Deutscher – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019 14523

Elisabeth Motschmann (A) – Denken Sie lieber mal darüber nach, dass eben diese 13 a) Zweite und dritte Beratung des von der Bun- (C) Medien demokratische Werte vermitteln, dass sie über- desregierung eingebrachten Entwurfs eines parteilich sein müssen, dass sie Kultur und Informa- Gesetzes zur Änderung des Neunten und tion, Bildung und Unterhaltung gewährleisten müssen, des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und damit wir dieses breite Programmangebot haben. anderer Rechtsvorschriften Ich habe erstens den Wunsch, dass nicht nur Einschalt- Drucksache 19/11006 quoten das Programm bestimmen, ich habe zweitens den Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- Wunsch, dass programmankündigende Trailer weniger schusses für Arbeit und Soziales (11. Aus- Gewalt enthalten – Werbung mit brutalen Szenen ist nicht schuss) verantwortbar und garantiert im Übrigen auch keine hö- heren Einschaltquoten –, und drittens habe ich den Drucksache 19/14120 Wunsch – diesen Wunsch verstehen Sie alle, und er liegt mir sehr am Herzen –, dass es mehr Frauen vor der Ka- b) Beratung der Beschlussempfehlung und des mera gibt. Berichts des Ausschusses für Arbeit und So- ziales (11. Ausschuss) (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und – zu dem Antrag der Abgeordneten Jens der SPD) Beeck, , Johannes Vogel Das Bemühen der Sender erkenne ich an. Bis zum Alter (Olpe), weiterer Abgeordneter und der Frak- von Mitte 30 ist das Verhältnis von Frauen und Männern tion der FDP vor der Kamera ausgeglichen. Super! Aber ab einem Al- ter von 35 bricht der Graben auf. Je älter sie werden, desto Beschäftigungssituation für Menschen mit weniger sind Frauen im Fernsehen vertreten, und das ist Behinderung verbessern nicht in Ordnung. – zu dem Antrag der Abgeordneten Sören Pellmann, , Matthias W. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der Birkwald, weiterer Abgeordneter und der SPD, der FDP und der LINKEN) Fraktion DIE LINKE Ab 50 Jahren ist nur noch ein Viertel der Protagonisten Ausgleichsabgabe deutlich erhöhen und weiblich; bei 59 Jahren endet die Statistik. Ich komme da Beschäftigungsquote anheben also gar nicht mehr vor. – zu dem Antrag der Abgeordneten Corinna (Heiterkeit bei der CDU/CSU und der SPD – (B) Rüffer, Anja Hajduk, Markus Kurth, weiterer (D) Dr. [SPD]: Tragisch! – Christoph Abgeordneter und der Fraktion BÜND- Bernstiel [CDU/CSU]: Skandal!) NIS 90/DIE GRÜNEN In den Talkshows und Nachrichtensendungen beträgt Bundesteilhabegesetz nachbessern und der Anteil der Expertinnen nur 21 Prozent, und das reicht volle Teilhabe ermöglichen nicht. Drucksachen 19/9928, 19/11099, 19/5907, (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der 19/14120 SPD und der FDP) ZP 9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Katja Es reicht mir jetzt langsam, dass wir das immer wieder Suding, , , weiterer sagen müssen. Abgeordneter und der Fraktion der FDP Danke schön. Heranziehung von Pflegekindern als Leis- tungsberechtigte durch einen Kostenbeitrag (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei abschaffen Abgeordneten der SPD) Drucksache 19/10241

Vizepräsident : Überweisungsvorschlag: Vielen Dank, Frau Kollegin Motschmann. – Mit die- Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz sem dringenden Appell für mehr Frauen, auch für mehr Haushaltsausschuss gestandene Frauen im Fernsehen beende ich die Debatte. Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Än- ( [CDU/CSU]: Aber ich derung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialge- war in der Zeit!) setzbuch liegt ein gemeinsamer Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen vor. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 19/8475 und 19/14032 an die in der Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. – Aussprache 38 Minuten vorgesehen. – Ich höre keinen Sie sind mit diesen Überweisungsvorschlägen einverstan- Widerspruch. Dann ist das so beschlossen. den, wie ich sehe und höre. Dann wird so verfahren. Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Red- Ich rufe die Tagesordnungspunkte 13 a und 13 b sowie nerin der Parlamentarischen Staatssekretärin Kerstin Zusatzpunkt 9 auf: Griese für die Bundesregierung das Wort. 14524 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019

Vizepräsident Wolfgang Kubicki (A) (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Leistungen der Blindenhilfe erhalten. Auch das ist also (C) CDU/CSU) eine Verbesserung.

Kerstin Griese, Parl. Staatssekretärin beim Bundes- Meine Damen und Herren, das Bundesteilhabegesetz minister für Arbeit und Soziales: war die große sozialpolitische Reform, die wir in der Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mei- letzten Legislaturperiode beschlossen haben. Deshalb ne sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen das möchte ich bei dieser Gelegenheit daran erinnern, dass Bundesteilhabegesetz und damit die Politik für Menschen zum 1. Januar kommenden Jahres weitere wesentliche mit Behinderungen und für mehr Inklusion weiter- Verbesserungen bei der Einkommens- und Vermögensan- entwickeln. rechnung in der Eingliederungshilfe in Kraft treten. Das ist ein echter Meilenstein für Menschen mit Behinderun- Bei dem hier vorliegenden SGB-IX-/SGB-XII-Ände- gen; denn die Einkommensanrechnung wird deutlich ver- rungsgesetz geht es neben einigen technischen und redak- bessert, und die von vielen als sogenanntes Heiratsverbot tionellen Korrekturen auch um einige wichtige Punkte, angesehene Anrechnung des Partnereinkommens wird damit das Bundesteilhabegesetz zukunftsfest und abgeschafft. Zudem erhöhen wir die Vermögensfreigren- belastbar ausgerichtet ist. ze deutlich auf 50 000 Euro. Deshalb: Ein echter Meilen- stein für Menschen mit Behinderungen. Damit das Bundesteilhabegesetz zum 1. Januar 2020 gut und problemlos in Kraft treten kann, haben wir hier (Beifall bei der SPD) mit einem Änderungsantrag folgende Änderung vorge- nommen: Ab 1. Januar 2020 werden die Fachleistungen Was mir ganz wichtig ist: Damit fördern und unterstüt- der Eingliederungshilfe und die existenzsichernden Leis- zen wir auch die Erwerbstätigkeit und Erwerbsfähigkeit tungen getrennt ausgezahlt. Dafür müssen die Träger der von Menschen mit Behinderungen, die im Alltag ja oft- Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe ihre bisherigen mals wesentlich mehr leisten müssen und mehr Probleme Verfahren umstellen. Leistungsberechtigte Personen er- haben als Menschen, die keine Beeinträchtigung haben. halten ihre Rente nun vollständig auf ihr eigenes Konto – Ich sage an dieser Stelle vielen Dank an alle Beteilig- zum Monatsende, wie das bei Renten üblich ist. ten, die dabei mitgeholfen haben, dass wir nun mit diesem Damit alle Menschen mit Behinderungen aber schon SGB-IX-/SGB-XII-Änderungsgesetz auch die letzten Anfang Januar für ihren Lebensunterhalt aufkommen Hürden abbauen können, damit die nächste Stufe des können, muss ihnen ihr Bedarf für den Lebensunterhalt Bundesteilhabegesetzes am 1. Januar 2020 gut in Kraft zu Beginn dieses Monats in voller Höhe zur Verfügung treten kann. stehen. Das wird jetzt durch einen Änderungsantrag si- Mein Dank gilt besonders dem Deutschen Verein, der (B) chergestellt. Damit wird Anfang Januar 2020 kein Abzug die Umsetzungsbegleitung maßgeblich und federführend (D) von der Grundsicherung aufgrund der erst Ende Januar organisiert hat, und gilt den Verbänden und Vertretungen zufließenden Rente stattfinden. Der Bund übernimmt für von Menschen mit Behinderungen, die immer beteiligt diese einmalige Umstellung die Kosten. waren. Mit dem Bundesteilhabegesetz stärken wir die Selbst- Ich danke auch den Berichterstatterinnen und Berich- bestimmung von Menschen mit Behinderungen erheb- terstattern im Bundestag für ihre Arbeit und bitte Sie lich. Wir holen die Menschen mit Behinderungen in die herzlich um Zustimmung zu diesem Gesetz. Mitte unserer Gesellschaft; denn da gehören sie auch hin. Vielen Dank. Das Bundesteilhabegesetz umzusetzen, ist ein langer Prozess. Es ist ein lernendes Gesetz, und diese Reform (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten tritt in drei Stufen in Kraft. Zwei Etappen haben wir be- der CDU/CSU) reits genommen, die dritte und wohl bedeutendste Stufe steht uns jetzt unmittelbar bevor, die Reform der Einglie- Vizepräsident Wolfgang Kubicki: derungshilfe zum 1. Januar 2020. Vielen Dank, Frau Staatssekretärin. – Als nächster Das heißt: Die Betroffenen können in Zukunft selbst Redner erhält das Wort der Kollege , AfD-Frak- entscheiden, welche Leistungen der Eingliederungshilfe tion. sie von wem in Anspruch nehmen. Diese Entscheidungen (Beifall bei der AfD) können jetzt nicht mehr über die Köpfe der Menschen mit Behinderungen hinweg getroffen werden. Damit schaffen Uwe Witt (AfD): wir mehr Selbstbestimmung. Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wer- (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten te Gäste des Hohen Hauses! Im Jahr 2018 gab es laut der CDU/CSU) Mikrozensus 3,1 Millionen Menschen mit Behinderung im Alter zwischen 15 und 65 Jahren. Um diesen Men- Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine weitere Ände- schen zu helfen und ihnen eine selbstbestimmte Lebens- rung, die wir umsetzen, ist ein höherer Freibetrag für führung zu ermöglichen, debattieren wir heute hier. erwerbstätige blinde Menschen, der bisher nur galt, wenn daneben Leistungen der Hilfe zur Pflege oder der Ein- Geplant ist, dass für jeden Menschen mit Behinderung gliederungshilfe bezogen wurden. Mit dem Änderungs- zukünftig ein sogenannter Teilhabeplan erstellt werden antrag wird nun klargestellt, dass dieser privilegierte Frei- soll. Hieraus werden dann alle verfügbaren Leistungen betrag auch für diejenigen gilt, die ausschließlich in zwei Hilfearten unterteilt und – auch das wird neu sein – Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019 14525

Uwe Witt (A) getrennt voneinander finanziert. Das heißt, zukünftig auch und gerade was den Übergang von einer Behinder- (C) wird zwischen der Hilfe zum Lebensunterhalt und den tenwerkstatt in den ersten Arbeitsmarkt betrifft. Hier be- Fachleistungen zum Bewältigen des Lebens bei freier darf es einer guten und individuellen Beratung; denn die Wahl der Wohnform unterschieden. Welche Unterstüt- Teilhabe am Arbeitsleben ist ein wichtiger Faktor, damit zung dabei ein Mensch mit Behinderung erfährt, soll zu- Menschen mit Behinderung trotz ihrer Behinderung am künftig also vom persönlichen Bedarf abhängen. Leben teilhaben können. Bei Menschen mit Behinderungen in Wohngruppen (Beifall bei der AfD) etwa sollen die reinen Wohnkosten nunmehr akribisch von den Leistungen zur Eingliederungshilfe getrennt wer- Begrüßenswert wäre es, wenn noch mehr Unterneh- den. Diese akribische Trennung kann sich in der Praxis men schwerbehinderte Menschen ausbilden und indivi- problematisch auf die beteiligten Personenkreise auswir- duell fördern. Daher haben wir als AfD die Einführung ken, da ganz neue Instrumente der Bedarfserhebung im eines Bonussystems für Arbeitgeber gefordert, die über Teilhabe- und Gesamtplanverfahren geschaffen werden. der gesetzlichen Quote schwerbehinderte Menschen be- schäftigen. Das weckt Interesse an individuellen Förder- Laut einer Studie des Wirtschaftsprüfungsunterneh- möglichkeiten, auch bei den 37 000 Unternehmen in mens Curacon gibt es bei den Trägern der Eingliede- Deutschland, die keinen Menschen mit Behinderung be- rungshilfe extreme Vorbehalte und Verunsicherungen, schäftigen. und zwar durch zu spät verabschiedete Ausführungsge- setze, ausstehende Landesrahmenverträge, hohe Aufwän- (Dr. [SPD]: Alle de im Vorbereitungsprozess und Zweifel an der Errei- Sachverständigen fanden das falsch!) chung der gesetzlichen Ziele des Bundesteilhabegesetzes. Wir alle müssen gemeinsam in diesem Hohen Hause Aus diesen Gründen müssen wir hier dafür Sorge tra- weitere Anstrengungen unternehmen, damit Deutschland gen, dass sich der eigentliche Ansatz, mehr Teilhabe für die Einhaltung der Behindertenrechtskonvention, welche Menschen mit Behinderung, durch die Einführung und sie im Jahr 2009 unterschrieben hat, erreicht. Diese Ver- die geplanten Änderungen im SGB IX und im SGB XII pflichtung gegenüber den Menschen mit Behinderung nicht ins Gegenteil verkehrt. sollte dementsprechend auch so umgesetzt werden. Bereits bei der Anhörung am Montag haben mehrere Herr Präsident, ich komme zum Schluss. Bei dem vor- Sachverständige diverse Umsetzungsprobleme benannt liegenden Gesetzentwurf ist festzuhalten: Die Bundesre- und Ihnen auch Verbesserungsvorschläge gemacht. Zu gierung nimmt einige wichtige Korrekturen vor, die aber Recht wurde kritisiert, dass Deutschland die Behinder- leider nicht weit genug gehen. Auch durch das kurze Zeit- fenster bis zum Inkrafttreten der neuen Regelungen bleibt (B) tenrechtskonvention nicht zielgerecht umsetzt. Zusätzlich (D) haben Sie mit dem Bundesteilhabegesetz ein Bürokratie- abzuwarten, inwieweit die Umsetzung bis 1. Januar 2020 monster geschaffen, anstatt Leistungen für Menschen mit auf Länderebene überhaupt gelingen kann. Behinderung individuell und fallbezogen unkompliziert Vielen Dank. bewilligen zu können. (Beifall bei der AfD) (Beifall bei der AfD) Leider haben Sie auch im Bereich der Teilhabe im Ar- Vizepräsidentin : beitsleben zu kurz geworfen. Seit 2015 kritisiert der Fach- ausschuss der UN, wie sich in einigen Bereichen das Le- Die Präsidentin bedankt sich. Danke schön, Uwe Witt. ben von Menschen mit Behinderung in Deutschland Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen, zur entwickelt hat. Für den Bereich „Arbeit und Beschäfti- nächsten Runde. – Nächster Redner: für die CDU/CSU- gung“ kritisierte der UN-Fachausschuss insbesondere fi- Fraktion . nanzielle Fehlanreize, die Menschen mit Behinderungen am Eintritt oder Übergang in den allgemeinen Arbeits- (Beifall bei der CDU/CSU) markt hindern, und den Umstand, dass Behindertenwerk- stätten weder auf den Übergang zum allgemeinen Ar- Wilfried Oellers (CDU/CSU): beitsmarkt vorbereiten noch diesen Übergang fördern. Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Sehr geehrte Damen und Der Ausschuss der UN empfiehlt weiterhin, durch ent- Herren auf den Zuschauerrängen! Wir beraten heute ein sprechende Vorschriften wirksam einen inklusiven, mit Änderungsgesetz zu den Sozialbüchern XII und IX. Dies dem Übereinkommen in Einklang stehenden Arbeits- sind Konsequenzen aus dem Bundesteilhabegesetz, das markt durch folgende Maßnahmen zu schaffen: durch wir in der letzten Legislaturperiode verabschiedet haben Beschäftigungsmöglichkeiten an zugänglichen Arbeits- und das für Menschen mit einer Beeinträchtigung viel- plätzen, insbesondere für Frauen mit Behinderung, durch fältige Verbesserungen mit sich gebracht hat. Bei einem die sukzessive Abschaffung der Behindertenwerkstätten solch großen Gesetzesvorhaben, das wir hier gestemmt durch Ausstiegsstrategien und Zeitpläne sowie durch An- haben, kann es natürlich sein – und das ist leider Gottes reize für die Beschäftigung bei öffentlichen und privaten eingetreten –, dass es im Rahmen der gesetzlichen For- Arbeitgebern im allgemeinen Arbeitsmarkt. mulierungen Unklarheiten und Widersprüche gibt. Durch Liebe Kollegen, die Anhörung am Montag hat deutlich dieses Änderungsgesetz werden entsprechende Korrekt- gemacht, dass Sie gerade im Bereich der Teilhabe am uren vorgenommen, die sich vornehmlich auf redaktio- Arbeitsleben deutliche Verbesserungen schaffen müssen, nelle Dinge beschränken. Ich bin in meiner Rede im Rah- 14526 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019

Wilfried Oellers (A) men der ersten Lesung darauf eingegangen und darf da- vermeintlich davon ausgeht, dass diese Einrichtungen (C) rauf verweisen. nicht tunlich sind, sage ich Ihnen für meine Fraktion ganz deutlich, dass wir ohne diese Einrichtungen nicht aus- Ausdrücklich eingehen möchte ich auf die Änderungs- kommen. anträge, die wir Ihnen vorgelegt haben und für die wir um Zustimmung bitten. Eine ganz wichtige und vor allen Herzlichen Dank. Dingen dringliche Regelung bezieht sich auf die Nicht- anrechnung der Renten, um Zahlungslücken für den Mo- (Beifall bei der CDU/CSU) nat Januar 2020 zu vermeiden; es geht um § 140 SGB XII. Frau Staatssekretärin Griese ist schon sehr ausführlich auf Vizepräsidentin Claudia Roth: die Umstände eingegangen. Aufgrund des Systemwech- Vielen Dank, Wilfried Oellers. – Nächster Redner: für sels, den wir jetzt anstreben, hin zur Trennung von Ein- die FDP-Fraktion . gliederungshilfen und existenzsichernden Leistungen, kommt es zu dieser Problematik bei der Anrechenbarkeit (Beifall bei der FDP) und zur Anrechnungslücke. Hier würden wir sehenden Auges in die Situation geraten, dass die Menschen, die Jens Beeck (FDP): von dieser Anrechnungsthematik betroffen sind, für den Hochverehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegin- Monat Januar einen Einnahmeausfall hätten und so ihr nen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste des Hauses! Frau tägliches Leben nicht finanzieren könnten. Das können Staatssekretärin Griese, mit dem vorliegenden Reparatur- wir natürlich nicht hinnehmen. Hier ist dringender Hand- gesetz werden überfällige Nachjustierungen im Bundes- lungsbedarf geboten. Deswegen planen wir die einmalige teilhabegesetz vorgenommen, die aber mit Abstand nicht Aussetzung der Anrechnung für den Monat Januar 2020. ausreichen. Frau Griese, wenn Sie sagen, damit würden Die Kosten werden vom Bund übernommen. In die Über- die letzten Hürden abgeräumt, um zu einer erfolgreichen gangsregelung – das ist auch ganz wichtig, weil man da Implementierung zum 1. Januar 2020 zu kommen, dann noch einmal nachjustieren musste – sind alle Betroffenen weiß ich, weil ich Sie hoch schätze und respektiere, dass einbezogen, sodass im Ergebnis jeder Leistungsberech- Sie das selbst nicht geglaubt haben. tigte von dieser positiven Regelung profitieren kann. (Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/ Ein weiterer Punkt – die Staatssekretärin hat es schon DIE GRÜNEN) angesprochen – ist die Ausweitung und Klarstellung bei der Einkommensfreiheit für erwerbstätige Blinde nach Wir Freien Demokraten schlagen vor, die Integration § 82 Absatz 6 SGB XII. Die bisherige Regelung besagt, von Menschen mit Behinderung in den ersten Arbeits- (B) dass von diesem privilegierten Freibetrag nur erwerbstä- markt zu verbessern, indem wir die Kopplung an § 18 (D) tig Leistungsberechtigte profitieren können. Personen, Absatz 1 SGB IV, die dazu führt, dass der sogenannte die „nur“ ein Blindengeld erhalten, aber keine weiteren Minderleistungsausgleich nur auf Mindestlohnniveau er- Einkünfte haben, profitieren von diesem Freibetrag nicht. folgen kann, endlich aufheben; Das ist eine Ungleichbehandlung. Hier wollen wir Ab- (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten hilfe schaffen. Deswegen erfolgt auch hier eine entspre- des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) chende Anpassung. Das hemmt nämlich insbesondere bei Menschen mit ho- Darüber hinaus werden wir bei der Ermittlung von Be- her Qualifikation, die zum Teil ihre Behinderung erst darfssätzen im Hinblick auf die durchschnittlichen nach langer Erwerbstätigkeit erfahren haben, die Integra- Warmmieten Konkretisierungen vornehmen, unter wel- tion in den Arbeitsmarkt und stigmatisiert die Leistung chen Rahmenbedingungen hier die entsprechenden Ver- dieser Menschen, die eben deutlich mehr leisten können. gleichszahlen heranzuziehen sind. Als weiteren Punkt möchte ich die Ergänzungen in § 45 Satz 3 SGB XII er- (Beifall bei der FDP sowie der Abg. Corinna wähnen. Auch das ist eine Änderung in Folge des Bun- Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]) desteilhabegesetzes, damit auch im Teilhabeplanverfah- ren die Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Wir müssen gerade für Menschen mit psychischen Er- Erwerbsminderungsrente erfolgen kann. krankungen mehr tun. Dazu ist das Instrument der ande- ren Leistungsanbieter eingeführt worden, das, unabhän- Wir werden mit diesem Gesetzentwurf, den wir heute gig davon, Herr Oellers, wie man zu Werkstätten für hoffentlich mit Ihrer Zustimmung verabschieden werden, Menschen mit Behinderungen steht, flexibler und schnel- nicht aufhören, tätig zu sein. Mit dem sich schon im par- ler am Markt auch für kleinere und spezifischere Gruppen lamentarischen Verfahren befindlichen Angehörigen- mit deren Bedarfen operieren soll. Wenn das funktionie- Entlastungsgesetz werden wir weitere Verbesserungen ren soll, müsste man sie auf der einen Seite von zu viel für Menschen mit einer Beeinträchtigung vornehmen. Bürokratie entlasten und auf der anderen Seite mindes- Ich möchte hier schon einmal das Budget für Ausbildung tens bei der Privilegierung etwa im Bereich der Aus- ankündigen und insbesondere auch die Entlastung von gleichsabgabe gleichstellen. Die GroKo macht mit die- Angehörigen. sem Gesetzentwurf den genau gegenteiligen Schritt und entzieht dieses Privileg den anderen Leistungsanbietern Weil in meiner Vorrede die Werkstätten für Menschen endgültig. Auch das ist ein völlig falscher Weg, den die mit Behinderung kritisiert worden sind, möchte ich die GroKo an dieser Stelle geht. letzten Sekunden dazu nutzen, eine Lanze für sie zu bre- chen. Auch wenn die UN-Behindertenrechtskonvention (Beifall bei der FDP) Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019 14527

Jens Beeck (A) Im Gegenzug fehlt in diesem Gesetz eigentlich alles an Sören Pellmann (DIE LINKE): (C) materiellen Verbesserungen; da ist gar nicht viel drin. Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Etliches versäumen Sie hier. Und das, was Sie machen, Zunächst möchte ich vorab sagen: Die Anhörung am machen Sie viel zu spät; denn, wie wir schon gesagt ha- Montag hat erneut deutlich gezeigt, welche gravierenden ben, zum 1. Januar 2020 ändert sich Dramatisches. Mängel insbesondere bei der Beteiligung von Menschen mit Behinderungen in Gesetzentwürfen noch immer vor- Für die Familien, für die Betroffenen, für die Leis- liegen. Eine Anhörungsfrist von zehn Tagen ist eben deut- tungserbringer und auch für die Kostenträger sind ganz lich zu wenig. viele Fragen nach wie vor offen. Das betrifft insbesondere die eben nicht sehr personenzentrierte Trennung von (Beifall bei der LINKEN) Fachleistungen der Eingliederungshilfe zu Leistungen Zweiter Kritikpunkt in Bezug auf die Anhörungen. zum Lebensunterhalt. Sie haben zugelassen, dass Quad- Wenn man mit Interessenvertreterinnen und Interessen- ratmeter und Flächen in den Einrichtungen dem SGB- vertretern spricht, wird man gespiegelt bekommen, dass XII-Bereich und dem SGB-IX-Bereich aufwendig zuge- es nicht einmal möglich ist, dass der Deutsche Bundestag ordnet werden mussten, um jetzt, zehn Wochen bevor das Dokumente, die in diesen Anhörungen verwendet wer- Gesetz in Kraft tritt, zu sagen: Es ist vielleicht gar nicht so den, barrierefrei zur Verfügung stellt. So viel zur UN- nötig gewesen, diese Zehntausenden von Stunden zu in- BRK. vestieren, weil wir jetzt sagen: Oberhalb der 125-Prozent- Grenze werden die Fachleistungen von der Eingliede- (Beifall bei der LINKEN sowie bei rungshilfe übernommen. – Das hätte man viel früher ma- Abgeordneten der FDP) chen können. Dann hätten die Einrichtungen die Chance Auch das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist für uns ein gehabt, sich früher auf das einzustellen, was zum 1. Januar deutlicher Rückschritt und ein Verstoß gegen die UN- 2020 erfolgt. Behindertenrechtskonvention, insbesondere wenn es um Es geht aber noch weiter. Nachdem Sie zugelassen ha- Partizipation geht. Ich habe dazu bei der Bundesregierung ben, dass man Einkauf und Zubereitung von Mittagessen angefragt und erhoffe mir in der nächsten Woche eine unterschiedlich bewerten muss, kommt mit dem Gesetz Antwort, wie denn die Bundesregierung zukünftig bei für die Elektromobilität – früher hieß es Jahressteuerge- Anhörungen mit der barrierefreien Verfügbarkeit von Do- setz – noch eine möglicherweise teilweise Umsatzbe- kumenten umgehen wird. steuerung des Mittagessens in den Einrichtungen hinzu. Nun aber zu den heute hier zu beratenden Anträgen und Das soll Personenzentriertheit sein? Ich kann Ihnen nur zum Gesetzentwurf. Die verpflichtende Beschäftigungs- sagen: Das versteht niemand. quote wurde gesenkt. Man hat gehofft, dass die Wirt- (B) (D) schaft selbst die Initiative ergreift und mehr Menschen (Beifall bei der FDP) mit Behinderungen beschäftigt. Der Beschluss, die Sie hätten sich handlungsfähig zeigen können, indem Schwerbehindertenausgleichsabgabe abzusenken, feierte Sie das, was in umfassenden Änderungsanträgen im Aus- vor wenigen Tagen im Übrigen 19. Geburtstag. schuss von den Freien Demokraten, von den Grünen, von Ich bin in den Katakomben des Deutschen Bundestages den Linken eingebracht worden ist, in den Gesetzentwurf gewesen, im Keller, und habe im Archiv gekramt. Da gibt aufgenommen hätten, um zu einer besseren Integration es eine Drucksache mit der Nummer 14/3799. Sie ist zum 1. Januar 2020 beizutragen. Das versäumen Sie hier schon einige Jahre alt; sie stammt aus dem Jahr 2000. leider. Umgekehrt holen Sie die Regelung zur drohenden Damals hieß der Bundeskanzler Gerhard Schröder. Es Zahlungslücke, die Sie aus dem Entwurf herausgenom- ging um den Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und men und in das Angehörigen-Entlastungsgesetz gepackt Bündnis 90/Die Grünen mit dem Titel „Entwurf eines haben, jetzt wieder zurück. Das ist mit Verlaub, Frau Gesetzes zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwer- Staatssekretärin Griese, Chaos und keine strukturierte Tä- behinderter“. Ich zitiere daraus: tigkeit zum Wohle der Menschen mit Behinderung. Das hilft am Ende nicht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll die Chan- cengleichheit schwerbehinderter Menschen im Ar- Frau Präsidentin, ich komme zum Ende. Das Repara- beits- und Berufsleben verbessert und die Arbeits- turgesetz, das Sie jetzt selbst so nennen, bleibt unzurei- losigkeit schnellstmöglich und nachhaltig abgebaut chend. Zehn Wochen vor dem Jahreswechsel ist das ein werden. Gesetzentwurf der verpassten Gelegenheiten. Deswegen Um einen Anreiz für die Wirtschaft zu schaffen, senkte ist er auch nicht zustimmungsfähig. man die Schwerbehindertenausgleichsabgabe von 6 auf Vielen Dank. 5 Prozent. Das ist fast 20 Jahre her. Wenn man sich die Unterlagen zur Anhörung zum da- (Beifall bei der FDP) maligen Gesetzentwurf anschaut, stellt man fest, dass zwei Angehörte hervorstechen. Das ist zum einen der Vizepräsidentin Claudia Roth: Deutsche Gewerkschaftsbund. Er sprach damals schon, Vielen Dank, Jens Beeck. – Nächster Redner in der vor fast 20 Jahren, davon, dass die Höhe der Ausgleichs- Debatte: Sören Pellmann für die Fraktion Die Linke. abgabe deutlich zu gering berechnet sei und man, wenn man die Quote absenkt, schauen müsse, ob das tatsächlich (Beifall bei der LINKEN) Wirkung entfaltet. Man hat gehofft, dass es innerhalb 14528 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019

Sören Pellmann (A) eines Jahres zur Evaluierung kommt. Und die Bundesver- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so- (C) einigung der Deutschen Arbeitgeberverbände – auch sie wie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. ist damals angehört worden – hat ausgeführt, dass man Sören Pellmann [DIE LINKE]) gegen Sanktionen, Pflichtquoten und eine Ausgleichsab- Ich muss Ihnen aber leider sagen – es waren ja nicht alle, gabe sei und die Leistungsfähigkeit von Behinderten – so die heute Abend anwesend sind, am Montag bei der An- hieß es damals noch – generell infrage stelle. hörung –: Dort sind uns solche Geschichten erzählt wor- (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: den. Jeder, der in diesem Bereich arbeitet, weiß, dass es Unglaublich!) oft vorkommt, dass Leute dahin gehend beraten werden, eine Arbeit in den Werkstätten aufzunehmen. Wenn man sich die Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderungen anschaut, wird man feststellen, dass Ich erinnere noch einmal daran, wozu das Bundesteil- diese, gemessen an der Zahl der Betroffenen, deutlich habegesetz auch gedacht war, was der Anspruch, was die erhöht ist. Menschen mit Behinderung sind länger ar- Erwartung war und was wir auch erwarten konnten, dass beitssuchend als Menschen ohne Behinderung. Wollen nämlich die Arbeitsmarktsituation von Menschen mit Be- wir diese Benachteiligungen weiter dulden? hinderung in diesem Land tatsächlich verbessert wird. Wir können heute, nachdem das Gesetz doch einige Jahre (Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!) alt ist, konstatieren, dass es leider keine solche Wirkung Wollen wir diese Menschen allein der freien Wirtschaft erzielt hat. Die Bundesregierung leistet mit dem, was sie überlassen? Die Linke sagt klar Nein. heute an Nachbesserungen vorlegt, dazu auch keinen we- sentlichen Beitrag. Wir müssen sagen: Das ist wieder ein- (Beifall bei der LINKEN) mal deutlich zu kurz gesprungen. Auch das Wegducken vor der Wirtschaft muss endlich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ein Ende haben. Deswegen hat die Linke vorgeschlagen, sowie bei Abgeordneten der FDP) die Ausgleichsabgabe deutlich zu erhöhen; denn nur eine Schauen wir uns die Situation in Deutschland an, und Erhöhung schafft für die Wirtschaft Anreiz und Ver- bleiben wir beim Thema Arbeit: Es arbeiten immer mehr pflichtung, damit tatsächlich mehr Menschen mit Menschen in Werkstätten und eben nicht weniger, wie es Schwerbehinderung eingestellt werden. eigentlich der Anspruch dieser Bundesrepublik sein (Beifall des Abg. [DIE müsste. Das bedeutet, dass diese Menschen für sehr we- LINKE]) nig Geld arbeiten – im Durchschnitt für 200 Euro pro Monat – und dass sie mit sehr wenigen Perspektiven ar- (B) Ein zweiter Punkt, auf den ich schon eingegangen bin, beiten; denn weniger als 1 Prozent der Menschen, die in (D) ist die Anhebung der Ausgleichsabgabe auf die ursprüng- diesen Werkstätten beschäftigt sind, bekommen jemals liche Höhe von 6 Prozent. Auch das hat in der Anhörung die Chance, da wieder raus auf den allgemeinen Arbeits- am Montag eine Rolle gespielt. Wenn man sich die tat- markt zu kommen. sächlichen Arbeitslosenstatistiken, und zwar die unge- schönten, anschaut, stellt man fest: Das ist kein Hexen- Mit dem Bundesteilhabegesetz sollten Alternativen zur werk. Lassen Sie uns in diesem Sinne gemeinsam wirken. Arbeit in Werkstätten geschaffen werden. Es wurde end- lich eine bundesgesetzliche Regelung für das sogenannte Vielen Dank. Budget für Arbeit umgesetzt. Für diejenigen, die es nicht wissen: Das ist dazu gedacht, dass Leute, die vielleicht (Beifall bei der LINKEN) ein bisschen langsamer arbeiten, einen Lohnkostenzu- schuss bekommen, damit sie auf dem normalen Arbeits- Vizepräsidentin Claudia Roth: markt einen Arbeitsplatz finden. Das ist ein super Ge- Vielen Dank, Sören Pellmann. – Nächste Rednerin: für danke. Man kann das auch perfekt umsetzen. Aber die Bündnis 90/Die Grünen Corinna Rüffer. Bundesregierung hat es leider so geregelt, dass wir heute in der Situation sind, dass es faktisch nicht mehr Budgets (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) gibt als vor der Einführung auf bundesweiter Ebene. Die- ses Instrument funktioniert so nicht, es fliegt so nicht. Wir Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): brauchen an der Stelle ganz dringend Nachbesserungen, Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Demokratinnen und um Leuten Perspektiven zu geben, die im Moment in Demokraten! Wir stellen uns jetzt einmal vor, wir hätten Werkstätten sind. einen behinderten Menschen vor uns, einen jungen Men- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schen, vielleicht 25 Jahre alt, der mit der Bitte zur Bun- sowie bei Abgeordneten der LINKEN) desagentur für Arbeit geht: Ich möchte in einem ganz normalen Unternehmen beschäftigt werden. – Wir stellen Wir haben ein anderes Instrument, das im Bundesteil- uns dann vor, was ihm geantwortet wird. Das ist nicht habegesetz angelegt ist, die sogenannten anderen Leis- etwa: „Welche Unterstützung brauchen Sie denn, um die- tungsanbieter. Auch dieses Instrument war dazu gedacht, ses Ziel zu erreichen?“, sondern: „Warum gehen Sie denn Alternativen zur Werkstatt zu ermöglichen. Man hat ex- nicht in eine Werkstatt?“ Das ist, liebe Kolleginnen und plizit gesagt: Diese Alternativen sollen möglichst be- Kollegen, ein Zustand, den wir so nicht akzeptieren kön- triebsnah organisiert sein, und sie sollen sich von Werk- nen. Ich glaube, wir sind uns an der Stelle auch alle einig, stätten in diesem Sinne auch total unterscheiden. – Jetzt dass so etwas nicht passieren darf. stellen wir aber fest – auch wieder bei der Anhörung am Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019 14529

Corinna Rüffer (A) Montag; aber die Fachkundigen unter uns wussten das –: gliederungshilferechtes und unterstreichen damit deut- (C) Es gibt in ganz Deutschland, in der gesamten Bundes- lich, dass Leistungsberechtigte eben nicht als Bittsteller republik 14 andere Leistungsanbieter. Das ist unglaub- zum Amt kommen, sondern auf Augenhöhe ihre Anträge lich. Und die müssen dann auch noch nach Kriterien ar- stellen können. beiten, die denen der Werkstätten ähneln, sodass sie sozusagen gar keine andere Leistung erbringen können. (Beifall bei der SPD) Ein Sachverständiger hat gesagt: Die Idee der anderen Zweitens. Die Höhe der Leistung bestimmt sich künf- Leistungsanbieter ist gut. Die gesetzliche Ausformulie- tig nicht danach, in welcher Wohnform die Menschen rung scheint mir blamabel zu sein. – Man könnte hier leben, sondern nach ihrem persönlichen, individuellen stundenlang weiterreden. Bedarf. Der Mensch und sein persönlicher Bedarf treten in den Vordergrund und in den Blickpunkt. Vizepräsidentin Claudia Roth: Drittens. Für die Menschen mit Behinderungen bedeu- Nein, ganz sicher nicht. tet dieses Gesetz ganz konkret, dass sie ab dem 1. Januar 2020 Leistungen erhalten werden, unabhängig davon, ob Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): sie ambulant, teilstationär oder stationär untergebracht Ganz sicher nicht. – Meine Zeit geht jetzt leider zu sind und in solchen Einrichtungen leben. Sie können Ende. Liebe Leute, wir sehen: Wir haben so viel zu tun selbstständig wählen, wo sie wohnen, wie sie wohnen. in diesem Bereich, dass wir heute Abend nicht einmal Das ist ein ganz großer Gewinn für die Menschen in die- einen Anfang gemacht haben. ser Personengruppe. Was ich auch sagen will: Sie bekom- men nicht länger einen Pauschbetrag, sondern ein eigenes Vielen Dank. Bankkonto. Das ist alles ganz entscheidend für mehr (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Selbstbestimmung, für ein Mehr an selbstbestimmtem und bei der LINKEN sowie des Abg. Jens Leben. Beeck [FDP]) (Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Claudia Roth: Mit dem heutigen Beschluss – das wurde mehrfach gesagt – nehmen wir die Reformstufe zur Umsetzung Vielen Dank, Corinna Rüffer. – Der nächste Redner, 1) des Bundesteilhabegesetzes auf, eine der größten sozialen Torbjörn Kartes, gibt seine Rede zu Protokoll. Reformen in den letzten Jahrzehnten, und sorgen dafür, Dann ist die nächste Liverednerin Angelika Glöckner dass die dritte Reformstufe störungsfrei in Kraft treten (B) für die SPD-Fraktion. kann. (D) (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Wilfried Ich möchte noch einen Gedanken ausführen, der hier Oellers [CDU/CSU]) mehrfach geäußert wurde: Wir stellen auch klar, dass so- genannte andere Leistungsanbieter eben nicht gleichge- Angelika Glöckner (SPD): setzt werden mit anerkannten Werkstätten für Menschen Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und mit Behinderungen. Die Vorzüge, die Werkstätten haben, Kollegen! Ich möchte noch einmal auf „zehn Jahre UN- nämlich dass Betriebe ihre Aufträge auf ihre Ausgleichs- Behindertenrechtskonvention“ zurückkommen. Diese abgabe anrechnen lassen können oder dass öffentliche zehn Jahre stehen – das können wir jetzt feststellen, ent- Auftraggeber vorzugsweise an die Werkstätten ihre Auf- gegen allem, was wir gehört haben – für mehr Barriere- träge vergeben, sollen nicht auch für die anderen Leis- freiheit, für mehr Selbstbestimmung, für mehr Inklusion. tungsanbieter gelten. Darauf – das sage ich ganz deutlich – wollen wir uns nicht ausruhen. Wir wollen und wir werden die Situation von (Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- Menschen mit Behinderungen Stück um Stück verbes- NEN]: Warum wollen Sie die Werkstätten denn sern. Das ist der Anspruch der SPD-Fraktion, und das besserstellen?) werden wir genau so verwirklichen. Wir wollen, dass die Werkstätten nicht in ihrer Land- schaft vergrößert werden. Vielmehr ist es die Intention (Beifall bei der SPD) des Gesetzes, dafür Sorge zu tragen, dass die Menschen Ich bin auch deshalb sehr froh, dass wir heute Abend ganz näher an den Arbeitsmarkt herankommen. konkret das SGB IX-/SGB XII-Änderungsgesetz vorle- gen. (Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Dann geben Sie doch den anderen Leis- Natürlich machen wir damit einen ganz wichtigen tungsanbietern die Freiheit, die sie brauchen!) Schritt nach vorne; denn bei diesem Änderungsgesetz geht es im Kern um mehr Teilhabe von Menschen mit Das ist eine Chance für die Menschen, aus den Werkstät- Behinderungen. Ich will an drei Punkten konkret aufzei- ten herauszukommen. Der Antrag der FDP konterkariert gen, was damit gemeint ist. genau diesen Gedanken. Deswegen kann man ihn in der logischen Folge nur ablehnen. Erstens. Wir lösen das Eingliederungshilferecht aus dem Fürsorgerecht heraus als einen eigenen Teil des Ein- (Beifall bei der SPD) Ich möchte noch sagen – meine Zeit ist leider schon 1) Anlage 7 bald um –: 14530 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 118. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 17. Oktober 2019

Angelika Glöckner (A) (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Nur die Redezeit!) (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU, der (C) SPD, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE Ja, es ist viel getan worden, und wir werden noch viel tun. GRÜNEN) Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie sehr, die- sem Gesetz und den Änderungsanträgen der Koalition – Ja, Herr Amthor, Vorsicht. zuzustimmen. Es ist ein gutes Gesetz. Es lohnt sich. Wir setzen die Abstimmung zu der Beschlussempfeh- Vielen Dank. lung des Ausschusses für Arbeit und Soziales auf Druck- sache 19/14120 fort, Tagesordnungspunkt 13 b. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU) Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Be- schlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Frak- tion der FDP auf Drucksache 19/9928 mit dem Titel „Be- Vizepräsidentin Claudia Roth: schäftigungssituation für Menschen mit Behinderung Vielen Dank, Angelika Glöckner. – Der nächste verbessern“. Wer stimmt für diese Beschlussempfeh- Redner, , CDU/CSU-Fraktion, gibt seine Re- 1) lung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die de zu Protokoll. Beschlussempfehlung ist angenommen. Zugestimmt ha- Damit schließe ich die Aussprache. ben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und AfD. Dage- gengestimmt hat die Fraktion der FDP, und enthalten ha- Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bun- ben sich die Fraktionen der Linken und Bündnis 90/Die desregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Grünen. Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozial- gesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften. Der Aus- Weiterhin empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe c schuss für Arbeit und Soziales empfiehlt unter Buchsta- seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags be a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 19/ der Fraktion Die Linke auf Drucksache 19/11099 mit dem 14120, den Gesetzentwurf der Bundesregierung auf Titel „Ausgleichsabgabe deutlich erhöhen und Beschäfti- Drucksache 19/11006 in der Ausschussfassung anzuneh- gungsquote anheben“. Wer stimmt für diese Beschlus- men. sempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Zu- Hierzu liegt ein gemeinsamer Änderungsantrag der gestimmt haben die Fraktionen der SPD, CDU/CSU, FDP Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen auf und AfD. Dagegengestimmt haben die Fraktionen der Drucksache 19/14143 vor, über den wir zuerst abstim- Linken und Bündnis 90/Die Grünen. men. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer (B) stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungs- Schließlich empfiehlt der Ausschuss unter Buchstabe d (D) antrag ist abgelehnt. Zugestimmt haben die Fraktionen seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Dagegenge- des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 19/5907 stimmt haben die Fraktionen der SPD, der CDU/CSU mit dem Titel „Bundesteilhabegesetz nachbessern und und der FDP. Enthalten hat sich die Fraktion der AfD. volle Teilhabe ermöglichen“. Wer stimmt für diese Be- schlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent- Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist angenommen. Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzei- Zugestimmt haben die Fraktionen von SPD, CDU/CSU chen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der und AfD. Gegenstimmen kamen von den Fraktionen der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen. Zu- Linken und Bündnis 90/Die Grünen. Enthalten hat sich gestimmt haben die Fraktionen der Linken, der SPD, von die Fraktion der FDP. Bündnis 90/Die Grünen und der CDU/CSU, in geografi- scher Reihenfolge. Dagegengestimmt hat keine Fraktion. Zusatzpunkt 9. Interfraktionell wird die Überweisung Enthalten haben sich die Fraktionen von FDP und AfD. der Vorlage auf Drucksache 19/10241 an die in der Tages- ordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Ich Dritte Beratung gehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind. Dann verfahren wir so. und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich jetzt zu erheben. – Ich rufe den nächsten Tagesordnungspunkt auf. Das ist Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetz- der Tagesordnungspunkt 16: entwurf ist angenommen bei Zustimmung der Fraktionen Die Linke, SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU Beratung des Antrags der Abgeordneten Albrecht bei Enthaltung der Fraktionen von FDP und AfD. Glaser, Tobias Matthias Peterka, , weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD Es ist wirklich zu laut auf der Regierungsbank. Es tut mir leid. Wahlrechtsreform jetzt – Bundestag auf eine definitive Mandatszahl verkleinern (Beifall bei der LINKEN und dem Drucksache 19/14066 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Überweisungsvorschlag: Schauen Sie, wie ruhig es heute da unten ist. Ausschuss für Inneres und Heimat (f) Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz (f) Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung 1) Anlage 7 Federführung strittig