GeoBerichte 18

LANDESAMT FÜR BERGBAU, ENERGIE UND GEOLOGIE

Klimafolgenmanagement in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen

Niedersachsen

GeoBerichte 18

Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie

Klimafolgenmanagement in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen

GÜNTER GROSS, ANDREA KRAUSE,

CHRISTINA LENSSEN, UDO MÜLLER,

CHRISTINE VON BUTTLAR, MARIANNE KARPENSTEIN-MACHAN, ROLAND BAUBÖCK, DANIELA DRESSLER, ACHIM LOEWEN, DOMINIKA LESSMANN,

IMKE MERSCH, EKKEHARD FRICKE,

CHRISTINA WEISS, MICHAEL REICH, MICHAEL RODE, TINA WIXWAT, HERBERT RÖHM, KATJA FÜRSTENBERG, ANDREAS MATHEJA, MARTIN MEINKEN & BJÖRN BEERMANN

Hannover 2011

Impressum

Herausgeber: © Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie Stilleweg 2 30655 Hannover Tel. (0511) 643-0 Fax (0511) 643-2304

Download unter www.lbeg.niedersachsen.de Version: 30.11.2011 Redaktion: Ricarda Nettelmann e-mail: [email protected] Titelbild: Montage von D. Leßmann; Bilder von C. Bardek, D. Leßmann, M. Karpenstein- Machan, U. Simon, B. Sluzewski, Metropolregion H-BS-GÖ (Karte).

ISSN 1864–7529

GeoBer. 18 S. 3 – 174 103 Abb. 23 Tab. Hannover 2011

Klimafolgenmanagement in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen

GÜNTER GROSS, ANDREA KRAUSE, CHRISTINA LENSSEN, UDO MÜLLER, CHRISTINE VON BUTTLAR, MARIANNE KARPENSTEIN-MACHAN, ROLAND BAUBÖCK, DANIELA DRESSLER, ACHIM LOEWEN, DOMINIKA LESSMANN, IMKE MERSCH, EKKEHARD FRICKE, CHRISTINA WEISS, MICHAEL REICH, MICHAEL RODE, TINA WIXWAT, HERBERT RÖHM, KATJA FÜRSTENBERG, ANDREAS MATHEJA, MARTIN MEINKEN & BJÖRN BEERMANN

Kurzfassung

Das Verbundprojekt „Regionales Management von Klimafolgen in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen“ (KFM) wurde im Zeitraum von 2007–2011 durch das Bundesministeri- um für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Ziel dieses Forschungsprojekts war es, die Aus- wirkungen des Klimawandels in der Metropolregion zu analysieren sowie mögliche Anpassungs- strategien zu entwickeln. Hierfür wird eine problemorientierte, feinskalige Anpassung der Ergebnis- se der regionalen Klimaszenarien an die kleinräumigen geographischen Strukturen in der Metropol- region benötigt. Der Schwerpunkt des Verbundprojekts liegt auf den Themenkomplexen Wasserwirtschaft, Energiepflanzen, Feldberegnung und Naturschutz, die in wechselseitiger Beziehung zueinander stehen. Die Ergebnisse Teilprojekte werden in einer Informations- und Kommunikationsplatt- form (I+K-Plattform) zusammengefasst. Sie gibt dem interessierten Nutzer nicht nur einen umfas- senden Überblick über die Veränderung der meteorologischen Parameter in der Metropolregion, sondern es werden auch Auswirkungen auf einzelne Lebensbereiche des Menschen und mögliche Anpassungsstrategien aufgezeigt. Grundlage für die Analyse im Verbundprojekt KFM sind die Ergebnisse der regionalen Klimasimu- lationen des CLM (Climate Local Model). Um konkrete Aussagen auf lokaler Ebene treffen zu kön- nen wurde ein statistisch-dynamisches downscaling mit dem mesoskaligen Modell FITNAH durch- geführt.

GeoBerichte 18 3 Inhalt Einführung ...... 5 Regionales Management von Klimafolgen in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen ...... 5 1 Teilprojekt 1: Lokaler Klimawandel ...... 8 1.1 Auswirkungen des Klimawandels auf die Metropolregion ...... 8 2 Teilprojekt 2: Energiepflanzen ...... 23 2.1 Einfluss des Klimawandels auf Standortpotenziale von Bioenergiepflanzen in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen ...... 23 2.2 Potenziale für den Anbau und die Nutzung von Energiepflanzen unter Berücksichtigung des regionalisierten Klimawandels ...... 40 2.3 Ganzheitliche Bewertung regional angepasster Bioenergiekonzepte unter dem Aspekt des Klimawandels ...... 59 2.4 Integrative Flächenbewertung zur Ausweisung von potenziellen Standorten für Bioenergieanlagen und Analyse der Anbauflächenpotenziale der Metropolregion ...... 73 3 Teilprojekt 3: Feldberegnung ...... 86 3.1 Potenziale zur Substitution von Grundwasser für die Feldberegnung – „Wasser wächst auf Feldern“ ...... 86 4 Teilprojekt 4: Naturschutz ...... 103 4.1 Mögliche Auswirkungen des Klimawandels auf das Netzwerk Natura 2000 in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen – Wolfsburg und Konsequenzen für den Naturschutz ...... 103 5 Teilprojekt 5: Wasserwirtschaft ...... 117 5.1 Der Einfluss des Klimawandels auf den regionalen Wasserhaushalt...... 117 5.2 Wasserwirtschaftliche Anpassungsstrategien im Grundwasserkörper Fuhse-Wietze vor dem Hintergrund des Klimawandels ...... 138 6 Teilprojekt 6: Informations- und Kommunikationsplattform ...... 159 6.1 Die internetbasierte Informations- und Kommunikationsplattform zum Klimafolgenmanagement in der Metropolregion ...... 159

4 GeoBerichte 18 Einführung Der Schwerpunkt des Verbundprojekts liegt auf den Themenkomplexen Wasserwirtschaft, Energiepflanzen, Feldberegnung und Natur- Regionales Management von schutz, die in wechselseitiger Beziehung zuei- Klimafolgen in der Metropolregion nander stehen. Die Ergebnisse aller Teilprojek- Hannover – Braunschweig – Göttingen te werden in einer Informations- und Kommu- nikationsplattform (I+K-Plattform) zusammen- GÜNTER GROSS gefasst. Sie gibt dem interessierten Nutzer nicht nur einen umfassenden Überblick über die Veränderung der meteorologischen Para- Der Klimawandel und dessen Auswirkungen meter in der Metropolregion, wie z. B. Nieder- auf Umwelt und Gesellschaft ist eines der zent- schlag, Temperatur und Sonneneinstrahlung, ralen Themen der heutigen Politik. Zu diesem sondern es werden auch Auswirkungen auf Zwecke wurde im Jahr 2006 der Förder- einzelne Lebensbereiche des Menschen und schwerpunkt „Klimazwei – Forschung für den mögliche Anpassungsstrategien aufgezeigt. Klimaschutz und Schutz vor Klimawirkungen“ Der prinzipielle Aufbau des Forschungsver- ins Leben gerufen. Darin werden rund 40 Pro- bundes ist in der Abbildung 1 skizziert. jekte durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in dem Rahmenpro- gramm „Forschung für Nachhaltigkeit“ (FONA) gefördert. Die Projekte gliedern sich in zwei thematische Schwerpunkte – Mitigation und Adaption. Unter „Mitigation“ werden all jene Projekte zusammengefasst, die sich mit der Vermeidung des Ausstoßes klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas beschäftigen. Unter dem Förderschwerpunkt „Adaption“ werden Projekte gefördert, die sich mit Anpassungsstrategien an die veränderten Umweltbedingungen beschäftigen. Das Verbundprojekt „Regionales Management von Klimafolgen in der Metropolregion Hanno- ver – Braunschweig – Göttingen” (KFM) wurde über einen Zeitraum von etwa vier Jahren (2007–2011) gefördert. Ziel dieses For- schungsprojekts ist es, die Auswirkungen des Klimawandels in der Metropolregion zu analy- sieren sowie mögliche Anpassungsstrategien zu entwickeln. Hierfür wird eine problemorien- tierte, feinskalige Anpassung der Ergebnisse der regionalen Klimaszenarien an die klein- räumigen geographischen Strukturen in der Metropolregion benötigt.

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Abb. 1: Aufbau und Themen des Forschungsprojekts.

Die Ergebnisse von Klimaszenarienrechnun- gion mit einer räumlichen Auflösung von etwa gen liefern die Kenntnis über die Entwicklung 16 x 18 km. Um konkrete Aussagen auf lokaler des globalen und des regionalen Klimas in den Ebene treffen zu können, wurde in einem wei- nächsten Dekaden. Diese Rechnungen basie- teren Schritt ein statistisch-dynamisches ren auf einer Reihe von Annahmen, wie bei- downscaling mit dem mesoskaligen Modell spielsweise die zukünftige Entwicklung der FITNAH durchgeführt. Dabei wurden unter Be- Treibhausgasemissionen, und sind mit spezifi- rücksichtigung detaillierter Informationen zu schen Unsicherheiten behaftet. Die Ergebnisse Orographie und Landnutzung die Klimadaten der Klimaszenarienrechnungen sind daher des CLM auf eine räumliche Auflösung von 1 x nicht als Vorhersagen über die Entwicklung 1 km „intelligent“ interpoliert. Diese Vorge- des Klimas zu verstehen, sondern beschreiben hensweise erlaubt es, die Effekte lokaler Be- die Bandbreite, in der sich ausgewählte meteo- sonderheiten auf die Verteilung der meteorolo- rologische Parameter, wie die Temperatur und gischen Variablen zu berücksichtigen (z. B. der der Niederschlag, mit einer gewissen Wahr- Einfluss des Harzes auf Niederschlag und scheinlichkeit in der nahen Zukunft bewegen. Temperatur) und die aus Beobachtungen her bekannten Strukturen der Klimaparameter in Grundlage für die Analyse in dem Verbundpro- der Metropolregion gut nachzubilden. jekt KFM sind die Ergebnisse der regionalen Klimasimulationen des CLM (Climate Local In der Metropolregion werden sich insbesonde- Model). Diese beschreiben die Auswirkungen re die aus Modellergebnissen abgeleiteten er- des globalen Klimawandels in der Metropolre- höhten Mitteltemperaturen und das saisonal

6 GeoBerichte 18 veränderte Niederschlagsregime auf einzelne ■ Zwischen den Belangen der Landwirt- Lebensbereiche auswirken. Daneben hat auch schaft, des Naturschutzes und der Was- die Abschätzung der Entwicklung von Extrem- serwirtschaft bestehen vielfältige räumliche ereignissen einen hohen Stellenwert, da diese und funktionale Verknüpfungen. Diese sind mit einem großen Schadenspotenzial verbun- durch ein hohes Potenzial an Konflikten den sein können. Diese Ergebnisse bilden die gekennzeichnet, die sich vor dem Hinter- klimatischen Rahmenbedingungen für die Fra- grund des Klimawandels noch verstärken gestellungen der einzelnen Teilprojekte wie: werden. ■ Landwirtschafts- und Naturschutzflächen ■ Um auf metropolitaner Ebene Risiken an- werden naturgemäß direkt und in starkem gemessen bewerten und Potenziale opti- Maß vom Klimawandel betroffen sein. mal entwickeln zu können, ist eine wis- Durch die Verschiebung der Niederschläge sensbasierte Informations- und Kommuni- vom Sommer in den Winter und die höhe- kationsplattform entwickelt worden. Hier ren Mitteltemperaturen verändern sich die stehen für alle Akteure die Ergebnisse des Standortbedingungen und damit auch die Verbundvorhabens in benutzerfreundlicher Anbau- und Wachstumsbedingungen für und bedarfsorientierter Aufbereitung zur Nutz- und Wildpflanzen. Verfügung. ■ In der Metropolregion werden sich die ■ Die Kommunikation der Ergebnisse sowie landwirtschaftlichen Beregnungsflächen der Austausch mit den Akteuren aus Politik aufgrund des veränderten Niederschlags- und Verwaltung haben in diesem For- dargebots vergrößern. Hier sind lokale An- schungsprojekt ebenfalls einen großen passungsstrategien zu entwickeln. Insbe- Stellenwert. Im Rahmen von Fort- und sondere der Substitution des Grundwas- Weiterbildungen wurden die Forschungs- sers für die Feldberegnung, beispielsweise ergebnisse anwenderorientiert kommuni- durch Klarwasser, kommt dabei ein hoher ziert und über mögliche Anpassungsstra- Stellenwert bei. tegien diskutiert. ■ Der Anbau und die Nutzung von Energie- In dem vorliegenden Heft werden ausgewählte pflanzen leisten bereits heute einen wichti- Ergebnisse aus den einzelnen Teilbereichen gen Beitrag zum Klimaschutz in der Metro- des Verbundvorhabens präsentiert. Eine voll- polregion. Erklärtes Ziel der Europäischen ständige Übersicht ist unter www.klimafolgen Union und der Bundesregierung ist es, den management.de zu finden. Anteil regenerativer Energien langfristig auf 20 % zu steigern. Vor diesem Hintergrund Das Verbundvorhaben wurde vom BMBF ist die Entwicklung eines klimaangepass- (http://www.bmbf.bund.de/) im Rahmen der ten Anbau- und Nutzungskonzepts unter Fördermaßnahme „klimazwei“ (http://www. geänderten klimatischen Rahmenbedin- klimazwei.de/) unter dem Kennzeichen gungen von besonderer Relevanz. 01LS05038A gefördert. ■ Die Klimaprognosen gehen für den lokalen Betrachtungsraum insgesamt von einer ge- ringfügigen Erhöhung des jährlichen Was- serdargebots aus. Dennoch sind zeitweise erhebliche Auswirkungen auf den Wasser- haushalt zu erwarten, denn die prognosti- zierte Verteilung der Grundwasserneubil- dung kann im Winter vermehrt Vernässun- gen und im Sommer das Austrocknen der Vorfluter bedingen. Zur nachhaltigen Be- wirtschaftung der Grundwasserkörper und damit zur Sicherung der Wasserversor- gung sind geeignete Anpassungsstrategien zu entwickeln, um die ungünstige Vertei- lung des veränderten Grundwasserdarge- botes auszugleichen.

GeoBerichte 18 7 1 Teilprojekt 1: In dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt Lokaler Klimawandel „Regionales Management von Klimafolgen in der Metropolregion Hannover – Braunschweig 1.1 Auswirkungen des – Göttingen“ wurden im Teilprojekt 1 „Lokaler Klimawandel“ die regionalen Auswirkungen Klimawandels auf die des Klimawandels in der Metropolregion an- Metropolregion hand der Klimaszenarienrechnungen des CLM (Climate Local Model) untersucht. ANDREA KRAUSE & GÜNTER GROSS In der Metropolregion leben rund vier Millionen Menschen auf einer Fläche von rund 1.1.1 Einleitung 19 000 km². Das Gebiet erstreckt sich von der Lüneburger Heide im Norden bis zur hessi- Vor dem Hintergrund der weltweiten Klimaän- schen Landesgrenze im Süden und umfasst derungen stellt sich auch immer wieder die urbane und ländliche Räume. Frage, wie sich das Klima lokal verändern wird. Insbesondere in Planung und Politik ist die Die Metropolregion ist regional stark gegliedert, Konkretisierung der Auswirkungen der Klima- welches die Abbildung 1.1.1 verdeutlicht. änderungen auf lokaler regionaler Ebene ge- fordert, um mögliche Entwicklungspfade und Anpassungsstrategien aufzuzeigen.

Abb. 1.1.1: Naturräume in der Metropolregion, verändert nach SEEDORF & MEYER (1992).

8 GeoBerichte 18 Das Gebiet der Metropolregion lässt sich grob 1.1.2 Material und Methoden in fünf Großlandschaften gliedern. Dies sind die Lüneburger Heide im Norden, das Die Auswirkungen des Klimawandels in der Altmoränengebiet, welches sich nördlich von Metropolregion wurden auf Basis der Hannover erstreckt, die Lössbörden südlich Klimaszenarienrechnungen des CLM analy- von Hannover sowie der Harz mit dem Harz- siert. Hierfür wurde das Szenario A1B für die vorland und das - und Leinebergland im Untersuchungszeiträume 2021–2050 und Süden der Metropolregion. Jede dieser Land- 2071–2100 im Vergleich zum Referenzzeit- schaften ist durch eine andere Landnutzung raum 1961–1990 (C20-Lauf) gewählt. Die Da- gekennzeichnet. Die Landnutzung wiederum ten wurden von der „Service Gruppe Anpas- ist abhängig von der vorherrschenden Orogra- sung“ (SGA), die am Max-Planck-Institut in phie und den sich daraus ergebenden verän- Hamburg angesiedelt ist, bereitgestellt. Für das derten Temperatur- und Niederschlagsverhält- Szenario A1B stehen insgesamt zwei Realisie- nissen. Die Landnutzung geht bislang nur un- rungen zur Verfügung, und für den C20-Lauf zureichend in die regionale Klimamodellierung wurden drei Rechnungen mit dem CLM durch- mit ein. Zudem wird die Orographie im CLM- geführt. Für die weiterführenden Berechnun- Modell nicht wirklichkeitstreu wiedergegeben. gen wurden die Läufe A1B_1 und C20_2 ge- So ist der Harz im CLM beispielsweise nur wählt. 400 m hoch. Um aber regionale Aussagen zur Veränderung der Grundwasserneubildung, des Das CLM rechnet mit einer Gitterweite von et- Grundwasserdargebots oder des Grundwas- wa 16 x 18 km. In dieser Auflösung sind regio- serflurabstands zu treffen, ist es notwendig, nale Aussagen zu den Klimaänderungen und diese Faktoren mit zu berücksichtigen. deren Auswirkungen jedoch nur begrenzt mög- lich. Daher wurde in einem zweiten Schritt das Ziel des Forschungsprojekts ist es daher, eine mesoskalige Modell FITNAH verwendet. problemorientierte, feinskalige Anpassung der Ergebnisse der regionalen Klimaszenarien an die kleinräumigen Strukturen in der Metropol- region zu erlangen.

Abb. 1.1.2: Darstellung der Temperaturänderungen in der Metropolregion, links mit dem FITNAH und rechts mit dem CLM.

GeoBerichte 18 9 Mit dem FITNAH werden die mesoskaligen Aufgrund der Fülle an Informationen sind in dreidimensionalen Simulationen nicht parallel diesem Bericht nur ausgewählte Klimaparame- zu einem regionalen Klimamodell ausgeführt, ter und daraus abgeleitete Größen dargestellt. sondern vielmehr erfolgt die Übertragung der Eine vollständige Übersicht ist auf der Informa- regionalen Ergebnisse auf die lokale Ebene tions- und Kommunikationsplattform (I+K-Platt- durch ein statistisch-dynamisches Verfahren. form) im Internet auf der Website www.klima Dabei werden die größerskaligen Ergebnisse folgenmanagement.de zu finden. Die im Rah- statistisch ausgewertet und mit den Ergebnis- men des Forschungsprojekts durchgeführten sen einer Vielzahl von mesoskaligen Simulati- Analysen basieren größtenteils auf den CLM- onen verknüpft. Es werden keine lokalen Daten, da es sich hierbei zumeist um allgemei- Klimaszenarienrechnungen für die nächsten ne Trendaussagen handelt. Die Untersuchung Dekaden durchgeführt, sondern die Ergebnisse einzelner Klimaparameter und daraus abgelei- der regionalen Klimamodelle „intelligent“ auf teter Größen wurde am Beispiel der Region kleinere Raumeinheiten interpoliert, wobei eine Uetze/ auf einem Raster von 3 x 3 Gitter- Berücksichtigung der lokalen Besonderheiten punkten durchgeführt. einer Landschaft mit unterschiedlicher Land- nutzung und Relief erfolgt (GROSS 1989). Dies ermöglicht es, auch kleinräumige Unterschiede der einzelnen Klimaparameter sichtbar zu ma- 1.1.3 Temperatur chen, wie sie insbesondere von den anderen Teilprojekten benötigt wurden. Im Mittel bleiben Die Analyse mit dem CLM ergibt für die Metro- die Gitterpunktinformationen des CLM jedoch polregion bis zum Ende des 21. Jahrhunderts erhalten. Der durch die feinere Auflösung er- eine Erhöhung der Mitteltemperaturen um 3,3– zielte Mehrgewinn an Informationen ist in der 3,5 K. In der Metropolregion zeigen sich so- Abbildung 1.1.2 am Beispiel der Temperatur in wohl regionale als auch saisonale Unterschie- der Metropolregion verdeutlicht. de, wie sie in der Abbildung 1.1.3 dargestellt sind. Im Jahresverlauf ist die größte Tempera- Die Daten zu Topographie und Landnutzung turzunahme mit +4 K im Winter zu erwarten. Im wurden vom Landesamt für Bergbau, Energie Sommer zeigt sich die größte Temperaturzu- und Geologie (LBEG) zur Verfügung gestellt. nahme im Süden der Metropolregion, wohin- Sie basieren auf einem 1000-m-Raster im gegen im Winter die höchsten Werte für den Gauß-Krüger-Koordinatensystem auf Basis Norden und Osten simuliert werden. Beim Ver- des geodätischen Referenzsystems WGS84 gleich der Simulationsdaten mit den Messda- (World Geodetic System 1984), welches von ten des DWD im Zeitraum 1961–1990 wurde der Landesvermessung und Geobasisinforma- eine mittlere Abweichung von ±0,5 °C berech- tion Niedersachsen (LGN) bereitgestellt wurde. net. An dieses Raster wurden sowohl die Topogra- phie- als auch die Landnutzungsdaten ange- passt.

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Abb. 1.1.3: Änderung der Temperatur in den Jahreszeiten für den Zeitraum 2071–2100 im Vergleich zum Referenzzeit- raum 1961–1990 in der Metropolregion, simuliert mit CLM.

Durch die Zunahme der Jahresmitteltempera- Jahrhunderts zeigt sich eine signifikante Ab- turen verschieben sich folglich auch die Rän- nahme der Frosttage in der gesamten Metro- der der Verteilungskurve, so dass Sommertage polregion. Es zeigen sich jedoch auch regiona- (Tmax ≥ 25 °C) und heiße Tage (Tmax ≥ 30 °C) le Unterschiede. Besonders betroffen sind die wahrscheinlicher werden und kalte Tage, wie Höhenlagen des Harzes und des Sollings. Hier z. B. Frost- und Eistage, abnehmen. minimiert sich die Zahl der Frosttage zum Ende des 21. Jahrhunderts von über 107 Tagen pro Die Abbildung 1.1.4 zeigt die Entwicklung der Jahr auf nur noch 40 Tage pro Jahr, an denen Frosttage, d. h. Tage mit einer Minimumtempe- die Minimumtemperatur unter 0 °C liegt. Dies ratur < 0 °C, in der Metropolregion im Zeitraum entspricht einer Abnahme um 75 %. 1961–1990 und 2071–2100. Zum Ende des 21.

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Abb. 1.1.4: Mittlere Anzahl der Frosttage pro Jahr im Zeitraum 1961–1990 und 2071–2100 im Vergleich in der Metropol- region, simuliert mit CLM.

Auch im Weser- und Leinebergland ist die Ab- in der Metropolregion in etwa verdreifachen. In nahme der Frosttage gegenüber dem Norden der Abbildung 1.1.5 ist die mit dem CLM simu- der Metropolregion erhöht. Nichtsdestoweniger lierte Anzahl der Sommertage pro Jahr im Zeit- nehmen auch im Norden der Metropolregion raum 1960–2100 dargestellt. Die schwarze die Frosttage um mehr als die Hälfte ab. Es gilt Kurve zeigt die Messdaten des DWD. Beim jedoch zu berücksichtigen, dass die Frosttage Vergleich der Simulationsdaten mit den Beo- im CLM tendenziell eher überschätzt werden bachtungsdaten fällt auf, dass vom Deutschen (KEULER et al. 2007). Vom DWD wurden bei- Wetterdienst mehr Sommertage in dieser Re- spielsweise an der Station Göttingen im Zeit- gion gemessen wurden, als mit dem CLM si- raum 1961–1990 75 Frosttage gemessen, wo- muliert wurden. Allerdings verläuft die Kurve hingegen vom CLM 87 Frosttage simuliert annähernd parallel, so dass darauf geschlos- wurden. Es darf jedoch an dieser Stelle auch sen werden kann, dass das Niveau vom CLM nicht vergessen werden, dass die Informatio- um etwa zehn Tage pro Jahr erhöht werden nen im regionalen Klimamodell keinesfalls mit kann. Der schwarze Punkt zeigt den Rekord- den genauen Positionen der Messstationen wert von 59 Sommertagen im Jahr 2003. Die übereinstimmen. Für Trendaussagen kann das Abbildung verdeutlicht, dass Rekordwerte, wie CLM somit als hinreichend genau betrachtet im Hitzesommer 2003, zukünftig sehr viel häu- werden. figer auftreten könnten. Zudem scheinen noch extremere Sommer möglich. Die Entwicklung Die Sommertage (T ≥ 25 °C) und die heißen max der Sommertage und heißen Tage ist zudem Tage (T ≥ 30 °C) werden sich laut Analysen max geprägt durch eine hohe Jahr-zu-Jahr- mit dem CLM zum Ende des 21. Jahrhunderts Variabilität.

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Abb. 1.1.5: Zahl der Sommertage (Tmax ≥ 25 °C) pro Jahr in Uetze/Celle im Zeitraum 1960–2100, simuliert mit CLM (rot), im Vergleich mit den Beobachtungsdaten (schwarz).

1.1.4 Niederschlag Die Abbildung 1.1.6 zeigt die simulierten und tatsächlich gemessenen Niederschläge in der Die Simulation des Niederschlags stellt die Region Hannover. Für den Zeitraum 1961– Klimamodellierung vor eine große Herausfor- 1990 wurde an der Station Hannover-Langen- derung, da es sich hierbei um einen sehr kom- hagen ein mittlerer Jahresniederschlag von plexen Parameter handelt. Kleinräumige Effek- 655 mm gemessen. Vom CLM wird für den te, wie z. B. Luv-Lee-Effekte, können von den gleichen Zeitraum für diese Gitterbox ein mitt- globalen Klimamodellen aufgrund der großen lerer Jahresniederschlag von 788 mm simu- Gitterweite kaum wiedergegeben werden. Zu- liert. Die Differenz beträgt 133 mm, d. h. das dem wird die Orographie von den globalen CLM simuliert in diesem Fall 20 % mehr Nie- Modellen teilweise stark abgeflacht dargestellt. derschlag als tatsächlich gemessen. Auch in Demzufolge unterscheiden sich die Klimamo- anderen Regionen der Metropolregion wird der delle im Einzelnen teilweise auch sehr in den Niederschlag vom CLM systematisch zu hoch Aussagen zu den Niederschlagsänderungen. berechnet. Wie hoch der Modellfehler ist, ist Beim Vergleich der Niederschlagssimulation jedoch nicht exakt bestimmbar, da auch die verschiedener Globalmodelle zeigt sich, dass Vergleichsdaten, also die gemessenen Nieder- sich viele Modelle im globalen Maßstab nicht schläge vom DWD, mit Fehlern behaftet sind. einmal im Vorzeichen der Niederschlagsände- Allein bei der Niederschlagsmessung ergibt rung einig sind. Diese Unsicherheiten pflanzen sich ein Messfehler von teilweise 10–20 % je sich auch in den regionalen Klimamodellen nach Windverhältnissen. Darüber hinaus liegen fort. Dies ist für den Anwender häufig sehr die Niederschlagsmessstationen in Deutsch- verwirrend. land im Mittel 9 km voneinander entfernt.

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Abb. 1.1.6: Vergleich der DWD-Beobachtungsdaten für die Jahressumme des Niederschlags mit den CLM-Daten für den Gitterpunkt Hannover.

Die teils großen Abweichungen zwischen den 1990 die DWD-Daten verwendet. Die vom DWD-Daten und den CLM-Simulationsergeb- CLM berechneten Niederschlagsmengen wur- nissen sind außerdem auf die immer noch sehr den hinsichtlich bestehender Trends analysiert grobe Auflösung des CLM von ca. 16 x 18 km und quantifiziert. Die bereits heute zu beobach- zurückzuführen, in der kleinräumige Phänome- tenden Niederschlagszunahmen im Winter und ne, wie beispielsweise Luv-Lee-Effekte oder die Niederschlagsabnahmen im Sommer wer- aber auch konvektive Niederschläge, nur unzu- den vom CLM treffend wiedergegeben. Hier reichend dargestellt werden können. Der Jah- ergibt sich hauptsächlich das Problem, dass resgang des Niederschlags wird jedoch sehr die simulierten absoluten Niederschlagssum- gut vom CLM erfasst, wenngleich auch hier in men an sich zu hoch sind. Daher werden im allen Monaten zu hohe Niederschläge simuliert Projekt im Allgemeinen nur relative Nieder- wurden. schlagsänderungen angegeben. Um aber auch Aussagen über absolute Niederschlagsände- Da jedoch Abweichungen von teilweise bis zu rungen treffen zu können, wie sie von den +200 mm Niederschlag in einigen Regionen Teilprojekten „Wasserwirtschaft”, „Energie- der Metropolregion für beispielsweise die Be- pflanzen”, „Feldberegnung” und „Naturschutz” rechnung der Grundwasserneubildung oder für weiterführende Berechnungen benötigt aber für die Abschätzung des zukünftigen werden, werden die vom CLM simulierten pro- Wasserbedarfs für die Feldberegnung viel zu zentualen Änderungen des Niederschlags an groß sind, wurden im Projekt „Regionales Ma- die DWD-Daten angepasst. nagement von Klimafolgen in der Metropolre- gion Hannover – Braunschweig – Göttingen” als Referenzdaten für den Zeitraum 1961–

14 GeoBerichte 18 Beim Niederschlag zeigt sich im Jahresmittel kaum eine Veränderung, allerdings können zwischen einzelnen Jahren deutliche Schwan- kungen von bis zu ±200 mm auftreten. Die Analyse mit dem CLM zeigt jedoch eine deutli- che Verschiebung der Niederschläge im Jah- resverlauf.

Abb. 1.1.7: Prozentuale Änderung der Niederschläge in den Jahreszeiten im Zeitraum 2071–2100 im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961–1990 in der Metropolregion, simuliert mit CLM.

In der Abbildung 1.1.7 ist die prozentuale Ver- zen. Hier wird hauptsächlich im Osten eine änderung der Niederschläge in den einzelnen leichte Abnahme von 4 % vom CLM projiziert, Jahreszeiten im Zeitraum 2071–2100 im Ver- wohingegen im Rest der Metropolregion Nie- gleich zum Referenzzeitraum 1961–1990 dar- derschlagszunahmen um bis zu 8 % berechnet gestellt. Saisonal betrachtet zeigen sich in der wurden. Im Winter sind die größten Nieder- Metropolregion in den Übergangsjahreszeiten schlagszunahmen von bis zu 20 % im Norden Frühling und Herbst unterschiedliche Tenden- der Metropolregion zu verzeichnen. In den

GeoBerichte 18 15 Höhenlagen des Harzes, Sollings und des We- kurve, von großer Relevanz, da sie mit einer ser- und Leineberglandes werden bis zu 15 % hohen Schadwirkung verbunden sind. Extrem- mehr Niederschlag berechnet. Im Sommer ereignisse sind zum Teil subjektiv und werden zeigt sich auch, wie im Winter, ein Nord-Süd- besonders stark dann wahrgenommen, wenn Gefälle, allerdings werden hier für den Norden man selbst davon betroffen ist. Zudem er- auch die größten Niederschlagsabnahmen von schwert die Seltenheit der Ereignisse es häu- -25 % berechnet. In den Höhenlagen liegt die fig, eindeutige Trends aus den Klimadaten ab- Abnahme der Niederschläge in der gleichen zuleiten, da eine leichte Zunahme seltener Er- Größenordnung wie die Zunahme im Winter. eignisse sich prozentual deutlich stärker aus- Bei der monatsweisen Betrachtung der Nieder- wirkt als eine Zunahme eines ohnehin schon schlagsänderungen fällt auf, dass sich bereits häufigen Ereignisses. mittelfristig bis 2050 die Niederschläge verän- Die Abbildung 1.1.8 zeigt am Beispiel der Re- dern, wobei diese aber noch vergleichsweise gion Uetze/Celle die jährliche Summe von Nie- moderat ausfallen. Allerdings sind auch dort derschlagstagen mit mehr als 10 bzw. 25 mm, schon Abnahmen in der Hauptwachstumsperi- wie sie mit dem CLM simuliert wurden. An die- ode der Kulturpflanzen zu erkennen, die sich ser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sich bis 2100 noch verstärken. hierbei um die reinen CLM-Daten handelt. Eine Anpassung an die DWD-Daten wurde hier nicht vorgenommen. In der Graphik ist die ab- 1.1.5 Extremereignisse solute Häufigkeit des Auftretens dieser Ereig- nisse im Simulationszeitraum 1960–2100 auf- Um die möglichen Folgen der Klimaänderun- getragen. Die dicken Linien stellen jeweils das gen für die Metropolregion abzuschätzen, ist zehnjährige gleitende Mittel für den Parameter besonders die Entwicklung von Extremereig- dar. nissen, die äußeren Ränder der Verteilungs-

Abb. 1.1.8: Zahl der Tage pro Jahr mit Niederschlagssummen > 10 mm und > 25 mm in der Region Uetze/Celle, simuliert mit CLM.

16 GeoBerichte 18 Die Entwicklung der intensiven Niederschläge Verlauf der Tage mit intensivem Niederschlag ist überprägt von einer großen Jahr-zu-Jahr- und der nassen Tage, so dass dieses Ergebnis Variabilität. Die Spanne der mit dem CLM si- stellvertretend für die Metropolregion angese- mulierten intensiven Niederschläge beträgt im hen werden kann. Bei der Analyse der maxi- gesamten Zeitraum 7–33 Tage pro Jahr mit malen stündlichen Niederschlagssummen pro Tagesniederschlagssummen > 10 mm. Im Zeit- Dekade in der Region Uetze/Celle wurde ein raum 1961–1990 simuliert das CLM 16 Tage linearer Anstieg festgestellt. Die Schwan- mit intensivem Niederschlag. Mittelfristig bleibt kungsbreite liegt hier allerdings zwischen 8 und dieses Niveau annähernd bestehen. Allerdings 14 mm, wohingegen vom DWD erst Nieder- verstärkt sich auch die Variabilität intensiver schlagsmengen von mehr als 17,1 mm pro Niederschläge zwischen 2050 und 2090. Ins- Stunde als Starkregenereignis definiert wer- gesamt scheint sich die Zahl der intensiven den. Niederschlagstage in der Region Uetze/Celle Bei den Extremtemperaturen ist nicht nur die bis 2090 um 2–3 Tage im Vergleich zum Refe- absolute Anzahl, sondern insbesondere die renzzeitraum leicht zu erhöhen. Danach zeigt Andauer solcher Ereignisse von Interesse. das zehnjährige gleitende Mittel eine leicht Analysen mit dem CLM für die Region rückläufige Tendenz. Ein signifikanter Anstieg Uetze/Celle haben ergeben, dass sich die ab- der intensiven Niederschläge ist aus dieser soluten Maximumtemperaturen im Verlauf des Abbildung nicht zu erkennen. Ähnlich verhält 21. Jahrhunderts erhöhen werden. So können es sich mit den nassen Tagen. Die Abbildung auch Tageshöchsttemperaturen von mehr als verdeutlicht, dass Tagesniederschlagssummen 40 °C zum Ende des 21. Jahrhunderts ver- mit mehr als 25 mm in der Region Uetze/Celle stärkt auftreten. Aber auch die Zahl und An- ein seltenes Ereignis sind. Im gesamten Simu- dauer von Hitzeperioden verstärkt sich im Si- lationszeitraum werden vom CLM pro Jahr 0–4 mulationszeitraum. Die Abbildung 1.1.9 zeigt nasse Tage pro Jahr simuliert. Auch hier ist die mit dem CLM simulierte Häufigkeit und An- zunächst kein Trend einer Zunahme der Tage dauer von Hitzeperioden mit Maximumtempe- mit mehr als 25 mm Niederschlag pro Jahr zu raturen ≥ 30 °C und ≥ 35 °C am Beispiel von erkennen. In den Vertiefungsregionen Hildes- Hannover. heim und Göttingen zeigt sich ein ähnlicher

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Abb. 1.1.9: Entwicklung der Häufigkeit und Andauer von Hitzeperioden mit Tmax ≥ 30 °C und ≥ 35 °C in Hannover, simuliert mit CLM (SAUER 2009).

Der Vergleich der simulierten Hitzeperioden mit Tagen Tageshöchswerte von mehr als 35 °C den Beobachtungsdaten des DWD hat erge- wahrscheinlich werden. ben, dass die Andauer vom CLM etwas über- Die Veränderungen der Klimaparameter sowie schätzt wird. Dennoch lassen sich aus der der Extremereignisse sind jedoch meist erst Analyse der Andauer von Hitzeperioden dann von Relevanz, wenn sie persönlich bzw. Trends für die Metropolregion ableiten. Perio- die Auswirkungen anhand der Umwelt wahrge- den mit einem anhaltenden Tagesmaximum nommen werden. So haben die klimatischen von mehr als 30 °C könnten zum Ende des 21. Veränderungen beispielsweise einen großen Jahrhunderts bis zu 21 Tage andauern, wohin- Einfluss auf die Anbaubedingungen und die gegen unter Berücksichtigung der Reanalyse- Produktivität von Kulturpflanzen. daten an maximal 4–5 aufeinanderfolgenden

18 GeoBerichte 18 1.1.6 Auswirkungen des Klimawandels auf die Anbaubedingungen von Kulturpflanzen

Durch den Klimawandel ergeben sich aus klimatologischer Sicht sowohl Risiken als auch Chancen für die Landwirtschaft. Durch die hö- heren Mitteltemperaturen, insbesondere im Winter, verschiebt sich die Vegetationsperiode. Dabei kommt es sowohl zu einer Verfrühung als auch zu einem späteren Ende der Vegeta- tionszeit um 3–4 Wochen. In der Abbildung 1.1.10 sind Beginn und Ende der Vegetations- periode in der Region Uetze/Celle dargestellt.

Abb. 1.1.10: Beginn und Ende der Vegetationsperiode in der Region Uetze/Celle, Schwellenwert 5 °C.

Tab. 1.1.1: Beginn und Ende der Vegetationsperiode in der Region Uetze/Celle, Schwellenwert 5 °C.

Vegetationsbeginn (5°C) Vegetationsende Länge der Vegetationsperiode Zeitraum (Tag des Jahres) (Tag des Jahres) (Länge in Tagen) 1961–1990 81 (22. März) 315 (11. November) 234 2021–2050 73 (14. März) 330 (26. November) 257 2071–2100 37 (6. Februar) 341 (7. Dezember) 304

Der Vegetationsbeginn ist definiert als der Tag schnittlichen Eintrittstermine für die drei Be- des Jahres, an dem an fünf aufeinanderfolgen- trachtungszeiträume 1961–1990, 2021–2050 den Tagen eine Mitteltemperatur von 5 °C nicht und 2071–2100 sind in der Tabelle 1.1.1 zu- mehr unterschritten wird. Die Abbildung 1.1.10 sammengefasst. Die durchschnittliche Länge zeigt, dass sich der bereits zu beobachtende der Vegetationsperiode im Referenzzeitraum Trend eines früheren Vegetationsbeginns als 1961–1990 deckt sich sehr gut mit den Beo- auch eines späteren Vegetationsendes zukünf- bachtungsdaten, die in der Abbildung 1.1.11 tig fortsetzen wird. Dadurch verlängert sich dargestellt sind. insgesamt die Vegetationsperiode. Die durch-

GeoBerichte 18 19

Abb. 1.1.11: Mittlere Länge der thermischen Vegetationsperiode in Deutschland im Zeitraum 1961–2000 in Tagen (nach CHMIELEWSKI 2007).

Mit dem CLM wurde im Zeitraum 1961–1990 Referenzzeitraum 1961–1990. Dies würde ein durchschnittlicher Vegetationsbeginn am nach Angaben von KÖRNER (2006) einer Ver- 81. Tag des Jahres berechnet. Dies entspricht frühung um vier Wochen, also 28 Tagen, ent- dem 22. März. Bis zum mittelfristigen Zeitraum sprechen. Hier gilt es jedoch zu berücksichti- 2021–2050 wird eine Verfrühung um acht Ta- gen, dass es sich nur um Durchschnittswerte ge, also den 14. März, berechnet. Laut KÖRNER handelt. Die Abbildung 1.1.10 verdeutlicht, (2006) führt eine mittlere Erwärmung um 1 °C dass der Beginn der Vegetationsperiode zwi- zu einer Verfrühung des Vegetationsbeginns schen einzelnen Jahren stark schwanken um circa eine Woche. Die mit dem CLM be- kann. Das Ende der Vegetationsperiode ver- rechnete Verfrühung der Vegetationsperiode zögert sich ebenfalls, allerdings mit durch- ist mit einem um durchschnittlich 44 Tage frü- schnittlich 26 Tagen in geringerem Maße als heren Einsetzen im Zeitraum 2071–2100 ge- der Vegetationsbeginn. Die Analysen mit dem genüber dem Referenzzeitraum 1961–1990 je- CLM bestätigen somit den bereits heute zu be- doch deutlich höher. Werden dem Vegetati- obachtenden Trend einer Verlängerung der onsbeginn die Wintertemperaturen zugrunde thermischen Vegetationsperiode. Dies lässt gelegt, so werden diese zum Ende des 21. sich auch auf andere Regionen in der Metro- Jahrhunderts um 4 °C höher simuliert als im polregion und in Deutschland übertragen.

20 GeoBerichte 18 Mehrjährige Kulturen, wie z. B. die Zuckerrübe, 1.1.7 Zusammenfassung könnten grundsätzlich von einer längeren Ve- getationsperiode profitieren, da sie auch nach Die genaue Abschätzung all dieser Faktoren ist Erreichen der Reife noch weiterwachsen kön- schon heute für die Landwirtschaft, einem der nen. Darüber hinaus sind temperaturbedingt wichtigsten ökonomischen Zweige in der Met- Ertragssteigerungen bei all denjenigen Pflan- ropolregion, von hoher Relevanz. Aus den Kli- zen zu erwarten, die heute noch unterhalb ih- madaten lässt sich eine grobe Tendenz ablei- res Temperaturoptimums wachsen. Hingegen ten, allerdings ist dieser Trend von einer gro- könnten sich durch die höheren Mittel-, aber ßen Jahr-zu-Jahr-Variabilität überlagert, auf die auch Extremtemperaturen die einzelnen Ent- die Landwirte schon heute reagieren müssen. wicklungsphasen der Pflanzen verschieben Die Trockenjahre 2003 und zum Teil auch bzw. verkürzen, wodurch mit potenziellen Ern- 2006 haben gezeigt, dass eine rasche Anpas- te- und Qualitätsverlusten zu rechnen ist. Dies sung an solche Extremsituationen nicht immer betrifft beispielsweise die Kornfüllungsphase möglich ist. Die Folge sind Ertragseinbußen des Weizens, in der bereits Temperaturen von und damit auch ökonomische Verluste. Hier ist mehr als 30 °C zu reduziertem Wachstum füh- es die Aufgabe der Forschung, aber auch der ren. Politik, weiterhin die ökologischen und ökono- Die Analysen mit dem CLM haben gezeigt, mischen Folgen durch den Klimawandel abzu- dass die Gefahr von Spätfrostereignissen, d. h. schätzen und kurz-, mittel- und langfristige Lö- Minimumtemperaturen unter 0 °C nach Einset- sungsansätze zu erarbeiten. zen der Vegetationsperiode, nicht steigt. Durch Abschließend soll in diesem Zusammenhang die längere Vegetationszeit scheint bei ange- noch einmal auf die Möglichkeiten und Gren- passter Sortenwahl eine frühere Ernte im Jahr zen der regionalen Klimamodellierung auf- bzw. sogar zwei Ernten pro Jahr grundsätzlich merksam gemacht werden. Die hier gezeigten möglich. Ergebnisse dürfen nur als eine mögliche Ent- Der limitierende Faktor in der Landwirtschaft wicklung betrachtet werden, die, aufgrund der bleibt weiterhin das Wasser. Die Wahrschein- gegebenen Unsicherheiten, eine gewisse lichkeit trocken-heißer Perioden steigt im Ver- Bandbreite aufzeigen. Bei Verwendung eines lauf des 21. Jahrhunderts. Dies bedeutet, dass anderen Regionalisierungsmodells können die auf den ohnehin schon trockenen Standorten Klimaänderungssignale, z. B. beim Nieder- im Norden der Metropolregion, auf denen san- schlag, teilweise deutlich variieren. Zudem dige Böden mit geringer Wasserspeicherkapa- handelt es sich bei den hier gezeigten Ergeb- zität dominieren, zukünftig verstärkt beregnet nissen nicht um Prognosen im Sinne einer werden muss, um die Erträge zu sichern. Hier Wettervorhersage, sondern um Klimaszena- stellt sich die Frage, woher das zusätzliche rienrechnungen, die unter bestimmten Annah- Wasser für die Feldberegnung entnommen men getroffen werden. Allerdings bilden diese wird. Nutzungskonflikte, z. B. mit dem Natur- Trendaussagen den derzeit besten Stand der schutz, sind sehr wahrscheinlich. Inwieweit die Forschung und ermöglichen es schon heute, erhöhte Wassernutzungseffzienz durch den auf den Klimawandel in der Metropolregion zu reagieren und vorausschauend geeignete An- CO2-Düngeeffekt den Wassermangel kompen- sieren kann, bleibt fraglich. Gleichzeitig können passungsstrategien zu entwickeln. auch vermehrt extreme Niederschlagsmengen auftreten, z. B. durch sommerliche Gewitter. Dadurch steigen die Gefahr von Erosion und die Auswaschung von Nährstoffen, wenn diese auf die ausgetrockneten Böden treffen. Die all- gemeine Verschiebung der Niederschläge vom Sommer in den Winter kann zusätzlich die Bo- denbewirtschaftung erschweren, wenn die Bö- den aufgrund von Staunässe nicht mehr be- fahrbar sind.

GeoBerichte 18 21 1.1.8 Literatur

CHMIELEWSKI, F.-M. (2007): Folgen des Klima- wandels für Land- und Forstwirtschaft. — In: ENDLICHER, W. & GERSTENGARBE, F.-M. (Hrsg.): Der Klimawandel - Einblicke, Rück- blicke und Ausblicke: 75–85. – Geographi- sches Institut, Humboldt-Universität zu Ber- lin.

GROSS, G. (1989): Numerical simulations of the nocturnal flow system in the Freiburg area for different topographies. — Beitr. Phys. Atmosph.: 57–72.

KEULER, K., WILL, A., RADTKE, K. & WOLDT, M. (2007): Hinweise zur Nutzung von CLM- Ergebnissen. — CLM-Workshop und Kon- taktforum 7. Dezember 2007, Powerpoint- Präsentation; Hamburg.

KÖRNER, C. (2006): Significance of temperature in plant life. — In: MORISON, J. I. L. & MORE- CROFT, M. D. (Hrsg.): Plant Growth and Cli- mate Change: 48–69. – Oxford (Blackwell).

KRAUSE, A. (2011): Regionales Management von Klimafolgen in der Metropolregion Han- nover-Braunschweig-Göttingen. — Instituts- bericht 77, 120 S., Institut für Meteorologie und Klimatologie der Leibniz Universität Hannover.

SAUER, M. (2009): Analyse regionaler Klima- szenarien für Niedersachsen. — Bachelor- arbeit am Institut für Meteorologie und Kli- matologie, 76 S., Leibniz Universität Hanno- ver.

SEEDORF, H. H. & MEYER, H.-H. (1992): Lan- deskunde Niedersachsen - Natur- und Kul- turgeschichte eines Bundeslandes, Band 1: Historische Grundlagen und naturräumliche Ausstattung. – 517 S.; Neumünster (Wach- holtz).

22 GeoBerichte 18 2 Teilprojekt 2: 2.1.1 Einleitung Energiepflanzen Die Förderung von regenerativer Energie ver- folgt das Ziel, ihren Anteil in der EU auf 20 % 2.1 Einfluss des Klimawandels auf bis zum Jahr 2020 zu erhöhen (BMU 2007). Standortpotenziale von Dies soll auch bzw. vor allem durch den Aus- bau der Bioenergienutzung erreicht werden. Bioenergiepflanzen in der Der Anbau und die Nutzung von Energiepflan- Metropolregion Hannover – zen leisten bereits heute einen wichtigen Bei- Braunschweig – Göttingen trag zum Klimaschutz in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen. In CHRISTINA LENSSEN & UDO MÜLLER zahlreichen Anlagen wird bereits Biogas pro- duziert, und das Interesse an einer Verwertung Kurzfassung landwirtschaftlicher Produkte in diesem Seg- ment wächst. Mit einem Flächenanteil von ca. Die Berechnungen der Biomassepotenziale 60 % besitzt die Landwirtschaft und hier das und die Identifikation empfindlicher Standorte Segment der Bioenergie auch eine wichtige beruhen auf bodenkundlichen Auswertungsme- wirtschaftliche und soziale Bedeutung in der thoden des Niedersächsischen Bodeninforma- Metropolregion. Mit Blick auf die Wachstums- tionssystems (NIBIS®) unter Verwendung von zahlen wird sich diese Tendenz zukünftig ver- Klimaszenarien des Klimamodells CLM. stärken und damit die Bedeutung des Wirt- schaftsfaktors Bioenergie noch zunehmen. Geringere Niederschläge und höhere Tempe- ratursummen in der Vegetationszeit führen zu In Folge des Klimawandels werden sich die Wassermangel, Hitzestress und dadurch zu Anbaubedingungen für Energiepflanzen lokal reduzierten Biomasseerträgen. Legt man die differenziert verändern. Bei einer Ausweitung Klimaszenarien des Klimamodells zu Grunde, der Anbauflächen von Bioenergiepflanzen ist nehmen die Erträge im Norden der Metropol- damit zu rechnen, dass einerseits Konflikte zu region deutlich ab. Der Süden der Region profi- anderen Nutzungen, wie z. B. der Futterpflan- tiert hingegen von den höheren Temperaturen zen- und Nahrungsmittelproduktion, auftreten im Klimawandel durch eine höhere Biomasse- werden. Andererseits bieten integrative Kon- produktion. Früher beginnende und länger an- zepte für den Energiepflanzenanbau die Chan- dauernde Vegetationszeiten erlauben die Auf- ce, ertragsarme Standorte in der landwirt- nahme von wärmeliebenden Bioenergiepflan- schaftlichen Produktion zu halten. Die Stand- zen in die Fruchtfolgen und den Anbau von ortwahl, sowohl für den Anbau der Bioenergie- Zweitkulturen und Zwischenfrüchten zur Bio- pflanzen als auch für die Errichtung der Anla- energiegewinnung. Im Norden können trocken- gen zu deren Verwertung, spielt dabei eine heitstolerante Energiepflanzen eine Alternative zentrale Rolle, um Zielsetzungen des Klima- auf für Marktfrüchte unrentabel gewordenen schutzes zu erreichen und die Energieversor- Grenzertragsstandorten bieten. Die geringsten gung aus regenerativen Quellen langfristig ab- Ertragspotenziale kommen im Nordosten der zusichern. Metropolregion vor. Aufgrund der bisher bekannten Klimaszenarien Die Auswertung zeigte, dass der Klimawandel gibt es eine Tendenz zu steigenden Tempera- sowohl Vorteile im Süden der Metropolregion turen in der Vegetationsperiode bei gleichzeitig als auch Nachteile im Norden mit sich bringt. geringeren Niederschlägen. Dies bedeutet eine Auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse verstärkte Inanspruchnahme des Bodenwas- können Maßnahmen ergriffen werden, um Er- serhaushaltes durch die steigende Verduns- tragsverlusten rechtzeitig durch pflanzenbauli- tung und wahrscheinlich eine geringere Grund- che und beregnungstechnische Entscheidun- wasserneubildung. Nicht ohne Grund werden gen entgegen zu wirken. die Wasserressourcen für die Auswirkungen des Klimawandels als besonders anfällig ge- sehen. Der Bodenwasserhaushalt hat einen unmittelbaren Einfluss auf die pflanzenbauliche Produktion (EHLERS 1996) und damit auch auf das Standortpotenzial für den Energiepflan- zenbau.

GeoBerichte 18 23 Beim Betrieb von Biogasanlagen mittels Pflan- HARTMANN 1994). Unterschiedliche Kultur- zenmasse wird bisher vor allem Mais einge- pflanzen wurden in Mischungen und Fruchtfol- setzt (HERRMANN & TAUBE 2006). Um das Er- gen auf nordhessischen und südniedersächsi- tragspotenzial anderer Bioenergiepflanzen zu schen Versuchsstandorten erprobt und im fördern und die Anbauattraktivität zu steigern, Rahmen des Bioenergiedorf-Projektes zum werden neben pflanzenbaulichen vor allem ersten Mal großflächig in die Praxis eingeführt züchterische Maßnahmen durchgeführt. Ein (RUPPERT 2006). Auf fruchtbaren Standorten weiterer Weg zur verstärkten Gewinnung von wurden die Zweikulturnutzung an die klimati- Biomasse ist die möglichst ganzjährige Nut- schen Bedingungen von Vormittelgebirgsstan- zung des Produktionsstandortes, z. B. durch dorten angepasst und erstmals Anbaukonzepte Grünlandnutzung, den Anbau von mehrjähri- auf der Grundlage von Winterhauptkultur und gen Futterpflanzen sowie Zweitfruchtbau sommerannueller Zwischenkultur (KARPEN- (GRASS & SCHEFFER 2005). Allerdings wird bei STEIN-MACHAN 2005) erfolgreich durchgeführt. diesem Anbausystem durch eine ständige Bo- Mit dem voranschreitenden Klimawandel ist in denbedeckung und die damit einhergehende der Landwirtschaft mit veränderten Anbaube- Transpiration der Bodenwasserhaushalt be- dingungen zu rechnen. Um die ökonomischen sonders beansprucht. Bisher ist noch nicht ge- Auswirkungen durch Ertragsverluste rechtzeitig klärt, welche Auswirkungen der Klimawandel abschätzen und diesen entgegen wirken zu auf den standortabhängigen Bodenwasser- können, sind Kenntnisse über die Standortpo- haushalt und damit auf die Anbausysteme für tenziale für die Entwicklung der Biomasse im Energiepflanzennutzung hat (CHRISTEN 2006). Klimawandel notwendig. Auch für Gebiete, die Bekannte Probleme durch Bodenerosion und vom Klimawandel profitieren, lassen sich früh- Stoffauswaschung können verschärft werden. zeitig Konzepte zur effektiven Nutzung der Po- Bei der Ausbringung von Gärresten ist deren tenziale entwickeln. Anrechnung in der Nährstoffbilanz vor allem für den Grundwasserschutz von Bedeutung (RODE & SCHLEGELMILCH 2006). Für den Anbau von Bioenergiepflanzen erscheinen Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion problematisch sein können, besonders gut geeignet. Hierzu zählen vor allem Standorte mit flächenhaften stofflichen Bodenbelastungen oder Rekultivie- rungsgebiete. Die Frage nach dem Nutzungs- potenzial von ertragsarmen Grenzstandorten kann noch nicht endgültig beantwortet werden, da dies im Wesentlichen von den Marktbedin- gungen und den standörtlichen Anforderungen abhängt (WERNER et al. 2005). Die Ansprüche von Pappeln oder Weiden (Kurzumtriebsplan- tagen) an den Standort sind beispielsweise ge- ring (JUG 1997). Positiv sind Anbauverfahren zu bewerten, die sich im Rahmen der guten fachlichen Praxis bewegen und die Anforde- rungen nach Cross Compliance erfüllen. Dazu zählen die Minimierung von Bodenerosion und Bodenverdichtung, die bedarfsgerechte Dün- gung und Minimierung des Stoffaustrages, die Einhaltung der Fruchtfolge und der Humusbi- lanz sowie die Reduzierung des chemischen Pflanzenschutzes. Es liegen umfangreiche wissenschaftliche Ar- beiten zum Anbau von zahlreichen potenziellen Energiepflanzen auf unterschiedlichen Stand- orten vor (KARPENSTEIN-MACHAN 1997, 2005, 2006; KARPENSTEIN-MACHAN, HONERMEIER &

24 GeoBerichte 18 2.1.2 Methode zur Bewertung standortbezogener Biomassepotenziale

Am Landesamt für Bergbau, Energie und Geo- logie (LBEG) wurden standortbezogene Bio- massepotenziale in Abhängigkeit vom Klima- wandel ermittelt. In die Methode zur Berech- nung der Biomassepotenziale (t/ha Trocken- masse) fließen Klima-, Boden- und Pflanzen- daten ein (Abb. 2.1.1). Die Bodendaten wurden der Bodenübersichtskarte im Maßstab 1 : 50 000 (BÜK 50) entnommen, die am LBEG im Niedersächsischen Bodeninformationssys- tem (NIBIS®) vorliegt. Bodenkundliche Kenn- werte wurden mit dem Methodenmanagement- ® system MeMaS nach den Auswertungsme- thoden im Bodenschutz (MÜLLER 2004) aus- gewertet.

Abb. 2.1.1: Schema der Methode zur Berechnung der Biomassepotenziale.

GeoBerichte 18 25 Zur Berechnung der Biomassepotenziale wird zunächst die pflanzenspezifische Verdunstung mittels kulturspezifischer Faktoren (Tab. 2.1.1) aus der potenziellen Grasreferenzverdunstung für Monatswerte (DVWK 1996) abgeleitet.

Tab. 2.1.1: Pflanzenspezifische Verdunstungsfaktoren (kc-Faktoren) (Quellen: SPONAGEL (1980), DOMMERMUTH & TRAMPF (1991), DVWK (1996)).

Pflanze Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai. Jun. Jul. Aug. Sep. Okt. Nov. Dez. Zuckerrübe 0,65 0,65 0,6 0,5 0,75 1,05 1,4 1,3 1,1 0,9 0,65 0,65 Mais 0,65 0,65 0,6 0,45 0,6 0,9 1 1,05 1,05 0,8 0,65 0,65 Kartoffeln früh 0,65 0,65 0,6 0,5 0,9 1,05 1,45 1,2 0,9 0,6 0,65 0,65 Kartoffeln spät 0,65 0,65 0,6 0,5 0,7 1,1 1,4 1,35 1,1 0,6 0,65 0,65 Sommergetreide 0,65 0,65 0,8 0,9 1,2 1,35 1,2 0,6 0,65 0,6 0,65 0,65 Winterweizen 0,65 0,65 0,8 0,85 1,15 1,45 1,4 1 0,65 0,7 0,65 0,65 Wintergerste 0,65 0,65 0,85 0,95 1,3 1,35 1,25 0,6 0,65 0,9 0,65 0,65 Winterroggen 0,65 0,65 0,85 0,9 1,2 1,3 1,25 0,95 0,65 0,7 0,65 0,65 Triticale 0,65 0,65 0,85 0,9 1,2 1,3 1,25 0,95 0,65 0,7 0,65 0,65 Raps 0,65 0,65 0,85 1 1,35 1,35 1,1 0,6 0,85 0,9 0,65 0,65 Sonnenblume 0,65 0,65 0,6 0,49 0,75 1,04 1,33 1,24 1,03 0,7 0,65 0,65 Silphie 0,65 0,65 0,77 0,80 1,09 1,27 1,28 0,96 0,80 0,74 0,65 0,65 Hirse 0,65 0,65 0,6 0,45 0,6 0,9 1 1,05 1,05 0,8 0,65 0,65 Topinambur 0,65 0,65 0,6 0,5 0,7 1,1 1,4 1,35 1,1 0,6 0,65 0,65 Ackergras 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1

Die Beziehung zwischen Verdunstung und (Tab. 2.1.2). Anhand der pflanzenspezifischen Trockenmasseproduktion liefert der Transpira- aktuellen Verdunstung kann mittels des Trans- tionskoeffizient (TK). Er beschreibt den Was- pirationskoeffizienten (Wasserverbrauch zum serbedarf der Pflanze zum Aufbau eines Kilo- Aufbau eines Kilogramms Trockenmasse) die gramms Trockenmasse. Einige Pflanzen, wie in der Vegetationsperiode gebildete oberirdi- Hirsen, Winterroggen, Wintergerste oder Mais, sche Biomasse berechnet werden. Vorausge- sind wassereffizient und benötigen etwa 200– setzt wird eine optimale Versorgung der Pflan- 400 l zur Synthese eines Kilogramms oberirdi- ze mit Nährstoffen und eine ausreichende scher Biomasse (Trockenmasse). Kartoffeln Wasserversorgung. oder Raps hingegen benötigen mehr Wasser

26 GeoBerichte 18 Tab. 2.1.2: Transpirationskoeffizienten (TK) der einiger Kulturpflanzen (Quellen: HOFHANSEL (2007), LOISKANDL (2008), STEUDLE (2002)).

Kultur TK (mm) Kultur TK (mm) Mais 250 Triticale 350 Zuckerrüben 350 Raps 650 Kartoffeln 550 Sonnenblumen 550 Sommergetreide 400 Silphie 250 Winterweizen 400 Hirse 250 Wintergerste 300 Topinambur 350 Winterroggen 300 Miscanthus 350

Limitierender Faktor für die Biomassesynthese 2.1.3 Ergebnisse der ist vor allem in den Sommermonaten die Was- Szenarienberechnung serverfügbarkeit. Das den Pflanzen zur Verfü- gung stehende Wasser wurde über die Kenn- Die Auswirkungen des Klimawandels wurden werte nutzbare Feldkapazität im effektiven für die Metropolregion Hannover – Göttingen – Wurzelraum (nFKWe), den kapillaren Aufstieg Braunschweig auf Basis der globalen und regi- aus dem Grundwasser und den Niederschlag onalen Klimaszenarien (ECHAM5, CLM; BÖHM für jeden Monat der Vegetationszeit berechnet. et al. 2006) berechnet, mit Hilfe mesoskaliger Reicht das Wasserangebot aus, kann die ma- Modelle auf 1 x 1 km regionalisiert und für das ximale Biomasse produziert werden. Über den Gebiet der Metropolregion dargestellt. Der Re- Transpirationskoeffizienten wird die realisierba- ferenzzeitraum ist 1961–1990. Für die Auswer- re Biomasse bestimmt. Bei Bodenwasserge- tungen wurden die Prognosezeiträume 2021– halten unter 40–50 % geraten viele Kultur- 2050 und 2071–2100 herangezogen. pflanzen in Trockenstress. Sie schränken ihre Verdunstung ein, was einen geringeren Bio- In Abbildung 2.1.2 sind die bodenkundlichen masseaufbau zur Folge hat (EHLERS 1996; Standorteigenschaften dargestellt. Der nördli- OBERFORSTER, FLAMM & PRIELER 2008). che Teil der Region bis etwa zum Mittellandka- nal ist durch sandige Böden mit geringerem Vom IPCC (2007) wird für die kommenden 50 Wasserspeichervermögen und geringeren Bo- Jahre ein Anstieg der atmosphärischen CO2- denzahlen gekennzeichnet. Es schließt sich Konzentration von 380 ppm auf 550 ppm prog- ein Lössgürtel (Börden) mit Böden hohen nostiziert. Eine erhöhte Konzentration wirkt Wasserspeichervermögens und entsprechend sich positiv auf die Biomassebildung aus, wenn hohem Ertragspotenzial an. Der südliche Teil Wasser- und Nährstoffangebot nicht begrenzt der Region ist von Böden aus Festgestein ab- sind (PENDALL et al. 2001). Die Ertragssteige- wechselnd mit Lössbecken geprägt. Die Bo- rung liegt in Feldversuchen zwischen 5 und deneigenschaften sind entsprechend wech- 35 % (WEIGEL 2007; MANDERSCHEID, FRÜHAUF selnd (s. Abb. 2.1.2). & WEIGEL 2003). Da das Ausmaß jedoch noch unsicher ist, wurden Ertragssteigerungen von 5 % für den Zeitraum von 2021–2050 und 10 % für 2071–2100 angenommen. Die be- rechneten Biomasseerträge wurden mit Daten des statistischen Landesamtes (KECKL 2010) und Werten aus der Literatur (KTBL 2005; KTBL 2006; FNR 2008; LÜTKE, ENTRUP & OEH- MICHEN 2000; KARPENSTEIN-MACHAN 2005) verglichen und ergänzt.

GeoBerichte 18 27

Abb. 2.1.2: Bodenarten, Ackerzahlen und pflanzenverfügbares Bodenwasser in der Metropolregion.

28 GeoBerichte 18 Ist-Zustand 1961–1990 potenziale auf Standorten mit einem hohem Anteil pflanzenverfügbarem Bodenwasser Die höchsten Biomassepotenziale der Somme- ebenso hoch wie in der Bördelandschaft. Die rungen (Kulturen, die im Frühjahr ausgebracht Temperaturen erlauben bei ausreichender und im Sommer/Herbst geerntet werden) lie- Wasserverfügbarkeit eine hohe Biomassepro- gen im Lössgürtel der Metropolregion. Die tief- duktion. Deutlich geringer sind die Potenziale gründigen und nährstoffreichen Böden erwär- in den Beregnungsregionen im östlichen Be- men sich zu Beginn der Vegetationszeit rasch reich der Metropolregion. Hier fallen im Ver- und ermöglichen einen frühen Beginn der Bio- gleich zum übrigen Betrachtungsraum die ge- masseentwicklung. Im kühleren und feuchteren ringsten Niederschläge. Ohne Beregnung sind Süden der Region liegen die Biomassepoten- die Erträge gering (Beispiel Kartoffeln und Hir- ziale niedriger. Im Nordteil sind die Biomasse- se, Abb. 2.1.3).

Abb. 2.1.3: Biomassepotenziale für Sommerungen (Kartoffeln und Hirse) und Winterung (Winterweizen) in der Metropolregion (Ist-Szenario).

Für die Winterungen (Kulturen, die im Herbst bleibt bei den Winterungen im positiven Be- ausgebracht und im Sommer des Folgejahres reich, und auch die nutzbare Feldkapazität fällt geerntet werden) lassen sich ähnliche Biomas- nicht unter die kritische Grenze von 50–40 %. sepotenziale in der gesamten Metropolregion Geringere Biomassepotenziale sind bei den erkennen. Die frühen Kulturen mit geringem bis Winterungen im Osten der Region und auf ver- mittlerem Wasserbedarf können auf die über einzelten Flächen mit geringem pflanzenver- den Winter aufgefüllten Bodenwasserspeicher fügbarem Bodenwasser vorwiegend im Norden zurückgreifen. Zusammen mit den Frühjahrs- festzustellen (Beispiel Winterweizen, Abb. niederschlägen wird der Wasserbedarf ausrei- 2.1.3, Tab. 2.1.3). chend gedeckt. Der Bodenwasserhaushalt

Tab. 2.1.3: Biomassepotenziale im Ist-Szenario für Sommerungen und Winterungen.

Ist-Szenario Sommerungen Winterungen hohe Potenziale bei guter, Norden geringe Potenziale bei schlechter Wasserversorgung ähnlich hohe Potenziale im gesamten Bereich Mitte höchste Potenziale im Lössgürtel der Metropolregion Süden geringere Potenziale durch niedrige Temperatursummen

GeoBerichte 18 29 Zukunftsszenario 2071–2100 Biomasseleistungen durch höhere Verduns- tungsraten realisiert werden. Geringere Nie- Die verminderten Niederschläge in den Som- derschläge wirken sich bei den bisher verhält- mermonaten und die steigenden Temperaturen nismäßig hohen Regenmengen in der Mittel- verursachen bei den Pflanzen Trockenstress. gebirgslandschaft bis zum Ende des Jahrhun- Im Norden der Metropolregion sind bei den derts noch nicht negativ aus. Abnehmende Po- Sommerungen deutliche Einbußen der Bio- tenziale sind im südlichen Bereich nur auf ver- masseproduktion zu erwarten, die Erträge einzelten flachgründigen und tonreichen Flä- nehmen um mehr als 20 % ab. Ausnahmen chen mit geringen pflanzenverfügbaren Bo- kommen in den Auenbereichen der Nordhälfte denwassergehalten zu verzeichnen. Die was- vor. Die hier tiefgründigen und speicherfähigen sereffizienteren C4-Pflanzen (Pflanzen mit ei- Böden mit Grundwasseranschluss gleichen nem höheren Kohlenstoff(C)-Aneignungsver- fehlendes Niederschlagswasser durch hohe mögen bei der Photosynthese), wie beispiels- pflanzenverfügbare Bodenwasserspeicher aus. weise Hirsen, reagieren auf die zunehmende Wasserknappheit im Norden der Metropolregi- In der Metropolregion bewirkt der Klimawandel on ebenso mit verminderter Biomasseprodukti- durch höhere Temperaturen einen früheren on wie die übrigen Sommerungen (Beispiel Beginn der Vegetationszeit (s. Tab. 1.1.1, Kap. Kartoffeln: Abb. 2.1.5, Hirsen: Abb. 2.1.6). 1.1; s. Abb. 2.2.4, Kap. 2.2.) im Vergleich zu den derzeit typischen Vegetationsperioden (Abb. 2.1.4). Bereits im Frühjahr können hohe

Abb. 2.1.4: Vegetationszeiten verschiedener Kulturpflanzen (nach KTBL 2005, KTBL 2006, LÜTKE ENTRUP & OEHMICHEN 2000).

30 GeoBerichte 18

Abb. 2.1.5: Veränderung der Biomassepotenziale [%] bei Kartoffeln.

Abb. 2.1.6: Veränderung der Biomassepotenziale [%] bei Hirsen.

GeoBerichte 18 31 Auf die Winterungen wirkt sich der Klimawan- wie vor gedeckt, so dass auch im Norden die del schwächer aus. Beinahe in der gesamten Potenziale mit bis zu 10 % leicht zunehmen. Region sind leichte Steigerungen des Biomas- Ausgenommen hiervon ist der Osten der nörd- sepotenzials zu erkennen (Beispiel Wintergers- lichen Metropolregion. In den trockenen Be- te: Abb. 2.1.7). Die höheren Temperaturen in regnungsgebieten mit geringem Bodenwasser- den frühen Vegetationsmonaten sorgen vor al- speicher reicht das Wasserangebot auch für lem im Süden für stärkeren Biomasseertrag die Winterungen nicht aus, um effiziente Bio- von 10–20 %. Der relativ niedrige Wasserbe- masseerträge zu erzielen, die Potenziale neh- darf wird über Frühjahrsniederschläge und Bo- men um mehr als 20 % ab (Beispiel Winterwei- denwasser auf den meisten Standorten nach zen: Abb. 2.1.7, Tab. 2.1.4).

Abb. 2.1.7: Veränderung der Biomassepotenziale [%] bei Winterweizen.

Tab. 2.1.4: Biomassepotenziale im Zukunftsszenario 2071–2100 für Sommerungen und Winterungen.

Zukunftsszenario Sommerungen Winterungen 2071–2100 Zunahmen auch auf Standorten mit gerin- abnehmende Potenziale durch Wasser- gem Wpfl, da ausreichend Frühjahrsnie- mangel und Hitzestress Norden derschläge Ausnahme: Flussauen mit hohem Anteil Abnahmen im trockeneren Osten mit sehr pflanzenverfügbarem Bodenwasser (Wpfl) geringem Wpfl Mitte höhere Verdunstungsleistung bei ausreichend pflanzenverfügbarem Bodenwasser Vorteile durch frühere und längere Vegetationszeit und höhere Temperatursummen, Süden trotz Niederschlagsabnahme ausreichend Wasser verfügbar Ausnahmen: flachgründige Standorte, Rendzinen, Ranker

32 GeoBerichte 18 Feuchtes Szenario 2071–2100 Die Winterungen reagieren auf vermehrten Niederschlag im Osten der nördlichen Metro- Feuchte Jahre mit verstärktem Niederschlag polregion mit Zunahmen um mehr als 20 %. Im wirken sich im Norden der Region positiv auf übrigen Nordteil wirkt sich dieses Szenario die Sommerungen aus, da der bestehende leicht mindernd auf das Ertragspotenzial aus. Wassermangel ausgeglichen wird. Außer auf Im Süden der Metropolregion steigen die Bio- Standorten mit hohem Bodenwasserspeicher massepotenziale bei allen Kulturen nur bei steigen die Biomassepotenziale um mehr als sehr geringen pflanzenverfügbaren Bodenwas- 20 % an. Auf den gut mit Wasser versorgten sergehalten leicht an. Ansonsten zeigen sich Flächen fällt die Menge des zusätzlichen Nie- auch hier die negativen Effekte dieses Szena- derschlagwassers nicht ins Gewicht. rios mit tendenziell leicht abnehmenden Poten- zialen bis 10 % (Abb. 2.1.8 und 2.1.9, Tab. 2.1.5).

Abb. 2.1.8: Veränderung [%] der Biomassepotenziale bei trockenen und feuchten Szenarien im Vergleich zum Durchschnittsszenario (2071–2100, Winterweizen).

GeoBerichte 18 33

Abb. 2.1.9: Veränderung [%] der Biomassepotenziale bei trockenen und feuchten Szenarien im Vergleich zum Durchschnittsszenario (2071–2100, Kartoffeln).

Trockenes Szenario 2071–2100 fügbarem Bodenwasser kann es zu leichten Steigerungen der Erträge bis 10 % kommen. Stärkere Sonneneinstrahlung und höhere Tem- Nachteile bei allen Kulturen hat in trockenen peraturen bei trockenen Szenarien fördern im Jahren der Norden der Metropolregion zu er- Südteil der Region bei den Winterungen die warten. Der Wassermangel nimmt zu und führt Biomassesynthese durch vermehrte Transpira- bei den Pflanzen zu Trockenstress. Mit Aus- tionsleistungen. Standorte mit geringen Bo- nahme sehr gut mit pflanzenverfügbarem Bo- denwasserspeichern leiden in trockenen Jah- denwasser versorgten Böden mit Grundwas- ren unter Ertragsverlusten von mehr als 20 %. seranschluss kann der Boden die Auswirkun- Die Sommerungen reagieren im Süden unter- gen des Klimawandels nicht mehr abpuffern schiedlich auf trockenere Jahre im Klimawan- (Abb. 2.1.8 und 2.1.9, Tab. 2.1.5). del. Auf Flächen mit hohem Anteil pflanzenver-

34 GeoBerichte 18 Tab. 2.1.5: Vor- und Nachteile durch feuchte und trockene Szenarien im Klimawandel in der Metropolregion.

Zukunftsszenario Sommerungen Winterungen 2071–2100 abnehmende Potenziale durch Was- Zunahmen auch auf Standorten mit geringem sermangel und Hitzestress Wpfl, da ausreichend Frühjahrsniederschläge Norden Ausnahme: Flussauen mit hohem An- Abnahmen im trockeneren Osten mit sehr teil pflanzenverfügbarem Bodenwasser geringem Wpfl (Wpfl) Mitte höhere Verdunstungsleistung bei ausreichend pflanzenverfügbarem Bodenwasser Vorteile durch frühere und längere Vegetationszeit und höhere Temperatursummen, Süden trotz Niederschlagsabnahme ausreichend Wasser verfügbar Ausnahmen: flachgründige Standorte, Rendzinen, Ranker

2.1.4 Zusammenfassung der tung des Bodens und seine Ausgleichsfunktion Ergebnisse im Klimawandel erkennen lassen. Durch die länger andauernde Vegetationszeit Aus den Ergebnissen der Biomassepotenzial- wird der Anbau von Zweit- und Zwischenfrüch- berechnung lässt sich folgern, dass der Klima- ten interessanter. Ob der Bodenwasservorrat wandel sowohl Vor- als auch Nachteile für die ausreicht, muss standortbezogen ermittelt Landwirtschaft mit sich bringt. werden. Auf warmen und trockenen Standorten, wie im Im Norden der Metropolregion sind die leichten Norden der Metropolregion, verschärft sich be- Sandböden mit geringer Wasserspeicherkapa- reits bestehender Wassermangel zunehmend. zität anfällig gegenüber Erosion durch Wind Pflanzenbaulich können Veränderungen in der und Nitratauswaschung. Die Verdichtungsge- Fruchtfolgegestaltung und der Auswahl der Ar- fährdung der Ton- und Lehmböden der südli- ten vorgenommen sowie anpassungsfähigere chen Metropolregion wird durch die Verlage- Sorten gewählt werden. Wassereffiziente und rung der Niederschlagsverteilung in das Win- hitzetolerantere C4-Pflanzen, wie Mais, Hirse terhalbjahr eher steigen, die Wassererosions- oder Miscanthus, bieten auf solchen Flächen gefährdung zunehmen (Abb. 2.1.10). Entlang eine Alternative. Verhältnismäßig sichere Er- der Auenbereiche der Flusssysteme aus dem träge im Norden lassen die Winterungen er- Harz gibt es höhere Belastungen mit Schwer- warten, deren frühe Vegetationszeit die Aus- metallen, verursacht durch den ehemaligen nutzung der Frühjahrsniederschläge erlaubt. Bergbau (SCHNEIDER 1999, Abb. 2.1.11). Auf Der produktive Anbau einer Folgekultur wird den sensiblen Böden kann eine ganzjährige jedoch durch die geringen Bodenwassergehal- Bodenbedeckung die Risiken für Erosion, Ver- te erschwert. Als mögliche Bioenergiestandorte dichtung und Nitratauswaschung verringern. mit geringem Konkurrenzdruck kommen auch Realisiert werden kann ein möglichst ganzjäh- Grenzertragsstandorte in Frage, auf denen die riger Bewuchs durch bioenergetisch nutzbare qualitative Lebens- und Futtermittelerzeugung Dauerkulturen oder den Anbau von Bioener- im Klimawandel unrentabel werden kann. Im giepflanzen als Zweitkultur, Untersaat oder Nordteil der Metropolregion sind insgesamt die Zwischenfrucht. Auf belasteten Flächen bieten Probleme durch den zu erwartenden Klima- Bioenergiepflanzen eine Anbaualternative zu wandel hinsichtlich des Ertragspotenzials, auch kontaminationsgefährdeten Nahrungs- und für den Anbau von Bioenergiepflanzen, insge- Futtermittelpflanzen. Allerdings wird gerade im samt größer. Ausnahmen stellen die Auenbe- Norden der Region die Frage beantwortet wer- reiche mit sehr hohen pflanzenverfügbaren den müssen, ob der Bodenwasservorrat für ei- Bodenwassergehalten dar, welche die Bedeu- ne ganzjährige Bedeckung bzw. Zwischen- fruchtanbau ausreicht.

GeoBerichte 18 35 Abb. 2.1.10: Gebiete mit empfindlichen Bodenfunktionen in der Metropolregion.

36 GeoBerichte 18

Abb. 2.1.11: Potenziell mit Schwermetallen belastete Gebiete.

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GeoBerichte 18 39 2.2 Potenziale für den Anbau und die 2.2.2 Vorgehensweise und Methodik Nutzung von Energiepflanzen unter Berücksichtigung des Grundlage waren die durch die Universität regionalisierten Klimawandels Hannover im Teilprojekt 1 bereitgestellten Kli- madaten (KRAUSE 2011). Im Rahmen des Pro- CHRISTINE VON BUTTLAR, jektes wurden CLM-Klimadaten in einer Auflö- MARIANNE KARPENSTEIN-MACHAN & sung von 20 x 20 km auf eine Auflösung von 1 ROLAND BAUBÖCK x 1 km regionalisiert und für drei Zeiträume, 1961–1900 (Ist-Zustand), 2021–2050 (Ende der ersten Hälfte des Jahrhunderts) und 2071– 2.2.1 Ausgangslage und Ziel der 2100 (Ende der zweiten Hälfte des Jahrhun- Untersuchungen derts), Szenarien berechnet. Es erfolgte eine Bestandsaufnahme zur Erfas- Der Anbau von nachwachsenden Rohstoffen sung der standörtlichen Anbaubedingungen in hat in der Metropolregion einen hohen Stellen- den drei Landkreisen Celle, Hildesheim und wert. Daher stellt sich die Frage, wie Klimaver- Göttingen sowie eine Beschreibung der Eigen- änderungen generell die pflanzliche Produktion schaften potenzieller Energiepflanzen hinsicht- in der Metropolregion beeinflussen. Sind vor lich ihrer Anpassungsfähigkeiten an klimati- dem Hintergrund des Klimawandels und durch sche Veränderungen. Grundlage hierfür waren die zu erwartende weitere Ausweitung der An- Interwievs mit Pflanzenzüchtern sowie Litera- bauflächen für Energiepflanzen die multifunkti- turstudien. onalen Aufgaben der ländlichen Räume (Nah- rungs- und Futtermittelproduktion, Energiepro- Vertiefende Untersuchungen erfolgten hinsicht- duktion, Naturschutz, Wasserwirtschaft, Nah- lich der zu erwartenden Auswirkungen des erholung) weiterhin gesichert, oder sind stei- Klimawandels auf die Länge der Vegetations- gende Nutzungskonkurrenzen die Folge? Dies zeiten, die klimatisch bedingten Verschiebun- wird weitgehend auch davon abhängen, ob die gen der Entwicklungsphasen der Kulturarten pflanzliche Produktion trotz Klimawandels wei- und die daraus resultierenden Folgen für die terhin auf einem hohen Niveau erfolgen kann. Biomasseerträge von Energiepflanzen. Die Nur dann sind auch Energiepflanzen in der La- möglichen Folgen von Klimaextremen auf den ge, einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, Biomasseertrag wurden ebenfalls analysiert. Nutzungskonkurrenzen zu entschärfen und die Als repräsentative Untersuchungsgebiete für Energieversorgung der Bevölkerung aus rege- die Ertragsanalysen und die zu entwickelnden nerativen Quellen langfristig abzusichern. zukünftigen Fruchtfolgen wurden innerhalb der Metropolregion (MP) die drei Leitgebiete (LG) Ziel des Teilprojekts war die Bewertung mögli- Uetze beim Landkreis Celle (repräsentativ für cher Auswirkungen von Klimaänderungen in die nördliche MP), Alfeld im LK Hildesheim der Metropolregion auf den Anbau von Ener- (zentrale MP) und Krebeck-Wollbrandshausen giepflanzen und die Entwicklung von neuen im LK Göttingen (südliche MP) ausgewählt (s. klimaangepassten Anbaustrategien. Auf der Abb. 2.2.1). Basis der vorliegenden Klimaszenarien aus Teilprojekt 1 konnten mithilfe eines pflanzen- baulichen Modellierungsprogramms die zu- künftigen Ertragsentwicklungen verschiedener regional wichtiger Ackerkulturen, die auch gleichzeitig als Energiepflanzen angebaut wer- den können, und neuer potenzieller Energie- pflanzen abgeschätzt werden. Darauf aufbau- end wurden exemplarisch an die zukünftigen klimatischen Bedingungen angepasste Frucht- folgen und Anbaukonzepte entworfen.

40 GeoBerichte 18

Abb. 2.2.1: Lage der Metropolregion und der Leitgebiete in Niedersachsen.

Für die Modellierung der zukünftig unter ver- des Blattflächenindexes in der Vegetationszeit änderten Klimabedingungen erzielbaren Bio- der Kulturen der Ertragszuwachs im Verlauf masseerträge wurde das Pflanzenwachs- der Vegetationsperiode simuliert wird (s. Abb. tumsmodell BioSTAR (Biomass Simulation 2.2.2). Die Transpirations- und Evapotranspira- Tool for Agricultural Ressources) für Energie- tionsraten werden im Modell an die Brutto- pflanzen weiterentwickelt (BAUBÖCK 2010). Bei Kohlenstoffassimilation gekoppelt und tägliche dem Modell BioSTAR handelt es sich um ein Ertragszuwächse berechnet. Dieser Modellan- kohlenstoffbasiertes Pflanzenmodell (AZAM-ALI, satz bezieht somit die Pflanzenentwicklung ta- CROUT & BRADLEY 1994), mit dem anhand von gesgenau im Modell mit ein und unterscheidet Eingangsklimadaten (Niederschlagshöhe, sich daher von der Berechnungsmethode des Temperatur, Globalstrahlung, Luftfeuchte und LBEG, die auf pflanzenspezifischen Verduns- Windgeschwindigkeit) sowie dem verfügbaren tungsfaktoren fußt (Kap. 2.1). Bodenwasser (Feldkapazität) und Veränderung

GeoBerichte 18 41

Abb. 2.2.2: Flussdiagramm des Pflanzenwachstumsmodells BioSTAR.

Darauf basierend wurden Fruchtfolgevorschlä- ge und weitere Handlungsempfehlungen zur Anpassung des Ackerbaus an den Klimawan- del entwickelt. Weiterhin erfolgte eine Bewer- tung der Klimafolgen hinsichtlich der Wasser- versorgung der Kulturpflanzen, der Erhaltung einer ausgeglichenen Humusbilanz und der Gefahr einer Nitratverlagerung ins Grundwas- ser.

42 GeoBerichte 18 2.2.3 Ergebnisse und Diskussion Tab. 2.2.1: Bodenkundliche Eckdaten der Leitgebiete, Niederschlags- sowie Temperatursummen in der Vegetationszeit am Beispiel Mais für drei Ergebnisse der Klimaszenarien Szenarienzeiträume. im Kontext Landwirtschaft LG Celle Bodenpunkte: 35 Klima (Uetze) mittlere nFK: 113 Szenario 1961–90 2021–50 2071–100

Die aus Sicht der Landwirtschaft entscheiden- CO2 [ppm] 380 450 600 den Größen des Klimawandels in der Metropol- Nd. [mm] 372 356 316 region (MP) sind Temp. [°C] 2620 2958 3244 ■ ein erwarteter Anstieg der Jahresdurch- schnittstemperatur um ca. 3 C mit trocke- LG Hildesheim Bodenpunkte: 54 neren und längeren Sommern, (Alfeld) mittlere nFK: 132 ■ eine Abnahme an Niederschlag im hydro- Szenario 1961–90 2021–50 2071–100 logischen Sommerhalbjahr um bis zu 17 % CO2 [ppm] 380 450 600 und feuchteren, milderen Wintern bei na- Nd. [mm] 414 407 367 hezu konstantem Jahresniederschlag, Temp. [°C] 2526 2880 3221 ■ ein Anstieg der Kohlendioxidkonzentratio- nen in der Atmosphäre, LG Göttingen Bodenpunkte: 62 ■ die Zunahme an Hitzeperioden (>30 °C) und hinsichtlich der Extremniederschläge (Krebeck-W.) mittlere nFK: 183 zwar keine Zunahme der Ereignisse, aber Szenario 1961–90 2021–50 2071–100 stärkere Jahresvariabilitäten. CO2 [ppm] 380 450 600 Nd. [mm] 367 358 324 Standort Temp. [°C] 2524 2904 3282

Die durch leichte Böden mit niedriger nutzbarer Feldkapazität geprägte nördliche Metropolregi- on (113 mm nFK (mittlere nutzbare Feldkapazi- tät)) ist durch einen tendenziell höheren Tem- peraturanstieg bei gleichzeitig stärkerer Ab- nahme der Sommerniederschläge stärker vom Klimawandel betroffen. Die südliche Metropolregion mit ihren überwie- gend gut wasserspeichernden Böden (132 mm nFK) zeigt dagegen einen weniger stark aus- geprägten Temperaturanstieg mit moderate- rem Niederschlagsrückgang und bietet somit auch in Zukunft die besseren Standortvoraus- setzungen für den Ackerbau. Die folgenden Tabellen geben die klimatischen und boden- kundlichen Eckdaten der Leitgebiete und, exemplarisch für die Vegetationszeit des Mai- ses, die erwarteten Änderungen der Tempera- tur- und Niederschlagssummen für die drei Abb. 2.2.3: Mais ist eine Kultur mit günstigen Ertrags- Szenarienzeiträume wieder. eigenschaften im Klimawandel.

GeoBerichte 18 43 Übersicht möglicher Wechselwirkungen und Handlungsfelder

Abbildung 2.2.4 stellt die vom Klimawandel be- troffenen Aspekte des Pflanzenbaus schema- tisch dar.

Abb. 2.2.4: Vom Klimawandel betroffene Aspekte des Pflanzenbaus.

Deutlich wird, dass das ganze Anbaugefüge kann hier zwischen definierenden Faktoren wie vom Klimawandel betroffen sein kann. Unter dem Klima, limitierenden Faktoren wie der Ver- geänderten Klimabedingungen reagieren Kul- fügbarkeit von Wasser und Nährstoffen sowie turen mit verändertem Wasser- und Nährstoff- reduzierenden Faktoren, nämlich dem Unkraut- bedarf, sind einem sich ändernden Krankheits- und Schädlingsdruck sowie eventuell veränder- druck und Unkrautdruck ausgesetzt und rea- ter Schadelementverfügbarkeit unterschieden gieren mit geänderten Ertragsquantitäten und werden. Ob der Klimawandel positive, neutrale -qualitäten. Nach HOFFMANN-BAHNSEN (2011) oder negative Auswirkungen auf den Pflanzen-

44 GeoBerichte 18 bau und insbesondere die Ertragsleistung, Er- sung an klimatische Änderungen (s. tragsstabilität und die nachhaltige Erzeugung Abb. 2.2.5) bieten Handlungsspielraum und haben wird, ist von dem Grad der Klimaverän- müssen im Hinblick auf geänderte Anbaube- derung in der Region und den bodenkundli- dingungen neu bewertet werden. chen Standortvoraussetzungen abhängig. Ins- besondere die standörtliche Wasserverfügbar- keit wird in Zukunft im Hinblick auf die Ertrags- sicherung an Bedeutung zunehmen. Aber auch die vielfältigen pflanzenbaulichen Möglichkei- ten hinsichtlich der Kulturartenwahl zur Anpas-

Abb. 2.2.5: Pflanzenbauliche Handlungsfelder zur Anpassung an den Klimawandel.

GeoBerichte 18 45 Änderung der Vegetationszeiten berechneten Änderungen für unterschiedliche Feldaufgangstemperaturen im Mittel der drei Bedingt durch einen künftig früheren Vegetati- Leitgebiete dar. Dabei werden Keimtemperatu- onsbeginn im Frühjahr und ein späteres Vege- ren von 5 °C (z. B. Wintergetreide, Zuckerrü- tationsende im Herbst werden die Vegetations- ben), 8 °C (z. B. Sommergetreide, Sonnenblu- zeiten in der gesamten Metropolregion in der men), 10 °C (z. B. Mais) und 12 °C (z. B. Zukunft zunehmen. Abbildung 2.2.6 stellt die Sorghumarten) berücksichtigt.

Abb. 2.2.6: Änderung der Vegetationsdauer (Summe Tage) zwischen den Szenarien C20 (1961–90), 2021–2050 und 2071–2100 unter Berücksichtigung verschiedener Feldaufgangstemperaturen im Mittel der Leitgebiete.

Die Ergebnisse lassen bis zum Jahr 2100 eine zu überdauern. Weiter ist bei zunehmender Verlängerung der Vegetationszeit für Kulturen Sommertrockenheit der Zeitpunkt des höchs- mit 5 °C Keimtemperatur, wie z. B. Winterge- ten Wasserbedarfes von Bedeutung. Winte- treide und Zuckerrüben, um rund zwei Monate rungen werden ihren Wasserbedarf besser aus und für Kulturen mit Keimtemperaturen >12 °C, den Winterniederschlägen sichern können als wie z. B. Sorghum, um rund einen Monat er- Sommerungen. Auch der Zeitpunkt des Eintre- warten. Ob der Vorteil einer längeren Vegetati- tens sensibler Wachstumsstadien, wie der Blü- onsphase tatsächlich auch ackerbaulich ge- te oder der Kornfüllungsphase beim Getreide, nutzt werden kann, ist allerdings von weiteren wird im Hinblick auf die zunehmende Früh- Faktoren, wie z. B. der Niederschlagsmenge jahrstrockenheit in Zukunft stärker die Kultu- und –verteilung, von späten Frostereignissen ren- bzw. Sorteneignung bestimmen. Tiefwur- in Extremjahren sowie der Befahrbarkeit der zelnde Kulturen mit gutem Nährstoffaneig- Flächen, abhängig. nungsvermögen, wie z. B. Zuckerrüben, haben Vorteile gegenüber flachwurzelnden Kulturen. Dauerkulturen, wie Gräser und schnellwach- Positive Kultureigenschaften im sende Baumarten, können nach Trockenpha- Klimawandel sen wieder austreiben und haben i. d. R. ein hohes Regenerationspotenzial. C4-Pflanzen, Die Anpassungsmöglichkeiten unserer Acker- wie Sorghum und Mais, profitieren von höhe- kulturen an klimatische Änderungen sind un- ren Wärmesummen und sind in der Lage, den terschiedlich und vielfältig. Entscheidende Wasserbedarf pro Kilogramm produzierter Bi- Größe ist eine hohe Wassereffizienz (geringer omasse gering zu halten. Transpirationskoeffizient), der Wasserbedarf pro Hektar sowie die Fähigkeit, Trockenphasen

46 GeoBerichte 18 Ertragsänderungen im Klimawandel Tab. 2.2.2: Modellierte Biomasseerträge für die Klima- perioden 2021–50 und 2070–2100, relativ zu 1991–90 (Basisertrag) für drei Leitgebiete Eine Berechnung der zu erwartenden Biomas- (grün hinterlegt = Ertragsanstieg; orange hin- seerträge (Ganzpflanze) für die drei Szenarien- terlegt = Ertragsrückgang im Klimawandel). zeiträume Ist-Zustand (1961–90), AB1 2021– 2050 und AB1 2071–2100 erfolgte mit dem Er- Leitgebiet Göttingen (Krebeck-Wollbr.) tragsmodell BioSTAR für die Kulturen Mais, Szenario 1961–90 2021–50 2071–100 Zuckerrüben, Sonnenblumen, Sorghum bico- Kultur Basis rel. [%] rel. [%] lor, Sommerweizen, Winterweizen, Wintertriti- Mais 100 105 111 cale, Winterroggen, Wintergerste sowie Raps Zuckerrüben 100 101 103 (Kornertrag). Züchterische oder technische Sonnenblumen 100 105 100 Weiterentwicklungen der Kulturarten wurden Sorghum b. 100 104 106 dabei aufgrund zu großer Unsicherheiten in der Abschätzung über einen so langen Zeitraum SWeizen 100 93 85 nicht berücksichtigt. Die Berechnungen erfolg- WWeizen 100 98 89 ten zudem ohne die Berücksichtung von Be- WTriticale 100 98 89 regnungsmaßnahmen, wie sie derzeit schon in WRoggen 100 98 87 Teilen der nördlichen Metrololregion üblich WGerste 100 93 64 sind. Zur Beschreibung des Ist-Zustandes wur- WRaps [Korn] 100 88 68 den Klimadaten des Deutschen Wetterdienstes

(DWD, Zeitreihen 1961–90 für die Untersu- chungsgebiete) und Ertragsdaten des nieder- Leitgebiet Hildesheim (Alfeld) sächsischen Landesamtes für Statistik (NLS, Szenario 1961–90 2021–50 2071–100 Ertragsdaten auf Gemeindeebene) sowie Ver- Kultur Basis rel. [%] rel. [%] suchsergebnisse der Landwirtschaftskammer Mais 100 107 113 Niedersachsen herangezogen. Zuckerrüben 100 112 114 Es wurden in allen drei Leitgebieten sowohl Sonnenblumen 100 108 102 Kulturen, deren Biomasseertrag durch den Sorghum b. 100 106 101 Klimawandel bis zum Ende des Jahrhunderts SWeizen 100 94 89 positiv beeinflusst wird, als auch solche, deren WWeizen 100 98 88 Ertragsleistung durch den Klimawandel negativ WTriticale 100 97 89 beeinflusst wird, identifiziert (s. Tab. 2.2.2). WRoggen 100 98 85 WGerste 100 93 67 WRaps [Korn] 100 87 67

Leitgebiet Celle (Uetze) Szenario 1961–90 2021–50 2071-–00 Kultur Basis rel. [%] rel. [%] Mais 100 97 96 Zuckerrüben 100 109 110 Sonnenblumen 100 106 103 Sorghum b. 100 104 104 SWeizen 100 96 92 WWeizen 100 106 93 WTriticale 100 100 85 WRoggen 100 102 87 WGerste 100 96 66 WRaps [Korn] 100 93 70

GeoBerichte 18 47 In den Leitgebieten der mittleren und südlichen Metropolregion (Leitgebiete Hildesheim, Göt- tingen) ergab die Ertragsmodellierung bis 2100 klimabedingte Biomasseertragssteigerungen für die C4-Sommerungen Mais und Sorghum sowie die C3-Kultur Zuckerrüben. Auch die Er- tragsleistung von Sonnenblumen wird positiv beeinflusst, allerdings nur bis zur Mitte des Jahrhunderts, danach nimmt die Ertragsleis- tung wieder ab. Anders sieht es bei Winterwei- zen, Winterroggen und Wintertriticale aus. Sie reagieren bis Mitte des Jahrhunderts noch recht stabil und zeigen dann bis zum Ende des Jahrhunderts je nach Kulturart klimabedingte Ertragsrückgänge zwischen 11 und 15 %. Am stärksten fällt der Ertragsrückgang bei Winter- Abb. 2.2.8: Wintergerste: Bedingt durch die frühe Abreife gerste sowie bei Winterraps mit Mindererträ- kann Frühjahrstrockenheit schneller zu Ertragsverlusten führen als bei anderen gen von über 30 % aus. Winterungen.

Ertragsstabilität

Zur Bewertung der Beeinträchtigungen von Biomasseerträgen in extrem niederschlagsar- men Jahren wurden für die Leitgebiete Be- rechnungen mit einer um 30 % reduzierten Niederschlagsmenge in der Vegetationszeit durchgeführt (als Abschlag auf den mittleren Jahresniederschlag in den drei Szenarien). Dies führte für alle drei Szenarien im Mittel der untersuchten Kulturen zu einer Ertragsminde- rung von 20 % in der mittleren und südlichen Metropolregion und von 24 % in der nördlichen

Metropolregion.

Abb. 2.2.7: Sonnenblumen: Neue Energiepflanze zur Weiter wurden Mais und Roggen am Standort Auflockerung der Fruchtfolge, verträgt Celle im Hinblick auf die Ertragsstabilität bei Trockenheit weniger gut. reduzierten Niederschlägen (-10 %) und CO2- Gehalten (-10 %) in der Atmosphäre vergli- chen. Beide Kulturen weisen derzeit mit 13 t/ha In der nördlichen Metropolregion (Leitgebiet ein ähnliches Ertragsniveau (ohne Zusatzbe- Celle) wird der Maisertrag durch den Klima- wässerung) auf. Im Ergebnis führten die redu- wandel leicht negativ beeinflusst und ist bis zierten Niederschlags- und CO2-Mengen beim zum Ende des Jahrhunderts um rund 4 % rück- Mais zu einem Ertragsrückgang um 3,6 t läufig. Mit Biomasseertragssteigerungen rea- TM/ha und beim Roggen nur um 1,4 t TM/ha, gieren auch in diesem Gebiet die Kulturen Zu- wobei beim Roggen nicht das Wasser, sondern ckerrüben, Sonnenblumen und Sorghum. der CO2-Gehalt die ausschlaggebende Größe Ebenfalls abweichend zu den andern Gebieten war. Der Roggen kann somit bei den zugrunde steigen die Erträge von Winterweizen und Win- gelegten Anbaubedingungen als die ertrags- terroggen bis zur Mitte des Jahrhunderts noch stabilere Kultur gelten. leicht an, bevor sie dann, ebenso wie Som- merweizen und Wintertriticale, rückläufige Er- Weiterhin wurde für das Leitgebiet Celle unter- träge zeigen. Wie auch in den anderen Gebie- sucht, wie sich das Ertragspotenzial von Mais ten zeigen Winterraps und Wintergerste mit und Roggen bei Einsatz von Zusatzbewässe- >30 % die deutlichsten Ertragsrückgänge. rung gestaltet. Zusatzwassergaben von 1 mm (150 mm in der Vegetationszeit) führten beim

48 GeoBerichte 18 Mais bei allen untersuchen nFK-Klassen (63– früheren Vegetationsbeginn und längeren Ve- 263 mm) zu Ertragssteigerungen. Maximale getationszeiten. Bei den C3-Getreidearten wer- Mehrerträge lagen auf leichten Standorten bei den die Sommerungen zunehmend durch die 19 %. Weitere Wassergaben führten nur noch Winterungen (z. B. Weizen, Roggen, Triticale) zu geringfügigen Ertragsänderungen. Beim ersetzt. Diese profitieren von den Winternie- Roggen führten auch auf ganz leichten Stand- derschlägen und gehen schon mit gut bestock- orten (nFK 63 mm) Zusatzwassergaben von tem Bestand zeitig ins Frühjahr. C3-Somme- 1 mm zu lediglich 1 % Ertragsanstieg. Roggen rungen (z. B. Sommergerste) werden durch C4- kann somit auf leichten Standorten ohne Zu- Pflanzen, z. B. Mais, ersetzt. Die tiefwurzelnde satzbewässerung durchaus einen zu Mais Zuckerrübe bleibt ertragsstark im Anbau. Bei konkurrenzfähigen Ganzpflanzenertrag erbrin- ausreichender Wasserversorgung werden auf- gen. Wird durch Zusatzbewässerung der limi- grund der längeren Vegetationszeit Zweikultur- tierende Faktor Wasser aufgehoben, so kann Nutzungssysteme interessanter. In Energie- der Mais daraus jedoch einen Ertragsvorteil fruchtfolgen kann z. B. Wintergetreide-GPS vor von nahezu 20 % generieren. Dass künftig Mais gestellt werden. Dauerkulturen mit gerin- aber auch für Roggen die Bedeutung der Zu- gen Ansprüchen an den Wasserhaushalt neh- satzbewässerung zur Ertragssicherung steigen men zu: z. B. auf Standorten mit geringer wird, zeigen die modellierten Ertragsrückgänge Wasserspeicherkapazität Kurzumtriebsplanta- für Roggen ab der zweiten Jahrhunderthälfte gen für die Energieholzbereitstellung oder (Tab. 2.2.2). Durchwachsene Silphie für die Biogas- oder BTL-Erzeugung. Bisher nicht angebaute wär- meliebende Kulturen werden zunehmend an- Folgen für die Kulturartenwahl bauwürdig, z. B. Sorghum bicolor, Sudangrä- ser, Soja, Hartweizen und Topinambur. Som- Im Hinblick auf die erwarteten klimatischen merzwischenfrüchte und Untersaaten werden Anbaubedingungen im Jahr 2100 werden fol- durch Winterzwischenfrüchte ersetzt bzw. wer- gende Tendenzen für die Kulturartenwahl ab- den gar nicht mehr zum Anbau kommen, so- geleitet: C4-Pflanzen wie Mais und Sorghum fern keine Möglichkeiten der Zusatzbewässe- profitieren vom Temperaturanstieg, von einem rung bestehen.

Tab. 2.2.3: Übersicht der potenziellen Gewinner und Verlierer im Klimawandel.

potenzielle Gewinner potenzielle Verlierer neue Kulturen mit etablierte Kulturen etablierte Kulturen Entwicklungspotenzial Silomais Durchwachsene Silphie Sommergetreidearten Zuckerrüben wassereffiziente Kurzumtriebshölzer Wintergerste Winterweizen, Winterroggen, (Pappel, Robinie) Winterweizen, Winterroggen, Triticale in der ersten Jahrhun- Sojabohne Triticale ab Mitte des Jahrhunderts. derthälfte Sorghum bicolor Winterraps Sonnenblumen Sudangräser (weiterer Untersuchungsbedarf) Winterzwischenfrüchte noch bis (Sorghum sudanense) Kartoffeln Mitte des Jahrhunderts Topinambur intensive Feldgrasbestände Durumgetreide Sommerzwischenfrüchte Untersaaten

GeoBerichte 18 49 Fruchtfolgeempfehlungen im Klimawandel Prinzipiell bietet sich die Verzahnung von Marktfrucht- Futterbau- und Energiefruchtfol- Bei zunehmenden klimatischen Unsicherheiten gegliedern in einer Fruchtfolge für die Praxis kann durch eine vielseitige Fruchtfolgegestal- an (s. auch KARPENSTEIN-MACHAN 2010) und tung und Sortenwahl mit gestaffelten Saat- und ermöglicht vielfältigere Optionen zum Erhalt Ernteterminen das Anbaurisiko gemindert wer- der Humusbilanz als reine Energiefruchtfolgen. den. Die Grundforderungen zum Erhalt der Ackerflächen in einem „guten landwirtschaftli- Biogas chen und ökologischen Zustand“, also die Ein- haltung der Anforderungen des Bodenschut- Für Biogasfruchtfolgen wird durch die klimati- zes, insbesondere durch Sicherung einer aus- geglichenen Humusbilanz und Vermeidung von sche Entwicklung eine Ergänzung der Somme- Bodenerosion sowie durch eine diversifizierte rung Mais durch Sorghumarten und Sudangrä- ser sowie durch Zuckerrüben erwartet. Unter Fruchtfolgegestaltung zum Erhalt der Agrarbio- diversität, bleiben zentraler Bestandteil des den Winterungen sind Roggen-GPS für die Ackerbaus. schwächeren und Triticale-GPS für die besse- ren Standorte auch im Klimawandel zu emp- fehlen (s. auch Untersuchungen zu Energie- pflanzenfruchtfolgen in FNR 2008 und 2010).

Abb. 2.2.9: Phacelia: Zwischenfrüchte wirken günstig auf Humusbilanz und Bodenstruktur und mindern das Erosionsrisiko. Im Klimawandel kann Wassermangel potenziell den Anbau be- Abb. 2.2.10: Sorghum Bicolor ist eine neue, spätsaat- schränken. verträgliche und wärmeliebende Kultur mit Potenzial im Klimawandel.

Umweltrisiken, wie das der Bodenerosion und der Nitratverlagerung, werden im Klimawandel Biodiesel und Rapsöl aufgrund der stärkeren Klimaschwankungen tendenziell zunehmen. Die Standorteigen- Für die Biodiesel- bzw. Rapsölerzeugung wird schaften, insbesondere hinsichtlich der Was- derzeit in der Metropolregion ganz überwie- ser- und Nährstoffspeicherung, werden in Zu- gend Winterraps angebaut. Die Rapserträge kunft stärker das Ertragsergebnis beeinflussen. werden im Klimawandel tendenziell unsicherer, Eine entsprechende Ausrichtung der Fruchtfol- so dass der Anbau von Sonnenblumenkorn gen und Anbauverfahren zur Vermeidung die- künftig eine Alternative darstellen kann. ser potenziellen Probleme und zum Erhalt der nachhaltigen Ertragsfähigkeit des Bodens sind daher unabdingbar. Folgende grundsätzliche Aussagen für die Gestaltung von Energiepflan- zenfruchtfolgen konnten erarbeitet werden:

50 GeoBerichte 18 Biomass to Liquid (BTL)

Die neuen BTL-Verfahren ermöglichen den Einsatz von Ganzpflanzensilagen, Körnern, Stroh, aber auch holzartigen Biomassen und sind daher sehr flexibel hinsichtlich ihres Sub- strateinsatzes. Diese Substratflexibilität stellt auch künftig einen großen Vorteil dar, da die betrieblichen Entscheidungsspielräume erhal- ten bleiben.

Verbrennung

Abb. 2.2.11: Raps reagiert auf zunehmende Frühjahrs- Für Verbrennungsverfahren kommen vor allem trockenheit mit Ertragsverlusten. holzarteigene Biomassen wie Kurzumtriebs- hölzer (KuP) oder auch die Strohnutzung in Frage. Der Anbau von Kurzumtriebshölzern Ethanol gewinnt gerade für schwächere Standorte zu- nehmend an Interesse. Im Anpflanzjahr muss Zur Ethanolerzeugung wird das Getreidekorn, ggf. durch Zusatzbewässerung ein gutes An- meist von Winterweizen oder Winterroggen, wachsen des Bestandes gesichert werden. In aber auch die Zuckerrübe genutzt. Ergänzend den Folgejahren wird der Wasserbedarf durch ist Triticale als robuste, ertragreiche Alternative das tiefe Wurzelsystem gesichert. Mit zuneh- zum Weizen zu empfehlen. Sommergetreide mender Sommertrockenheit kann auf trocken- haben schon heute für die Ethanolerzeugung heitstolerante Arten ausgewichen werden. So eine untergeordnete Rolle und werden auch in kann die derzeit vorrangig zum Anbau kom- Zukunft noch an Bedeutung verlieren. Die mende Pappel in Zukunft z. B. durch die Robi- günstigen Ertragsprognosen für die Zuckerrübe nie ergänzt werden. werden diese Kulturart auch für die Ethanolerzeugung weiterhin interessant ma- chen. Da auf Basis der Klimaszenarien und Er- tragsmodellierungen bis Ende des Jahrhun- derts mit Ertragsrückgängen auch beim Win- tergetreide zu rechnen ist, sollten Überlegun- gen hinsichtlich einer neuen Artenwahl erfol- gen. Durumweizen sind z. B. gut an trockene Klimate angepasst. Weiter ist bei der Sorten- wahl auf ertragsstabile Typen zu achten.

Abb. 2.2.13: Kurzumtriebsplantagen: Gehölze sind im Vergleich zu Ackerkulturen genügsam, haben geringe Standortansprüche und ein tiefes Wurzelsystem. Sie bieten im Klimawandel Anpassungspotenzial.

Abb. 2.2.12: Zuckerrüben können die längeren Vegetati- onszeiten positiv in Ertrag umsetzen.

GeoBerichte 18 51 Neue Kulturen Beispiele

Für weitere Arten aus anderen Regionen bzw. Im Folgenden werden exemplarisch zwei mediterranen und subtropischen Klimaräumen Fruchtfolgebeispiele für die aktuellen klimati- wird in Zukunft bedingt Anbaupotenzial gese- schen Anbaubedingungen und angepasst für hen. So kann die recht trockenheitstolerante das Szenario 2071–2100 dargestellt. Dabei durchwachsende Silphie, eine zur Biogaser- werden jeweils die Ertragsänderungen und der zeugung geeignete Dauerkultur, bei züchteri- daraus resultierende Wasserbedarf sowie die scher Weiterbearbeitung verstärkt zum Anbau Humusbilanz nach VD-Lufa-Methode ausge- kommen. Auch für Soja oder Topinambur wer- wiesen (LANDESBETRIEB LANDWIRTSCHAFT HES- den künftig Chancen erwartet. SEN 2005). Für die südliche Metropolregion wird eine Marktfrucht-Bioenergie-Mischfrucht- folge und für die südliche Metropolregion eine reine Biogasfruchtfolge dargestellt.

Abb. 2.2.14: Durchwachsene Silphie ist eine neue Dauer- kultur mit Potenzial im Klimawandel. Auch für schwächere Standorte geeignet und nach der Anwuchsphase recht klimatolerant.

Abb. 2.2.15: Topinambur ist eine neue stärkehaltige und anspruchslose Kultur mit Potenzial als Ener- giepflanze für schwache Standorte.

52 GeoBerichte 18 Fruchtfolgebeispiel für die nördliche Metropolregion

Tab. 2.2.4: Humusstarke Biogasfruchtfolge für die nördliche Metropolregion. Angabe von Biomasseertrag, Humusbilanz und Wasserbedarf; links: aktuell (1961–90), rechts: Szenario A1B 2071–2100.

Aktuell (Ertragsmittel 1999‐2007 LSKN, LK Celle u. LWK Versuche) Szenario 2071‐2100: Wasserbedarf reduziert Jahr: Fruchtfolge: Nutzung Ertrag Humus C Wasserbedarf Jahr: Fruchtfolge: Nutzung Ertrag Humus C Wasserbedarf (dt/ha) C ( kg/ha) (mm/ha) (dt/ha) C ( kg/ha) (mm/ha) 1 Gärrest 261 1 Mais Biogas 110 ‐560 385 Triticale Korn Ethanol 38 ‐280 250 Weidelgr US 200 210 Stroh Humus 34 339 2 Gärrest 261 2 Mais Biogas 110 ‐560 385 Mais Biogas 106 ‐560 370 Weidelgr US 200 210 Gärrest 251 3 3 RoggenGPS Biogas 84 ‐280 252 Roggen Korn Biogas 38 ‐280 219 Gärrest 200 Stroh Humus 35 346 4 3 Schnitt 4 Luzernegras Biogas 110 600 440 Sorghum Biogas 83 ‐560 292 Gärrest 261 Gärrest 198 Summe Korn: 0 Saldo Mittel/Jahr Summe Korn: 76 Saldo Mittel/Jahr FF Bewertung Summe GPS: 414 146 471 FF Bewertung Summe GPS: 189 ‐136 283 Humusklasse: D=hoch Humusklasse: A = sehr niedrig

Aktuell Szenario A1B 2071–2100

Die aktuelle Fruchtfolge umfasst zwei Jahre Mit weiter zunehmender Frühsommertrocken- Maisanbau mit Weidelgrasuntersaaten ohne heit muss auf den Luzernegrasanbau verzich- Nutzung, gefolgt von Roggen-GPS und Luzer- tet werden. Als Ersatz wird Sorghum als viertes negras. Im Mittel werden 414 dt TM/ha an Si- Fruchtfolgeglied aufgenommen. Um die Hu- lage geerntet. Die Humusbilanz ist bei Gärrest- musbilanz wieder ins Gleichgewicht zu brin- rückfuhr auf die Anbauflächen in die Humus- gen, wird als weitere Anpassung das Getreide klasse D (= hoch) einzuordnen. Der mittlere wieder als Korn, jetzt für die Ethanolerzeu- Wasserbedarf beträgt 471 mm/ha und kann gung, genutzt, und das Stroh verbleibt auf dem durch den mittleren Jahresniederschlag am Feld. Die Fruchtfolge hat nur noch 283 mm an Standort Uetze gerade gedeckt werden. Wasserbedarf und ist damit an die klimatischen Änderungen angepasst. Es werden im Mittel 76 dt/ha Korn und 189 dt TM/ha GPS geerntet. Die Humusbilanz ist trotz der gewählten An- passungsmaßnahmen nicht ausgeglichen und fällt nach dem bisherigen Bewertungsverfahren in die Humusklasse A (= sehr niedrig) ab. Es liegen bisher noch keine Untersuchungen vor, inwieweit durch klimatische Veränderungen, insbesondere lange Trockenphasen, die Hu- muszehrung in der Vegetation gehemmt wird, so dass für die Humusreproduktion auch ge- ringere Mengen an organischem Material not- wendig waren. Auf der Grundlage bisheriger Bewertungsverfahren wäre ein Ausgleich durch die Zufuhr organischer Dünger aus der Tierhal- tung möglich.

Abb. 2.2.16: Untersaaten im Mais haben positive Wirkung auf Humusbilanz, Nitratfixierung und Befahr- barkeit, aber bei abnehmender Wasserver- fügbarkeit im Klimawandel schwierigere An- baubedingungen.

GeoBerichte 18 53 Fruchtfolgebeispiel für die südliche Metropolregion

Tab. 2.2.5: Mischfruchtfolge Marktfrucht-Bioenergie, humus- und wasseroptimiert, für die südliche Metropolregion. Angabe von Biomasseertrag, Humusbilanz und Wasserbedarf; links: aktuell (1961–90), rechts: Szenario A1B 2071–2100.

Aktuell (Ertragsmittel 1999‐2007 LSN, LK Göttingen) Szenario 2071 ‐ 2100 humusoptimiert Jahr: Fruchtfolge: Nutzung Ertrag Humus C Wasserbedarf Jahr: Fruchtfolge: Nutzung Ertrag Humus C Wasserbedarf (dt/ha) C ( kg/ha) (mm/ha) (dt/ha) C ( kg/ha) (mm/ha) 1 Mais Biogas 140 ‐560 578 1 Mais Biogas 155 ‐560 518 Gärrest 392 Gärrest 349

2 WiRoggen GPS Biogas 120 ‐280 474 2 WiRoggen Korn Korn 55 ‐280 447 Kleegras US keine 200 Stroh f Humus 49 493 3 W WeizenKorn Korn/Ethanol 67 ‐280 536 3 W WeizenKorn Korn/Ethanol 59 ‐280 516 WStroh keine 53 533 WStroh 47 474

4 RapsKorn Korn/Biodiesel 32 ‐280 444 4 RapsKorn Korn/Biodiesel 22 ‐280 377 Rapsstroh keine 55 548 Stroh f Humus 37 371 Phacelia 20 120 56 Auflaufraps 15 180 42 5 Mais Biogas 140 ‐560 578 5 Mais Biogas 155 ‐560 518 Gras US keine 20 200 60 Gärrest 392 Gärrest 352 Summe Korn: 99 Saldo Mittel/Jahr Summe Korn: 81 Saldo Mittel/Jahr FF Bewertung Summe GPS: 400 85 545 FF Bewertung Summe GPS: 365 51 484 Humusklasse: C=optimal Humusklasse: C=optimal

Aktuell

Aktuell werden zur Biogaserzeugung zweimal Mais und einmal Roggen-GPS angebaut. Als Marktfrüchte kommen Weizen und Raps mit Körnernutzung hinzu, wobei das Stroh nicht abgefahren wird. Die Fruchtfolge soll eine op- timale Humusversorgung aufzeigen, deshalb sind Gräseruntersaaten im Roggen und Mais sowie Phacelia als Zwischenfrucht nach Raps aufgenommen worden. Die Silomaiserträge liegen bei 14 t TM/ha und die Weizenerträge bei 67 dt Korn/ha (NLS). Die Humusbilanz liegt im Mittel bei +85 kg C/ha und damit in der op- timalen Versorgungsklasse. Der Wasserbedarf beträgt im Mittel der Jahr 545 mm/ha und kann Abb. 2.2.17: Winterroggen ist als Energiepflanze in auf den mittleren bis guten Böden aus den Ergänzung zu Mais geeignet. Durch geringe Sommerniederschlägen gedeckt werden. Ansprüche an Standort und Klima wird eine gute Anpassung an den Klimawandel erwar- tet.

54 GeoBerichte 18 Szenario 2071–2100, Mögliche Konfliktfelder bei der wasser- und humusoptimiert Anbaugestaltung

Um neben dem Wasserbedarf auch die Hu- Humusbilanz musbilanz wieder auszugleichen, sind weitere Umstellungen in der Fruchtfolge erforderlich. Im Zusammenhang mit den prognostizierten Der Humusausgleich kann geschaffen werden, Klimaveränderungen sind einerseits gesteiger- wenn der Roggen nicht mehr als GPS für Bio- te Humuszersetzungsraten für Herbst, Winter gas, sondern als Korn für die Ethanol- oder und Frühjahr und andererseits im Sommer Futternutzung geerntet wird und das Stroh zur aufgrund verminderter Niederschläge und län- Humusmehrung auf der Fläche verbleibt. Au- gerer Trockenphasen geringere Humuszerset- ßerdem müsste nach bisherigen Kenntnissen zungsphasen zu erwarten (BÖHM 2008). In (s. o., Bewertung Humusbilanz) die Weizen- welche Richtung sich der Humusgehalt auf ei- strohnutzung für die BTL-Erzeugung zuguns- nen Standort entwickelt, ist davon abhängig, ten der Humusstabilität eingestellt werden. Es welche der gegenläufigen Tendenzen über- wird ein Rapsnacherntemanagement mit Auf- wiegen. Eine Abschätzung hierüber ist jedoch laufraps und reduzierter Bodenbearbeitung schwierig, so dass auch Humusbilanzierungen vorgesehen. Über die gesamte Fruchtfolge füh- für zukünftige Fruchtfolgen mit Unsicherheit ren diese Maßnahmen zu einer Reduktion des behaftet sind. Vor diesem Hintergrund sind Biomasseertrages und zu einer Steigerung des auch die nachfolgenden Humusbilanzierungen Kornertrages. Einschnitte müssen durch den auf der Basis heutiger Bewertungen zu sehen. Verzicht des Strohverkaufs hingenommen werden. Die Humusbilanz liegt dafür mit Gegenwärtig werden der Anbau von Sommer- +66 kg C/ha wieder in der Klasse C (= optimal und Winterzwischenfrüchten sowie Untersaa- ten in Reihenkulturen wie Mais zum Erhalt der versorgt). Der Wasserbedarf bleibt niedrig. Der zusätzlich für den Auflaufraps berechnete Humusbilanz empfohlen. Sie tragen zusätzlich Wasserbedarf wird aus den Herbstnieder- zur Erosionsvermeidung, zur besseren Boden- struktur, Steigerung der Wasserspeicherfähig- schlägen gedeckt. keit und Befahrbarkeit bei. Die Deckung des zusätzlichen Wasserbedarfes von Sommerzwi- schenfruchten wird bei abnehmenden Som- merniederschlägen künftig problematisch, so dass von einer rückläufigen Entwicklung aus- zugehen ist. Winterzwischenfrüchte können dagegen die Winterniederschläge nutzen und auch Nährstoffe über den Winter binden. Ob hierdurch noch bis Ende des Jahrhunderts der Anbau abgesichert werden kann, ist zurzeit ungewiss und müsste vertiefend untersucht werden. Für Untersaaten stellt sich das Prob- lem der Wasserkonkurrenz noch deutlicher dar. Begrenzte Möglichkeiten bestehen durch die Sortenwahl. Fällt der Zwischenfrucht- und Untersaatenanbau aufgrund mangelnder Was- serverfügbarkeit bis zum Jahrhundertende aus, so kann dies die Folge haben, dass verstärkt über eine Humusreproduktion durch Strohdün- gung nachgedacht werden muss. Anpas- sungsmöglichkeiten bestehen bei der Ganz- pflanzennutzung durch eine Beerntung mit hö- heren Stoppeln oder Ersatz zugunsten von Körnernutzungen ohne Strohexport.

GeoBerichte 18 55 Nitratverlagerung Ackerbauliche Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel Niederschlagsextreme können zu erhöhtem oberflächlichem Düngerabtrag in die Oberflä- Landwirtschaftliche Betriebe passen sich nicht chengewässer oder Auswaschungen ins nur durch die Kulturartenwahl und Fruchtfolge- Grundwasser führen. Auch Ertragseinbrüche in gestaltung, sondern auch mit der Sortenwahl, Folge von Sommertrockenheiten können zu Wahl der Saat- und Erntetermine, den Boden- Nitratüberschüssen führen, die über den Win- bearbeitungsverfahren, den Dünge- und Pflan- ter potenziell ausgewaschen werden. Abneh- zenschutzstrategien möglichst optimal an die mende Sickerwassermengen führen zudem zu gegebenen Anbaubedingungen an (s. Tab. höheren Sickerwasserkonzentrationen. Die An- 2.2.6). Diese in der Praxis geläufigen Anpas- forderungen an einen gewässerschonenden sungsstrategien werden auch unter dem As- Anbau werden somit in Zukunft steigen. Paral- pekt des Klimawandels vorrangig zum Einsatz lel wird eine Umsetzung der sehr effizienten kommen. So kann z. B. heute schon zwischen Maßnahmen Zwischenfrucht- und Untersaa- einem breiten Spektrum an Maissorten mit un- tenanbau künftig unsicherer bzw. nur noch terschiedlichem Reifezeitpunkt sowie ertrags- eingeschränkt möglich sein. bzw. stabilitätsorientierten Sorten gewählt wer- den. Neue Anbauoptionen, z. B. für Wärme lie- bende Kulturen, können in Zukunft hinzukom- Erosion men. Auch hinsichtlich der Düngung und des Krankheits- sowie Unkrautdruckes sind in Zu- Trotz recht konstanter mittlerer Jahresnieder- kunft Änderungen für die Metropolregion zu schläge wird auch in der Metropolregion eine erwarten. Während CO2- und Temperaturan- Zunahme an extremen Einzelereignissen nicht stieg prinzipiell eher positive Auswirkungen auf auszuschließen sein. Zudem verschieben sich die Erträge bedingen, werden die rückläufigen die Niederschläge in die Herbst- und Winter- Sommerniederschläge und zunehmende Tro- monate, in denen nur teilweise schützende ckenphasen die Erträge negativ beeinflussen. Vegetationsdecken auf den Äckern vorhanden Regionale Unterschiede werden künftig die Er- sind. Somit wird auch die Erosionsgefahr im tragsleistungen stärker prägen. Die derzeit zur Klimawandel eher zunehmen. Zusätzliches Ri- Verfügung stehenden ackerbaulichen Maß- sikopotenzial besteht bei Starkniederschlags- nahmen zur Sicherung der Ertragsleistung und ereignissen nach der Ernte der Hauptfrüchte in künftige Entwicklungen im technischen Bereich den Sommermonaten, sofern keine Zweitkultur sowie der Pflanzenzüchtung sollten zur Er- oder Zwischenfrucht zum Anbau kommt. tragssicherung ergriffen werden. Sie können voraussichtlich, Extremsituationen ausge- Zweikulturnutzung schlossen, klimatisch bedingte Ertragseinbu- ßen in der Metropolregion kompensieren. Die künftig längeren Vegetationszeiten lassen Vorteile für den Anbau von zwei Hauptkulturen mit Ernteziel innerhalb eines Jahres erwarten (Zweikulturnutzung). Dieser Vorteil wird sich in klimatischen Durchschnittsjahren und auf bes- seren Standorten mit hoher nutzbarer Feldka- pazität (nFK) realisieren lassen, setzt jedoch ebenfalls die züchterische Weiterentwicklung von Sorten mit hoher Frosttoleranz und früher Abreife voraus. Auf schwachen Standorten wird die Zweikulturnutzung durch den limitie- renden Faktor Wasser wirtschaftlich unattraktiv bleiben, solange keine Zusatzbewässerung zur Verfügung steht.

56 GeoBerichte 18 Tab. 2.2.6: Übersicht möglicher Maßnahmen zur Ertragssicherung unter den Herausforderungen des Klimawandels – Schwerpunkt Ackerbau.

Acker- und pflanzenbauliche Maßnahmen zur Ertragssicherung Kategorie im Klimawandel Fruchtfolgegestaltung Fruchtartenwahl Fruchtfolgegestaltung Sortenwahl Bestandesführung angepasste Saat- und Erntetermine angepasstes Düngemanagement integrierter Pflanzenschutz Bodenbearbeitung konventionelle Bodenbearbeitung reduzierte Bodenbearbeitung Direktsaatverfahren Aussaat und Pflanzverfahren Engsaatverfahren Untersaaten Häufeln bzw. Anbau in Dämmen Folienanbau weitere Pflanzenzüchtung Nutzung von Agrarinformationsdiensten Wasserverfügbarkeit (s. Teilprojekt 3: Feldberegnung)

Weitere Ausführungen hierzu finden sich unter Einschränkungen erwartet. Anpassungsmög- www.klimafolgenmanagement.de und im Fach- lichkeiten bestehen u. a. in der Kulturarten- teil des BMBF-Endberichts. wahl, der Fruchtfolgegestaltung, der Sorten- wahl und in der Wahl der Bodenbearbeitungs- systeme (von reduzierter Bodenbearbeitung bis Direktsaat) sowie, insbesondere auf leich- 2.2.4 Zusammenfassung ten Standorten, in der Zusatzbewässerung. Ei- ne an den Erfordernissen des Klimawandels Positive pflanzenbauliche Auswirkungen des ausgerichtete Pflanzenzüchtung kann ebenfalls Klimawandels resultieren in einem früheren zur künftigen Ertragssicherheit beitragen. Vegetationsbeginn und einer insgesamt länge- Fruchtfolgeszenarien weisen darauf hin, dass ren Vegetationszeit. Einschränkungen werden in Zukunft größere Anstrengungen zum Erhalt durch die zunehmende Sommertrockenheit bei der Humusbilanz und zur Vermeidung von gleichzeitig steigenden Temperaturen sowie Nitratauswaschungen und Erosionserschei- durch die steigende Gefahr von Spätfrösten nungen unternommen werden müssen. Klima- erwartet. änderungen bedeuten nicht nur neue Heraus- Die Ertragsmodellierung von Biomassekulturen forderungen an die landwirtschaftliche Praxis, mit Ganzpflanzennutzung für Leitgebiete der sondern auch eine Neuorientierung in der Metropolregion ergibt für die Kulturen Mais, Fachberatung. Weiterer Forschungsbedarf ist Sorghum und Zuckerrübe tendenziell positive hinsichtlich einer nachhaltigen Optimierung von Ertragseffekte im Klimawandel (ohne Berück- Anbausystemen unter Berücksichtigung mini- sichtigung von Technik- oder Züchtungsfort- maler Treibhausgasemissionen, maximalem schritt). Die Wintergetreidearten bleiben noch Grundwasser- und Bodenschutz und insbe- bis Mitte des Jahrhunderts recht stabil und zei- sondere zum Erhalt ausgeglichener Humusbi- gen dann klimabedingte Ertragsminderungen. lanzen gegeben. Raps und Sommergetreide können die prog- nostizierten Klimaänderungen am schlechtes- ten ausgleichen. Auch für den Anbau von Untersaaten und Sommerzwischenfrüchten werden bei rückläufiger Wasserverfügbarkeit

GeoBerichte 18 57 2.2.5 Literatur und Datenquellen KARPENSTEIN-MACHAN, M. (2010): Energie- pflanzenanbau für Biogasanlagen: Verände- AZAM-ALI, S. N., CROUT, N. M. J. & BRADLEY, rung der Fruchtfolgen und der Bewirtschaf- R. G. (1994): Perspectives in modelling re- tung von Ackerflächen in Niedersachsen. – source capture by crops. – Chapter in: Naturschutz und Landschaftsplanung 42 'Resource Capture by Crops', Proceedings (10): 313–320. of the 52nd University of Nottingham Easter KRAUSE, A. (2011): Simulationen zum Klima- School: 125–148; Nottingham (University wandel, unter: . BAUBÖCK, R. (2010): BioSTAR - A simple crop LANDESBETRIEB LANDWIRTSCHAFT HESSEN model for the assessment of biomass poten- (Hrsg.) (2005): Leitfaden zur Humusbilanzie- tials in , Germany. – In: Inte- rung. – [ISSN: 1610-6873]. gration of Environmental Information in Eu- rope, Tagungsband. NLWKN - NIEDERSÄCHSISCHER LANDESBETRIEB FÜR WASSERWIRTSCHAFT, KÜSTEN- UND NA- BÖHM, J. J. (2008): Potenzielle Auswirkungen TURSCHUTZ (Hrsg.) (2010): Energiepflanzen- des Klimawandels auf die Eigenschaften anbau, Betrieb von Biogasanlagen und Gär- und Entwicklung der Böden in Schleswig- restmanagement unter den Anforderungen Holstein - eine Abschätzung anhand von des Gewässerschutzes. – Autoren: BUTT- Prognosen des regionalen Klimamodells LAR, C. V., KRÄLING, B., RODE, A., MUND, H. & WETTREG. – Diplomarbeit, Institut für Phy- ROSKAM, A.; Schriftenreihe Grundwasser 10. sische Geographie und Landschaftsökologie an der Leibniz Universität Hannover. STÜLPNAGEL R., BUTTLAR C. V., HEUSER F., WAGNER D. & WACHENDORF, M. (2007): FNR - FACHAGENTUR NACHWACHSENDE ROH- Standortvergleiche zum Zweikultur-Nut- STOFFE (Hrsg.) (2008): Standortangepasste zungssystem. – Schriftenreihe Nachwach- Anbausysteme für Energiepflanzen. Erste sende Rohstoffe 31: 78–96. Ergebnisse des Verbundprojektes „Entwick- lung und Vergleich von optimierten Anbau- STÜLPNAGEL, R. & BUTTLAR, C. V. (2008): Kap. systemen für die landwirtschaftliche Produk- 3.4.1 – Zweikultur-Nutzungssystem. – In: tion von energiepflanzen unter verschiede- FNR (Hrsg.) (2008): Standortangepasste nen Standortbedingungen Deutschlands“. – Anbausysteme für Energiepflanzen: 32–34; Juni 2008; Hürth. Hürth.

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HOFFMANN-BAHNSEN, R. (2011): Brauchen wir neue Fruchtfolgen für die Zukunft? Anforde- rungen von Klimawandel und neuen Kultur- arten an die Fruchtfolgegestaltung. – .

KARPENSTEIN-MACHAN, M. (2005): Energie- pflanzenanbau für Biogasanlagenbetreiber. – Frankfurt a. M. (DLG).

58 GeoBerichte 18 2.3 Ganzheitliche Bewertung 2.3.1 Hintergrund und Zielsetzung regional angepasster Bioenergiekonzepte unter dem Bereits heute wird in der Metropolregion durch Aspekt des Klimawandels den Anbau und die Nutzung von Energiepflan- zen ein wichtiger Beitrag zur Erreichung natio- DANIELA DRESSLER & ACHIM LOEWEN naler Klimaschutzziele geleistet. Zahlreiche Anlagen erzeugen Biogas, Biomethan sowie Pflanzenöl zur Biodieselproduktion. Der damit Zusammenfassung einhergehende vermehrte und weiter steigende Anbau von Energiepflanzen ist neben der Pro- Bioenergien sind aufgrund des dafür erforderli- duktion von Marktfrüchten wie Weizen zu ei- chen Anbaus von Energiepflanzen direkt vom nem wichtigen Standbein in der Landwirtschaft Klimawandel betroffen. Deshalb wurde von der geworden. Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK) ein Modell zur vergleichenden Allerdings ist der Anbau von Bioenergiepflan- Bewertung ausgewählter standortangepasster zen, wie die gesamte landwirtschaftliche Pro- Bioenergiekonzepte hinsichtlich energetischer, duktion, direkt von Extremwetterereignissen ökologischer und ökonomischer Kriterien unter und vom Klimawandel betroffen. Dies hat ver- Berücksichtigung des Klimawandels entwickelt änderte Anbaubedingungen sowie Verände- und angewendet. Zielsetzung dabei war, eine rungen in der Ertragserwartung und damit auch Entscheidungsgrundlage für den Energiepflan- in der Bereitstellung von Bioenergie zur Folge. zenanbau, die eingesetzte Verfahrenstechnik Um die Zielsetzungen des Klimaschutzes auch und die optimale Standortwahl zu schaffen. und gerade unter den veränderten Randbedin- Dabei sollte insbesondere der Einfluss der mo- gungen des Klimawandels zu erreichen und dellierten Klimaszenarien auf die Bioenergie- die Energieversorgung der Bevölkerung aus konzepte betrachtet werden. regenerativen Quellen langfristig abzusichern, spielt die optimale Standortwahl sowohl für den Die Bilanzergebnisse zeigen, dass sich klima- Anbau der Energiepflanzen als auch für die Er- bedingte Ertragszu- bzw. -abnahmen auf die richtung der Anlagen zu deren Verwertung, energetische und ökologische Bewertung aller einschließlich der Wahl der Verfahrenstechni- betrachteten Bioenergien auswirken. Die Fort- ken eine zentrale Rolle. Die Erstellung von schreibung der Bilanzen bis zum Jahr 2100 un- energetischen, ökologischen und ökonomi- ter Berücksichtigung eines technologischen schen Bewertungen stellt in diesem Zusam- Fortschritts veranschaulicht allerdings, dass menhang eine wichtige Entscheidungsunter- die Ertragsveränderungen durch den Klima- stützung zur Auswahl des optimalen Bioener- wandel im Vergleich zu den Auswirkungen des giekonzeptes dar. technologischen Fortschritts nur einen sehr ge- ringen Einfluss auf die Ergebnisse haben. So Zielsetzung der Arbeiten der Hochschule für können Bilanzverschlechterungen (z. B. Redu- angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK), zierung des THG-Minderungspotenzials durch war daher die Entwicklung und Anwendung ei- Ertragsabnahme) durch mögliche Effizienzstei- nes Modells zur vergleichenden Bewertung gerungen (z. B. Steigerung der Biogasausbeu- ausgewählter standortangepasster Bioenergie- te) mehr als kompensiert werden. konzepte hinsichtlich energetischer, ökologi- scher und ökonomischer Kriterien. Die Auswer- tung der Bilanzen soll als Handlungsempfeh- lung und zur Entscheidungsunterstützung für eine optimale Verfahrens- und Standortaus- wahl für den Anbau von Energiepflanzen sowie für die Errichtung von Bioenergieanlagen die- nen.

GeoBerichte 18 59 2.3.2 Auswahl und Ableitung vier verschiedener Nutzungsformen unter- der betrachteten schieden: regional angepassten ■ Strom und Wärme in Kraft-Wärme- Bioenergiekonzepte Kopplung (KWK), ■ Wärme, Für die Auswahl der zu bilanzierenden Bio- energiekonzepte wurde zunächst ein Techno- ■ Kraftstoff, logiepool zur Bioenergieerzeugung erstellt. ■ (Kälte mittels Absorptionskältemaschine). Dieser basiert auf dem derzeitigen Bestand der in der Metropolregion befindlichen Anlagen und Daraus ergaben sich dann die in Abbil- einer Erhebung unterschiedlicher Bioenergie- dung 2.3.1 für die Metropolregion Hannover – verfahren, bezogen auf ihren Stand der Tech- Braunschweig – Göttingen (– Wolfsburg) dar- nik und Forschung. Dabei wurden die Techno- gestellten potenziellen Bioenergieverfahren mit logien grundsätzlich hinsichtlich dreier bzw. den zugehörigen Rohstoffen.

Abb. 2.3.1: Auswahl möglicher Bioenergieverfahren für die Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen (– Wolfsburg).

Auf Grundlage dieses Technologiepools wur- de), deren Bilanzergebnisse in dem vorliegen- den anhand der von den Projektpartnern des den Bericht dargestellt sind, ist in Tabelle 2.3.1 Interdisziplinären Zentrums für Nachhaltigkeit zusammengefasst. Die ausführliche Beschrei- (IZNE) der Georg-August-Universität Göttingen bung aller bilanzierten Technologien erfolgt im betrachteten Bereitstellungskonzepte ausge- Endbericht des BMBF-Projektes Klimafolgen- wählter Energiepflanzen die zu bilanzierenden management, Teilbericht der HAWK (nachfol- Verfahren abgeleitet. Eine Auswahl der sich gend: Projektbericht der HAWK). ergebenen Technologiepfade (Bioenergiepfa-

60 GeoBerichte 18 Tab. 2.3.1: Kurzbezeichnung und Beschreibung der betrachteten Technologiepfade.

Kurzbezeichnung Beschreibung Rapsöl-BHKW Anbau Raps-Korn, Extraktion, BHKW mit 100 % Wärmenutzung Raps-ME (Biodiesel) Anbau Raps-Korn, Extraktion, Umesterung zu RME (Biodiesel) Weizen-Ethanol Anbau Weizen-Korn und Produktion von Bioethanol Zuckerrübe-Ethanol Anbau Zuckerrüben und Produktion von Bioethanol Mais-Biogas-BHKW Anbau Mais-Ganzpflanze (GP), Transport und Silierung, Fermentation, BHKW vor Ort, standortspezifische Wärmenutzung Sorghum-Biogas-BHKW Anbau Sorghum-GP, Transport und Silierung, Fermentation, BHKW vor Ort, standortspezifische Wärmenutzung Zuckerrübe-Biogas-BHKW Anbau Zuckerrübe, Transport und Silierung, Fermentation, BHKW vor Ort, standortspezifische Wärmenutzung Mais-Biomethan-BHKW Anbau Mais-GP, Transport und Silierung, Fermentation, Aufbereitung und Einspeisung, BHKW zentral, mit 100 % Wärmenutzung Sorghum-Biomethan-BHKW Anbau Sorghum-GP, Transport und Silierung, Fermentation, Aufberei- tung und Einspeisung, BHKW zentral, mit 100 % Wärmenutzung Mais-Biomethan-Gastherme Anbau Mais-GP, Transport und Silierung, Fermentation, Aufbereitung und Einspeisung, Gastherme Sorghum-Biomethan-Gastherme Anbau Sorghum-GP, Transport und Silierung, Fermentation, Aufberei- tung und Einspeisung, Gastherme Mais-Biomethan-CNG Anbau von Mais-GP, Transport und Silierung, Fermentation, Aufberei- tung und Einspeisung, Tankstelle, Kraftstoff Sorghum-Biomethan-CNG Anbau Sorghum-GP, Fermentation, Aufbereitung und Einspeisung, Tankstelle, Kraftstoff

Diese Bioenergiepfade wurden jeweils für drei gen ermittelt werden kann. Im Einzelnen wurde konkrete Modellregionen (Landkreis (LK) Göt- Folgendes angenommen: tingen, LK Celle und LK Hildesheim) hinsicht- ■ Steigerung der BHKW-Wirkungsgrade: lich der jeweils vorliegenden regionalen und standortspezifischen Gegebenheiten gesondert o 5 % elektrisch, betrachtet. Zu den regionalen und standort- o 4 % thermisch. spezifischen Gegebenheiten der jeweiligen Landkreise gehören die spezifischen Energie- ■ Biogasanlagen: pflanzenerträge, bodenabhängige Bewirtschaf- o Steigerung der Biogasausbeute tungskonzepte und die standortspezifische (nach KTBL 2009) um 20 %, Bioenergienutzung, wie z. B. die Wärmenut- zung der bestehenden Biogasanlagen. o Reduzierung der diffusen Methan- emissionen von 2,5 % auf 1 %. Weiterhin wurden für diese Bioenergiepfade technologische Fortschritte (z. B. Steigerung ■ Kraftfahrzeuge: von Wirkungsgraden) veranschlagt, die aller- o Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs dings nicht den tatsächlich zu erwartenden um 5 %. Fortschritt widerspiegeln können, da sich die- ■ Ethanol- und Biodieselproduktion: ser sehr schwer abschätzen lässt und bis zum Jahr 2100 Energieerzeugungstechniken entwi- o Steigerung der Effizienz in der ckelt sein könnten, die derzeit nicht einmal den Produktion um 10 %. Stand der Forschung beschreiben. Im Rahmen der durchgeführten Bilanzierungen wurden zu- Werden zukünftig weitere Effizienzsteigerun- nächst nur relativ geringe Wirkungsgradsteige- gen erzielt und beispielsweise elektrische Wir- rungen veranschlagt, mit denen der grundsätz- kungsgrade der BHKW von 60 % und mehr er- liche Einfluss im Vergleich zu den Auswirkun- reicht, so können diese die Bilanzergebnisse gen durch klimabedingte Ertragsveränderun- noch deutlich stärker beeinflussen.

GeoBerichte 18 61 Die übrigen in Abbildung 2.3.1 aufgeführten die ökologische Bewertung nach den Rahmen- Technologien basieren auf lignozellulosehalti- richtlinien der ISO-Normen 14040 (ISO 2006a) ger Biomasse. Diese wurde allerdings von den und 14044 (ISO 2006b) zur Erstellung einer Projektpartnern des IZNE und des LBEG nicht Ökobilanz und die ökonomische Bewertung betrachtet. Somit konnten für diese Bioener- nach den Grundsätzen der VDI-Richtlinie 2067 giepfade keine Bilanzierungen hinsichtlich ihrer (VDI 2000). Dabei ist die Vorgehensweise bei Standortunterschiede und der Auswirkungen allen Methoden gleich und stützt sich auf die des Klimawandels (IMUK, Universität Hanno- vier Phasen der Ökobilanzierung: Festlegung ver) durchgeführt werden. Es wurden aller- des Untersuchungsrahmens (1), Erstellung der dings Energie- und Ökobilanzen auf Basis von Sachbilanz (2), Wirkungsabschätzung nach Literaturdaten für den Ist-Stand durchgeführt. festgelegten Bewertungskriterien (3) und Aus- Diese Ergebnisse sind dem Projektbericht der wertung der Bilanzergebnisse (4). Die vollstän- HAWK zu entnehmen. dige Prozesskettenanalyse (Sachbilanz) ist wesentlichstes Element der drei Bewertungs- methoden und führt vom Anbau der jeweiligen Biomasse über die Bereitstellung des Bioener- 2.3.3 Methodik gieträgers bis hin zur jeweiligen Endenergie. Diese Prozesskettenanalyse erfolgt für die drei Das Modell zur Durchführung vergleichender Modellregionen (LK Celle, LK Hildesheim und Bewertungen ausgewählter standortangepass- LK Göttingen) jeweils unter Berücksichtigung ter Bioenergiekonzepte stützt sich auf bereits der regionalen Standortvoraussetzungen, der standardisierte Normen und Richtlinien. So er- regionalen Bewirtschaftungskonzepte sowie folgt die primärenergetische Bewertung nach der regional angepassten Bioenergienutzung den Grundsätzen der VDI-Richtlinie 4600 (VDI (s. Abb. 2.3.2). 1997) zum kumulierten Primärenergieaufwand,

Abb. 2.3.2: Vergleichende energetische, ökologische und ökonomische Bewertung ausgewählter Konzepte zur Bereitstellung von Energiepflanzen und/oder Bioenergien.

62 GeoBerichte 18 Die Modellierung des Energiepflanzenanbaus ■ ökonomische Kriterien nach VDI 2067 der drei ausgewählten Untersuchungsgebiete (VDI 2000): erfolgte unter Berücksichtigung der Feldarbeit o Gestehungskosten: Gleichzusetzen mit in Abhängigkeit von den vorliegenden Boden- Herstellkosten; Herstellkosten sind die beschaffenheiten, den Beregnungsbedürftig- im Zusammenhang mit der Produktion keiten sowie auf Basis von standortangepass- eines Gutes anfallenden Kosten und ten Felderträgen. Aufbauend auf dieser Pro- setzen sich aus Material- und Ferti- zesskettenanalyse erfolgte dann in einem gungskosten zusammen. zweiten Schritt die energetische, ökologische und ökonomische Bewertung (Bilanzierung) Durch Auswertung der erstellten Bilanzen auf nach folgenden Kriterien, die wesentlicher Be- Basis dieser Bewertungskriterien kann dann standteil des Bewertungsmodells sind: ein jeweils energetisch, ökologisch und öko- ■ energetische Kriterien nach VDI 4600 nomisch sinnvolles Energieversorgungskon- (VDI 1997): zept für unter anderem folgende Fragestellun- gen identifiziert werden: o Kumulierter Primärenergieaufwand (KEA): Maßeinheit für den vollständi- ■ Welche Energiepflanze hat pro Hektar An- gen primärenergetisch bewerteten baufläche bzw. pro Tonne Erntegut Aufwand, der durch die Herstellung, o den geringsten Energieaufwand? Nutzung und Entsorgung eines Pro- dukts entsteht. o die beste Klimagasbilanz? o Erntefaktor: Verhältnis zwischen dem o das geringste Versauerungs- bzw. Energieertrag und dem kumulierten Eutrophierungspotenzial? (nicht-regenerativen) Energieaufwand. ■ Welches Bioenergiekonzept hat pro Hektar ■ ökologische Kriterien nach ISO 14040, Anbaufläche ISO 14044 (ISO 2006a, ISO 2006b): o den geringsten Energieaufwand? o Treibhausgaspotenzial: Emission an- o die beste Klimagasbilanz? thropogen verursachter Treibhausgase (z. B. Methan und Kohlendioxid), die o das geringste Versauerungs- bzw. zu einer Verstärkung des natürlichen Eutrophierungspotenzial? Treibhauseffektes führen und damit zu ■ Wie verändern sich die Bilanzergebnisse einer Erhöhung der globalen Durch- unter Berücksichtigung der klimatischen schnittstemperatur beitragen können. Veränderungen und des technologischen Bewertung nach IPCC (2007). Fortschritts bis 2100? o Versauerungspotenzial: Emission ver- sauernder Stoffe (SO2, NOx etc.), die Darüber hinaus können die Bilanzergebnisse vielfältige Auswirkungen auf Böden, der drei Leitgebiete miteinander verglichen Gewässer, Ökosysteme, biologische werden. Damit können Aussagen über den lo- Organismen und Materialien haben kalen Bezug der energetischen, ökologischen (z. B. Rückgang von Waldflächen, und ökonomischen Effizienz von Bioenergie- Fischsterben in Seen). Bewertung versorgungskonzepten getroffen werden. nach GUINEÉ (2001). Der zeitliche Bezug der Bilanzen erstreckt sich o Eutrophierungspotenzial: Nährstoffzu- über die auf den Klimamodellierungen basie- fuhr im Übermaß, die in Gewässern zu renden drei festgelegten Szenarien: 1961– einer unerwünschten Verschiebung 1990 (Ist-Stand), 2021–2050 (2050) und 2071– der Artenzusammensetzung (z. B. 2100 (2100). vermehrte Algenbildung) und damit zu einer Sauerstoffzehrung bzw. zu einer Sauerstoffmangelsituation führen kann. Bewertung nach GUINEÉ (2001).

GeoBerichte 18 63 2.3.4 Ergebnisse Feld zur entsprechenden Bioenergieanlage liegt hier noch außerhalb des Betrachtungs- Die Ergebnisse der vergleichenden Bewertung rahmens und wird erst bei der Bilanzierung der standortangepasster Bioenergiekonzepte sind gesamten Prozesskette berücksichtigt. unterteilt in die Bereitstellung der betrachteten Energiepflanzen und in die daraus abgeleiteten Energetische Bewertung des Bioenergiepfade. Die für diese Betrachtungs- Energiepflanzenanbaus rahmen erstellten Energiebilanzen und Ökobi- lanzen sind nachfolgend für die Szenarien des Die energetische Bewertung des Energiepflan- Ist-Zustandes, des Szenarios 2050 sowie des zenanbaus erfolgt durch den kumulierten Pri- Szenarios 2100 mit und ohne Technologiefort- märenergieaufwand in Megajoule (MJ) pro schritt für die entsprechenden Bioenergien Tonne erntefrischer Biomasse. In Abbildung dargestellt. Die Ergebnisse der Wirtschaftlich- 2.3.3 ist das Ergebnis der energetischen Bilan- keitsanalyse beziehen sich ausschließlich auf zierung verschiedener Kulturen für den Zeit- den Ist-Zustand und werden im ausführlichen raum Ist-Stand dargestellt. Hier wird deutlich, Projektbericht der HAWK vorgestellt. dass die Kornpflanzen die schlechtesten Ener- giebilanzen aufzeigen. Dies ist darauf zurück- Energetische und ökologische Bewertung zuführen, dass bei diesen im Vergleich zu den des Energiepflanzenanbaus Getreide-Ganzpflanzen (GP) nur der Korner- trag zur Bioenergieerzeugung genutzt wird und Die nachfolgend dargestellten Ergebnisse zur nicht die vollständige Frucht (Korn und Stroh). energetischen und ökologischen Bewertung Dadurch erreichen diese Kulturen einen deut- des Energiepflanzenanbaus beziehen sich auf lich geringeren Ertrag im Vergleich zu den Ge- die Bereitstellung von einer Tonne Erntegut ab treide-GP, und der Aufwand pro Tonne Ernte- Feldrand. Es wurden alle Aufwendungen für gut steigt. Weiterhin geht aus Abbildung 2.3.3 den Anbau der jeweiligen Kultur (Feldarbeit, hervor, dass der Aufwand für die Bereitstellung Dünge- und Pflanzenschutzmittel etc.) bis hin von Raps-Korn im Vergleich zum Winterwei- zur Ernte berücksichtigt. Dazu zählen auch alle zen-Korn mehr als doppelt so hoch ist. Dies ist indirekten Emissionen, wie zum Beispiel die auf den sehr hohen Stickstoffbedarf des Rap- stickstoffbedingten Lachgasemissionen. Der ses und die energieintensive Stickstoffdünger- Transport der jeweiligen Energiepflanze vom produktion zurückzuführen.

Abb. 2.3.3: Energiebilanz verschiedener Kulturen (Ist-Stand).

64 GeoBerichte 18 Vergleicht man den kumulierten Energieauf- Tonne Erntegut steigt. Außerdem ist der höhe- wand (KEA) der Energiepflanzenbereitstellung re kumulierte Energieaufwand im LK Celle auf der Landkreise Hildesheim, Celle und Göttin- die erforderliche Feldberegnung zur Ertragssi- gen untereinander, so wird deutlich, dass der cherung zurückzuführen (vgl. Abb. 2.3.4). Wei- Aufwand im LK Celle im Vergleich zu den an- terhin zeigt Abbildung 2.3.4 den hohen Anteil deren beiden Landkreisen am höchsten ist. der erforderlichen Dünge- und Pflanzenschutz- Dies liegt einerseits am geringeren Ertrag im mittel, der überwiegend auf der Bereitstellung LK Celle, wodurch bei gleichem Düngeauf- des Stickstoffdüngers beruht. wand und gleicher Feldarbeit der Aufwand pro

Abb. 2.3.4: Kumulierter Energieaufwand für die Bereitstellung von Raps-Korn.

Der Vergleich der verschiedenen Zeiträume Energieaufwandes auf den sinkenden Ertrag in 2000, 2050 und 2100 unter Berücksichtigung den Szenarien 2050 bzw. 2100 und die Ab- der Klimamodellierungen zeigt, dass der kumu- nahmen auf steigenden Ertrag (z. B. Sorghum, lierte Energieaufwand in allen drei Landkreisen Zuckerrübe) zurückführen. Einzige Ausnahmen bis zum Jahr 2100 um ca. 2 000 MJ pro Tonne dieses Trends sind die Mais-GP und die Zu- Raps-Korn zunimmt. Dies ist auf den zu erwar- ckerrüben-Erzeugung im LK Hildesheim. Hier tenden Ertragsrückgang aufgrund des Klima- liegen in beiden Szenarien Ertragssteigerun- wandels zurückzuführen. Dadurch nimmt bei gen vor. Dennoch zeigt das Bilanzergebnis ei- gleichem Bereitstellungsaufwand pro Hektar ne im Vergleich zum LK Celle reduzierte Ab- der kumulierte Energieaufwand pro Tonne nahme des KEA für die Zuckerrübenproduktion Erntegut zu. und sogar eine Zunahme des KEA bei Anbau und Ernte von Mais-GP. Die erwartete Ertrags- Abbildung 2.3.5 und Abbildung 2.3.6 zeigen die steigerung ist jedoch nur dann möglich, wenn prozentuale Zunahme (positiver Ausschlag auf eine ausreichende Nährstoffversorgung ge- der x-Achse) bzw. Abnahme (negativer Aus- währleistet werden kann. Dadurch entsteht ein schlag auf der x-Achse) des KEA für die ande- höherer Aufwand, insbesondere für Stickstoff- ren Kulturen der Szenarien 2050 und 2100 ge- Dünger, was wiederum zu einer Erhöhung des genüber dem Ist-Zustand (2000). Analog zum KEA führt. Raps lassen sich auch hier die Zunahmen des

GeoBerichte 18 65 Stellt man die Veränderung des KEA beider Szenarien einander gegenüber, so wird deut- lich, dass im Szenario 2050 neben der Zucker- rübe die Sorghum-GP, im LK Göttingen die Mais-GP und im LK Celle der Roggen und der Weizen noch eine Verbesserung des KEAs er- reichen können.

Abb. 2.3.5: Prozentuale Veränderung des kumulierten Abb. 2.3.6: Prozentuale Veränderung des kumulierten Primärenergieaufwandes für den Anbau Primärenergieaufwandes für den Anbau verschiedener Energiepflanzen vom Ist-Stand verschiedener Energiepflanzen vom Ist-Stand zum Jahr 2050. zum Jahr 2100.

Weiterhin sind die Zunahmen des KEA der an- Ökologische Bewertung des deren Kulturen noch deutlich geringer als im Energiepflanzenanbaus Szenario 2100. Hier können nur noch die Zu- ckerrübe und der Sorghum in allen drei Land- Die ökologische Bewertung des Energiepflan- kreisen sowie der Mais im LK Göttingen eine zenanbaus beschränkt sich auf die Wirkungs- Verbesserung des KEA erreichen. Diese Ent- kategorien Treibhauseffekt, Versauerung und wicklung liegt am Ertragsrückgang aller ande- Eutrophierung. Die Treibhausgasemissionen ren Kulturen (Ausnahme: Mais-GP im LK Hil- (THG-Emissionen), die bei Bereitstellung der desheim, s. o.). Außerdem wird deutlich, dass untersuchten Energiepflanzen entstehen, sind beim Raps, der bei der Bilanzierung des Ist- in Abbildung 2.3.7 dargestellt und zeigen ein Standes schon den größten Energieaufwand ähnliches Bild wie der KEA. Auch hier führt die hat, die Zunahme mit über 30 % am höchsten Bereitstellung der Kornpflanzen zu den höchs- ist. ten THG-Emissionen, und der LK Celle zeigt bei allen Kulturen eine schlechtere Treibhaus- gasbilanz als die LK Hildesheim und Göttingen.

66 GeoBerichte 18

Abb. 2.3.7: Treibhausgasemissionen verschiedener Kulturen für den Ist-Stand.

Auch für die Wirkungskategorien Versauerung Eutrophierung. Dies ist auf den hohen Anteil und Eutrophierung zeigt sich ein ähnliches Bild der Feldberegnung von ca. 50 % zurückzufüh- (vgl. Abb. 2.3.8 und Abb. 2.3.9). Auffälliger Un- ren. Ursache sind die Schwefelemissionen aus terschied ist jedoch, dass bei der Freisetzung der für die Feldberegnung erforderlichen Die- versauernd wirkender Emissionen der Unter- selbereitstellung. Im Projektbericht der HAWK schied zwischen den LK Hildesheim und Göt- ist hierzu ein Vergleich zwischen diesel- und tingen zum LK Celle mit ca. 50 % mehr Emis- strombetriebenen Pumpen zur Feldberegnung sionen in Celle deutlich größer ist als bei den dargestellt. Bewertungskriterien KEA, Treibhauseffekt und

Abb. 2.3.8: Versauernd wirkende Emissionen Abb. 2.3.9: Eutrophierend wirkende Emissionen verschiedener Kulturen für den Ist-Stand. verschiedener Kulturen für den Ist-Stand.

GeoBerichte 18 67 Weiterhin findet sich dort eine detaillierte Dar- Ökologische Bewertung verschiedener stellung der Szenarien 2050 und 2100. Diese Bioenergien Bilanzergebnisse verhalten sich analog zu de- nen der energetischen Bewertung. Auch hier In Abbildung 2.3.10 ist das Treibhausgasmin- ist die Ertragsveränderung die bestimmende derungspotenzial der betrachteten Bioenergien Größe. für den Ist-Stand, bezogen auf einen Hektar Anbaufläche dargestellt. Die auf der x-Achse aufgeführten negativen THG-Emissionen zei- Energetische und ökologische Bewertung gen deutlich, dass die Emissionen, die bei der verschiedener Bioenergietechnologiepfade Bereitstellung der Bioenergien freigesetzt wer- den, deutlich geringer sind als bei Nutzung Die energetischen und ökologischen Bewer- fossiler Energieträger. Einzige Ausnahme bil- tungen verschiedener Bioenergien beziehen det hier die Wärmebereitstellung mittels Sorg- sich auf die Bereitstellung von Strom und hum-Biomethan-Gastherme. In diesem Fall Wärme in KWK sowie von Wärme und Kraft- sind die Emissionen der Bioenergiebereitstel- stoffen, bezogen auf einen Hektar Anbauflä- lung fast identisch mit denen der Bereitstellung che. Für die erzeugten Bioenergien wurde je- der Wärme aus fossilem Erdgas (LK Hildes- weils die verdrängte fossile Energie gutge- heim und Göttingen). Im LK Celle werden schrieben (z. B. Wärme aus Erdgas und Strom durch die Bioenergie sogar mehr Emissionen aus dem deutschen Strommix, bereinigt um erzeugt. Dies ist mit der geringen Emissions- erneuerbaren Energien). Die Bilanzergebnisse gutschrift für die Substitution von Wärme aus werden nachfolgend exemplarisch für die öko- der Erdgas-Brennwert-Therme verbunden, da logische Bewertung und hierbei wird insbeson- Erdgas an sich schon der klimafreundlichste dere die Wirkungskategorie des Treibhausef- fossile Energieträger ist. Außerdem ist die Auf- fektes dargestellt. bereitung und Einspeisung des Biomethans mit einem hohen energetischen Aufwand und da- mit auch mit der Freisetzung von Klimagasen verknüpft.

Abb. 2.3.10: Treibhausminderungspotenzial, bezogen auf einen Hektar Anbaufläche (Ist-Stand).

68 GeoBerichte 18 Die Bioenergie mit dem größten THG- Betrachtet man diese Bioenergien nun unter Minderungspotenzial ist die dezentrale Ver- Berücksichtigung der klimabedingten Ertrags- stromung von Biogas aus Mais im LK Göttin- veränderungen bis 2100, allerdings ohne eine gen mit ca. 8 500 kg CO2-Äquivalenten pro mögliche technologische Weiterentwicklung, so Hektar Anbaufläche und im Landkreis Hildes- zeigt sich bei allen dieselbe Entwicklung wie heim mit ca. 7 440 CO2-Äquivalenten pro Hek- bei den zu Grunde gelegten Energiepflanzen tar Anbaufläche, direkt gefolgt von der zentra- (vgl. Abb. 2.3.11). Dort, wo eine Zunahme der len Verstromung von Biomethan nach Aufbe- THG-Emissionen zu verzeichnen war, sinkt reitung und Einspeisung im LK Hildesheim. auch das THG-Minderungspotenzial bei der Grund für den Unterschied zwischen dem Bio- Betrachtung der vollständigen Bioenergiepro- gas- und Biomethanszenario ist die unter- zesskette. Dies wird insbesondere bei den schiedliche Wärmenutzungsrate im Biogas- Bioenergien aus Raps-Korn, wie zum Beispiel szenario in den untersuchten Landkreisen, die Biodiesel, deutlich. Hier sinkt das THG-Minde- im LK Göttingen deutlich höher ist als im LK rungspotenzial von -5 028 kg CO2-Äquivalen- Hildesheim. ten auf -2 616 kg CO2-Äquivalente. Dies ist ei- ne Reduzierung um fast 50 %. Umgekehrt zei- Im Vergleich der Biogaskulturen ist der Mais gen hier alle Bioenergien, die auf Mais-GP und die Kultur mit der besten Klimagasbilanz, ge- auf Zuckerrüben aus dem LK Hildesheim ba- folgt von der Zuckerrübe und dem Sorghum. sieren, ein besseres Ergebnis für 2100 (z. B. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Mais-Biogas-BHKW: Szenario Ist-Stand: Mais sowohl züchterisch als auch als Einsatz- -7 440,26 kg CO -Äquivalente, Szenario 2100: stoff in Biogasanlagen am weitesten erforscht 2 8 373,73 kg CO -Äquivalente). Dies ist auf den und entwickelt ist. Weiterhin geht aus Abbil- 2 höheren Maisertrag und damit auf die höhere dung 2.3.10 hervor, dass auch bei der Bilanzie- Biogasmenge und die höheren Gutschriften für rung der Treibhausgasminderungspotenziale die Verdrängung der fossilen Energie zurück- der verschiedenen Bioenergieverfahren der LK zuführen. Celle schlechter abschneidet als die LK Hil- desheim und Göttingen.

Abb. 2.3.11: Treibhausgasminderungspotenzial verschiedener Bioenergien, bezogen auf einen Hektar Anbaufläche: Szenario 2100 ohne Berücksichtigung eines technologischen Fortschritts.

GeoBerichte 18 69 Bezieht man nun den oben definierten mögli- chen technologischen Fortschritt mit in das Bi- lanzergebnis ein, so ergibt sich das in Abbil- dung 2.3.12 dargestellte Bild. Diese Bilanzer- gebnisse veranschaulichen, dass die Einbußen im THG-Minderungspotenzial durch einen möglichen Ertragsrückgang mehr als ausgegli- chen werden können.

Abb. 2.3.12: Treibhausminderungspotenzial verschiedener Bioenergien, bezogen auf einen Hektar Anbaufläche: Szenario 2100 unter Berücksichtigung eines technologischen Fortschritts.

So kann bei der zentralen Verstromung von Die Bilanzierung der versauernd und eutro- Biomethan aus Mais im LK Hildesheim allein phierend wirkenden Emissionen dagegen zeigt durch den technologischen Fortschritt die insbesondere bei den Biogas- und Biomethan- THG-Emissionsminderung von ca. 10 t CO2- technologien in allen Szenarien und auch unter Äquivalenten auf mehr als 18 t CO2-Äquivalen- Berücksichtigung eines technologischen Fort- te pro Hektar Anbaufläche und Jahr gesteigert schritts höhere Emissionen als die fossilen Al- werden. Das entspricht einer Steigerung um ternativen. Lediglich die Kraftstoffe Ethanol aus ca. 45 %. Außerdem kann durch den sehr kon- Weizen und Biodiesel führen zu weniger Emis- servativ angesetzten technologischen Fort- sionen als die konventionelle Dieselbereitstel- schritt auch die Wärmegewinnung mittels lung und -nutzung. Eine ausführliche Darstel- Sorghum-Biomethan-Gastherme eine positive lung der Bilanzergebnisse ist im Projektbericht Klimabilanz erreichen. der HAWK zu finden. Im Vergleich der Bioenergien untereinander sind die KWK-Nutzungen, mit Ausnahme des Rapsöl-BHKW, die Bioenergien mit dem größ- ten THG-Minderungspotenzial.

70 GeoBerichte 18 2.3.5 Schlussfolgerungen und sonders vorteilhaft oder besonders nachteilig Handlungsempfehlungen zur identifiziert werden. Bei stärkerer Gewichtung Entwicklung klima- und von Energieeffizienz und Klimaschutzzielen, standortangepasster die derzeit im stärksten öffentlichen und politi- Bioenergiekonzepte schen Interesse stehen, wären Biogas- bzw. Biomethan-BHKW zu favorisieren. Versaue- rung und Eutrophierung sind lokale Effekte. Die Bilanzergebnisse zeigen, dass sich die Deshalb muss bei der Planung eines Bioener- klimabedingten Ertragszu- bzw. -abnahmen auf gievorhabens geprüft werden, in wie weit in der die energetische und ökologische Bewertung bevorzugten Region bereits Probleme hinsicht- aller betrachteten Bioenergien auswirken. In lich überdüngter bzw. versauerter Böden und der Regel wirkt sich ein steigender Ertrag posi- Gewässer auftreten, und hier müssen ggf. Ent- tiv und ein sinkender Ertrag negativ auf die Bi- scheidungen für andere Bioenergiepfade fal- lanzergebnisse aus. Eine lineare Abhängigkeit len. der Ergebnisse von den Ertragsveränderungen besteht aber nicht, wie die Ergebnisse von Weiterführende Bewertungen hinsichtlich an- Mais und Zuckerrübe im LK Hildesheim ver- derer Wirkungskategorien, wie Biodiversität deutlichen. Die Fortschreibung der Bilanzen bis oder Veränderungen des Landschaftsbildes zum Jahr 2100 unter Berücksichtigung eines durch die vermehrte Nutzung bestimmter Ener- technologischen Fortschritts veranschaulicht, giepflanzen (z. B. Energiemais), wurden in dass die Ertragsveränderungen im Vergleich dem zu Grunde gelegten Forschungsprojekt zu den Auswirkungen des technologischen nicht durchgeführt. Fortschritts nur einen sehr geringen Einfluss Weiterhin wurden im Rahmen des Projektes auf die Ergebnisse haben. So können Bilanz- keine standortspezifischen Daten zu lignozellu- verschlechterungen (z. B. Reduzierung des losehaltiger Biomasse ermittelt. Daher berück- THG-Minderungspotenzials durch Ertragsab- sichtigen die an der HAWK durchgeführten Bi- nahme) durch mögliche Effizienzsteigerungen lanzierungen für diese Energieträger weder re- (z. B. Steigerung der Biogasausbeute) mehr gionale Unterschiede noch Folgen des Klima- als kompensiert werden. wandels. Die ausschließlich literaturbasierten Der Vergleich der Bioenergien untereinander Berechnungen zeigen aber, dass die Biogas- zeigte, dass die gekoppelte Strom- und Wär- produktion aus Mais deutlich energie- und meerzeugung mittels Biogas- und Biomethan- nährstoffintensiver ist als die Nutzung schnell- BHKW in allen betrachteten Szenarien die bes- wüchsiger mehrjähriger Gräser und Gehölze. ten Energie- und Klimagasbilanzen aufweisen Diese Ergebnisse werden auch durch andere konnte. Damit kristallisiert sich diese Techno- Projekte, wie zum Beispiel das GHG-europe, logie als das Bioenergiekonzept, das pro Hek- bestätigt (VTI 2011). Zur Beurteilung des regi- tar Anbaufläche sowohl den höchsten Energie- onalspezifischen Anbaus lignozellulosehaltiger ertrag als auch die beste Klimagasbilanz liefern Biomasse unter Berücksichtigung des Klima- kann, heraus. Im Gegensatz dazu stellt sich wandels sowie deren energetischer Nutzung die Verstromung von Rapsöl in BHKW selbst sollten in Folgeprojekten weiterführende Unter- mit Wärmenutzung deutlich schlechter dar. Bei suchungen durchgeführt werden. der Betrachtung der versauernd und eutrophie- rend wirkenden Emissionen führten allerdings gerade die Biogas- und Biomethantechnolo- gien zu Mehremissionen gegenüber den fossi- len Alternativen. Hier zeigten sich wiederum die auf Raps basierenden Bioenergien von Vorteil, die jedoch zu den schlechtesten Ener- gie- und Klimagasbilanzen führen. Außerdem ist Raps die Kultur, die den größten Ertrags- einbruch bei den Szenarien 2050 und 2100 er- reicht und dadurch auch die größte Bilanzver- schlechterung aller Bewertungskategorien. Folglich kann unter Berücksichtigung aller Be- wertungskriterien und ohne Gewichtung dieser untereinander kein Bioenergiekonzept als be-

GeoBerichte 18 71 2.3.6 Literatur und Datenquellen

GUINEÉ, J. (2001): Life cycle assessment. An operational guide to the ISO standards. – Final report, Centre of Environmental Science; Leiden University (CML).

IPCC (2007): WGI Fourth Assessment Report. – , letz- ter Zugriff: 20. Februar 2011.

ISO (2006a): DIN EN ISO 14040: Umweltma- nagement Ökobilanz, Grundsätze und Rah- menbedingungen. – Deutsches Institut für Normung (DIN); Berlin (Beuth). ISO (2006b): DIN EN ISO 14044: Umweltma- nagement Ökobilanz, Anforderungen und Anleitungen. – Deutsches Institut für Nor- mung (DIN); Berlin (Beuth).

KTBL - KURATORIUM FÜR TECHNIK UND BAUWE- SEN IN DER LANDWIRTSCHAFT E. V. (2009): Faustzahlen Biogas. – Darmstadt.

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VDI (2000): Wirtschaftlichkeit gebäudetechni- scher Anlagen - Grundlagen und Kostenbe- rechnung. VDI 2067. – Verein Deutscher In- genieure e. V.; Düsseldorf.

VDI (1997): Kumulierter Energieaufwand, Be- griffe, Definitionen, Berechnungsmethoden. VDI 4600. – Verein Deutscher Ingenieure e. V.; Düsseldorf.

VTI (2011): Energiepflanzen sind unterschied- lich klimafreundlich. – Pressemitteilung vom 19.04.2011 des Johann-Heinrich-von-Thü- nen-Instituts; Braunschweig.

72 GeoBerichte 18 2.4 Integrative Flächenbewertung Ausweisung von Flächen für Bioenergiekon- zur Ausweisung von zepte wurde unter Berücksichtigung der Ziele potenziellen Standorten für der Raumplanung und anderer Nutzungen Bioenergieanlagen und Analyse bzw. der Schützgüter durchgeführt. der Anbauflächenpotenziale Zusätzlich wurden die energetischen Potenzia- der Metropolregion le, die mit der zur Verfügung stehenden An- baufläche vorhanden sind, erarbeitet. Diese DOMINIKA LESSMANN Analyse liefert eine Hilfestellung zur Festle- gung des Anteils von Energiepflanzen, der zu dem Ziel der Metropolregion, „100%-Erneuer- Zusammenfassung bare-Energien-Region“ zu werden, beitragen kann. In Zeiten des intensiven Ausbaus von erneuer- baren Energien gewinnt der Aspekt der raum- planerischen Steuerung dieser Entwicklung an Bedeutung. Im Rahmen des Projektes wurde 2.4.2 Derzeitiger Anlagenbestand und eine Methodik zur Ausweisung von Vorzugsflä- Anbauflächennutzung chen für die Bioenergieanlagenstandorte, ins- besondere Biogasanlagen, entwickelt. Darüber Um sowohl der Frage nach potenziellen neuen hinaus wurden die Ackerflächenpotenziale im Anlagenstandorten nachgehen zu können als Hinblick auf die Energiepflanzennutzung in der auch die Energiepflanzenpotenziale in der Met- Metropolregion analysiert. ropolregion analysieren zu können, war es wichtig, den derzeitigen Anlagenbestand und die derzeitige Ackerflächennutzung zu erfas- sen. Die mit Abstand am häufigsten auftreten- 2.4.1 Zielsetzung den Bioenergieanlagen in der Metropolregion sind die Biogasanlagen. Das kann bereits auf Neben dem klimaabhängigen Aspekt des An- den ersten Blick auf der im Rahmen des Pro- baus von Energiepflanzen, der durch die Pro- jektes erstellten Karte erkannt werden (Abb. jektpartner LBEG und IZNE erarbeitet wurde, 2.4.1). Die Holzheizanlagen sind ebenfalls stand bei den Arbeiten der Firma GEO-NET stark vertreten, dazu kommen drei Biomethan- Umweltconsulting GmbH die Ermittlung der Po- anlagen und einige Ölmühlen, deren Öl zur tenziale für Bioenergieanlagenstandorte und Biokraftstoffproduktion genutzt wird (eigene Anbauflächen aus fachplanerischer Sicht im Erhebung aus den Jahren 2008 und 2009). Fokus. Hierbei wurden die Konflikte zwischen der Bioenergieproduktion und anderen Nut- zungsansprüchen an den Raum analysiert. Die

GeoBerichte 18 73

Abb. 2.4.1: Ausschnitt aus der interaktiven Karte der Bioenergieanlagen in der I+K-Plattform (http://www.klimafolgen management.de). Die gelben und grünen Symbole kennzeichnen die Biogasanlagen (Quelle der topographischen Karte: LGLN 2011).

Die höchste Biogasanlagendichte besteht in den nordöstlichen Landkreisen Soltau-Falling- bostel, Celle und Gifhorn. Im Landkreis Oste- rode am Harz sowie in den Städten Braun- schweig und Salzgitter gibt es noch keine Bio- gasanlagen (Abb. 2.4.2).

74 GeoBerichte 18

Abb. 2.4.2: Biogas- und Biomethananlagenzahl und die installierte elektrische Leistung pro Landkreis (eigene Daten- erhebung aus den Jahren 2008 und 2009). Für die Biomethananlagen wurde der Energiegehalt der pro Stunde produzierten Biomethanmengen berechnet und daraus eine theoretische elektrische Leistung der Anlagen errechnet (angenommene Parameter: 9,94 kWh/m3 Methan, el. Wirkungsgrad: 37 %). Somit konnten die Biomethananlagen, bei denen kein Strom vor Ort produziert wird, zu der elektrischen Leistung der Biogas- anlagen dazugerechnet werden.

Die Biogaskulturen der bestehenden Biogas- chen Substratmasse ausgegangen. Der Wirt- und Biomethananlagen nehmen in der Summe schaftsdüngeranteil (Schweine- und Rindergül- für die Metropolregion eine Ackerfläche von le und Hühnertrockenkot) schwankte je nach rund 58 830 ha ein. Das konnte aus der eige- Größe der Anlage zwischen 5 % und 30 % der nen Erhebung und mithilfe gewisser Annah- Gesamtinputmasse. men sowie unter Berücksichtigung der Wirt- Die Größe der Anbaufläche für die Biokraft- schaftsdüngernutzung errechnet werden. Die stoffproduktion wurde aus den Daten für Nie- Annahmen betrafen vor allem die Substrate. In dersachsen abgeleitet. In Niedersachsen wird Fällen, in denen keine Daten erhoben werden Raps für die Bereitstellung von Biodiesel auf konnten, wurde von 85 % Maissilage und 15 % ca. 45 000 ha, d. h. auf 30 % der gesamten Winterroggen-GPS in der gesamten pflanzli-

GeoBerichte 18 75 Rapsanbaufläche angebaut (ML, MU, 3N 2010; Methodik LSKN 2008). Ableitend für die Metropolregion wurden 30 % der Rapsfläche jedes Landkrei- Die Flächenanalyse geschieht hinsichtlich der ses für den Energieraps angenommen. In der Anlagenstandorte und der Anbauflächen. Wäh- Summe für die ganze Metropolregion ergibt rend die potenziellen Anlagenstandorte auf ei- sich eine Fläche von 24 420 ha. Die Anbauflä- ner Karte angezeigt werden können, werden che von Getreide und Zuckerrüben für die die Anbauflächen in den jeweiligen Einzugsge- Bioethanolproduktion beträgt in Niedersachsen bieten der potenziellen Anlagenstandorte be- 15 000 ha. Das entspricht 1,5 % der gesamten wertet. Es können nämlich keine Anbauflächen Ackerfläche dieser Kulturen (ML, MU, 3N für die Energiepflanzen in einer Karte scharf 2010). Für die Landkreise der Metropolregion markiert werden. Es können keine allgemeinen wurde der gleiche Flächenanteil dieser Kultu- Kriterien genannt werden, die es erlauben ren angenommen, was in der Summe rund würden, eine Fläche für Energiepflanzen statt 7 500 ha ausmacht. Die Kurzumtriebsplanta- für andere Kulturen zu bevorzugen. gen (KUP) sind im südlichen Niedersachsen Es wird in erster Linie davon ausgegangen, noch nicht so stark vertreten wie im Norden und werden in der Metropolregion auf 170 ha dass ein geeigneter Anlagenstandort in jedem (LWK 2011) angebaut. Die Energiepflanzen Fall die Belange des Natur- und Wasserschut- zes sowie das Wohlbefinden von Menschen nehmen insgesamt 11 % der Ackerfläche der Metropolregion ein. Während die Biogaskultu- nicht beeinträchtigt. Die Konkurrenzen in der ren vor Ort in den Anlagen genutzt werden, Flächennutzung sollten dabei ausgeschlossen können Raps bzw. Rüben auf weiteren Stre- bzw. minimal gehalten werden. Zu ihrer Identi- cken ex- und importiert werden. fikation wurde ein Kriterienkatalog erstellt, mit dessen Hilfe sich folgende Flächen unterschei- den lassen: ■ Negativflächen: 2.4.3 Integrative Flächenbewertung Flächen, die für den Bau einer Bioenergie- anlage ausgeschlossen werden. Im Falle Die rasante Entwicklung der Bioenergiebran- des Baus einer Anlage würden starke che in den vergangenen Jahren ist in unserer Konflikte zu anderen Nutzungsansprüchen Landschaft sichtbar geworden. Es sind vor al- an den Raum auftreten. lem die Biogasanlagen mit ihren Maisfeldern, die uns auf den ersten Blick die Veränderung ■ Bedingt geeignete Flächen: deutlich machen. Kritisiert werden dabei zum Sie charakterisieren sich durch eventuelle einen die Monokulturen und die allgemeine In- Nutzungskonflikte schwächerer Art. Die tensivierung des Anbaus. Zum anderen wer- Eignung der Fläche als Anlagenstandort den die Anlagen in unmittelbarer Nachbar- hängt jeweils vom Anlagentyp und von der schaft einer Ortschaft oft nicht gewünscht, weil genaueren Einzelfallprüfung vor Ort ab. die Bewohner einen unangenehmen Geruch ■ Positivflächen: bzw. eine Brandgefahr befürchten. Auf der an- Flächen mit einer oder mehreren deren Seite sind positive Effekte zu beobach- Vorzüglichkeiten im Bezug auf eine ten. Die Züchtung von Energiepflanzen macht konkrete Bioenergieanlagenart. Forschritte. Bereits heute wird der Mais oft in den Fruchtfolgen mit anderen Kulturen ange- Eine Fläche kann als Positivfläche allerdings baut. Und es gibt Beispiele an erfolgreichen nur dann klassifiziert werden, wenn sie nicht Bioenergiedorfprojekten, mit denen sowohl die gleichzeitig auch die Kriterien einer Negativflä- Betreiber als auch die Einwohner zufrieden che aufweist. Wenn eine Positivfläche die Ei- sind. genschaften einer bedingt geeigneten Fläche besitzt, müsste in der Praxis zunächst eine Der Erfolg eines Bioenergieprojektes hängt von Prüfung erfolgen, ob und inwiefern die Anlage einer guten Steuerung des Projektes von Be- das Gebiet negativ beeinflussen könnte. Erst ginn an ab. Ein wichtiger Aspekt dabei ist die nachdem eine negative Beeinflussung ausge- Standortplanung der Anlage. Im Folgenden schlossen wird, kann der konkrete Standort als wird der im Rahmen des Projektes erstellte Positivfläche betrachtet werden. Leitfaden zur Ausweisung von Vorzugsflächen für Bioenergieanlagen vorgestellt.

76 GeoBerichte 18 Auf den restlichen Flächen werden weder Nut- Im Rahmen des Projektes wurden die Negativ- zungskonflikte noch positive Aspekte für den flächen und die bedingt geeigneten Flächen für Bau einer Anlage identifiziert. Sie werden die ganze Metropolregion identifiziert und das Neutralflächen genannt. Sie können bei einer Ergebnis in der interaktiven Karte „Optimierte genaueren Betrachtung (die durch die ange- Standortplanung“ in der I+K-Plattform darge- wandten Kriterien hier nicht möglich ist) je nach stellt. Die Kriterien, die bei dieser Identifizie- Region und die dort herrschenden speziellen rung genutzt wurden, betreffen die Bewertung Bestimmungen, je nach Anlagenart oder ge- des Standorts für die Bioenergieanlagen, un- plante Änderungen im Raumordnungsplan für abhängig von der Art der Anlage (Tab. 2.4.1). eine Bioenergieanlage geeignet sein oder Die Ausweisung von Positivflächen erfordert nicht. eine genauere Prüfung und eine aufwendige Datenerhebung, so dass sie im Rahmen des Projektes in den Modellräumen für Biogas- und Biomethananlagen durchgeführt wurde.

Tab. 2.4.1: Kriterien (Flächennutzungsformen) zur Ausweisung von Negativflächen und bedingt geeigneten Flächen.

Negativflächen Bedingt geeignete Flächen Kriteriumsgruppe Natur Forstflächen Landschaftsschutzgebiete Gebiete zur Vergrößerung des Waldanteils Gebiete zur Verbesserung der Landschaftsstruktur Naturschutzgebiete und des Naturhaushalts Nationalparks FFH-Gebiete Vogelschutzgebiete Naturdenkmalflächen Grünland und Moor Kriteriumsgruppe Wasser Oberflächengewässer Trinkwasserschutzgebiete: weitere Zonen Hauptgewässerauen Heilquellenschutzgebiete: weitere Zonen Überschwemmungsgebiete Trinkwassergewinnungsgebiete Trinkwasserschutzgebiete: Zonen I und II Heilquellenschutzgebiete: Zonen I und II Kriteriumsgruppe Mensch und Siedlung Wohnbauflächen Vorranggebiete für Erholung Vorranggebiete für Siedlungsentwicklung Vorranggebiete für Freiraumfunktion Sport- und Freizeitanlagen Gärten und Gedenkflächen Kriteriumsgruppe Sonstiges Vorranggebiete für Rohstoffgewinnung Messegelände Sperrgebiete Bergbaugebiete

Zusätzlich wurden Schutzpuffer bei folgenden sern aus VAwS 1997, Anhang 1 zu § 1 Flächen angenommen: Nr. 1), ■ 100 m Puffer um Waldflächen ■ 300 m Puffer um Wohnbauflächen (Bebauungsabstand aus dem RROP, (Mindestabstand bei geschlossenen Anla- REGION HANNOVER 2005), gen zur Vergärung von Bioabfällen aus TA Luft 2002, Nr. 5.4.8.6.1a). ■ 50 m Puffer um Oberflächengewässer (Mindestabstand für die Anlagen zum La- gern und Abfüllen von Jauche, Gülle und Silagesickersäften von Oberflächengewäs-

GeoBerichte 18 77 Die in unmittelbarer Nähe zueinander liegen- Zur Identifizierung der Positivflächen wurden den potenziellen Energieabnehmer werden zu- folgende Kriterien ausgewählt: sammengefasst und als ein Abnehmerkomplex ■ für die Biogasanlagen: die Nähe zu poten- betrachtet. Damit soll gewährleistet sein, dass ziellen Wärme- bzw. Kälteabnehmern, die anfallende Wärme zu einem möglichst ho- ■ für die Biomethananlagen: die Nähe eines hen Grad ausgenutzt wird. Das heißt jedoch Gasnetzes, in das Biomethan eingespeist nicht, dass die Wärme in gleichem Maße so- werden kann. wohl im Sommer als auch in den Wintermona- ten verbraucht wird. Kleinere Abnehmer, bei- Als optimale Entfernung der Anlage zu den er- spielsweise einzelne Schulgebäude oder kleine wähnten Wärme- bzw. Gasabnehmern wurde Supermärkte, werden nicht berücksichtigt, weil ein Abstand von bis zu 1 km angenommen ihr Wärmebedarf als zu niedrig eingeschätzt (VOSS 2008). Zu den potenziellen Wärme- wird. Die Ausweisung von Positivflächen stellt bzw. Kälteabnehmern wurden gezählt: die potenziellen Möglichkeiten der Abwärme- nutzung dar. Ob ein entsprechender Wärme- ■ Dörfer mit einer Einwohnerzahl zwischen bedarf wirklich besteht bzw. ob der potenzielle 450 bis 1 100 als potenzielle Bioenergie- Abnehmer nicht bereits über ein nachhaltiges dörfer. Kleinere Gemeinden könnten Wärmekonzept verfügt, muss in jedem Fall ge- Schwierigkeiten haben, die Kosten für eine nauer geprüft werden. Energieanlage zu tragen. Bei einer viel größeren Einwohnerzahl könnte es prob- Für die Biomethaneinspeisung wurden die lematisch werden, alle in das Projekt mit Gasnetze, die innerhalb der Ortschaften ver- einzubeziehen und über den Verlauf zu in- laufen, d. h. in den meisten Fällen die Nieder- formieren (Ruppert et al. 2008). drucknetze (≤ 0,1 bar), aufgrund der zu gerin- ■ Gebäudekomplexe und Einrichtungen, die gen Kapazität ausgeschlossen. Gibt es an ei- einen Wärme- bzw. Kältebedarf aufweisen nem Standort zwei oder mehrere Netze, in die und sich am Rande einer Ortschaft befin- theoretisch eingespeist werden kann, sollte den. Die typischen Wohngebäude (einzel- das Netz gewählt werden, bei dem die Kapazi- ne Siedlungen) werden hier nicht berück- tät nicht zu knapp ist, um eine Rückspeisung sichtigt. Die Lage der Wärmeabnehmer am zu vermeiden (MEYER-PREYSCHER 2010). Ver- Rande einer Ortschaft ist für das Verlegen bindet ein Mitteldrucknetz (0,1–1 bar) Ortschaf- eines Wärmenetzes aus technischen und ten in der Größenordnung von insgesamt min- finanziellen Gründen von Vorteil. destens ca. 20 000 Einwohnern, so ist es wahrscheinlich, dass bei einer Einspeisung Zu diesen Gebäudekomplexen und Einrichtun- sowohl die Kosten für eine Verdichterstation gen zählen: entfallen oder gering gehalten werden können und die Gasabnahme gesichert ist (DOLLMANN ■ Schulkomplexe (mindestens zwei in unmit- 2010). Im Rahmen des Projektes wurde jedoch telbarer Nähe zu einander liegende Schu- eine Prüfung der Kapazitäten an den potenziel- len oder eine Schule und ein Kindergarten, len Standorten nicht vorgenommen. die fast immer eine oder mehrere Sporthal- len besitzen und nicht selten über einen Schwimmbad verfügen), ■ Seniorenheime, Hotels und spezielle Wohneinrichtungen, ■ Krankenhäuser, ■ Industrie und Gewerbe. Hier kann entwe- der die Prozesswärme bzw. -kälte geliefert werden, oder die Produktionshallen und Büroräume können mit der Abwärme be- heizt werden, ■ Verwaltungsgebäude, ■ Veranstaltungshallen, ■ Frei- und Hallenbäder, ■ Einkaufszentren (Supermärkte).

78 GeoBerichte 18 Kartendarstellung und -interpretation keine Bedeutung mehr. Weist eine Fläche die Kriterien einer bedingt geeigneten Fläche so- Ein Standort kann sowohl die Kriterien einer wie einer Positivfläche auf, so wird sie als be- Negativfläche als auch einer bedingt geeigne- dingt geeignet definiert, wobei die Positivkrite- ten Fläche oder/und einer Positivfläche aufwei- rien, die dort wirken, für die Standortbewertung sen. Beispielsweise kann es zu Überschnei- von Bedeutung bleiben. Nur wenn eine Positiv- dungen eines Ein-km-Gasnetzpuffers mit einer fläche sich mit keiner anderen Kategorie über- Wohnbaufläche oder eines Landschaftsschutz- schneidet, wird sie eindeutig als Positivfläche gebietes mit einer Waldfläche kommen. Es definiert und in der Karte als solche angezeigt. sind verschiedene Überschneidungen denkbar In der Karte sind die drei Flächenkategorien und sie treten relativ oft auf. Die Methodik sieht farblich unterschiedlich dargestellt. Durch die jedoch vor, trotz Überschneidungen jeweils ei- erwähnten Überschneidungen besteht die Kar- ne eindeutige Zuordnung zu einer der drei Ka- te aus Ebenen. Die obere Ebene (Negativflä- tegorien zu ermöglichen. Weist eine Fläche ein chen) ist durch keine andere überlagert, wäh- oder mehrere Negativkriterien auf, so wird sie rend die Positivflächen die untere Ebene dar- eindeutig als Negativfläche definiert. Eine stellen (Abb. 2.4.3). Überschneidung mit weiteren Flächen hat dann

Abb. 2.4.3: Schema der Überschneidungen und der Sichtbarkeit der Flächenkategorien in der Karte „Optimierte Standort- planung“ in der I+K-Plattform.

GeoBerichte 18 79 Beispielbetrachtung

Die folgenden Abbildungen stellen Ausschnitte aus der in der Internetplattform des Projektes veröffentlichten Karte „Optimierte Standortpla- nung“ für den Modellraum Uetze dar. Dazu zählen die Gemeinde Uetze mit ihren Nach- bargemeinden. Am Beispiel eines ausgewähl- ten Standorts für Biomethaneinspeisung (Abb. 2.4.5) wird eine vertiefte Flächenanalyse, die mithilfe dieser interaktiven Karte möglich ist, präsentiert.

Abb. 2.4.4: Ausschnitt aus der Karte „Optimierte Standortplanung“ in der I+K-Plattform. Die grünen Flächen stellen die Positivflächen für die Biomethananlagen dar. Ausgewählter Modellraum: Gemeinde Uetze mit den umliegen- den Gemeinden (Quelle der topographischen Karten: LGLN 2011).

80 GeoBerichte 18

Abb. 2.4.5: Ausschnitt aus der Karte „Optimierte Standortplanung“ in der I+K-Plattform. Die grünen Flächen stellen die Positivflächen für die Biomethananlagen dar. Der ausgewählte Standort sudöstlich von Uetze weist eine Mög- lichkeit der Biomethaneinspeisung in ein 16-bar Netz auf (Quelle der topographischen Karten: LGLN 2011).

Die erarbeiteten Kartenfunktionalitäten erlau- ben, die Anbauflächen im Einzugsgebiet einer potenziell auf diesem Standort errichteten An- lage zu bewerten. Es müssen im Vorfeld die Leistung der Anlage (bei den Biomethananla- gen die pro Stunde einzuspeisende Biome- thanmenge) und die Substratmischung gewählt werden. Mit Hilfe dieser Informationen werden das Einzugsgebiet und die pro Jahr benötigte Anbaufläche festgelegt (Abb. 2.4.6).

GeoBerichte 18 81

Abb. 2.4.6: Das Eingabe- und Ergebnisfenster zur Karte „Optimierte Standortplanung“ in der I+K-Plattform. Links können die Art der Anlage und ihre Substratzusammensetzung gewählt werden. Im Falle von Biomethananlagen wird die pro Stunde produzierte Biomethanmenge gewählt. Rechts werden der Radius des für die Anlage bestimm- ten Einzugsgebietes und die benötigte Anbaufläche angegeben. Die im Hintergrund laufende Berechnung lie- fert die Aussage über die Verfügbarkeit der Anbaufläche und die Ertragsänderung im Einzugsgebiet.

Die Verfügbarkeit der Ackerfläche im Einzugs- Die Anbauflächen der derzeit bestehenden gebiet wird überprüft. Die derzeitigen Anbau- Bioenergieanlagen konnten mit Hilfe der erho- flächen von Energiepflanzen werden von den benen Daten und eines entwickelten theoreti- Ackerflächen im Einzugsgebiet abgezogen. schen Flächenmodells zur Markierung dieser Darüber hinaus werden maximal 30 % der ge- Flächen in der Karte berechnet werden. Zu- samten Ackerfläche im Einzugsgebiet für den sätzlich zur Berechnung der zur Verfügung Anbau von Energiepflanzen allgemein zuge- stehenden Anbaufläche erfolgt die Auswertung lassen. Das kann mit folgender Formel veran- der klimabedingten Ertragsänderungen für das schaulicht werden: Einzugsgebiet. Das Ergebnis dieser Auswer- tung wird für verschiedene Biogaskulturen an- Verfügbare Ackerfläche (AF) = gezeigt. Es wird auf die Ergebnisse zu Er- 30 % AF im Einzugsgebiet – AF derzeitiger tragsprognosen des LBEG zurückgegriffen. BGA – AF für Biokraftstoff (pauschal 5 % AF) Abschließend kann der Nutzer dieser Karte die Ansicht der Ackerflächen zusammen mit ver- schiedenen Schutzgebieten aktivieren. Er kann somit eine erste Einschätzung darüber vor- nehmen, wo es eventuell zu gewissen Anbau- einschränkungen aufgrund der Überschnei- dung mit den Schutzgebieten kommen könnte.

82 GeoBerichte 18 2.4.4 Anbauflächenpotenziale de Flächen- und Energiepotenzial als auch das gesamte energetische Potenzial errechnet. Die Berechnung der Flächenverfügbarkeit wur- Während im 30%-Flächenszenario das Poten- de, ähnlich wie für die Einzugsgebiete, eben- zial in keinem der Landkreise ausgeschöpft ist, falls auf Landkreisebene und für die ganze werden im 20%-Flächenszenario im Landkreis Metropolregion unter der Berücksichtigung der Celle bereits heute (mit den getroffenen An- Wirtschaftsdüngerpotenziale durchgeführt. Da- nahmen) mehr Flächen mit Energiepflanzen bei wurde auf die Daten zum derzeitigen Ener- angebaut, als das Szenario es erlaubt (Abb. giepflanzenanbau zurückgegriffen. Es wurden 2.4.7). In der Gesamtschau für die ganze Met- zwei Flächenszenarien betrachtet: 20 % und ropolregion ist das verbleibende Flächenpo- 30 % der Ackerfläche als maximale Flächen- tenzial aber auch bei 20 % der verfügbaren größe für den Anbau von Energiepflanzen. Mit Ackerfläche noch nicht ausgeschöpft und be- Hilfe dieser Szenarien wurden sowohl das trägt rund 66 550 ha. nach Abzug der heutigen Nutzung verbleiben-

Abb. 2.4.7: Das verbleibende Flächenpotenzial pro Landkreis beim 20%-Flächenszenario.

GeoBerichte 18 83 Spannend bleibt die Frage, wieviel Energie mit 2.4.5 Fazit dem zur Verfügung stehenden Potenzial pro- duziert werden kann und wieviel des Energie- In der Metropolregion Hannover – Braun- bedarfs damit gedeckt werden kann. Diese schweig – Göttingen gibt es bereits viele Bio- Aussagen werden im Folgenden für das Ge- energieanlagen, und es kommen immer wieder samtpotenzial, d. h. inklusive der heutigen neue Anlagen hinzu. Eine koordinierende Energiepflanzennutzung, gemacht. Die jeweili- Steuerung dieser Entwicklung in Form von gen Energieverbräuche wurden aus den Pro- Ausweisung geeigneter Standorte für Bioener- Kopf-Verbräuchen der BRD (BMU 2010, STBA gieproduktion kann die nachhaltige Energie- 2011, LSKN) auf den Raum der Metropolregion produktion stärken. Mit der Kenntnis des Ener- umgerechnet. giebedarfs und der Produktionsmöglichkeiten Die bestehenden Biogas- und Biomethananla- können Ziele für die energetische Nutzung von gen erzeugen jährlich rund 1 070 GWh Strom Biomasse in der Metropolregion gesetzt wer- (eigene Erhebung). Das sind ca. 4 % des heu- den. tigen Stromverbrauchs der Metropolregion. Un- Die Standortmöglichkeiten für neue Bioener- ter der Annahme, dass etwa die Hälfte der Ab- gieanlagen in der Metropolregion sind, genau- wärme genutzt wird, werden etwa 420 GWh, so wie die Potenziale an Anbaufläche, be- d. h. rund 0,5 % des heutigen Wärmebedarfs grenzt. Selbst wenn die gesamte Ackerfläche gedeckt. Der jährliche Anbau von Energieraps für die Biogaskulturen bereitgestellt wäre, liefert mit den durchschnittlichen Erträgen könnte der Strombedarf nicht allein mit dieser (LSKN 2008) etwa 78 145 t Rapssaat. Damit Biomasse gedeckt werden. Die Berechnung für lassen sich etwa 28,9 Mio. Liter Biodiesel her- ein theoretisches 100%-Flächenszenario ergibt stellen (Verhältnis der Ölmenge zur Saatmen- mit den im Projekt genutzten Annahmen zu ge 1 : 3, aus eigener Datenerhebung im Rah- Substraten ein Strompotenzial, das etwa 34 % men der Anlagenerhebung). Der Energiegehalt des Strombedarfs der Metropolregion decken beträgt 262 GWh (ARBEITSGEMEINSCHAFT QUA- würde. LITÄTSMANAGEMENT BIODIESEL E. V.), was rund 1 % des gesamten Kraftstoffverbrauchs ent- spricht. Auf jeweils 3 750 ha Ackerfläche kön- nen durchschnittlich 224 250 t Rüben und 24 750 t Getreide geerntet werden (LSKN 2008). Damit können etwa 31,6 Mio. Liter Bio- ethanol produziert werden (ENERGIE SCHWEIZ). Energetisch liefert die Kraftstoffmenge 190 GWh (ARBEITSGEMEINSCHAFT QUALITÄTS- MANAGEMENT BIODIESEL E. V.), d. h. 0,6 % des heutigen Kraftstoffverbrauchs. Insgesamt be- trägt der Anteil des Biokraftstoffs am Gesamt- kraftstoffverbrauch ca. 1,5 %. Wird bei dem Gesamtpotenzial nur die Produk- tion von Strom aus Biogas betrachtet, so kön- nen mit dem 20%-Flächenszenario rund 8 % des heutigen Strombedarfs gedeckt werden. Wird die ganze Abwärme genutzt, so kann sie rund 3 % des heutigen Wärmebedarfs decken. Diese Berechnung basiert auf der Annahme, dass zu der heutigen Biogasproduktion auf den noch zur Verfügung verbleibenden 9 % der Ackerfläche Mais und Winterroggen-GPS an- gebaut werden. Das Gesamtpotenzial in Form von Wirtschaftsdünger wurde dabei ebenfalls berücksichtigt.

84 GeoBerichte 18 2.4.6 Literatur und Datenquellen ML, MU, 3N - NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR ERNÄHRUNG, LANDWIRTSCHAFT, VER- ARBEITSGEMEINSCHAFT QUALITÄTSMANAGEMENT BRAUCHERSCHUTZ UND LANDESENTWICKLUNG BIODIESEL E. V. in Berlin: Internetquelle, ab- (Hrsg.), NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM gerufen 07.2011: . WERK NACHWACHSENDE ROHSTOFFE (2010): Biogas in Niedersachsen. Stand und Per- BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATUR- spektiven. – S. 12. SCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (BMU) (Hrsg.) (2010): Erneuerbare Energien in REGION HANNOVER (2005): Regionales Raum- Zahlen. Nationale und internationale Ent- ordnungsprogramm 2005. Beschreibende wicklung. – S. 10; Berlin. Darstellung. – . tionen vom 02.08.2010. – Stadtwerke Han- nover AG. RUPPERT H., EIGNER-THIEL S., GIRSCHNER W., KARPENSTEIN-MACHAN M., ROLAND F., ENERGIE SCHWEIZ - BUNDESAMT FÜR ENERGIE RUWISCH V., SAUER B., SCHMUCK P. & FACH- (BFE): Bioethanol als Treibstoff. – Informati- AGENTUR NACHWACHSENDE ROHSTOFFE E. V. onsblatt aus der Internetpräsenz der Infor- (FNR) (Hrsg.) (2008): Wege zum Bioener- mationsstellen BiomassEnergie, abgerufen giedorf. – Leitfaden: 26. 07.2011: . LAND: Bevölkerungszahl Deutschlands. – In- ternetpräsenz, (Abruf 06.2011). VKV-Map-Servers des LGLN, Nutzung des Servers über den WMS-Dienst, Quelle: TA LUFT (2002): Technische Anleitung zur www.klimafolgenmanagement.de. Reinhaltung der Luft. Erste Allgemeine Ver- waltungsvorschrift zum Bundes-Imissions- LSKN - LANDESBETRIEB FÜR STATISTIK UND schutzgesetz vom 24.07.2002, Nr. KOMMUNIKATIONSTECHNOLOGIE NIEDERSACH- 5.4.8.6.1a. – GMBl 25–29 vom 30.07.2002: SEN (2008): Statistische Berichte Nieder- 511, . sachsen. Bodennutzung und Ernte 2007. – Excel-Tabelle vom Projektpartner IZNE. VAWS (1997): Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdeten Stoffen und LSKN - LANDESBETRIEB FÜR STATISTIK UND über Fachbetriebe (Anlagenverordnung, KOMMUNIKATIONSTECHNOLOGIE NIEDERSACH- VAwS), Niedersachsen, vom 17.12.1997, SEN: Metropolregion Hannover - Braun- Anhang 1 zu § 1 Nr. 1. – GVBl 1997: 549, schweig - Göttingen - Wolfsburg. – Internet- . präsenz, abgerufen 06.2011: . Standortfindung von Biogasanlagen. – Mas- terthesis im Studiengang Nachwachsende LWK - LANDWIRTSCHAFTSKAMMER NIEDERSACH- Rohstoffe und Erneuerbare Energien, Hoch- SEN (2011): Flächen mit Niederwald für schule für angewandte Wissenschaft und Kurzumtrieb für die Metropolregion. – Excel- Kunst (HAWK) Fachhochschule Hildes- Tabelle, per E-Mail am 26.01.2011. heim/Holzminden/Göttingen, Fakultät Res- MEYER-PRESCHER, B. (2011): Mündliche Infor- sourcemanagement. mationen vom 26.11.2010. – E.ON Avacon.

GeoBerichte 18 85 3 Teilprojekt 3: Klarwasser verregnet und versickert werden kann, um so das Grundwasserdargebot zu er- Feldberegnung höhen. Die Studie versteht sich als Beitrag zur Erhaltung und Entwicklung der Potenziale des 3.1 Potenziale zur Substitution ländlichen Raums unter sich durch den Klima- wandel verändernden Voraussetzungen. von Grundwasser für die Feldberegnung – Feldberegnung spielt in Teilen Niedersachsens „Wasser wächst auf Feldern“ seit Jahrzehnten eine wichtige Rolle zur Siche- rung der Erträge und zur Verbesserung der IMKE MERSCH Qualität der Ernteprodukte. Mit zunehmender sommerlicher Trockenheit und einem Anstieg der Temperaturen steht die Absicherung der Kurzfassung Erträge mittlerweile im Vordergrund. Beson- ders im Nordosten der Metropolregion, auf Unter dem Titel „Potenziale zur Substitution leichten Böden mit geringem Wasserspeicher- von Grundwasser für die Feldberegnung“, kurz vermögen und bei überwiegend negativer kli- „Wasser wächst auf Feldern“, erarbeitete die matischer Wasserbilanz in der Vegetationspe- Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Sach- riode, ist die Beregnung nicht mehr wegzuden- gebiet Beregnung, die Folgen des Klimawan- ken. Der Anteil der beregneten Flächen nimmt dels für die Feldberegnung. Eine Modellierung im Gegensatz zur knappen Ressource Wasser der potenziellen Beregnungsbedürftigkeit auf stetig zu. Einige Grundwasserkörper sind be- den landwirtschaftlich genutzten Flächen durch reits heute mengenmäßig angespannt, eine das Landesamt für Bergbau, Energie und Geo- Erhöhung der Entnahmen ist nicht oder nur logie (LBEG) zeigte einen Anstieg des Bereg- noch in geringem Maße denkbar. Liegen über nungsbedarfes bis 2100. Dieser trifft vor allem diesen Grundwasserkörpern intensive Bereg- Regionen mit leichten Böden im Nordosten der nungsgebiete, sind Alternativen gefragt, um Metropolregion, in denen bereits heute intensiv ausreichend Wasser für die Beregung bereit- beregnet wird. Gründe für den Anstieg sind ei- stellen zu können. Im Hinblick auf die Anforde- ne deutliche Niederschlagsverlagerung in die rungen der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist der Wintermonate sowie ein Anstieg der Jahresmit- Zustand der Grundwasserkörper nach Mög- teltemperatur, verbunden mit höherer Verduns- lichkeit zu verbessern. Daher sollten lokal tung. Fraglich ist, ob künftig überall noch ge- Maßnahmen zur Regeneration ergriffen wer- nug Wasser aus den teilweise angespannten den, um die angespannten Grundwasserkörper Grundwasserkörpern bereitgestellt werden zu entlasten. kann, um den Bedarf der Feldberegnung zu decken. Exemplarisch für die Landkreise Celle, Für die Metropolregion sind ein Anstieg der Gifhorn und Peine sowie die Region Hannover mittleren Jahrestemperatur und eine erhebliche wurden Anpassungsmaßnahmen erarbeitet. Verlagerung von Niederschlägen in die Win- Die Maßnahmenvorschläge sollen Akteuren termonate zu erwarten. Für die Vegetationspe- innerhalb und außerhalb der Metropolregion riode bedeutet das eine deutlich höher ausfal- als Anregung dienen, selbst Anpassungsmaß- lende negative klimatische Wasserbilanz. Die nahmen umzusetzen, um die für die Betriebe Verwundbarkeit der Pflanzenproduktion nimmt oftmals existenzsichernde Beregnung auch in daher zu. Bereits während des Projektes, be- Zukunft sicherstellen zu können. sonders im Jahr 2009 und während der Früh- jahre 2010 und 2011, wurden die Folgen von Wasserknappheit sicht- und spürbar. Neben einer Zunahme der Beregnungsflächen ist 3.1.1 Einleitung künftig mit einer Erhöhung der Beregnungsin- tensität zu rechnen. Durch die hohe Bedeutung Das Teilprojekt Feldberegnung trägt den Ar- der Landwirtschaft für die Metropolregion und beitstitel „Wasser wächst auf Feldern“. Dieser die Anfälligkeit für klimatische Veränderungen einprägsame Titel soll unterstreichen, dass un- ist eine Auseinandersetzung mit Risiken, ter Ackerflächen die höchste Grundwasser- Chancen und Anpassungsmöglichkeiten uner- neubildung im Vergleich zu Grünland, Laub- lässlich. und Nadelwald stattfindet. Außerdem sind es Ackerflächen, auf denen Oberflächen- und

86 GeoBerichte 18 Aufgabe des Projektes ist daher zunächst die für die letzten Jahre eine zunehmend negative Erfassung der aktuellen Beregnungssituation. klimatische Wasserbilanz, vor allem für Stand- Aus den Klimasimulationen sollen die Folgen orte im östlichen Niedersachsen, gezeigt. Je für die Landwirtschaft abgeschätzt und beson- extremer negativ die klimatische Wasserbilanz ders anfällige Regionen der Metropolregion lo- ausfällt, desto höher ist der Zusatzwasserbe- kalisiert werden. Mit Hilfe einer Vernetzung von darf durch Beregnung. In der Metropolregion Experten aus Wissenschaft, Verwaltung und sticht besonders der Standort Celle mit einem Praxis werden Anpassungsmaßnahmen entwi- Defizit von bis zu -472 mm (2009) in der Vege- ckelt und ihre Umsetzbarkeit in den Räumen tationsperiode (April–September) heraus. mit dem höchsten Handlungsbedarf geprüft. Aufgrund der negativen klimatischen Wasserbi- Wichtig ist dabei, dass die Ergebnisse durch lanz der leichten Böden mit geringer Speicher- Information der Zielgruppen verbreitet werden, fähigkeit und der seit Jahrzehnten intensiven um für das Thema zu sensibilisieren, es in die Beregnungstätigkeit wurden die Landkreise Praxis zu tragen und so die Basis für eine po- Celle, Gifhorn und Peine sowie die Region tenzielle Umsetzung zu legen. Hannover von der Lenkungsgruppe als Unter- suchungsgebiet festgelegt. Neben den stand- örtlichen Gegebenheiten lässt sich die intensi- 3.1.2 Ausgangssituation ve Beregnungstätigkeit auf den verstärkten Anbau beregnungswürdiger Kulturen wie Kar- Landwirtschaft in der Metropolregion toffeln, Zuckerrüben, Braugerste und Mais zu- rückführen. Die Metropolregion ist stark landwirtschaftlich Die Hauptnutzungsart der landwirtschaftlichen geprägt. 2007 entfielen 52 % der Gesamtfläche Flächen in der Metropolregion ist der Ackerbau (18 901 km²) auf landwirtschaftliche Betriebs- mit etwa drei Vierteln der Gesamtfläche. Wich- flächen. Die Bedingungen für den Anbau vari- tigste Kulturart war 2007 Getreide einschließ- ieren räumlich stark. Gunststandorte mit ho- lich Körnermais, gefolgt von Grünland, Zucker- hem bis äußerst hohem Ertragspotenzial liegen rüben, Raps und sonstigen Handelsgewäch- im Bereich der Börden in der zentralen Metro- sen, Ackerfutterbau, Kartoffeln und Garten- polregion und erstrecken sich nach Süden bis bauerzeugnissen. Betrachtet man die Hauptbe- in den östlichen Landkreis Göttingen. Die hier regnungsregionen, nimmt der Anteil des Ge- verbreiteten Lessivés (Parabraunerden) und treides deutlich zugunsten von Kartoffeln, Zu- Schwarzerden weisen ein hohes Wasserspei- ckerrüben und Ackerfutterbau ab. Herauszu- chervermögen auf, die nutzbare Feldkapazität heben ist die Produktion von Sommergerste, ist hoch bis sehr hoch. Kleinräumig sind auch die meistens im Vertragsanbau erfolgt. Durch in der nordöstlichen Metropolregion Lessivés die geforderten hohen Qualitäten wird hier, ge- verbreitet, weitere Gunsträume im Norden sind nau wie im Kartoffelanbau, intensiv beregnet. die Auenböden, beispielsweise entlang der Der Anteil von Mais, insbesondere für die Ver- Weser. Die meisten Standorte der nördlichen wendung in Biogasanlagen, ist in den letzten Metropolregion und kleine Bereiche der südli- Jahren deutlich angestiegen. Zunehmend wur- chen weisen nur ein geringes bis mittleres Er- den und werden Beregnungsanlagen für den tragspotenzial auf. Die dominierenden Podsole Energiemaisanbau angeschafft (vgl. LSKN und Braunerden können nur wenig Wasser 2007). speichern, die nutzbare Feldkapazität ist gering bis sehr gering (vgl. LBEG 2010a). Gemeinsam mit dem Teilprojekt 2 „Energie- pflanzen“ (IZNE und LBEG) wurden typische Die klimatische Wasserbilanz gibt die „Diffe- Fruchtfolgen für den nördlichen und südlichen renz zwischen dem gefallenen Niederschlag Teil der Metropolregion zusammengestellt (vgl. und der potenziellen Evapotranspiration einer Tab. 3.1.1). Dabei wurde zwischen Energie- Kultur“ (DWD 2011) an. Erhebungen des (Biogaserzeugung) und klassischen Fruchtfol- Fachverbandes Feldberegnung in Zusammen- gen (Marktfrucht/Futterpflanzen) unterschie- arbeit mit dem Deutschen Wetterdienst haben den.

GeoBerichte 18 87 Tab. 3.1.1: Typische Fruchtfolgen in der nördlichen und südlichen Metropolregion (Quelle: FE 2/FE 3: Typische Fruchtfolgen in der Metropolregion).

Nördliche Metropolregion Typ 1 Typ 2 Biogas 1 Biogas 2 (Markt u. Futterf.) (Markt u. Futterf.) Winterroggen Mais Mais Grünroggen/Mais Kartoffeln Mais Mais Grünroggen/Mais Sommergerste Winterroggen Mais Kartoffeln Zuckerrübe Kartoffeln Südliche Metropolregion Typ 1 Typ 2 Biogas 1 Biogas 2 Biogas 3 (Marktfrucht) (Marktfrucht) WRoggenGPS/ Winterweizen Winterweizen Mais Grünroggen/Mais Ackergras Wintergerste Winterweizen Mais Grünroggen/Mais Ackergras/Mais Winterraps Zuckerrübe Mais Winterweizen Mais

Beregnung in der Metropolregion den. Das entspricht etwa der Hälfte der bun- desweiten Beregnungsflächen. In der Metro- Grundlage für die Beregnung ist die Erteilung polregion wird fast ausschließlich im nördlichen einer wasserrechtlichen Erlaubnis seitens der Teil beregnet (vgl. Abb. 3.1.1). Vereinzelt unteren Wasserbehörde. Je nach Landkreis kommt auch in den südlichen Landkreisen Be- wird diese unbegrenzt oder für einen bestimm- regnungstechnik zum Einsatz, sie beschränkt ten Zeitraum für die Wasserentnahme aus dem sich hier jedoch auf wenige Hektar. Die höchs- Grundwasser oder einem Oberflächengewäs- te Beregnungsintensität weisen die Landkreise ser erteilt. In der Regel liegt die durchschnittli- Gifhorn (78 % der landwirtschaftlich genutzten che Entnahmemenge bei 80 mm pro Jahr. Die Fläche unter Beregnung), Celle (60 %) und jährlichen Entnahmemengen können variieren Peine (36 %) sowie die Region Hannover und dürfen diesen Grenzwert auch überschrei- (28 %) auf. Die geringeren Werte in Peine und ten, im siebenjährigen gleitenden Mittel dürfen Hannover sind durch die unterschiedliche Bo- jedoch maximal 560 mm (7 x 80 mm) verregnet dengüte zu erklären. Während nördlich der werden. Sollten sich durch den Klimawandel Bundesautobahn 2 leichte Böden dominieren, trockene Jahre häufen, können die 560 mm/7a auf denen vor allem Zuckerrüben, Mais und möglicherweise nicht mehr ausreichend sein. Kartoffeln angebaut werden, sind südlich schwere Böden verbreitet, die vor allem für den Eine Umfrage des Fachverbandes Feldbereg- Weizenanbau genutzt werden. Hier wird ledig- nung (FVF) ergab im Jahr 2008, dass etwa lich vereinzelt zur Qualitätsverbesserung be- 300 000 ha in Niedersachsen beregnet wer- regnet.

88 GeoBerichte 18

Abb. 3.1.1: Anteil der Beregnungsflächen an der landwirtschaftlich genutzten Fläche (Quellen: Administrative Grenzen: NIBIS®-Kartenserver (LBEG 2010b), Umfrage bei den Beregnungsverbän- den (FVF 2008)).

GeoBerichte 18 89 Bei der verwendeten Beregnungstechnik do- tensität bzw. künftig steigendem Beregnungs- minieren Großregner in Kombination mit einer bedarf sowie Trinkwassergewinnung am ehes- Trommelberegnungsmaschine, deren Einsatz ten betroffen. Hierzu zählen: mit nicht unerheblichem Arbeitsaufwand und ■ Region Hannover, Fuhrberger Feld, Trink- Wasserverlusten durch Windabdrift und Ver- wassergewinnung Stadt Hannover, dunstung verbunden ist. Hinsichtlich der einge- setzten Beregnungstechnik werden mehr als ■ Region Hannover, Burgdorf/Uetze und LK 95 % der Beregnungsflächen in der Metropol- Peine, Edemissen/Eddesse, Trinkwasser- region mit Großregnern beregnet. Eine genau- gewinnung Wasserverband Peine, ere Wasserausbringung ist durch die Kombina- ■ Landkreis Gifhorn, Gifhorn, Trinkwasser- tion eines Düsenwagens mit der Trommelbe- gewinnung Stadt Wolfsburg, regnungsmaschine möglich (< 1 %). Bei gro- ■ Landkreis Peine (Ansiedlung von Gewer- ßen Schlägen (min. 20–25 ha) kommt der Ein- bebetrieben nur durch Kürzung landwirt- satz von Kreis- oder Linearberegnungssyste- schaftlicher Erlaubnisse möglich). men in Frage, die das Wasser bodennah, au- tomatisiert, bei Bedarf teilflächenspezifisch und Aktuell sind noch keine Konflikte bekannt. mit geringem Arbeitsaufwand ausbringen. Der- Nach Angaben der unteren Wasserbehörden zeit kommen sie in weniger als 1 % der Fälle im Landkreis Gifhorn und der Region Hannover zum Einsatz, vor allem, weil zusammenhän- sind die vergebenen wasserrechtlichen Er- gende Flächen fehlen. Trotz sparsamer und laubnisse noch nicht ausgeschöpft. Um Kon- bodennaher Ausbringung ist Tröpfchenbewäs- flikte auch künftig zu vermeiden, sollten in den serung ähnlich wenig verbreitet, was vor allem potenziell gefährdeten Räumen bevorzugt Sub- auf den hohen Arbeitsaufwand und die hohen stitutionsmaßnahmen umgesetzt werden. Anschaffungskosten zurückzuführen ist. Einen Anteil von 1 % macht eine Sonderform der Be- Die meisten Beregner des Untersuchungsge- regnung mit Kleinregnern aus, die im Gemüse- bietes sind zu Beregnungsverbänden zusam- anbau und besonders in der Frostschutzbe- mengeschlossen. Dabei handelt es sich um regnung bei Kartoffeln zum Einsatz kommt. Wasser- und Bodenverbände im Sinne des Wasserverbandsgesetzes. Dach- und Ober- Hauptquelle für die Beregnung ist das Grund- verbände der Beregnungsverbände bündeln wasser, aus dem 98 % aller Entnahmen für die die Interessen der Beregner und sind bei der Feldberegnung stammen. Ergänzt wird es Beantragung wasserrechtlicher Erlaubnisse durch einen geringen Anteil von Entnahmen sowie deren Bewirtschaftung behilflich. Darü- aus Fließgewässern (vgl. FVF 2008). Eine ber hinaus gibt es nicht organisierte Einzelreg- Sonderstellung nimmt die Verregnung von ner. Am Jahresende wird die für die Beregnung Klarwasser der Städte Wolfsburg und Braun- genutzte Wassermenge gemeldet und abge- schweig ein. rechnet. Dabei ist nicht immer klar, auf wel- Der Runderlass des Niedersächsischen Um- chen Flächen wie viel Wasser ausgebracht weltministeriums zur „Mengenmäßigen Bewirt- wurde. Eine parzellenscharfe Erfassung der schaftung von Grundwasserkörpern“ schätzt Beregnungsflächen liegt derzeit nirgends vor. die Wassermenge ab, die zusätzlich zu den Die meisten Beregnungsverbände gibt es im bereits vergebenen Erlaubnissen entnommen Landkreis Gifhorn, die Kreisfläche wird fast flä- werden darf, die sogenannte nutzbare Darge- chendeckend von 54 Verbänden betreut. Die botsreserve. Dabei ist zu berücksichtigen, dass 20 Verbände in der Stadt und im Landkreis die bereits vergebenen Entnahmeerlaubnisse Celle beantragen derzeit gebündelt über den die maximal erlaubte Entnahme angeben, die Oberverband Feldberegnung Celle eine neue in vielen Fällen nicht ausgeschöpft wird. In ei- wasserrechtliche Erlaubnis für 30 Jahre. Er- nigen Grundwasserkörpern ist die nutzbare kenntnisse aus dem Antragsverfahren dienten Dargebotsreserve bereits heute sehr gering zur Entwicklung eines Ansatzes zur schnellen (vgl. MU 2007). Wenn künftig vorhandene Er- und fehlerfreien Erfassung von Beregnungsflä- laubnisse zur Förderung von Trink- oder Be- chen, Entnahmebrunnen und Bewirtschaf- regnungswasser ausgeschöpft sind und erhöht tungsverhältnissen (Beregnungsflächenkatas- werden sollen, könnte hier zwischen den bei- ter). In der Region Hannover sind die 48 Ver- den Interessen ein Nutzungskonflikt auftreten. bandsgebiete überwiegend auf den Norden Damit sind Gebiete mit einer geringen nutzba- und Osten beschränkt, die 25 Verbände im ren Dargebotsreserve, hoher Beregnungsin-

90 GeoBerichte 18 Landkreis Peine liegen vor allem im Norden 3.1.3 Erfassung der Folgen des des Landkreises (vgl. UWB 2011). Klimawandels für die Landwirtschaft Arbeit der Lenkungsgruppe Auswirkungen auf die Landwirtschaft und Die Lenkungsgruppe wurde eingerichtet, um den Pflanzenbau Wassernutzer, Gewässerunterhalter und Na- turschutz mit den Genehmigungsbehörden im Die Landwirtschaft ist in hohem Maße vom Projekt zu vereinen. Das Zusammentragen der Wettergeschehen und den klimatischen Gege- zahlreichen Substitutionsideen war vor allem benheiten abhängig. Klimaaufzeichnungen und durch die Netzwerkarbeit des Projekts möglich. -simulationen zeigen eine hohe Variabilität, so In der Lenkungsgruppe konnten Fach- und dass sich die Landwirtschaft auf eine Bandbrei- Ortskenntnis von Praktikern, Behörden und te von Entwicklungen einstellen muss, um ihre Verbänden gebündelt und die Ideen sofort aus Verwundbarkeit möglichst gering zu halten. verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden. Durch die simulierten steigenden Temperatu- Im Rahmen der insgesamt fünf Treffen wurden ren im Jahresmittel, die sich in Form von mil- nachfolgende Themenfelder bearbeitet: den Wintern und Hitzeperioden auswirken ■ Derzeitige Vorgehensweisen bei der Bean- werden, verschiebt sich das Optimum für die tragung von Beregnungserlaubnissen, angebauten Kulturarten. Kulturarten des Pho- tosynthesetyps, C -Pflanzen wie Mais und Hir- ■ Bedeutung der Wasserrahmenrichtlinie für 4 se liegen noch unterhalb ihres Optimums. Hier das Projekt und die Vorhaben, sind höhere Erträge und eine Verschiebung ■ Versickerung von Oberflächenwasser als der Anbaugrenzen nach Norden zu erwarten. Beitrag zur Grundwasserneubildung, Auch Zuckerrüben können profitieren. Weiter- ■ Entnahme von Oberflächenwasser für die hin ist der Anbau bislang noch nicht gängiger Beregnung, Kulturen denkbar, wenn diese hinreichend ■ Wasserbewirtschaftung des Mittelland- züchterisch bearbeitet und in Versuchen getes- kanals und Möglichkeiten einer intensive- tet werden. Für Getreide und Kartoffeln ist ren Nutzung für die Feldberegnung, durch die erhöhten Temperaturen hingegen mit Ertragseinbußen zu rechnen (vgl. CHMIELEWSKI ■ Nachhaltige Sicherung des Grundwassers 2007, BAEUMER 1978). durch Waldumbau (Unterbau von Laub- gehölzen), Kosten des Waldumbaus, Eine weitere Folge des Temperaturanstiegs ist ■ Diskussion und Entwicklung von eine Verlängerung der Vegetationsperiode um Substitutionsansätzen, einige Wochen. Bei geeigneter Kulturwahl sind bis zu zwei Ernten pro Vegetationsperiode ■ Ausblick für die Feldberegnung und denkbar, gleichzeitig steigt jedoch das Risiko Substitution im Projektgebiet. von Früh- bzw. Spätfrösten. Die Entwicklungs- Auch bei Veranstaltungen mit Landwirten und stadien der Pflanzen werden sich in ihrer Dau- Behörden wurden die Themen immer wieder er verändern, die Produktqualität wird eher ab- aufgegriffen. Das bereits bestehende Kommu- nehmen. Schaderreger und Unkräuter sind in nikationsnetzwerk konnte erweitert und ver- ihrer Entwicklung begünstigt (vgl. KRAUSE stärkt werden, die Präsenz des Themas Be- 2010, CHMIELEWSKI 2007). regnung und die Wahrnehmung der damit ver- Die deutliche Verlagerung der Niederschläge in bundenen Schwierigkeiten haben weiter zuge- die Wintermonate wird zu vermehrtem Tro- nommen. ckenstress führen. Die durch den Temperatur- anstieg erhöhte Evapotranspiration wird die Si- tuation, besonders auf leichten Böden, noch verschärfen. In den Böden kommt es durch Temperaturzunahme und Trockenheit zu Hu- musabbau, verstärkter N-Mineralisation und einer geringeren Nährstofffreisetzung. Im Win- ter kann es zu Auswaschung durch starke Nie- derschläge kommen, im Frühjahr werden viele

GeoBerichte 18 91 Flächen aufgrund von Vernässung schlechter Durch das LBEG wurde die potenzielle mittlere befahrbar sein (vgl. VLK 2010). Beregnungsbedürftigkeit für die Ackerflächen der Metropolregion errechnet. Ausgehend von Insgesamt erhöht sich das Risiko von Extrem- einem Modell nach RENGER & STREBEL aus ereignissen wie Sturm, Starkregen, Hagel, Hit- dem Jahr 1982 wurden die simulierte klimati- ze und Dürreperioden. Durch die Variabilität sche Wasserbilanz, diverse Bodenparameter der Klimasimulationen, die nur Tendenzen, sowie der mittlere Wasserbedarf von Hack- aber keine Prognosen ermöglichen, ist die In- früchten und Getreide herangezogen. Für ver- vestition in dringend notwendige Anpassungs- schiedene Zeitintervalle sowie Niederschlags- maßnahmen mit Unsicherheiten verbunden. szenarien konnte eine Veränderung bis zum Gleichzeitig bieten die klimatischen Verände- Jahr 2100 simuliert werden. Neben der mittle- rungen auch Chancen für die Landwirtschaft. ren Beregnungsbedürftigkeit erfolgte eine Um- Ertragseinbußen können durch Ertragszu- rechnung für den fruchtspezifischen Bereg- wächse in anderen Bereichen abgefangen nungsbedarf sieben verschiedener Kulturen. werden. Die Grundvoraussetzung dafür ist je- doch immer eine ausreichende Wasserverfüg- Die benötigte Beregnungswassermenge für die barkeit. Kulturen stammt aus Experimenten, die mehr als 30 Jahre zurückliegen. Züchterische Fort- schritte, aber auch gestiegene Qualitätsanfor- Entwicklung der mittleren derungen wurden im Modell daher nicht be- und fruchtspezifischen rücksichtigt. Ebenso fehlt der Einfluss kapilla- Beregnungsbedürftigkeit ren Aufstiegs auf Kulturen, die auf Flächen mit Grundwasseranschluss angebaut werden. „Die Beregnungsbedürftigkeit prüft den Stand- Trotz der genannten Schwächen hat das Mo- ort darauf, wie weit der Wasserbedarf der dell einen hohen Nutzen in der Anpassungs- Pflanzen aufgrund natürlicher Gegebenheiten diskussion. Es hilft dem Betrachter dabei, sich gedeckt werden kann.“ (FRICKE & HEIDORN den Ernstfall vorzustellen und gedanklich Sze- 2003: 1). Unter diesen Gegebenheiten sind die narien durchzuspielen. Damit werden Anreize Wasserspeicherfähigkeit des Bodens, die Ver- für eine Anpassung geschaffen, die sich an teilung und die Menge des Niederschlags in den zu erwartenden Gegebenheiten orientiert. der Vegetationsperiode zu verstehen. Weiter- hin haben der Wasserbedarf einer Kultur und Abbildung 3.1.2 zeigt die mittlere Beregnungs- pflanzenbauliche Faktoren einen Einfluss. Sind bedürftigkeit für den Referenzzeitraum sowie Einbußen bei Ertrag und Qualität zu erwarten, für die durchschnittlichen Niederschlagsszena- ist grundsätzlich ein Beregnungsbedarf gege- rien 2021–2050 (mittelfristig) und 2071–2100 ben. Das Landesamt für Bergbau, Energie und (langfristig). Geologie (LBEG 2010d) definiert den Bereg- nungsbedarf als „die mittlere jährliche Bereg- nungsmenge […], die zur Aufrechterhaltung von 40 % der nutzbaren Feldkapazität im effek- tiven Wurzelraum (nFKWe) erforderlich ist“. Al- lerdings wird nicht einfach nach dem Bedarf beregnet, neben der Wasserverfügbarkeit spielt die Beregnungswürdigkeit der Kultur eine wichtige Rolle. Je höher der Gewinn ist, den man durch Mehrerlöse aufgrund höheren Er- trags nach Abzug der Mehrkosten durch die Beregnung erhält, desto beregnungswürdiger ist eine Kultur. Die höchsten Gewinne sind mit Kartoffeln, Zuckerrüben, Braugerste und Mais zu erzielen (vgl. FRICKE & HEIDORN 2003). Die Beregnungswürdigkeit ist eng an die Markt- preise gekoppelt.

92 GeoBerichte 18

Abb. 3.1.2: Mittlere Beregnungsbedürftigkeit in der Metropolregion im Referenzzeitraum 1961–1990 sowie im mittel- und langfristigen Szenario (Quellen: Mittlere Beregnungsbedürftigkeit (LBEG 2010d), Administrative Grenzen: NIBIS®-Kartenserver (LBEG 2010b).

Generell ist mittelfristig nur eine geringe Zu- ser benötigt, als durch die aktuellen Erlaubnis- nahme der Beregnungsbedürftigkeit festzustel- se bereitgestellt werden kann. Im südlichen len (+2 mm). Langfristig steigt der Bedarf um Teil wird bislang nur in Einzelfällen beregnet, 9 mm an. Auffällig ist die unterschiedliche Aus- anhand der Modellierung ist davon auszuge- gangssituation. Während im zentralen und süd- hen, dass das auch so bleibt. lichen Teil der Metropolregion so gut wie kein Ausgehend von der mittleren Beregnungsbe- Beregnungsbedarf besteht, ist die Situation im dürftigkeit kann der Wasserbedarf für die Be- Norden eine ganz andere. Bereits im Refe- regnung errechnet werden (vgl. Tab. 3.1.2). renzzeitraum ist hier, wie sich in der Praxis be- Dabei liegt die Annahme zugrunde, dass die stätigt, zum Teil deutlicher Beregnungsbedarf negative klimatische Wasserbilanz durch die gegeben. Bis 2050 werden bereits 50 % der Beregnung ausgeglichen wird. In der Praxis ist Flächen einen Beregnungsbedarf von mindes- davon nicht auszugehen, da Wassermengen in tens 75 mm/a aufweisen, langfristig erreicht ein dieser Höhe teilweise gar nicht zur Verfügung Drittel der Ackerflächen einen Beregnungsbe- stehen bzw. nicht immer eine Beregnungswür- darf von über 80 mm/a. Damit wird mehr Was- digkeit gegeben ist.

Tab. 3.1.2: Potenzielle Beregnungswassermenge in der nördlichen und südlichen Metropolregion (Quelle: Mittlere Beregnungsbedürftigkeit, Berechnung Beregnungswassermenge (LBEG 2010d)).

nördliche Metropolregion südliche Metropolregion Zeitraum Mittel Klasse 1–7 Mittel Klasse 3–7 Mittel Klasse 1–7 Mittel Klasse 3–7 [Mio. m³/a] [%] [Mio. m³/a] [%] [Mio. m³/a] [%] [Mio. m³/a] [%] 1961–1990 278 100,0 243 100,0 56 100,0 2 100,0 2021–2050 289 104,0 253 104,1 60 107,1 3 150,0 2071–2100 335 120,5 299 123,1 70 125,0 5 250,0

GeoBerichte 18 93 Für die nördliche Metropolregion ergibt sich ein mutlich nur ein Bruchteil dieser Wassermenge Anstieg der potenziellen Beregnungswasser- tatsächlich verbraucht werden. menge von 278 Mio. m³/a auf 335 Mio. m³/a Für die mittel- und langfristigen Zeiträume wur- (+20 %). Betrachtet man nur die nach RENGER de zusätzlich zum Durschnittsszenario die Be- & STREBEL (1982) beregnungswürdigen Klas- regnungsbedürftigkeit für ein sehr feuchtes und sen 3–7 (vgl. HEIDT 2009), ergibt sich ein An- ein sehr trockenes Szenario berechnet. Der stieg der potenziellen Beregnungswassermen- Szenarienvergleich macht die Variabilität der ge von 243 Mio. m³ auf 299 Mio. m³/a (+23 %) zu erwartenden Änderungen deutlich (vgl. im Zeitraum 2071–2100. Für die Flächen der Abb. 3.1.3). In einzelnen Trockenjahren kann südlichen Metropolregion ergibt sich im Mittel sich die Situation, die wir heute bereits als ein Zusatzwasserbedarf von 56 Mio. m³/a, der problematisch erleben, noch um ein Vielfaches bis 2100 um 25 % auf 70 Mio. m³/a ansteigt. verschärfen. Langfristig kann in Trockenjahren Die beregnungswürdigen Flächen machen je- regional ein Beregnungsbedarf von über doch nur wenige Prozent der Gesamtfläche 150 mm auftreten. Einzelne feuchte Jahre aus. Daher ergibt sich hier lediglich eine Be- können hingegen eine leichte Entspannung regnungswassermenge von 2 Mio. m³/a, bis bringen. Grundsätzlich werden die Extreme 2100 wurde ein Anstieg um 250 % auf aber vermutlich noch stärker ausfallen als bis- 5 Mio. m³/a errechnet. In der Praxis wird ver- her.

Abb. 3.1.3: Mittlere Beregnungsbedürftigkeit in der Metropolregion im langfristigen Zeitraum 2071–2100 für ein durch- schnittliches, ein feuchtes und ein trockenes Szenario (Quellen: Mittlere Beregnungsbedürftigkeit (LBEG 2010d), Administrative Grenzen: NIBIS®-Kartenserver (LBEG 2010b).

Neben dem mittleren wurde auch der frucht- Änderungen in den Fruchtfolgen nicht unwahr- spezifische Beregnungsbedarf für verschiede- scheinlich. Eine geringe Wasserverfügbarkeit ne Kulturen berechnet. Für alle Kulturen wird in Kombination mit hohen Ansprüchen an Er- der Beregnungsbedarf künftig vermutlich an- trag und Qualität werden nicht mehr den An- steigen. Besonders hohe Werte wurden für bau aller Kulturen auf allen Standorten ermög- Kartoffeln und Zuckerrüben simuliert, die hier lichen. Im Süden sind Einschränkungen eher künftig benötigten Wassermengen können unwahrscheinlich. Aber auch hier können sich nicht nur durch Grundwasserentnahmen be- längere Trockenzeiten negativ auswirken, da reitgestellt werden. Insgesamt sind für den dort keine Beregnungsinfrastruktur zur Verfü- Norden der Metropolregion klimatisch bedingte gung steht, um Engpässe abzupuffern.

94 GeoBerichte 18 Alle Ergebnisse zur Modellierung der Bereg- dere ausgeglichen werden. Allerdings bleibt nungsbedürftigkeit sind im Abschlussbericht der Bewirtschafter in seiner Wahl durch die An- und auf der Informations- und Kommunikati- forderungen des Marktes eingeschränkt. Im onsplattform unter www.klimafolgenmanage Pflanzenbau sind beispielsweise wasserspa- ment.de nachzulesen. rende Bodenbearbeitungsverfahren, die Erhö- hung des Humusgehaltes, Mulchsaat und ein an die verfügbare Wassermenge angepasster Einsatz von Düngemitteln entscheidende Bau- 3.1.4 Definition von steine (vgl. CHMIELEWSKI 2007, VLK 2010). Anpassungsmaßnahmen und Suche nach Die Beregnung sollte angepasst erfolgen. Nach Umsetzungspotenzial im Möglichkeit ist eine Beregnungstechnik anzu- wenden, die wassersparend ist und gleichzeitig Untersuchungsgebiet möglichst wenig Arbeitsaufwand und Energie- bedarf verursacht. Der optimale Beregnungs- Anpassungsmaßnahmen zeitpunkt sowie die richtige Wassermenge sind unbedingt zu ermitteln. Dazu können eigene Aus den vorangegangenen Ausführungen wur- Daten erhoben (Messung des Bodenwasser- de die Bedeutung der Beregnung für die gehaltes, Niederschlagsmesser) oder von ver- Landwirtschaft, besonders im Norden der Met- schiedenen Anbietern (u. a. Fachverband ropolregion, deutlich. Gleichzeitig wurde dar- Feldberegnung e. V., Deutscher Wetterdienst) gestellt, dass die Bedeutung in Zukunft noch bezogen werden. Weiterhin sind Informationen erheblich zunehmen wird. Um die Landwirt- zum Standort sowie dem Wasserbedarf der schaft auch unter den sich ändernden Bedin- Kulturen im jeweiligen Entwicklungsstadium gungen für die Nahrungsmittelproduktion, den notwendig. Die Bestimmung der optimalen Be- Erhalt der Kulturlandschaft und als wichtigen regnungsmenge ist eine wichtige Entschei- Wirtschaftsbereich im ländlichen Raum zu er- dungsgrundlage für den Landwirt. Je nach halten und zukunftsfähig zu gestalten, sind An- Wasserverfügbarkeit und betriebswirtschaftli- passungsmaßnahmen unverzichtbar. Diese chen Überlegungen (Beregnungswürdigkeit der können auf zwei Ebenen durchgeführt werden. Kulturen) kann die Beregnungsentscheidung Zum Einen seitens des Bewirtschafters auf be- getroffen werden. trieblicher Ebene und zum Anderen durch Akteursgruppen, beispielsweise Beregnungs- Die lokale bzw. regionale Ebene ermöglicht verbände, auf lokaler und regionaler Ebene. Maßnahmen in größerem Stil, die direkt als Anpassung an den Klimawandel und knappe Auf einzelbetrieblicher Ebene werden Maß- Wasserressourcen zu sehen sind. Das genutz- nahmen, die den Folgen des Klimawandels te Wasser soll als Alternative zu einer Entnah- begegnen, weniger zur Anpassung als viel- me aus dem Grundwasser dienen, kann bei mehr aus betriebswirtschaftlichen Überlegun- ausreichender Grundwasserverfügbarkeit und gen und Zwängen heraus umgesetzt. Nichts- hohem Wasserbedarf diese Entnahme aber destotrotz leisten sie einen Beitrag, um Verän- auch ergänzen. Weiterhin dienen die Maß- derungen vorbereitet zu begegnen. nahmen dazu, die Grundwasserverfügbarkeit Künftig empfiehlt sich die Wahl von trocken- zu erhöhen. heitsresistenten und wassereffizienten Arten Eine Möglichkeit zur Substitution von Grund- und Sorten, die gleichzeitig Veränderungen wie wasser liegt in der Beregnung mit Wasser aus zunehmendem Schädlingsdruck oder starke Oberflächengewässern. Dabei kann es sich um Sonneneinstrahlung tolerieren können. Die Flüsse, Seen und Kanäle natürlichen und Züchtung muss sich auf eine Anpassung an anthropogenen Ursprungs handeln. Aus ökolo- die künftigen Anforderungen einstellen. In der gischer Sicht kann eine Entnahme nur bei Fruchtfolge müssen Kulturen sinnvoll kombi- Wasserständen oberhalb eines definierten niert werden, bei ausreichendem Wasserange- Wertes, beispielsweise des mittleren Wasser- bot sind bis zu zwei Ernten oder der Anbau von standes, erfolgen. Die Anforderungen sind für bodenverbessernden Zwischenfrüchten denk- jeden Einzelfall zu prüfen. Entweder wird das bar. Entscheidend für den wirtschaftlichen Er- Wasser direkt durch eine eingehängte Pumpe folg kann letztlich auch die Bandbreite der an- oder mit Hilfe eines fest installierten Entnahme- gebauten Kulturarten sein. So können Ertrags- bauwerks am Ufer entnommen. Wenn vorhan- verluste einzelner Nutzpflanzenarten durch an-

GeoBerichte 18 95 den, kann das Entnahmebauwerk an ein be- Bei der Nutzung alternativer Wasserquellen stehendes Beregnungsnetz angeschlossen sind verschiedene Anforderungen zu berück- werden. Da die Beregnung in der Regel immer sichtigen. Grundlage für die Wasserentnahmen dann eine Rolle spielt, wenn die Vorfluter, be- ist stets eine wasserrechtliche Erlaubnis, die dingt durch Trockenheit, wenig Wasser führen, der zuständige Landkreis erteilt. Darin ist die ist eine Zwischenspeicherung des Wassers zu maximale jährliche Entnahmemenge festge- prüfen. Aus Erfahrungen der Landwirtschafts- legt. Zusätzlich kann ein Mindestwasserstand kammer Niedersachsen sind dabei Kosten von definiert werden. Wird dieser, beispielsweise 7 € pro m² gedichteten Speicherraums anzu- bei sommerlicher Trockenheit, erreicht, ist die setzen. Damit sind Speicherbecken nicht nur Entnahme einzustellen. Wird Klarwasser aus flächenintensiv, sondern auch sehr teuer. Trotz einer Kläranlage entnommen, reduziert sich der Investitions- und Betriebskosten ist die dadurch die Einleitung geklärten Wassers in Nutzung von Oberflächenwasser unbedingt zu den Vorfluter. Auch hier ist eine Beeinträchti- prüfen, wenn Beregnungsbedarf besteht und gung des Gewässers auszuschließen. In den das Entnahmepotenzial für den Grundwasser- Sommermonaten steht durch Verdunstung, körper gering ist. Ein Vorteil bei der Beregnung hohen Wasserbedarf und niederschlagsarme mit Oberflächen- statt Grundwasser ist die Phasen in der Regel kein oder nur wenig über- Temperatur des Wassers. Durch das wärmere schüssiges Wasser zur Verfügung. Daher Oberflächenwasser ist die Gefahr eines Tem- empfiehlt sich für eine wirkungsvolle Substituti- peraturschocks und einer damit einhergehen- on die Speicherung von Wasserüberschüssen den Wachstumsdepression geringer. außerhalb der Vegetationsperiode. Weiterhin spielt die Qualität des Wassers eine wichtige Bei Klarwasser handelt es sich um gereinigtes Rolle. Klare Bewertungsmaßstäbe für Bewäs- Abwasser, das den Qualitätsanforderungen der serungswasser werden in zahlreichen Normen, BADEGEWÄSSERRICHTLINIE (2006) entspricht. Richtlinien und Verordnungen formuliert. Als Die Verregnung von Klarwasser hat in Nieder- Beispiele sind die DIN 19650 (Bewässerung - sachsen durch die Abwasserverbände Wolfs- Hygienische Belange von Bewässerungswas- burg und Braunschweig eine langjährige Tradi- ser (DIN 1999)) und die BADEGEWÄSSERRICHT- tion. Das Wasser kann direkt aus dem Schö- LINIE (2006/7/EG bzw. 70/160/EWG) zu nen- nungsteich oder indirekt aus dem Vorfluter der nen. Klarwasser ist – ohne zusätzliche Reini- Anlage entnommen werden. gungsstufen im Klärwerk – für den Einsatz im Außerhalb der Vegetationsperiode können Gemüseanbau und in Trinkwassergewinnungs- Wasserüberschüsse aus Oberflächengewäs- bzw. Wasserschutzgebieten nicht geeignet. sern sowie Klarwasser zur Versickerung ge- nutzt werden und so zur lokalen Regeneration Umsetzungspotenzial im von Grundwasserkörpern beitragen. Die Versi- Untersuchungsgebiet ckerung kann durch vorherige Verregnung auf Ackerflächen, die Einleitung in Gräben, Wald- flächen oder Senken im Gelände erfolgen. In Zusammenarbeit mit Akteuren aus verschie- denen Bereichen, insbesondere der projektbe- Durch Nutzung der Schwerkraft, den Transport des Wassers im freien Fluss (im Freispiegelge- gleitenden Lenkungsgruppe, konnten potenzi- fälle), lassen sich Überschüsse sogar aus elle Anpassungsmaßnahmen im Untersu- „wasserreichen“ in „wasserarme“ Gebiete chungsgebiet ermittelt werden. In Tabelle 3.1.3 transportieren. Da unter Laubwald mehr und Abbildung 3.1.4 sind die Ergebnisse in Form eines Maßnahmenkatalogs und einer Grundwasser neu gebildet wird, als unter Na- delwald, kann der Waldumbau ebenfalls einen Kartendarstellung zu finden. Es ist zu berück- wichtigen Beitrag zu einer erhöhten Wasser- sichtigen, dass alle Maßnahmen hinsichtlich ih- rer Machbarkeit diskutiert und für potenziell verfügbarkeit leisten. Der Aufstau von Fließ- gewässern, insbesondere Grabensystemen, umsetzbar befunden wurden. Im Rahmen einer hält Wasser in der Landschaft zurück und er- genaueren Planung ist in jedem Einzelfall die tatsächliche Umsetzbarkeit mit allen möglichen höht den Grundwasserstand. Durch kapillaren Aufstieg kann die Vegetation so einen Teil ih- Folgen genau zu prüfen. Nähere Informationen res Wasserbedarfs decken. finden sich auch hier im Abschlussbericht und auf der Informations- und Kommunikations- plattform www.klimafolgemanagement.de.

96 GeoBerichte 18 Mit steigendem Beregnungsbedarf wird die andere Räume mit Substitutionsbedarf über- Umsetzung von Maßnahmen zunehmend wich- tragen werden, und die Akteure können sich tiger, um Wasserknappheit und Konflikten um über ihre Erfahrungen austauschen, so dass das verfügbare Wasser rechtzeitig zu begeg- Umsetzungen zunehmend schneller und effizi- nen. Der Maßnahmenkatalog liefert Praktikern enter ablaufen können. Die Ergebnisse können eine Reihe von Ansatzpunkten und Anregun- weiterhin von Kommunen, Behörden, Versor- gen für die Umsetzung von Maßnahmen im gern und Beratungsinstitutionen zur weiteren Untersuchungsgebiet. Die Ansätze können in Planung genutzt werden.

Tab. 3.1.3: Maßnahmenkatalog (Farbkennzeichnung s. Legende in Abb. 3.1.4).

Betrachtungsraum Aller westlich Celle, Landkreis Celle Nr. 1 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer ausreichende Wasserführung in den Sommermonaten, zusätzliche Einleitung von 6,6 Mio. m³ kommunalem und künftig bis zu 1 Mio. m³ industriellem Klarwasser, intensives Bemerkung Maisanbaugebiet, weitere Biogasanlagen in Planung, tendenziell steigender Wasser- bedarf, bereits eine Entnahmeerlaubnis erteilt nächster Schritt Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB, Prüfung Betrachtungsraum Aschau bei Höfer, Landkreis Celle Nr. 2 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Nach Abschluss der Flutung des Kalibergwerks Mariaglück könnte das Bemerkung Entnahmebauwerk an der Fuhse für Beregnungszwecke umgenutzt werden. Die Flu- tung dauert voraussichtlich bis 2015/2016 an. Antrag auf Nachnutzung durch Beregnungsverbände beim zuständigen Bergamt nächster Schritt (LBEG, Clausthal-Zellerfeld), Prüfung Betrachtungsraum Burgdorfer Aue, Region Hannover Nr. 3 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Bemerkung evtl. Entnahme möglich; Einleitung von etwa 3,9 Mio. m³ Klarwasser jährlich nächster Schritt Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB, Prüfung Betrachtungsraum Fuhse, nördlich der Bundesautobahn (BAB) 2, Landkreis Peine Nr. 4 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Nach Auskunft der unteren Wasserbehörde ist für die Fuhse bei einer Wasserentnah- me nicht von einer ökologischen oder mengenmäßigen Gefährdung auszugehen. In Bemerkung die Fuhse gelangen unter anderem stündlich etwa 270 m³ Klarwasser aus der Kläran- lage Peine. nächster Schritt Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB, Prüfung Betrachtungsraum Fuhse bei Wathlingen, Landkreis Celle Nr. 5 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Nach Abschluss der Flutung des Kalibergwerks Riedel könnte das dafür genutzte Entnahmebauwerk an der Fuhse zur Entnahme von Beregnungswasser umgenutzt Bemerkung werden. Die Flutung dauert voraussichtlich bis 2020/2021 an, kann sich aber auch noch länger hinziehen. Antrag auf Nachnutzung durch Beregnungsverbände beim zuständigen Bergamt nächster Schritt (LBEG, Clausthal-Zellerfeld), Prüfung Betrachtungsraum Johannisgraben, Region Hannover Nr. 6 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Bemerkung evtl. Entnahme möglich; Einleitung von etwa 1,8 Mio. m³ Klarwasser jährlich nächster Schritt Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB, Prüfung Betrachtungsraum Kohlshorn, Region Hannover Nr. 7 Maßnahme Wasserrückhalt in vorhandenen Oberflächenspeichern Bemerkung Speicherung von Oberflächenwasser in einem Sand-/Kiesabbau nächster Schritt beispielhafte Potenzialermittlung abgeschlossen, Machbarkeitsstudie

GeoBerichte 18 97 Tab. 3.1.3 (Fortsetzung).

Betrachtungsraum Lachte westlich Lachendorf, Landkreis Celle Nr. 8 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer ausreichende Wasserführung in den Sommermonaten, Einleitung von 2,7 Mio. m³ in- Bemerkung dustriellen und 0,8 Mio. m³ kommunalen Klarwassers pro Jahr nächster Schritt Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB, Prüfung Betrachtungsraum Leine, Region Hannover Nr. 9 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer ausreichende Wasserführung in den Sommermonaten, Vorfluter von Kläranlagen mit Bemerkung einer mittleren Jahresabwassermenge von min. 60 Mio. m³ (KA Herrenhausen, Gümmerwald, Neustadt, Wunstorf) Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB und beim nächster Schritt Wasser- und Schifffahrtsamt, Abschluss eines Nutzungsvertrages Betrachtungsraum Mellendorf, Region Hannover Nr. 10 Maßnahme Wasserrückhalt in vorhandenen Oberflächenspeichern Bemerkung Speicherung von Oberflächenwasser in einem Sand-/Kiesabbau nächster Schritt beispielhafte Potenzialermittlung abgeschlossen, Machbarkeitsstudie Betrachtungsraum Mühlengraben, Region Hannover Nr. 11 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Bemerkung Vorfluter für das Niederschlagswasser des Hannover Airport, Langenhagen nächster Schritt Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB, Prüfung Betrachtungsraum Örtze, ab Oldendorfer Kiesteiche, Landkreis Celle Nr. 12 Maßnahme Beregnung mit Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Überlauf von jährlich 1,8 Mio. m³ Wasser aus den benachbarten Oldendorfer Bemerkung Kiesteichen als Folge eines Grundwasseranschnitts durch den Kiesabbau nächster Schritt Antrag auf Entnahmeerlaubnis durch Beregnungsverbände bei der UWB, Prüfung Betrachtungsraum Ramlingen, Region Hannover Nr. 13 Maßnahme Wasserrückhalt in vorhandenen Oberflächenspeichern Bemerkung Speicherung von Oberflächenwasser in einem Sand-/Kiesabbau nächster Schritt beispielhafte Potenzialermittlung abgeschlossen, Machbarkeitsstudie Betrachtungsraum Thönse, Region Hannover Nr. 14 Maßnahme Wasserrückhalt in vorhandenen Oberflächenspeichern Bemerkung Speicherung von Oberflächenwasser in einem Sand-/Kiesabbau nächster Schritt beispielhafte Potenzialermittlung abgeschlossen, Machbarkeitsstudie Betrachtungsraum Kläranlage Bergen, Landkreis Celle Nr. 15 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresschmutzwassermenge 2008: 0,8 Mio. m³ nächster Schritt Kooperation Beregnungsverband Bergen, Kläranlagenbetreiber und UWB, Prüfung Betrachtungsraum Kläranlage Barsinghausen, Region Hannover Nr. 16 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresabwassermenge 2008: 2,8 Mio. m³ nächster Schritt Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB, Prüfung Betrachtungsraum Kläranlage Bennigsen, Region Hannover Nr. 17 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresabwassermenge 2008: 0,7 Mio. m³ ohne nähere Prüfung kann keine Aussage zu einer möglichen Nutzung getroffen wer- nächster Schritt den, Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB

98 GeoBerichte 18 Tab. 3.1.3 (Fortsetzung).

Betrachtungsraum Kläranlage Eldagsen, Region Hannover Nr. 18 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresabwassermenge 2008: 0,8 Mio. m³ ohne nähere Prüfung kann keine Aussage zu einer möglichen Nutzung getroffen wer- nächster Schritt den, Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB Betrachtungsraum Kläranlage Evestorf, Region Hannover Nr. 19 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresabwassermenge 2008: 0,9 Mio. m³ ohne nähere Prüfung kann keine Aussage zu einer möglichen Nutzung getroffen wer- nächster Schritt den, Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB Betrachtungsraum Kläranlage Großburgwedel, Region Hannover Nr. 20 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresabwassermenge 2008: 0,9 Mio. m³ ohne nähere Prüfung kann keine Aussage zu einer möglichen Nutzung getroffen wer- nächster Schritt den, Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB Betrachtungsraum Kläranlage Hankensbüttel, Landkreis Gifhorn Nr. 21 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Jahresabwassermenge 2008: 0,7 Mio. m³; Kläranlage klärt neben kommunalem auch Abwasser aus der kartoffelverarbeitenden Industrie, Gefahr einer Verbreitung von Kar- Bemerkung toffelschaderregern über das Beregnungswasser, zusätzliche Reinigung durch UV- Desinfektion notwendig Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB, Grobstudie zur nächster Schritt Abwasserdesinfektion liegt vor, Finanzierung muss geklärt werden, Fördergelder? Betrachtungsraum Kläranlage Pattensen, Region Hannover Nr. 22 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresabwassermenge 2008: 0,8 Mio. m³ ohne nähere Prüfung kann keine Aussage zu einer möglichen Nutzung getroffen wer- nächster Schritt den, Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB Betrachtungsraum Kläranlage Springe, Region Hannover Nr. 23 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresabwassermenge 2008: 1,6 Mio. m³ nächster Schritt Kooperation Beregnungsverbände, Kläranlagenbetreiber und UWB, Prüfung Betrachtungsraum Kläranlage Wesendorf, Landkreis Gifhorn Nr. 24 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Bemerkung Jahresaberwassermenge 2008: 0,8 Mio. m³ nächster Schritt keiner, Klarwassernutzung ist bereits umgesetzt, Betrieb einer Beregnungsmaschine Betrachtungsraum Kläranlage Wittingen, Landkreis Gifhorn Nr. 25 Maßnahme Verregnung von kommunalem Klarwasser Jahresabwassermenge 2008: 0,7 Mio. m³; Klarwassernutzung ist seitens des Bereg- Bemerkung nungsverbandes beschlossen, Wasserverband will sich an Kosten beteiligen Aktuell erfolgt eine Abstimmung zwischen dem Beregnungsverband Wollerstorf und nächster Schritt der UWB.

GeoBerichte 18 99 Tab. 3.1.3 (Fortsetzung).

Betrachtungsraum Adamsgraben, Landkreis Celle Nr. 26 Maßnahme Überleitung von Wasser aus einem Überschuss- in ein Bedarfsgebiet, Versickerung Bemerkung Vorstudie liegt vor, Machbarkeit ist gegeben nächster Schritt Umsetzung beispielsweise über ein Förderprogramm Betrachtungsraum Aller westlich Gifhorn, Landkreis Gifhorn Nr. 27 Maßnahme Versickerung von Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Bemerkung Versickerung auf umliegenden Flächen in den Wintermonaten nächster Schritt weitere Prüfung, Machbarkeitsstudie Betrachtungsraum Burgdorfer Holz, Region Hannover Nr. 28 Maßnahme Versickerung von Oberflächenwasser aus Fließgewässern Versickerung von Wasserüberschüssen ähnlich wie im Wulbeckprojekt wünschens- Bemerkung wert nächster Schritt weitere Prüfung, Machbarkeitsstudie Betrachtungsraum Ise, Landkreis Gifhorn Nr. 29 Maßnahme Versickerung von Oberflächenwasser aus einem Fließgewässer Hochwasserereignisse in den Wintermonaten sind gängig, Gewässer ufert im Raum Bemerkung Wahrenholz aus, benachbarte Grundwasserkörper sind sehr angespannt nächster Schritt Vorstudie liegt vor, weitere Prüfung notwendig, kleinräumig Versickerungspotenzial Betrachtungsraum Meinersen, Landkreis Gifhorn Nr. 30 Aufstau von Entwässerungsgräben, Überleitung von Wasser aus einem Überschuss- Maßnahme in ein Bedarfsgebiet Wasserrückhalt in den landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Aufstau von Grä- ben, Anhebung des Grundwasserstandes, Einsparung einer Beregnungsgabe, zusätz- Bemerkung lich Abschlag von überschüssigem Wasser aus der Oker (Schwermetallgehalt beach- ten) Kooperation Beregnungsverband und UWB besteht, Vorstudie liegt vor, Probestau und nächster Schritt Ergebnisauswertung Betrachtungsraum Raum Hänigsen, Region Hannover Nr. 31 Maßnahme Aufstau von Entwässerungsgräben Wasserrückhalt in den landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Aufstau von Grä- Bemerkung ben, Anhebung des Grundwasserstandes, Einsparung einer Beregnungsgabe nächster Schritt Kooperation Beregnungsverband und UWB, Vorstudie mit Probestau durchführen Betrachtungsraum Raum Otze, Region Hannover Nr. 32 Maßnahme Aufstau von Entwässerungsgräben Wasserrückhalt in den landwirtschaftlich genutzten Flächen durch Aufstau von Grä- Bemerkung ben, Anhebung des Grundwasserstandes, Einsparung einer Beregnungsgabe nächster Schritt Kooperation Beregnungsverband und UWB, Vorstudie mit Probestau durchführen

100 GeoBerichte 18

Abb. 3.1.4: Potenzielle Maßnahmen zur Substitution von Grundwasser und zur lokalen Regeneration von Grundwasserkörpern im Untersuchungsgebiet.

GeoBerichte 18 101 3.1.5 Literatur und Datenquellen LBEG - LANDESAMT FÜR BERGBAU, ENERGIE UND GEOLOGIE (2010a): Bodenübersichtskarte BADEGEWÄSSERRICHTLINIE (2006): Richtlinie 1 : 50 000, Standortbezogenes ackerbauli- 2006/7/EG des Europäischen Parlaments ches Ertragspotenzial (AEpot). – Abruf vom ® und des Rates vom 15. Februar 2006 über NIBIS -Kartenserver, . Bewirtschaftung und zur Aufhebung der LBEG - LANDESAMT FÜR BERGBAU, ENERGIE UND Richtlinie 76/160/EWG – Amtsbl. EU L 64: GEOLOGIE (2010b): Administrative Grenzen. 37–51. – Abruf vom NIBIS®-Kartenserver, . – Stuttgart (UTB). LBEG (2010c): Mittlere jährliche Beregnungs- CHMIELEWSKI, F.-M. (2007): Folgen des Klima- menge. – . (Hrsg.) (2007): Der Klimawandel - Einblicke, LBEG (2010d): Mittlere Beregnungsbedürftig- Rückblicke und Ausblicke. – S. 75–82, keit. – Modellierung durch das LBEG im (Abruf 01.03.2011). LSKN - LANDESBETRIEB FÜR STATISTIK UND KOMMUNIKATIONSTECHNOLOGIE NIEDERSACH- DIN – DEUTSCHES INSTITUT FÜR NORMUNG SEN (2007): Agrarstrukturerhebung 2007 (1999): DIN 19650 - Hygienisch-mikrobiolo- (zugleich EG-Agrarstrukturerhebung 2007). gische Klassifizierung und Anwendung von – Hannover. Bewässerungswasser. – Berlin (Beuth). MU - NIEDERSÄCHSISCHES MINISTERIUM FÜR DWD - DEUTSCHER WETTERDIENST (2011): Wet- UMWELT UND KLIMASCHUTZ (2007): Runder- terlexikon - Eintrag „Wasserbilanz, klimati- lass vom 25.06.2007 zur „Mengenmäßigen sche“. – (Abruf Bewirtschaftung des Grundwassers“. – 23.05.2011). (VORIS 2820), (Abruf landwirtschaftliches Beregnungsmanage- 23.11. 2010. ment. – Fachverband Feldberegnung, RENGER, M. & STREBEL, O. (1982): Bereg- (Abruf 20.12.2010). Nutzflächen in Niedersachsen. – Geol. Jb. FVF - FACHVERBAND FELDBEREGNUNG E. V. F13: 3–66, 43 Abb., 26 Tab.; Hannover. (2008): Umfrage bei den Beregnungsver- VLK - VERBAND DER LANDWIRTSCHAFTSKAMMERN bänden zu Wasserherkünften und Bereg- (2010): Klimawandel und Landwirtschaft - nungsflächen. – FVF. Anpassungsstrategien im Bereich Pflanzen- HEIDT, L. (2009): Auswirkungen des Klimawan- bau. – (Abruf: 08.12. tigkeit Nordost-Niedersachsens. – GeoBe- 2010). richte 13: 109 S., 66 Abb., 14 Tab., Anh., UWB - UNTERE WASSERBEHÖRDEN DER LAND- 5 Kt.; Hannover (LBEG). KREISE CELLE, GIFHORN UND PEINE SOWIE DER KRAUSE, A. (2010): Auswertung der Vegetati- REGION HANNOVER (2011): Auskünfte zu Be- onsperiode in der Metropolregion Hannover regnungsverbänden und Beregnungsmen- - Braunschweig - Göttingen (- Wolfsburg). – gen. Werkstattbericht. Institut für Meteorologie und Klimatologie der Leibniz Universität Hannover, (Abruf 01.03.2010).

102 GeoBerichte 18 4 Teilprojekt 4: 4.1.2 Aktuelle Situation des Netzwerks Naturschutz Natura 2000 im Untersuchungsgebiet

4.1 Mögliche Auswirkungen des In der Metropolregion Hannover – Braun- Klimawandels auf das Netzwerk schweig – Göttingen – Wolfsburg sind 184 Natura 2000 in der Metropolregion FFH-Gebiete und 32 Vogelschutzgebiete ge- Hannover – Braunschweig – meldet. Sie bedecken eine Fläche von 2 088 km² und damit 11 % der Metropolregion. Göttingen – Wolfsburg In den FFH-Gebieten wurden 49 verschiedene und Konsequenzen für Lebensraumtypen aus dem Anhang I der FFH- den Naturschutz RL erfasst (Datengrundlage: NLWKN 2008a, 2009; NLF 2009). Es sind vor allem verschie- CHRISTINA WEISS, MICHAEL REICH & dene Typen der Wälder (12), Heiden und Ma- MICHAEL RODE gerrasen (10), Gewässer (8), sowie der Sümp- fe, Niedermoore und Ufer (7) vertreten. Flä- 4.1.1 Hintergrund und Zielsetzung chenmäßig dominieren in den FFH-Gebieten der Metropolregion auf 80 % jedoch einige we- nige FFH-Lebensraumtypen. „Natürliche eutro- Es ist inzwischen unstrittig, dass der Klima- phe Seen mit einer Vegetation des Magno- wandel europaweit Veränderungen von Arten potamions oder Hydrocharitions“ (LRT 3150) und Lebensgemeinschaften zur Folge haben machen 31 % der gemeldeten FFH-Lebens- wird, wobei es auf der regionalen Ebene so- raumtypenfläche in den Schutzgebieten aus. wohl Gewinner als auch Verlierer geben wird Davon entfallen allerdings 29 % allein auf das (vgl. BERRY et al. 2003, POMPE et al. 2008, Steinhuder Meer. „Waldmeister-Buchenwald“ OLOFFSON et al. 2008). Ziel dieses For- (LRT 9130) bedeckt 21 % der FFH-Lebens- schungsvorhabens war es, am Beispiel der raumtypenfläche und steht damit an zweiter Metropolregion Hannover – Braunschweig – Stelle. „Subatlantischer oder mitteleuropäi- Göttingen – Wolfsburg zu ermitteln, welche scher Stieleichenwald oder Eichen-Hainbu- Auswirkungen der Klimawandel auf das Netz- chenwald“ (LRT 9160, 11 %) sowie „Hainsim- werk Natura 2000 haben kann und welche sen-Buchenwald“ (LRT 9110, 6 %) sind weitere Konsequenzen für den Naturschutz sich da- dominante Waldtypen. raus ergeben. Dazu wurden folgende Frage- stellungen untersucht: Von den Arten der Anhänge II und IV der FFH- RL und Anhang I der VSchRL kommen 124 in ■ Wie werden die Lebensraumtypen der der Metropolregion vor (Datengrundlage: FFH-Richtlinie (FFH-RL, 92/43/EWG) in NLWKN 2008a, 2009a/2010a, 2009b/2010b; der Metropolregion potenziell durch den HECKENROTH & LASKE 1997; BAUER, BEZZEL & Klimawandel beeinflusst? FIEDLER 2005). Zwei Drittel der Arten gehören ■ Welche der in der Metropolregion vorkom- zu den Säugetieren (25) und Vögeln (50), das menden Arten aus der FFH-Richtlinie und letzte Drittel Arten verteilt sich auf weitere acht der Vogelschutzrichtlinie (VSCHRL, Artengruppen. 79/409/EWG) werden potenziell durch die- se Veränderungen ihrer Lebensräume be- einflusst? ■ Mit welchen Maßnahmen lassen sich un- günstige Veränderungen verhindern oder zumindest abmildern?

GeoBerichte 18 103 4.1.3 Potenzielle Beeinflussung der MATHEJA & MEINKEN 2011) und die Sonnen- FFH-Lebensraumtypen durch scheindauer in den Sommermonaten zunimmt. den Klimawandel Durch die Verlagerung der Niederschläge aus der Vegetationszeit in den Winter ist eine Zu- Methode nahme des Feuchtestresses außerhalb der Vegetationszeit möglich (vgl. ebd.). Weiter ist Die potenzielle Beeinflussung der FFH-Le- eine stärkere Erwärmung von Boden, Wasser- bensraumtypen durch den Klimawandel wurde flächen und Luft durch die Zunahme der Son- über die Veränderung relevanter Umweltfakto- nenscheindauer in den Sommermonaten an- ren abgeleitet. Welche Umweltfaktoren für die zunehmen. Der Kältestress wird dagegen vo- FFH-Lebensraumtypen relevant sind, wurde raussichtlich abnehmen, da die Minimumtem- anhand von Literaturangaben zu Standort, peratur im Januar höher und das Spätfrostrisi- Verbreitung und Artenzusammensetzung der ko im Frühling geringer ausfallen werden (KRAUSE 2010). Die Überflutungshäufigkeit an FFH-Lebensraumtypen ermittelt (DRACHENFELS Fließgewässern wiederum wird potenziell zu- 2008a, b; SSYMANK et al. 1998; POTT 1995, nehmen, da die Gesamtsumme der klimati- 1996; PREISING 1984; PREISING et al. 1990– schen Wasserbilanz außerhalb der Vegetati- 1997; DRACHENFELS 2004 u. a.). Aus dieser Zusammenstellung wurden anschließend jene onszeit steigt und innerhalb der Vegetations- Umweltfaktoren herausgefiltert, die sich in der zeit mit heftigeren Regenereignissen zu rech- nen ist (KRAUSE & GROSS 2010a, b). Metropolregion durch den Klimawandel (KRAU- SE & GROSS 2011a, b) verändern können. Für Für jeden FFH-Lebensraumtyp wurde nun be- sie wurden Parameter definiert, mit denen sich wertet, wie diese klimawandelbedingten Ver- die Veränderungen messen lassen und die mit änderungen der Umweltfaktoren seinen Erhal- den Daten der Klimamodellierung errechnet tungszustand voraussichtlich beeinflussen (vgl. werden können. Die Veränderungen der Um- WEISS, REICH & RODE 2011). Gemessen wird weltfaktoren wurden ermittelt, indem die Aus- der Erhaltungszustand anhand der Kriterien ty- prägung der Parameter im Zeitraum 2071– pische Habitatstruktur, typische Artenzusam- 2100 gegenüber dem Referenzzeitraum 1961– mensetzung, Fläche der Vorkommen und Grö- 1990 verglichen wurde. ße des Verbreitungsgebiets. Die Beeinflussung Die Klimamodellierung zeigt für 2071–2100 wird als tendenzielle Beeinflussung angegeben gegenüber dem Referenzzeitraum für alle (günstig, vermutlich günstig, vermutlich un- Umweltfaktoren und ihre Parameter (Tab. günstig, ungünstig, keine wesentliche). In ei- 4.1.1) in der Metropolregion die gleiche Ände- nem letzten Schritt wurden mögliche Auswir- rungstendenz. Voraussichtlich nimmt der Tro- kungen auf die FFH-Gebiete bilanziert, indem ckenstress in der Vegetationszeit zu, da sich die in einem FFH-Gebiet vorkommenden FFH- die klimatische Wasserbilanz verringert, der Lebensraumtypen mit ihrer Beeinflussung dar- gestellt wurden. Grundwasserstand absinkt (FÜRSTENBERG,

104 GeoBerichte 18 Tab. 4.1.1: Änderungstendenz der für FFH-Lebensraumtypen in der Metropolregion relevanten Umweltfaktoren und ihrer Parameter im Zeitraum 2071–2100 gegenüber 1961–1990 (kWB = klimatische Wasserbilanz, GW = Grundwasserstand, Tmin = Minimumtemperatur, Vegetationszeit November–März, Sommermonate Juni, Juli, August).

Änderungstendenz 2071-2100 zu Umweltfaktor Parameter Zeitraum 1961-1990  kWB Trockenstress Vegetationszeit (Mesoklima)  GW

Sonnenschein- (Mikroklima) Sommermonate  dauer

kWB  Feuchtestress ausserhalb (Mesoklima) Vegetationszeit  GW

Sonnenschein- Erwärmung Sommermonate  dauer

 Tmin Januar Kältestress  Spätfrostrisiko Frühling

Starkregen Vegetationszeit  Überflutungs- häufigkeit ausserhalb  kWB Vegetationszeit Zunahme Abnahme

Ergebnisse von einer ungünstigen Beeinflussung auszu- gehen. Demgegenüber werden vermutlich nur Für 63 % der FFH-Lebensraumtypen (Abb. 26 % der FFH-Lebensraumtypen günstig be- 4.1.1) ist durch die klimawandelbedingte Ver- einflusst. änderung relevanter Umweltfaktoren potenziell

günstig 23%

vermutlich günstig 3%

ungünstig nicht 60% wesentlich 12% vermutlich ungünstig 3%

Abb. 4.1.1: Potenzielle Beeinflussung der FFH-Lebensraumtypen in der Metropolregion durch den Klimawandel 2071– 2100 (55 Ausprägungen von 49 FFH-Lebensraumtypen).

GeoBerichte 18 105 Insbesondere für den überwiegenden Teil der Folge dessen können die lebensraumtypischen Feuchtlebensräume ist anzunehmen, dass sich feuchte- und nässetoleranten Arten verdrängt ihr Erhaltungszustand verschlechtert (Abb. werden. Zu diesen potenziell ungünstig beein- 4.1.2). Ursache dafür sind die in der Vegetati- flussten FFH-Lebensraumtypen zählen Moore, onszeit abnehmende klimatische Wasserbilanz feuchte oder feucht-kühle Wälder (Moor- und bzw. die Absenkung des Grundwassers. Habi- Bruchwälder, feuchte Eichen-Mischwälder, tatstrukturen wie Tümpel, Pfützen und feuchte Schatthang- und Schluchtwälder) sowie Senken, die Lebensraum für typische Pflanzen Feuchtgebüsche, gehölzfreie Biotope der und Tiere (z. B. Amphibien) dieser Lebens- Sümpfe, Niedermoore und Ufer, feuchte Hei- räume sind, nehmen möglicherweise ab. In den sowie das Feuchtgrünland.

25

20

15

10

5 Anzahl FFH-Lebensraumtypen Anzahl FFH-Lebensraumtypen Anzahl FFH-Lebensraumtypen

0 Trockenlebensräume Feuchtlebensräume Gewässer Mesophile Lebensräume

Beeinflussung:

günstig vermutlich günstig nicht wesentlich vermutlich ungünstig ungünstig

Abb. 4.1.2: Potenzielle Beeinflussung der FFH-Lebensraumtypen in der Metropolregion durch den Klimawandel 2071– 2100, gegliedert nach Feuchtegruppen. Beeinflussung unter der Annahme, dass jene FFH-Lebensraumtypen, die sowohl grundwasser- als auch niederschlagsabhängig vorliegen können, grundwasserabhängig sind (55 Ausprägungen von 49 FFH-Lebensraumtypen).

Voraussichtlich ungünstig beeinflusste Gewäs- von Nähr- und Schadstoffen verändert sich un- ser-Lebensraumtypen sind perennierende günstig. Zwar haben häufigere Überflutungen Fließ- und Stillgewässer (Abb. 4.1.2). So gilt kurzfristig einen günstigen Einfluss auf Fließ- beispielsweise für Fließgewässer, dass sich gewässerdynamik und Habitatstrukturen, kön- durch den zunehmenden Trockenstress in der nen aber die negativen Folgen längerer Nied- Vegetationszeit Niedrigwasserperioden verlän- rigwasserperioden vermutlich nicht ausglei- gern (vgl. FÜRSTENBERG, MATHEJA & MEINKEN chen. 2011). Der geringere Wasserkörper erwärmt Für die Trockenlebensräume verbessert sich sich schneller, hierdurch sinkt die Sauerstoff- dagegen voraussichtlich ihre typische Arten- speicherkapazität des Wassers und die Le- zusammensetzung und Habitatstruktur durch bensbedingungen für anspruchsvolle Arten erhöhten meso- und mikroklimatischen Tro- verschlechtern sich. Auch die Konzentration

106 GeoBerichte 18 ckenstress in der Vegetationszeit. Als entspre- an den großen Flächenanteilen, die Buchen- chend günstig beeinflusste FFH-Lebensraum- wälder in den FFH-Gebieten einnehmen. Po- typen sind trocken-warme Wälder, trocken- tenziell günstig beeinflusste FFH-Lebensraum- warme Offenbodenbiotope und Felsfluren so- typen überwiegen in nur wenigen Gebieten wie trockene Heiden und Magerrasen anzuse- (Abb. 4.1.3). Diese konzentrieren sich im We- hen. ser- und Leinebergland (Süden der Metropol- region) und werden vornehmlich von Trocken- Auch ein relativ hoher Anteil mesophiler FFH- rasen dominiert. Vorkommen von potenziell Lebensraumtypen ist potenziell ungünstig be- ungünstig beeinflussten FFH-Lebensraumty- einflusst. Dazu gehören beispielsweise ver- pen gibt es in insgesamt 156 der 184 FFH- schiedene Buchenwald-Lebensraumtypen. Sie Gebiete der Metropolregion. In diesen Gebie- sind empfindlich gegenüber Trockenstress in ten sind daher möglicherweise Maßnahmen er- der Vegetationszeit, der durch eine abneh- forderlich, damit die Erhaltungsziele für die mende klimatische Wasserbilanz ausgelöst FFH-Lebensraumtypen auch in Zukunft einge- wird. halten werden können. Lediglich in sieben Ge- In der Metropolregion Hannover – Braun- bieten sind die lebensraumtypenbezogenen schweig – Göttingen – Wolfsburg sind die Erhaltungsziele durch den Klimawandel nicht in meisten FFH-Gebiete von FFH-Lebensraumty- Gefahr, weil sämtliche Lebensraumtypen po- pen geprägt, die potenziell ungünstig beein- tenziell durch den Klimawandel günstig oder flusst werden (Abb. 4.1.3). Das liegt vor allem nicht beeinflusst werden.

Abb. 4.1.3: Potenzielle Beeinflussung der FFH-Lebensraumtypen in den FFH-Gebieten der Metropolregion durch den Klimawandel 2071–2100 (Datengrundlage: NLWKN 2008a, 2009; NLF 2009; Kartengrundlage: NLWKN 2008b). Beeinflussung unter der Annahme, dass jene FFH-Lebensraumtypen, die sowohl grundwasser- als auch niederschlagsabhängig vorliegen können, grundwasserabhängig sind.

GeoBerichte 18 107 4.1.4 Potenzielle Beeinflussung der den Habitaten für Fortpflanzung/Brut, Nah- Tier- und Pflanzenarten aus rungssuche/Jagd, Versteck/Winter/Zugzeit (bei Anhang II und IV der FFH-RL und Zugvögeln) unterschieden. Im zweiten Schritt der Vogelarten aus Anhang I der wurde die potenzielle Beeinflussung der Habi- VSchRL durch den Klimawandel tate durch den Klimawandel eingeschätzt. Hier- für wurde auf die Einstufung der Empfindlich- keiten der in der Metropolregion vorkommen- Methode den Biotoptypen gegenüber dem Klimawandel zurückgegriffen (vgl. WEISS, REICH & RODE Welchen Einfluss der Klimawandel auf Tier- 2011). Gegebenenfalls wurden abschließend und Pflanzenarten hat, hängt von einer Viel- unterschiedliche Beeinflussungen der Teilhabi- zahl von Faktoren ab und ist für jede Art als in- tate zu einer Gesamtbeeinflussung aggregiert. dividueller Wirkkomplex zu erfassen (physiolo- Die Gesamtbeeinflussung richtet sich dabei gische Empfindlichkeit in unterschiedlichen Le- nach der negativsten Beeinflussung. Sie wurde bensphasen, Wechselbeziehungen mit ande- wiederum als tendenzielle Beeinflussung for- ren Arten, Habitatansprüche). Für eine ent- muliert (günstig, vermutlich günstig, vermutlich sprechende Analyse der 124 Arten fehlen je- ungünstig, ungünstig, keine wesentliche). doch die erforderlichen Grundlagen. Deshalb wurde die potenzielle Beeinflussung der Arten durch den Klimawandel näherungsweise über Ergebnisse die potenzielle Beeinflussung ihrer Habitate ermittelt, da Qualität und Größe eines Lebens- Von den 124 in der Metropolregion vorkom- raums einen entscheidenden Einfluss auf die menden Tier- und Pflanzenarten aus Anhang II Größe und Vitalität einer Population haben und IV der FFH-RL und Anhang I der VSchRL (vgl. WEDDELING et al. 2007). In einem ersten ist für nahezu jede zweite Art (53 %, Abb. Schritt wurden die Habitatansprüche jeder Art 4.1.4) eine ungünstige Beeinflussung auf aus der Literatur (PETERSEN et al. 2003, 2004; Grund der potenziell ungünstigen Entwicklung NLWKN 2009c/2010c u. a.) zusammengestellt, ihrer Habitate bzw. Teilhabitate anzunehmen. wobei nur Habitate berücksichtigt wurden, die Dem gegenüber stehen nur 14 % potenziell in der Metropolregion vorkommen. Sucht eine günstig beeinflusste Arten. Voraussichtlich Art in ihrem Jahres- und Lebenszyklus ver- nicht wesentlich beeinflusst werden vermutlich schiedene Teilhabitate auf, so wurde zwischen 33 % der untersuchten Arten.

günstig 13% vermutlich günstig 1% ungünstig 47% keine wesentliche 33% vermutlich ungünstig 6%

Abb. 4.1.4: Potenzielle Beeinflussung der 124 in der Metropolregion vorkommenden Tier- und Pflanzenarten aus Anhang II und IV der FFH-RL sowie Anhang I der VSchRL durch den Klimawandel 2071–2100 auf Grund der Beein- flussung ihrer Habitate.

108 GeoBerichte 18 Ein hoher Anteil potenziell ungünstig beein- Fischart Groppe (Cottus gobio), den auf aus- flusster Arten findet sich bei den Artengruppen, reichend Laichgewässer angewiesenen Laub- die auf Gewässer und feuchte Lebensräume frosch (Hyla arborea) oder die Kalksümpfe angewiesen sind, wie Amphibien, Fische und oder -moore benötigende Vierzähnige Windel- Mollusken (Abb. 4.1.5). Trockenstress in schnecke (Vertigo geyeri). Auch der relativ ho- Feuchtgebieten und Niedrigwasserperioden in he Anteil vermutlich ungünstig beeinflusster Gewässern während der Vegetationszeit be- Vogelarten ist durch Arten bedingt, die zur Brut einflussen diese Arten ungünstig. So drohen oder Nahrungssuche feuchte Lebensräume beispielsweise Populationsrückgänge für die aufsuchen, wie z. B. der Kranich (Grus grus). auf sommerkühle Fließgewässer angewiesene

50

40

30 Anzahl Arten Anzahl 20

10

0 Käfer Vögel Fische Libellen Pflanzen Reptilien Mollusken Amphibien Säugetiere Schmetterlinge Artengruppe

Beeinflussung: günstig vermutlich günstig keine wesentliche vermutlich ungünstig ungünstig

Abb. 4.1.5: Potenzielle Beeinflussung der in der Metropolregion vorkommenden Tier- und Pflanzenarten aus Anhang II und IV der FFH-RL sowie Anhang I der VSchRL durch den Klimawandel 2071–2100 auf Grund der Beeinflus- sung ihrer Habitate.

GeoBerichte 18 109 Der Anteil potenziell günstig beeinflusster Ar- dominieren in der Metropolregion (Abb. 4.1.6). ten ist dagegen in allen Artengruppen kleiner. Im Südwesten sind es Fledermäuse, die dazu Ein relativ hoher Anteil von Arten, die vermut- führen, dass viele Gebiete hinsichtlich dieser lich nicht wesentlich beeinflusst werden, ist un- Arten als nicht wesentlich beeinflusst darge- ter den Säugetieren – besonders den Fleder- stellt sind. Die Häufung von Gebieten mit ver- mäusen – und Vögeln zu verzeichnen. Viele mutlich profitierenden Arten im nördlichen und dieser Arten nutzen ein breites Spektrum an südlichen Bereich der Metropolregion ist meist Habitaten, z. B. Großsäuger wie der Luchs auf Vorkommen wärmeliebender Insekten zu- (Lynx lynx), Vögel wie der Rotmilan (Milvus rückzuführen. milvus) oder verschiedene Fledermausarten. Insgesamt kommen in 83 der 184 FFH-Gebiete In den FFH-Gebieten der Metropolregion sind (45 %) potenziell ungünstig beeinflusste FFH- zumeist nur wenige Tier- und Pflanzenarten Arten vor. In 26 Gebieten (14 %) werden die aus Anhang II und IV der FFH-RL gemeldet, Erhaltungsziele dagegen möglicherweise leich- der Median liegt bei nur zwei Arten. FFH- ter erreicht, da die Habitate aller gemeldeten Gebiete, in denen diese Arten vom Klimawan- FFH-Arten durch den Klimawandel potenziell del vermutlich ungünstig beeinflusst werden, begünstigt werden.

Abb. 4.1.6: Potenzielle Beeinflussung der in den FFH-Gebieten der Metropolregion gemeldeten FFH-Arten aus Anhang II und IV der FFH-RL im Zeitraum 2071–2100 (Datengrundlage: NLWKN 2008a; Kartengrundlage: NLWKN 2008b).

110 GeoBerichte 18 In den Vogelschutzgebieten sind im Median nicht beeinflusst werden (Abb. 4.1.7). Vogelar- neun Vogelarten aus Anhang I der VSchRL ten, deren Habitate durch den Klimawandel po- gemeldet. Es überwiegen Vogelschutzgebiete tenziell ungünstig beeinflusst werden (Katego- (25 von 32), in denen sowohl Arten vorkom- rien „ungünstig“ und „vermutlich ungünstig“, men, deren Habitate durch den Klimawandel Abb. 4.1.7), sind allerdings für insgesamt 29 potenziell ungünstig als auch günstig bzw. der 32 Gebiete gemeldet.

Abb. 4.1.7: Potenzielle Beeinflussung der in den Vogelschutzgebieten der Metropolregion gemeldeten Vogelarten aus Anhang I der VSchRL im Zeitraum 2071–2100 (Datengrundlage: NLWKN 2008a; Kartengrundlage: NLWKN 2008b).

4.1.5 Maßnahmenvorschläge zur Belastungen reduzieren Minderung der negativen Folgen des Klimawandels und künftige Gegenwärtige Belastungen von FFH-Lebens- Naturschutzziele raumtypen und Habitaten müssen auf ein Mi- nimum reduziert werden, damit unabänderliche Um einer Verschlechterung des Erhaltungszu- Klimawandelveränderungen abgepuffert wer- stands der vom Klimawandel potenziell un- den können (BALZER, DIETERICH & BEINLICH günstig beeinflussten FFH-Lebensraumtypen 2007; BEHRENS, FARTMANN & HÖLZEL 2009; und Habitate der Arten entgegenzuwirken und WEISS, REICH & RODE 2011). Weil für 91 % aller die Erhaltungsziele der FFH- und Vogelschutz- FFH-Lebensraumtypen der Metropolregion der gebiete auch zukünftig zu erreichen, sind ge- Wasserhaushalt der entscheidende Faktor ist, eignete Maßnahmen erforderlich. Sie sollen in sind besonders Störungen des Wasserhaus- erster Linie die Robustheit der FFH-Lebens- haltes zu beseitigen. Tabelle 4.1.2 zeigt bei- raumtypen und Arten gegenüber negativen spielhaft Maßnahmen für grundwasserabhän- Einflüssen des Klimawandels erhöhen. Zusätz- gige Landbiotope und Fließgewässer. lich sind ggf. Maßnahmen erforderlich, die ge- zielt auf die Umweltfaktoren Einfluss nehmen, um klimawandelbedingte Veränderungen mög- lichst zu kompensieren.

GeoBerichte 18 111 Tab. 4.1.2: Beispiel für Maßnahmen, mit denen sich Belastungen bei grundwasserabhängigen Landbiotopen und Fließgewässern reduzieren lassen (KAISER & WOHLGEMUTH 2002 und NLWKN 2009c/2010c, ergänzt).

Störung des Grundwasserhaushalts Maßnahmen bei Landbiotopen ■ Entwässerungsgräben schließen ■ Drainagen beseitigen ■ Sohlanhebung bei eingetieften Fließgewässern ■ Grundwasserentnahme im EZG verringern ■ Entkusseln von Mooren Störung des natürlichen Zustands Maßnahmen von Fließgewässern

Durchgängigkeit ■ störende Bauwerke rückbauen ■ Wasserabzweigung einschränken (Fischteiche, Privatgrundstücke) Erwärmung, Nähr- und Schadstoff- ■ Galeriewald zur Beschattung aufwachsen lassen konzentration ■ Abwärme- und Abwassereinleitung stoppen ■ Pufferstreifen gegen Nähr- und Schadstoffeinträge

Vorkommen erweitern ne Aufgabe des Biotopverbundes sein, den Ar- ten eine Verschiebung ihrer Verbreitungsareale Große Vorkommen von Arten und FFH- zu ermöglichen (REICH 2011), z. B. in nördli- Lebensraumtypen sind robuster gegenüber chere Breiten oder größere Höhen (HANNAH, negativen Einflüssen des Klimawandels, weil MIDGLEY & MILLAR 2002). Teilbereiche mit größerer Wahrscheinlichkeit bei Extremereignissen weniger betroffen sind, Pflegemaßnahmen anpassen es weniger störende Randeffekte gibt und Fit- ness und Anpassungskapazität durch einen größeren Genpool erhöht sind. FFH-Lebens- Der Klimawandel kann die Umweltfaktoren so raumtypen und Habitate sollten daher auf grö- stark verändern, dass kompensierende Pfle- gemaßnahmen nötig werden, um eine Ver- ßere Flächen ausgedehnt werden (BLAB & schlechterung des Erhaltungszustands von SCHRÖDER 2007, PEARSON & DAWSON 2005). Die Vorkommen sind möglichst auf Flächen zu Habitaten und FFH-Lebensraumtypen zu ver- hindern. Um der Absenkung des Grundwas- erweitern, die Standortgradienten aufweisen serstands in der Vegetationszeit entgegenzu- (BLAB & SCHRÖDER 2007, AUGST 2008; z. B. Exposition, Grundwassernähe, Bodenverhält- wirken, bieten sich neben den in Tabelle 4.1.2 aufgeführten Maßnahmen weitere Maßnahmen nisse, Höhenlage). So erhöht sich die Chance, dass Standorte entlang des Gradienten geeig- zur Erhöhung der Grundwasserneubildung an, net bleiben oder unter dem Einfluss des Kli- z. B. die Umwandlung von Nadel- in Laubwald (vgl. FÜRSTENBERG, MATHEJA & MEINKEN 2011) mawandels geeignet werden. oder die konservierende Bodenbearbeitung auf landwirtschaftlichen Flächen. Zudem können Vorkommen vernetzen sich Pflegeintervalle, z. B. bei Entkusselung, verändern/verkürzen. Vernetzte Vorkommen sind robuster gegen- Die Abnahme der klimatischen Wasserbilanz in über ungünstigen Einflüssen des Klimawan- der Vegetationszeit kann in Biotopen, die auf dels, weil sie die Wiederbesiedlung erlosche- Niederschlag angewiesen sind, durch Vernäs- ner Vorkommen (z. B. nach Extremereignis- sungsmaßnahmen wie Beregnung oder Einlei- sen) erleichtern. Zweitens ermöglichen sie den tung von Wasser kompensiert werden (je nach genetischen Austausch zwischen den Popula- Nährstoffarmut des Biotops Niederschlags-, tionen und gewährleisten damit Fitness und Grund- oder Oberflächenwasser). Für nicht auf Anpassungskapazität. Künftig wird es auch ei- Nährstoffarmut angewiesene Biotope (z. B.

112 GeoBerichte 18 Bruchwälder, nährstoffreiche Sümpfe) kann die 4.1.6 Zusammenfassung Verwendbarkeit von Klarwasser aus Kläranla- gen oder gereinigtem Wasser aus der Industrie Durch den Klimawandel werden sich Vorkom- (z. B. Zuckerfabrik) geprüft werden (vgl. men und Ausprägung von Arten und Lebens- MERSCH 2011). gemeinschaften verändern. Am Beispiel der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Schutzziele und Zielsetzungen Göttingen – Wolfsburg wurden die Auswirkun- des Naturschutzes gen des Klimawandels auf das Netzwerk Natu- ra 2000 untersucht und Maßnahmenvorschlä- ge zur Minderung der negativen Folgen des Eine Anpassung von Schutzzielen wird erst Klimawandels erarbeitet. In der Metropolregion dann relevant, wenn sich im Monitoring der werden auf der Grundlage der derzeitigen Si- FFH-Lebensraumtypen und Arten zeigt, dass mulationen und Szenarien im Zeitraum 2071– die oben genannten Maßnahmen keinen Erfolg 2100 gegenüber 1961–1990 voraussichtlich haben. Eine Neuorientierung des Naturschut- die klimatische Wasserbilanz und der Grund- zes („wandernde Schutzgebietsgrenzen“, ZE- wasserstand in der Vegetationszeit abnehmen. BISCH et al. 2005) ist sehr wahrscheinlich nicht Vor allem durch diese Veränderungen werden erforderlich, da die heute wertvollen Flächen ein Großteil der FFH-Lebensraumtypen (63 %) aller Voraussicht nach auch in Zukunft die sowie der Arten der FFH- und VSchRL (53 %) wertvollsten Bereiche in der genutzten Land- potenziell ungünstig beeinflusst. Insbesondere schaft darstellen werden: Sie sind in der Regel FFH-Lebensraumtypen und Arten der Feucht- nährstoffärmer, trockener oder nasser als die lebensräume und Gewässer sind ungünstig be- Umgebung und werden dies vermutlich auch troffen. Dagegen werden Trockenlebensräume unter dem Einfluss des Klimawandels bleiben und Arten, die von trocken-warmen Bedingun- (ELLWANGER 2009, AUGST 2008). Schutz und gen profitieren, vermutlich begünstigt. Durch Pflege der bestehenden Schutzgebiete sind den hohen Anteil voraussichtlich ungünstig be- daher beizubehalten bzw. gezielt weiter zu einflusster FFH- und VSchRL-Arten sowie entwickeln (AUGST 2008). Ein entsprechendes FFH-Lebensraumtypen sind die Erhaltungszie- Monitoring ist allein schon wegen der hohen le vieler FFH- und Vogelschutzgebiete der Met- Unsicherheit der zugrunde liegenden Klima- ropolregion potenziell gefährdet. Um einer Ver- modelle und Klimaszenarien unerlässlich. Nur schlechterung entgegenzuwirken, ist es ent- so können eintretende Veränderungen frühzei- scheidend, bestehende Belastungen zu redu- tig erkannt und geeignete Maßnahmen opti- zieren, den Wasserhaushalt zu verbessern und miert werden. Vorkommen zu vernetzen. Ein kontinuierliches Monitoring ist erforderlich, um Naturschutz- maßnahmen an die Veränderungen anpassen zu können. Da die heutigen Schutzgebiete vo- raussichtlich auch in Zukunft die wertvollsten Bereiche darstellen, sind an den Klimawandel angepasste Pflegekonzepte zu entwickeln.

GeoBerichte 18 113 4.1.7 Literatur und Datenquellen DRACHENFELS, O. V. (2008a): Hinweise zur De- finition und Kartierung der Lebensraumtypen AUGST, H.-J. (2008): Schutzgebiete im Klima- von Anhang I der FFH-Richtlinie in Nieder- wandel. – In: LANU SH: Jahresbericht des sachsen auf der Grundlage des Interpretati- Landesamtes für Natur und Umwelt des on Manuals der Europäischen Kommission. Landes Schleswig-Holstein 2007/2008: 35– – Version EUR 25 vom April 2003, Stand 46, Schriftenreihe LANU SH 12; Flintbek. 4/2008, 27 S.; Hannover (NLWKN), [Unveröff.]. BALZER, S., DIETERICH, M. & BEINLICH, B. (Bearb.) (2007): Natura 2000 und Klimaän- DRACHENFELS, O. V. (2008b): Tabellen zur Be- derungen. – Tagungsband zur gleichnami- wertung des Erhaltungszustands der Le- gen Tagung vom 28.–31. August 2006 auf bensraumtypen in Niedersachsen. – Stand der Insel Vilm, 173 S., Natursch. Biol. Vielf. 4/2008, 98 S.; Hannover (NLWKN), 46; Bonn-Bad Godesberg. [Unveröff.].

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114 GeoBerichte 18 Läufen A1B_1 und C20_2, modellierte Zeit- NLWKN (2009a/2010a): Artenlisten Amphibien, räume 1961-1990, 2020-2050, 2071-2100. – Fische, Heuschrecken, Libellen, Reptilien, Institut für Meteorologie und Klimatologie Säugetiere und Tagfalter für den Zeitraum der Leibniz Universität Hannover, erarbeitet 1800–2009 der Naturräume Lüneburger im Auftrag des Bundesministeriums für Bil- Heide und Wendland, Weser-Aller- dung und Forschung (BMBF) im Rahmen Flachland, Weser- und Leinebergland, Bör- des Projekts „Regionales Management von den und Harz. – Stand: 08.2009, 06.2010; Klimafolgen in der Metropolregion Hanno- Hannover [Unveröff.]. ver-Braunschweig-Göttingen. Teilprojekt 1: NLWKN (2009b/2010b): Verbreitungskarten Lokaler Klimawandel“; Hannover [Unveröff.]. Amphibien, Fische, Heuschrecken, Libellen, KRAUSE, A. & GROSS, G. (2011b): Auswirkun- Reptilien, Säugetiere und Tagfalter. Art- gen des Klimawandels auf die Metropolregi- nachweise in Niedersachsen und Bremen on. – Geoberichte 18: 8–22; Hannover auf der Basis von TK25-Quadranten. – Nie- (LBEG). dersächsisches Tierartenerfassungspro- gramm. Stand: 10.2009, 11.2009, 06.2010; KRAUSE, A. (2010): Werkstattbericht. Auswer- Hannover [Unveröff.]. tung der Vegetationsperiode in der Metro- polregion Hannover - Braunschweig - Göt- NLWKN (2009c/2010c): Vollzugshinweise zum tingen (- Wolfsburg). – Institut für Meteoro- Schutz der FFH-Lebensraumtypen sowie logie und Klimatologie der Leibniz Universi- weiterer Biotoptypen mit landesweiter Be- tät Hannover, 13 S., Stand: 03.05.2010, deutung in Niedersachsen sowie Vollzugs- . Strategie zum Arten- und Biotopschutz, Stand der Daten: 06.2009/ 01.2010, Down- MERSCH, I. (2011): Potenziale zur Substitution load: 12.2010, . 18: 86–102; Hannover (LBEG). OLOFFSON, J., HICKLER, T., SYKES, M. T., NLF (NIEDERSÄCHSISCHE LANDESFORSTEN) ARAÚJO M. B., BALETTO, E., BERRY, P. M., (2009): Daten der Basiserfassung der FFH- BONELLI, S., CABEZA, M., DUBUIS, A., GUISAN, Gebiete, Geofachdaten. – Stand der Daten: A., KÜHN, I., KUJALA, H., PIPER, J., ROUNSE- 09.2009; Wolfenbüttel [Unveröff.]. VELL, M. & SETTELE, J. (2008): MACIS Deli- NLWKN (2008a): Standarddatenbögen der verable 1.1: Climate change impacts on Eu- FFH-Gebiete (Stand der Daten: 04./05. ropean biodiversity - observations and future 2008) und Vogelschutzgebiete (Stand der projections. – Stand: 04.2008, . nlwkn.niedersachsen.de/download/25717> PEARSON, R. G. & DAWSON, T. P. (2005): Long- und . mentation: identifying conservation targets NLWKN (2008b): NATURA 2000: Europäische for spatial landscape planning under climate Vogelschutzgebiete und gemeldete FFH- change. – Biological Conservation 123 (3): Gebiete in Niedersachsen (Stand der Daten: 389–401. FFH-Gebiete 03.2006, Vogelschutzgebiete: PETERSEN, B., ELLWANGER, G., BIEWALD, G., 03.2008). – Geofachdaten, Download: HAUKE, U., LUDWIG, G., PRETSCHER, P., 22.01.2009, . 2000. Ökologie und Verbreitung von Arten NLWKN (2009): Daten der Basiserfassung der der FFH-Richtlinie in Deutschland. Band 1: FFH-Gebiete. Geofachdaten. – Stand der Pflanzen und Wirbellose. – 743 S., Daten: 09.2009; Hannover [Unveröff.]. Schriftenr. Landschaftspfl. u. Natursch. 69/1; Bonn-Bad Godesberg.

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116 GeoBerichte 18 5 Teilprojekt 5: 5.1.1 Einleitung Wasserwirtschaft Die bislang vorliegenden nationalen Klima- Szenarien zeigen für die Metropolregion Han- 5.1 Der Einfluss des Klimawandels nover – Braunschweig – Göttingen deutliche auf den regionalen Änderungen in den Parametern, die direkt oder indirekt die Grundwasserneubildung und damit Wasserhaushalt den Landschaftswasserhaushalt beeinflussen. Die wasserwirtschaftliche Grundwassernut- TINA WIXWAT & HERBERT RÖHM zung ist dabei in hohem Maße von konkurrie- renden Nutzungen, wie z. B. der Landwirt- Kurzfassung schaft (Feldberegnung) oder Rohstoffwirtschaft (Sand- und Kiesabbau), betroffen. Um eine Im Rahmen des Verbundprojektes „Regionales nachhaltige Sicherung der Ressource Trink- Management von Klimafolgen in der Metropol- wasser sicherzustellen, müssen mögliche Aus- region Hannover – Braunschweig – Göttingen“ wirkungen des Klimawandels quantifiziert wer- wurden im Teilprojekt „Wasserwirtschaft“ die den. Diese Planungsdaten müssen Politik, Ge- möglichen Auswirkungen des Klimawandels sellschaft und Wirtschaft zur Verfügung gestellt auf den Grundwasserhaushalt untersucht. werden, damit die mit Klimaveränderungen einhergehenden wasserwirtschaftlichen Aus- Die Höhe der Grundwasserneubildungsrate ist wirkungen abschätzbar werden und somit als von wesentlichem Interesse, da in Niedersach- Grundlagen in die Entwicklung von Lösungs- sen 86 % des Trinkwassers aus dem Grund- strategien für das Klimafolgenmanagement wasser gewonnen werden (REUTTER 2011). eingehen können. Aus diesem Grunde ist es für eine nachhaltige Grundwasserbewirtschaftung von elementarer Durch den Klimawandel hervorgerufene Ände- Wichtigkeit, ob und wie sich der Klimawandel rungen des Wasserhaushalts wurden bereits in auf die Grundwasserneubildung auswirken mehreren Projekten (LAHMER & PFÜTZNER könnte. 2003, GERSTENGABE et al. 2003, ARBEITSKREIS KLIWA 2006, SÄCHSISCHES STAATSMINISTERIUM Nach NAKICENOVIC & SWART (2000) soll es zu FÜR UMWELT UND LANDWIRTSCHAFT 2005) un- einer Verschiebung der höchsten Nieder- tersucht. Allerdings lag dabei der Schwerpunkt schlagsmengen von den Sommer- in die Win- meist auf der Betrachtung von Aspekten des termonate kommen. Der Einfluss dieser Ver- Hochwasserschutzes, des Gesamtlandschafts- schiebung auf die Grundwasserneubildung wasserhaushalts und der besonderen Berück- wurde erarbeitet. sichtigung von Landschafts- und Naturschutz- Grundlage der Prognoserechnungen sind die belangen. Simulationen des regionalen Klimamodells GIS-basierte Grundwasserneubildungsmodelle „CLM“ (HOLLWEG et al. 2008). Diese dienten werden standardmäßig auf lokaler und regio- als Eingangsdaten für die Methode naler Ebene sowie bezogen auf Fluss-/Teilein- GROWA06V2 (LEMKE & ELBRACHT 2008) zur zugsgebiete bis hin zur bundesweiten Anwen- Bestimmung der Grundwasserneubildungs- dung eingesetzt. Eine Verwendung hinsichtlich höhe als dreißigjährigen Mittelwert für die Sze- der Simulation der Grundwasserneubildung auf nariozeiträume 2011–2100 und den Referenz- der Basis von Klimaszenariodaten in größerem zeitraum 1961–1990. Außerdem wurden die Umfang ist bisher erst für das Land Hessen innerjährlichen Schwankungen des Grundwas- durchgeführt worden (BERTHOLD & HERGESELL serstandes abgeschätzt. 2005). Die Berechnung der Grundwasserneubildungs- rate erfolgt üblicherweise als mehrjähriger Mit- telwert, meist als Durchschnittswert dreißigjäh- riger Klimamessreihen, um jährliche Schwan- kungen in der Niederschlagshöhe und -vertei- lung durch Mittelung zu glätten und die Spei- cheränderungen im Gesteinskörper vernach- lässigen zu können. Eine Abschätzung der

GeoBerichte 18 117 monatlichen Grundwasserneubildung ist auf 5.1.2 Mittlere jährliche großräumiger Bezugsebene bisher nicht er- Grundwasserneubildungsrate folgt, da die dafür benötigten Daten nicht in ausreichender Genauigkeit und zeitlicher Auf- Die mittlere jährliche Grundwasserneubil- lösung vorliegen. Über die Kopplung mit einem dungshöhe wurde mit dem Berechnungsver- instationären Wasserhaushaltsmodell für den fahren GROWA06V2 (DÖRHÖFER et al. 2001) Grundwasserkörper Wietze-Fuhse (s. Folge- berechnet. Das Verfahren baut auf der empiri- kapitel) können die Daten der Grundwasser- schen Methode zur Berechnung der realen neubildungsberechnung auf Plausibilität ge- Verdunstung von RENGER & WESSOLEK (1996) prüft und Vorstellungen zur Übertragbarkeit auf. GROWA06V2 ist eine Weiterentwicklung ermittelt werden. der Methode GROWA98 zur Berechnung der Die Metropolregion umfasst unterschiedliche Sickerwasserrate (DÖRHÖFER et al. 2001). Zur Naturräume mit stark divergierenden wasser- Berechnung der Grundwasserneubildung mit wirtschaftlichen und hydrogeologischen Eigen- GROWA06V2 sind verschiedene Eingangspa- schaften. Während der größte Teil der Region rameter notwendig, aus denen über Zwischen- zum maritim beeinflussten Bereich mit hohen ergebnisse die Grundwasserneubildungshöhe Niederschlägen gehört – der Harz als „Regen- ermittelt wird (WIXWAT 2009). Die Grundwas- fänger“ bildet dabei das obere Ende der Skala serneubildungsrate wird als dreißigjähriges – ist der nordöstliche Teil schon stärker konti- Jahresmittel berechnet. Im Rahmen dieser Ar- nental geprägt, was sich in deutlich geringerer beit wurde die Grundwasserneubildung deka- Niederschlagshöhe äußert. Die unterschiedli- dengleitend von der Zeitscheibe 2011/2040 bis chen klimatischen Rahmenbedingungen für zur Zeitscheibe 2071/2100 berechnet. Bei den den Jetzt-Zustand lassen für die einzelnen Be- Eingangsdaten wurden drei Klimaausprägun- reiche der Region unterschiedliche Auswirkun- gen berücksichtigt, die „mittlere“, die „trockene“ gen für die Zukunft erwarten. und die „feuchte“ Variante. Für das „feuchte“ und das „trockene“ Szenario wurden nur die Vor dem Hintergrund des Klimafolgenwandels Modellzeiträume 2021–2050 und 2071–2100 stellen sich besondere Anforderungen an eine ausgewertet. nachhaltige Bewirtschaftung der Ressource Grundwasser. Grundwasser stellt die wichtigs- Zur Berechnung der Grundwasserneubildung te Grundlage für die wasserwirtschaftliche Ver- mit GROWA06V2 werden nach MÜLLER (2004) sorgung für die Bevölkerung in der Metropolre- folgende Parameter benötigt: gion. Auf der anderen Seite wird Grundwasser ■ Niederschlag auch in anderen volkswirtschaftlich relevanten (Jahr, Winterhalbjahr, Sommerhalbjahr), Bereichen, wie z. B. Landwirtschaft, benötigt ■ Mittlere jährliche Grasreferenz- und ist im starken Maße von konkurrierenden verdunstung, Nutzungen betroffen (z. B. Rohstoffwirtschaft, Bauwirtschaft). Um die mit dem Klimawandel ■ Pflanzenverfügbares Bodenwasser einhergehenden Auswirkungen auf den Was- (wird in der Methode aus der nutzbaren serhaushalt quantifizieren zu können, stellt das Feldkapazität des effektiven Wurzelraums LBEG im ersten Teil des Teilprojektes „Was- und dem mittleren kapillaren Aufstieg be- serwirtschaft“ Grundlageninformationen für rechnet), wasserwirtschaftliche Fragestellungen bereit. ■ Nutzungsart, ■ Versiegelungsgrad oder Versiegelungsstufe, ■ Hangneigung, ■ Exposition,

■ A/Au-Verhältnis (aus Grundwasserstufe, Staunässestufe und Hangneigung), ■ Hydrologische Gesteinseinheiten (Bodenausgangsgestein in der BÜK 50).

118 GeoBerichte 18 Die Berechnung der Verdunstung erfolgte nach 5.1.3 Mittlere jährliche der Methode von WENDLING (1997). Da der Grundwasserneubildungsrate Bewuchs einen großen Einfluss auf die Ver- für verschiedene Zeiträume und dunstung hat, wird als einheitliche Methode die Ausprägungen Grasreferenzverdunstung (ET0) verwendet, da diese unabhängig von den Parametern der Da die Berechnung mit GROWA06V2 mit Hilfe Pflanzenentwicklung und des Bodenwasser- von Flächen aus der Bodenübersichtskarte vorrates ist (WENDLING 1997). Grundlage für 1 : 50 000 (BÜK 50) erfolgt (MÜLLER 2004), die Berechnung der Grasreferenzverdunstung stehen ca. 1,2 Mio. Flächenergebnisse zur ist die Penman-Monteith-Beziehung zur Be- Verfügung. Sämtliche berechneten Ergebnisse rechnung der realen Verdunstung (WENDLING auf Grundlage der BÜK50-Flächen befinden 1997). Die Berechnung der Grasreferenzver- sich auf der Homepage des Projektes (www. dunstung erfolgt unter der Annahme, dass das klimafolgenmanagement.de). gesamte Jahr über ein Grasbestand von 0,12 m Höhe vorhanden ist. Des Weiteren wird Eine Ergebnisdarstellung und Auswertung der angenommen, dass die Bodenfeuchte größer Veränderungen auf der Basis der o. g. 1,2 Mio. als 50–70 % der nutzbaren Feldkapazität (nFk) Flächen ist nicht umsetzbar. Daher wird auf die ist und die Pflanzen somit keinem Trocken- zusammenfassende Darstellung und Auswer- stress ausgesetzt sind (WENDLING 1997). Die tung als Grundwasserdargebot für die einzel- Formel wurde so konzipiert, dass die Berech- nen Grundwasserkörper, die als Bewirtschaf- nung für Monatswerte von langjährigen Mitteln tungsräume gemäß EG-WRRL vorgesehen optimiert ist (WENDLING 1997). Die Eingangs- sind, zurückgegriffen. parameter aus dem CLM-Modell lagen als Mo- Für den Referenzzeitraum 1961–1990 weisen natsmittelwerte vor, so dass die Grasreferenz- die Grundwasserkörper im Nordwesten der verdunstung als Monatswerte berechnet wur- Metropolregion und im Bereich des Harzes die de. höchsten Dargebotsmengen von 250 000– Für Deutschland wurde die Abhängigkeit der 300 000 m³/km² auf. Der überwiegende Teil Verdunstung von der Höhe h [m ü. NN] be- der Grundwasserkörper in der Metropolregion stimmt (WENDLING 1997). Die höhenabhängige weist ein Grundwasserdargebot von 100 000– Kalibrierung berücksichtigt das Sättigungsdefi- 200 000 m³/km² auf. Lediglich bei einigen zit und die Windgeschwindigkeit. Diese gehen Grundwasserkörpern im Süden und Südosten als Mittelwerte in die Grasreferenzverdunstung der Metropolregion liegt das Grundwasserdar- ein. Die Verdunstung nimmt mit zunehmender gebot bei 50 000–100 000 m³/km². Höhe ab. Da die Formel für das Flachland ent- wickelt wurde, muss ein Höhenfaktor berück- sichtig werden, für den gilt: h > 600 m ist h = 600 m (WENDLING 1997). Die zur Berechnung benötigten Daten wurden vom Teilprojekt Kli- mawandel (s. Kap. 1.1) übernommen.

GeoBerichte 18 119

Abb. 5.1.1: Grundwasserdargebot für den Referenzzeitraum 1961–1990.

120 GeoBerichte 18 Im Folgenden sind zwei Beispiele dargestellt, men des Grundwasserdargebots um 5–15 % wie sich das Grundwasserdargebot im Laufe kommen, im zentralen Bereich der Metropolre- des Jahrhunderts verändern könnte. gion soll sich das Grundwasserdargebot nicht verändern und in der Region um Braunschweig Für den Zeitraum 2021–2050 ergibt sich ein soll das Grundwasserdargebot um 5–15 % ab- deutlicher Nordwest-Südost-Gradient. Im Nord- nehmen (s. Abb. 5.1.1). westen der Metropolregion soll es zu Zunah-

Abb. 5.1.2: Änderung des Grundwasserdargebots von 2021–2050 im Vergleich zu 1961–1990.

GeoBerichte 18 121 Im dreißigjährigen Mittel von 2071–2100 soll es der Metropolregion soll dem des Referenzzeit- ebenso zu Zunahmen des Grundwasserdarge- raums 1961–1990 entsprechen. Allerdings soll bots von 5–15 % im Nordwesten kommen. Das es im östlichen Teil der Metropolregion zu Ab- Grundwasserdargebot im zentralen Bereich nahmen von 5–15 % kommen.

Abb. 5.1.3: Änderung des Grundwasserdargebots von 2071–2100 im Vergleich zu 1961–1990.

122 GeoBerichte 18 Für die anderen berechneten Zeiträume ist hier Zeitraum 2061–2090 eine stichwortartige Übersicht der Ergebnisse (Vergleich zu 1961–1990) zu finden; die dazugehörigen Karten sind unter www.klimafolgenmanagement.de abrufbar. ■ Zunahme 5–15 %: NW der Metropolregion, Zeitraum 2011–2040 ■ gleichbleibend: zentraler Bereich (Vergleich zu 1961–1990) der Metropolregion (Richtung SE), ■ Ausnahme: Abnahmen von 5–15 %: ■ keine Änderung im Westen der „Bode Triaslandschaft der subherzynen Metropolregion, Senken“, „Innerste-Harzpaläozoikum“, ■ Abnahmen 5–15 %: Bereich von „Oker-Harzpaläozoikum“. Braunschweig, ■ Abnahmen 15–25 %: im E der Die Ergebnisse für die Änderung der Grund- Metropolregion. wasserneubildung spiegeln die Änderung der jährlichen Niederschlagsmengen wider. Die Grundwasserkörper im Osten der Metropolre- Zeitraum 2031–2060 gion sind auf Grund ihrer Lage stärker konti- (Vergleich zu 1961–1990) nentalerem Klima ausgesetzt. Die Grundwas- serkörper im Norden der Metropolregion ste- ■ Zunahme 5–15 %: NW der hen unter maritimem Einfluss. Metropolregion, ■ gleichbleibend: restlicher Bereich der Metropolregion, 5.1.4 Abschätzung der ■ Ausnahme: Abnahme 5–15 %: „Bode Triaslandschaft der subherzynen mittleren monatlichen Senke“. Grundwasserneubildung

Die Abschätzung der mittleren monatlichen Zeitraum 2041–2070 Grundwasserneubildung erfolgte lediglich für (Vergleich zu 1961–1990) den Grundwasserkörper Wietze/Fuhse (s. Abb. 5.1.4). Auf Grund der Datenlage wurde dieser ■ Zunahme 5–15 %: NW der Grundwasserkörper als Modellgebiet ausge- Metropolregion, wiesen. Für eine große Anzahl von Messstel- ■ gleichbleibend: restlicher Bereich len wurden die Wasserstandsdaten vom zwei- der Metropolregion. ten wasserwirtschaftlichen Teilprojekt (s. Kap. 5.2) zur Verfügung gestellt. Zeitraum 2051–2080 Die angewandte Methode kann nur verwendet (Vergleich zu 1961–1990) werden, wenn ausreichend Messdaten zur Ver- fügung stehen, so dass ein repräsentatives ■ Zunahme 5–15 %: Grundwasserkörper Flächenmittel bestimmt werden kann. Für das „Wümme“ im N der Metropolregion, Modellgebiet des Grundwasserkörpers Wietze/ ■ gleichbleibend: zentraler Bereich Fuhse wurde für die Zeiträume 2021–2050 und der Metropolregion, 2071–2100 („normale“, „feuchte“ und „trocke- ■ Abnahmen von 5–15 %: ne“ Ausprägung), sowie für den Referenzzeit- E von Braunschweig. raum 1961–1990 die monatliche Grundwas- serneubildung abgeschätzt. Zur Abschätzung der monatlichen Grundwas- serneubildung standen im Grundwasserkörper Wietze/Fuhse die Daten von 47 Grundwas- sermessstellen zur Verfügung. Für jede Mess- stelle lag in der Regel ein Messwert pro Monat vor. Grundlage für die Abschätzung der monat- lichen Grundwasserneubildung aus Wasser- standsdaten bildet die Annahme, dass bei ei-

GeoBerichte 18 123 ner Zugabe von 1 l Wasser der Porenraum ei- porenanteil im Schwankungsbereich des nes vierfachen Gesteinsvolumens (bei 25 % Grundwasserspiegels überwiegend bei >24 %, Nutzporosität) aufgefüllt wird und somit eine sodass es gerechtfertigt erscheint, bei einer Wasserstandsaufhöhung von 4 dm erfolgt. Grundwasserneubildungsrate von 100 mm und Nach LILLICH, KUCKELKORN & HOFMANN (1973) einer Porosität von 25 % eine Wasserstands- liegt im Gebiet des Fuhrberger Felds der Nutz- änderung von 0,4 m anzunehmen.

Abb. 5.1.4: Lage des Grundwasserkörpers Wietze/Fuhse in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen – Wolfsburg.

124 GeoBerichte 18 Beispielhaft werden hier die Ergebnisse für die Monat. Im Zeitraum 2021–2050 werden über- Monate Januar und Juli dargestellt. Die Ergeb- wiegend 20–50 mm/Monat gebildet, auf weni- nisse für die weiteren Monate sind im Folgen- gen Flächen lediglich 0–10 mm/Monat. Zum den stichwortartig beschrieben; die dazugehö- Ende des Jahrhunderts ergibt sich eine deutli- rigen Karten befinden sich auf der Homepage che Zunahme der Grundwasserneubildung für www.klimafolgenmanagement.de. den Monat Januar. Auf dem überwiegenden Teil der Flächen soll es zu Grundwasserneu- Im Monat Januar kam es im Referenzzeitraum bildungsraten von 30–50 mm/Monat oder mehr 1961–1990 auf den überwiegenden Flächen zu kommen, auf den restlichen Flächen 20– Grundwasserneubildungsraten von 20–40 mm/ 30 mm/Monat (s. Abb. 5.1.5a–c). Monat, auf einigen Flächen auch 40–50 mm/

Abb. 5.1.5a: Monatliche Grundwasserneubildungsrate im Januar für den Zeitraum 1961–1990.

GeoBerichte 18 125

Abb. 5.1.5b: Monatliche Grundwasserneubildungsrate im Januar für den Zeitraum 2021–2050.

126 GeoBerichte 18

Abb. 5.1.5c: Monatliche Grundwasserneubildungsrate im Januar für den Zeitraum 2071–2100.

GeoBerichte 18 127 Im Monat Juli kam es im Vergleichszeitraum Klimatischen Wasserbilanzen in diesen Zeit- 1961–1990 überwiegend zu Grundwasserneu- räumen negativ sind. In Bereichen mit geringen bildungsraten von 0–10 mm/Monat. Für die Grundwasserflurabständen kann es daher zu Zeiträume 2021–2050 und 2071–2100 sind Grundwasserzehrung kommen. keine quantitativen Aussagen möglich, da die

Abb. 5.1.6a: Monatliche Grundwasserneubildungsrate im Juli für den Zeitraum 1961–1990.

128 GeoBerichte 18

Abb. 5.1.6b: Monatliche Grundwasserneubildungsrate im Juli für den Zeitraum 2021–2050.

GeoBerichte 18 129

Abb. 5.1.6c: Monatliche Grundwasserneubildungsrate im Juli für den Zeitraum 2071–2100.

130 GeoBerichte 18 Hier folgen kurz gefasst die Ergebnisse für die Oktober übrigen Monate; die dazugehörigen Karten be- finden sich auf der Homepage www.klima ■ 1961–1990: folgenmanagement.de. überwiegend 0–10 mm/Monat, ■ 2021–2050: Februar überwiegend 10–20 mm/Monat, einige Flächen 20–30 mm/Monat, ■ 1961–1990: vereinzelt 0–10 mm/Monat, überwiegend 10–30 mm/Monat, ■ 2071–2100: auf einigen Flächen 30–40 mm/Monat, überwiegend 10–20 mm/Monat, ■ 2021–2050: einige Flächen 20–30 mm/Monat, überwiegend 20–40 mm/Monat, vereinzelt 0–10 mm/Monat. vereinzelt 40–50 mm/Monat, ■ 2071–2100: November überwiegend 30–50 mm/Monat oder mehr, restliche Flächen 20–30 mm/Monat; ■ 1961–1990: deutliche Zunahme für den Monat überwiegend 10–20 mm/Monat, Februar. einige Flächen 20–30 mm/Monat, vereinzelt 0–10 mm/Monat, März ■ 2021–2050: überwiegend 30–>50 mm/Monat, ■ 1961–1990: vereinzelt <20 mm/Monat, überwiegend 10–30 mm/Monat, ■ 2071–2100: auf einigen Flächen 30–40 mm/Monat, überwiegend 30–>50 mm/Monat, ■ 2021–2050: vereinzelt <20 mm/Monat. überwiegend 20–40 mm/Monat, vereinzelt 40–50 mm/Monat, Dezember ■ 2071–2100: überwiegend 0–10 mm/Monat ■ 1961–1990: (starke Abnahmen), überwiegend 20–30 mm/Monat, vereinzelt 0–10 mm/Monat. einige Flächen 10–20 mm/Monat, vereinzelt 40–50 mm/Monat, Mai, Juni, August ■ 2021–2050: überwiegend 40–>50 mm/Monat, ■ 1961–1990: einige Flächen 30–40 mm/Monat, überwiegend 0–10 mm/Monat, vereinzelt 0–10 mm/Monat, ■ 2021–2050: ■ 2071–2100: keine Aussage möglich, da negative überwiegend >50 mm/Monat, Klimatische Wasserbilanzen, einige Flächen 40–0 mm/Monat, vereinzelt 10–20 mm/Monat. ■ 2071–2100: keine Aussage möglich, da negative Klimatische Wasserbilanzen.

September

■ 1961–1990: überwiegend 0–10 mm/Monat, ■ 2021–2050: überwiegend 0–10 mm/Monat, ■ 2071–2100: keine Aussage möglich, da negative Klimatische Wasserbilanzen.

GeoBerichte 18 131 5.1.5 Hydrogeologische Typstandorte

Im Rahmen dieser Arbeit wurde das gesamte Gebiet der Metropolregion in Hydrogeologische Typstandorte eingeteilt. Hydrogeologische Typ- standorte sind Bereiche mit gleichen geologi- schen und hydrogeologischen Eigenschaften, also einem ähnlichen geologischen und hydro- geologischem Aufbau und ähnlichen Grund- wasserflurabständen. Diese Einteilung dient zur Einordnung von Wasserstandsdaten in ei- nen geologisch-hydrogeologischen Kontext.

Auf der Basis der Hydrogeologischen Über- sichtskarte 1 : 500 000 (HÜK 500) „Hydrogeo- logische Einheiten“ (LBEG 2008) und HÜK 500

„Hydrogeologische Räume und Teilräume“ (LBEG 2009) wurden die folgenden Hydrogeo- logischen Typstandorte für das Gebiet der Met- ropolregion bestimmt:

■ Lockergestein o Ia: Lockergestein des Niedersächsi- schen Tieflandes (Geest), o Ib: Lockergestein des Niedersächsi- schen Tieflandes (Niederung),

o Ic: Lockergestein im Bergland und Bergvorland, tertiäre Sedimente. ■ Festgestein o IIa: Festgestein, karbonatisch, o IIb: Festgestein, silikatisch, o IIc: Festgestein ungegliedert, o IId: Harz.

132 GeoBerichte 18

Abb. 5.1.7: Hydrogeologische Typstandorte in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen – Wolfsburg.

GeoBerichte 18 133 Für jeden Hydrogeologischen Typstandort die innerjährliche Verteilung der Grundwasser- wurden charakteristische Grundwassergangli- neubildungsmenge gemacht werden. nien hergeleitet. Einerseits können damit Hierzu konnten im Gebiet der Metropolregion Rückschlüsse auf die standorttypische Ampli- ca. 260 Grundwassermessstellen ausgewertet tude der Wasserstandsschwankungen gezo- werden. gen und zum anderen sollen Aussagen über

Abb. 5.1.8: Ausgewählte Grundwassermessstellen in der Metropolregion Hannover – Braunschweig – Göttingen – Wolfsburg.

134 GeoBerichte 18 Die Auswahl erfolgte nach folgenden Kriterien: Grundwasserganglinien von über 0,6 m wird in den Hydrogeologischen Typstandorten „Lo- ■ Länge und Vollständigkeit der Messreihe ckergestein im Bergland und Bergvorland, ter- (mindestens 15 Jahre und keine Datenlü- tiäre Sedimente“ erreicht. Die geringste Ampli- cken über mehrere Monate nacheinander), tude ist auf den Hydrogeologischen Typstand- ■ Distanz zu Förderbrunnen, orten „Lockergestein des Niedersächsischen ■ Lage des Filters und Tieflandes (Geest)“ zu finden, die Amplitude ■ Distanz zu einem Vorfluter. beträgt ca. 0,3 m. Beim Hydrogeologischen Typstandort „Lockergestein des Niedersächsi- Die Auswertung hinsichtlich der o. g. Kriterien schen Tieflandes (Niederung)“ beträgt die hat gezeigt, dass in den Festgesteinsgebieten Amplitude ca. 0,4 m. Im Monat April kommt es Niedersachsens nicht genügend Grundwas- auf den Typstandorten „Geest“ und „Bergland/ sermessstellen vorhanden sind, um gesicherte Bergvorland“ zu den höchsten Grundwasser- Aussagen zu erhalten, so dass für die Festge- ständen, auf dem Typstandort „Niederung“ be- steinstypstandorte keine charakteristischen reits im März. Die niedrigsten Grundwasser- Grundwasserganglinien ermittelt werden konn- stände sind im Typstandort „Niederung“ in den ten. Monaten September und Oktober, auf den „Geest“-Standorten im Oktober und November Für jede Messstelle wurde das mehrjährige und im Typstandort „Bergland/Bergvorland“ im Jahresmittel gebildet. Alle Messstellen, die in Oktober. Im Rahmen des Klimawandels wird einem hydrogeologischen Typstandort liegen, sich durch die Verschiebung der höchsten Nie- wurden normiert, indem die Schwankung um derschlagsmengen von den Sommer- in die den Jahresmittelwert bestimmt wurde. Aus Wintermonate die Amplitude vergrößern, dem Gesamtmittel ergab sich die charakteristi- ebenso können sich Minima und Maxima ver- sche Grundwasserganglinie für den jeweiligen schieben. Typstandort. Die Schwankungsbreite für die einzelnen Jahre liegt höher als die gemittelte. Die höchste Amplitude der charakteristischen

Abb. 5.1.9: Charakteristische Grundwasserganglinien für die Hydrogeologischen Typstandorte Niederung, Geest und Bergland/Bergvorland.

GeoBerichte 18 135 Im Detailuntersuchungsgebiet Wietze/Fuhse 5.1.6 Literatur wurden die Veränderungen der Amplituden mit einem instationären Wasserhaushaltsmodell ARBEITSKREIS KLIWA (2006): Regionale Klima- berechnet und werden im Folgekapitel be- szenarien für Süddeutschland - Abschät- schrieben. zung der Auswirkungen auf den Wasser- haushalt. – KLIWA-Bericht 9.

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GeoBerichte 18 137 5.2 Wasserwirtschaftliche 5.2.1 Zielsetzung Anpassungsstrategien im Grundwasserkörper Fuhse-Wietze Zur Gewährleistung eines schonenden Um- vor dem Hintergrund des gangs mit der Ressource Wasser, zur Sicher- Klimawandels stellung der Trinkwasserversorgung und zur Bereitstellung von Wasser für die Beregnung werden vor dem Hintergrund des Klimawan- KATJA FÜRSTENBERG, ANDREAS MATHEJA & dels die Anforderungen an einen verantwor- MARTIN MEINKEN tungsbewussten Umgang mit dem Grund- und Oberflächenwasser zunehmen. Kurzfassung Das Teilprojekt FE 5.2 „Integratives Manage- ment von Grundwasserkörpern vor dem Hin- Im Zuge des Klimawandels ist von steigenden tergrund des Klimawandels“ hatte die Aufgabe, Niederschlägen im Winter und deutlichen die Auswirkungen der veränderten Klimapara- Rückgängen im Sommer auszugehen. Damit meter für die im Gesamtprojekt festgelegten sind zeitweise erhebliche Auswirkungen auf Szenarien „durchschnittlich“, „nass“ und „tro- den Wasserhaushalt im oberirdischen Fließ- cken“ auf die oberirdischen Fließgewässer so- gewässer- und im Grundwassersystem ver- wie das Grundwassersystem zu ermitteln. Da- bunden. Aufgabe dieses Teilprojektes war es, bei waren indirekte Einflüsse, wie z. B. die kli- die Auswirkungen der im Gesamtprojekt fest- mabedingte Abhängigkeit der Beregnungsbe- gelegten Klimaszenarien auf die Wasserstände dürftigkeit, zu berücksichtigen. Auf Grundlage und Abflüsse in diesen Systemen zu ermitteln der Ergebnisse sollten Potenziale zur Kom- und geeignete Anpassungsstrategien zu erar- pensation der Klimafolgen mittels geeigneter beiten. Aufgrund der komplexen Wirkungszu- Maßnahmen abgeleitet werden. sammenhänge kam zur Prognose der Wasser- haushaltssituation bis 2100 ein gekoppeltes, nummerisches Oberflächen- und Grundwas- sermodell für den Betrachtungsraum des 5.2.2 Untersuchungsraum Grundwasserkörpers „Wietze-Fuhse Lockerge- stein“ zum Einsatz. Damit wurden die derzeiti- Die komplexe Aufgabenstellung erfordert eine ge und die zukünftige Wasserhaushaltssituati- Untersuchung mit hohem Detaillierungsgrad. on für vorgegebene Szenarien simuliert. Im Deshalb musste das Untersuchungsgebiet auf Durchschnitt ist bis 2100 mit moderaten Ver- einen Teilbereich innerhalb der Metropolregion änderungen im Bereich des Grundwassers, beschränkt werden. Antragsgemäß wurde der aber deutlich stärkeren im Bereich der oberir- Grundwasserkörper „Wietze-Fuhse Lockerge- dischen Fließgewässer zu rechnen. Gleichwohl stein“ ausgewählt. Der Grundwasserkörper zeigte die Simulation unterschiedlicher Maß- liegt nordöstlich von Hannover und hat eine nahmen zur Kompensation der Klimafolgen, flächige Ausdehnung von rund 981 km² (Abb. dass die Situation für das zu erwartende 5.2.1). Durchschnittsszenario durch die Auswahl ge- eigneter Maßnahmen beherrschbar ist.

138 GeoBerichte 18

Abb. 5.2.1: Untersuchungsgebiet Teilprojekt FE 5.2.

Dieses Gebiet ist für die Bearbeitung der Auf- ■ ausreichendes Datenmaterial vorliegt und gabenstellung besonders geeignet, weil ■ das erforderliche Instrumentarium zur Be- ■ relevante (Teil-)Untersuchungsräume für arbeitung grundsätzlich bereits zur Verfü- alle Teilprojekte der Gesamtstudie enthal- gung stand und lediglich für die anstehen- ten sind, den zeitabhängigen Fragestellungen erwei- tert werden musste. ■ es repräsentativ für einen Großteil der Metropolregion ist, ■ es bereits heute durch einen hohen Nut- zungsgrad gekennzeichnet ist und damit wahrscheinlich empfindlich auf Klimaver- änderungen reagiert,

GeoBerichte 18 139 5.2.3 Methodik mussten. Entsprechend den Vorgabemöglich- keiten durch das Teilprojekt FE 5.1 wurde zur Ziel ist die flächendeckende Ermittlung der Kalibrierung ein mittlerer Jahresgang (Monats- Auswirkungen der prognostizierten Klimaver- werte) angesetzt, der anhand von Messdaten änderungen und der zu erarbeitenden Kom- des Zeitraumes 1998–2007 (Wasserwirt- pensationsmaßnahmen auf die oberirdischen schaftsjahre) gebildet wurde. Dieser Jahres- Fließgewässer sowie das Grundwassersystem. gang repräsentiert langfristig mittlere Bedin- Wegen der Komplexität der Aufgabenstellung gungen und diente bei den vorliegenden Un- wurde dazu ein nummerisches Modell einge- tersuchungen als Bezugszustand (Ist-Zustand). setzt, das die den Wasserhaushalt beeinflus- Der für das Gesamtprojekt festgelegte Ver- senden Parameterveränderungen in ausrei- gleichszeitraum 1961–1990 konnte nicht um- chender Weise berücksichtigt. gesetzt werden, da die örtliche und zeitliche Messdatendichte bezüglich der Grundwasser- Die vom Teilprojekt FE 1 vorgegebenen Ver- stände sowie Wasserstände und Abflüsse in änderungen von Klimaparametern (z. B. Nie- oberirdischen Fließgewässern nicht ausrei- derschlag und Temperatur) wirken direkt auf chend ist. die Wasserhaushaltsgrößen „Grundwasser- neubildung“ im Grundwassersystem und „Di- Das kalibrierte Modell ermöglicht die Simulati- rektabfluss“ (oberirdischer Abfluss und Zwi- on der Auswirkungen veränderter Parameter schenabfluss) im oberirdischen Fließgewäs- infolge des Klimawandels sowie gegensteu- sersystem. Antragsgemäß wurde die Grund- ernder Anpassungsmaßnahmen auf das wasserneubildungsveränderung innerhalb des Grundwassersystem und die oberirdischen Teilprojektes FE 5.1 nach dem Verfahren Fließgewässer (Prognosezustände). Als Indi- GROWA06V2 ermittelt. Dabei erfolgte eine katorgrößen zur Beschreibung der Klimaände- Erweiterung der Methodik, so dass langfristige rungsfolgen dienen hier der Grundwasserflur- Monatswerte vorgegeben werden konnten. abstand sowie die Wasserstände und Abflüsse Prinzipiell liefert das Verfahren GROWA06V2 im oberirdischen Fließgewässersystem. Sie auch den Direktabflussanteil. Diesbezügliche müssen für den Ist-Zustand und für die ver- Monatswerte konnten aber im Rahmen der schiedenen Prognosezustände mit dem Was- Modellerweiterung vom Teilprojekt FE 5.1 nicht serhaushaltsmodell berechnet werden. Die bestimmt werden. Da eine Niederschlags- Quantifizierung der Auswirkungen erfolgt dann Abflussmodellierung aus Zeit- und Kosten- jeweils durch Bildung der Größendifferenz zwi- gründen nicht umsetzbar war, wurde hier der schen betrachtetem Prognose- und Ist-Zu- zukünftige Direktabfluss in erster Näherung in stand. Abhängigkeit vom ermittelten Basisabfluss be- Allgemein wurde für die Gesamtstudie ein Top- stimmt, in dem das für die heutige Situation Down-Ansatz festgelegt, d. h. Rückkopplungs- geltende Verhältnis von Direkt- zu Basisabfluss effekte (hier im Wesentlichen auf die grund- konstant gehalten wurde. wasserstandsabhängige Grundwasserneubil- Grundsätzlich stand das hier eingesetzte Was- dung) werden bei den Untersuchungen nicht serhaushaltsmodell im Vorfeld der vorliegen- berücksichtigt. den Studie bereits zur Verfügung. Im Rahmen Die Darstellung der Auswirkungen erfolgt im des Projektes „Operatives Monitoring und In- Gesamtprojekt für die Prognosezeiträume tegrative Mengenbewirtschaftung für den 2021–2050 und 2071–2100, und zwar für Grundwasserkörper Wietze-Fuhse, Teilprojekt durchschnittlich zu erwartende Parameterver- Wulbeck“ (MATHEJA & MEYER 2006, MATHEJA & änderungen (Average-Case-Szenario) sowie MEINKEN 2007) wurden stationäre Modelle für „trockene“ und „nasse“ Ausprägungen (Worst- die hier betrachteten Gewässersysteme entwi- Case-Szenarien), deren Eintrittswahrschein- ckelt, die über die Schnittstellen „Wasserstand“ lichkeit aus heutiger Sicht gering ist, aber nicht und „Basisabfluss“ in den oberirdischen Fließ- ausgeschlossen werden kann. gewässern gekoppelt wurden. In der Regel liegt die Aussagegenauigkeit bei Die zur Einbeziehung der innerjährlichen Ver- der großflächigen Berechnung von Grundwas- änderung der Klimagrößen erforderliche zeit- serspiegelveränderungen im Rahmen von hyd- abhängige Simulationsmöglichkeit war nur an- rogeologischen Begutachtungen bei etwa 2– satzweise vorhanden, so dass beide Teilmo- 3 dm (ECKL & RAISSI 2009). In Anlehnung an delle zunächst instationär kalibriert werden diesen Erfahrungswert wurde hier eine Signifi-

140 GeoBerichte 18 kanzschwelle für die Berechnungsergebnisse Auf Grundlage dieser Daten stellt sich die Ist- von 2 dm zugrunde gelegt. Situation im Untersuchungsgebiet kurzgefasst wie folgt dar: Der hydrodynamische Modellteil liefert Berech- nungsergebnisse mit einer Genauigkeit von < Großräumig ist ein einschichtiger Grundwas- +/-5 cm bei Wassertiefen zwischen 40 und serleiter ausgebildet, der im Wesentlichen aus 80 cm (Mittelwasser) und von < +/-10 cm bei gut durchlässigen, quartären Sanden und Kie- Wassertiefen von 100–150 cm (Hochwasser). sen besteht (s. Abb. 5.2.2). Örtlich sind Schluff- Als Signifikanzschwelle für die Veränderung und Geschiebelehmlagen unterschiedlicher von Wasserständen in den oberirdischen Fließ- Mächtigkeit zwischengelagert, was im Bereich gewässern wurde ein Wert von einem Dezime- östlich von Burgdorf zu einer großflächigen ter gewählt. Gliederung in zwei Stockwerke führt. Eine Überdeckung des Grundwasserleiters mit ge- ring durchlässigen Sedimenten ist nur verein- zelt und örtlich eng begrenzt anzutreffen. Die 5.2.4 Datengrundlage und Basis wird von vergleichsweise sehr schlecht Beschreibung der Ist-Situation wasserdurchlässigen Gesteinsfolgen des Ter- tiärs und der Kreide gebildet (Festgestein). Folgende Basisdaten sind in die Bearbeitung Meist liegt die Grundwasserleitermächtigkeit in eingeflossen: einem Wertebereich von 20–40 m. ■ Grundwasserentnahmen (Trinkwasser- Im südlichen bzw. südwestlichen Teil des versorgung, Feldberegnung, Industrie & Untersuchungsgebietes ist die geologische Si- Gewerbe), tuation sehr komplex, da die Basis z. T. bis an ■ Schichtenverzeichnisse bzw. Bohrprofile die Geländeoberfläche aufsteigt. Die entspre- (Trinkwasserversorger), Geologische chenden Bereiche wurden bei den Untersu- ® Schnitte (NIBIS -KARTENSERVER 2010), chungen ausgegrenzt. Im Süden und Südosten ■ Grundwasserstände (Messstellen der ist die Datendichte z. T. nicht ausreichend, so Trinkwasserversorger und öffentlicher dass auch hier das Untersuchungsgebiet ge- Institutionen), genüber der Fläche des Grundwasserkörpers „Wietze-Fuhse Lockergestein“ verkleinert wur- ■ Wasserstände und Abflüsse der oberirdi- de. Dagegen erfolgte im Westen eine Erweite- schen Fließgewässer, inklusive der Kläran- rung des Untersuchungsgebietes, weil dort die lagenabflüsse (Pegel der Trinkwasserver- hydrographische Grenze, die den Grundwas- sorger und öffentlicher Institutionen, Klär- serkörper „Wietze-Fuhse Lockergestein“ vom anlagenbetreiber), benachbarten GW-Körper „Leine Lockerge- ■ jährliche und monatliche Grundwasser- stein rechts“ trennt, nicht mit der unterirdischen neubildungsverteilung für Ist- und Einzugsgebietsgrenze übereinstimmt. Somit Prognosezustände (Teilprojekt FE 5.1), ergibt sich das in Abbildung 5.2.1 dargestellte ■ Geländehöhen zur Erzeugung der Flur- Untersuchungsgebiet für das Teilprojekt FE 5.2 2 abstände (DGM 25 des LGLN mit einer Flächengröße von rund 1 000 km . (LGLN 2010)), ■ Gewässerquerschnitte der Oberflächen- gewässer.

GeoBerichte 18 141

Abb. 5.2.2: Geologischer Schnitt S3 (Lage s. Abb. 5.2.1).

Ein weiterer Bereich mit komplizierten geologi- Untersuchungsgebiet neu gebildeten Grund- schen Gegebenheiten findet sich in den wassers in die oberirdischen Fließgewässer Brelinger Bergen (bei Mellendorf, s. Abb. (z. B. Wietze, Burgdorfer Aue, Entwässerungs- 5.2.1). Es handelt sich um einen Stauchend- gräben). Ein weiterer Teil wird von den Förder- moränenzug. Dort sind in die quartären Sande brunnen der Trinkwasserversorger und Indust- und Kiese tonige und/oder schluffige Schichten rieunternehmen sowie den Brunnen zur Feld- infolge Eisdrucks eingeschuppt. Dadurch erge- beregnung abgefangen. ben sich engräumig unterschiedliche Aquifer- Durch Überlagerung des flächendeckend für mächtigkeiten und Höhenlagen der Grundwas- das Untersuchungsgebiet vorliegenden Digita- seroberfläche. len Geländemodells (LGLN 2010) mit der kon- Aus den örtlich vorhandenen Grundwasser- struierten Grundwasserspiegelfläche für den spiegelmessungen wurde durch Interpolation Zeitraum 1998–2007 wurde ein Grundwasser- zwischen den Messstellen ein auf NN bezoge- flurabstandsplan flächig ermittelt (Abb. 5.2.3). ner Grundwasserhöhen-Gleichenplan für den Deutlich erkennbar sind die Geestflächen im Zeitraum 1998–2007 flächendeckend konstru- Süden mit Flurabständen von häufig mehr als iert. Dabei wurde der Einfluss der oberirdi- 5 m. Auch im Bereich der Brelinger Berge und schen Gewässer berücksichtigt. Die Grund- in der Umgebung der Grundwasserentnahmen wasserspiegelfläche fällt von maximal rund durch die Stadtwerke Hannover AG finden sich 60 mNN im Süden und im Westen (Brelinger relativ große Werte. Im zentralen Untersu- Berge) auf rund 25 mNN im Nordwesten ab. chungsgebiet und in der Nähe der großen Entsprechend ist die Grundwasserströmung Flüsse steht das Grundwasser weitflächig generell von den südlich gelegenen Geestbe- oberflächennah an (Flurabstände im Mittel reichen nach Norden hin zur Aller und Leine kleiner als 2 m). Dort sind i. d. R. auch weit- ausgerichtet. Dabei gelangt ein Teil des im räumige Entwässerungssysteme eingerichtet.

142 GeoBerichte 18

Abb. 5.2.3: Langfristig mittlerer Grundwasserflurabstand.

Das oberirdische Gewässersystem ist geprägt In der Aller wurde ganzjährig ein mittlerer Ab- durch die Aller im Norden und die Leine im fluss berücksichtigt. Die Wasserstände bein- Nordosten des Untersuchungsgebietes. Alle halten die Stauziele der vorhandenen Wehre. anderen oberirdischen Fließgewässer entwäs- In Abbildung 5.2.5 sind die derzeit im Monats- sern dorthin. Für das Einzugsgebiet der Wietze mittel am Pegel Wiekenberg/Wietze ablaufen- liegen langjährige Wasserstands- und Abfluss- den Abflüsse dargestellt. Es ist ein ausgepräg- daten mit hoher zeitlicher Auflösung (15 min) ter Jahresgang erkennbar. Der Jahresgang hat vor. Alle Brücken, Wehre, steuerbaren Struktu- sein Minimum in den Monaten August/Septem- ren (mit Regeln) sind bekannt und wurden be- ber und sein Maximum in den Monaten Januar rücksichtigt. Die Wietze entwässert mit einem bis Februar. Einzugsgebiet von rund 514 km² Teile der Hannoverschen Moorgeest um Großburgwe- del-Fuhrberg, aber auch Teile des hannover- schen Stadtgebietes bzw. der Stadt Langen- hagen.

GeoBerichte 18 143 5.2.5 Klimainduzierte Auswirkungen serspiegelveränderungen reagieren. Der Pegel auf das Grundwassersystem und Wieckenberg/Wietze bietet die Möglichkeit, die die oberirdischen Fließgewässer Veränderungen in der Wasserbilanz des maß- geblichen oberirdischen Einzugsgebietes des Im Folgenden werden die Ergebnisse exempla- Grundwasserkörpers Wietze-Fuhse zu beurtei- risch anhand der Grundwasserspiegelverände- len. rungen an den drei Grundwassermessstellen Veränderte Klimaparameter, wie Temperatur 20382, 20425 und 20881 sowie der Gesamtab- und Niederschlag, wirken auf die Grundwas- flussveränderungen am Pegel Wiekenberg/ serneubildung, deren Veränderung vom Teil- Wietze dargestellt (Lage der Grundwasser- projekt FE 5.1 ermittelt wurde. Die nachfolgen- messstellen und des Pegels s. Abb. 5.2.1). Die den Tabellen 5.2.1 und 5.2.2 enthalten die im Grundwassermessstellen repräsentieren Be- Grundwassermodell verwendeten Grundwas- reiche mit geringen bis mittleren Grundwasser- serneubildungsraten für den kalibrierten Ist- flurabständen, die typisch für die natürlichen Zustand sowie die verschiedenen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet sind und Prognosezustände. sensitiv gegenüber klimabedingten Grundwas-

Tab. 5.2.1: Grundwasserneubildung [Mio. m³] im Bereich des Grundwassermodells für Ist-Zustand und Prognosezeitraum 2021–2050.

Prognose Prognose Prognose Ist-Zustand Durchschnittswert nass trocken Jahr 166 175 257 105 Sommer 48 4 32 2 (Apr.–Sep.) Winter 118 171 225 103 (Okt.–Mrz.)

Tab. 5.2.2: Grundwasserneubildung [Mio. m³] im Bereich des Grundwassermodells für Ist-Zustand und Prognosezeitraum 2071–2100.

Prognose Prognose Prognose Ist-Zustand Durchschnittswert nass trocken Jahr 166 175 236 113 Sommer 48 11 18 7 (Apr.–Sep.) Winter 118 164 218 106 (Okt.–Mrz.)

Demnach ergeben sich für das Average-Case- Die in den Tabellen 5.2.1 und 5.2.2 angegebe- Szenario (Durchschnittswert) über das Jahr nen Werte für die Worst-Case-Szenarien gesehen nur geringfügige Erhöhungen der „nass“ und „trocken“ geben die Spannbreite Grundwasserneubildung um rund 5 %. Interes- der im Teilprojekt FE 1 definierten Klima- santer dagegen ist die prognostizierte jahres- anregung wieder. zeitliche Verschiebung: So ist für den Winter eine deutliche Zunahme und im Sommer eine deutliche Abnahme erkennbar. Außerdem ist bemerkenswert, dass die Werteunterschiede für die zu betrachtenden Zeiträume nicht be- deutend sind.

144 GeoBerichte 18 Für das durchschnittliche Szenario sind in Ab- ■ im Sommer der Grundwasserspiegel bildung 5.2.4 die resultierenden innerjährlichen tendenziell absinkt (insbesondere am Ende Veränderungen des Grundwasserstandes an der Vegetationsphase), Grundwassermessstellen und in Abbildung ■ folglich die Schwankungsbreite des 5.2.5 die entsprechenden Gesamtabflüsse am Grundwasserspiegelganges deutlich Pegel Wiekenberg/Wietze dargestellt. Es ist zunimmt, erkennbar, dass ■ eine zeitliche Verschiebung der jährlichen ■ die Unterschiede zwischen den betrachte- minimalen und maximalen Werte zu erwar- ten Prognosezuständen nicht signifikant ten ist (jeweils früheres Eintreten), sind (deshalb werden im Folgenden nur ■ im Sommer in den oberirdischen Fließge- noch die Ergebnisse für den Prognose- wässern deutliche Abflussreduktionen ein- zustand 2071–2100 betrachtet), treten, die im Bereich schon heute sensiti- ■ im Winter (insbesondere in den Monaten ver Gewässerstrecken die Problematik des Dezember–März) der Grundwasserspiegel Trockenfallens verstärken können, um einige Dezimeter ansteigt, ■ es am Pegel Wieckenberg zu einer deutli- chen Zunahme der Jahressumme kommt (um rund 6,5 Mio. m³).

Abb. 5.2.4: Langjährige Monatsmittel der Grundwasserstände für den Ist-Zustand und durchschnittliche Prognosezustände 2021–2050 sowie 2071–2100.

GeoBerichte 18 145

Abb. 5.2.5: Langjährige Monatsmittel der Gesamtabflüsse für den Ist-Zustand und durchschnittliche Prognosezustände 2021–2050 sowie 2071–2100.

Flächige Ergebnisdarstellungen der aufgezeig- ten Grundwasserspiegel sowie Wasserstände und Abflüsse im oberirdischen Fließgewässer- system für die einzelnen Monate und für zu- sammengefasste Zeitperioden (auch in Form von Differenzen) können innerhalb der I+K- Plattform (s. Beitrag des Teilprojektes FE 6) eingesehen werden. Die Worst-Case-Szenarien betrachtend sind drastische Veränderungen der Wasserhaus- haltssituation festzustellen. Gemäß den Tabel- len 5.2.1 und 5.2.2 ist bereits die Anregung des Systems deutlich erkennbar.

146 GeoBerichte 18 Abbildung 5.2.6 zeigt die resultierenden Ver- ■ Damit würde es gebietsweise zu dauer- änderungen des Grundwasserstandes an den haften Vernässungen (Niederungen) bzw. drei ausgewählten Grundwassermessstellen Austrocknungen kommen (der Trocken- und Abbildung 5.2.7 die entsprechenden Ver- stress für grundwasserabhängige Biotope änderungen des Gesamtabflusses am Pegel wäre damit erheblich). Für das trockene Wiekenberg/Wietze. Zusammengefasst lassen Szenario ergibt sich am Pegel Wieken- sich folgende Aussagen ableiten: berg/Wietze rechnerisch sogar ein Trockenfallen im Zeitraum Juni–Oktober. ■ Weitflächig ergeben sich je nach Szenario Absenkungen bzw. Aufhöhungen des ■ Allerdings sind die Ergebnisse damit z. T. Grundwasserspiegels um deutlich mehr nicht mehr plausibel, da Rückkopplungsef- als einen Meter, und zwar ganzjährig. fekte nicht mehr vernachlässigbar sind (grundwasserabhängiger Einfluss auf Grundwasserneubildung und Direkt- abfluss).

Abb. 5.2.6: Langjährige Monatsmittel der Grundwasserstände für den Ist-Zustand und die durchschnittliche, trockene sowie nasse Variante des Prognosezustandes 2071–2100.

GeoBerichte 18 147

Abb. 5.2.7: Langjährige Monatsmittel der Gesamtabflüsse für den Ist-Zustand und die durchschnittliche, trockene sowie nasse Variante des Prognosezustandes 2071–2100.

Auch für diese Worst-Case-Szenarien sind die Temperatur- und Niederschlagsveränderung in Ergebnisse in der I+K-Plattform flächenhaft den Sommermonaten ermittelt. Diese wurde im dargestellt. Modell durch eine entsprechende Verringerung der Grundwasserneubildung voll angesetzt. Damit ergibt sich für das Average-Case- Szenario eine flächenhafte, aber geringfügige 5.2.6 Auswirkung indirekter zusätzliche Abnahme der Grundwasserstände. Einflussgrößen Im Sommermittel verbleiben die Werte großflä- chig unterhalb von einem Dezimeter, örtlich Die klimatischen Veränderungen fließen über werden rund 2–3 dm erreicht. Dies gilt auch für die Anpassung der Grundwasserneubildung das Ende der Vegetationsperiode (September). und des Direktabflusses direkt in das Modell Die durchschnittliche jährliche Zunahme der ein und bewirken geänderte Wasserstände, Abflüsse fällt am Bilanzpegel Wiecken- Abflüsse und Mengenbilanzen. Daneben berg/Wietze von ca. 6,5 auf ca. 2,8 Mio. m³ ab. kommen aber auch indirekte Einflüsse über An den Pegeln Fuhrberg und Wieckenberg/ ebenfalls klimaabhängige Sekundärsysteme Wulbeck ist die durch den Klimawandel be- zum Tragen. Dies sind z. B. der Bewuchs (na- dingte Zunahme des jährlichen Abflusses jetzt türliche Vegetation, Land- und Forstwirtschaft) fast nicht mehr erkennbar. Am Pegel Wiecken- und die Wasserversorgung (Trinkwasser, berg/Wietze sind die Abnahmen gegenüber Feldberegnung, Gewerbe/Industrie). dem Ist-Zustand zeitweise größer als die Ab- Betrachtet werden konnten hier die klimaindu- flüsse im Ist-Zustand selbst. Das Gewässer zierten Veränderungen bei der Beregnungsbe- wird in diesem Bereich trocken fallen. dürftigkeit landwirtschaftlicher Kulturen und die Im Rahmen einer Literaturstudie hat enercity Erfordernisse zur Abdeckung des Trinkwas- sich mit der Entwicklung des Wasserbedarfs serbedarfes. und der Ableitung sinnvoller Modellannahmen Das Teilprojekt FE 2 hat eine Zunahme der po- auseinandergesetzt. Die bestimmende Größe tenziellen Beregnungsbedürftigkeit infolge der des Wasserbedarfs bildet die demografische

148 GeoBerichte 18 Entwicklung, deren lokale Variabilität im We- 5.2.7 Identifikation von sentlichen von der Attraktivität einer Region Handlungsschwerpunkten geprägt ist. Darüber hinaus gibt es technische und ökonomische Rahmenbedingungen, die Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die direkt Einfluss auf den zukünftigen Wasserverbrauch wirkenden Klimaveränderungen (Grundwasser- einer Region haben. Aber alle diese Größen neubildung, Direktabfluss) generell zu nasse- werden sich in unserer eher vom Wasserüber- ren Bedingungen im Winter (Aufhöhung des fluss geprägten Landschaft weitestgehend un- Grundwasserspiegels) und zu trockeneren Be- abhängig vom Klima verändern. Daher wurde dingungen zum Ende der Vegetationsperiode in die Gestaltung der indirekten Einflüsse allein (Absenkung des Grundwasserspiegels) führen. der klimabedingte Mehrverbrauch der Trink- Insbesondere die oberirdischen Fließgewässer wassergewinnung (Hygiene, Gartenbewässe- sind von der zunehmenden Trockenheit im rung etc.) einbezogen. Dieser wird bis 2100 mit Sommer betroffen. 5 % im Jahresmittel unterstellt (nach GROSS- MANN & HOFFMANN 2008 und ROTH et al. 2008). Signifikante Veränderungen der Ergebnisgrö- Die innerjährliche Entwicklung des Wasserver- ßen werden im Gesamtprojekt anhand von Be- brauchs wurde über eine geringfügige monatli- troffenheitsbereichen („Hot-Spots“) in entspre- che Umverteilung – vom Winter in den Som- chenden Themenkarten der I+K-Plattform mer – realisiert. Die Entwicklung des täglichen sichtbar gemacht (s. Beitrag des Teilprojektes Spitzenverbrauchs kommt aufgrund des ge- FE 6). Dabei werden sowohl positive als auch wählten zeitlichen Rasters nicht zum Tragen. negative Effekte erfasst. Weitere klimabedingte Veränderungen (z. B. Die Umsetzung dieses Konzeptes wurde hier Ausweitung der dezentralen Versickerung un- auf Basis der ermittelten Veränderungen der ter Ortschaften) wurden z. B. als Maßnahme Grundwasserflurabstände sowie der Wasser- bewertet. stände in den oberirdischen Fließgewässern Die entsprechende Simulation ergibt eine ge- vorgenommen. Die Beurteilung der Signifikanz ringfügige und örtlich stark begrenzte zusätzli- einer Veränderung der Grundwasserstände er- che Grundwasserspiegelabsenkung, deren folgte im Zusammenhang mit der Möglichkeit Ausmaß abhängig von der Entfernung zu den des Einflusses auf örtlich vorhandene Nut- Förderbrunnen ist. Die Werte verbleiben im zungsarten (Betroffenheitsanalyse). Wegen der Allgemeinen unterhalb der Signifikanzschwelle Größe des Untersuchungsgebietes konnte im von 2 dm, nur in der näheren Umgebung der Rahmen dieses Projektes nur eine grobe Beur- Förderbrunnen treten Absenkungen von bis zu teilung anhand von relativ einfachen Bedin- 4 dm auf. Dabei sind die innerjährlichen Unter- gungen erfolgen. Diese ermöglichen aber eine schiede vernachlässigbar. Auch die Auswir- Einschätzung, ob eine Betroffenheit für die kungen auf das oberirdische Fließgewässer- Hauptnutzungsarten Wald, Landwirtschaft und system sind relativ gering. So ergibt sich z. B. Siedlung generell auszuschließen ist oder am Bilanzpegel Wieckenberg/Wietze eine Ab- nicht. Zur Ermittlung des Ausmaßes einer Be- nahme der Jahreszunahme von ca. 6,5 Mio. m³ troffenheit ist eine Einzelfallprüfung unter Be- (Jahressumme bei Berücksichtigung der direk- rücksichtigung kleinräumiger Standortfaktoren ten Klimafolgen) auf ca. 5,1 Mio. m³. Damit unabdingbar (insbesondere Feldkapazität des steht über das Jahr gesehen mehr Wasser im Bodens und Durchwurzelungstiefe). Gewässer zur Verfügung als im Ist-Zustand. Beispielsweise wurde bei landwirtschaftlich genutzten Flächen eine potenzielle Betroffen- heit beim Eintreten signifikanter Wasserstands- schwankungen (2 dm) und gleichzeitiger Un- terschreitung von Flurabständen, die im Som- mer geringer als 2 m sind, unterstellt. Es zeigt sich, dass weite Teile der Siedlungs- bereiche potenziell betroffen sind, die Betrof- fenheit landwirtschaftlicher Flächen dagegen weitaus geringer ist.

GeoBerichte 18 149 Die Beurteilung der Beeinflussung der FFH- M2: Steuerung der Entwässerungssysteme Gebiete erfolgte gesondert über das Teilprojekt FE 4 (WEISS, REICH & RODE (2011), da hier ein- Beschreibung: fache, einheitlich geltende Kriterien nicht abzu- Wasserrückhalt in Entwässerungssystemen leiten sind. über gezielte, ggf. automatisierte Steuerung von Schiebern oder vergleichbaren Systemen; modelltechnische Umsetzung über lokale Er- höhung der Grundwasserneubildung und Re- 5.2.8 Kompensationspotenzial durch duktion des Direktabflusses, Anpassungsmaßnahmen Anwendung: Im Anschluss an die Identifikation potenziell im Bereich vorhandener Entwässerungssyste- betroffener Bereiche wurde die Effektivität un- me (Gräben, Dränagen), terschiedlicher Maßnahmen zur Kompensation Wirkung/Bewertung: der Klimafolgen untersucht. Lokale Dargebotsverbesserung im Frühjahr/ Hierfür wurden einfache Annahmen getätigt, in Sommer bzw. gezielte Entwässerung vernäss- welchen Räumen die Maßnahmen umzusetzen ter Bereiche; vorzugsweise Nutzung vorhan- sind. Diese Suchräume sind ebenfalls im loka- dener Systeme, Berücksichtigung der Bewirt- len Entscheidungsunterstützungssystem (EUS) schaftungsansprüche. hinterlegt. Eine Versickerung ist beispielsweise nur dort sinnvoll möglich, wo Flurabstände von M3: Regeneration mehr als 3 m vorhanden sind. Innerhalb des Forschungsprojektes wurden un- Beschreibung: terschiedliche Maßnahmen untersucht. Dabei flächige, linienförmige oder punktuelle Versi- wurden wiederum die Auswirkungen auf die ckerung von Wasser verschiedener Quellen Grundwasserstände, aber auch auf die Was- (z. B. Oberflächengewässer) im Grundwasser- serstände und Abflüsse in den oberirdischen system; modelltechnische Umsetzung über lo- Fließgewässern prognostiziert. Die Maßnah- kale Infiltration und Reduktion des Direktab- men können zu einer Verbesserung des Was- flusses, serhaushalts im Sommer und/oder zur Entlas- Anwendung: tung des Systems im Winter beitragen. in Bereichen mit ausreichend großen Flurab- Die untersuchten Maßnahmen (M1–M4) stellen ständen und entsprechender Mengenverfüg- sich wie folgt dar: barkeit, Wirkung/Bewertung: M1: Dezentrale Versickerung Dargebotsverbesserung; mit Entfernung zur Quelle und Steigerung des technischen Auf- Beschreibung: wandes steigen die Kosten; Berücksichtigung Wasserrückhalt des von den Dach- und Hofflä- von Wasserqualität und Bewirtschaftungsan- chen anfallenden Niederschlagswassers; mo- sprüchen. delltechnische Umsetzung über lokale Erhö- hung der Grundwasserneubildung und Reduk- M4: Waldumbau tion des Direktabflusses, Anwendung: Beschreibung: in Siedlungsbereichen, Umwandlung von immergrünen Nadelwäldern in laubbaumreiche Mischwälder bis hin zu rei- Wirkung/Bewertung: nen Laubwäldern mit einem Potenzial zur Er- Lokale Verbesserung des Dargebotes in Ver- höhung der Grundwasserneubildung von bis bindung mit Hochwasserentlastung im Winter 100 mm (nach MÜLLER 1996); modelltechni- und Abflussreduktion im Sommer; Identifikation sche Umsetzung über eine Erhöhung der geeigneter Bereiche vorzugsweise in Ortsrand- Grundwasserneubildung in Anlehnung an die lagen. Ergebnisse nach DUINISVELD, PILEVSKI & KLUMP (2001),

150 GeoBerichte 18 Anwendung: Nadelwälder,

Wirkung/Bewertung:

Erhöhung der Grundwasserneubildung; Grö- ßenordnung der Veränderung wird grundsätz- lich von der Niederschlagsmenge und -vertei- lung bestimmt und ist damit variabel. Die ausgewählten Räume für die Simulations- rechnungen der Maßnahmen sind der Abbil- dung 5.2.8 zu entnehmen.

Abb. 5.2.8: Betrachtete Lokationen für Anpassungsmaßnahmen.

GeoBerichte 18 151 Auswahlkriterium für die Lokation der simulier- verfügbare Wasservolumen entsteht. Dieses ten Maßnahmen war im Wesentlichen die was- beschränkt sich sogar nur auf das betrachtete serwirtschaftliche Signifikanz hinsichtlich Men- Einzugsgebiet der Wietze und gibt damit nicht ge und/oder die Abdeckung eines großen Ein- das Potenzial des gesamten Grundwasserkör- flussgebietes. Eine Machbarkeit vor Ort wurde pers wider. Die Erhöhung des Grundwasser- nicht geprüft. Es galt, die wasserwirtschaftliche dargebotes durch einen vollständigen Wald- Relevanz der Anpassungsmaßnahmen her- umbau ist zwar groß, dessen Höhe wird aber auszuarbeiten und zu bewerten. Die unter- durch die wirtschaftlichen Belange der Forst- schiedlichen Potenziale sind der Tabelle 5.2.3 wirtschaft beeinflusst. Zur Verdeutlichung des zu entnehmen. Es wird deutlich, das im Be- maximalen wasserwirtschaftlichen Potenzials reich der Grundwasserregeneration (hier: wurde in diesem Fall dennoch die Gesamt- überschüssiges Wasser, das im Winter für eine menge simuliert. Versickerung zur Verfügung steht) das größte

Tab. 5.2.3: Potenziell zur Verfügung stehende Wassermengen für die betrachteten Anpassungsmaßnahmen M1–M4 im Betrachtungszeitraum.

Simulierte Mengen Potenzielle Mengen Maßnahmen [Mio. m³] [Mio. m³] Sommer Winter Dezentrale Versickerung 1,7 0,6 1,1 Steuerung der Entwässerungssysteme „Winter“ 1,5 1,5 Steuerung der Entwässerungssysteme „Sommer“ 1,6 1,6 Regeneration 20,2 7,0 Waldumbau* 13,0 3,1 22,8 * Belange der Forst- und Wasserwirtschaft bedingen die Höhe des Potenzials; bei Unterstellung einer vollständigen Umset- zung der Umwandlung von Nadel- zu Laubwald (bis zu 100 mm Differenz nach MÜLLER 1996) können maximal sogar bis zu 25,9 Mio. m³/a erreicht werden, die in diesem Fall zur Darstellung der Systemanregung simuliert wurden.

Die Auswirkungen der einzelnen Maßnahmen nahme entscheidet. Es gibt vielmehr eine Viel- auf das Grundwassersystem und die oberirdi- zahl von Kriterien: schen Fließgewässer sind den Abbildungen ■ Auswirkung auf die betroffenen Systeme 5.2.9 und 5.2.10 zu entnehmen. Die größte flä- ist groß (Anhebung des Grundwasserstan- chige Beeinflussung erfolgt über den Waldum- des bzw. Wasserstandes in den ober- bau. Aber auch vergleichsweise geringe po- irdischen Fließgewässern und/oder Bilanz- tenzielle Mengen, wie bei der Steuerung der verbesserung) – in der Regel lokal be- Entwässerungssysteme, führen im unmittelba- grenzt, ren Wirkungsbereich dieser Maßnahmen zu deutlichen Aufhöhungen der Wasserstände im ■ Umsetzbarkeit ist einfach (im Interesse Grundwasserkörper und im Gewässernetz. mehrerer Nutzer), Dieser Zusammenhang ist in der Abbildung ■ Maßnahmen werden schon aus anderen 5.2.9 deutlich anhand der Ganglinie für die Gründen durchgeführt und weisen auch ei- Messstelle 20425 zu erkennen. Damit konnte nen wasserwirtschaftlichen Effekt auf (z. B. gezeigt werden, dass nicht nur die Höhe des Waldumbau). Potenzials über die Wirksamkeit einer Maß-

152 GeoBerichte 18

Abb. 5.2.9: Langjährige Monatsmittel der Grundwasserstände für den Ist-Zustand und die verschiedenen Prognosezustände.

GeoBerichte 18 153

Abb. 5.2.10: Langjährige Monatsmittel der Gesamtabflüsse für den Ist-Zustand und die verschiedenen Prognosezustände.

Obwohl durch die hier dargestellte Maßnah- Generell steht ein großes Potenzial zur Verfü- menrealisierung (vgl. Tab. 5.2.3) das Dargebot gung, dennoch ist es geboten, neben dem um rund 20 % erhöht werden kann, scheint es Blick auf die Gesamtbilanz immer auch die lo- schwierig, diese Mengen auch umzusetzen. kalen Auswirkungen einzubeziehen. Auch Wie aus der Abbildung 5.2.8 zu erkennen ist, „kleine“ Maßnahmen können bereichsweise die sind insbesondere die Bereiche, in denen rela- Situation durchaus entschärfen. Exemplarisch tiv große Flurabstände vorliegen und damit ei- wird das mit Abbildung 5.2.11 deutlich. Obwohl ne Regeneration stattfinden kann, begrenzt. nur ein vergleichsweise geringes Potenzial den Bei der Simulation zur Anregung des Systems Maßnahmen zur Entwässerungssteuerung zu- wurden hier bereits Standorte gewählt, die oh- grunde liegt, werden durch die Maßnahmen ne eine technische Lösung (Graben, Rohrlei- deutliche Aufhöhungen der Wasserstände in tungen, Pumpen etc.) nicht realisierbar sind der nahegelegenen Wulbeck verursacht. Diese und deren Prüfung für eine Eignung der Um- Aufhöhungen vermögen zumindest im mittleren setzung noch aussteht. Dennoch konnte nur Szenario die Klimafolgen zeitweise vollständig ein Drittel des in dem betrachteten Gewässer- zu kompensieren. system der Wietze zur Verfügung stehenden

Potenzials ausgeschöpft werden. Weitere Po- tenziale in den übrigen Gewässernetzen sind darüber hinaus noch vorhanden.

154 GeoBerichte 18

Abb. 5.2.11: Langjährige Monatsmittel der Wassertiefen in der Wulbeck für den Ist-Zustand und die verschiedenen Prognosezustände.

5.2.9 Ergebnisdiskussion ■ generelle Vernachlässigung von Rück- kopplungseffekten im Gesamtprojekt, Mittlerweile ist in der Fachwelt unstrittig, dass ■ Annahme eines konstant bleibenden Ver- zukünftig eine Klimaänderung mit steigender hältnisses Direkt- zu Basisabfluss zur Ab- Durchschnittstemperatur um einige Grad Cel- schätzung des zukünftigen Direktabflusses sius und Veränderung der Niederschlagsver- aus dem ermittelten Basisabfluss, hältnisse (im Wesentlichen eine Verschiebung ■ bereichsweise geringe Datendichte, insbe- der jährlichen Verteilung) nicht mehr abgewen- sondere im Osten des Untersuchungsge- det werden kann. Es ist aber derzeit nicht mög- bietes, lich, das Ausmaß des Klimawandels mit ein- deutiger Quantifizierung der bestimmenden ■ bereichsweise vereinfachte Nachbildung Parameter zu beschreiben. Dieser Umstand komplizierter geologischer Verhältnisse im spiegelt sich in den im Gesamtprojekt betrach- einschichtigen Grundwassermodell (z. B. teten Worst-Case-Szenarien wider. Bei der In- zweistöckiges Grundwassersystem östlich terpretation der Ergebnisse zu den Auswirkun- von Burgdorf), gen der Klimaveränderungen auf das Grund- ■ Ermittlung der Grundwasserspiegelfläche wassersystem und die oberirdischen Fließge- für das Untersuchungsgebiet durch Inter- wässer sind zusätzliche Unsicherheiten inner- polation von punktuellen Messdaten. halb der Bearbeitungskette im Gesamtprojekt zu bedenken. Beispielsweise sei hier genannt: Trotz dieser Unsicherheiten zeigen die Ergeb- nisse aber die große Sensitivität gegenüber ■ Regionalisierung der Klimaparameter auf Klimaveränderungen sowie die Größenord- das Untersuchungsgebiet (s. dazu den nung der zu erwartenden Werteveränderungen Beitrag des Teilprojektes FE 1), auf. Die im Gesamtprojekt angenommenen ■ Ermittlung der monatlichen Grundwasser- trockenen und nassen Ausprägungen der Kli- neubildung mit einem vereinfachten Ansatz maveränderung führen zu drastischen Unter- (s. dazu den Beitrag des Teilprojektes schieden bei den Eingangsparametern für die FE 5.1), Wasserhaushaltssimulation. Es ergeben sich

GeoBerichte 18 155 damit generell gegensätzliche Aussagen be- ■ Grundwasserflurabstände sowie Wasser- züglich der Auswirkungen auf den Wasser- stände und Abflüsse in den oberirdischen haushalt: Die Berechnungsergebnisse der hier Fließgewässern; jeweils monatliche, halb- betrachten Größen Grundwasserstand und jährliche (Sommer/Winter) und jährliche Gesamtabfluss liegen im trockenen Szenario Werte für die Prognosezeiträume 2021– ganzjährig deutlich unterhalb und im nassen 2050 und 2071–2100, Szenario ganzjährig deutlich oberhalb der für ■ Grundwasserflurabstände sowie Wasser- den Ist-Zustand ermittelten Werte. Für zukünf- stände und Abflüsse in den oberirdischen tige Planungen konkreter Maßnahmen ist es Fließgewässern; jeweils monatliche, halb- somit von entscheidender Bedeutung, die jährliche (Sommer/Winter) und jährliche Bandbreite prognostizierter Klimaentwicklun- Werte für das trockene und nasse Szena- gen besser einzugrenzen. rio der Prognosezeiträume 2021–2050 so- Legt man die Ergebnisse für das Average- wie 2071–2100. Case-Szenario zugrunde, so treten die aufge- zeigten negativen Auswirkungen im Sommer schon für den Prognosezeitraum 2021–2050 in 5.2.10 Fazit nahezu vollständiger Ausprägung auf. Daraus lässt sich ableiten, dass kurzfristiger Hand- Die Klimaprognosen gehen für den Betrach- lungsbedarf zur Verbesserung der Wasser- tungsraum insgesamt von einer geringfügigen haushaltssituation gegeben ist. Schon heute Erhöhung des jährlichen Wasserdargebots sollten Maßnahmen im Bereich stark belasteter aus. Die Simulation der Wasserhaushaltssitua- oberirdischer Fließgewässer oder Grundwas- tion bis zum Ende des Jahrhunderts macht serkörper eingeleitet werden. Dabei ist die deutlich, dass für das Average-Case-Szenario Durchführung eines begleitenden Messpro- mit eher moderaten Veränderungen der Grund- gramms wichtig, um die Effektivität sowie die wasserstände zu rechnen ist. Gleichwohl führt Effizienz der Maßnahme beurteilen zu können dies in den Sommermonaten aber zu einer und realistische Erfahrungswerte für weitere verstärkten Gefahr des Trockenfallens von Projekte zu bekommen. schon im jetzigen Zustand kritischen Abschnit- Es ist weiterhin zu beachten, dass hier nur die ten oberirdischer Fließgewässer. Veränderung langfristiger Monatsmittel be- Im Untersuchungsgebiet besteht genügend Po- trachtet werden konnte. Die prognostizierte tenzial, um diese Auswirkungen durch geeig- Zunahme von Extremereignissen führt natür- nete Maßnahmen zu kompensieren. Dabei be- lich auch zu einer verstärkten Reaktion der hier steht die Schwierigkeit, geeignete Lokalitäten betrachteten Systeme, insbesondere in den zu finden, die zum einen die technischen Vo- oberirdischen Fließgewässern. Es ist damit zu raussetzungen für eine Maßnahme erfüllen rechnen, dass im Winter häufiger Vernässun- und zum anderen allen Nutzungsansprüchen gen in Niederungsbereichen eintreten und im gerecht werden. Zudem sind mit der Umset- Sommer die Problematik des Trockenfallens zung immer erhebliche Investitions- und Be- von oberirdischen Fließgewässern zunimmt. triebskosten durch den erforderlichen Bau von Im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung z. B. Gräben, Rohrleitungen, regelbaren Weh- konnten nicht alle Ergebnisse dargestellt und ren oder sogar Pumpwerken verbunden. beschrieben werden. Es wurde versucht, einen Die hier betrachteten Worst-Case-Szenarien durchgängigen Überblick der Untersuchungen führen zu generell gegensätzlichen Aussagen von der Datengrundlage über die Methodik bis zu den Auswirkungen einer Klimaänderung auf zu den Ergebnissen darzulegen. Die Ergebnis- den Wasserhaushalt. Somit ist es für die Pla- se aller Simulationsrechnungen sind in der nung von Maßnahmen unabdingbar, die Band- I+K-Plattform sowie dem ausführlichen Ab- breite prognostizierter Klimaentwicklungen schlussbericht dokumentiert. Das sind im Ein- deutlich zu reduzieren. zelnen: Es hat sich gezeigt, dass Grundwasserstände ■ Grundwasserflurabstände sowie Wasser- und Gesamtabflüsse sehr sensitiv auf die stände und Abflüsse in den oberirdischen prognostizierten Klimaveränderungen reagie- Fließgewässern; jeweils monatliche, halb- ren. Deshalb sollten in zukünftigen For- jährliche (Sommer/Winter) und jährliche schungsvorhaben Rückkopplungseffekte be- Werte für den Ist-Zustand, rücksichtigt werden.

156 GeoBerichte 18 5.2.11 Literatur und Datenquellen LGLN (2010): Digitales Geländehöhenmodell 1 : 25 000 (DGM 25) des Amtlichen Topo- CORINE LAND COVER (2000): Daten zur Boden- graphisch- Kartographischen Informations- bedeckung Deutschland. – Umweltbundes- systems. – Landesamt für Geoinformation amt, Deutsches Zentrum für Luft- und und Landentwicklung Niedersachsen; Han- Raumfahrt e. V., Deutsches Fernerkun- nover. dungsdatenzentrum, Ausgabe 2004. MATHEJA, A. & MEINKEN, M. (2007): Operatives DUIJNISVELD, W. H. M., PILEVSKI, J. & KLUMP, G. Monitoring und Integrative Mengenbewirt- (2001): Qualität und Quantität der Grund- schaftung für den Grundwasserkörper Fuh- wasserneubildung in Abhängigkeit von Be- se-Wietze - Teilprojekt Wulbeck, Phase 2. – standsaufbau und Boden. Modelluntersu- Im Auftrag des Wasserverbandes Peine, chungen im Fuhrberger Feld und angren- September 2007; Wettmar/Hemmingen. zenden Gebieten. – Ergänzungsbericht: Bo- MATHEJA, A. & MEYER, H.-H. (2006): Operatives denwasserhaushalt und Grundwasserneu- Monitoring und Integrative Mengenbewirt- bildung, Forschungsprojekt zum Pilotvorha- schaftung für den Grundwasserkörper Wie- ben „Grundwasserschutzwald im Wasser- tze-Fuhse - Teilprojekt Wulbeck, Phase 1. – gewinnungsgebiet Fuhrberger Feld“ der Im Auftrag des Wasserverbandes Peine, Juli Stadtwerke Hannover AG, 24 S.; Hannover 2006; Wettmar/Hemmingen. (BGR) [Unveröff.]. MÜLLER, J. (1996): Beziehungen zwischen Ve- DWD (2011): Niederschläge für die Wettersta- getationsstrukturen und Wasserhaushalt in tion Langenhagen/Flughafen. – Deutscher Kiefern- und Buchenökosystemen. – In: Mit- Wetterdienst; Offenbach. teilungen der Bundesforschungsanstalt für ECKL, H. & RAISSI, F. (2009): Leitfaden für hyd- Forst- und Holzwirtschaft 185; Hamburg. rogeologische und bodenkundliche Fach- ® NIBIS -KARTENSERVER (2010): Thema: Profil- gutachten bei Wasserrechtsverfahren in schnitte. – Landesamt für Bergbau, Energie Niedersachsen. – GeoBerichte 15: 99 S., und Geologie; Hannover. 39 Abb., 10 Tab., Anh.; Hannover (LBEG). NLWKN (2009a): Grundwasserstandsdaten für GEMEINDE WEDEMARK (2009): Schmutzwas- die Messstellen sowie Wasserstände und sermengen für die Kläranlage Bissendorf. – Abflüsse für die Pegel im Untersuchungsge- Wedemark. biet. – Niedersächsischer Landesbetrieb für GROSSMANN, J. & HOFFMANN, H. - HAMBURG Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, WASSER (2008): Integrierte Wasserbedarfs- Betriebsstelle Hannover-Hildesheim. analyse. – Wasser - Abwasser 2008/10. NLWKN (2009b): Grundwasserstandsdaten für HWW (2009): Entnahme-, und Grundwasser- die Messstellen sowie Wasserstände und standsdaten zum Wasserwerk Ramlingen, Abflüsse für die Pegel im Untersuchungsge- Wasserstands- und Abflussdaten für Wul- biet. – Niedersächsischer Landesbetrieb für beckpegel, Grundwassermodell „Ramlingen/ Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz, Wettmar“, Stand 2006. – Harzwasserwerke Betriebsstelle Verden. GmbH; Hildesheim. PURENA GMBH (2010): Entnahme- und LANDKREIS CELLE (2010): Entnahmen im Unter- Grundwasserstandsdaten zum Wasserwerk suchungsgebiet. – Amt für Umwelt und länd- Burgdorf. – Springe. lichen Raum; Celle. REGION HANNOVER (2009): Entnahmen im LANDKREIS SOLTAU-FALLINGBOSTEL (2010): Ent- Untersuchungsgebiet. – Team 36.09; Han- nahmen im Untersuchungsgebiet. – Fach- nover. gruppe Wasser, Boden und Abfall; Soltau. ROTH, U., BERGER, H., MÜLLER, A. & WAGNER, LANDVOLK NIEDERSACHSEN KREISVERBAND CEL- H. (2008): Höhe und Häufigkeit von Was- LE E. V. (2010): Brunnenstandorte der Feld- serbedarfsspitzen bei der Hessenwasser beregnung im Grundwasserkörper Wietze- GmbH & Co. KG. – Wasser - Abwasser Fuhse. – Celle. 2008/11.

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STADT BURGWEDEL (2009 und 2011): Schmutz- wassermengen und Niederschläge für die Kläranlagen Burgwedel, Engensen, Fuhr- berg, Thönse und Wettmar. – Burgwedel.

STADT HANNOVER (2009): Grundwasserstands- daten für Messstellen im Untersuchungsge- biet. – Fachbereich Umwelt und Stadtgrün; Hannover.

STADT LANGENHAGEN (2009): Schmutzwasser- mengen für die Kläranlage Langenhagen. – Langenhagen.

WASSERVERBAND PEINE (2010): Entnahme- und Grundwasserstandsdaten zum Wasserwerk Burgdorfer Holz. – Peine.

WEISS, C., REICH, M. & RODE, M. (2011): Mögli- che Auswirkungen des Klimawandels auf das Netzwerk Natura 2000 in der Metropol- region Hannover – Braunschweig – Göttin- gen – Wolfsburg und Konsequenzen für den Naturschutz. – Geoberichte 18: 103–116; Hannover (LBEG). WSV (2009, 2011): Wasserstände und Abflüs- se der Pegel im Untersuchungsgebiet. – Wasser- und Schifffahrtsverwaltung; Hanno- ver WVHN (2009): Entnahme-, und Grundwasser- standsdaten zum Wasserwerk Wettmar, Grundwassermodell „Ramlingen/Wettmar“, Stand 2006. – Wasserverband Nordhanno- ver; Burgwedel/Wettmar.

158 GeoBerichte 18 6 Teilprojekt 6: 6.1.1 Hintergründe und Ziele Informations- und des Teilprojektes Kommunikationsplattform Mit der „Internetbasierten Informations- und Kommunikationsplattform zum Klimafolgenma- nagement in der Metropolregion“ waren vor al- 6.1 Die internetbasierte lem zwei Ziele verknüpft. Erstens sollten die Informations- und von den Teilprojekten „Lokaler Klimawandel“, Kommunikationsplattform zum „Energiepflanzen“, „Feldberegnung“, „Natur- Klimafolgenmanagement in der schutz“ und „Wasserwirtschaft“ erarbeiteten Metropolregion Forschungsergebnisse zum Klimawandel und seinen potenziellen Folgen sowie Handlungs- BJÖRN BEERMANN ansätze zu deren Management interaktiv und anwenderfreundlich für das WorldWideWeb aufbereitet werden. Zweitens sollte im Rahmen Kurzfassung eines Entscheidungsunterstützungssystems (EUS) die Relevanz der ermittelten Klimafolgen Die hohe Komplexität von Ergebnissen der bewertet und die Priorisierung der identifizier- (regionalen) Klimafolgenforschung bedarf der ten Anpassungsmaßnahmen methodisch un- Entwicklung von Instrumenten, die es den terstützt werden. Als Zielgruppe hat die I+K- Stakeholdern des Adaptionsprozesses ermög- Plattform Entscheidungsträger und -vorbereiter lichen, wissensbasierte Entscheidungen unter aus Politik, Verwaltung und Privatwirtschaft im Berücksichtigung der Unsicherheit von Klima- Fokus und richtet sich damit primär an szenarien und -modellen zu treffen. Das KFM- Stakeholder mit einer gewissen thematischen Projekt hat diesem Umstand mit der Entwick- Vorbildung und weniger an die breite Öffent- lung einer „Internetbasierten Informations- und lichkeit. Kommunikationsplattform zum Klimafolgenma- nagement“ Rechnung getragen, die in Koope- Im Rahmen des KFM-Forschungsvorhabens ration zwischen der GEO-NET Umweltconsul- konnten mit der Land- und Wasserwirtschaft ting GmbH aus Hannover und der Ingenieur- sowie dem Naturschutz lediglich drei der fünf- gesellschaft für Datenverarbeitung und Um- zehn in der 2008 von der Bundesregierung weltschutz mbH mit Hauptsitz in Zittau ent- verabschiedeten „Deutschen Anpassungsstra- standen ist. Die Plattform stellt seinen adres- tegie an den Klimawandel (DAS)“ genannten sierten Nutzern aus Verwaltung, Politik und Handlungsfelder in Teilbereichen Berücksichti- Wirtschaft zum einen eine anwenderfreundli- gung finden. Folglich sollten die I+K-Plattform, che Visualisierung von Klimadaten und Klima- insbesondere das EUS, methodisch und tech- folgen zur Verfügung. Zum anderen werden nisch so entwickelt werden, dass eine Ergän- den Stakeholdern aber auch im Rahmen eines zung und Integration von weiteren Fachthemen Entscheidungsunterstützungssystems über die möglich ist. Da die Klima(folgen)forschung ge- Identifizierung von „Hot-Spots“ Hilfestellungen genwärtig und vermutlich auch zukünftig ein bei der Einordnung der Erheblichkeit der Kli- hochdynamisches Forschungsfeld darstellt, mafolgen gegeben und Vorschläge zu ihrem sollte diese Flexibilität freilich auch für die im Management unterbreitet. Mit der I+K-Plattform Rahmen des Projektes erzielten und ggf. in steht der Metropolregion ein Werkzeug zur Zukunft aktualisierungsbedürftigen Ergebnisse Verfügung, das sie auf dem gerade erst einge- gelten. So ist beispielsweise zu erwarten, dass schlagenen und noch langen Weg hin zu einer der für 2014 angekündigte 5. IPCC-Sach- klimawandelangepassten Region unterstützt standsbericht mit neuen Emissionsszenarien und das ihr im Wettbewerb der Metropolregio- aufwartet, die über den Weg der globalen und nen ein Alleinstellungsmerkmal verleiht. regionalen Klimamodelle in letzter Konsequenz auch Auswirkungen auf die im KFM-Projekt er- zielten Ergebnisse haben werden. Letztlich ist die I+K-Plattform also darauf aus- gerichtet, den durch das Projekt initiierten An- passungsprozess sowie das sich gegenwärtig bildende Anpassungsnetzwerk in der Metropol- region auch über das Projektende hinaus

GeoBerichte 18 159 wissensbasiert zu unterstützen. Darüber hin- Prämisse einiger weniger Anpassungen auch aus sollte sich die I+K-Plattform auch der Her- auf andere Räume außerhalb der Metropolre- ausforderung stellen, keine Insellösung für die gion übertragbar zu sein. Metropolregion darzustellen, sondern unter der

Abb. 6.1.1: Die I+K-Plattform.

6.1.2 Die I+K-Plattform in der unter „Klimawandel in der Metropolregion“ u. a. Übersicht die von FE1 zur Verfügung gestellten Klimada- ten interaktiv vom User visualisiert werden (vgl. Die I+K-Plattform ist unter der Webadresse Kap. 6.1.3). Die „fachbezogenen Forschungs- http://www.klimafolgenmanagement.de zu er- ergebnisse“ enthalten die wichtigsten wissen- reichen. Sie lässt sich inhaltlich in drei große schaftlichen Outputs der Teilprojekte 2–5. Ne- Themenbereiche unterteilen, die sich auch in ben diversen Web-GIS-Anwendungen finden der Menüführung wieder finden. In den ersten sich hier auch Abbildungen, Texte, Graphiken drei Menüpunkten kann sich der User über die und erläuternde und weiterführende externe Metropolregion und das Forschungsprojekt in- Dokumente. Der Menüpunkt „Entscheidungs- formieren. Hier werden ihm das Untersu- unterstützungssystem“ enthält mit dem regio- chungsgebiet sowie die Ziele, Inhalte und An- nalen EUS und dem lokalen EUS die Weiter- sprechpartner der einzelnen Teilprojekte und verarbeitung und Systematisierung der Ergeb- der Projektkoordination vorgestellt. Die vier nisse der Teilprojekte zur Unterstützung des nachfolgenden Menüpunkte enthalten die Er- zielgerichteten Klimafolgenmanagements in gebnisse der sieben Teilprojekte. So können der Metropolregion. Das regionale EUS fokus-

160 GeoBerichte 18 siert dabei auf die Identifizierung von Hot- zung zu klassischen analogen Forschungsbe- Spots sowie auf potenzielle Maßnahmen zu ih- richten liegen insbesondere für die Klimafol- rem Management auf der Ebene der Metropol- genforschung klar auf der Hand. Wie wohl kei- region, während das lokale EUS für einen Bei- ne zweite Forschungsrichtung basiert die Kli- spielraum versucht, diese Maßnahmen zu kon- mafolgenforschung in erster Linie auf ver- kretisieren und ein Werkzeug zu ihrer verglei- schiedensten (gekoppelten) Modellen und di- chenden Bewertung bereitstellt (vgl. Kap. versen Szenarienkombinationen. Dieser Um- 6.1.4). Die unter der Federführung von FE7 stand führt dazu, dass nicht etwa ein einziges durchgeführten Fort- und Weiterbildungsveran- „richtiges“ Forschungsergebnis publiziert wer- staltungen finden sich im Menüpunkt „Veran- den kann, sondern gleich ein ganzer bunter staltungsreihe“. Hier wurden im Vorfeld der Strauß an (bestenfalls) mehr oder weniger Veranstaltungen Steckbriefe und Anmeldebö- wahrscheinlichen Ergebnissen über die Aus- gen bereitgestellt und konnten im Nachhinein wirkungen des Klimawandels. Allein aus den die Präsentationen der Redner heruntergela- im Jahr 2010 für Deutschland verfügbaren Kli- den werden. Die letzten beiden Menüpunkte mamodellen und -szenarien ergeben sich beinhalten das obligatorische Impressum so- neunundsechzig verschiedene Zukunftsklimate wie ein Glossar, dessen Einträge auf den ein- und damit ebenso viele Klimafolgenszenarien zelnen Plattformseiten mit einer Sprechblase (vgl. Abb. 6.1.2). Diese Anzahl vervielfältigt gekennzeichnet sind. sich noch, wenn man jeweils noch mehrere (z. B. kurz-, mittel- und langfristige) Zeitszena- rien betrachtet bzw. miteinander vergleichen will. Ein allein schriftlich verfasster For- 6.1.3 Akteursgerechte Aufbereitung schungsbericht, der versucht, eine solche Viel- von Ergebnissen der zahl an Informationen umfassend zu verarbei- Klimafolgenforschung ten oder gar einen paarweisen Vergleich der für das Internet einzelnen Szenariokombinationen anzustellen, ist entweder schon in seiner Entstehung zum Die Vorzüge einer internetbasierten, interakti- Scheitern verurteilt oder aber er verwirrt die ven und anwenderfreundlichen (kurz: einer Zielgruppe mehr, als das er einen wirklichen „akteursgerechten“) Präsentation bzw. Aufbe- Problemlösungsbeitrag liefert. reitung von Forschungsergebnissen als Ergän-

Abb. 6.1.2: Für Deutschland verfügbare Klimamodelle und -szenarien (Stand: 2010, Quelle: eigene Zusammenstellung).

GeoBerichte 18 161 Eine große Hilfe bei der Komplexitätsverarbei- len mit potenziell unterschiedlichen Informatio- tung können hierbei interaktive Internetanwen- nen. In der I+K-Plattform wurde ein Werkzeug dungen sein. Besonders relevant werden diese implementiert, das es dem Nutzer erlaubt, die Anwendungen, wenn es sich um räumlich ver- Klimadaten zu visualisieren (Abb. 6.1.3). Die- gleichsweise hoch aufgelöste Daten für relativ ses erfolgt in sechs Schritten, in denen der kleine geographische Maßstäbe handelt. Zu- Nutzer nacheinander einen von achtzehn Kli- mindest für die Basisdaten der Klimafolgenfor- maparametern (Schritt 1), eine zu betrachten- schung, also die Klimadaten, ist dieses (ggf. de Zeitperiode zwischen 1960 und 2100 nach einer räumlichen Interpolation von Stati- (Schritt 2), einen innerjährlichen Zeitraum wie onsdaten) schon fast als obligatorisch zu be- Monate oder Jahreszeiten (Schritt 3), einen zeichnen. So auch im KFM-Projekt, in dem die Bezugszeitraum (Schritt 4) sowie eine Legen- wichtigsten CLM-Klimaparameter mit einer Auf- denform wählen kann (Schritt 5) und anschlie- lösung von 1 x 1 km „intelligent interpoliert“ ßend eine entsprechende Kartendarstellung worden sind. Hieraus ergeben sich für die ge- erhält (Schritt 6). samte Metropolregion rund 20 000 Rasterzel-

Abb. 6.1.3: Sechs Schritte zur Visualisierung von Klimadaten in der I+K-Plattform (Quelle: eigene Darstellung aus http://www.klimafolgenmanagement.de/Default.aspx?pgid=77).

Der Vorteil dieser interaktiven Darstellung liegt von Relevanz, weil die Metropolregion keinen nicht nur darin, dass der Nutzer schnell und in- homogenen Verwaltungsraum darstellt, son- tuitiv das für ihn relevante Ergebnis erhält, dern sich die Kommunen innerhalb der Metro- sondern auch darin, dass er innerhalb der Er- polregion weiterhin selbst verwalten und sich gebniskarte navigieren und sich Ausdrucke Politik und Verwaltung naturgemäß in erster speziell für den ihn interessierenden Raum- Linie über ihren eigenen Landkreis bzw. ihre ausschnitt erstellen kann. Diese und vergleich- eigene Kommune sowie ggf. ihre direkte bare Funktionen sind allein deswegen schon Nachbarschaft informieren wollen und müssen.

162 GeoBerichte 18 Dieses trifft analog auch für die aus den Klima- tigen (2021–2050) und einem langfristigen parametern abgeleiteten Klimafolgen zu, die im Szenario (2071/00) für ein trockenes, durch- KFM-Projekt fast alle aus Geodaten basierten schnittliches und feuchtes Klimaszenario, er- Wirkmodellen ermittelt worden sind. So wurden geben sich insgesamt 105 verschiedene Kar- beispielsweise im Teilprojekt „Energiepflanzen“ tendarstellungen allein für die gesamte Metro- flächendeckend für die Metropolregion Bio- polregion. Die in der I+K-Plattform implemen- massepotenziale für fünfzehn landwirtschaftli- tierte Anwendung zur Information über diese che Kulturen unter dem Einfluss des Klima- Daten stellt ein klassisches Beispiel dafür dar, wandels erforscht. Multipliziert mit den sieben wie raumbezogene Klimafolgen in der Platt- im Projekt betrachteten Szenarienkombinatio- form interaktiv und akteursgerecht aufbereitet nen, bestehend aus einem baseline-Szenario worden sind. (1960–1991) sowie je einem kurz- bis mittelfris-

Abb. 6.1.4: Visualisierung von Klimafolgen in der I+K-Plattform (hier am Beispiel Biomasseertragspotenziale, Quelle: eigene Darstellung aus http://www.klimafolgenmanagement.de/Default.aspx?pgid=132).

Wie Abbildung 6.1.4 zeigt, besteht ein solches die vorgenommene Auswahl auf eine der fünf- so genanntes mapcontrol aus vier Bereichen. zehn Kulturen angewendet werden kann. Das In der Menüleiste links (1) ist neben der Le- Ergebnis der über das Menü getroffenen Aus- gende zur Kartendarstellung regelmäßig eine wahl wird im Kartenbereich visualisiert (2). Auswahlfunktion zur Kombination von Zeit- und Über die Navigationsleisten am linken und Klimaszenarien implementiert. Über die Ver- rechten Rand der Kartendarstellung oder direkt gleichsfunktion können auch zwei dieser über die Maus kann in der Darstellung frei und Szenariokombinationen miteinander verglichen intuitiv navigiert werden. Eine Navigation zu ei- werden. Im hier darstellten Beispiel existiert ner bestimmten Gebietskörperschaft kann zu- zusätzlich noch ein Drop-Down-Menü, in dem sätzlich über das Navigationsmenü oberhalb

GeoBerichte 18 163 der Kartendarstellung erfolgen (3). Informatio- gen zu lassen (4). Dieses ist entweder für die nen zu einem bestimmten Punkt (hier zu Er- gesamte Metropolregion oder aber in Verbin- tragspotenzialen) erhält der User über einen dung mit einer Auswahl im Navigationsmenü Mausklick in die Karte. Neben dieser Informati- für einzelne Gebietskörperschaften möglich onsfunktion ist es auch möglich, sich eine de- (vgl. Abb. 6.1.5). skriptive Statistik der Legendenklassen anzei-

Abb. 6.1.5: Anwendung – deskriptive Statistik für Klimafolgen (hier am Beispiel der Biomasseertragspotenziale für den Landkreis Celle, Quelle: eigene Darstellung aus http://www.klimafolgenmanagement.de/ Default.aspx?pgid=132).

Die hier überblicksartig beschriebene Anwen- Bioenergieanlagen1 sowie die Visualisierung dung existiert mit kleineren themenbedingten der potenziellen Beeinflussung von FFH- Änderungen auch für die jährliche und monatli- Lebensraumtypen durch den Klimawandel2. che Grundwasserneubildung, Grundwasser- Die in der I+K-Plattform implementierten Werk- stände sowie Pegel und Abflüsse von Fließge- zeuge erleichtern also einerseits der Zielgrup- wässern (zusätzlich ausgestattet mit Grafiken pe den inhaltlichen Zugang zu den For- zu Jahresganglinien), Grundwasserdargebote schungsergebnissen. Andererseits stellen sie für einzelne Grundwasserkörper, die Bereg- aber auch eine nicht unerhebliche Erleichte- nungsbedürftigkeit von neun verschiedenen rung für die Forschenden dar. Denn sie müs- landwirtschaftlichen Kulturen sowie einige wei- sen sich nicht alle Karten erst mühsam selbst tere kleinere Themen. Neben diesen Stan- in ihren GIS-Systemen erstellen, sondern kön- dardanwendungen hat sich aus den Zielset- zungen einzelner Teilprojekte heraus auch die Notwendigkeit ergeben, speziellere Instrumen- te zu entwickeln. Hierzu gehören vor allem das 1 . Werkzeug zur optimierten Standortplanung von 2 .

164 GeoBerichte 18 nen sich bequem aus dem auf dem Dataware- sollen, können EUS ganz allgemein definiert house-Prinzip basierenden automatisch gene- werden als „[…] computergestützte Informati- riertem „Kartenschatz“ bedienen. Darüber hin- onssysteme, die einen oder mehrere Entschei- aus können sie sich in ihrem analogen Bericht dungsträger bei semistrukturierten Entschei- auf die aus ihren Augen relevantesten Sze- dungsprozessen durch die Bereitstellung der nariokombinationen begrenzen und die For- zur Problemstellung erforderlichen Informatio- schungsergebnisse damit didaktisch reduzie- nen, Methoden und Lösungsmodelle unterstüt- ren, ohne dabei Gefahr zu laufen, wichtige Er- zen. Sie dienen ferner der Präsentation der gebnisse außen vor gelassen zu haben. Analyse- und Bewertungsergebnisse auf eine Weise, so dass diese Entscheidungsgrundlage verwendet werden können.“ (AVERDUNG 2000: 17). In eine ähnliche Richtung zielt auch die 6.1.4 Internetbasiertes Entschei- Definition, die das deutsche Umweltbundesamt dungsunterstützungssystem – (UBA) in Zusammenhang mit der Entwicklung Bewertung von Klimafolgen und des „Klimalotsen“3 gibt: „EUS bezeichnen in Anpassungsmaßnahmen der Regel die operative oder strategische Un- terstützung für Managementaufgaben (insbe- Entscheidungsunterstützungssysteme (EUS) sondere Entscheidungsfindung) durch Informa- sind ursprünglich für die Vorbereitung von be- tionssysteme. Es werden Informationen ange- triebswirtschaftlichen Entscheidungen entwi- boten, welche die Entscheidungsfindung er- ckelt worden und waren somit längere Zeit das leichtern, z. B. durch das Aggregieren und Sys- wissenschaftliche Monopol wirtschaftsinforma- tematisieren von vorhandenen Daten. Ein EUS tischer Forschung (vgl. z. B. LAUDON, LAUDON & selbst trifft dabei keine Entscheidung." (UBA 4 SCHODER 2010 oder XUE 2008). EUS erfreuen 2010) . Diese beiden Definitionen zeigen, dass sich in den letzten Jahren aber auch einer Bewertungen und Bewertungsverfahren inner- wachsenden Beliebtheit im Rahmen von ande- halb von Entscheidungsunterstützungssyste- ren hochkomplexen Planungs- und Entschei- men eine entscheidende Rolle einnehmen. Im dungsprozessen. Hierzu zählt ohne Zweifel Prozess des Klimafolgenmanagements können auch das Klimafolgenmanagement. Dabei ist EUS vor allem zwei Prozessphasen metho- das KFM-Projekt bei Weitem nicht das erste disch unterstützen: Die Bewertung von Klima- und einzige Klimafolgenforschungsvorhaben, folgen und den wertenden Vergleich von An- das u. a. das Ziel verfolgt, ein Decision- passungsmaßnahmen zu ihrem Management. Support-System (DSS) zu entwickeln. Rich- Bei der Bewertung von Klimafolgen steht die tungsweisende Beispiele sind hier „Danubia“ Beurteilung ihrer Erheblichkeit im Fokus des (vgl. BARTH et al. 2004) und die „Elbe-Expert- Interesses. Im Forschungsprojekt wurde in die- Toolbox (EET)“ (vgl. WECHSUNG, BECKER & sem Zusammenhang das Hauptaugenmerk auf GRÄFE 2005), die zwischen 2000 und 2010 im die Identifizierung von Hot-Spots gelegt, also Rahmen des ebenfalls vom BMBF aufgelegten von Flächen bzw. Räume, für die aufgrund ih- Forschungsprogramms „GLOWA – Globaler rer hohen Betroffenheit vom Klimawandel eine Wandel des Wasserkreislaufs“ für die Einzugs- besondere Handlungspriorität besteht. Aus me- gebiete von Donau und Elbe entworfen worden thodischer Sicht sind für die Hot-Spot- sind. Im Rahmen von „klimazwei“ haben sich Identifizierung in erster Linie Expertenmeinun- neben dem KFM-Projekt u. a. auch die Vorha- gen, Richt- und Grenzwerte, sowie (bei ent- ben „Landcare 2020 – Klimawandel und ländli- 1 sprechender Datenqualität) auch statistische che Raume“ (WENKEL & BERG 2010) sowie Signifikanztests sinnvoll einsetzbar. Für die „DSS WuK – Decision Support System – Wald Ermittlung von fachspezifischen Hot-Spots und Klimawandel“2 mit der Entwicklung eines wurden im Forschungsvorhaben jeweils drei EUS beschäftigt. Bearbeitungsschritte durchgeführt, deren So unterschiedlich die einzelnen EUS ausfallen Grundbedingung lediglich das Vorhandensein und unabhängig davon, ob betriebswirtschaftli- von auf Geodatenbasis arbeitenden Wirkmo- che, klimaanpassungsorientierte oder sonstige komplexe Entscheidungen vorbereitet werden 3 . 4 1 . weiterfuehrend/entscheidungsunterstuetzungssysteme. 2 . html>.

GeoBerichte 18 165 dellen ist. In einem ersten Schritt wurden durch des betrachteten klimasensitiven Themas (un- die Teilprojekte „Energiepflanzen“, „Feldbereg- abhängig vom Klimawandel) definiert werden nung“, „Naturschutz“ und „Wasserwirtschaft“ kann. Auf der resultierenden Bewertungsskala die Zustände der untersuchten Themenberei- können im anschließenden dritten Schritt, dem che für die Gegenwart („Ist-Zustand“) und die eigentlichen Bewertungsvorgang, zunächst die Zukunft („Zustand unter Klimawandel“) model- im Sachmodell erhobenen Gegenwarts- und liert. Diese Modellierungen basieren auf den Zukunftszustände bewertend eingeordnet wer- vom Klimamodell CLM bereitgestellten Klima- den, bevor der sich ergebende Unterschied daten des SRES-Szenarios A1B und wurden zwischen den Zuständen dahingehend bewer- für ein kurz- bis mittelfristiges Szenario tet werden kann, ob es sich um einen negati- (2021/2050) sowie ein langfristiges Szenario ven oder einen positiven Hot-Spot handelt oder (2071–2100) erstellt. Um die Bandbreite mögli- aber ob die Änderungen als nicht signifikant cher Klimafolgen (und daraus abgeleiteten Hot- bzw. irrelevant eingestuft werden können. Spots) abbilden zu können, wurde für diese Letztlich stellt ein Hot-Spot also das Bewer- beiden Zeiträume jeweils ein trockenes, ein tungsergebnis der Erheblichkeit von Klimafol- durchschnittliches und ein feuchtes Klimasze- gen dar, das methodisch auf einer Verknüp- nario betrachtet. Das Ergebnis dieses zunächst fung von Sach- und Wertebene basiert. Das wertneutralen Arbeitsschrittes kann auch als theoretische Konstrukt, auf das sich das be- Sachmodell bezeichnet werden. Im zweiten schriebene Vorgehen stützt, ist in Abbildung Schritt wurde in einem Wertsystem festgelegt, 6.1.6 dargestellt. wie ein guter und wie ein schlechter Zustand

Abb. 6.1.6: Theoretische Grundlage zur Identifizierung von Hot-Spots (Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an GAEDE & HÄRTLING 2010).

166 GeoBerichte 18 Die beschriebene Methodik kann anhand eines ter dem Einfluss des Klimawandels von einfachen Beispiels veranschaulicht werden. > 75 mm oder dass sie bereits im Ist-Zustand Im Rahmen des Teilprojekts 3 „Feldberegnung“ einen Beregnungsbedarf von > 75 mm auf- wurde ackerflächendeckend für die Metropol- weist und dieser unter dem Einfluss des Kli- region die fruchtspezifische Beregnungsbedürf- mawandels noch um mindestens 25 mm zu- tigkeit (fbm) von sieben landwirtschaftlichen nimmt. Für positive Hot-Spots gilt dieser Algo- Kulturen unter dem Einfluss des Klimawandels rithmus vis versa. Die 75 mm wurden deswe- auf Basis der Bodenübersichtskarte 1 : 50 000 gen als Grenzwert verwendet, weil sie die (BÜK 50) modelliert. Hieraus ergeben sich Klassengrenze zwischen einer geringen und rund 13 000 Bewertungseinheiten, die gemäß einer mittleren Beregnungsbedürftigkeit dar- der in Tabelle 6.1.1 dargestellten Algorithmen stellen und die Experten davon ausgehen, bewertet wurden. Demnach existieren je zwei dass eine Beregnungsanlage erst beim Über- Vorschriften, die aus einer BÜK50-Fläche ei- schreiten dieser Marke tatsächlich auch not- nen positiven bzw. negativen Hot-Spot der Be- wendig wird. Nach einer vergleichbaren Me- regnungsbedürftigkeit machen. Für einen ne- thodik wurden auch weitere landwirtschaftliche, gativen Hot-Spot ist entweder Voraussetzung, wasserwirtschaftliche und naturschutzfachliche dass die Fläche im Ist-Zustand (1960–1991) Hot-Spots abgeleitet. einen Beregnungsbedarf von ≤ 75 mm und un-

Tab. 6.1.1: Algorithmen zur Ableitung von Hot-Spots (Beispiel Beregnungsbedürftigkeit).

Algorithmus für einen negativen Hot-Spot Algorithmus für einen positiven Hot-Spot der Beregnungsbedürftigkeit der Beregnungsbedürftigkeit fbm 1961–1990 ≤ 75 mm und unter Klimawandelein- fbm 1961–1990 ≥ 75 mm und unter Klimawandelein- fluss > 75 mm fluss < 75 mm fbm 1961–1990 > 75 mm und Zunahme unter Klima- fbm 1961–1990 > 75 mm und Abnahme unter Klima- wandeleinfluss Zunahme um ≥ 25 mm wandeleinfluss um ≥ 25 mm

Die sich aus der beschriebenen Methodik er- len EUS2 sind für die Region Wietze-Fuhse gebenden Hot-Spots werden dem Nutzer der darüberhinaus Suchräume für die Durchfüh- I+K-Plattform im Regionalen Entscheidungs- rung von vor allem wasserwirtschaftlichen unterstützungssystem1 akteursgerecht zur Ver- Maßnahmen zur Klimaanpassung identifiziert fügung gestellt. So können sich Kommunalver- worden. treter beispielsweise die Hot-Spots für ihre Ge- bietskörperschaften bilanzieren lassen. Dieses ist in Abbildung 6.1.7 für den Landkreis Helm- stedt und die Szenariokombination 2021–2050 durchschnittlich dargestellt. Die darin enthalte- ne Tabelle zeigt eine Übersicht über alle im Landkreis Helmstedt in der gewählten Sze- nariokombination identifizierten Hot-Spots. Demnach sind sowohl negative (Rottöne) als auch positive Hot-Spots (Grüntöne) im Unter- suchungsraum zu erwarten, wobei die negati- ven Hot-Spots in Anzahl und räumlicher Aus- dehnung deutlich überwiegen. Über die Maß- nahmenspalte ist die Tabelle zusätzlich mit ex- ternen Maßnahmenblättern verlinkt, in denen die Handlungsoptionen zum Management der Hot-Spots ausführlicher beschrieben sowie ihre Vor- und Nachteile diskutiert werden. Im Loka-

1 . 2 .

GeoBerichte 18 167

Abb. 6.1.7: Screenshot – Hot-Spot Bilanzierung für eine Gebietskörperschaft am Beispiel des Landkreises Helmstedt (Quelle: eigene Darstellung aus http://www.klimafolgenmanagement.de/?pgid=116).

Die zweite Prozessphase im Klimafolgenma- auch für den wertenden Vergleich von zu- nagement, in der Bewertungsprozesse eine kunftsgerichteten Maßnahmen eignet, wurde entscheidende Funktion einnehmen, ist die sei- vor allem am Beispiel von wasserwirtschaftli- tens der Bundesregierung geforderte Priorisie- chen Maßnahmen aufgezeigt (vgl. u. a. BRÜG- rung von Anpassungsmaßnahmen (BUNDES- GEMANN & PUDENZ 2001 oder SIMON 2003). REGIERUNG 2008: 66). Hier wird das Ziel ver- Hinsichtlich der Theorie sowie der Hintergrün- folgt, verschiedene Handlungsoptionen zur de der Methode wird auf die einschlägige Lite- Anpassung an Klimafolgen mit Hilfe von aus- ratur verwiesen (vgl. u. a. HASSE 1967, HALFON gewählten Parametern vergleichend zu bewer- & REGGIANI 1986, BRÜGGEMANN et al. 1999). ten, und so die Entscheidungsfindung zu un- Für die Anwendung und Interpretation, die im terstützen, welche der identifizierten Anpas- Forschungsprojekt im Vordergrund stand, ist sungsmaßnahmen ggf. (zuerst) umgesetzt letztlich entscheidend, dass die Bewertung bei werden sollte. Diverse multikriterielle Bewer- der HDT anhand von die Handlungsoptionen tungsverfahren stehen für einen solchen wer- beschreibenden Merkmalen (Indikatoren, Pa- tenden Vergleich von Handlungsalternativen rameter, Kriterien) vollzogen wird, deren Aus- als in verschiedenen Disziplinen (z. B. der prägung auf einer Werteskala einsortiert wer- Umweltplanung) etablierte Instrumente zur den kann. Eine Handlungsoption kann dann als Verfügung (vgl. z. B. POSCHMANN, RIEBENSTAHL vergleichbar besser als eine andere ausgewie- & SCHMIDT-KALLERT 1998). Aus dieser Ange- sen werden, wenn sie in mindestens einem botsvielfalt wurde für das Forschungsprojekt Merkmal besser und in keinem schlechter be- die Hasse-Diagramm-Technik (HDT) ausge- wertet worden ist, als eine andere Option. Wird wählt. Die HDT „[…] ist ein vergleichendes, hingegen eine Option „[…] bezüglich eines In- multikriterielles Bewertungsverfahren. Ziel der dikators besser und bezüglich eines anderen Bewertung durch die HDT ist es, die zu bewer- Indikators schlechter als eine andere Option tenden Optionen allein anhand ihrer Eigen- bewertet, so werden beide Optionen als mitei- schaften zu sortieren und damit das Gesamt- nander unvergleichbar nebeneinander gestellt“ problem soweit wie möglich zu strukturieren“ (SIMON 2003: 19). Das Bewertungsergebnis (SIMON 2003: 19). Dass die HDT sich gerade kann in Form eines Hasse-Diagramms darge-

168 GeoBerichte 18 stellt werden (Abb. 6.1.8). Die Knoten (hier 1, einander unvergleichbar sind. Wie das Beispiel 2, 3) symbolisieren im Diagramm die Maß- zeigt, erzwingt die HDT keinesfalls eine abso- nahmenoptionen. Wenn die Knoten über Linien lute Rangfolge, wie dieses in den meisten an- (sog. Kanten) verbunden sind, können die deren Bewertungsverfahren (z. B. Nutz-Wert- Maßnahmen miteinander verglichen werden. Analyse, PROMETEE) der Fall ist. Möglich Dabei stellt der jeweils obere Knoten die ver- sind auch sogenannte Antiketten, bei denen al- gleichbar besser bewertete Option dar. Sofern le Optionen unvergleichbar nebeneinander Knoten keine Kantenverbindung aufweisen, stehen. Hierdurch wird deutlich, dass neben handelt es sich um unvergleichbare Optionen, einer hierarchischen Sortierung vor allem die denen zumindest ein gegenläufig ausgepräg- Offenlegung der Merkmalsausprägungen so- tes Merkmal zugrunde liegt. Im Beispiel ist also wie die Auswirkungen von veränderten Merk- Option 3 über alle Merkmale besser bewertet malssätzen und veränderten Bewertungen im als die Optionen 1 und 2, die ihrerseits unter- Mittelpunkt der HDT stehen.

Abb. 6.1.8: Beispiel eines Hasse-Diagramms.

Die Möglichkeit zur vergleichenden Bewertung Szenariokombinationen war es im Rahmen des von Anpassungsmaßnahmen ist im lokalen Forschungsvorhabens also weder möglich EUS implementiert. Dass das Instrument nicht noch gewollt, eine Maßnahmenabwägung für im regionalen EUS verankert wurde, folgt der einzelne Hot-Spots durchzuführen, so dass die im Laufe des Projektes gesammelten Erfah- Ressourcen stattdessen dafür aufgewendet rung, dass ein sinnvoller Vergleich von Anpas- wurden, ein entsprechendes Instrument hierfür sungsoptionen nur für ganz konkrete Hot-Spots bereit zu stellen. Das Layout des Werkzeugs im Rahmen von ganz konkreten Anpassungs- zeigt Abbildung 6.1.9 am Beispiel eines Hot- projekten erfolgen kann. Neben den ganz indi- Spots der Beregnungsbedürftigkeit. Demnach viduellen Eigenschaften, die einem jeden Hot- erfolgt die Bewertung anhand von drei fach- Spot innewohnen, ist dieses auch deswegen übergreifenden und vier fachspezifischen Krite- der Fall, weil eine vergleichende Bewertung rien. Bei der ersten Gruppe steht die Leitfrage auch immer auf eine Zieldefinition angewiesen im Vordergrund, wie die Beeinflussung der ist, wohin sich der Hot-Spot entwickeln bzw. Maßnahme (z. B. der Feldberegnung aus nicht entwickeln soll. Zwar stünde mit dem aus Oberflächenwasser) auf die jeweils nicht direkt der naturschutzfachlichen bzw. umweltplaneri- adressierten Themenfelder zu bewerten ist schen „Verschlechterungsverbot“ (vgl. z. B. (K0–K2). Bei der zweiten Gruppe wird dahin- KOCH 2004) grundsätzlich ein potenzielles uni- gehend bewertet als wie effektiv und kostenef- verselles Ziel zur Verfügung, das (zumindest) fizient (K4 und K5) die Maßnahme beurteilt den Erhalt des Status Quo im Fokus hat, doch wird, wie die Akzeptanz der Maßnahme unter ließe eine solche Zielsetzung außer Acht, dass den Stakeholdern einzuschätzen ist (K6) und auch schon gegenwärtig einige Flächen von ih- ob die Maßnahme auch ohne die prognostizier- rer (z. B. naturschutzfachlichen) Zielsetzung te Klimafolge als sinnvoll einzuschätzen ist entfernt sind und schon aus anderen als kli- (K4). Die Kriterienauswahl basiert auf Veröf- mawandelbedingten Gründen einem Manage- fentlichungen mit vergleichbaren Ziel- bzw. ment bedürfen. Eine Zieldefinition ist demnach Fragstellungen (z. B. ETC/ACC 2010 oder Hot-Spot spezifisch durchzuführen. Aufgrund UNDP 2004). Über die Checkboxen in der der Vielzahl an Hot-Spots und möglichen Übersichtstabelle bzw. Legende können so-

GeoBerichte 18 169 wohl einzelne Maßnahme als auch Bewer- tungskriterien abgewählt werden. Sie werden in diesem Fall deaktiviert und sind für das ei- gentliche Bewertungsergebnis dann nicht mehr relevant.

Abb. 6.1.9: Beispiel einer vergleichenden Bewertung von Anpassungsmaßnahmen für einen Hot-Spot der Beregnungsbedürftigkeit.

170 GeoBerichte 18 6.1.5 Fazit und Ausblick

Die dreijährige Forschungstätigkeit des Teilpro- jektes 6 hat gezeigt, dass interaktive Internet- anwendungen besonders gut geeignet sind, die komplexen Ergebnisse der Klimafolgenfor- schung akteursgerecht zu präsentieren. Den Stakeholdern der Metropolregion steht mit der „I+K Plattform zum Klimafolgenmanagement“ nun ein Instrument zur Verfügung, mit dem der initiierte Anpassungsprozess wissensbasiert unterstützt wird und damit der Weg hin zu einer klimawandelangepassten Region geebnet ist. Im Wettbewerb der (europäischen) Metropol- regionen verfügt die Metropolregion Hannover- Braunschweig-Göttingen-Wolfsburg damit auch über ein Alleinstellungsmerkmal, das es gilt, herauszustellen und zu nutzen. Allerdings kann die Plattform lediglich den gegenwärtigen Stand der Wissenschaft darstellen. Die Klima- folgenforschung stellt ein hochdynamisches Forschungsfeld dar, das laufend neue Ergeb- nisse hervorbringt, die auch für die Metropolre- gion von hoher Relevanz sind. Spätestens mit den neuen Erkenntnissen und Emissionssze- narien, die im Rahmen des 5. IPCC-Sach- standsberichtes in 2014 erwartet werden, sind die erzielten Ergebnisse des KFM-Projektes zu überprüfen. Das Klimafolgenmanagement stellt also einen iterativen Prozess dar, der aus ge- genwärtiger Sicht zumindest mittelfristig nicht abzuschließen sein wird. Für das KFM-Projekt gilt darüber hinaus, dass lediglich drei der fünf- zehn in der DAS genannten Handlungsfelder untersucht worden sind und dass daher ein wirklich als integrativ zu bezeichnendes Klima- folgenmanagement unbedingt weiterer Aktivitä- ten in Bereichen wie der Forstwirtschaft, dem Gesundheitswesen oder dem Tourismussektor bedarf. Dank der Flexibilität der entwickelten I+K-Plattform wird zumindest die Bereitstellung der entsprechenden Ergebnisse und deren Einbindung in das Entscheidungsunterstüt- zungssystem aber zukünftig eine überwindbare Hürde darstellen.

GeoBerichte 18 171

6.1.6 Literatur und Datenquellen LAUDON, C. L., LAUDON, J. P. & SCHODER, D. (2010): Wirtschaftsinformatik. Eine Einfüh- AVERDUNG, C. (2000): Integration raumbezo- rung. – 2. Aufl.; München (Pearson Studi- gener Daten über Schnittstellen. – Geo- um). Informationssysteme - Zeitschrift für raum- POSCHMANN, C., RIEBENSTAHL, C. & SCHMIDT- bezogene Information und Entscheidungen KALLERT, E. (1998): Umweltplanung und 2000/1: 17–22. -bewertung. – Gotha (Klett-Perthes). BUNDESREGIERUNG (2008): Deutsche Anpas- UNDP - UNITED NATIONS DEVELOPMENT PRO- sungsstrategie an den Klimawandel. – GRAMME (2004): Adaptation Policy Frame- . Strategies, Policies and Measures. – Cam- BARTH, M., HENNICKER, R., KRAUS, A. & LUDWIG, bridge (University press). M. (2004): DANUBIA: An Integrative Simula- UBA - UMWELTBUNDESAMT (Hrsg.) (2011): Un- tion System for Global Change Research in terstützung des Managements von Klimari- the Upper Danube Basin. – Cybernetics and siken und -chancen. – Climate Change, Systems 35/7-8: 639–666. 05/2011; Onlinepublikation. BRÜGGEMANN, R., GRELL, J., SIMON, U. & SIMON, U. (2003): Multikriterielle Bewertung PUDENZ, S. (1999): Vergleichende Bewer- von wasserwirtschaftlichen Maßnahmen aus tung mit der Hassediagrammtechnik. – gewässerökologischer Sicht - Beispiel Ber- WASSERFORSCHUNG E. V. (Hrsg.): Methodi- lin. – Berlin (Tenea). sche Ansätze in der Umweltbewertung. – Schriftenreihe Wasserforschung 5: 5–31. WECHSUNG, F., BECKER, A. & GRÄFE, P. (2005): Auswirkungen des globalen Wandels auf BRÜGGEMANN, R. & PUDENZ, S. (2001): Hasse- Wasser, Umwelt und Gesellschaft im Elbe- diagrammtechnik zur Bewertung wasser- gebiet. – Berlin (Weißensee). wirtschaftlicher Maßnahmen. – In: WASSER- FORSCHUNG E. V. (Hrsg.): Nachhaltige Ent- WENKEL, K.-O. & BERG, M. (2010): Vorsorge wicklung in der Wasserwirtschaft. Konzepte, und Gestaltungspotenziale in ländlichen Planung und Entscheidungsfindung. – Räumen unter regionalen Wetter- und Kli- Schriftenreihe Wasserforschung 7: 225–239. maänderungen (LandCaRe 2020) - Teilpro- jekt 6: Modelle und Entscheidungsunterstüt- ETC/ACC - EUROPEAN TOPIC CENTRE ON AIR zungssystem zur Klimafolgenabschätzung AND CLIMATE CHANGE (2010): Guiding prin- und Ableitung von Adaptionsstrategien der ciples for adaptation to climate change in Landwirtschaft an veränderte Klimabedin- Europe. – ETC/ACC Technical Paper gungen AGROKLIM-ADAPT (DSS) - 2010/6, November 2010; , Stand: 05.01.2011. anpassung der Landwirtschaft. – Ab- GAEDE, M. & HÄRTLING, J. (2010): Umweltbe- schlussbericht, Förderkennzeichen BMBF wertung und Umweltprüfung. – Braun- 01LS05109, Verbund-Nr. 01044168. schweig (Westermann). XUE, Z. (2008): Konzept und Umsetzung be- HALFON, E. & REGGIANI, M. G. (1986): On Rank- trieblicher Entscheidungshilfen auf grafi- ing Chemicals for Environmental Hazard. – scher und objektorientierter Basis als auto- Environmental Science & Technology 20: nome und eingebettete Netzwerklösung. – 1173–1179. Kassel (University Press).

HASSE, H. (1967): Vorlesungen über Klassen- körpertheorie. – Marburg (Physica).

KOCH, N. (2004): Die FFH-Richtlinie im Span- nungsfeld ökologischer und nicht-ökologi- scher Belange. Schutzregime und Vorha- benzulassung. – Europäisches und Interna- tionales Integrationsrecht 9; Münster (Lit).

172 GeoBerichte 18 Autoren

 Prof. Dr. Günter Groß  M. Eng., Dipl.-Ing. (FH) Daniela Dressler Leibniz Universität Hannover, Hochschule für angewandte Wissenschaft Institut für Meteorologie und Klimatologie und Kunst (HAWK), (IMUK), Fakultät Ressourcenmanagement, Herrenhäuser Straße 2, Fachgebiet Nachhaltige Energie- und 30419 Hannover. Umwelttechnik NEUTec Büsgenweg 1a,  Dipl.-Geogr. Andrea Krause 37077 Göttingen. Leibniz Universität Hannover, Institut für Meteorologie und Klimatologie  Prof. Dr.-Ing. Achim Loewen (IMUK), Hochschule für angewandte Wissenschaft Herrenhäuser Straße 2, und Kunst (HAWK), 30419 Hannover. Fakultät Ressourcenmanagement, Fachgebiet Nachhaltige Energie- und  Dipl.-Ing. agr. Christina Lenßen Umwelttechnik NEUTec Landesamt für Bergbau, Büsgenweg 1a, Energie und Geologie, 37077 Göttingen. Referat L 3.3 „Landwirtschaft und Bodenschutz, Landesplanung“,  Ing., B. Sc. Dominika Leßmann Stilleweg 2, GEO-NET Umweltconsulting GmbH, 30655 Hannover. Große Pfahlstraße 5a, 30161 Hannover.  Dr. Udo Müller Landesamt für Bergbau,  Dipl.-Geogr. Imke Mersch Energie und Geologie, Landwirtschaftskammer Niedersachsen Referat L 3.3 „Landwirtschaft und (LWK), Bodenschutz, Landesplanung“, Geschäftsbereich Landwirtschaft/ Stilleweg 2, Pflanzenbau, Saatgut, 30655 Hannover. Johanssenstraße 10, 30159 Hannover.  Dr. agr. Christine von Buttlar IGLU – Ingenieurgemeinschaft  Dipl.-Ing. agr. (FH) Ekkehard Fricke für Landwirtschaft und Umwelt Landwirtschaftskammer Niedersachsen Bühlstraße 10, (LWK), 37073 Göttingen. Geschäftsbereich Landwirtschaft/Beregnung, Johanssenstraße 10,  PD Dr. Marianne Karpenstein-Machan 30159 Hannover. Georg-August-Universität Göttingen, IZNE – Interdisziplinäres Zentrum  Dipl.-Ing. Christina Weiß für nachhaltige Entwicklung, Leibniz Universität Hannover, Goldschmidtstraße 1, Institut für Umweltplanung (IUP), 37077 Göttingen. Herrenhäuser Straße 2, 30419 Hannover.  Dipl.-Geogr. Roland Bauböck Georg-August-Universität Göttingen,  Prof. Dr. Michael Reich IZNE – Interdisziplinäres Zentrum Leibniz Universität Hannover, für nachhaltige Entwicklung, Institut für Umweltplanung (IUP), Goldschmidtstraße 1, Herrenhäuser Straße 2, 37077 Göttingen. 30419 Hannover.

GeoBerichte 18 173

 Prof. Dr. Michael Rode Leibniz Universität Hannover, Institut für Umweltplanung (IUP), Herrenhäuser Straße 2, 30419 Hannover.

 Dipl.-Geow. Tina Wixwat Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Referat L 3.6 „Hydrogeologie“, Stilleweg 2, 30655 Hannover.

 Dipl.-Geol. Herbert Röhm Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie, Referat L 3.6 „Hydrogeologie“, Stilleweg 2, 30655 Hannover.

 Dipl.-Ing. Katja Fürstenberg enercity, FG Wasserwirtschaft und Technisches Büro, Wasserwerkstraße 33, 30900 Wedemark.

 Dr. Andreas Matheja Matheja Consult, Königsberger Str. 5, 30938 Burgwedel.

 Dipl.-Ing. Martin Meinken Ingenieurbüro H.-H. Meyer, Parkstraße 5, 31542 Bad Nenndorf.

 Dipl.-Geogr. Björn Beermann GEO-NET Umweltconsulting GmbH, Große Pfahlstraße 5a, 30161 Hannover.

174 GeoBerichte 18

Verbundprojekt Regionales Management von Klimafolgen in der Metropolregion Hannover-Braunschweig-Göttingen Verbundkoordinator Prof. Dr. Günter Groß Homepage KFM www.klimafolgenmanagement.de

Förderkennzeichen Projekt Ansprechpartner Institution email 01 LS 05038 A Verbundkoordination Günter Groß Institut für Meteorologie [email protected] Ute Simon Leibniz Universität Hannover Herrenhäuser Str. 2 30419 Hannover 01 LS 05038 A Lokaler Klimawandel Günter Groß Institut für Meteorologie [email protected] Andrea Krause Leibniz Universität Hannover Herrenhäuser Str. 2 30419 Hannover 01 LS 05038 A Fort- und Weiterbildungs- Martin Beyersdorf Zentrale Einrichtung für Weiter- [email protected] maßnahmen bildung Leibniz Universität Hannover Herrenhäuser Str. 2 30419 Hannover 01 LS 05038 A Naturschutz Michael Reich Institut für Umweltplanung [email protected] Michael Rode Leibniz Universität Hannover Christina Weiss Herrenhäuser Str. 2 30419 Hannover 01 LS 05038 A Grundwasserneubildung bei Jörg Elbracht LBEG [email protected] sich ändernden Klimabedin- Tina Wixwat Stilleweg 2 gungen und die Auswirkun- 30655 Hannover gen auf den Wasserhaushalt 01 LS 05038 B Ermittlung des Potenzials für Peter Trute GEO-NET Umweltconsulting [email protected] den Anbau und die Nutzung Dominika Leßmann GmbH von Bioenergiepflanzen Große Pfahlstraße 5a 30161 Hannover 01 LS 05038 B Entwicklung nachhaltiger Christine von Buttlar IGLU – Ingenieurgemeinschaft für Christine.vonbuttlar@iglu- standort- und klimaangepass- Marianne Karpenstein- Landwirtschaft und Umwelt goettingen.de ter Anbaukonzepte für Ener- Machan Bühlstraße 10 giepflanzen 37073 Göttingen 01 LS 05038 B Internetbasierte Informati- Peter Trute GEO-NET Umweltconsulting [email protected] ons- und Kommunikations- Björn Beermann GmbH plattform zum Klimafolgen- Große Pfahlstraße 5a management 30161 Hannover 01 LS 05038 C Energetische, ökologische Achim Loewen HAWK [email protected] und ökonomische Bewertung Daniela Dressler Fakultät Ressourcenmanagement verfahrenstechnischer Kon- Fachgebiet Nachhaltige Energie- zepte zur energetischen Nut- und Umwelttechnik NEUTec zung von Biomasse Büsgenweg 1a 37077 Göttingen 01 LS 05038 E Ermittlung des Potenzials für Udo Müller LBEG [email protected] den Anbau und die Nutzung Christina Lenssen Referat L 3.3 Landwirtschaft und von Bioenergiepflanzen unter Bodenschutz, Landesplanung Berücksichtigung regionali- Stilleweg 2 sierter Klimaszenarien 30655 Hannover 01 LS 05038 F Potentiale zur Substitution Ekkehard Fricke Landwirtschaftskammer Nieder- Ekkehard.fricke@lwk- von Grundwasser für die Imke Mersch sachsen niedersachsen.de Feldberegnung Geschäftsbereich Landwirt- schaft/Beregnung Johanssenstraße 10 30159 Hannover 01 LS 05038 G Wasserwirtschaftliche An- Katja Fürstenberg Enercity [email protected] passungsstrategien im Grund- FG Wasserwirtschaft und Techni- wasserkörper Wietze Fuhse sches Büro vor dem Hintergrund des Wasserwerkstrasse 33 Klimawandels 30900 Wedemark