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Come From Away – Musik / Buch / Texte: Irene Sankoff / David Hein; Regie: Christopher Ashley; Musical Staging: Kelly Devine; Bühne: Beowulf Boritt; Kostüme: Toni-Leslie James; Licht: Howell Binkley; Ton: Gareth Owen; Orchestrierung: August Eriksmoen; Arrangements / Musical Supervision / Musikalische Leitung: Ian Eisendrath. Darsteller: Petrina Bromley (Bonnie u.a.), Geno Carr (Oz u.a.), Jenn Colella (Beverley / Annette u.a.), Joel Hatch (Claude u.a.), Rodney Hicks (Bob u.a.), Kendra Kassebaum (Janice u.a.), Chad Kimball (Kevin T. / Garth u.a.), Lee MacDougall (Nick / Doug u.a.), Caesar Samayoa (Kevin J. / Ali u.a.), Q. Smith (Hannah u.a.), Astrid Van Wieren (Beulah u.a.), Sharon Wheatley (Diane u.a.). Broadway-Premiere: 12.03.2017, Gerald Schoenfeld , New York. www.comefromaway.com

Come From Away Eine Feel-good-Show vor dem Hintergrund 9/11 von Didier C. Deutsch

Jede Theaterspielzeit bringt neben den heiß anderswo keine Karten mehr bekommen Kanada-Import, der mitsamt Buch, Musik erwarteten Blockbustern eine Reihe von haben. Und wer weiß, vielleicht sahnen sie und Songtexten vom Ehepaar Irene Sankoff Kammermusicals mit sich – kleinformatige zwischendurch einen Tony oder zwei ab, die und David Hein geschrieben wurde. Das Produktionen, die gar nicht darauf speku- ihnen ein längeres Leben, bessere Kasse und Musical beginnt dort, wo Al-Qaida-Terroris- lieren, mit den glänzenden großen Titeln ein paar Zentimeter Daseinsberechtigung ten am 11. September 2001 Ziele auf ameri- mithalten zu können, die aber dafür jene mitten in New York bescheren. So eine kanischem Boden angegriffen haben, vor al- Zuschauer im Blick haben, die vielleicht Show ist ‘Come From Away’, ein fesselnder lem das World Trade Center in New York. Matthew Murphy Fotos:

Foto oben links: vorne Jenn Colella; Foto oben rechts: vorne Kendra Kassebaum; Foto unten: v.l.n.r. Sharon Wheatley, Jenn Colella, Q. Smith, Joel Hatch, Lee MacDougall (hinten), Rodney Hicks, Chad Kimball, Caesar Samayoa (hinten), Geno Carr, Astrid Van Wieren, Kendra Kassebaum und Petrina Bromley

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‘Come From Away’ Während die Welt voll Entsetzen bei den Foto: schrecklichen Anschlägen zusah, wurde der Murphy Matthew Luftverkehr über den USA komplett einge- stellt und Tausende von Flugreisenden zu anderen, sicheren Flughäfen umgeleitet, die oft unendlich weit entfernt von ihren ur- sprünglichen Zielen lagen. Daraus ent- wickelten die beiden Autoren ihre auf wah- ren Tatsachen beruhende Handlung, die in der verschlafenen, 6.000 Einwohner zählen- den Kleinstadt Gander spielt, am Rande der Welt in Neufundland, Kanada. Dort landeten 38 Flugzeuge, 7.000 Passagiere strandeten wegen der Ereignisse jenseits der Grenze.

Aber anstatt sich mit diesem Zustrom von Fremden und seinen Konsequenzen zu be- fassen, beschreiben Sankoff und Hein den Umgang der Einheimischen mit der Invasi- on, die diese riesige Menschenmenge mit ihren unendlich vielen persönlichen Proble- vergangenen Spielzeiten schon aufmerksam bles liefert exzellente Porträts, so etwa Pe- men voll Wärme aufnahmen, die sie tröste- beobachtet wurden, hat sich bei Konzept trina Bromley, Rodney Hicks, Lee MacDougall, ten, ihre Sorgen anhörten und sie willkom- und Regie kluge Gedanken gemacht. Q. Smith und Astrid Van Wieren. men hießen. Sein herzerwärmender Inhalt ‘Come From Away’ ist eine intelligente gehört zu den reizvolleren Aspekten dieses Produktion, sie verdankt Beowulf Boritts Bis auf wenige Ausnahmen ist bei fast allen Werkes, das angesichts der geschilderten luftigem Bühnenbild eines weiten, offenen, der 15 Songs des Abends das gesamte En- Ereignisse sicher wesentlich rührseliger von gigantischen Baumstämmen umgebe- semble beteiligt, was den Eindruck von oder depressiver hätte ausfallen können. nen Raumes genauso viel wie Kelly Devines Homogenität und starkem inneren Zusam- Musical Staging. Zusätzliche Glaubwürdig- menhalt noch verstärkt. Obwohl keiner der Ganz dem Tonfall und den Absichten des keit verleiht der Inszenierung die schlichte Songs beim ersten Hören direkt im Ohr Musicals entsprechend, lernen wir die Ein- Alltagskleidung von Toni-Leslie James, eben- hängen bleibt, bleibt die Partitur doch als wohner von Gander als offenherzige Men- so die bodenständige Interpretation der Sammlung schöner, eingängiger Melodien schen kennen, deren Hauptanliegen die Si- achtköpfigen Band unter der Leitung von im Gedächtnis, auch der ausgelassene Hoe- cherheit und das Wohlbefinden der Neuan - Ian Eisendrath. down, eine Art schneller Square Dance, der kömmlinge sind. Diese wiederum versu- hier so mitreißend und rustikal vor sich hin chen, sich den Gegebenheiten und dem un- Das 12-köpfige Ensemble bleibt fast durch- hüpft, dass einem auch als Zuschauer die vorhergesehenen Chaos so gut wie möglich gehend auf der Bühne und spielt mit Füße jucken. anzupassen, während sie mit den ganz kon- großer Hingabe eine große Menge unter- kreten Problemen des Augenblicks kämp- schiedlicher Figuren, sowohl die Einwohner Obwohl das Werk sicher nicht mit vielen fen. Immer wieder beeinträchtigen ein von Gander wie auch Reisende. Einige Dar- der heiß erwarteten, großen Premieren die- Mangel an Kommunikation, die jeweiligen steller treten zum ersten Mal am Broadway ser Spielzeit mithalten kann, ist ‘Come Eigenheiten der Menschen oder ihre Schwä- auf, sie wirkten aber bereits in den Vorauf- From Away’ ein erfreuliches Erlebnis – die chen das Verständnis, das sie so gerne für- führungen des Stücks mit, vor allem im La Art von Musicals, die ihr Publikum mit ei- einander aufbringen möchten, aber am En- Jolla Playhouse in San Diego. Unbedingt nem innovativen Ansatz, mit dem kleinen de besiegen die Wärme, Fröhlichkeit und erwähnt werden müssen aber die Broadway- Unterschied, mit einer liebenswerten Alter- liebevolle Sympathie der Gelegenheitsgast- Veteranen Joel Hatch, Chad Kimball, Caesar native überraschen. Das Stück verdient eine geber alle Probleme und wenden die missli- Samayoa, Jenn Colella, Kendra Kassebaum und lange Laufzeit, am Broadway und anders- che Lage in eine warmherzige, bewegende Sharon Wheatley. Aber auch der Rest des wo! Geschichte. homogenen, völlig gleichwertigen Ensem-

Die Handlung basiert vor allem auf Inter- views der Autoren mit den echten Einwoh- nern von Gander, sie zeigt die völlig zufäl- Reaktionen der amerikanischen Presse ligen Situationen und verwebt die unter- schiedlichen Geschichten zu einem runden, Try, if you must, to resist the gale of good that are so necessary to survive troubled unterhaltsamen Theaterabend. Eine Menge will that blows out of ‘Come From Away’, times, ‘Come From Away’ is the feel-good eingängiger Melodien der beiden Autoren the big bearhug of a musical that opened show of the season. bereichern das kurze, 100 Minuten lange on Sunday night at the Gerald Schoenfeld Frank Scheck, The Hollywood Reporter Musical, die meisten klingen nach der Theater. But even the most stalwart cynics Folkmusik, wie man sie in dieser Gegend may have trouble staying dry-eyed during Director Christopher Ashley guides the hört, wo die Gestrandeten aufgefangen this portrait of heroic hospitality under ex- excellent cast and energizing staging. The wurden. traordinary pressure. show glides along, a nonstop one hour Ben Brantley, The New York Times and 40 minute trip. It's a singing remin- Christopher Ashley, dessen Inszenierungen der that when things are at their worst, ‘Memphis’, ‘Xanadu’ und ‘’ in Serving as a welcome reminder of people's people can be at their best. inherent goodness and generosity, qualities Joe Dziemianowicz, New York Daily News

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