APR.12
Nach der Show EINSCHLAUFEN Betrifft: Ein Leben in der Bildmitte Impressum Nº 03.11 DER MUSIKZEITUNG LOOP 15. JAHRGANG Ich gehe auf leisen Sohlen. Eigentlich immer. Ich schmuckloses Refugium, ihre heimliche Heimat werde selten laut. Dann jedoch richtig. Wenn ich jenseits der Heimat. Das Konzert ist absolviert, P.S./LOOP Verlag – beispielsweise – von einem gebrochenen Herz die Zugaben sind gespielt, die grossen Gesten Postfach, 8026 Zürich berichte, das irgendwo dort unten am Hafen verbraucht. Tel. 044 240 44 25, Fax. …27 liegt. Als wäre es eine unbeachtete Requisite aus In diesem Transitbereich zwischen Bühnenbrett [email protected] einer längst vergessenen Folge von «Columbo» und Nightliner haben sich Olivier Joliat und www.loopzeitung.ch (in der es dann allerdings um sehr komplexe Ein- Matthias Willi in den letzten Jahren immer mal griffe eines früheren Navy-Admirals geht). Aber wieder umgesehen. Sie haben Musikerinnen und Verlag, Layout: Thierry Frochaux eben, da unten stehe ich. Auf leisen Sohlen. Mit Musiker jeglicher Stilrichtungen in ihren Back- einer lauten Stimme. stageräumen besucht und sie unmittelbar nach Administration, Inserate: Manfred Müller Doch dann stehe ich plötzlich woanders. Irgend- der Rückkehr aus dem Scheinwerferlicht foto- wo. Hinter einer Kanüle. Vor einer lachsfarbe- grafi ert. Die Ergebnisse dieser empirischen Un- Redaktion: Philippe Amrein (amp), nen Wand – ich weiss es nicht. Man behandelt tersuchungen mit Kamera und Diktaphon haben Benedikt Sartorius (bs), Koni Löpfe mich so, als sei ich ein Doppelgänger von Billy sie nun zum Bildband «The Moment After the Joel, obwohl meine Klavierklimperfähigkeiten Show» verdichtet. Einige Auszüge daraus fi nden Mitarbeit: Reto Aschwanden (ash), eher unbedeutend bleiben. Danach verliere ich sich auf den nachfolgenden Seiten – und auf dem Yves Baer (yba), Thomas Bohnet (tb), – leider, aber so verlangt es das Protokoll – mein Titelbild der vorliegenden Ausgabe, wo sich ein Michael Gasser (mig), Nino Kühnis (nin), Bewusstsein. Ich tauche weg und drifte ab, wäh- sichtlich gezeichneter, aber dennoch glücklich Albert Kuhn, Hanspeter Künzler, Tony Lauber (tl), rend sich meine kognitiven Fähigkeiten denen wirkender Evan Dando von den Strapazen sei- Mathias Menzl (men), Philipp Niederberger, eines Kleingrundbesitzers annähern. nes Auftritts im Abart-Club erholt. Christian Pauli, Miriam Suter Als ich wieder zu mir komme, sitze ich in einem Auf unzähligen dieser Aufnahmen wäre natür- hell erleuchteten Raum. Die Möblierung ist karg lich auch meine Wenigkeit zu sehen, der Zaun- Druck: Rotaz AG, Schaffhausen – ein kleiner Kühlschrank, ein paar Stühle und gast von Gottes Gnaden, der Leertrinker des ein Schminkspiegel, vor dem sich sauber gefal- Kühlschranks, der befugte Besucher mit dem Das nächste LOOP erscheint am 26. April tete Handtücher stapeln. Die Menschen in die- umgehängten Backstage-Pass – der dann im ent- Redaktions-/Anzeigenschluss: 19. April sem Hinterzimmer der grossen Bühnen sind ver- scheidenden Moment doch nicht in der Bildmit- schwitzt und verpeilt, erschöpft und ekstatisch, te zu fi nden ist, sondern irgendwo zusammenge- Titelbild: Evan Dando (The Lemonheads), abgekämpft und aufgewühlt zugleich. Eben erst faltet in einer Ecke in der Tiefe des Raumes. fotografi ert von Matthias Willi haben sie ihre abendliche Exkursion ins Ram- penlicht beendet und sind zurückgekehrt in ihr Guido Pluseinsaufdergästeliste
Ich will ein Abo: (Adresse) 10 mal jährlich direkt im Briefkasten für 33 Franken (in der Schweiz). LOOP Musikzeitung, Langstrasse 64, Postfach, 8026 Zürich, Tel. 044 240 44 25, [email protected] «JOGGEN IST FURCHTBAR» nüchterner, aber im Körper gerechterweise wegen einer Lappalie zusammengestaucht Multitalent Thom Luz ist Regisseur, herrscht die gleiche che- habe, oder Leute aus dem Backstage geschmissen habe, mische Unordung, Endor- die da einfach nicht hingehörten. Es kommt aber natürlich Schauspieler und Sänger der Band My phin, Adrenalin und Zu- immer drauf an, wie das Konzert gelaufen ist. Manchmal satzstoffe. Und dann trifft fühlt man sich wie der König und manchmal hat man den Heart Belongs to Cecilia Winter. Er hat man sich im Foyer und ent- Anschiss. Dann gibts Spannungen in der Band. weder gibt’s dann peinliche seine ganz eigene Methode, um nach Stille oder anerkennendes Wann zum Beispiel? Schulterklopfen. Wir sind oft unzufrieden, wenn wir zu viel wollten auf der Konzerten wieder runterzukommen – Bühne, zu ehrgeizig waren. Das ist meistens dann der Fall, Wie gehts dir denn direkt nach ei- wenn wir grosse Konzerte spielen und jemanden beeindru- und eine ganz bestimmte Vorstellung vom nem Konzert? cken wollen. Man will eine gute Show hinlegen, speziell Das Gefühl direkt nach sein und verkrampft sich dadurch total. Ich verfalle dann in perfekten Backstage. einem guten Konzert ist eine Art Egotrip und höre nicht mehr auf die anderen, falle eins der schönsten Gefüh- aus dem Rhythmus. Thom, was machst du als erstes, wenn du von der Konzertbühne kommst? le überhaupt, dieser post Sofort abhauen und irgendwo herumtigern. Das ist das orgasmic chill. Ich werde Gibts dann auch mal Streit in der Band? wichtigste für mich, ich muss mir etwa zehn Minuten Zeit dann immer ein bisschen Ja klar. Wir sind drei sehr unterschiedliche Typen, unser nehmen dafür und herumirren können, ein bisschen wie ein autistisch und will allein Schlagzeuger Kusi Gerber ist zum Beispiel jemand, der sehr kopfl oses Huhn. Ich muss sozusagen vom Tatort fl üchten sein. Beim Theater gibt es gerne streitet. Der sagt manchmal schon beim Verlassen der können. Ich «arbeite» aber auch gern mit Alkohol, das hilft eine Empfehlung von der Bühne, was ihm am Auftritt gerade nicht gepasst hat. Betty auch ganz gut. Vor der Show gibts Weisswein, danach Bier Gewerkschaft, dass man und ich sind eher still, was das angeht, wir schlucken den – oder, je nach Tourplan, die alkoholfreie Variante mit Tee zwei bis drei Stunden nach Ärger lieber runter. vorher und Tee nachher. Oft hat man aber gar keine Zeit einer Aufführung nicht für Entspannungsrituale und muss nach dem Konzert recht Auto fahren darf, um Un- Aber ihr feiert auch, wenn es gut gelaufen ist? schnell alles selber abbauen und zusammenpacken. fälle zu vermeiden. Weil Auf jeden Fall. Erst schreien wir uns ein bisschen an, da- man als Schauspieler noch nach betrinken wir uns gepfl egt. Du bist auch Schauspieler und Regisseur – wie ist die Situation nach einem zu sehr «im Züüg» sei und Theaterstück für dich? deshalb nicht zurechnungs- Hast du nach einem Konzert noch Energie, in den Ausgang zu gehen? Ich arbeite zwar schon länger nicht mehr als Schauspieler, fähig. Das merke ich auch Haha, nein. Das Konzert selber ist Party genug für mich. aber die Situation nach einer Aufführung ist schon ähnlich als Musiker. Es ist auch Wenn wir gerade in einer schönen Stadt sind, an einem wie die nach einem Konzert. Es gibt zwar weniger Auf- schon vorgekommen, dass schönen Ort, verweilen wir da auch gerne länger, wenn regung, weniger Chaos und die ganze Angelegenheit ist ich einen Techniker un- wir können, und geniessen den Moment. Gross weg gehen wir dann nicht – respektive ich nicht. Kusi und unser Ma- nager und der Tontechniker gehen eigentlich immer noch aus, und haben am nächsten Morgen beim Hotelfrühstück aufregende Geschichten zu erzählen, wo Betty und ich uns dann fragen ob die das tatsächlich alles erlebt haben. In Lausanne seien sie an einer Party mit einer brennenden Bar gewesen, wo man heissen Alkoholdampf habe inhalieren können. Du bist also privat total ruhig und machst heimlich doch den Sonnengruss? Ich gehe ab und zu ins Yoga, tatsächlich. Allerdings trifft hier der Ausdruck «Schlampenyoga», den Milena Moser erfunden hat, voll und ganz zu – ich mache das sehr un- ambitioniert, bin sehr nett zu mir selbst. Die Konzerte sind Sport genug für mich, im Trio zu spielen, ist anstrengend, man kann sich nicht zurücklehnen. Was machst du denn sonst so, um einen Ausgleich zum anstrengenden Musi- kerleben zu schaffen? Sobald das Hallenbad City in Zürich wieder aufmacht, werde ich wieder regelmässig schwimmen gehn. Das ma- che ich am liebsten, man kann sehr gut abschalten, es stärkt die Muskeln und ist gut für die Gelenke. Im Gegensatz zum Joggen, ein Freund von mir hat sich dabei letztens das Knie gebrochen. Joggen ist ein furchtbarer, furchtbarer Sport! Apropos Entspannung: Wie sieht der perfekte Backstage für dich aus? Manche sagen, das einzig wichtige sei ein mit Bier gefüllter Kühlschrank. Finde ich nicht. Meiner Meinung nach ist der Massstab für alle Backstages der im Mokka in Thun: Das ist ja eigentlich Bädu Anlikers halbprivate Wohnung, wun- derschön eingerichtet mit eigenem Esszimmer, es gibt im- mer feines Essen. Aber eigentlich mag ich die Backstages an Openairs am liebsten. Da hats auch bestimmt genug Platz zum Rumlaufen. Interview: Miriam Suter SZENE