DEN RÖMERN AUF DER SPUR Den Römern auf der Spur | Einleitung

OBWOHL EUER REICH SO GROSS UND UMFASSEND IST, IST ES DOCH WEIT GRÖSSER DURCH SEINE VOLLENDETE ORDNUNG ALS DIE AUSDEHNUNG SEINES GEBIETS *

15 EINLEITUNG von Kathrin Jaschke

Geschäftsreisen, Urlaubsreisen, Pilgerreisen, Bil- ihrem Gepäck auf dem Rücken zurücklegen muss- dungsreisen kennt heutzutage jeder. Wenn auch ten, konnten letztere den kaiserlichen Postdienst, bei den Römern längst nicht jeder reiste, waren den cursus publicus, nutzen. einige Bevölkerungsgruppen doch erstaunlich oft Die Gründe, zu einer Reise aufzubrechen, waren in und lange unterwegs. Das Römische Reich er- römischer Zeit ähnlich vielfältig wie heute: Händler streckte sich von Britannien im Norden bis nach und Handwerker suchten in der Ferne ihr beruli- Ägypten im Süden, von der Iberischen Halbinsel ches Glück oder neue Absatzmärkte. Staatsbeamte im Westen bis nach Armenien und Jordanien im und Oiziere reisten zu ihren Einsatzorten, Privat- Osten Abb. 3 (s. S. 16). Das gut ausgebaute Straßen- leute besuchten Verwandte, Badeorte oder Sehens- netz sowie eine einheitliche Sprache und Währung würdigkeiten. Schon damals lag den Menschen das erleichterten das Reisen und so wird das Maß an Reisen ofenbar im Blut, beschrieb Plinius der Äl- Mobilität ähnlich hoch eingeschätzt wie in unserer tere die menschliche Natur doch als „reiselus- heutigen Zeit. tig und nach Neuem begierig“ (Plinius, Naturalis Besonders oft waren die Soldaten und die Beamten historia XVII, 66). Sein ENefe Plinius der Jüngere unterwegs. Truppenverlegungen von der Donau an (* 61/62, † um 113 oder 115 n. Chr.) unterstellt den den Euphrat oder nach Britannien waren keine Sel- Menschen ein reges Interesse am weit Entfernten tenheit und Verwaltungsbeamte lernten im Laufe (Plinius, Epistulae 8,20): ihrer Karriere oftmals das gesamte Imperium ken- „Wir haben von sehr vielen Sehenswürdigkeiten nen. Während erstere die Wege zu Fuß und mit in unserer eigenen Stadt und in ihrer Umgebung * Aelius Aristides, Orationes 29 Den Römern auf der Spur | Einleitung Den Römern auf der Spur | Einleitung

3 Das Straßennetz im Römi- weder etwas gesehen noch auch nur gehört, was Krieg wurde nur gegen Völker außerhalb seiner schen Reich mit den wir, wenn es in Achaia, Ägypten, Asien oder sonst Grenzen geführt. wichtigsten Verbindungen einem beliebigen, an Wundern reichen und Reklame Der Redner Aelius Aristides (* 117, † 181 n. Chr.) be- und Städten, 2. Jh. n. Chr. versierten Land läge, längst gehört, gelesen, besich- tont um 140 n. Chr. die umfassenden Möglichkeiten tigt hätten.“ des Reisens als einen der größten Triumphe Roms (Aelius Aristides, Orationes 29; 100 f.): Mare Auch wenn Reisen sicherlich beschwerlicher war „Obwohl euer Reich so groß und umfassend ist, ist es Germanicum als heute, ließen die gut ausgebauten Straßen und doch weit größer durch seine vollendete Ordnung als erschlossenen Wasserwege die Reisenden schnell die Ausdehnung seines Gebiets. […] Jetzt ist es so- vorankommen. Keine Grenzen behinderten sie und wohl dem Griechen als auch dem Barbaren möglich, Eboracum York Deva auch die Sprachbarriere war denkbar gering, denn mit oder ohne Habe ohne Schwierigkeiten zu reisen, Chester es genügten zwei Sprachen, um sich überall ver- wohin er will, gerade als ob er von einer Heimatstadt Isca Silurum Caerleon ständlich zu machen: im Westen Latein und im in die andere zöge. Es schrecken ihn weder die Kili- Aquae Londinium Sulius London Osten Griechisch. Ähnlich sah es mit den Münzen kischen Tore noch die schmale und sandige Durch- Bath Dubris Forum Dover Hadriani Xanten aus: Auch, wenn der griechischsprachige Osten des gangsstraße durch das Land der Araber nach Ägyp- Oceanus Gesoriacum Arentsburg Colonia Boulogne sur Mer Agrippina Reiches mit Obole und Drachme seine gewohnte ten, nicht unwegsame Gebirge, nicht unermesslich Köln Atlanticus Rotomagus Auguta Rouen Treverorum Währung beibehielt, so gab es doch einen festen große Flüsse. […] Ihr habt den gesamten Erdkreis ver- Trier Mogontiacum Mainz Wechselkurs zum römischen Münzsystem mit Ses- messen, Flüsse überspannt mit Brücken verschiede- Lutetia Paris Castra Regina terz und Denar, der Geschäfte und Reisen erheblich ner Art, Berge durchstochen, um Fahrwege anzulegen, Regensburg Argentorate 16 Strasbourg Vindobona erleichterte. Der Kaiser sorgte für ein Grundmaß in menschenleeren Gegenden Stationen installiert und 17 Vindelicum Wien Carnuntum Augustodunum Vindonissa Augsburg Lauriacum Petronell an Sicherheit auf der Italischen Halbinsel und in überall eine kultivierte und geordnete Lebensweise Autun Lorch Brigantium Windisch La Coruna Aquincum Savaria Budapest den Provinzen: Es gab kaum Piraten und auch die eingeführt. […]“ Virunum Szombathely Burdigala Klagenfurt Bordeuax Lugdunum Zahl der Räuber zu Lande war relativ gering. Seit Die genaue Zahl der Reisenden kann natürlich Lyon Mediolanum Poetovio Milano Augustus herrschte Frieden im Römischen Reich, heute nicht mehr ermittelt werden. Schätzungen Asturica Augusta Ptuj Astorga Aquileia Emona Tolosa Arelate Genua Aquileia Ljubljana Singidunum Troesmis zufolge waren in der römischen Kaiserzeit aber so Toulouse Arles Genua Bononia Siscia Belgrad Iglita Bologna Sisak viele Menschen unterwegs wie dann erst wieder im Narbo Martius Ariminum Tomis Narbonne Rimini Viminacium Pontus Euxinus Massilia Burnum Oescus Konstanza Salamantica Marseille Suplija Crkva Kostolac 20. Jahrhundert. Salamanca Caecaraugusta Gigen Zaragosa Salona Sinope Solin Novae Narona Staklen Sinop Olisipo Vid Medkovic Lissabon Naissus Alalia Nis Serdica Toletum Tarraco Sofia See- und Landweg boten jeweils unterschiedliche Toledo Aleria Tarragona Roma Amasia Byzantinum Eregli Vor- und Nachteile. Die gut befestigten Straßen Rom Corduba Valentia Dyrrhachium Thessalonice Enderes Satala Corduba Turris Libisonis Duresi Sadagh Valencia Porto Torres Brundisum Thessaloniki verliefen meist gerade, waren aber nur in kurzen Brindisi Ancyra Hispalis Ankara Melitene Forum Traiani Malatya Abschnitten mit Steinplatten geplastert, vor allem Gades Sevilla Fordongianus Caesarea Cadiz Tarentum Kayseri Carthago Nova Tarent innerhalb und in der Nähe von Städten. Ansonsten Tingis Cartagena Carales Pergamum Tanger Cagliari Bergama diente meist Schotter oder Kies als Straßenbelag. Caesarea Messana Actium Sart Messina Preveza Cherchel Hippo Khoros Darauf kamen zwar Wagen gut voran, Pferde und Regius Tarsos Annaba Selcuk Carthago Corinthus Athenae Fußgänger benutzten aber meist die breiten ge- Volubilis Karthago Athen Moulay Idriss Sitifis Korinth Setif Cirta Milet Constantine Syracusae lenkschonenden Rasenstreifen neben der Straße, Syrakus Afamia Lambaesis Palmyra Lambaesis Thapsus die sogenannten Sommerwege. Reisen auf dem Thapsus Salamis Tadmur Gortyn Salamis Gortis Landweg dauerten lange und konnten recht unbe- Paphus Mare Internum Paphos Damascus quem sein. Für längere Strecken wurde daher oft Tyrus Damascus Tyros der Wasserweg vorgezogen. Auf Flüssen kam man

Cyrene stromabwärts ähnlich schnell voran wie auf einem Kyrene Aelia Capitolina Ptolemais Jerusalem Wagen, hatte aber keine Probleme mit Straßen-

Berenice Alexandria schäden, der räumlichen Enge der Kutsche oder Bengasi Alexandria Straßenräubern. Von Rom aus war die Fahrt über

Memphis Babylon das Mittelmeer weitaus schneller als der Landweg, Memphis Kairo allerdings musste man hier Stürme oder, wie bei- spielsweise für Cicero überliefert, die Seekrank- heit fürchten.