CSU-LG – 8. WP Landesgruppensitzung: 21. 2. 1978

21. Februar 1978: Sitzung der Landesgruppe

ACSP, LG 1978: 3. Überschrift: »Protokoll über die 135. Sitzung der CSU-Landesgruppe am 21.2.1978«. Zeit: 12.55–14.20 Uhr. Vorsitz: Zimmermann.

Anwesend: Aigner, Althammer, Becher, Bötsch, Dollinger, Gierenstein, Glos, Handlos, Hartmann, Höffkes, Höpfinger, Graf Huyn, Jaeger, Kiechle, Klein, Kraus, Kreile, Krone- Appuhn, Kunz, Lemmrich, Lintner, Müller, Niegel, Probst, Rainer, Riedl, Röhner, Rose, Schedl, Schleicher, Schmidhuber, Schneider, Spilker, Graf von Stauffenberg, Stücklen, Waigel, Warnke, Wittmann, Ziegler, Zimmermann.

Sitzungsverlauf:

A. Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Zimmermann u. a. über die Beratung der Anti- Terrorgesetze, die Rentenfrage und die Deutschlandpolitik. B. Erläuterungen des Parlamentarischen Geschäftsführers Röhner zum Plenum der Woche. C. Erläuterungen des Abgeordneten Dollinger zum Jahreswirtschaftsbericht. D. Erläuterungen des Abgeordneten Kiechle zum Agrarbericht. E. Ausführungen des Abgeordneten Höpfinger zum Problem der Rentenfinanzierung. F. Allgemeine Aussprache.

[A.] TOP 1: Bericht des Landesgruppenvorsitzenden Dr. Zimmermann eröffnet die Landesgruppensitzung. Er berichtet über den Empfang anläßlich des 65sten Geburtstags von Dr. Jaeger in der Parlamentarischen Gesellschaft, bei welcher Parteivorstand und Bundespräsident, Dr. Jaeger Glückwünsche überbracht haben. Es seien 65 Bocksbeutel und die übliche Karikatur überreicht worden. Dr. Zimmermann gratuliert Lücker zum 63. Geburtstag. Er teilt mit, die Kollegen mögen Verständnis dafür haben, daß Lücker aus diesem Grunde ausnahmsweise an dieser Sitzung nicht teilnehmen könne. Die Debatte im Deutschen anläßlich der Antiterrorgesetze sei in der Presse sehr erfreulich aufgenommen worden. In fast allen Zeitungen sei die miserable Situation der Koalition herausgestellt worden. In diesem Zusammenhang macht Dr. Zimmermann auf die falsche Abstimmung von Rosenthal1 aufmerksam; sie werde ihm wohl während seiner ganzen parlamentarischen Zeit anhängig bleiben. Zur Beratung der Antiterrorgesetze im Bundesrat sei es notwendig, zur juristischen Sachlage ein paar Worte zu sagen: – Das Gesetz sei nicht zustimmungspflichtig, auch sei nicht durch Tricks eine Zustimmungsbedürftigkeit herbeizuführen. Dem Einspruch durch den Bundesrat muß ein Verfahren im Vermittlungsausschuß vorausgehen, wobei es im Vermittlungsausschuß zu keiner Einigung kommen dürfe. Der Einspruch des Bundesrates müsse dann im Bundestag mit der Kanzlermehrheit von 249 Stimmen zurückgewiesen werden.

1 Philipp Rosenthal, MdB (SPD).

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Bei dem Gespräch mit Dr. Kohl2 und bei der Gesprächsrunde mit den Ministerpräsidenten der Länder habe er den Eindruck gewonnen, daß zur Zeit die CDU bzw. CSU bzw. CDU/FDP-regierten Länder im Bundesrat dieselbe Haltung einnehmen werden, wie dies die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag getan habe. Andererseits sei aber ein Ergebnis im Vermittlungsausschuß, welches die Antiterrorgesetze in einigen Punkten in unserem Sinne verbessere, auch nicht ungünstig, da die Koalition dann große Probleme haben würde, eine Mehrheit zu finden, um dieses Vermittlungsergebnis abzulehnen. Zum Thema Rentenversicherung macht Dr. Zimmermann darauf aufmerksam, daß Höpfinger einen ausführlichen Bericht geben werde. Er erwähnt, daß am 2. März 1978 ein Gespräch zwischen CDU und dem VdK3 und dem DGB stattfinden werde. Dazu müsse eine Sprachregelung gefunden werden. Es solle aber, diese Auffassung teile auch Dr. Kohl, am bisherigen Grundsatz festgehalten werden. Lege man sich in Details fest, so sei der Druck von DGB und anderen Verbänden auf die Koalition wesentlich geringer. Mit einer detaillierten Vorlage entlasten wir ungewollt die Regierung. Da die Debatte innerhalb der SPD noch lange nicht abgeschlossen sei, stehe die Belastungsprobe in der SPD noch aus. Erst am 8. März 1978 sei mit Kabinettsbeschlüssen zu rechnen, am 10. März werde der Sozialbeirat sich mit den Maßnahmen befassen. Da durch diese Maßnahmen 12 Millionen Rentner und ein Großteil der Arbeitnehmer unmittelbar betroffen seien, werde die Rentenfrage das entscheidende Thema der nächsten Zeit werden. Eine Ende November/Anfang Dezember in Bayern durchgeführte Umfrage mit einem ausreichenden Sample habe zur Frage, welche der Parteien habe ihrer Ansicht nach in Sachen Soziales mehr Kompetenz, ergeben, daß sich die Mehrheit der Befragten für die CSU entschieden habe. Ein solches Umfrageergebnis sei noch nie erreicht worden. Bei der Festlegung des einzuschlagenden Weges müsse dies Berücksichtigung finden. Dr. Zimmermann betont nochmals, daß momentan keine Beschlüsse zu fassen seien. Erst wenn die Bundesregierung ihr Programm vorgelegt habe, sei es an der Zeit, daß die CDU/CSU mit eigenen Vorschlägen an die Öffentlichkeit trete. Die Grundhaltung der CDU/CSU liege fest. Auf Details könne und dürfe heute nicht eingegangen werden. Dr. Zimmermann kündigt an, daß in der Fraktionssitzung um 15.00 Uhr eine Entschließung zur Neutronenwaffe vorgelegt werde. Dieser Entschließung empfiehlt Dr. Zimmermann zuzustimmen. Damit habe dann die CDU/CSU zu diesem Problem einen formalen Beschluß gefaßt. Die SPD stehe nunmehr allein. Das in Kreuth beschlossene deutschlandpolitische Papier sei bisher noch nicht an die Presse weitergegeben worden. Dr. Zimmermann halte nun den Zeitpunkt für geeignet, dies zu tun. Als aktueller Anlaß könne die Honecker4-Erklärung bzw. das Umfrageergebnis zum Thema Wiedervereinigung dienen. Am Donnerstag sei eine Pressekonferenz mit Dr. Jaeger und Lemmrich geplant. Anschließend kommt Dr. Zimmermann nochmals auf die durchgeführte Umfrage zurück. Dabei habe die CSU in der Wählergunst mit 58 % vor der SPD mit 36,5 % und der FDP mit 5,6 % in Front gelegen. In München selbst sei ein ähnlich gutes Ergebnis erreicht worden mit 52 %, 36 % und 12 %. Für Franken zeige das Ergebnis, daß

2 , Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Bundesvorsitzender der CDU. 3 Verband der Kriegsbeschädigten. 4 Erich Honecker, Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Vorsitzender des Staatsrats der DDR.

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Franken nicht mehr als eine Hochburg für die FDP (7 %) anzusehen sei. Das Nord- Süd-Gefalle sei nicht mehr vorhanden. Andererseits zeigen aber die Ergebnisse, daß die FDP wohl immer mehr zu einer intellektuellen Großstadtpartei werde. Nach Auffassung von Dr. Zimmermann sei heute sicherlich mit noch günstigeren Ergebnissen zu rechnen. Für die Kommunalwahl in München gibt Dr. Zimmermann eine Prognose ab. Er sei der Ansicht, daß Kiesl5 mit größter Wahrscheinlichkeit im ersten Wahlgang gewählt werde und die CSU die absolute Mehrheit erreichen werde. Diese optimistische Prognose basiere vor allem auf den entscheidenden Fehlern, die der sog. Soziale Rathausblock (SRB) im Wahlkampf gemacht habe. Solle sich diese Prognose bei den Wahlen in München bewahrheiten, so habe dies eine ungeheure Wirkung auch über die Grenzen Münchens und Bayerns hinaus. In der Sitzungswoche nach der Kommunalwahl sei die Landesgruppensitzung für dienstags vorgesehen, um allen Kollegen die Gelegenheit zu geben, am Montag in ihren Wahlkreisen zu sein.

[B.] TOP 2: Plenum der Woche Röhner berichtet über die Themen und den Tagesablauf im Plenum. Am Mittwoch, im Anschluß an die Fragestunde um 14.30 Uhr, sei die Einbringung des Agrarberichtes 1978 der Bundesregierung durch Bundesminister Ertl6 geplant. Die Debatte dazu findet am Freitag statt. Am Donnerstag sei mit einer Sitzungsdauer von 9.00 bis 19.00 Uhr zu rechnen. Zuerst werde der Jahreswirtschaftsbericht 1978 der Bundesregierung beraten. Als Sprecher der Fraktion seien Dr. Dollinger, Dr. Zeitel7, Pieroth8, Schwarz-Schilling9 vorgesehen. Zur ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes sei als Redner Dr. Warnke vorgesehen. Bis zur Stunde sei noch nicht klar, ob der Fraktionsantrag mit beraten werde. Wäre dies der Fall, dann möge Dr. Warnke ebenfalls diesen Antrag begründen. Zum Tagesordnungspunkt, Beratung eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit, werde Landré10 sprechen. Die weiteren Tagesordnungspunkte können der Drucksache entnommen werden. Am Freitag sei das zentrale Thema der Agrarbericht 1978 der Bundesregierung. Als Redner sei für die Landesgruppe Kiechle vorgesehen. Neben Kiechle werden die Kollegen Dr. Ritz, Susset und von Geldern11 sprechen. Er bittet für die genannten Sitzungen wiederum um eine möglichst vollzählige Präsenz im Plenum. Die Sitzung am Freitag, so sei es beabsichtigt, solle um 12.30 Uhr enden. Für die nächste Sitzungswoche sei geplant, über die Große Anfrage der CDU/CSU zum Thema Menschenrechte zu sprechen. Darüber müsse am Donnerstag im

5 Erich Kiesl, Staatssekretär im Bayerischen Innenministerium (CSU). 6 , Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (FDP). 7 Gerhard Zeitel, MdB (CDU). 8 Elmar Pieroth, MdB (CDU). 9 Christian Schwarz-Schilling, MdB (CDU). 10 Heinz Landré, MdB (CDU). 11 Burkhard Ritz, MdB (CDU); Egon Susset, MdB (CDU); Wolfgang von Geldern, MdB (CDU).

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Ältestenrat noch endgültig entschieden werden. Die CDU/CSU wolle notfalls über eine Geschäftsordnungsdebatte diese Debatte erzwingen. Die Frist zur Beantwortung sei schon seit Wochen überzogen. Insbesondere sei es notwendig, zu diesem Zeitpunkt diese Diskussion zu führen, da die KSZE-Nachfolgekonferenz in Belgrad dann wohl schon zu Ende sei oder sich im Endstadium befinde. Die SPD wolle die Beantwortung bewußt verzögern, um die Menschenrechtsdebatte gemeinsam mit einer UNO-Anfrage behandeln zu lassen, um so von der Menschenrechtsfrage ablenken zu können. Als weitere Punkte seien die Fortschreibung des Energieberichtes sowie 8 bis 9 Anfragen zur Energiesituation vorgesehen. Eine Aktuelle Stunde zur Deutschlandpolitik werde nicht stattfinden.

[C.] TOP 3: Der Jahreswirtschaftsbericht Dr. Dollinger berichtet über den Jahreswirtschaftsbericht 1978 der Bundesregierung, welcher unter dem Leitsatz: »Mehr Wachstum und damit Vollbeschäftigung« stehe. Zuerst müsse festgestellt werden, daß die Bundesregierung bei ihrer Prognose 1977 geirrt habe: BSP-Wachstum prognostiziert 5 v. H., tatsächlich 2,5 v. H., Arbeitslose prognostiziert 850 000, tatsächlich über 1 Million, Investitionen prognostiziert 9 bis 10 v. H., tatsächlich 6,5 v. H., Bruttoeinkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen prognostiziert 9 bis 10 v. H., tatsächlich 2,5 v. H. Lediglich bezüglich der Preisentwicklung und des Außenbeitrags sei die Prognose 1977 in etwa eingetreten. Als Gründe für diese Abweichungen gebe die Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbericht 1978 zum wiederholten Male die schon seit langem bekannte Begründung, daß die konjunkturelle Entwicklung im Ausland mit schuld sei an der ungenügenden Entwicklung innerhalb der Bundesrepublik. Dies sei aber nach Ansicht von Dr. Dollinger nicht der entscheidende Grund, obwohl nach den als gescheitert zu bezeichnenden Gesprächen der Bundesregierung mit Regierungsvertretern der Vereinigten Staaten sehr schwere Zeiten auf die Exportwirtschaft zukommen werden. Der schwache Dollarkurs kennzeichne diese Situation recht deutlich. Umso mehr sei es notwendig, alles zu versuchen, um die Binnennachfrage anzukurbeln. Hier liegen die Versäumnisse der Bundesregierung. Als zweite Ursache führt die Bundesregierung an, daß die in 1977 beschlossenen Maßnahmen, insbesondere die Steuerreform, noch nicht zu dem Kaufkraftschub geführt haben. Die Auswirkungen dieser Reform seien erst in 1978 zu erwarten. Hier kann entgegnet werden, daß, wenn dem Vorschlag der CDU/CSU, das Stabilitätsgesetz anzuwenden, gefolgt worden wäre, schon in 1977 Wirkungen sich hätten zeigen müssen. Als weitere Ursache führt der Jahreswirtschaftsbericht 1978 die mangelnde Entwicklung der privaten Investitionen für das unzureichende wirtschaftliche Wachstum an. Hier werde insbesondere auf den Stau an öffentlichen Aufträgen im Energiebereich hingewiesen. Der Ausblick für 1978 stehe unter dem Motto: Hoffen und Bangen. Ebenfalls werde wieder mit einer Arbeitslosenzahl von ca. 1 Million gerechnet, der Entwicklung der Lohnpolitik werde für den weiteren wirtschaftlichen Ablauf eine Schlüsselposition zugeordnet. Die Äußerungen von Koschnick12 widersprechen hier den Äußerungen

12 Hans Koschnick, Bremer Bürgermeister, stellvertretender SPD-Vorsitzender.

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von Graf Lambsdorff13. Koschnick spreche von einem Klassenkampf von oben, Graf Lambsdorff dagegen sehe die Aufgabe der Bundesregierung darin, hier eine Entwicklung vorzuzeigen, die insgesamt in das gesamtwirtschaftliche Konzept passe. Auch das Thema »Ordnungs- und Strukturpolitik« werde angeschnitten. Zum Thema »Steuergesetzgebung« führe der Jahreswirtschaftsbericht aus, daß in 1977 alles getan worden sei, nun seien nicht die Bundesregierung, sondern die Unternehmer am Zuge. Zu den Punkten, die nach Ansicht von Dr. Dollinger im Jahreswirtschaftsbericht nicht angesprochen werden, sei vor allem auf die hohe Belastung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern mit Abgaben hinzuweisen. Hier sei die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Des weiteren müsse deutlich gemacht werden, daß Leistung und angemessene Gewinne in unserem Wirtschaftssystem notwendig seien, um wirtschaftliches Wachstum erreichen zu können. In diesem Zusammenhang müsse erwähnt werden, daß die Unternehmer überfordert seien, wenn sie im Laufe der Zeit immer mehr zur Sicherung des Netzes der sozialen Sicherheit beizutragen hätten. Auch müsse auf die optimale Zuordnung der Produktionsfaktoren hingewiesen werden. Die Diskussion um Rationalisierungs-, Erweiterungsinvestitionen und vor allem Investitionen aufgrund technischen Fortschritts müsse die CSU aufgreifen und deutlich machen, daß zur Stärkung des wirtschaftlichen Wachstums und zur Sicherung der Arbeitsplätze auf lange Sicht diese lebensnotwendig seien. Dazu bedarf es aber einer deutlichen Klimaverbesserung. Falsche Prognosen seien aber kaum geeignet, einen Klimawechsel herbeizuführen. Zum anderen sei der Rückgang der Selbständigen noch alarmierend hoch. Abschließend führt Dr. Dollinger aus, daß die Ziele des Jahreswirtschaftsberichts 1978 nur dann realisiert werden können, wenn das verlorengegangene Vertrauen der Unternehmer wiedergewonnen werde.

[D.] TOP 4: Agrarbericht 1978 Kiechle stellt den Agrarbericht 1978 vor. Eine Zahl sei für ihn die wichtigste im gesamten Agrarbericht. Das Einkommen der Landwirte habe sich in 1977 um 13,8 v. H. vermindert. Seit 1956 sei dies das weitaus schlechteste Ergebnis. Bei der Pressekonferenz von Minister Ertl sei diese Rate aber nicht genannt worden. Vielmehr sei in der Pressekonferenz lediglich über die Prognosewerte diskutiert worden. Die

Prognose liege bei + 8 v. H. Auch diese Prognose sei natürlich fragwürdig. Genauso wie die Prognosewerte des Jahreswirtschaftsberichts. Die Abwanderungsrate aus der

Landwirtschaft sei praktisch 0; nur noch 0,8 v. H. seien aus landwirtschaftlichen Berufen abgewandert. Dies liege aber vornehmlich darin begründet, daß in anderen Berufen keine Chance bestehe, Arbeit zu finden. Im Bericht werde der Einkommensrückgang insbesondere auf die Trockenheit im letzten Jahr zurückgeführt. Dies sei sicherlich ein Grund, aber nicht der einzige. Bezüglich der Nebenerwerbsbetriebe, insbesondere in Bayern, sei der Einkommensrückgang durch Einkommensverbesserungen bei den anderen Verdiensten aufgefangen worden. Hier zeige sich die richtige Politik der CSU, die immer für die Existenz dieser Nebenerwerbsbetriebe gekämpft habe. Zur Debatte selbst führt Kiechle aus, daß die CDU/CSU insgesamt 120 Minuten Redezeit für sich beanspruchen könne. Dabei habe

13 , Bundeswirtschaftsminister (FDP).

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er selbst 30 Minuten beantragt. Dr. Ritz werde ebenfalls 30 Minuten sprechen, der Rest der Redezeit werde auf die Abgeordneten Susset u. a. aufgeteilt werden. Er beabsichtige eine Pressemitteilung herauszugeben, wobei folgende drei Punkte angesprochen werden sollen: Zuverlässigkeit der Prognosewerte der regierungsamtlichen Angaben, Probleme des Milchmarktes und Europa. Die Bundesrepublik Deutschland sei als Nettozahler verpflichtet, für die Erweiterung Europas ein Konzeptpapier vorzulegen, welches Ziel und Laufzeit und Übergangsregelungen beinhalten müsse. Zum anderen werde er die Gesetzesflut anprangern und hier Beispiele anführen, zum Beispiel das Lebensmittelgesetz. Beim Lebensmittelgesetz, welches zum 1. Januar 1978 in Kraft getreten sei, seien zwar in der Bundesrepublik bestimmte Pflanzenschutzmittel verboten worden, nicht aber in den EG-Partnerländern. Für alle Importe müssen deshalb Ausnahmeregelungen erlassen werden.

[E.] TOP 5: Problem der Rentenfinanzierung Höpfinger faßt die Diskussion in der Arbeitsgruppe zusammen und bekräftigt die Meinung von Dr. Zimmermann, daß kein Grund vorhanden sei, mit Lösungsvorschlägen an die Öffentlichkeit zu treten. Zuerst müsse die Koalition ihr Programm verabschieden und vorlegen, dann könne anhand dieses Programms diskutiert werden. Er weist ebenfalls nochmals auf die hohe Bedeutung der Frage der Rentenversicherung hin. Insbesondere, daß dies ein sehr großer Personenkreis sei, der durch diese Rentenfrage betroffen werde. Insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, daß Ehrenberg14 nicht nur die Rentenversicherung in sein Sanierungsprogramm mit einbeziehen möchte, sondern auch alle anderen Systeme, wie Unfallversicherung, Kriegsopferversorgung und landwirtschaftliche Altersrente. Die Ursache für die Rentenmisere liege einmal an der verfehlten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der SPD/FDP-Regierung. Dies habe zu einem Defizit bei der Rentenversicherung in Höhe von 30 bis 35 Milliarden DM geführt. Zum anderen sei darauf hinzuweisen, daß wir innerhalb eines Jahres die dritte Anpassung behandeln, das

20. Rentenanpassungsgesetz, die 4. Novelle zum Arbeitsförderungsgesetz und Haushaltsgesetz und die 21. Rentenanpassung. Die Lösungsvorschläge der SPD/FDP laufen darauf hinaus, die Rentenanpassung 1979 auf 4,5, 1980 auf 4 und 1981 auf 4 v. H. zu beschränken. Dies ist eine Abkehr vom bisher bewährten System der Bruttolohnbezogenheit. An die Stelle dieses Systems trete aber kein neues System, sondern ein willkürliches System. Weiter sei vorgesehen, die

Beitragssätze für die Rentenversicherungszahler ab 1981 von 18 auf 18,5 v. H. zu erhöhen. Diese Erhöhung müssen sowohl die Arbeitgeber wie Arbeitnehmer tragen. Als letzte Maßnahme werde ab 1982 ein Krankenversicherungsbeitrag für Rentner eingeführt. Die bisherigen Pauschalzahlungen der Rentenversicherungsträger an die gesetzlichen Krankenversicherungen in Höhe von 11 v. H. aus der Rentensumme, werden in eine Rentenerhöhung umgewandelt. Jeder Rentner werde dann krankenversicherungspflichtig mit dem Beitragssatz, der jeweils von der Krankenkasse erhoben werde. Der Beitragsberechnung werden bis zur Beitragsbemessungsgrenze auch sonstige Einkommen mit einbezogen. Wenn diese Maßnahmen nicht ausreichen sollten, so stehe als letzter Ausweg die Zuschußpflicht des Bundes zur Verfügung.

14 , Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (SPD).

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Zum Standpunkt der CSU führt Höpfinger aus, daß – keine Beitragssatzerhöhung bei der Rentenversicherung vorgeschlagen werden solle. Die Belastungsquote dürfe für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer nicht noch weiter steigen. Insgesamt sei die Belastung mit 32 v. H. schon sehr hoch.

– 1977 der Bundeszuschuß schon rd. 17 ½ v. H. der Rentenausgaben betrage, so daß eine Erhöhung nicht zu bejahen sei. Zum anderen stehen dieser Maßnahme unsere haushaltspolitischen Beschlüsse entgegen. 15 – die Bruttolohnbezogenheit aufrecht erhalten bleiben müsse. Nach § 1272 RVO sei zwar bei der Rentenanpassung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Veränderung des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherungen zu berücksichtigen. Da aber die bisherigen Rentenanpassungen immer nach dem Bruttoprinzip erfolgten, so dürfe auch bei der 21. Rentenanpassung von diesem Prinzip nicht abgewichen werden. In diesem Zusammenhang müsse noch die große Rentenreform, die die Gleichstellung von Mann und Frau in der Rentenversicherung zur Aufgabe habe, hingewiesen werden. Da diese Reform kaum kostenneutral gelöst werden könne, brauche man für diese Reform etwas finanziellen Spielraum. Bezüglich des Krankenversicherungsbeitrags der Rentner seien die Standpunkte von

CDU und CSU noch unterschiedlich. Die CSU schlage einen Beitragssatz von 5,5 v. H. vor. Die CDU möchte einen geringeren Beitragssatz. Würde man sich auf 5,5 v. H. als Beitragssatz einigen, so könnte die Kasse der Rentenversicherung um rd. 20 Milliarden

DM entlastet werden. Bei dieser Lösung müssen natürlich die Kleinrentner, d. h. Rentner, deren Gesamteinkommen nicht höher ist als die Regelsätze in der Sozialhilfe, von der Zahlung befreit werden. Dies sei sozial notwendig und finanziell vertretbar.

Zur Sicherungsklausel gem. § 1384 der RVO, die die sog. Bundesgarantie beinhalte, sagt Höpfinger, daß von dieser Garantie nur im äußersten Notfall Gebrauch zu machen sei, da gemäß Gesetz diese Bundesgarantie nur dann eintrete, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Veränderung des Volkseinkommens je Erwerbstätigen und die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung dazu Anlaß geben. Abschließend faßt Höpfinger nochmals die CSU-Forderungen zur Rentensanierung zusammen: 1. Keine willkürliche Rentenanpassung. Jeder Lösungsvorschlag müsse für Beitragszahler und Rentner berechenbar und durchschaubar sein. 2. Unser Grundsatz soll es sein, daß ein erfülltes Arbeitsleben sich auch in der Rente wiederspiegeln müsse. Fleiß und Arbeitstreue dürfen nicht bestraft werden. 3. Die Finanzprobleme der Rentenversicherung dürfen nicht auf die Bundessozialhilfe und damit auf die Kommunen abgewälzt werden.

[F.] TOP 6: Allgemeine Aussprache Dr. Althammer weist auf die Bundesgarantie hin. Er unterstreicht in diesem Zusammenhang, daß höhere Bundeszuschüsse auch gleichzeitig höhere Belastungen für die Allgemeinheit bedeuten würden, denn die Bundeszuschüsse müßten aus dem allgemeinen Steuertopf oder durch höhere Verschuldung bezahlt werden. So sei dieser Weg im Prinzip gar keine Alternative für die CSU.

15 Reichsversicherungsordnung.

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Lemmrich weist auf die in der Diskussion immer wieder zutage tretenden Unterschiede in der Altersversorgung von Angestellten und Beamten hin. Man müsse hier zu einer Sprachregelung kommen. Des weiteren sehe er in den Bundeszuschüssen zwar eine allgemeine Verpflichtung, für bestimmte Leistungen, die der Beitragszahler nicht zu vertreten habe, einzutreten, aber nicht für Versäumnisse der Bundesregierung. Deshalb könne auch hier die Lösung mit dem Bundeszuschuß nur als die letzte bezeichnet werden.

Höpfinger antwortet, daß, wenn der CSU-Vorschlag mit 5,5 v. H. Krankenversicherungsbeitrag der Rentner zustande kommen würde, die Diskussion für zusätzliche Bundeszuschüsse nicht vorhanden sei. Mehr könne man aber den Rentner nicht abverlangen. Dr. Althammer weist hier noch auf den Zustand hin, daß in früheren Jahren der

Bundeszuschuß bis zu 45 v. H. der Rentenausgaben betragen habe. Dieser Zuschuß sei inzwischen auf rd. 17 v. H. abgebaut worden. Höpfinger spricht sich nochmals für die Lösung mit dem Krankenversicherungsbeitrag der Rentner aus. Er sagt, dies sei die sauberste Lösung. Graf Stauffenberg geht auf das Interview des FDP-Vorsitzenden Genscher16 ein, in welchem Genscher betonte, daß es nicht Aufgabe der FDP sei, die SPD zu konsolidieren. Er stellt die Frage, ob die Landesgruppe auf dieses Interview schon reagiert habe. Dr. Zimmermann antwortet, dies liege auf der Profilierungslinie der FDP. Die Eigenständigkeit der FDP müsse Genscher immer wieder betonen. Entscheidend für die Beurteilung werde das Verhalten der FDP bei der Abstimmung im Bundesrat sein. Dr. Bötsch fragt, ob die Erläuterungen zum Verhalten der CDU/CSU-Koalitionen im Bundesrat auf Vermutungen oder auf festen Zusagen bestehen. Dr. Zimmermann antwortet, daß er bei den Gesprächen mit Dr. Kohl und bei der Tagung der Ministerpräsidenten in der Vertretung von Rheinland-Pfalz den Eindruck gewonnen habe, daß ein solches Verhalten im Bundesrat wahrscheinlich sei. Dr. Althammer weist auf die Situation bei der Verabschiedung des Kostendämpfungsgesetzes hin. Damals haben die zuständigen FDP-Minister direkt mit Ehrenberg ein Vermittlungsergebnis ausgehandelt. Die CDU konnte hier nur noch zustimmen oder ablehnen. Bei den Antiterrorgesetzen dürfe sich dieses Verhalten nicht mehr wiederholen. Dr. Waigel geht nochmals auf den Bundeszuschuß ein. Er sehe auf jeden Fall einen Widerspruch zur geforderten Haushaltspolitik der CSU. Konsolidierung des Haushalts könne nur vonstatten gehen, wenn der Bundeszuschuß an die Rentenversicherungsträger nicht weiter zunehme. Des weiteren weist er darauf hin, ob bei der Agrardebatte die Frage Besteuerung der Landwirtschaft angesprochen werde. Schedl unterstützt den Vorschlag, einen Beitragssatz zur Krankenversicherung der Rentner einzuführen. Nach draußen könne man die Vorschläge Bruttoprinzip, keine Beitragssatzerhöhung und die Krankenversicherungsbeiträge vertreten. Der Bundeszuschuß oder eine Lösung über einen Bundeszuschuß werde draußen kaum verstanden. Kiechle weist nochmals darauf hin, daß mittwochs bereits die Einbringung des Agrarberichtes 1978 auf der Tagesordnung stehe. Zur Frage der Besteuerung der

16 Hans-Dietrich Genscher, Bundesaußenminister, Vizekanzler.

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Landwirte antwortet er, daß Dr. Ritz darüber nur grundsätzlich etwas sagen werde. Er sei insbesondere der Ansicht, daß diese Problematik nicht von der CDU/CSU initiiert werden solle. Hier sei die Bundesregierung am Zuge. Sie müsse auf das Professorengutachten reagieren. Es werde deshalb keine Debatte von uns aus angestrengt. Diese Haltung sei auch im Landesvorstand einstimmig so beschlossen worden. Dr. Müller weist darauf hin, daß mit diesem Komplex Besteuerung auch noch andere Probleme angesprochen werden müßten. Die Problematik sei sehr komplex. Man solle deshalb vorerst dazu nicht Stellung nehmen.

TOP 7: Verschiedenes Dr. Zimmermann stellt fest, daß zum Tagesordnungspunkt »Verschiedenes« keine Wortmeldungen vorliegen. Er beschließt damit die Sitzung um 14.20 Uhr.

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