an der Friedrich- Reformation weit über die Bildung dies konnte er schon bei Mystikern in der Deutung der Reformation Schiller-Universität Jena

L der modernen evangelischen Konfes- sionen hinaus, und musste dies, weil das Anliegen Luthers ein zutiefst ge- meinchristliches war: Er wollte an das uther Evangelium erinnern, und hat dies mit Erfolg getan. Er hat mit Macht den Gedanken Augustins ins Gedächtnis gerufen, dass der Mensch sein Heil al- lein der Gnade Gottes verdankt. Dass dies auch für die römisch-katholische Seite auf neue Weise in den Mittel- punkt gerückt ist, ist auch Luther zu verdanken. Darüber braucht man die bleibenden Unterschiede gar nicht zu verwischen. Der wichtigste unter ihnen ist, dass für das evangelische Bekenntnis der Mensch diese Gnade Gottes allein durch den Glauben er- langt und zu keinem darüber hinaus- gehenden Handeln genötigt ist. Wer diese Perspektive einnimmt, kann die Reformation entspannter sehen, als es in mancher konfessio­ neller Engführung hier oder dort

2017 geschieht: Sie ist dann weder einfach die Zerstörung der einen Kirche durch die Kirchenspaltung noch der emphatisch zu bejubelnde Beginn der Neuzeit. Über beides ist die his- torisch nüchterne Forschung längst hinweg: Luthers neue Theologie war nicht der einzige Ursprung aller neuzeitlichen Entwicklungen, und sie war auch nicht mit einem Mal „da“, hat nicht mit einem Schlag das Mit- telalter beendet. Luther musste lange ringen, hat sich über Jahre hinweg innerhalb der spätmittelalterlichen Frömmigkeit bewegt und noch als reifer Reformator den Anfang nicht Die Wartburg in Eisenach © Thüringer Tourismus GmbH/Bildarchiv, Toma Babovic Kulturlandschaft deutschland politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 19

Handlungsfeld „heimatliche Region“ Der Kyffhäuserkreis behauptet und gestaltet Zukunft vor Ort • Von Ekkehard Müller und Antje Burghardt „Schön ist, Mutter Natur, deiner eine Region nachhaltig bedroht ist. Erfindungen Pracht auf die Fluren Deshalb ist es wichtig, Aktivitäten verstreut“ (F.G. Klopstock: Der Zür- und Initiativen zu fördern, die Ver- chersee, Berlin u. Weimar 1979, bundenheit und Identifikation mit S.31), so die Eingangszeile einer der heimatlichen Region bestärken. Ode Klopstocks, die – obwohl einer Exemplarisch sollen einige Hand- anderen Landschaft zugeeignet lungsfelder vorgestellt werden: auch der hiesigen gewidmet sein könnte. Zumal dem Dichter die Re- Musikalische gion bekannt war, u.a. durch einen Besuch 1762 bei einem Freund und Jugendbildung Vertrauten aus Quedlinburger Zeit, Ca. 200 Teilnehmer des bundesweit Nicolaus Dietrich Gieseke, der in renommierten Carl- Schröder Wett- Sondershausen als Superintendent bewerbs verleben mit ihren Familien wirkte. vier kulturell prall gefüllte Tage in der Kyffhäuserregion und tragen dazu ener wiederum förderte den ra- bei, diese auch über die Thürin- J dikal-aufklärerischen Dichter Jo- ger Landesgrenzen hinaus bekannt hann Karl Wezel, der sich – welch zu machen. Das anspruchsvolle eigentümlicher Zufall – ebenso dem Programm, bietet zu seinem Höhe- Faust-Stoff zuwandte wie der Große punkt, dem Preisträgerkonzert, die aus dem nicht weit entfernten Wei- Gelegenheit für die jungen Musiker mar. Freilich wusste Goethe um den mit professionellen Symphonikern aufbegehrlichen Freidenker und sein des traditionsreichen Lohorchesters Tun und strafte ihn mit unnachsich- gemeinsam aufzutreten. tiger Nichtachtung. Für die eigenen Schüler wie für Eigenartig, wie sich doch in jenem die auswärtigen Teilnehmer ein enor- kleinen Thüringen mit seinen vor mer Ansporn und Gelegenheit über- allem kulturell konkurrierenden Herr- regionale Kontakte zu knüpfen, neue schern und Residenzen – fürs große Anreize zu setzen und unsere Region Militär reichte es einfach nicht – ein, gerade in Zeiten des demografischen wenn auch bisweilen widersprüch- Wandels für Familien mit Kindern als liches Geflecht von Beziehungen und attraktiv erlebbar zu präsentieren. Verbindungen entwickelte, Allianzen Seit Sommer 2008 wird ein ein- Teilnehmerin beim bundesweiten Carl-Schroeder-Wettbewerb im Schloss Sondershausen Foto: Alexander Grüner und Zirkel wurden begründet, Dispu- zigartiges Projekt im Kyffhäuserkreis tationen bis hin zum kreativen Streit durchgeführt, das unter der Schirm- Grundschulen des Kyffhäuserkreises mentieren. Im Vordergrund steht die Fülle von Fachthemen an, die durch ausgetragen ganz in Fortführung der herrschaft des hiesigen Landrates, einzuführen. Auch das Land Thürin- gegenseitige und selbstmotivierte An- hochrangige Referenten sowie enga- eingangs zitierten Verszeile „schöner Herrn Peter Hengstermann, zu einem gen hat zwischenzeitlich Interesse an regung zur musischen Betätigung. gierte Heimatforscher und Vereine ein froh Gesicht, das den großen bundesweiten Vorzeigeprojekt ge- einer Ausweitung des Projektes auf Ab dem zehnten Stempel erhal- vorgestellt und besucht werden, so Gedanken Deiner Schöpfung noch macht werden könnte. Die Grundidee den gesamten Freistaat signalisiert. ten Schülerinnen und Schüler am u.a. die historischen Klöster im Kyff- einmal denkt“ (ebd.). ist die, dass jedes Kind in der Grund- Die Musikschule bietet schon jetzt Ende des Schuljahres ein besonderes häuserkreis, historische Parkanlagen, Erst aus dieser Vielfalt geistigen schule ein Instrument erlernt – daher den insgesamt 56 Kindertagesstätten Zertifikat für ihr außerschulisches Guts- und Herrenhäuser oder wert- Strebens auch in den kleinen und der Titel „Jedem Kind ein Instru- und 13 Grundschulen im Kyffhäuser- kulturelles Engagement und einen volle Mühlen. Die Bündelung der en- zentrumsfernen Orten erwuchs jene ment“. Da dies jedoch im Ursprungs- kreis sogenannte Projektvormittage würdigenden Zeugnisvermerk. gagierten Kräfte hat gleichermaßen Kraft und Atmosphäre, aus denen bundesland Nordrhein- Westfalen an. Dabei lernen die Vorschulkinder Partner für diese Kulturinitia- zu einem verstärkten Interesse der die aufblühenden Musenhöfe ihren nicht kostenfrei angeboten wird, völlig kostenfrei sämtliche Instru- tive sind neben den Theatern und Bevölkerung an historischen The- Honig saugen konnten. Ein Umstand können folglich viele Kinder dieses mente kennen und haben danach die Orchestern auch der Verband der men und Zeitzeugen in der Region übrigens, der so wohl nur aus der Angebot nicht annehmen. Ziel des Möglichkeit, diese aktiv auszupro- Bildenden Künstler in Thüringen geführt, wie die wachsende Resonanz Ferne beobachtend hellsichtig zu Projektes ist es aber, allen Kindern an bieren. Neben dem pädagogischen e.V., die Landesmusikakademie mit der Besucher – auch zum Mühlentag beschreiben war, so u.a. durch den den Grundschulen gleiche Chancen Aspekt sorgt dieses Engagement ihrem Sitz in Sondershausen sowie und zum Tag des offenen Denkmals großen spanischen Kulturphilo- zu geben und ihnen Perspektiven nicht nur für leuchtende Kinderau- ein Großteil der thüringischen Mu- zeigt. In Zeiten des demografischen sophen Ortega y Gasset. für eine musikalische Ausbildung zu gen, sondern auch einen intensiven seen und Bibliotheken sowie wei- Wandels ist das ein Zeichen, dass Warum der lange in die Historie ermöglichen. Dank der großzügigen Kontakt zwischen Kindertagesstät- terer kultureller Einrichtungen und hoffen lässt und zu weiterem Enga- führende Exkurs, um heutige kultu- Unterstützung des Thüringer Kul- ten, Grundschulen und Musikschule Initiativen. gement ermutigt. relle Bemühungen zu thematisieren? tusministeriums und vieler Spenden und erfährt bei Eltern, Erziehern und Auch wenn die vorgestellten Sind sie auch in den Dimensionen kann das Projekt derzeit an zwei Lehrern eine überwältigend positive Tag der Heimatgeschichte Bemühungen in ähnlicher Weise unterschiedlich, so wohnen den Grundschulen in Sondershausen und Resonanz. in näherer oder fernerer Nachbar- Prozessen, den historischen wie den Bottendorf (Stadt Roßleben) kosten- Eine enge Verflechtung unterschied- schaft praktiziert werden, so sind gegenwärtigen doch Parallelen und frei angeboten werden. Damit kön- Kulturpass licher Kultur- und Geschichtsver- sie doch wichtiger Ausdruck jener Mechanismen inne, die nachdenklich nen soziale Schranken aufgebrochen eine mit sich weiter vertiefendem anstiftenden Selbstbehauptung, die stimmen sollen. Eine fundamentale werden, was sich mittelfristig auch Eine weitere Möglichkeit, Jugendliche Netzwerkcharakter hat der jährlich sich dem globalisierenden und nicht Feststellung bleibt, nämlich, dass auf das Lern- und Sozialverhalten der an Kunst und Kultur heranzuführen im Frühjahr stattfindenden Tag der selten banausisch egalisierenden immer dann, wenn geistige und Grundschüler positiv auswirkt. soll über den Thüringer Kulturpass Heimatgeschichte bewirkt, der seit Mainstream entgegenstellt und bei- kulturelle Entwicklung gering ge- Im Kyffhäuserkreis befinden sich gefördert werden. Er ist ein gemein- 2005 auf Betreiben des Landkreises trägt, Zukunft vor Ort zu behaupten schätzt und unzureichend gefördert 13 Grundschulen in Trägerschaft des sames Projekt des Landesverbandes und des Regionalmuseums Bad Fran- und zu gestalten. Dabei kommt den wird, wenn Kreativität und Intellekt Landkreises. Wunsch der Initiatoren Thüringen im Deutschen Bühnenver- kenhausen veranstaltet wird. Mehr Landkreisen in Deutschland eine abwandern oder sich zurückziehen, ist es, das kostenlose Angebot an allen ein (Vorsitzender ebenfalls Landrat als 120 Besucher aus Thüringen und ganz besondere Rolle zu. Hengstermann) und des Thüringer den angrenzenden Bundesländern Kultusministeriums, das Schüle- verfolgen jeweils die thematisch aus- Ekkehard Müller ist Abteilungsleiter rinnen und Schülern die Möglichkeit gerichteten Tage, die eine Mischung Schulen & Kultur im Landratsamt gibt, ihre Theater-, Konzert-, Muse- aus Fachvorträgen, Diskussionen Kyffhäuserkreis. Antje Burghardt ist Kulturlandschaft Deutschland ums- und Ausstellungsbesuche in und Exkursionen bieten. Bedingt Mitarbeiterin der Presse- & Öffent- Die Enquete-Kommission des Deut- ben – von der Ausgabe Januar-Februar einem Pass durch einen Stempel durch den großen kulturellen Reich- lichkeitsarbeit im Landratsamt schen Bundestags „Kultur in Deutsch- 2007 bis zur Ausgabe März-April der jeweiligen Institution zu doku- tum der Region bietet sich eine Kyffhäuserkreis. land“ hat ihren Auftrag ernst genom- 2008 – haben jeweils zwei der im men und eben nicht nur jene Bereiche Arbeitskreis Kulturregionen zusam- des kulturellen Lebens in den Blick ge- mengeschlossenen Kulturregionen nommen, die jedem selbstverständlich ihre Arbeitsweise sowie ausgewählte sind, sondern hat eine umfassende Projekte vorgestellt. Die Unterschied- Bestandsaufnahme des Kulturlebens lichkeit dieser Projekte bot einen in Deutschland vorgelegt. Einblick in die Vielfalt des kulturellen Lebens in Deutschland, sie zeigte den In diesem Zusammenhang hat die En- Ideenreichtum der Akteure vor Ort und quete-Kommission „blinde Flecken“ in machte deutlich, dass interessante der Kulturlandschaft und Kulturpolitik kulturelle Vorhaben überall in Deutsch- Deutschlands untersucht, so u.a. auch land zu finden sind. Seit der Ausgabe die Kultur im ländlichen Raum. Obwohl 4/2008 wird aus unterschiedlichen die Mehrzahl der Bundesbürger nicht Landkreisen von der Kulturarbeit vor in Großstädten, sondern vielmehr in Ort berichtet. Mittelstädten oder Dörfern lebt, spielt die Kultur in den Regionen zumeist In dieser Ausgabe stellen Ekkehard eine untergeordnete Rolle. Kultur in Müller, Abteilungsleiter Schulen & der Provinz wird oftmals gleichgesetzt Kultur und Antje Burghardt, Mitarbei- mit provinziell. terin Presse- & Öffentlichkeitsarbeit im Landratsamt Kyffhäuserkreis die Dass dem so nicht aus, wurde bereits Kulturarbeit dieses Kreises vor. in der Reihe „Kulturregionen“ in politik Die Wartburg in Eisenach © Thüringer Tourismus GmbH/Bildarchiv, Toma Babovic und kultur deutlich. In sieben Ausga- Die Redaktion Westansicht des Schlosses Sondershausen, ehemals Residenz der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen, heute Sitz des Schlossmuseums und des Carl-Schroeder-Konservatoriums Foto: Antje Burghardt Kulturelles Leben politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 20

Erb Gut Kunst Ein Symposium des Deutschen Kunstrats • Von Anette Rein Auf der Fachmesse für Museums- Schüler oder Studierende, die Objekte und Ausstellungstechnik EXPONATEC suchen, sich zunächst durch den in Köln veranstaltete der Deutsche digitalen Katalog arbeiten, bevor sie Kunstrat am 19.11.2009 ein Sym- an das Original dürfen; bei besonders posium mit etwa 90 Teilnehmern. gefährdeten Stücken müsse eben die Unter dem pointierten Titel ERB GUT Abbildung reichen. Die Hauptaufga- KUNST diskutierten Wissenschaftler, be des Museums bliebe immer noch: Künstler und Archivare auf zwei schützen und bewahren – und dabei Podien Fragen nach der gesell- sei die Digitalisierung eine große schaftlichen Verantwortung für das Unterstützung. Allerdings ist auch kulturelle Erbe vor dem Horizont ak- im Prozess der Digitalisierung ein tueller Techniken des Dokumentie- kommerzieller Aspekt mit im Spiel. rens, Sicherns und Veröffentlichens Diejenigen Motive, von denen man – wobei ein besonderes Augenmerk sich eine bessere spätere Vermark- auf Künstlernachlässen lag. tung erhoffe, werden vorrangig bear- beitet. Die Digitalisierung sei jedoch ach der Begrüßung durch Ulrike nicht nur ein Notersatz des Originals N Berendson (Direktorin der Co- – vielmehr zeigen die Erfahrungen logne Fine Art & Antiques) wurde die in Museen oder Archiven, die ihren von Birgit Maria Sturm (Sprecherin Bestand digitalisiert haben, dass bei des Deutschen Kunstrats) organisier- ihnen die Abbildungen sozusagen für te Veranstaltung mit einem Vortrag Interessierte als Appetizer im Vorfeld über die Folgen des Einsturzes des dienen, um in der Folge die Originale Kölner Stadtarchivs eröffnet. (seien es Bilder an der Wand, Objekte In geschickter Verbindung meh- in Vitrinen, oder Handschriften in rerer Perspektiven stellte die Autorin, Lesesälen) aufzusuchen. In der Tat Dr. Katharina Corsepius (Verband wurde beobachtet, dass seit dieser Deutscher Kunsthistoriker/Univer- neuen Präsentationsform für die sität Bonn), einerseits die Betroffen- Öffentlichkeit die Besucherzahlen heit der vor Ort mit der Sicherung in den Kulturinstitutionen gestiegen der Archivalien beschäftigten Helfer sind. beim Auffinden von Dokumenten Selbstverständlich würde er – Ingo Ronkholz, Künstler, Köln, Dr. Birgit Jooss, Deutsches Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum, Nürnberg, Ka- der beiden Todesopfer neben mittel- Ingo Terrumanum (Ver.di/Künstler, thy Kaaf, GEDOK und Prof. Dr. Günter Herzog, ZADIK – Zentralarchiv des internationalen Kunsthandels, Köln. alterlichen Schriftstücken dar und Bonn) – immer darauf achten, dass Foto: Anette Rein verband dies mit einer Würdigung seine Kunst digitalisierbar und damit des großen Einsatzes dieser Ehren- netztauglich ist. Ihm geht es um die Im Kontext der unbegrenzten digi- organsieren Ausstellungen. Während eigenen Kunstwerken und vernichtet amtlichen und einem Hinweis auf die Arbeit an kollektiven Archiven, was talen Materialien für Studierende in Nürnberg zwischen Kunstwerken all jene Arbeiten, die ihm als nicht- problematische berufliche Situation aber nicht heißen soll, dass Kunst im Netz wurde auch der Aspekt des und schriftlichen Nachlässen auf- bewahrenswert erscheinen. Der der ausgebildeten Kunsthistoriker. nur zum Zweck der Digitalisierung Urheberrechts problematisiert. Die grund restauratorischer Bedingungen Nachlass muss von Beginn an in einer Der Vortrag befasste sich mit produziert wird. Die Digitalisierung Frage „Exponieren oder Digitalisie- unterschieden wird – nur Nicht-Kunst überschaubaren Größe organisiert der grundsätzlichen Notwendigkeit bestimmt nicht die Kunst, sondern ren?“ konnte nicht abschließend geht ins Archiv, Kunst kommt in die werden – sonst drohe ihm am Ende, eines intensiveren Schutzes von die Künstler spielten mit der Digita- geklärt werden – da beide Formen Museumssammlung – sammelt das nirgendwo bewahrt zu werden. Ar- Kulturgütern, die in Deutschland lisierung. Dr. Holger Simon (Verband der Präsentation ihre besonderen ZADIK auch kleinere Kunstwerke, chive wie jenes in Brauweiler, können offenbar zusehends bedroht sind Deutscher Kunsthistoriker/Universi- Vorzüge haben und sich zur Wah- Fotografien und Dokumente von darüber hinaus den Ansturm der Do- durch Brände, Überschwemmungen, tät zu Köln) betonte die Bedeutung rung und Vermittlung von Kulturgut ephemeren Kunstereignissen. Es sei natoren nur bewältigen, wenn sie mit avisierte Verkäufe von Beständen und der Originale und die Frage: Wie gegenseitig ergänzen. schwer eine Grenze zu ziehen zwi- Museen und Galerien zusammenar- U-Bahnbauten. gehen wir weiter mit ihnen um? Der „Werkausleser“, eine Wort- schen „Kunst“ und „Nicht-Kunst“ beiten und die bei ihnen gelagerten Mit dem Einsturz des Archivs Digitalisierung vermittle gewisse neuschöpfung von Kathy Kaaf (GE- (z.B. im Falle eines Briefs mit kom- Werke als Leihgaben wieder in den konnten von 30 km Akten bisher 85% Informationen über ein Objekt und DOK – Verband der Gemeinschaften mentierenden Zeichnungen von E.L. Umlauf bringen und so das künst- gesichert werden, die restlichen 15% mache diese allgemein zugänglich, der Künstlerinnen und Kunstförde- Kirchner). lerische Erbe im Original öffentlich liegen noch in einem Wassertrichter, sie wird aber niemals das Original rer), Moderatorin der zweiten Podi- In der Diskussion wies Dr. Karin zugänglich machen. wie Dr. Max Plassmann (Historisches ersetzen. umsdiskussion zum Thema: „Indivi- Lingl (Stiftung Kunstfonds) darauf Ein Werkausleser könnte den Archiv der Stadt Köln) in der an- Wulffen sah einen schwebenden duelle Künstlernachlässe – Kassieren hin, dass in Brauweiler ein Archiv Kreativen helfen, sich von ausge- schließenden Diskussion näher aus- Generationenkonflikt, der sich über oder Archivieren?“, könnte sich zu für Künstlernachlässe – und zwar wählten eigenen Werken zu trennen führte. Von den geborgenen Objekten dem Umgang mit den neuen Techno- einer zukünftigen Arbeitsplatzbe- für Kunstwerke – eröffnet worden und dabei Wertmaßstäbe für Werke wiederum seien 50% mittel, 35% logien ausbreitet. Heute würde erwar- schreibung entwickeln. Kreative sei. Die wichtige Frage, wer darüber zu entwickeln, die für die Nachwelt schwer betroffen; nur 15% gelten als tet, dass alles digitalisiert vorzuliegen brauchen Unterstützung bei der Be- entscheidet, was im Archiv als regio- von Bedeutung sind. Kunstwerke zerstört. Das geplante Gebäude über habe. Vor allem die jüngeren Künstler wertung ihrer Werke und den damit nal oder national bedeutsame Kunst stehen damit nicht erst als Hinter- dem Trichter zur Rettung der Objekte wurden mit und durch die Medien verbundenen Vorbereitungen für aufbewahrt werden soll und was lassenschaft in der Verantwortung im Wasser sei schon bewilligt – aber sozialisiert und ihre Wahrnehmung einen bewältigbaren Nachlass. Dr. nicht (Kunst, die dann kassiert wird von Nachkommen sondern deren noch nicht gebaut. Es bleibe das und ihr Umgang mit digitalen Me- Birgit Jooss (Deutsches Kunstarchiv d.h., durch den Akt der Kassation Formierung als Kulturerbe beginnt im ohnmächtige Warten auf das Ende dien sind ein selbstverständlicherer. im Germanischen Nationalmuse- ausgesondert wird) wurde zunächst Hier und Jetzt bei jedem Einzelnen. des Handlungsstillstands und auf Terrumanum ließ die zukünftige Ent- um, Nürnberg) und Prof. Dr. Günter durch die Bestellung einer fachkun- das baldige Nennen von Prioritäten wicklungsrichtung offen und stellte Herzog (ZADIK – Zentralarchiv des digen Jury gelöst. Die Forderung, dass Die Verfasserin, war von 2000-2008 für die dringend anstehenden, vor- die dringende Frage was eigentlich internationalen Kunsthandels, Köln) die Kreativen selbst in Sachen Nach- Direktorin des Museums der Welt- aussichtlich Jahrzehnte dauernden mit denjenigen Kunstwerken und vermittelten Einblicke in die Arbeits- lasspflege zu Lebzeiten aktiv werden kulturen in Frankfurt am Main und Restaurierungsarbeiten. Aufträge Dingen, die in Zukunft nicht digita- weise und die Ziele ihrer jeweiligen müssen, stand im Raum und als po- lehrt z.Zt. an der Johannes Guten- an externe Restauratoren können lisiert werden, passiert? Es müsste Institute. Beide übernehmen Nach- sitives Beispiel für diese Perspektive berg-Universität in Mainz. Sie ist derzeit nicht vergeben werden, da unterschieden werden zwischen lässe von Künstlern bzw. Kunstver- nahm Ingo Ronkholz (Künstler, Köln) Vorstandsmitglied im Internationa- es noch keine Bestandsidentifikati- „Kunst als Geschichte“ und „Kunst mittlern, betreuen diese restaura- an der Podiumsdiskussion teil. Er len Museumsrat Deutschland on gibt. Die größte Gefahr liege im als Objekt“. torisch, forschen, publizieren und sichtet regelmäßig seinen Bestand an (ICOM D). Zementstaub, der alles fein bedeckt und vor allem die Fotografien aktuell bedroht. Der Vorwurf wurde laut, dass die Situation eine völlig andere wäre, InternetGuide durch den Kunstdschungel wenn der Bestand digital gesichert Ein Jahr online: das Internetportal rheinschiene@ktuell • Von Tom Koesel vorgelegen hätte und Corsepius stell- te in ihrem Text die Frage nach der Seit einem Jahr informiert das In- Kartengrafik des Rheinlands und alle drei angegebenen Kategorien tion eigene Kunstrouten durch die Gewichtung des Originals im Verhält- ternetportal rheinschiene@tkuell einem scrollbaren Newsfeld. In der anklicken. Jetzt sieht man blaue, Städte zusammenstellen und dabei nis zu seinem digitalen Abbild. über die Kunstszene im Rheinland. Menüleiste sind die Inhalte in die rote und grüne Markierungsfahnen, das Portal als Navigationshilfe nutzen. An diese Frage schloss die ers- Das neue Serviceportal ist ein ge- Rubriken „Kunstorte“, „Museen“, die die Kunstdichte der Umgebung Ein roter „Bewegungsmelder“ zeigt te Podiumsdiskussion unter der meinsames Projekt der RheinStädte „Galerien“, „Städte“, „News“, „Karte“, anzeigen. Die nicht-kommerziellen beim Anklicken, wo es im Rheinland Moderation von Thomas Wulffen Bonn, Düsseldorf und Köln und bildet „Album“, „Kunst für Kids“ und „Ser- Kunstorte der freien Szene, städtische wieder Neues zu entdecken gibt. Auf (AICA – internationaler Kunstkriti- das vielseitige Angebot an aktueller vice“ gegliedert. Jetzt kann für den Ausstellungsräume und Künstlerhäu- den drei verlinkten Städtefenstern ker-Verband Berlin) an. „Kollektives Kunst im Rheinland ab. Der Fokus Kunstliebhaber die Reise beginnen. ser sind dabei rot markiert. der Startseite informieren die Kul- Kulturerbe – Exponieren oder Digita- liegt auf der freien Kunstszene, Wer zum Beispiel sehen möchte, wie „Das Internetportal ist mehr als turämter Bonn, Köln und Düsseldorf lisieren?“ war das Thema der Runde, auf Kunstinitiativen und nicht-kom- viele Galerien es im Rheinland gibt, ein Ausweis der Stärke des Rheinlands über ausgewählte Projekte, die von die mit der Frage eröffnet wurde, ob merziellen Ausstellungsprojekten. klickt einfach in die Kartengrafik und im Bereich der Bildenden Kunst. Ich städtischer Seite gefördert werden. Für nicht die Digitalisierung aller Dinge Ergänzend kommt die renommierte kann dann im Navigationsbereich sehe es als eine wunderbare, teils Künstler sind im Bereich „Service“ die Hand in Hand gehen würde mit einer Galerien- und Museenlandschaft des die Kategorie „Galerien“ auswählen. spielerische Einladung an alle Kunst- Förderangebote und Stipendien der noch größeren Kommerzialisierung Rheinlands hinzu. Aktuell sind über Über die ganze Region verteilt er- interessierten, sich auf die vielen Kul- Städte und Gemeinden als offizielle und einer stärkeren Ausrichtung der 600 Kunstorte und Serviceangebote scheinen nun blaue Galeriefähnchen. turpfade im Rheinland zu begeben. Kulturförderer aufgeführt, aber auch Kunst am Markt. Dr. Ursel Berger (Ge- erfasst. Klickt man ein einzelnes Fähnchen Ich freue mich, dass die Rheinstädte die Adressen von Kulturbüros, Stif- org-Kolbe-Museum, Berlin) machte an, erscheinen die Kontaktdaten mit diesen Service nun seit einem Jahr tungen und Verbänden sind hier zu deutlich, dass die Digitalisierung in ibt man www.rheinschiene- verlinkter Webadresse. Wer sehen anbieten können“, so der Kölner Kul- finden. „Die Fülle von Kunstorten und erster Linie eine komplette Bestands- G aktuell.de in das Adressfeld des will, welche Kunstorte und welches turdezernent Prof. Georg Quander. aufnahme ermöglicht: Man weiß, Browsers ein, sieht man eine Start- Museum sich in der Nähe einer aus- Kunstfreunde, Künstler und Sammler Weiter auf Seite 21 was im Haus ist. So könnten auch seite mit vier Bildfenstern, einer gewählten Galerie befinden, kann können sich mit Hilfe der Kartenfunk- Kulturelles Leben politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 21

turausschüssen der beiden Städte Idee des Projektes ist, sich auf den im und regionalen Ausschreibungen bewegen. Kunstprojekte, die mit Fortsetzung von Seite 20 vorgestellt. Bei Veranstaltungen wie Rheinland hervorragend präsenten wird im Newsfeld der Startseite zu- diesem geographischen Verständnis den „Kunstpunkten“ in Düsseldorf, Kulturbereich der Bildenden Kunst sammengestellt. Mit dem Flyer „4 agieren, werden auf rheinschiene -projekten macht das Rheinland zu dem Festival „KinderKunstKinder“ zu konzentrieren, alle Kunstangebote am Rhein“, der ebenfalls über die @ktuell besonders vorgestellt. Bei- einer der vitalsten und innovativsten in Bonn oder beim Jour fixe des und Fördermöglichkeiten für die Startseite anwählbar ist, erhält man spiele sind die neue Biennale „new Kulturregionen Europas. Das neue KunstSalon in Köln wird seitdem unterschiedlichen Nutzergruppen eine Übersicht der Sonderausstel- talents“ – ein Kooperationsprojekt an Internetportal verschafft nicht nur auf das neue Angebot hingewiesen. zu erfassen und unterschiedliche lungen in den rheinischen Museen. dem unter anderen die Kunstakade- Kulturneulingen einen Zugang zur le- Bereits der Preview-Stand auf der Art Zugänge zu ermöglichen. Im „Album“ sind Schnappschüsse mie Düsseldorf, die Kunsthochschule bendigen Kunstszene des Rheinlands, Cologne 2008 hatte gezeigt, dass das So können über das Suchfeld von Machern und Organisatoren zu für Medien Köln und die Musikhoch- sondern ist auch ein Arbeitsmittel für Kunstpublikum und die Künstler die einerseits gezielt bereits bekannte finden, die sich besonders für die schule Köln beteiligt sind - und „DC/ Künstler und Kulturarbeiter“, betont klar gegliederte Website schätzen. Auf Adressen aufgerufen werden, ande- Kunst engagieren und der Szene neue Open“ die 2009 erstmalig gemeinsam der Düsseldorfer Kulturdezernent der letztjährigen EXPONATEC Colog- rerseits wird in der Rubrik „Städte“ Impulse geben. Aktuelles Beispiel organisierte Saisoneröffnung der Hans-Georg Lohe. Erfreulich ist auch, ne war am mobilen Messestand von ein Überblick aller gelisteten Ein- sind Sjaak Beemsterboer und Chris- Galerien in Köln und Düsseldorf. dass auch international renommierte rheinschiene@ktuell eine deutlich träge einer Stadt ermöglicht. In der tine Rühmann, die sich in Bonn über Mit dem Serviceportal rheinschiene Galerien wie Konrad Fischer und positive Resonanz des Fachpubli- Rubrik „Service“ finden diejenigen mehrere Jahre für die Realisierung des @ktuell begleiten die verantwort- die Galerie Conrads oder die Galerie kums sowohl der Cologne Fine Art & Informationen, die professionell spannenden Projektes „Fully Booked“ lichen Kulturämter innovative Pro- Heinz Holtmann das Angebot wahr- Antiques als auch der EXPONATEC mit Kunst zu tun haben und z.B. die im ehemaligen Beethoven Hotel ein- jekte und unterstreichen ihre Rolle als nehmen. Cologne zu verzeichnen. Unterstüt- Kontaktdaten eines regionalen Kul- gesetzt haben. Motor neuer Entwicklungen. Das Interesse für Kunst und Kultur zung gefunden hat das neue Inter- turbüros benötigen. Eine Auswahl an Mit Abstand betrachtet ist das hat im Rheinland eine lange Traditi- netportal bisher durch die Kunst- und verlinkten Fachinformationen wie zu Rheinland eine Metropolregion, in der Der Verfasser ist Initiator und on. Neben international bekannten Kulturstiftung der Stadtsparkasse den neuen Onomato-Werkstipendien sich nicht nur Gäste aus dem Ausland Projektleiter des Internetportals Museen und etablierten Galerien Düsseldorf und durch NetCologne. der Stadt Düsseldorf, zu Fachmessen schon länger ganz selbstverständlich rheinschiene@ktuell findet man auf der Rheinschiene von Bonn bis Duisburg eine große Zahl von Kunstorten, Initiativen und Projekten im Bereich der Bil- denden Kunst. Die Attraktivität und Der Kampf um die Stadt Lebendigkeit dieser Kulturregion Hamburger Künstler proben den Aufstand • Von Kristin Bäßler begründet sich einerseits auf seiner 2000-jährigen Kulturgeschichte und Die Hamburger Kulturpolitik entdeckt Hamburger Wirtschaft städtebaulich seinen Kunsttraditionen, andererseits die Macht der Creative Class als zen- und damit kulturell „aufpeppen“, da- darauf, dass die Region mit ihren trales Element für die Entwicklung mit sie für Investoren und eine neue Kunstmessen, ihrer Galerienszene der kulturellen Dienstleistungsge- Mieterklientel attraktiv werden. Hat und einem quirligen Umfeld ein sellschaft. Seit der amerikanische sich ein Stadtteil etabliert, steigen international bedeutsames Zentrum Ökonom und Autor des Buches „The damit auch die Mieten und vielen der zeitgenössischen Kunst ist. In Rise of the Creative Class“, Richard Künstlern bleibt nichts anderes üb- dem von dauerhaft strahlenden Florida, erklärte, dass ohne eine rig, als sich eine neue Bleibe für ihre Leuchttürmen und oft unerwartet pulsierende Kulturszene Städte in Ateliers, Proberäume oder Clubs zu aufblitzenden Off-Räumen markier- Zukunft wirtschaftlich nicht werden suchen. ten Feld können Kunstinteressierte prosperieren können, gehen Kultur Neben der Stadtentwicklung Wil- immer wieder auf Entdeckungsrei- und Wirtschaft immer häufiger eine helmsburg wird in Hamburg derzeit se gehen. Dabei ist die freie Szene politische Ehe ein. So haben sich auch um das historische Gängeviertel Nukleus aktueller, progressiver und viele staatliche Initiativen diese in Hamburgs Innenstadt gestritten. zukunftgewandter Kulturarbeit und These zur Ankurbelung der Kultur- Ein Holländischer Investor hatte das sorgt für ständige Bewegung. Hinzu wirtschaft zu Eigen gemacht, auch, Viertel gekauft und möchte nun den kommt ein bei den Rheinländern um an einigen Standorten Künstler größten Teil der alten Bausubstanz besonders ausgeprägtes und stark und Kulturschaffende anzusiedeln, des Viertels abreißen, um neue Ge- verwurzeltes Interesse für die Ge- die ein Stadtbild vermitteln sollen, bäude entstehen zu lassen. Eine Rei- genwartskunst. Und so entstehen re- das kreativ, weltoffen und innovativ he von Hamburger Künstlern, die das gelmäßig „Bürgerinitiativen“ die auf ist. So auch die Stadt Hamburg. Der Gängeviertel derzeit quasi als „Gedul- diesem Gebiet Erstaunliches leisten Standort Hamburg wirbt um seine dete“ nutzen, fordern hingegen die und unbürokratisch, oft zusammen Creative Class, die, so die Zeit- Kernsanierung des Viertels, das sozio- mit den Künstlern, immer wieder schrift Hamburg: das Magazin aus kulturell genutzt und in Form bezahl- neue Freiräume schaffen. der Metropole, „in den kommenden barer Atelierräume Kunstschaffenden Auf der neuen Website findet Jahren zu den meistumworbenen zur Verfügung gestellt werden soll. man aber nicht nur Angebote aus Zielgruppen gehören wird“. Damit wollen sie einer „geschichts- dem Bereich der Bildenden Kunst und kulturlosen Investoren-City in für Erwachsene, sondern auch für die nd was sagt die sogenannte Stahl und Beton“ entgegenwirken, Zielgruppe Kinder und Jugendliche. U Hamburger Creative Class dazu? die nicht vom Gemeinwesen genutzt, Das jährlich im Frühjahr stattfin- „Liebe Standortpolitiker: Wir weigern sondern von der Wirtschaft benutzt dende Festival „KinderKunstKinder“ uns, über diese Stadt in Marketing- wird. Hamburg prüft derzeit, ob das in Bonn ist dafür ein gutes Beispiel: Kategorien zu sprechen. Wir wollen Gängeviertel von dem Holländischen „Es ist eine große Veranstaltergemein- weder dabei helfen, den Kiez als „bun- Investor möglicherweise zurück schaft von Kulturamt, städtischen und ten, frechen, vielseitigen Stadtteil“ zu gekauft werden kann. Was dann mit nicht-städtischen Museen und der „positionieren“, noch denken wir bei dem Viertel in Hamburgs Innenstadt freien Szene, die „KinderKunstKinder“ Hamburg an „Wasser, Weltoffenheit, geschieht, bleibt abzuwarten. Auch alljährlich unter ein spezielles Thema Internationalität“, oder was euch hier steht Kultur gegen wirtschaft- stellt, das Festival gemeinsam plant sonst noch an „Erfolgsbausteinen liche Interessen. und durchführt. Es ist denkbar das der Marke Hamburg“ einfällt.“ Wer Zeigt der Aufmarsch der Ham- Festival in den nächsten Jahren über sich hier gegen ihre Instrumentalisie- burger Künstler, dass Kultur und Bonn hinaus im Rheinland zu vernet- rung durch ein kulturwirtschaftliches Marktwirtschaft vielleicht einfach zen“, so Andreas Loesch, Abteilungs- Stadtmarketing zur Wehr setzt, sind nicht zusammenpassen? Auf der ei- Kunst im Hamburger Gängeviertel Foto: Franziska Holz leiter des Bonner Kulturamts. nicht nur die kleinen, freiberuflichen nen Seite die freie Wirtschaft, auf der Vorläufer des Kunstportals ist Kulturschaffende, sondern Künstler anderen Seite die Künstler, die zum Kultur – und dieser Prozess wird in Unternehmen. Eine Stadt ist ein Ge- die Publikation des Verfassers dieses wie Daniel Richter, Rocko Schamoni, einen nicht durch wirtschaftliche Zeiten der allgemeinen Sparmaß- meinwesen.“ Um eine Stadt als wirk- Artikels „Rheinschiene-Handbuch der Schauspieler Peter Lohmeyer, der Interessen instrumentalisiert wer- nahmen virulenter den je. Kunst lichen und nicht künstlich erzeugten zur freien Kunstszene im Rheinland“, Sänger Jan Delay oder die Bands Kett- den möchten, und sich zudem nicht und Kultur werden zunehmend auf Kulturstandort zu erhalten, bedarf es die auf der ART COLOGNE 2002 vor- car, Tocotronic und Fettes Brot. Not vorschreiben lassen möchten, wann den Prüfstand der Wirtschaftlich- einer starken Kulturpolitik, die für die gestellt wurde. Bereits hier wurde in Our Name (http://www.buback. ihre Kunst nützlich und wirtschaftlich keit und damit ihrer Nützlichkeit Rahmenbedingungen des kulturellen der Zusammenhang von Hochkultur de/nion/) heißt das von fast 5.000 profitabel ist, um dann nach Kriterien gestellt. Welche Schwierigkeiten Gemeinwesens eintritt. und freier Szene in unterschiedlichen Künstlern unterschriebene Papier, in gefördert werden, die häufig nicht die entstehen können, wenn Kunst und Statements von Fachleuten beleuchtet dem sich gegen die Vereinnahmung ihren sind. Dabei geht es nicht nur um Kultur auf rein marktwirtschaftliche Die Verfasserin ist wissenschaftliche und auch hier wurden nicht nur die der Künstler durch die Politik und die Vermarktung der Stadt und ihres Interessen stoßen, lässt sich derzeit Mitarbeiterin des Deutschen Metropolen am Rhein, sondern auch Wirtschaft zur Wehr gesetzt wird. So kreativen Potentials, sondern auch auch in Dubai beobachten: Viele der Kulturrates die anliegenden Kreise und Kommu- lehnen sich die Hamburger Künstler um prekärer werdende Arbeitsbe- Künstler scheiterten vor Ort an der nen mit ihrem Angebot im Bereich der auch dagegen auf, durch billige Mie- dingungen und Förderzuschüsse für Gewinn- und Nutzenorientierung bildenden Kunst erfasst. Aufbauend ten in Stadtteile gelockt zu werden, Künstler und Kulturschaffende. Denn vieler Investoren, weil Kultur primär ConBrio aktuell auf den gesammelten Erfahrungen um diese für Investoren interessant die Künstlerförderung, beispielswei- als Marketinginstrument der Immo- und in Abstimmung mit den Kul- zu machen. „Wie der Esel der Karotte se in Form von Mietzuschüssen, so bilienindustrie eingesetzt wird. www.conbrio.de turämtern wuchs dann schrittweise sollen bildende Künstler den Förder- kritisieren die Hamburger Künstler, Kunst und Kultur sind aber nicht die Idee für eine nichtkommerzielle töpfen und Zwischennutzungs-Ge- wird vielerorts in Abhängigkeit zu planbar oder vorhersehbar, sie sind Plattform, die als indirekte Förderung legenheiten nachlaufen – dahin, wo ihrer Relevanz für den so genannten auch nicht künstlich zu erzeugen, für die freie Kunstszene fungiert. So es Entwicklungsgebiete zu beleben, Kreativstandort gesehen. So erklären wie es vielleicht manche Kultur- und sind die bebilderten Einträge für Off- Investoren oder neue, zahlungskräf- die Künstler: „… uns ist nicht verbor- Standortpolitiker gerne hätten. Alle Räume, Kunstinitiativen, Kunstvereine tigere Bewohner anzulocken gilt. Ihr gen geblieben, dass die seit Jahren Versuche, Kultur dennoch künstlich und Künstlerprojekte kostenfrei und haltet es offensichtlich für selbst- sinkenden kulturpolitischen Förder- zu generieren, müssen vermutlich sorgen für eine sofortige Präsenz verständlich, kulturelle Ressourcen mittel für freie künstlerische Arbeit scheitern. Vielmehr braucht es die Rhythmus! Studien und neuer Ausstellungsräume. Auch von „bewusst für die Stadtentwicklung“ heutzutage auch noch zunehmend kleinen Theater, die soziokulturellen Materialien Galerien, die sich neu im Rheinland und „für das Stadt-Image“ einzuset- nach standortpolitischen Kriterien Zentren und eben die freien Künstler zur musikpädagogischen ansiedeln wird die kostenfreie Aufnah- zen. Kultur soll zum Ornament einer vergeben werden.“ in den Stadtteilen, um genau das Ge- Arbeit über und mit Rhythmen me in die alphabetische Listung gerne Art Turbo-Gentrifizierung werden….“ Die Debatte, die sich derzeit in meinwesen einer Stadt zu bewahren, Paperback, 124 Seiten, Mit CD genutzt. Nach einer Pressekonferenz Stadtteile wie das Hamburger Arbei- Hamburg vollzieht, ist ein seit eini- das die Hamburger Künstler in ihrem CB 1202, ISBN, in Düsseldorf und Köln im Oktober terviertel Willhelmsburg werden der- gen Jahren zu bemerkender Prozess Papier anmahnen: „Eine Stadt ist € 14,80 2008 wurde das Portal in den Kul- zeit vom Hamburger Senat und der der Ökonomisierung von Kunst und keine Marke. Eine Stadt ist auch kein Kulturelles Leben politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 22

Die Marsmenschen und wir 1910 starb Kurd Laßwitz, einer der Urväter der Marsmenschen • Von Georg Ruppelt In der zweiten Hälfte des 19. Jahr- Der Roman „Auf zwei Planeten“ entscheidenden Durchbruch ihrer hunderts hatte der Mars Konjunktur. wird eröffnet mit der Ballonfahrt technischen Zivilisation durch die Das Interesse der Weltöffentlichkeit dreier deutscher Gelehrter, die den Beherrschung der Gravitation er- an unserem nach dem römischen Nordpol erforschen wollen. Eine un- langt. Auch der Alltag der Martier wird Kriegsgott benannten Nachbar- erklärliche Sogkraft reißt den Ballon auf ihrem Brückenkopf auf der Erde planeten war vor allem ausgelöst an die Grenze der Atmosphäre und wie auf dem Mars selbst durch fort- worden durch die Entdeckungen des lässt ihn dann auf eine künstlich ge- geschrittene Technologie bestimmt. amerikanischen Astronomen Hal und schaffene Insel direkt über dem Nord- Es gibt vollautomatische Küchen des italienischen Astronomen Schi- pol abstürzen. Dieser Vorgang wird und Badezimmer. In hochbelastbare aparelli im Jahre 1877 – ein Jahr, in beobachtet von einem Ort, „der sich Kunststoffe sticheln die Martierinnen dem die Entfernung zum Mars relativ bereits außerhalb der Erdatmosphä- feinste Muster. gering war. Hal entdeckte die bereits re“ befindet. Es ist eine Raumstation Die „Umweltverschmutzung“ von Kepler 1610 rein rechnerisch und damit wohl die erste Raumstati- auf der Erde ist den Martiern oder ermittelten Marsmonde und nannte on der Literatur. Interessanterweise „Nume“ wie sie sich selbst nennen, sie nach den Begleitern des Kriegs- hat sie die Form eines Speichenrades unbegreiflich: „‘Woher kommen die- gottes Mars Deimos und Phobos und entspricht damit der später von se Nebel über ihren großen Städten?’ – Schrecken und Furcht. Wernher von Braun und seinem Team fragte einer der Martier. ‘Hauptsäch- projektierten Station: lich von der Verbrennung der Kohle’, eitaus folgenreicher waren die Die beiden Personen, die von dort erwiderte Grunthe. ‘Aber warum neh- W Beobachtungen Schiaparellis, in der Weltraumstation die Polarfor- men sie die Energie nicht direkt von des damaligen Leiters der Mailänder scher beobachten, sind Bewohner Sonnenstrahlung? Sie leben ja vom Sternwarte. Er entdeckte ein Netz des Mars, „Martier“, wie Laßwitz sie Kapital, statt von den Zinsen.’“ feiner Linien auf der Marsoberfläche nennt. Die Expeditionsteilnehmer Hauptverkehrsmittel der Mar- und bezeichnete sie als „Canali“, dem und später auch die Menschheit tier sind Gleit- und Radbahnen, italienischen Wort für „Rillen“, was in lernen eine Zivilisation kennen, die angetrieben von Elektromotoren, anderen europäischen Sprachen mit technisch und vor allem moralisch die sich aus gespeicherter Sonnen- dem Wort für künstliche Wasserstra- den Bewohnern der Erde weit vor- energie speisen. Die Gleitbahnen, ßen, nämlich Kanäle, übersetzt wur- aus ist. vor allem zum Lastentransport be- de. Aus seiner Entdeckung folgerte stimmt, rasen auf Kufen dahin, die man, dass intelligente Lebewesen die Der Mars – Wunderwelt wiederum zwischen sich und dem Marsoberfläche für ihre Bedürfnisse entsprechenden Schienenstrang verändert hätten. Der Mars-Enthu- der Technik auf einer dünnen Wasserschicht zur siast Percival Lowell leitete aus den In einer Zeit, in der zwar grundle- Minderung der Reibung dahingleiten. angeblichen „Kanälen“ – wir wissen gende Erfindungen gemacht werden, Für den Personentransport werden heute, dass es sich um optische Täu- von umfassendem Auto-, Luft- oder vor allem die Radbahnen genutzt, schungen handelt – das Bild einer Funkverkehr aber noch nicht die bei denen es möglich ist, einzelne Zivilisation auf dem Mars ab. Rede sein kann, erzählt Laßwitz von Module für den individuellen Reise- interplanetaren Reisen und anderen verkehr zu nutzen. Diese erreichen Zwei Invasionen vom technischen Wunderwerken. Die eine maximale Geschwindigkeit von Martier haben über dem Nordpol 400 Stundenkilometern. Die Martier Mars 1897 nicht nur eine Raumstation mit leben in riesigen Häusern über den Im Jahr 1897 landen in der Literatur Shuttledienst („Zum Raumschiff nach Kanälen. Ein Fünftel der Fläche in erstmalig Marsbewohner auf der dem Mars“ steht an einer Tür der „Au- den überbauten Gebieten ist im üb- Erde. Die Romane von Kurd Laßwitz ßenstation Erde“) fixiert, sondern auf rigen als Naturpark ausgewiesen. Die Ausgabe: Leipzig: Fischer, 1905, 7.-8. Tausend „Auf zwei Planeten“ und Herbert der Erde auch eine künstliche Insel Mehrheit lebt jedoch auf dem Lande George Wells „The War of the Worlds“ geschaffen. Maschinen werden mit in kleinen transportablen Häusern, „Wir haben genaue Informationen erhaltung der staatlichen Ordnung etablieren damit eines der häufigsten Sonnenenergie betrieben. Nachrich- die problemlos und ohne dass die über die Verhältnisse auf der Erde zugelassen ist. Motive in der Science Fiction. ten werden per Licht transferiert: „Sie Bewohner sie verlassen müssen, eingezogen. Sie sind geradezu haar- Das Zusammenleben der Martier Der Roman von Laßwitz, zwei- telegraphierten nicht nur, sie telepho- auf dem Luftwege an andere Orte sträubend. Von Gerechtigkeit, Ehr- und der Menschen, die von den bändig in Weimar bei Felber erschie- nierten vermöge des Lichtstrahls.“ Sie gebracht und dort angeschlossen lichkeit, Freiheit haben diese Men- technischen Möglichkeiten, etwa nen, erlebte bis 1930 zahlreiche kennen auch eine Art Telefax, das die werden können. Automaten, die schen keine Ahnung. Sie zerfallen in Nahrung ohne den Umweg über Neuausgaben. Der Roman von Wells elektromagnetischen Schwingungen äußerlich den Martiern gleichen, wir eine Menge von Einzelstaaten, die Pflanze und Tier herzustellen, pro- aber wurde Vorbild für eine Fülle Ali- in lesbare photochemische umsetzt. würden sie Androiden nennen, erle- untereinander mit allen Mitteln um fitieren, gestaltet sich zunehmend en-Invasions-Romanen und -Filmen, Fotokopierer in Handtaschenformat digen z. B. Pförtnerpflichten. die Macht kämpfen. Darunter leidet als schwierig. Die Stimmung wird zuletzt 2005. Während Laßwitz heute trägt jeder bei sich. die wirtschaftliche Kraft dermaßen, auf beiden Seiten aggressiv, zumal nur noch einer kleinen Schar von „Bücher gehören bei den Mar- Marsianer – die besseren daß viele Millionen im bedrückends- die Martier unter den Bedingungen Literaturfreunden bekannt ist, steht tiern zur unentbehrlichen Ausstat- ten Elend leben müssen und die der größeren Gravitation, die sie der Name Wells nach wie vor hoch tung jedes Zimmers, eher würde man Menschen Ruhe nur durch rohe Gewalt auf- nur bedingt ausgleichen können, im Kurs. So sind etwa im Radio ge- die Fenster entbehren als die Bibli- Augenfälliger noch als die technische rechterhalten werden kann. Nichts und vor allem unter dem feuchten legentlich Melodien aus dem gleich- othek.“ Auf dem Mars existiert eine Überlegenheit der Martier ist aber desto weniger überbieten sich die Klima zunehmend leiden. Sie selbst namigen Musical von Jeff Wayne aus offizielle Lesepflicht: „jeder Martier ihre ethische. Sie leben, vereinfacht Menschen in Schmeichelei und Un- infizieren die Erdmenschen mit Ba- dem Jahre 1978 zu hören – für viele war verpflichtet, bei Verlust seines gesagt, streng nach den kantischen terwürfigkeit gegen die Machthaber. zillen – allerdings im Vergleich zu den eine der besten Adaptionen moder- Wahlrechts, aus zwei Blättern, von Prinzipien in der Auslegung von Kurd Jede Bevölkerungsklasse hetzt gegen Infektionen, die sich die Marsianer ner Literatur durch Musik. denen eines ein oppositionelles sein Laßwitz. Die hochentwickelte Ethik die andere und sucht sie zu über- bei Wells ausgesetzt sehen, mit relativ mußte, täglich über die wichtigsten der Martier, die sich ganz konkret vorteilen. Wer sich mit der Wahrheit harmlosen Folgen. „Auf zwei Planeten“ politischen und technischen Neuig- auf die gesellschaftliche wie indivi- hervorwagt, wird von Staats wegen keiten sich zu unterrichten.“ duelle Lebenspraxis auswirkt, führt verurteilt oder von seinen Standesge- Friede auf Erden Kurd Laßwitz wurde am 20. April 1848 schließlich zum Konflikt zwischen nossen geächtet. Heuchelei ist überall in Breslau geboren und starb am 17. Umweltschonende den beiden benachbarten Planeten. selbstverständlich. Die Strafen sind Die von den Martiern zwar gut ge- Oktober 1910. Er studierte Mathe- Durch ein Missverständnis zwischen barbarisch, Freiheitsberaubung gilt meinte, aber für die Menschen schwer matik und Physik und unterrichtete Technik der englischen Kriegsmarine (das noch mild. Morde kommen alle Tage erträgliche Unterdrückung führt als Gymnasiallehrer in Breslau und Die Martier haben das Zeitalter des englische Militär wie Großbritan- vor, Diebstähle alle Stunden. Gegen zu einer Solidarisierung der Völker. Gotha. Zu seinen Schülern gehörte Dampfes und der Elektrizität seit nien als Kolonialmacht werden in die sogenannten unzivilisierten Einem Geheimbund unter Führung Hans Dominik. langem hinter sich gelassen und den Laßwitz’ Roman recht kräftig kri- Völker scheut man sich nicht, nach Amerikas gelingt es schließlich, durch tisiert) und einem martianischen Belieben Massengemetzel in Scene zu eine militärische List die Martier Luftschiff kommt es zu einer mili- setzen. ... Und diese Bande sollen wir vernichtend zu schlagen. Auf dem tärischen Auseinandersetzung. Die als Vernunftwesen anerkennen?“ Mars setzt sich die Philobaten-Partei KULTURELLE BILDUNG IN DER BILDUNGSREFORMDISKUSSION Martier sehen sich gezwungen, ihre mit überwältigender Mehrheit durch, KULTURELLE BILDUNG IN DER überlegene Waffentechnik sprechen Die Erde – eine Kolonie und die Völker von Mars und Erde KonzeptionBILDUNGSREFORMDISKUSSION Kulturelle Bildung –III zu lassen und die Erde zu unterwer- schließen am Ende des Romans einen Konzeption Kulturelle Bildung III fen. Dies entzweit allerdings auch Die großen europäischen Nationen Friedensvertrag; auch die privaten die Martier untereinander, die sich erleben nun durch die Martier das, Konflikte zwischen den Helden des in die „Philobaten“ (Freunde der was Millionen Menschen in Asien, Romans werden gelöst. Die Martier Hrsg. vom Erde) und die „Antibaten“ (Gegner) Afrika und Amerika durch die Euro- finden zu ihren früheren Positionen Deutschen Kulturrat aufspalten. Für Letztere stehen die päer erlebt haben. Kennzeichnend zurück und erkennen die Eigenstän- KULTURELLE BILDUNG Max Fuchs, IN DER Menschen auf einer barbarischen dafür ist der Ausruf eines irdischen digkeit der Erde an. Auf der Erde aber Gabriele Schulz undHg. v. Deutschen Kulturrat BILDUNGSREFORMDISKUSSION Kulturstufe, zwar noch über den Helden des Romans: „Wir sind ja sind die Völker in dem Bewusstsein Max Fuchs Olaf ZimmermannGabriele Schulz Konzeption Kulturelle Bildung III Tieren, aber weit unterhalb der doch arme Rothäute!“ Nach einem geeint, dass sie zusammengehören Olaf Zimmermann Entwicklungsstufe der Nume. Die für die Erde verheerenden Krieg und für die gesamte Erde zu handeln 480 Seiten, 22,80480 Euro Seiten, 22,80 Euro starre und uneinsichtige Haltung – die gesamte englische Flotte wird haben. Die Einwirkung der Martier Bestelladresse: der führenden englischen Nation vernichtet, die englischen Kolonien hat „das Bewusstsein der gemein- Deutscher Kulturrat, Hrsg. vom Deutschen Kulturrat verschärft den Konflikt. Die gesamte befreit und von den Martiern als sou- samen Würde“ geweckt, unter dem Bestelladresse: Max Fuchs Gabriele Schulz Erde wird zu einer Kolonie der Mar- veräne Staaten anerkannt – errichten Motto „Friede sei auf Erden, damit die Chausseestraße 103,,Deutscher Kulturrat, Olaf Zimmermann 10115 Berlin, Chausseestraße 103, tier. Die Menschen, so die martische die Martier auf der gesamten Erde Erde den Menschen gehöre!“ 10115 Berlin Politik, seien ausdrücklich als unfrei Protektorate. Die Menschen müssen Fax: 030/24 72 12Fax: 45, 030/24 72 12 45, zu bezeichnen und müssten beauf- Umerziehungskurse absolvieren, Der Verfasser ist Vizepräsident des E-Mail: [email protected]: [email protected] sichtigt und erzogen werden. Aus Kasernen werden als Fortbildungs- Deutschen Kulturrates und Direktor der Sicht der Martier stellt sich die schulen eingerichtet, da nur noch ein der Gottfried Wilhelm Leibniz Erde so dar: Minimum an Militär zur Aufrecht- Bibliothek Hannover Kulturwirtschaft politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 23

Resolution des Deutschen Kulturrates zur Spitzengespräch Sprecherrat des Deutschen Kulturrates trifft neue Fortsetzung der „Initiative Kultur- und Kulturausschussvorsitzende m 9. Dezember traf der Sprecher- bildung in Deutschland gesehen wer- Kreativwirtschaft der Bundesregierung“ A rat in seiner letzten Sitzung des den und nicht als Klientelpolitik. Jahres 2009 die neu gewählte Vor- Als wichtige Themen für diese Berlin, den 09.12.2009. Der Deut- dass sich nicht alle Kulturbereiche glei- oben genannten Stellungnahme und sitzende des Ausschusses für Kultur Wahlperiode würdigte sie die Frage sche Kulturrat, der Spitzenverband der chermaßen unter marktwirtschaftlichen weiteren Stellungnahmen zu fach- und Medien Prof. Monika Grütters, der Kulturfinanzierung und Digita- Bundeskulturverbände, begrüßt, dass Bedingungen behaupten können. Auch spezifischen Fragen beispielsweise MdB. Monika Grütters stellte wich- lisierung. Hinsichtlich der Kulturfi- die Bundesregierung plant, die „Ini- das begrüßenswerte Bemühen um die zum Steuerrecht oder auch zum tige Themen des Ausschusses für die nanzierung sieht sie die Erhaltung tiative Kultur- und Kreativwirtschaft“ Stärkung der Kulturwirtschaft kann staat- Urheberrecht beschrieben. Gerade 17. Wahlperiode vor. Sie unterstrich, der Einrichtungen vor Ort. Zugleich fortzusetzen. liche und andere Institutionen nicht von dem Schutz des geistigen Eigentums dass die Kulturpolitik mehr sein darf der Bund nicht zum Ausfallbür- ihrer Verpflichtung zur Kulturförderung kommt im Zeitalter der Digitalisierung müsse als die Gestaltung von Rah- gen kommunaler Aufgaben gemacht Die „Initiative Kultur- und Kreativwirt- entbinden. eine herausragende Bedeutung zu. menbedingungen. Ihr geht es auch werden. Vor allem dürfen mögliche schaft der Bundesregierung“ hat einen Weiter hat sich der Deutsche Kulturrat um den gesamtpolitischen Diskurs, Finanzhilfen des Bundes nicht zu wichtigen Beitrag zur bundesweiten Der Deutsche Kulturrat hat in seiner intensiv in den Prozess zur Erarbei- denn Deutschland war lange vor der Kürzungen in den kommunalen Wertschätzung gegenüber der Kul- oben genannten Stellungnahme erneut tung der UNESCO-Konvention zum politischen Nation eine Kulturnation. Haushalten führen. tur- und Kreativwirtschaft geleistet. betont, dass die Kulturwirtschaft ein Schutz und zur Förderung kultureller Daran immer auch zu erinnern, ist für Mit Blick auf die Digitalisierung Sowohl das wirtschaftliche Potenzial Teil der kulturellen Infrastruktur ist. Das Ausdrucksformen eingebracht und sie eine wichtige Aufgabe. In diesen fordert Grütters neben dem besseren als auch die Beschäftigungswirkung kulturelle Leben oder auch die kulturelle am Weißbuch zur Umsetzung der Kon- Kontext stellt sie die Forderung nach Schutz des geistigen Eigentums auch dieses Bereiches wurden durch die Infrastruktur wird durch die Künstler, die vention mitgewirkt. Eine wesentliche dem Staatsziel Kultur. Es muss im die notwendige gesellschaftliche „Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft Kultureinrichtungen, die Kulturvereine, Zielrichtung dieser Konvention ist die Zusammenhang mit der besonderen Debatte zu den Auswirkungen der der Bundesregierung“ erstmals bun- die Kulturwirtschaft und nicht zuletzt die Sicherung der Rahmenbedingungen Bedeutung der Kultur für die Staats- Digitalisierung. desweit ermittelt und der Öffentlichkeit kulturelle Öffentlichkeit geprägt. für die Kulturwirtschaft, um gerade hier zugänglich gemacht. zur kulturellen Vielfalt einen Beitrag zu Der Deutsche Kulturrat bietet der Initi- leisten. Der Deutsche Kulturrat fordert Der Deutsche Kulturrat hat in seiner ative Kultur- und Kreativwirtschaft der die „Initiative Kultur- und Kreativwirt- Stellungnahme „Kultur- und Kreativwirt- Bundesregierung seine Mitwirkung und schaft der Bundesregierung“ zu einem schaft: Zukunftsweisendes Handlungs- Unterstützung an. Die im Deutschen Dialog zu diesen Fragen auf. feld im Schnittpunkt verschiedener Kulturrat zusammengeschlossenen Politikfelder“ vom 10.12.2008 unter- Bundesverbände der unterschiedlichen Die Bedeutung der Kultur- und Kre- strichen, dass Kulturgüter besondere künstlerischen Sparten und Bereiche ativwirtschaft für die Entwicklung der Güter sind. Im Kulturmarkt werden kul- des kulturellen Lebens kennen die Wissensgesellschaft und Bildungs- turelle Werte produziert, die zu ökono- Probleme der Kulturwirtschaft und sind landschaft Deutschland sollte nach mischen Werten werden können. Er hat kompetente Ansprechpartner. Der Deut- Auffassung des Deutschen Kulturrates deutlich gemacht, dass der Kulturmarkt sche Kulturrat kann die gemeinsamen, im Rahmen der Initiative Kultur- und anders als andere Märkte funktioniert. von allen getragenen Vorschläge zur Kreativwirtschaft stärker herausge- Ein besonderes Kennzeichen des Kul- Verbesserung der Rahmenbedingungen stellt werden. Hierzu gehört auch eine turmarktes ist, dass er sich teilweise für die Kulturwirtschaft vermitteln. Dabei Evaluation des Bologna-Prozesses der eben nicht an den Marktgegebenheiten fordert der Deutsche Kulturrat keine zur Verschlechterung der Marktbedin- orientiert, sondern Kulturgüter anderen Sonderbehandlung für die Kultur- und gungen für die Absolventen künstleri- Gesetzmäßigkeiten gehorchen. Ohne Kreativwirtschaft sondern faire und an- scher, künstlerisch-technischer und die Investition in künstlerische Arbeiten, gemessene Marktbedingungen. geisteswissenschaftlicher Studiengän- die heute zwar noch keinen Marktwert ge geführt hat. Als wesentlich erachtet haben, ihn morgen aber erhalten Die wesentlichen Herausforderungen der Deutsche Kulturrat faire Marktbe- können, würde die Kulturwirtschaft Digitalisierung, Globalisierung der dingungen in der Kultur- und Kreativ- Schaden nehmen und das kulturelle Märkte, Wechselwirkung zwischen wirtschaft. Hier muss auf allen Ebenen Leben sich im etablierten Kanon er- Kulturwirtschaft und öffentlichem Kul- (Bund, Länder und Kommunen) die Der Präsident des Deutschen Kulturrates Prof. Dr. Max Fuchs, die Vorsitzende schöpfen. Der Deutsche Kulturrat weist turbetrieb sowie Arbeitsmarkt Kultur öffentliche Hand als Auftraggeber mit des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien Prof. Monika Grütters und in diesem Zusammenhang darauf hin, hat der Deutsche Kulturrat in seiner gutem Beispiel vorangehen. der Stellvertretende Präsident des Deutschen Kulturrates Christian Höppner bei der Sprecherratssitzung des Deutschen Kulturrates. Foto: Marius Digel

Streitfall Computerspiele Die Kirchen Kulturpolitik der Parteien Computerspiele zwischen kultureller Bildung, die unbekannte kulturpolitische Macht Visionen, Programmatik, Geschichte, Differenzen Kunstfreiheit und Jugendschutz

Sind Computerspiele „Kulturgüter“ oder handelt es Spielen die Kirchen überhaupt eine Gibt es Unterschiede in der kulturpolitischen Pro- sich um „Schund“? Sollten Computerspiele strenger Rolle in der Kulturpolitik oder haben grammatik der Parteien? Sind sich Kulturpolitiker kontrolliert werden oder reichen die bestehenden sich Kultur und Kirche voneinander immer einig? Ist Kulturpolitik eigentlich unpolitisch Jugendschutzbestimmungen aus? Sollten qualitativ entfernt? Sind die Kirchen noch wichtige oder doch hochpolitisch, weil es um Fragen des hochwertige Computerspiele von der öffentlichen Auftraggeber für Künstler oder wurden Zusammenlebens geht? Welche Rolle spielen die Hand gefördert werden oder soll es der Markt sie von Akteuren insbesondere dem Markt Künste in der Kulturpolitik der Parteien? Welche richten? Wie soll der neue Deutsche Computerspie- längst abgelöst? Vermitteln die Kirchen Ideen entwickeln die Parteien für eine zukunftsfä- lepreis aussehen? Mit diesen Fragen wurde sich Kunst und Kultur? Ist Kultur in der Kirche hige Kulturpolitik? Auf welchem Fundament beruht in verschiedenen Ausgaben von politik und kultur selbstbezüglich oder auf die Gesellschaft die Kulturpolitik der Parteien? Mit diesen Fragen befasst. Im Band „Aus politik und kultur 1“ Streitfall orientiert. Markus Lüpertz sagt in dem befassen sich die Beiträge in diesem Buch. Computerspiele werden die wichtigsten Beiträge Buch, dass Künstler den Engeln sehr nahe sind noch einmal zusammengefasst veröffentlicht. und stellt damit eine enge Verbindung zwischen Kunst und Kirche her. Trifft dieses auch auf an- dere Künste zu? Mit diesen und weiteren Fragen Autoren des Buches sind u.a.: Frank-Walter Stein- Autoren des Buches sind u.a.: Günther Beckstein, befassen sich die Beiträge in dem vorliegenden meier, Kurt Beck, , Wolfgang Max Fuchs, Wilfried Kaminski, Armin Laschet, Sammelband. Gerhardt, Christian Wulff, Bernd Neumann, Claudia Christian Pfeiffer, Klaus Spieler, Olaf Wolters, Roth, Uschi Eid, , , Wolfgang Zacharias und Olaf Zimmermann Erwin Huber, Thomas Goppel, Olaf Zimmermann. Autoren des Buches sind u.a.: Petra Bahr, Karl Lehmann, Wolfgang Huber, Max Fuchs, Katrin Kulturpolitik der Parteien: Visionen, Program- Streitfall Computerspiele: Göring-Eckardt, Thomas Sternberg, Christhard- matik, Geschichte, Differenzen. Hg. v. Olaf Computerspiele zwischen Georg Neubert und Olaf Zimmermann Zimmermann und Theo Geißler. 1. Auflage, kultureller Bildung, Kunst- 166 Seiten, E 12,90 zzgl. Versand, freiheit und Jugendschutz. Die Kirchen, die unbekannte kulturpolitische ISBN 978-3-934868-17-5 Hg. v. Olaf Zimmermann Macht. Hg. v. Olaf Zimmermann und Theo und Theo Geißler. 2. erwei- Geißler. 1. Auflage, 108 Seiten, E 9,- zzgl. terte Auflage, 140 Seiten, Versand, ISBN 978-3-934868-14-4 E 9,- zzgl. Versand, ISBN 987-3-934868-15-1

Bestelladresse: Deutscher Kulturrat, Fax: 030/24 72 12 45 j i oder www.kulturrat.de/shop.php das letzte politik und kultur · Jan. – Feb. 2010 · Seite 24

Zeichnung: Dieko Müller Kurz-Schluss Impressum Wie ich einmal meine geistige Leistungsfähigkeit kulinarisch steigern wollte b Sie es glauben oder nicht: Ich Russisch-Brot, der liegt völlig schief. leisten können? Dass es ihn auf Rezept O bin ein ziemlich begabter Koch. Denn, so „All4Business“: „Es handelt gibt, dürfte angesichts des Zustandes Meine Spezialitäten sind: Krusten- sich um Präparate, die vor allem von unseres Gesundheitssystems eher Schweinebraten, Hasenläufe am älteren Menschen aufgrund nachlas- unwahrscheinlich sein. Dennoch: Zeitung des Deutschen Kulturrats Barolo-Saucen-Spiegel oder eben sender Gedächtnisleistung konsu- Der Übergang vom Homo Sapiens die Weihnachtsgans im Boskop-Bett. miert werden. Dass auch in jüngeren zum Homo Pharmacologicus? Dann Deutscher Kulturrat e.V. Jetzt ist es mir in zwei aufeinanderfol- Zielgruppen ein starker Wunsch zum fällt mir ein, dass es ganz traditionelle Bundesgeschäftsstelle genden Jahren passiert, dass ich vor „Brain Doping“ besteht, kann man Formen von „Neuro-Enhancing“ Chausseestraße 103, 10115 Berlin dem Braten die Plastiktüte mit Gurgel anhand der Nutzung von „Neuro-En- eigentlich schon ziemlich lange gibt: Tel: 030/24 72 80 14, Fax: 030/24 72 12 45 und Innereien im geschmacksopti- hancern“ verdeutlichen. In den Ver- Schließlich schlabberten die Kanni- Internet: www.kulturrat.de, E-Mail: [email protected] miert-lebend gerupften Federvieh einigten Staaten dopen sich bereits balen zumindest unbewusst zwecks Herausgeber vergaß. Das führte – neben massiver heute 25 Prozent der College-Prüf- Optimierung ihrer Denkfähigkeit Olaf Zimmermann und Theo Geißler Verpestung der Küchenluft zu sehr linge regelmäßig pharmakologisch. bevorzugt die Gehirne ihrer gemet- Redaktion frugalen Festmenus wie „Miracoli Möglicherweise entsteht hier für die zelten Feinde. Und schaut man sich Olaf Zimmermann (Chefredakteur v.i.S.d.P), Gabriele Schulz (Stv. Chefredak- satt“ und zu entsprechend mieser Foodbranche ein Super-Supermarkt. die heutige Weltwirtschafts-Ordnung teurin), Kristin Bäßler, Barbara Haack, Andreas Kolb Stimmung im Haus. Nun bin ich Mit Nahrungsmitteln, die uns nicht an, scheints ja doch gefruchtet zu Redaktionsassistenz bekanntlich jemand, bei dem Selbst- nur satt, sondern auch unser Hirn haben. Marius Digel kritik nicht gerade im Zentrum der leistungsfähiger machen. Das wäre Also weg mit den Skrupeln, den Aufmerksamkeit steht. Aber nach dann eine Unterart des sogenannten Vorurteilen. Trend des Jahres 2009 Anzeigenredaktion Martina Wagner, Tel: 0941/945 93 35, Fax: 0941/945 93 50 dem jüngsten Gänse-Fiasko (die „Functional Food“, von dem einige ist laut „All4Business“ „Open Inno- E-Mail: [email protected] Backröhre des Küchenofens ist nach Experten sagen, dass es schon 2015 vation“ – freies Denken, losgelöst dem Platzen des Tierkörpers kom- bis zu 50% unserer Lebensmittel von überkommenen Moralbegriffen Verlag plett plastifiziert) kam ich doch ins umfassen wird.“ und Wertvorstellungen. Wer will sich ConBrio Verlagsgesellschaft mbH Brunnstraße 23, 93053 Regensburg, E-Mail: [email protected] Grübeln: Wann beginnt Demenz, Moralinsauer, wie ich nun mal solchen Entwicklungen in den Weg woran lässt sie sich festmachen, ist auch bin, werte ich das Ganze zu- stellen? Schließlich handelt es sich Herstellung sie identisch mit Verkalkung? Oder nächst oberflächlich als weitere Be- quasi um die Realisierung des „Nürn- Petra Pfaffenheuser, ConBrio Verlagsgesellschaft handelt es sich doch nur um ein ton-Wegmarken in die Zwei- oder berger-Trichter-Prinzips“: Lernen Druck Stress- und Erschöpfungs-Syndrom, Dreiklassen-Gesellschaft. Werden sich ohne zu leiden, Intelligenz-Maxi- Gießener Anzeiger Verlags GmbH und Co KG, Gießen (für dessen Auftreten meine Biografie Hutus, Tutzis, Aborigines oder Hartz- mierung anstrengungsfrei, Mental- Erscheinungsweise freilich keine Gründe liefert)? IV-Empfänger solchen Edel-Fraß Wellness statt Grübelei und leistungs- 6 Ausgaben im Jahr Da entsann ich mich der Newslet- mindernden Selbstzweifeln. Das Preis/Abonnement ter und Kursangebote eines halbwegs wird funktionieren, wenn man den 3,00 Euro, im Abonnement 18,00 Euro, inkl. Porto im Jahr renommierten, wegen seiner kühnen Begriff „Leistung“ der Vorstellungs- Prognosen aber auch umstrittenen welt unserer Regierungskoalition Aboverwaltung/Bestellmöglichkeit: Kultur-Zukunfts-Forschungsinstitu- anpasst. Ökonomischer Erfolg statt Deutscher Kulturrat e.V., Chausseestraße 103, 10115 Berlin, Fax: 030/24 72 12 45, E-Mail: [email protected] tes. Es wird prophezeit, man könne Philosophen-Gebrabbel, Innovation künftig die Wandfarbe seines Wohn- dank Spekulation (natürlich an der puk ist im Abonnement, in Bahnhofsbuchhandlungen, großen Kiosken zimmers rein gedanklich steuern Börse). Und statt des blöden Weih- sowie an Flughäfen erhältlich. und wechseln, elektronische Geräte nachts- kommt der gute Ackermann. Alle Ausgaben von politik und kultur können von der Homepage des Deutschen neuronal programmieren, den Kühl- Kindergärten, Schulen, Unis, – alles Kulturrates (http://www.kulturrat.de) heruntergeladen werden. schrank via Gehirnstrom-Kommu- überflüssig. Die systemrelevanten Ebenso kann der kostenlose Newsletter des Deutschen Kulturrates nikation füllen lassen und noch viel Informationen liefern Google und (2-3mal die Woche) unter http://www.kulturrat.de abonniert werden. Schlaraffiges mehr. Voraussetzung die angeschlossenen Ministerien per Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Fotos übernehmen wir keine dafür sei freilich ein bestens trai- Internet direkt auf die biologischen Haftung. Alle veröffentlichten Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Na- niertes Gehirn – und auch ein optimal Mega-Festplatten unter unseren Schä- mentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des genährtes. Deshalb wäre „Brain- deldecken. Und meine polnische Tief- Deutschen Kulturrates e.V. wieder. Food“ der künftige Umsatz-Bringer, kühlgans ruft mir auf dem Weg in die politik und kultur bemüht sich intensiv um die Nennung der Bildautoren. Nicht der Future-Mega-Trend – so das Bratröhre via Brain-Connection-Chip in allen Fällen gelingt es uns, die Bildautoren ausfindig zu machen. Wir freuen „All4Business-Culture-Institut“. zu: „Bitte Eingeweide entfernen, bitte uns daher über jeden Hinweis und werden nicht aufgeführte Bildautoren in der Wer nun – wie anfangs auch ich Eingeweide…“ – und ich bin gerettet. nächsten erreichbaren Ausgabe von politik und kultur nennen. – naiv glaubt, es handle sich dabei Theo Geißler, Herausgeber von Brave New World – und frohe Weih- Gefördert aus Mitteln des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und zum Beispiel um Nudel-Buchstaben- politik und kultur und Moderator von nachten gehabt zu haben wünscht Medien auf Beschluss des Deutschen Bundestages Suppe oder entsprechend geformtes „taktlos“ Foto: C. Oswald Ihr Theo Geißler