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Schleswig-Holstein '85 Zur Entwicklung einer Grenzregion Schleswig-Holstein '85 Zur Entwicklung einer Grenzregion

Beiträge zur Frühjahrstagung der Agrarsozialen Gesellschaft e. V. vom 6.-8. Juni 1985 in Flensburg Herausgegeben vom Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und For- sten des Landes Schleswig-Holstein Redaktion: Rüdiger Evert, Kiel Peter Graap, Kiel Druck: Karl Wachholtz Verlag Neumünster, Mai 1985 Titelbild: Sönke-Nissen-Koog, H.-D, Habbe Luftbilder: Christian Nornmensen, HB T 2 963-36, Rheinh, Pfalz 11761/9; Landesvermessungsamt Schleswig-Holstein, SH 510/81; Asmus Sören Petersen, SH 269-1530 Bildnachweis: Staatskanzlei des Landes Schleswig- Holstein; Archiv d. Min. für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Lan- des Schleswig-Holstein; Archiv Schles- wig-Holsteinische Landgesellschaft m, b. H.; Archiv der Stadt Flensburg - Pressestelle -; Archiv des Kreises Schleswig-Flensburg; Archiv S0nderjyl- land; Prof. Dr. Christian Degn, Kiel; Gunnar Fink, Apenrade; Arnold Ger- des, Flensburg; Friedrich Schreiber Flensburg; Willi Riep, Flensburg; Adolf Klug, ; Holger Hansen Tyrstrup; Archiv Landwirtschaftskam- mer Schleswig-Holstein; Archiv Ar- beitsgemeinschaft Deutsches Schles- wig e. V., Archiv Sydslesvigsk Fore- ning, Dansk Generalsekretariat. Flens- burg; Prof, Karl Weigand, Flensburg Materialsammlung der ASG Nr. 170, ISSN 0344-5712 Grußwort

Zur diesjährigen Frühjahrstagung der Agrarsozia- len Gesellschaft in Flensburg grüße ich alle Teil- nehmer und Gäste und heiße Sie im schönen Schleswig-Holstein herzlich willkommen. Das Tagungsthema „Europäische Agrarpolitik - wohin führt der Weg?" rückt Weiterentwicklung und Zukunftsaspekte der EG-Agrarpolitik in den Mittelpunkt der Diskussionen. Diese Fragen und Perspektiven berühren Schleswig-Holstein in be- sonderem Maße. Die Land- und Ernährungswirt- schaft hat traditionell und standortbedingt in unse- rem Lande eine erheblich größere Bedeutung als im übrigen Bundesgebiet, Der Anteil der Landwirt^ schaft an der Bruttowertschöpfung ist mehr als doppelt so groß wie im Bundesdurchschnitt. Ange- sichts dieser besonderen wirtschaftlichen Bedeu- tung des gesamten Agrarbereichs ist für Schles- wig-Holstein eine ausgewogene EG-Agrarpolitik von hoher Bedeutung, die unseren bäuerlichen Be- trieben eine echte Entwicklungschance für die Zu- kunft sichert. Nach der Brüsseler Neuorientierung vor gut einem Jahr stehen wir auch in den kommenden Jahren vor schwierigen agrarpolitischen Entscheidungen. Die beschlossene Süderweiterung wird die Proble- me nicht geringer werden lassen. Um so mehr ha- ben wir darauf zu achten, daß Reformen und Kurs- korrekturen der EG-Agrarpolitik künftig nicht erst wieder im Stadium marktpolitischer Ausweglosig- keit angepackt werden. Durchgreifende Änderun- gen müssen langfristig vorbereitet werden, am ab- sehbaren Markttrend ausgerichtet sein, die Ent- wicklung der Haupterwerbsbetriebe berücksichti- gen und damit das Vertrauen der bäuerlichen Fa- milien in ihre Zukunft stärken. Ich wünsche der Frühjahrstagung einen harmoni- schen Verlauf und Ihren Beratungen gute Ergeb- nisse.

{Dr, Uwe Barschel)

Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein

3 Inhalt

Grußwort 3 für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Dr. Uwe Barsche!, Ministerpräsident des Landes Landes Schleswig-Holstein Schleswig-Holstein Ist der EG-Milchmarkt gerettet? 33 Politik für die Landwirtschaft 7 Dr, Heinrich Hausberg, Ministerialdirigent im Mi- Günter Flessner, Minister für Ernährung, Land- nisterium für Ernährung, Landwirtschaft und For- wirtschaft und Forsten des Landes Schleswig- sten des Landes Schleswig-Hostein Holstein Rechtsfragen im Zusammenhang mit der neuen Landwirtschaft und Landschaftspflege in einer EG-Politik 35 Grenzregion 10 Dr. Käthe Ingeborg Herzog, Regierungsdirekto- Dr. Sönke Trauisen, Staatssekretär im Ministe- rin im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft rium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und Forsten des Landes Schleswig-Holstein des Landes Schleswig-Holstein Aufgaben eines ländlichen Siedlungsunterneh- Auswirkungen der EG-Politik auf die landwirt- mens 37 schaftlichen Betriebe 13 Egon Frhr. v. Gayl, Geschäftsführer der Schles- Karl Eigen, Abgeordneter des Deutschen Bunde- wig-Holsteinischen Landgesellschaft mbH stages und Vorsitzender des Bauernverbandes Schleswig-Holstein e. V, Schleswig-Holsteins Agrarsozialstruktur 40 Prof. Dr. Christian Degn, Professor (em.) an der Auswirkungen der EG-Agrarbeschlüsse auf die Christian-Albrechts-Universität Vermarktung 15 Sönke Paulsen, Präsident des Raiffeisenverban- Aus der Geschichte einer Grenzregion 45 des Schleswig-Holstein und Hamburg e, V, Prof. Dr. Wolfgang Prange, Direktor des Landes- archivs (a. D.), Schleswig Flensburg: Eine Grenzstadt - Probleme und Lö- sungen 17 Programm Nord-was hat es bewirkt, was bleibt Olaf Cord Dielewicz, Oberbürgermeister der zu tun? 47 Stadt Flensburg Arnd v. Reinersdorff, Ministerialrat im Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Ein Grenzkreis - Probleme und Lösungen .... 20 Landes Schleswig-Holstein Dr. Gernot Korthals, Landrat des Kreises Schles- wig-Flensburg

Sonderjylland - der dänische Grenzkreis 23 Große Exkursion am 8. Juni 1985 Krestert Phil/psen, Amtsborgrnesteren S0nderjyl- lands amtsrad Sanierung der Flensburger Förde - ein deutsch- dänisches Anliegen 58 Landwirtschaft in S0nderjylland 1984 26 Paul Hertrampf, Zweiter Bürgermeister der Stadt Gunnar Fink, Landwirtschaftlicher Konsulent, Flensburg Faelleslandboforeningen for Nordslesvig Saaten und Sorten aus Angeln - Portrait eines Landwirtschaftliche Beratung unter veränderten Saatzuchtbetriebes 60 Wirtschaftsbedingungen 29 Asmus Sören Petersen, Inhaber des Saatzucht- Dr. Peter Otzen, Direktor der Landwirtschafts- betriebes P. H. Petersen, Lundsgaard kammer Schleswig-Holstein Fremdenverkehr in einer Grenzregion 63 Agrarstrukturverbesserung im Landesteil Prof. Dr. Karl Weigand, Forschungsstelle für re- Schleswig 31 gionale Landeskunde an der Pädagogischen Brar Roeloffs, Ministerialdirigent im Ministerium Hochschule Flensburg Exkursion Land- und Milchwirtschaft Exkursion Landwirtschaftliche Berufsbildung in Zeichen der Quotenregelung in Dänemark - Landarbeit und Soziales am 6. Juni 1985 am 6. Juni 1985

Eine Meierei in der Grenzregion - Nordfriesland Sozialarbeit in einem Grenzland - aus der Sicht Milch 66 der Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig 78 Adolf Klug, Vorsitzender der Nordfriesland Milch Uwe Lendt, Geschäftsführer der Arbeitsgemein- e. G., Nordhackstedt schaft Deutsches Schleswig e. V.

Tyrstrup - Meierei und Frischwarenterminal .. 68 Soziales und Bildung im deutsch-dänischen Holger Hansen, Direktor der Niederlassung Tyr- Grenzraum 81 strup der Mejeriselskabet Danmark A, rn. b, a. Hans-Joachim Pieper, Abteilungsleiter bei der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein Landwirtschaft auf der Flensburger Geest - Ent- wicklung und Probleme 71 Landwirtschaftliche Ausbildung und Beratung in Dietrich Zidom, Regierungsrat im Amt für Land- Dänemark 84 und Wasserwirtschaft Flensburg Claus Erichsen, Geschäftsführer des Landwirt- schaftlichen Hauptvereins für Nordschleswig Generationswechsel in der dänischen Landwirt- schaft 74 Kultur- und Sozialarbeit in einem Grenzland - aus Erhard Wittmann, Landwirtschaftlicher Konsu- der Sicht der dänischen Minderheit 86 lent beim Landwirtschaftlichen Hauptverein für KarlKring, Generalsekretär des Sydslesvigsk Fo- Nordschleswig rening

Milchquotenregelung in Dänemark 75 Die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig - Friedrich Hindrichsen, Landwirtschaftlicher Kon- Ein prägender Faktor im Grenzland 88 sulent beim Landwirtschaftlichen Hauptverein Peter Iver Johannsen, Generalsekretär des Bun- für Nordschleswig des deutscher Nordschleswiger

Exkursion Gewerbe und Kommunales Exkursion Landwirtschaft und Land- in Dänemark und Schleswig-Holstein schaftspflege am 6. Juni 1985 am 6. Juni 1985 Das Schwerpunktprogramm 90 Politik zur Wirtschaftsentwicklung in Sonderjyl- Arnold Gerdas, Ltd, Regierungsbaudirektor im land 76 Amt für Land- und Wasserwirtschaft Flensburg Henrik Alsted, Abteilungsleiter, S0nderjyllands amtsrad Dorferneuerung in Stapelholm 94 Bernd Hexe/s, Fachbereichsleiter bei der Schles- wig-Holsteinischen Landgesellschaft mbH

Küstenschutzmaßnahmen in der Nordstrander Bucht 98 Friedrich Heddies Andresen, Ltd, Regierungs- baudirektor im Amt für Land- und Wasserwirt- schaft Husum

6 Politik für die Landwirtschaft Günter Flessner

Die Landwirtschaft hat in Schleswig-Holstein auf- grund der natürlichen, wirtschaftlichen und demo- graphischen Verhältnisse eine relativ große Bedeu- tung. Das gilt gleichermaßen für die eng mit der Landwirtschaft verbundene Ernährungswirtschaft In diesen beiden Wirtschaftsbereichen haben rd. 22 v, H. der Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz. Dieser Anteil ist in den nördlichen Landesteilen sogar noch höher. Die Struktur der schleswig-holsteinischen Landwirt- schaft ist vergleichsweise günstig: Von den rd. 21 000 Haupterwerbsbetrieben bewirtschaften über 14 000 mehr als 30 ha LF, Die gute Struktur kommt auch in der Viehhaltung zürn Ausdruck. Von dem Milchkuhbestand des Landes stehen 96 v. H. in Haupterwerbsbetrieben, die durchschnittlich 34 Kühe halten. Auch in der Schweinehaltung weisen die Haupterwerbslandwirte über dem Bundesdurch- schnitt liegende Bestände auf. Diese strukturelle Situation ist das Ergebnis eines Entwicklungsprozesses, der um 1960 verstärkt ein- setzte und sich bis heute weitgehend kontinuierlich fortgesetzt hat. Sie ist zugleich ein Abbild unterneh- merischer Aktivitäten unserer schleswig-holsteini- schen Landwirte. Im Zuge dieser Entwicklung kon- zentrierten sich die Produktionskapazitäten auf we- niger Betriebe. Diese Konzentration ist nicht ohne Problematik, insbesondere wenn ich an den Umwelt- schutz denke. Denn mit dem biologisch-technischen Fortschritt haben in der Landwirtschaft Produktions- methoden Eingang gefunden, die Natur und Land- schaft mehr als früher berühren. So erhöht zwar die Zukunft kaum etwas ändern. Dies wirft angesichts moderne Produktionstechnik im Landbau und in der der Situation auf dem Agrarmarkt große Probleme Tierhaltung die Gewinne, sie erleichtert auch die Ar- auf. Die in fast allen Bereichen vorhandenen Über- beit in den landwirtschaftlichen Betrieben erheblich, schüsse lassen eine Erhöhung der Nahrungsmittel- sie führt aber zum Teil auch zu einer Belastung der produktion global nicht zu. Die Entwicklung der Be- Umwelt. Gleichwohl bejahen wir prinzipiell wirt- triebe durch Wachstum wird dadurch außerordent- schaftliches Wachstum und auch die zwangsläufig lich erschwert. Die Landwirtschaft insgesamt muß damit verbundenen Konzentrationstendenzen, so- sich daher darauf einstellen, den erreichten Produk- weit Flächen und Viehbestände in der Hand bäuerli- tionsstand zu konsolidieren, zum Teil zu verringern. cher Familienbetriebe bleiben. Sie gehören zu einer Die europäische Agrarpolitik ist durch die Entschei- arbeitsteiligen Volkswirtschaft, die eine Grundvor- dung des Agrarministerrats vorn 31. März 1984 in aussetzung für unseren Wohlstand und für einen eine neue Phase eingetreten. Es sind Weichen neu funktionsfähigen sozialen Rechtsstaat ist. gestellt worden. Insbesondere mit der Garantiemen- Zu der Entwicklung der landwirtschaftlichen Betrie- genbegrenzung ist ein grundlegend neues Element be zu leistungsfähigen Einheiten gab es in Schles- in die Milchmarktordnung eingeführt worden. Die wig-Holstein keine Alternative. Im Gegensatz zu an- Festlegung einzelbetrieblicher Garantiemengen be- deren Regionen in der Bundesrepublik sind Chan- deutet eine einschneidende planwirtschaftliche cen für einen Nebenerwerb im industriell-gewerbli- Neuregelung, die alle Milchvieh haltenden Betriebe chen Bereich - abgesehen vom Fremdenverkehr - vor erhebliche Umstellungs- und Anpassungspro- fast nicht vorhanden. Hieran wird sich auch in der bleme stellt. Diese grundlegende Neuausrichtung der Milch- Agrarstruktur und des Küstenschutzes" finanziell marktpolitik hat verständlicherweise zu Unruhe un- abgesichert werden. Hierzu bekennen wir uns. ter den Betroffenen geführt, denn trotz der be- In der Agrarpolitik gibt es für die Bereiche Milch und schlossenen und noch zu treffenden Ausgleichsre- Getreide akute Probleme, die es zu lösen gilt. gelungen sind Einkommensentwicklung und Zu- Zur Milch: Der Selbstversorgungsgrad liegt auch kunftsperspektiven der bäuerlichen Milchvieh hal- nach Einführung der Milchmengenregelung in der tenden Betriebe zumindest zunächst beschnitten. EG immer noch zu hoch. Eine weitere drastische Mittelfristig müssen wir davon ausgehen, daß in der Senkung kann aber in kurzer Zeit nicht vollzogen EG Reglementierungen und Beschränkungen der werden, weil sonst zu viele bäuerliche Betriebe in Milcherzeugung bestehen bleiben. Dies wird ange- Existenznot geraten. Bei allen Überlegungen muß sichts der Überschußsituation, der fehlenden zu- das besondere Augenmerk auf die klein- und mittel- sätzlichen Absatzmöglichkeiten auf dem EG-Bin- bäuerlichen Betriebe gerichtet werden, die eine ge- nenmarkt und dem Weltmarkt sowie aufgrund der ringe Faktorausstattung und meistens keine Alterna- Finanzierungsschwierigkeiten nicht zu umgehen tive zur Milchviehhaltung haben. Diese Betriebs- sein gruppen sind durch die Beschlüsse besonders hart Die Landwirtschaft und die Agrarpolitik müssen sich betroffen und brauchen deshalb auch besondere mit dieser Situation, die mehr noch vom Markt als Anpassungshilfen. durch fehlende Haushaltsmittel bestimmt wird, aus- Anstelle weiterer staatlich verordneter einzelbetrie- einandersetzen. Für die betroffenen Landwirte war blicher Kürzungen sollte die EG so schnell wie mög- die Lage wohl noch nie so schwierig wie heute. Sie lich - spätestens ab 1987 - eine Aufkaufaktion für fragen zu Recht nach den Chancen, die ihnen die Milchlieferrechte einführen. Dadurch könnten wir- Zukunft bietet. Aber für die Agrarpolitik sind die Pro- kungsvoll, finanziell effektiv und auf freiwilliger Basis bleme gleichermaßen schwer zu lösen. Es gibt kein Produktionskapazitäten aus dem Markt genommen Patentrezept für eine am Allgemeinwohl orientierte werden. Gleichzeitig könnten dadurch Milchliefer- Politik. Sektorale Entscheidungen allein werden rechte für Junglandwirte und "Newcomer" zur Verfü- nicht zum Ziele führen. Ein ganzes Bündel von Maß- gung gestellt werden. nahmen wird nötig sein, die aber sicherlich nur Bereits in diesem Jahr und unabhängig von einer schrittweise zu realisieren sind. EG-Aktion beabsichtigt Schleswig-Holstein, zur Re- Vorab kommt es zunächst darauf an, daß alle Kräfte gelung von Problemfällen Milchlieferrechte anzukau- auf allen agrarpolitischen Ebenen zusammenste- fen. Haushaltsmittel in Höhe von 15 Mio. DM hat der hen, um durch vertrauensbildende Maßnahmen den Schleswig-Holsteinische Landtag für 1985 bereitge- Landwirten wieder Zukunftsperspektiven zu eröff- stellt. nen. Unsicherheit lahmt; klare Sicht auf die Rahmen- Damit die Landesmaßnahme und auch die hoffent- bedingungen ist die Voraussetzung für richtige Zu- lich folgende EG-Aktion greifen und in Problemfällen kunftsentscheidungen in jedem unternehmerisch nachhaltig geholfen werden kann, muß für eine geführten Betrieb Übergangszeit die Quotenübertragung von Land- Sodann steht eindeutig im Vordergrund die wirt zu Landwirt weitgehend unterbunden werden. Existenzsicherung der bäuerlichen Familienbetrie- Auch nach den mehrfach geänderten Rechtsvor- be. Sie muß zunächst Vorrang haben vor dem markt- schriften finden immer noch erhebliche unerwünsch- und finanzwirtschaftlich notwendigen Ausgleich von te Strukturverschiebungen statt, die die nachbar- Angebot und Nachfrage. Hierzu gehört, daß die be- schaftlichen Verhältnisse im Berufsstand sehr bela- währten Maßnahmen der Agrarstrukturpolitik prinzi- sten. Ein vorübergehendes Verbot der Quotenüber- piell fortgeführt werden, wöbet eine ständige Anpas- tragung sowie eine für die Praxis befriedigende Re- sung an die jeweiligen Rahmenbedingungen selbst- gelung bei Altpachtverträgen sollte die Bundesre- verständlich ist. Entscheidend für den Erfolg ist die gierung trotz aller Schwierigkeiten in Brüssel durch- Orientierung an regionalen Gegebenheiten. Diese setzen. sind in Schleswig-Holstein anders als z. B. in vielen Wenn die Auswirkungen der einzelbetrieblichen Teilen der süddeutschen Länder. Unsere marktfern Quotenzuteilung überschaubar und die Problemfälle gelegene Landwirtschaft kann nur dann mit markt- gelöst sind, ist zu prüfen, ob als Alternative zur ein- nahen Gebieten konkurrieren, wenn sie überdurch- zelbetrieblichen Gerantiemengenverteilung das Sy- schnittlich gut strukturiert ist. Schon aus diesem stem der Molkerei- oder Regionalquote, orientiert Grunde, aber auch aus ordnungspolitischen Erwä- am dänischen System, zweckmäßiger wäre. Aber gungen, lehne ich jegliche Tendenzen ab, agrarpoli- auch hier gilt: Keine überstürzten neuen Instrumente tische Strukturziele etwa in Form von Betriebsflä- ohne sorgfältige Abwägung. chen oder Viehbestandsgrößen zu nivellieren. Das trifft gleichermaßen für die Frage zu, ob man Eine gezielte Agrarstrukturpolitik hat für Schleswig- langfristig gesehen zur weitergehenden Übertrag- Holstein einen hohen Rang. Für unser finanzschwa- barkeit der Quoten etwa wie in Kanada übergehen ches Land kann diese Politik allerdings nur im Rah- sollte. Wenn überhaupt, kann sie sicherlich nur in men der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der eingeschränktem Maße zugelassen werden, um ei-

8 ner agrarpolitisch unvertretbaren Konzentration der deren Existenz aufgrund hoher Kapitalbelastungen Milchviehhaltung entgegenzuwirken. Möglicherwei- akut gefährdet ist. Ihnen kann mit agrarpolitischen se könnten die bewährten Ordnungsprinzipien, wie Maßnahmen in der Regel nicht geholfen werden. sie seit Jahrzehnten beim Verkauf landwirtschaftli- Dies so deutlich zu sagen, fällt mir schwer, weiß ich cher Grundstücke angewendet werden, Pate ste- doch, daß der Verlust einer landwirtschaftlichen Exi- hen für entsprechende Regelungen bei den Milch- stenz nicht nur den Betriebsleiter, sondern die gan- quoten. „Nur soviel Staat wie nötig", sollte als Devise ze Familie einschließlich Altenteiler zumeist in arge gelten. Not bringt. Andererseits kann der Staat nicht jeden Zum Getreide: Die Marktsituation in der EG war einzelnen Bürger vor allen Wechselfällen des Le- 1984 wegen der hohen Ernte durch einen Getreide- bens bewahren. überschuß von 28 Mio. t gekennzeichnet. Unbe- Um die Existenzgrundlage für die bäuerlichen Be- schadet der hohen Ernte im vergangenen Jahr geht triebe zu verbessern, wird in allen benachteiligten die EG-Kommission für 1990 von einer Getreideern- Gebieten in diesem Jahr eine Ausgleichszulage ge- te von 137 Mio. t (ohne Hartweizen) aus, von der im zahlt, die überdies angehoben worden ist. Vor allem Inland etwa 114 Mio. t verwendet werden. Der Ge- die von der neuen EG-Agrarpolitik betroffenen Land- treideüberschuß würde dann 23 Mio t betragen und wirte sollen sie erhalten. Ob wir damit den richtigen zu einer Verdoppelung der jetzigen Marktordnungs- Weg beschreiten, wird erst die Zukunft erweisen. kosten führen (1984: 2,5 Mrd. ECU). Da derartig Besondere Sorge aber macht mir folgendes: In den hohe Getreideüberschüsse auf Dauer weder zu fi- agrarpolitischen Diskussionen der vergangenen Mo- nanzieren noch zu exportieren sind, müssen Maß- nate habe ich mehrfach den Eindruck gewonnen, nahmen zur Verringerung der Überschüsse ergriffen daß viele Landwirte resignieren. Sind sie von der werden. Vorstellbar wären Agrarpolitik enttäuscht? Oder liegt es auch daran, -Förderung des Anbaus anderer Pflanzen, ggfs. daß sie ihre Zukunftserwartungen zu hoch ange- über Beihilfen setzt hatten? Es werden vielerlei Gründe sein. Aber - Flächenstillegungen, insbesondere in Getreidean- Resignation, Selbstzweifel und Mutlosigkeit lösen baugebieten keine Probleme. Im Gegenteil: Notwendig sind Mut - Langfristige Flächenpachtung durch den Staat, und Selbstvertrauen, aber auch Phantasie und un- Nutzung im Rahmen der Landschaftspflege und ternehmerisches Denken und Handeln. des Umweltschutzes Ein weiteres: In der Öffentlichkeit muß das Verständ- - Zwangsstillegungen (gegen eine derartige Maß- nis für die Probleme der bäuerlichen Familien wieder nahme bestehen rechtliche Bedenken). größer werden. Die öffentliche Diskussion be- Ganz entschieden wende ich mich gegen eine Aus- schränkt sich zu einseitig auf die Marktungleichge- höhlung der Marktordnungen. Im Gegenteil: Die un- wichte und berücksichtigt zu wenig die Sorgen der ter dem Eindruck der drohenden Zahlungsunfähig- Landwirte um die Zukunft ihrer Betriebe. Auch ist keit der Gemeinschaft eingeführten, den agrarpoliti- vielen Verbrauchern sicher nicht klar, daß die für die schen Erfordernissen entgegenlaufenden Maßnah- Landwirte einschneidenden agrarpoiitischen Be- men, wie z. B. Verlängerung des Zahlungszieles bei schlüsse der EG deutliche Vorteile für sie bringen. der Intervention oder Interventionskontingente bei Der ohnehin weit unter dem Lebenshaltungskosten- Getreide, müssen und können jetzt abgeschafft anstieg liegende Preisanstieg für Nahrungsmittel werden. wird gerade für die deutschen Verbraucher in die- Bei allen Überlegungen ist davon auszugehen, daß sem und im nächsten Jahr deutlich gebremst. Die Industrie und Gewerbe z. Z. nur sehr begrenzt in der von den deutschen Landwirten erzeugten Nah- Lage sind, zusätzliche Arbeitskräfte aus der Land- rungsmittel sind preiswert; z. T. sind sie sogar billi- wirtschaft aufzunehmen. Dies kann sich nur ändern, ger zu kaufen als in vergangenen Jahren. Das ist wenn sich die Situation auf denn Arbeitsmarkt bes- eine nicht zu unterschätzende Wohlfahrtssteigerung sert. Eine günstige konjunkturelle Entwicklung liegt für die gesamte Bevölkerung. daher auch im Interesse der Landwirtschaft. Dies Schließlich muß der Berufsstand selbst wieder zur auch deswegen, weil der Absatz landwirtschaftli- Geschlossenheit zurückfinden. Die durch die neuen cher Produkte in starkem Maße von der Höhe derAr- agrarpolitischen Entscheidungen der EG entstande- beitnehmereinkommen abhängt, ne Klimaverschlechterung in den Dörfern, die vieler- Die derzeitige Arbeitsmarktlage ist zweifellos am orts erkennbare Frontenbildung zwischen „Groß" gravierendsten für die vielen Arbeitslosen. Sie ist und „Klein", die Forderungen nach Bestandsober- aber auch nachteilig für die Landwirte, die aus der grenzen in der tierischen Veredlung usw. sind nutz- Landwirtschaft ausscheiden möchten, weil sie auf los und gefährden die Solidarität. Es hat immer un- ihrem Betrieb kein ausreichendes Einkommen mehr terschiedliche Betriebsgrößen und -formen gege- erzielen. Ihnen kann nur empfohlen werden, eine Be- ben, und sie muß es auch weiterhin geben. Das ge- triebsaufgabe erst im Zuge des Generationswech- hört zum Bild einer vielfältigen und zukunftsorientier- sels vorzunehmen. Fehlende Erwerbsalternativen ten Landwirtschaft. Entscheidend ist,daß jeder eine sind aber besonders hart für diejenigen Landwirte, Chance erhält und keine Gruppe einseitig benach- teiligt wird. 9 Landwirtschaft und Landschaftspflege in einer Grenzregion Dr. Sönke Traulsen

Schleswig-Holstein, Grenzland und zugleich Brücke bar. Betriebe mit zeitgerechter Flächen- und Gebäu- nach Skandinavien, ist ein abwechslungsreiches, deausstattung sind entwickelt worden, die Chancen landschaftlich reizvolles Bundesland, Die weiten haben, sich auch den weiteren technischen und Marschen im Westen der nördlichen Grenzregion wirtschaftlichen Erfordernissen anzupassen. Lei- gehen über in die Geest. Leichte, überwiegend san- stungsfähige Wirtschaftswege und für eine vielseiti- dige und anmoorige Böden sind charakteristisch für ge Bodennutzung geordnete wasserwirtschaftliche diese ebene, durch Wälder, Hecken und weite Fluß- Verhältnisse wurden geschaffen. Ein systemati- niederungen gegliederte Landschaft des Mittelrük- sches Windschutznetz auf der Geest und eine kens. An die Geest schließt sich das östliche Hügel- standortgemäße Bodennutzung verhindern Schä- land an, das geprägt ist durch die für unser Land so den durch Winderosionen, die in der Vergangenheit typischen Knicks. nahezu in jedem Frühjahr regelmäßig auftraten. Die unterschiedlichen Landschaftsformen dieser Grenzregion spiegeln auch die vielfältigen Formen der Landwirtschaft wieder, die zusammen mit der Ernährungswirtschaft tragender Wirtschaftsfaktor dieses Raumes ist. Ansiedlung, Erhaltung und Stär- kung von Industrie und Gewerbe konzentrieren sich auf hierfür geeignete Standorte im Bereich der grö- ßeren Städte unseres Landes und der von Hamburg ausgehenden Verkehrsachsen. Die Landwirtschaft bleibt daher in diesem grenznahen Gebiet auch zu- künftig neben dem Fremdenverkehr, der in den Kü- stenbereichen der Nord- und Ostsee schon eine lan- ge Tradition hat und sich auch weiter entwickeln wird, Lebensgrundlage der hier wohnenden und ar- beitenden Menschen. Bäuerliche Familienbetriebe in der Größenordnung zwischen 30 und 60 ha prä- Natumah ausgebaute Wirtschaftswege . , , gen hier das Bild der Landschaft. Die Milchviehhal- tung ist neben der Rindermast und der Schweinehal- Im Rahmen von flächendeckend durchgeführten tung sowie dem Getreideanbau auf den hierfür ge- Flurbereinigungsverfahren, durch die Arbeit der eigneten Standorten der Wirtschaftszweig, der die Wasser- und Bodenverbände und die Bemühungen Existenz der Betriebe sichern muß. Die EG-Agrarbe- der ländlichen Gemeinden wurden gute Vorausset- schlüsse, insbesondere zum Milchmarkt, haben da- zungen für eine rationelle Landwirtschaft geschaf- her für eine Grenzregion wie den Landesteil Schles- fen. wig ein unverhältnismäßig hohes Gewicht. Die Aus- Möglichkeiten, außerhalb der Landwirtschaft Ein- wirkungen sind heute in jedem Dorf, jeder Gemeinde zu spüren. Es gibt zur landwirtschaftlichen Nutzung dieses Raumes keine breiten wirtschaftlichen Alternativen. Von dieser Tatsache ausgehend, hat Schleswig-Hol- stein diese Grenzregion nun seit etwa dreieinhalb Jahrzehnten gezielt gefördert. Diese Förderung ge- schah in einem räumlich abgegrenzten Schwer- punktprogramm, dem „Programm Nord", das neben der direkten Förderung der Landwirtschaft durch betriebliche und überbetriebliche Maßnahmen gleichrangig eine Landentwicklung durch Verbesse- rung der Infrastruktur umfaßte, wobei der Gestal- tung und Erhaltung der Landschaft von Beginn an ein besonderes Gewicht gegeben wurde. Das Ergebnis dieser Politik ist heute deutlich sicht- der Landschaft angepaßte Wasserläufe . . ,

10 kommen zu erwirtschaften, sind auch künftig nur be- grenzt gegeben. Die Landwirte in diesem Raum ste- hen also weit stärker als anderswo vor der Alternati- ve, ihr Einkommen allein aus der Landwirtschaft zu .. erwirtschaften. Dieses auch mit den Mitteln der Agrarpolitik und insbesondere auch über die Markt- und Preispolitik zu sichern, muß unser Ziel bleiben, denn andernfalls würde dieser mit 75 bis 90 Einwoh- nern je km2 ohnehin schon sehr dünn besiedelte Grenzraum noch mehr entvölkert und kaum mehr le- bensfähig bleiben In dieser Situation sollten wir aber auch eine andere Chance der weiteren Entwicklung sehen. Der Druck, den Industrialisierung, bauliche und verkehrliche Entwicklungen sowie andere menschliche Einflüsse . . . und Biotope wie diese Teichanlage bereichem die auf unsere Landschaft ausüben, wird auch künftig in Landschaft weiten Teilen des Bundesgebiets nicht nachlassen. Um so größer wird daher die Bedeutung der nahezu ausschließlich von der Landwirtschaft geprägten Landesmitteln besonders gefördert. Zuwendungs- Gebiete für den Natur- und Artenschutz. Dabei kann empfänger sind Grundstückseigentümer, die hierfür sich der Naturschutz nicht nur auf bestimmte, hierfür Flächen freiwillig zur Verfügung stellen, ausgewiesene mehr oder weniger große Natur- Teiche, Tümpel, Feldgehölze, Straßenbegleitpflan- schutzareale zurückziehen. Es gilt, die Kulturland- zungen oder Knicks sollen neu angelegt oder in ih- schaft in möglichst allen Teilen so zu schützen und rem Zustand verbessert werden. Die große Aufge- zu entwickeln, daß sie den Zielen gerecht wird, die schlossenheit, mit der Landwirte dieser Förderungs- im Bundesnaturschutzgesetz und im Landschafts- möglichkeit gegenüberstehen, läßt erwarten, daß pfiegegesetz unseres Landes verankert sind. Dabei hier künftig noch mehr getan werden kann. In beson- sind naturgemäß Konflikte zwischen den wirtschaft- ders ausgewählten Gemeinden, in denen eine Viel- lichen Interessen des Einzelnen und den ökologi- zahl solcher Maßnahmen geplant und realisiert wer- schen Erfordernissen nicht auszuschließen. Diese den kann, werden zu diesem Zweck auch verein- gilt es zu lösen. Landschaften, die nur wenig von In- fachte Flurbereinigungsverfahren gemäß § 86 Flur- dustrie, Gewerbe, Verkehr und Bevölkerungsdruck bereinigungsgesetz durchgeführt. Die Leistungsfä- beeinflußt sind, haben für den Artenschutz eine er- higkeit einer Teilnehmergemeinschaft und die wenig höhte Bedeutung. Sie sind Rückzugsgebiete für ge- verwaltungsaufwendige rechtliche Sicherung der fährdete Arten. In ihnen kann Flora und Fauna bes- Anlagen durch Bestimmungen des Flurbereini- ser gedeihen, weil der Einfluß des Menschen gerin- gungsplanes lassen schon heute erkennen, daß da- ger bleibt als in der Nähe der Ballungszentren. mit ein Weg beschriften wurde, der mit geringem Die Kulturlandschaft des Landesteils Schleswig ist Aufwand viel bewirken kann trotz ihrer intensiven landwirtschaftlichen Bewirt- Nicht verkannt werden darf vor allem, daß mit der schaftung in ihrer Vielgestaltigkeit besonders in der Förderung solcher Maßnahmen und dem Verbleib Lage, diese bedeutende Funktion für den Natur- der geschaffenen Anlagen in Eigentum und Unter- schutz zu übernehmen. Eine Vielzahl von Kleinbioto- haltung der Grundstückseigentümer auch ein be- pen, wie kleinere Feldgehölze und Wälder, Hecken sonderes Interesse der Landwirte für die Land- und Knicks, Wegeränder und Buschgruppen, Klein- schaftspflege und für den Erhalt der Landschaft ge- gewässer und Feuchtflächen, verbunden mit dem weckt und gesichert werden kann. Gerade dies ist hohen Anteil an Grünland und Futterbauflächen ein wesentliches Element der Naturschutzpolitik ei- also von intensiv und weniger intensiv genutzten nes Landes, das Verständnis, Eigeninteresse und Flächen, bietet Lebensräume für Pflanzen und Tie- Engagement des Einzelnen, insbesondere des re, die es in dieser Fülle und Reichhaltigkeit in unse- Grundstückseigentümers, für die Belange der Land- rem Lande nur noch selten gibt. Die Abgeschieden- schaftspflege wecken will. Gesetzliche Gebote und heit des Raumes und die geringe Bevölkerungsdich- Verbote sind sicher unumgänglich. Sie bewirken te sind aus dieser Sicht zusätzliche positive Fakto- aber wenig, wenn nicht gleichzeitig die Einsicht in ren. die Notwendigkeit einer gesunden Naturschutzpoli- Die Landesregierung hat es sich zum Ziel gesetzt, tik in breiten Kreisen der heimischen Bevölkerung die Reichhaltigkeit der Landschaft und damit die Le- vorhanden ist. Die Förderung gezielter Maßnahmen bensgrundlagen für wildlebende Pflanzen und Tiere und die Partnerschaft mit den Betroffenen scheinen noch zu verbessern. Seit einigen Jahren werden die mir der richtige Weg. Schaffung neuer und die Erhaltung und Verbesse- Die Niederungsgebiete der Fließgewässer Eider, rung vorhandener Biotope durch Zuschüsse aus Sorge, Treene und ihrer Nebenarme sind geprägt

11 von Wiesen und Weideflächen mit hohen Wasser- Walzen, Schleppen, Mähen in einem bestimmten ständen. Sie bieten wegen ihrer Weiträumigkeit und Zeitraum während der Brut und der Aufzucht der ihrer ständigen Grünlandnutzung Lebensraum vor Jungvögel. Die Weidenutzung während dieser Zeit allem für Wiesenvögel verschiedenster Art. Solche bleibt auf höchstens drei Rinder je ha beschränkt. Gebiete haben für den Artenschutz Bedeutung von Der Entschädigungsbetrag liegt bei maximal 350,- nationalem Rang. DM/ha. Die Verträge werden zunächst für vier Jahre Wenn auch eine andere landwirtschaftliche Nutzung geschlossen mit einem jederzeitigen Rücktrittsrecht als Weide und Wald wegen der moorigen Bodenver- im ersten Jahr (Probejahr). hältnisse nicht möglich ist, so gilt es dennoch, die- Erstmals sollen Verträge 1985 abgeschlossen wer- sen Lebensraum in seinem jetzigen Bestand zu si- den, und es gilt nun, Erfahrungen zu sammeln. Im chern. Auch hier beschreitet die Landesregierung Hinblick auf die hier besonders hart greifende Pro- neue Wege. Während einerseits durch Ankauf grö- duktionsbeschränkung bei Milch ist davon auszuge- ßerer geschlossener Flächen unter wesentlicher Mit- hen, daß entsprechende Verträge angenommen finanzierung des Bundes ein rd. 500 ha großes Na- werden, zumal Alternativen zu einer anderen land- turschutzgebiet auf Grünlandflächen eingerichtet wirtschaftlichen Nutzung für solche Gebiete nicht werden soll, die auch künftig im wesentlichen wie gegeben sind, bisher bewirtschaftet werden sollen, wird in anderen Landwirtschaft und Landschaftspflege stehen oft- Teilen eine Extensivierung der derzeitigen Grünland- mals in einem Spannungsverhältnis. Agrarpolitik und nutzung durch Gewährung von Bewirtschaftungszu- Naturschutzpolitik müssen deshalb künftig verstärkt schüssen an die Landwirte und Grundstückseigen- darauf gerichtet sein, die ökonomischen und ökolo- tümer gefördert. Dies geschieht außerhalb festge- gischen Erfordernisse so aufeinander abzustimmen, setzter Naturschutzgebiete. Zunächst handelt es daß Konflikte abgebaut und gemindert werden. Die sich hierbei um einen Modellversuch: Landwirte ver- Kulturlandschaft unseres nördlichen Landesteiles pflichten sich durch freiwillige Vereinbarungen zu ei- zeigt, daß dies auch möglich ist. Aber dazu bedarf ner extensiveren Nutzung ihrer Flächen. Sie erhalten es auch der Bereitschaft beider Seiten, aufeinander dafür jährlich eine Ausgleichszahlung. Die Be- zuzugehen und neue Wege als Partner zu beschrei- schränkungen beinhalten im wesentlichen ein Ver- ten. Dafür kann diese Grenzregion ein richtungswei- bot der mechanischen Behandlung der Flächen wie sendes Beispiel werden.

12 Auswirkungen der EG-Politik auf die landwirtschaftlichen Betriebe Karl Eigen

Mit dem Jahr 1984 ist in der Agrarpolitik der Europäi- zeugern die Zukunftsperspektiven nimmt, nur eine schen Gemeinschaft eine grundlegende Änderung Notmaßnahme auf Zeit sein. eingetreten. Die Probleme in der gemeinsamen Die erzwungene Produktionsrückführung bei Milch Agrarpolitik und die bedrohliche Lage auf den Agrar- von durchschnittlich 6,7 v. H. wirkt sich spürbar auf märkten machten die Kurskorrektur notwendig. Die die Einkommen der Milcherzeuger aus. Die Verlän- Grundprobleme, insbesondere die steigende Pro- gerung der Zahlungsziele für die Interventionspreise duktivität bei rückläufigem Verbrauch, waren nicht auf 120 Tage, die Umbewertung des Fett-Eiweiß- neu. Hätte man sie früher angepackt, wären sie Verhältnisses sowie die Erhöhung der Erzeugerab- leichter lösbar gewesen. gabe um 1 v, H, führen zu zusätzlichen Einkom- Nun waren die Interventionsbestände bei Butter, mensverlusten. Magermilchpulver, Rindfleisch, Getreide und Wein Ein Teil der Verluste konnte bereits über die höhere zu groß geworden, Bestände, die noch nicht be- Mehrwertsteuer aufgefangen werden. Die durch- zahlt, sondern mit Krediten zwischenfinanziert sind. schnittlichen Auszahlungspreise einschließlich Die Absatzmöglichkeiten sind durch stagnierende Mehrwertsteuer liegen über Vorjahreshöhe. Nachfrage in der Gemeinschaft und auf den überfüll- Die Beschlüsse auf dem Milchmarkt, aber auch die ten Weltmärkten begrenzt. Der finanzielle Spielraum Währungsbeschlüsse haben sich negativ auf den der Gemeinschaft ist darüber hinaus erschöpft, und Rindfleischmarkt ausgewirkt. Zu Beginn des Rinder- die Marktordnungen waren in ernster Gefahr. wirtschaftsjahres fielen die Erzeugerpreise, weil die Bei der dringend notwendigen Kehrtwendung in der Schwachwährungslander ihren negativen Wäh- gemeinsamen Agrarpolitik ist leider nicht alles so rungsausgleich entsprechend der ersten Abbaurate gelaufen, wie es sollte. Die vom Agrarministerrat ge- des positiven deutschen Währungsausgleichs kürz- troffene, längst überfälligen agrarpolitischen Ent- ten, so daß unsere Exporteure dadurch Verluste er- scheidungen sind ein Diktat der leeren Kassen ge- litten. Und durch das steigende Kuhangebot infolge wesen. Doch bemühen wir uns, daß der Neubeginn der Quotenregelung erlebten wir einen rapiden ein Weg aus der Krise für alle Landwirte wird. Preissturz bei allen Gattungen. Kurz zusammengefaßt die Brüsseler Entscheidun- Neben den nationalen Ausgleichszahlungen über gen: die Mehrwertsteuer konnten wir 1984 eine Anhe- - Einführung der Garantiemengen-Regelung für bung der Exporterstattungen für weibliche Tiere und Milch Fleisch von weiblichen Tieren, eine Beihilfenaktion -Preissenkungen bei Getreide, Raps und Rind- für die private Lagerhaltung von Rindfleisch, höhere fleisch sowie zusätzliche Preissenkungen durch Interventionsmengen bei Jungbullen und die vorzei- die sogenannten flankierenden Maßnahmen tige Umstellung der Rindfleischintervention auf Hälf- - Stufenweiser Abbau des deutschen Währungs- ten erreichen. Diese Maßnahmen haben dazu beige- ausgleichs. tragen, daß 1984 die Jungbullenpreise unter Be- Diese Brüsseler Beschlüsse haben negative Auswir- rücksichtigung der Mehrwertsteuer nur geringfügig kungen auf die Einkommenslage der deutschen unter der Vorjahreshöhe lagen und die Kuhpreise Landwirtschaft, und ohne nationale Ausgleichsmaß- trotz massiver Mehrschlachtungen nicht so stark ge- nahmen hätte sich die ohnehin ungünstige Einkom- fallen sind, wie zunächst befürchtet wurde. menssituation der deutschen Landwirtschaft noch- Auf dem Getreidesektor wurden - mit Ausnahme mals deutlich verschlechtert. Insgesamt hätten wir von Roggen - die Marktordnungspreise erstmals als Folge der Brüsseler März-Beschlüsse Einkom- seit Bestehen der Gemeinschaft gesenkt, und zwar mensverluste von etwa 3,5 bis 4 Mrd.DM hinnehmen um 1 v. H. bei Futtergetreide und um 4 v. H. bei müssen. Nur durch das schnelle Handeln der Bun- Backweizen, Die Verlängerung der Zahlungsziele desregierung konnte dies vermieden werden. führte zu einer zusätzlichen Preisverminderung. Hier konnten Preissenkungen von bis zu 10 v. H. und mehr je Getreideart durch die nationalen Aus- Zu den Märkten gleichszahlungen nicht ausgeglichen werden. Die Auf dem Milchmarkt war angesichts der Überschüs- Kommissionsbeschlüsse vom 20. September 1984, se und der drohenden Nichtfinanzierbarkeit der die Futtergetreide-Intervention für die Bundesrepu- Milchmarktordnung eine Mengenbegrenzung not- blik Deutschland auf 2,5 Mill. t zu begrenzen sowie wendig. Doch kann und darf sie, da sie den Milcher- eine Preisbruchvergütung nicht zu gewähren, haben

13 im vergangenen Jahr zu nochmaligen Preisrückgän- gen am deutschen Getreidemarkt geführt, Diese Be- schlüsse haben neben den wirtschaftlichen negati- ven Folgen zu einem Vertrauensschwund gegen- über den europäischen Organen und der gemeinsa- men Agrarpolitik geführt. Lediglich infolge der insgesamt guten Getreideerträ- ge in der Bundesrepublik Deutschland konnte der verstärkte Preisrückgang ausgeglichen werden. Um die Verluste auf dem Getreidesektor auszuglei- chen bzw. abzumildern, waren eine Preisbruchver- gütung, die Rückgängigmachung der Verlängerung der Zahlungsziele sowie die Aufhebung der Garan- tieschwelle dringend geboten. Auch bei Raps - hier sind 1984 die Marktordnungs- Ein Futterbaubetrieb im Landestei! Schleswig preise um 2 v. H. gesenkt worden - ist die Garantie- schwelle, ebenso wie die Verlängerung der Zah- lungsziele, wieder rückgängig zu machen bzw. auf- zuheben. Kernpunkt der Agrarpolitik muß eine aktive Markt- Obwohl der Ministerrat die Preise für Zuckerrüben und Preispolitik sein. Die Folgen der Brüsseler Be- im März 1984 unverändert gelassen hatte, hat die schlüsse lassen sich nur abmildern, wenn angemes- Kommission am 20. September den Preisbruch infol- sene Preisanhebungen durchgesetzt werden; die ge des Abbaus des positiven deutschen Währungs- nationalen Ausgleichszahlungen reichen nicht aus. ausgleichs schon für die diesjährige Ernte vorgezo- Auf dem Milchmarkt müssen wir wieder zu mehr gen. Die Kommission hat sich damit zu Unrecht ge- Flexibilität zurückkommen. Hier brauchen wir insbe- gen den Ministerratsbeschluß gestellt, und eine Kor- sondere ein Junglandwirte-Programm, Weiterhin gilt rektur des Kommissionsbeschlusses ist deshalb un- nach wie vor, daß der Getreidepreis Eckpreis ist; umgänglich. dies darf bei den bevorstehenden Preisverhandlun- Die Brüsseler März-Beschlüsse sowie die Kommis- gen nicht vergessen werden. sionsentscheidungen vom 20. September 1984 las- Um die Zukunft der bäuerlichen Familienbetriebe zu sen Bestrebungen erkennen, wie sie sich im Dohna- erhalten, muß die sinnvolle Verwendung landwirt- nyi-Papier niedergeschlagen haben, von dem Leit- schaftlicher Rohstoffe gefördert werden. bild des bäuerlichen Familienbetriebes abzurücken. Eine derartige Politik wird von uns strikt abgelehnt Die Erhaltung des bäuerlichen Familienbetriebes muß Grundlage der Agrarpolitik bleiben.

Die Verknüpfung alter Bausubstanz mit einem modernen Boxenlaufstal! ist gelungen

14 Auswirkungen der EG-Agrarbeschlüsse auf die Vermarktung Sönke Paulsen

Die Land- und Ernährungswirtschaft stellt in Schles- Milch und Milcherzeugnisse wig-Holstein einen nach wie vor wichtigen Faktor im Von April bis Dezember 1984 ging die Milchanliefe- Rahmen der Gesamtwirtschaft dar. Der Anteil der rung in Schleswig-Holstein im Vergleich zum Vorjah- Landwirtschaft einschließlich Forstwirtschaft und reszeitraum um 6,5 v. H. zurück. Dies bedeutet Fischerei an der Bruttowertschöpfung liegt mit rund zwangsläufig eine geringere Auslastung der Kapazi- 5 v. H, mehr als doppelt so hoch wie im Bundes- täten in den Meiereien und damit gleichzeitig höhere durchschnitt. Knapp ein Drittel des industriellen Um- Verarbeitungskosten je Kilogramm Milch. Vor allem satzes entfällt auf die Nahrungs- und Genußmittelin- kapitalintensive Meiereien mit hohem technischen dustrie. Jeder fünfte Beschäftigte findet seinen Ar- Niveau wurden hiervon in besonders starkem Maße beitsplatz in der Land- bzw. Ernährungswirtschaft. betroffen. Mittel- und längerfristig muß es in der Eine bedeutende Rolle spielt auch der Agrarexport Meiereiwirtschaft zu einem weiteren Kapazitätsab- mit einem Anteil von 17 v. H. an der Gesamtausfuhr bau kommen, der einen weiteren Konzentrations- des Landes. prozeß nach sich ziehen wird. Entscheidende Fakto- Der Schwerpunkt der Agrarerzeugung liegt auf dem ren für die weitere Entwicklung sind eine noch ko- Gebiet der Veredlungswirtschaft. Knapp 70 v. H. stengünstigere Verarbeitung und die Belebung der der Verkaufserlöse entfallen auf tierische Erzeugnis- Nachfrage im In- und Ausland. Kooperationsmög- se, allein 30 v. H. auf den Verkauf von Milch. Schles- lichkeiten bei der Produktion und auf dem Gebiet wig-Holsteins Bauern erzeugten 1983 2,1 Mill, t Ge- der Vermarktung müssen noch stärker als bisher ge- treide, 254 000 t Raps und 590 000 t Zuckerrüben. nutzt und intensiviert werden. Einen guten Aus- Die Fleischproduktion betrug 370 000 t, die Milch- gangspunkt bietet das von der Meiereizentrale anlieferung erreichte 2,67 Mill. t. Weitere Verkaufs- Nordmark eG, Hamburg, entwickelte Markenpro- früchte mit überregionaler Bedeutung sind Feldge- grarmm „Gut von Holstein", das den Meiereien nicht müsearten sowie Baurnschulerzeugnisse aller Art. nur beim Käse neue Absatzchancen im In- und Aus- Wichtigste Abnehmergebiete für schleswig-holstei- land eröffnet. nische Agrarerzeugnisse sind neben Hamburg und Berlin vor allem die großen Ballungszentren im Ruhr- und Rhein-Main-Gebiet. Aber auch in den Ländern Vieh und Fleisch des Gemeinsamen Marktes sowie in zunehmendem Maße in den Drittländern, unter anderem auch in In enger Beziehung zum Milchmarkt steht auch die den USA, wirbt Schleswig-Holstein mit seinem Her- Entwicklung auf dem Vieh- und Fleischsektor, wo es kunfts- und Qualitätszeichen „Hergestellt und ge- zu einem deutlichen Anstieg der Schlachtungen und prüft in Schleswig-Holstein" mit Erfolg für seine damit zu einer verstärkten Kapazitätsauslastung der Agrarerzeugnisse. Schlachthäuser gekommen ist. Trotz umfangreicher Da mehr als die Hälfte der Agrarerzeugnisse überre- Interventionsmaßnahrnen, privater Lagerhaltung so- gional vermarktet werden muß, steht Schleswig-Hol- wie zusätzlicher Exportbemühungen ist es zu einem stein in einem immer härter werdenden Konkurrenz- Rückgang der Schlachtrinderpreise gekommen. Im kampf zu anderen Regionen innerhalb des Gemein- Schweinefleischsektor führten die Senkungen der samen Marktes. Maßgeblichen Einfluß auf die zu- Währungsausgleichsbeträge zu einer Umleitung der künftige Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Ernäh- Handelsströme, die bisher von Holland nach Frank- rungswirtschaft hat hierbei die im Frühjahr des Jah- reich und Italien gingen, verstärkt auf den deut- res 1984 beschlossene Kurskorrektur der EG-Agrar- schen Markt. politik. Als besonders gravierend sind die Auswir- Wichtig für eine längerfristig gesicherte Kapazitäts- kungen im Bereich der Milch- und Meiereiwirtschaft auslastung der Versandschlachthäuser in Schles- als Folge der Quotenregelung zu beurteilen, da eine wig-Holstein ist eine wieder steigende Schweinepro- große Zahl von Milcherzeugern in den Grünlandge- duktion sowie eine vermehrte Rindermast, die in bieten auf der Geest keine Alternative zur Milchpro- Grenzen einen gewissen Ausgleich für den Rück- duktion besitzt. Einkommensverluste von mehr als gang in der Milchproduktion schaffen können. Die 20 v. H. sind die Folge, die nur zum Teil durch weite- von der Raiffeisen Viehzentrale Schleswig-Holstein re Rationalisierungsmaßnahrnen aufgefangen wer- und der Nordfleisch aufgebaute Vermarktungskette den können. von der Zucht bis hin zum Absatz bietet hier der

15 schleswig-holsteinischen Landwirtschaft einen zu- der Milchquotenregelung gemacht werden. Eine kunftsorientierten Weg. Neuorientierung darf nur schrittweise und auf dem Für den Nutzviehmarkt, insbesondere im Export, Wege eines kalkulierbaren, nachvollziehbaren Stu- bieten sich aufgrund der hervorragenden Stellung fenplanes vollzogen werden, Nur so können die be- der schleswig-holsteinischen Rinderzucht auch zu- trieblichen Dispositionen zeitgerecht hierauf ausge- künftig gute Absatzchancen, die insgesamt zu einer richtet und Fehlinvestitionen im Vermarktungsbe- Stabilisierung der Märkte beitragen können. reich verhindert werden. Deutlich wird dies auch im Futtermittelbereich, wo es durch die Milchquotenre- gelung zu einem erheblichen Rückgang in der Nach- Getreide frage gekommen ist, Geringere Auslastung der Fut- Zunehmende Sorgen bereitet der EG-Getreide- termittelwerke und damit gestiegene Produktions- markt, der ebenfalls durch Überschüsse gekenn- kosten je Einheit sind die Folge, die zur Zeit jedoch zeichnet ist. So waren die Aufnahme und Vermark- kaum auf die Landwirtschaft abgewälzt werden kön- tung der Rekordernte 1984 trotz des allgemein qua- nen. litativ guten Ergebnisses außerordentlich schwierig. Absatzprobleme ergaben sich insbesondere auf- Konsequenzen grund der stagnierenden Nachfrage sowie begrenz- ter Exportmöglichkeiten, Erschwerend wirkten sich Die im Frühjahr des Jahres 1984 beschlossene Kurs- auch die Ablehnung der Preisvergütung sowie die korrektur in der Agrarpolitik stellt die schieswig-hol- Kontingentierung der Getreideintervention aus. Als steinische Landwirtschaft und ihre Vermarktungs- Getreideüberschußland ist gerade Schleswig-Hol- einrichtungen vor neue Probleme und Herausforde- stein in starkem Maße auf den Getreideexport ange- rungen. Angesichts der nach wie vor bestehenden wiesen, der heute innerhalb der EG im wesentlichen Überschüsse auf wichtigen Agrarmärkten wird es von Frankreich und neuerdings von England bestrit- immer schwieriger, die im Lande erzeugten Produk- ten wird. te überregional zu akzeptablen Preisen abzusetzen. Besonders im Hinblick auf den Export besitzt die Der Sicherung der erreichten Marktanteile und Er- französische Landwirtschaft unbestreitbare Wettbe- schließung neuer Absatzmärkte kommt daher eine werbsvorteile. Die Getreidepreise liegen in Frank- immer größere Bedeutung zu, reich 20 bis 25 v. H. niedriger als in Schleswig-Hol- Auch im Bereich der Vermarktung werden die Spiel- stein. Auch bei den Transport- und Umschlagkosten räume für eine aktive Preispolitik und die Gestaltung gibt es erhebliche Unterschiede. Hinzu kommt das von Konditionen immer enger, Bei der Diskussion französische Export-Kreditversicherungsprogramm um den Erhalt eines ausgewogenen Wettbewerbs das es den Exporteuren ermöglicht, den Empfänger- zwischen den verschiedenen Partnern auf der Han- ländern gute Kreditmöglichkeiten einzuräumen. delsstufe muß in diesem Zusammenhang darauf hin- Auch wenn der positive Währungsausgleich in gewiesen werden, daß auch der Landwirt seinem Deutschland ganz abgebaut wird, kann die schles- Vermarktungspartner eine angemessene Handels- wig-holsteinische Getreidewirtschaft kaum mit einer spanne einräumen muß, wenn dies in der gegenwär- wesentlichen Verbesserung ihrer Stellung im Export tigen Situation auch sehr schwer fällt. Wer moderne rechnen, solange nicht eine verbesserte Handha- Anlagen unterhält und vielseitige Dienstleistungen bung der Exportabwicklung gegeben ist. erbringt, kann dieses nur gewährleisten, wenn die Die Rekordernte 1984 hat gezeigt, daß in Schles- Kosten gedeckt sind, wig-Holstein das Ertragspotential im Ackerbau noch Der wirtschaftliche Zwang, über eine konsequente nicht ausgeschöpft ist und auch zukünftig mit einem Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Kostenredu- Anstieg der Produktion bei weiter zunehmenden zierung die Wettbewerbsfähigkeit auf allen Stufen Qualitätsanforderungen gerechnet werden kann, zu erhöhen, wird sich daher weiter fortsetzen und Die Raiffeisen-Warengenossenschaften und der pri- damit einen weiteren Konzentrationsprozeß auf der vate Landhandel werden sich hierauf rechtzeitig ein- Vermarktungs- und Handelsstufe nach sich ziehen. stellen müssen. Zwar wurden bereits in der Vergan- Nur auf diese Weise kann eine ausreichende Er- genheit mit Hilfe von Landes- und EG-Mitteln erhebli- tragskraft als Voraussetzung einer kontinuierlichen che Anstrengungen zur Erhöhung der Lager- und Weiterentwicklung der landwirtschaftlichen Betrie- Vermarktungskapazitäten im Lande unternommen; be und ihrer Vermarktungspartner sichergestellt weitere Strukturrnaßnahmen zum Aufbau leistungs- werden, fähiger Einheiten und damit zur Sicherung der Wett- Die Wirtschaft verlangt für die Zukunft eindeutige bewerbsfähigkeit werden jedoch unumgänglich Vorgaben und Rahmenbedingungen. Abrupte Kurs- sein. wechsel wie in der Agrarpolitik dürfen sich nicht wie- Angesichts der vielfältigen Diskussionen über die derholen. Sie bedeuten das Ende der sozialen Fortentwicklung der Getreidemarktordnung, die Marktwirtschaft, die für uns alle eine große Verpflich- ebenfalls auf eine Begrenzung der Produktion abzie- tung darstellt. len, dürfen jedoch nicht die gleichen Fehler wie bei

16 Flensburg: Eine Grenzstadt Probleme und Lösungen Olaf Cord Dielewicz

Flensburg ist mit rd. 87 000 Einwohnern die dritt- knüpft - zunächst mehr auf privater Ebene, später größte Stadt im Lande Schleswig-Holstein und einzi- dann auch zwischen offiziellen Stellen. Nach Grün- ges Oberzentrum im Landesteil Schleswig. Das Er- dung der Europäischen Gemeinschaft erkannte man gebnis der aufgrund des Versailler Vertrages durch- frühzeitig, daß die Grenzräume als Nahtstellen zwi- geführten Abstimmungen am 10. Februar und 14 schen den Partnerländern der Gemeinschaft diejeni- März 1920 machte Flensburg zur Grenzstadt. Ein gen Räume sind, in denen sich Erfolg oder Mißerfolg großer Teil des nördlichen Hinterlandes ging verlo- einer europäischen Politik am ehesten zeigt. Im Eu- ren. Die persönlichen Beziehungen der Menschen roparat war es zunächst die „Europäische Kommu- diesseits und jenseits der neuen Grenze wurden nalkonferenz", die sich mit Fragen der Raumord- zwar berührt, jedoch nicht unterbrochen. Für den nung befaßte und dabei die besondere Problematik politischen und administrativen Bereich - also auch von Grenzräumen konkretisierte. Auf der ersten Eu- für die kommunale Gebietskörperschaft Stadt Flens- ropäischen Raumordnungsministerkonferenz im burg - war die Grenzziehung ein tiefer Einschnitt. Jahre 1970 wurde dann festgestellt, daß in den Grenzregionen der Prozeß der Harmonisierung häu- fig durch stark unterschiedliche demographische und wirtschaftliche Entwicklungen erschwert ist. Aus diesen Erkenntnissen haben sich auf europäi- scher Ebene bis heute vielfältige Aktivitäten erge- ben, die zum Ziel haben, den Aspekt der besonde- ren Schwierigkeiten in Grenzräumen verstärkt in po- litische Entscheidungen einließen zu lassen. Diese Aktivitäten hat auch die Stadt Flensburg unterstützt, zuletzt mit ihrem Beitritt in die Arbeitsgemeinschaft Europäischer Grenzregionen (AGEG) im Jahre 1978, Der deutsch-dänische Grenzraum besteht aus dem Landesteil Schleswig (kreisfreie Stadt Flensburg, Kreis Schleswig-Flensburg und Kreis Nordfriesland) mit über 400 000 Einwohnern und dem Kreis Son- derjylland mit weit über 200 000 Einwohnern. Das seit mehr als 60 Jahren dauernde Leben mit dieser Grenze hat zu einer sehr pragmatischen Form des Miteinanders geführt. Gerade im kulturellen und zwi- schenmenschlichen Bereich bestehen starke per- sönliche und verwandtschaftliche Beziehungen über die Grenze hinweg. Auf beiden Seiten gibt es nationale Minderheiten, die zu einer Bereicherung Flensburg - Hafenstadt an der Förde - des kulturellen Lebens in diesem Raum beitragen deutsch/dänisches Grenzgewässer, im Hintergrund Dänemark und die Eigenarten dieser Region entscheidend mit- prägen. Schriftliche Verträge und Institutionalisie- rungen im Rahmen der Zusammenarbeit sind selte- ne Ausnahmen. Doch schon bald zeigten sich der Wunsch und auch Auf der Ebene kommunalpolitischer Alltagsarbeit in der Zwang zu grenzüberschreitender Zusammenar- Grenzräumen werden die Schwierigkeiten der beit, insbesondere auf kommunaler Ebene. In den Durchsetzung theoretischer europäischer Zielset- folgenden Jahren entwickelten sich Kontakte in vie- zungen besonders deutlich. Gemeinsame Fort- len Bereichen. Nach 1933 und während des 2. Welt- schritte können nur in mühsamer Kleinarbeit, bezo- krieges waren sie starken Belastungen ausgesetzt gen auf konkrete Sachprobleme, erreicht werden. und kamen mit wenigen Ausnahmen fast völlig zum Das erfordert ein besonders vorsichtiges Vorgehen, Erliegen. starke Rücksichtnahme auf die Minderheiten in der Sobald es die Verhältnisse in den Aufbaujahren zu- eigenen Grenzregion und den Partner jenseits der ließen, wurden wiederum zunehmend Kontakte ge- Grenze.

17 Im Rahmen dieser Abhandlung kann die grenzüber- Sonderjylland und auf deutscher Seite neben der greifende Zusammenarbeit lediglich stichwortartig Stadt Flensburg auch die Kreise Schleswig-Flens- aufgeführt werden: burg und Nordfriesland angehören. - Grenzwasserkommission Dieses Forum ist eine Arbeitsgemeinschaft mit Grundlage ist der am 4. 10. 1922 zwischen Däne- wechselnder Federführung ohne eigenständiges mark und Deutschland geschlossene Vertrag. Es Sekretariat, Dabei werden in erster Linie gegen- handelt sich um die erste offizielle grenzüber- seitig interessierende Informationen ausgetauscht schreitende kommunale Zusammenarbeit nach sowie erforderlichenfalls gemeinsame Vorstöße der Grenzziehung im Jahre 1920, unternommen bzw, Resolutionen verabschiedet, -Fördekommission um in Einzelfällen gesetzte Ziele zu verfolgen. Man Mit zunehmender Belastung des Wassers der trifft sich in der Regel einmal jährlich. Flensburger Förde durch verschiedene Schad- - Deutsch-Dänische Tage stoffe wuchs Anfang der 70er Jahre die Erkenntnis Sie finden als „Flensburger Tage" bzw. „Deutsch- für die Notwendigkeit grenzübergreifender Zu- Dänische Tage" alle 2 Jahre abwechselnd in sammenarbeit zur Erforschung der Ursachen der Flensburg oder in einer der vier nordschleswig- zunehmenden Verschmutzung. Ziel sind gemein- schen Städte Apenrade, Hadersleben, Sonder- same Maßnahmen zur Regenerierung und Revitali- burg bzw. Tondern statt. Die erste Veranstaltung sierung dieses Teiles der Ostsee. Die als Grundla- waren die „Flensburger Tage" im Herbst 1954. ge dienenden Untersuchungsergebnisse liegen jetzt vor. Die Arbeit der Kommission wurde auch überregio- nal als Beispiel einer grenzüberschreitenden Zu- sammenarbeit zur Lösung gemeinsamer Proble- me gewürdigt, und zwar sowohl auf politischer als auch auf technischer Ebene. - Stromversorgung Das Flensburger Kraftwerk und das Sonderjyl- lands Hojspaendingsvaerk in Apenrade arbeiten seit 1928 auf dem Gebiet der Elektrizitätswirt- schaft eng zusammen. Beide Werke haben sich vertraglich verpflichtet, nach besten Kräften ge- genseitige Unterstützung zu gewähren. Das Vertragsverhältnis ist im Laufe der Zeit immer enger gestaltet worden. 1983 gab es eine weitere Bereicherung der partnerschaftlichen Zusammen- arbeit: Die dänischen Gemeinden Bov und Pad- borg - unmittelbar an der Grenze gelegen - wer- den mit Fernwärme des Flensburger Kohleheiz- kraftwerkes beliefert. - Auslandsfleischbeschau Der größte Teil der Fleischimporte, die aus dem skandinavischen Raum in die Bundesrepublik Nordertor - Wahrzeichen Flensburgs Deutschland gelangen, wird durch das Fleischbe- schauamt der Stadt Flensburg kontrolliert. Die Dienststelle ist auf denn Gelände der dänischen Zollverwaltung in Padborg eingerichtet. Zum Ausgangspunkt der damaligen Überlegun- - Katastrophenschutz gen zur Einrichtung einer solchen Veranstaltungs- Es besteht eine Absprache zwischen den beteilig- reihe wird Hans-Peter Johannsen, früherer Direk- ten Gebietskörperschaften über grenzüberschrei- tor der Flensburger Stadtbücherei, zitiert: „Vom tende Hilfeleistungen im Katastrophenfall. Brennpunkt der Spannung her sollte versucht wer- - Deutsch-Dänisches Forum den, die Hypotheken der Geschichte abzutragen, Mitte der 70er Jahre verstärkte sich das Interesse, was nichts anderes bedeutete, als den Versuch, die bereits bestehenden Kontakte zwischen den mit intellektueller Redlichkeit geschichtliche und politischen Gremien auf beiden Seiten der Grenze aktuelle politische Positionen mit den Mitteln der auszubauen im Interesse einer Lösung gemeinsa- kommunalen Kulturarbeit neu zu werten. Dabei mer Probleme. Aus zunächst bilateralen Kontak- hoffte man, inspirierende Informationen geben zu ten zwischen der Stadt Flensburg und dem Kreis können, mit Hilfe derer es möglich würde, bessere Sonderjylland entstand dann das Deutsch-Däni- Maßstäbe für das Zusammenleben an der Grenze sche Forum, dem auf dänischer Seite das Amt zu setzen."

18 Seit 1971 wurden die Veranstaltungsprogramme Auftritten von Konzert-, Theater- und Balletten- wesentlich erweitert, um breitere Bevölkerungs- sembles. kreise nördlich und südlich der Grenze daran zu - Im wirtschaftlichen Bereich bestehen Kontakte beteiligen. zwischen vergleichbaren Institutionen beiderseits Weitere Arten der Zusammenarbeit: der Grenze - Die Fraktionen der Flensburger Ratsversammlung Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß pflegen seit vielen Jahren einen teilweise sehr en- sich die wechselseitigen Verbindungen im deutsch- gen Kontakt mit dänischen Kommunalvertretungs- dänischen Grenzraum stetig und positiv entwickelt körperschaften und mit der deutschen Volksgrup- haben. Es handelt sich hierbei naturgemäß um einen pe in Nordschleswig. Bereich, in denn ständig und kontinuierlich auf der - Im Bereich der kulturellen Angebote gibt es eine Grundlage des bisher Erreichten weitergearbeitet gute Zusammenarbeit mit z. B. wechselseitigen werden muß.

19 Ein Grenzkreis - Probleme und Lösungen Dr. Gernot Korthals

Der Kreis Schleswig-Flensburg bildet gemeinsam ten Landschaft. In den Hauptmonaten der Saison mit seinem westlichen Nachbarkreis Nordfriesland sind die Betten praktisch ausgebucht. Unser Bestre- sowie der kreisfreien Stadt Flensburg die Grenzre- ben richtet sich daher verstärkt auf die Ausweitung gion der Bundesrepublik Deutschland zum König- der Vor- und Nachsaison. Die Urlaubsform „Ferien reich Dänemark. Mit der hügeligen Knicklandschaft auf dem Lande/Ferien auf dem Bauernhof" wird im- Angeins im Nordosten, den Wäldern und Mooren mer beliebter und bietet landwirtschaftlichen Betrie- der Geest im Westen, den Stapelholmer Marschen ben die willkommene Möglichkeit eines Zuerwerbs. im Süden sowie der langgestreckten Ostseeküste Die Struktur der Landwirtschaft - einem weiteren ist der Kreis Schleswig-Flensburg ein vielgestalti- wichtigen Wirtschaftsfaktor in unserem Raum - be- ges, harmonisches Gebilde mit hohem Wohn- und findet sich seit Jahren im Umbruch. Die Zahl der Be- Freizeitwert. Zahllose charakteristische Sehenswür- triebe geht immer weiter zurück, vor allem die der digkeiten, wie mächtige Holländerwindmühlen, stil- Klein- und Kleinstbetriebe. Diese Betriebe sind heu- volle Dorfkirchen und idyllische Bauernkaten, prä- te kaum noch rentabel. Dafür ist die Zahl der größe- gen sein Landschaftsbild. Etwa 183 000 Menschen ren bäuerlichen Betriebe im allgemeinen gestiegen. leben in den 132 Gemeinden und vier Städten des Im Kreis Schleswig-Flensburg wurden 1960 noch Kreises, Die Kreisstadt Schleswig zählt mit knapp über 9000 Betriebe gezählt, 1970 waren es nur noch 30 000 Einwohnern die meisten Bürger. Trotz einer 7000, im Jahre 1980 ganze 5000, während die Stati- ständig gestiegenen Einwohnerzahl ist der 2071 stik des Jahres 1983 nur noch 4700 Höfe im Kreis- qkm große Kreis Schleswig-Flensburg mit 87 Ein- gebiet erfaßte. Durch diesen Trend zu größeren Be- wohnern pro qkm nach wie vor auffallend dünn be- triebseinheiten, verbunden mit verstärktem Maschi- siedelt. Landwirtschaft und Dienstleistungen be- neneinsatz, gewinnen die Betriebe zwar an Wirt- stimmen seine Wirtschaftsstruktur, Alle Bemühun- schaftlichkeit, es werden jedoch auch Arbeitskräfte gen, neue Gewerbe- und Industriebetriebe in den freigesetzt. Daher ist es nicht unumstritten, diesen hohen Norden zu holen, verliefen bisher alles andere Prozeß der Umstrukturierung noch weiter voranzu- als ermutigend. Die verkehrsferne Grenzlage des treiben. Andererseits ist die Erhaltung und Stärkung Kreises Schleswig-Flensburg zu den wichtigsten dieses wichtigen Wirtschaftszweiges im Interesse Wirtschaftsräumen und Hauptabsatznnärkten in der des gesamten Raumgefüges von großer Bedeu- Bundesrepublik hat sich seit jeher als entscheiden- tung. Viele landwirtschaftliche Betriebe im Kreis der Hemmfaktor für eine nennenswerte Verbesse- Schleswig-Flensburg haben sich spezialisiert, denn rung des Gewerbebesatzes und damit eine Milde- die zahlreichen Verarbeitungs- und Veredlungsbe- rung der Strukturschwäche in dieser Region erwie- triebe in der näheren Umgebung garantieren recht sen. Entsprechend gering sind der Wertschöpfungs- gute Produktionsbedingungen. Die Verflechtungen anteil des produzierenden Gewerbes und das Ni- zwischen der Landwirtschaft und der Ernährungsin- veau der Wirtschaftskraft allgemein. Der Anteil der dustrie tragen wesentlich zur Stärkung beider Berei- Arbeitslosen im Kreis Schleswig-Flensburg ist folg- che bei. Diese Entwicklung ist noch nicht abge- lich stets bedeutend größer gewesen als im übrigen schlossen und gibt auch im Hinblick auf zusätzliche Schleswig-Holstein und im Bundesgebiet. Arbeitsplätze Anlaß zu gedämpfter Zuversicht. Die Ansiedlungsförderung sowie die Ausweisung Vielversprechend für die künftige Entwicklung des neuer Gewerbegebiete und deren Erschließung sind ländlichen Raumes ist das Dorferneuerungspro- in erster Linie bereits vorhandenen Betrieben zugute gramm der Landesregierung Schleswig-Holstein. gekommen, denen ermöglicht wurde, aus beengten Ziel dieses Programms ist eine umfassende Verbes- innerörtlichen Lagen auszusiedeln, sich zu moderni- serung der Agrarstruktur sowie die Erhaltung orts- sieren und zu erweitern. bildprägender Einzelbauten und die Verbesserung Solange der Industrie- und Gewerbebesatz im Lan- und Entwicklung des Ortsbildes der geförderten Ge- desteil Schleswig so gering bleibt wie bisher, wird meinden. Außer den sieben Gemeinden des Stapel- die Wirtschaftsförderung auf dem Gebiet des Frem- holmer Raumes können im Kreis Schleswig-Flens- denverkehrs und der Naherholung von außerordent- burg jährlich zwei Gemeinden in das Dorferneue- licher Bedeutung sein. Hier bestehen noch erhebli- rungsprogramm aufgenommen werden. Da die Mit- che Entwicklungsmöglichkeiten. Der Kreis Schles- tel für dieses Programm natürlich begrenzt sind (das wig-Flensburg profitiert in erster Linie von setner Land stellt pro geförderte Gemeinde 300 000,- DM, reizvollen, vielgestaltigen, noch weitgehend intak- der Kreis und die Gemeinde stellen je 150 000,- DM

20 Urlaub auf dem Bauernhof - im Kreis Schieswig-Flensburg immer beliebter

zur Verfügung), hängt die Wirksamkeit der Förde- tung gegenüber allen vertraglichen Bindungen ha- rungsmaßnahmen im wesentlichen von ihrer Signal- ben die beteiligten Partner hier im Gegensatz zu an- wirkung ab, die zu einer Mobilisierung von Eigenmit- deren Grenzregionen Europas die Form der pragma- teln der Geförderten und andererseits auch zu ei- tischen Zusammenarbeit zur Lösung einzelner nem Nachahmeffekt bei Nachbarn oder in Nachbar- Sachfragen gewählt. Durch enge und gute Kontakte dörfern führen könnte. Die Förderung der Dorfer- im kommunalen und behördlichen Bereich ersetzen neuerung könnte auf diese Weise über den Einsatz wir das Fehlen einer eigens für den Grenzraum ge- der eigentlichen Förderungsmittel hinaus sowohl zur schaffenen Institution. Belebung der Konjunktur als auch zu einer allgemei- Einen ersten, wenn auch sehr zaghaften Schritt in nen Verbesserung der Lebensverhältnisse im ländli- Richtung auf eine Institutionalisierung der Zusam- chen Raum beitragen. menarbeit stellt das seit 1977 bestehende deutsch- Ein wichtiger Faktor, nicht nur für die Wirtschaft in dänische Kommunalforum dar. Diesem Gesprächs- unserer gesamten Region, ist die grenzüberschrei- und Kontaktgretnium gehören die Verwaltungschefs tende Zusammenarbeit mit unserem Nachbarland und einige Kommunalpolitiker des Amtes Sonderjyl- im Norden, Dänemark. Seit Jahrzehnten bemühen land (Dänemark), der Stadt Flensburg sowie der sich die Kommunen auf deutscher und dänischer Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg an. Seite mit gutem Erfolg darum, die nachbarschaftli- Dieses Forum hat den nachbarschaftlichen Dialog che Kooperation auszubauen und mit weiterem Le- erheblich vereinfacht und trotz seiner begrenzten ben zu erfüllen. Das Miteinander über die Grenze Möglichkeiten ermutigende Ergebnisse erzielt, wie hinweg erstreckt sich heute auf die verschiedensten z.B. die Absprache über gegenseitige Hilfeleistun- Bereiche, von der Regional- und Verkehrsplanung, gen bei Katastrophen und schweren Unglücksfällen. dem Küstenschutz, dem Umwelt- und Naturschutz Die Grenzforschungsinstitute in Apenrade und über die Energieversorgung bis hin zum Fremden- Flensburg sind absprachegemäß damit beauftragt verkehr und zu den übrigen wichtigen Wirtschafts- worden, zunächst jeweils für ihren Bereich die För- zweigen. derungsmöglichkeiten im Grenzraum zu erarbeiten Aufgrund der ausgeprägten dänischen Zurückhal- und geeignete Projekte zu benennen. Später soll auf

21 : ä§Sgi>';

Steilküste bei Habernis an der Ostseeküste der Grundlage ihrer Arbeitspapiere ein gemeinsa- schon als traditionell zu bezeichnen. Seit 1965 be- mes Konzept aufgestellt und politisch verabschie- sieht nämlich eine grenzüberschreitende Arbeitsge- det werden. Angestrebt wird ein möglichst umfas- meinschaft, deren Hauptziele die gemeinsame sendes gemeinsames Strukturprogramm für unse- Fremdenverkehrswerbung und die gegenseitige Be- ren Grenzraum, das über die Regierungen in Kopen- ratung und Unterstützung in Fremdenverkehrsange- hagen bzw. Bonn bei der Europäischen Gemein- legenheiten sind. Diese Arbeitsgemeinschaft hat im schaft eingereicht wird, um zusätzliche EG-Mittel in Laufe der Jahre u. a. eine Reihe werbewirksamer diesen Raum zu holen. deutsch-dänischer Broschüren herausgegeben. Dieser Beschluß ist ein enormer Fortschritt in den Eine seit kurzem im Amt Sonderjylland tätige Touri- deutsch-dänischen Beziehungen und von außeror- stikchefin läßt auf eine weitere Intensivierung der dentlicher Bedeutung für die wirtschaftliche Ent- Zusammenarbeit im Fremdenverkehr hoffen. wicklung der Grenzregion. Nur ein gemeinsam ge- Zahlreiche Städte, Gemeinden, Vereine und Ver- tragenes, abgestimmtes Entwicklungsprogramm ist bände des Kreises Schieswig-Flensburg pflegen geeignet, das Problem des Arbeitsplatzdefizits in z. T. schon seit vielen Jahren und mit deutlich zu- unserem gesamten Raum zu mildern. nehmender Tendenz partnerschaftliche Kontakte Ein weiteres Beispie! fruchtbarer Zusammenarbeit über die deutsch-dänische Grenze hinweg. Auch zwischen den Partnern auf deutscher und dänischer die unbefangene freundschaftliche Art dieser Zu- Seite bot die Kommission Flensburger Förde. Ihre sammenkünfte zeigt, daß die europäische Zusam- Aufgabe bestand vor allem darin, die Wasserqualität menarbeit in unserer Grenzregion auf dem richtigen in diesem Grenzgewässer der Ostsee zu überwa- Wege ist; sie ist jedoch noch keineswegs ausge- chen und geeignete Maßnahmen zu deren Verbes- schöpft. serung vorzuschlagen. Die Kommission hat wesent- Wenngleich eine vielgestaltige und vertrauensvolle liche Erkenntnisse über die Flensburger Förde erar- Zusammenarbeit mit unserem Nachbarland im Nor- beitet. den nicht alle Probleme unseres Grenzlandes zu lö- Auch im Fremdenverkehr hat sich die deutsch-däni- sen vermag, so ist sie dennoch für die weitere Ent- sche Zusammenarbeit bewährt und ist beinahe wicklung dieses gesamten Raumes unerläßlich.

22 S0nderjylland - der dänische Grenzkreis Kresten Philipsen

Ich bin aufgefordert worden, über die aktuelle Lage nen die meisten kleinere Gemeinden mit weniger als in Sanderjylland zu berichten. Um eine Übersicht zu 10 000 Einwohnern sind. Nur Haderslev und S0nder- geben, die auch für diejenigen, die sich nicht so gut borg haben je rund 30 000 Einwohner, in dänischen Verhältnissen auskennen, verständlich Kennzeichnend für den Kreis sind also die relativ ist, muß ich etwas in der Zeit zurückgehen. dünne Besiedlung und nach dänischen Maßstäben Der Kreis S0nderjylland setzt sich aus den vier ehe- viele kleine kommunale Einheiten. Es gibt auch kei- maligen Kreisen Haderslev, Aabenraa, Sonderborg ne dominierende größere Stadt in der Region. und T0nder zusammen. Er entstand 1970 im Zuge Die Industrie, dominiert von den Eisen- und Metall- der umfassenden kommunalen Reform in Däne- branchen, ist der wichtigste Wirtschaftszweig. Die mark, wobei die Anzahl der Gemeinden von rund Landwirtschaft spielt eine erheblich größere Rolle 1400 auf 277 und der Kreise von 25 auf 14 reduziert als im übrigen Dänemark. Andere wichtige Gewer- wurde. Geographisch bedeckt der Kreis rund 9 v. H. bezweige sind der Einzei- und Großhandel und das der Gesamtfläche Dänemarks oder etwa 3900 kma. Hoch- und Tiefbaugewerbe. Die Einwohnerzahl beträgt 250 000 oder rund 5 Wegen der Lage Padborgs als größter Knotenpunkt v, H. von der Gesamtbevölkerung unseres Staates. für den Güterverkehr zu Lande hat das Transportge- Das Kreisgebiet besteht aus 23 Gemeinden, von de- werbe einen besonders hohen Stellenwert.

Kreis S0nderjylland

23 keit. Das Ausbildungsangebot für die Jugendlichen in unserem Landesteil ist zu knapp. Das hat zur Fol- ge, daß ein großer Teil der Jugendlichen keine Aus- bildung erhält. Wer eine höhere Ausbildung an- strebt, ist auf Einrichtungen außerhalb des Landes- teils angewiesen. Von fehlenden Ausbildungsmög- lichkeiten sind vor allem Gebiete im mittleren S0n- derjyiland und zum Teil auch der westliche Bereich betroffen. Durch ständigen Druck auf die staatlichen Behörden in Kopenhagen versucht der Kreistag, die Entwicklung zu fördern und mehr Ausbildungsange- bote für den Landesteil zu erreichen. Mit der Planung eines Ausbildungszentrums in Gram Grenzübergang Ellund (Mittels0nderjylland) hat der Kreistag eine besonde- re Initiative ergriffen. Voll ausgebaut wird das Zen- trum den Jugendlichen eine Ausbildung in den Be- reichen Technik und Altenpflege sowie weiterfüh- Der im Vergleich zu anderen Teilen Dänemarks et- renden Schulunterricht anbieten können. Es ist das was schwächere Ausbau des öffentlichen Sektors erste Mal, daß eine solche Initiative in Dänemark zu- ist namentlich historischen Gründen zuzuschreiben standekommt. Wir bemühen uns jetzt um Zuschüs- In entwicklungsmäßiger Hinsicht stellt sich in S0n- se aus dem EG-Regionalfonds für die Einrichtung derjylland das besondere Problem, daß die Struktur des Zentrums. und der Ausbau der gewerblichen Wirtschaft in den Ein weiterer Ansatz des Kreistages ist der Gedanke, östlichen Bereichen am stärksten sind. In den westli- sämtliche Ausbildungsplätze im Kreisgebiet sowohl chen und mittleren Teilen hat sich die Entwicklung die staatlichen als auch die des Kreises und die ge- etwas langsamer vollzogen. meindlichen in einer Gesamtplanung zu erfassen. Der Kreistag hat durch die Regionalplanung ver- Ziel ist, die verschiedenen Fachgebiete zu koordi- sucht, dieses Entwicklungsgefälie auszugleichen; nieren, so daß der Landesteil insgesamt für die Ar- das Problem ist aber, daß der Kreistag über keine gumentation zur Beschaffung möglichst vieler Aus- Mittel zum Ankurbeln der Privatwirtschaft verfügt - bildungsplätze besser gerüstet ist. und wohl auch nicht verfügen sollte. Im öffentlichen Über weitere Ausbildungsstellen hat der Kreistag Sektor kann der Kreistag die Entwicklung durch die eine Zusammenarbeit mit den Nachbarkreisen Vejle Auswahl der Standorte für neue öffentliche Einrich- und Ribe eingeleitet. Sie hat u. a, zur Errichtung ei- tungen und beim Ausbau vorhandener Einrichtun- ner Handelshochschule im südlichen Teil von Jyl- gen fördern - darauf werde ich im Zusammenhang land geführt. Die Hochschule, von Sonderborg aus mit der Ausbildungsplanung zurückkommen. verwaltet, hat Abteilungen in Esbjerg, Kolding und Durch die Erhaltung eines leistungsfähigen öffentli- S0nderborg. chen Personennahverkehrs versucht der Kreistag, Der Gedanke, die Jugendausbildungsstellen auf die Entwicklung zu unterstützen, Zu diesem Zweck Kreisebene zu erfassen, stimmt mit einer Novellie- haben Kreis und Gemeinden eine gemeinschaftliche rung der Ausbildungsgesetze überein, die der Fol- Verkehrsgeseilschaft gebildet, urn die notwendige keting im Frühjahr 1984 verabschiedete. Darin wird finanzielle Grundlage für Buslinien nicht zuletzt in festgelegt, daß die bisher staatlichen Gymnasien ab den dünnbesiedelten Gebieten zu gewährleisten. 1. Januar 1986 den Kreisen übertragen werden sol- Das größte Problem des Landesteils ist die hohe Er- len. werbslosigkeit, die etwa 9 v. H. der vorhandenen Ar- Diese Gesetzesänderung hat eine besondere Be- beitskräfte betrifft. Bis 1979 konnte S0nderjylland deutung für S0nderjyiland, wo nicht weniger als vier sich besser behaupten als der übrige Teil Däne- von den sechs Gymnasien des Landesteils vom marks. Seitdem haben wir aber eine negative Ent- Staat unterhalten werden. Der Kreis hat ein eigenes wicklung, da die Arbeitslosigkeit in einer Periode Gymnasium errichtet, während das sechste Gymna- über dem Landesdurchschnitt gelegen hat. Das sium, das Privatgyrnnasiurn der deutschen Minder- hängt zum Teil mit dem großen Zugang neuer Ar- heit in Aabenraa, unverändert bleibt. beitnehmer zum Arbeitsmarkt, darunter viele Frauen Der Kreistag begrüßt den Beschluß des Folketing, und Jugendliche, zusammen. denn man kann jetzt sagen, daß die Änderungen in Obwohl wir diese Probleme mit ganz Dänemark tei- der Aufgabenverteilung zwischen dein Staat, den len, müssen wir sie in S0nderjylland mit großem Kreisen und den Gemeinden, die eine natürliche Fol- Ernst betrachten, weil die Erwerbslosigkeit zum Teii ge der Neuordnung im Jahre 1970 waren, jetzt im ihren Ursprung in der besonderen Struktur unseres großen und ganzen verwirklicht worden sind. Raumes hat. Die Aufgabenverteilung im öffentlichen Sektor ist Ich denke hier vor allem an die Jugendarbeitslosig- nun relativ klar und überschaubar geworden. Der

24 weitaus größte Teil der örtlichen Aufgaben ist jetzt weiteres bin ich mit dem derzeitigen Niveau in Däne- den Kreisen und Gemeinden übertragen worden, so mark - und in S0nderjylland insbesondere - durch- daß die öffentlichen Aufgaben in Dänemark weitge- aus zufrieden. hend von der kommunalen Selbstverwaltung wahr- Aufgrund der geographischen Lage hat S0nderjyl- genommen werden. land einen engen Kontakt zu den deutschen regio- Diese Selbstverwaltung, die u. a. auf dem Recht zur nalen Behörden und der Landesregierung in Kiel Steuererhebung aufbaut, ist für uns ein sehr wichti- Eine Zusammenarbeit mit Kiel ist eingeleitet wor- ger Grundsatz, den wir erhalten und ausbauen den, die sich ebenso zukunftsorientiert wie perspek- möchten - auch in einer wirtschaftlich kritischen Zeit tivenreich erweisen könnte. unseres Landes. Deshalb sind wir für Anzeichen ei- Viele Probleme, die auf Infrastruktur und unausge- ner staatlichen Einmischung in örtliche Anliegen - wogene Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft nicht zuletzt auf dem Gebiet der Finanzierung - sehr zurückgehen, sind den Räumen nördlich und südlich empfindlich. der Grenze gemeinsam. Durch den Regionalfonds S0nderjyllands Amtskornmune ist finanziell gut fun- der EG können Projekte, die auf ein gemeinsames diert. Wir können die uns auferlegten Aufgaben eini- Handlungsprogramnn über die Grenze hinweg auf- germaßen problemlos finanzieren. Aber der Kreis bauen, finanziell gefördert werden. Der Kreistag muß, wie alle anderen Kreise und Gemeinden auch, Sanderjylland und die Landesregierung in Kiel ha- seinen Teil der Verantwortung für die Gesamtwirt- ben die Forschungsinstitute beiderseits der Grenze schaft Dänemarks tragen. So müssen wir auch unse- mit der Ausarbeitung von Vorschlägen für solche ge- ren Teil der Lasten auf uns nehmen, wenn die Regie- meinsamen Förderungsprojekte beauftragt. Dafür rung zur Zurückhaltung in Sachen öffentliche Ausga- kommen z. B. Ausbildungseinrichtungen, Technolo- ben auffordert, Die finanzielle Verantwortung ist gie und Energieversorgung in Frage. Solche Projek- eben das Pendant zu der erheblichen Kompetenz, te würden zur Stärkung der beiden Grenzräume bei- die den Kreisen und Gemeinden übertragen worden tragen und sie zugleich in einer praktisch betonten ist. Zusammenarbeit enger verknüpfen. Bei einem Besuch, 1984 im Kreishaus in Aabenraa, hat Ministerpräsident Barschel mir gegenüber seine Bereitschaft erklärt, diese Arbeit nach Möglichkeit zu beschleunigen. Ich würde eine weitere Stärkung der Zusammenarbeit über die dänisch-deutsche Grenze hinweg auf diesem Wege sehr begrüßen.

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Jelser Mühle, idyllisches Kleinod - in S0nderjylianct

Nur müssen wir darauf achten, daß die kommunale Selbstverwaltung nicht aus finanziellen Gründen be- schränkt wird, wenn die reale Ursache in einer neu- en Zentralisierungstendenz liegt. Der Dialog zwischen Staat, Kreisen und Gemeinden über den Inhalt der kommunalen Selbstverwaltung wird sicher nie seine Aktualität verlieren, aber bis auf

25 Landwirtschaft in S0nderjylland 1984 Gunnar Fink

Im Landesteil S0nderjylland spielt die Landwirt- zialisierung der Produktion auf einen einzigen Be- schaft produktions- und beschäftigungsmäßig eine triebszweig gegeben: entweder Milchvieh oder bedeutende Rolle. Hier sind 11 v. H. der erwerbstäti- Schweineproduktion mit dazugehörendem Acker- gen Bevölkerung in der eigentlichen Landwirtschaft bau oder Ackerbau allein. beschäftigt gegenüber 6 v, H, im gesamten Däne- Nur wenige Betriebe in S0nderjylland haben eine mark. Dazu kommen viele Arbeitsplätze in Betrie- solche Größe, daß ein hauptberuflicher Landwirt ben, die der Versorgung der Landwirtschaft dienen, durch den Pflanzenbau einen ausreichenden Ertrag landwirtschaftliche Produkte verarbeiten oder erwirtschaften kann. Die Betriebsfiäche wird für den Dienstleistungen für die Landwirtschaft erbringen Anbau von Rauhfutter für Rindvieh (35 v. H.), Getrei- de (57 v. H.) und andere Marktfrüchte wie Raps, Erb- Struktur und Bodenbeschaffenheit sen, Samen u. a. m, {8 v. H.) genutzt. Neue Bewirt- schaftungstechniken sowie ein größerer Anteil von Die gesamte landwirtschaftlich genutzte Fläche Wintersaat (hier hat man u. a. aus Schleswig-Hol- S0nderjyllands beträgt 290 000 ha, das entspricht stein Kenntnisse gewonnen) haben die Erträge spür- 10 v. H. der gesamten landwirtschaftlichen Fläche bar verbessert. Dies hat zusammen mit günstigen Dänemarks. Es gibt im Landesteil rd. 8000 landwirt- klimatischen Bedingungen im Jahre 1984 eine Re- schaftliche Betriebe mit durchschnittlich 36 ha Wirt- kordernte gebracht, die allerdings mit einer Preis- schaftsfläche. senkung von etwa 15 v. H, verbunden war. Es ist zu Die zügige Strukturentwicklung in der Landwirt- erwarten, daß diese Preissenkung wegen der Über- schaft S0nderjyllands bedeutet, daß sich ein Groß- produktion in der EG und anderen Ländern perma- teil der Produktion, insbesondere die tierische, auf nent bleibt. wesentlich weniger Betriebe verteilen wird. So ge- ben jährlich etwa 250 Landwirte die Bewirtschaf- Vieh tung ihrer Betriebe auf; ihre Wirtschaftsflächen über- nehmen die Nachbarbetriebe. Des weiteren bewirt- Die spezialisierten Rindviehbetriebe haben durch- schaften viele Besitzer ihre Höfe als Teilzeitbetriebe schnittlich 42 Milchkühe und eine Wirtschaftsfläche wobei sie nebenher einer Lohnarbeit nachgehen, 45 von 45 ha Eigentum zuzüglich gepachteter Flächen. v. H, der Landwirte in S0nderjylland bewirtschaften Der Rindviehbestand in Sonderj'ylland beträgt zugepachtete Flächen zusammen mit dem eigenen 370 000 Stück, davon 130 000 Milchkühe. Betrieb. Die heutige Entwicklung im Viehsektor ist vom EG- Die Bodengüte in S0nderjylland wechselt stark von Beschluß über die Quotenregelung auf dem Milch- Gegend zu Gegend. Die für den Getreidebau gün- markt geprägt; die Milchproduktion soll im Betriebs- stigsten Bedingungen findet man in den östlichen jahr 1984/85 um 5,6 v. H. im Vergleich zum Vorjahre Teilen, auf der Hochgeest im mittleren Teil und auf gesenkt werden. Darüber hinaus wird in Dänemark den gut entwässerten Marschböden. Dagegen bie- der Versuch unternommen, die ansteckenden tet der mittlere Teil Sanderjyllands die relativ gün- IBR/EPV-Krankheiten* durch tierhygienische Maß- stigsten Bedingungen für Grünland und Rüben, da nahmen statt durch Impfungen auszurotten. Das ist es dort verhältnismäßig gute Möglichkeiten gibt, die in dem Wunsch begründet, ein hohes Veterinärni- unzureichende Fähigkeit des Bodens, Wasser zu- veau zu erhalten, u. a. aus Rücksicht auf die Export- rückzuhalten, durch Feldbewässerung auszuglei- märkte. Dies bedeutet, daß wir in den kommenden chen. In den Marschgebieten hat die Grünlandwirt- Jahren mit einer stagnierenden Milchproduktion schaft die verhältnismäßig besten Bedingungen; wo rechnen müssen, und sich die Produktion auf weni- aber die Entwässerungsverhältnisse in Ordnung ger Betriebe mit Viehbeständen hauptsächlich in sind, können hohe Erträge mit allen gewöhnlichen der Größenordnung zwischen 40 und 150 Kühen Anbauarten erzielt werden. konzentriert. Betriebe mit Schweineproduktion haben durch- Tierische und pflanzliche Produktion schnittlich 67 Sauen und produzieren 890 Mast- schweine pro Jahr. In der Schweinehaltung beob- In den landwirtschaftlichen Betrieben, deren Besit- zer hauptberufliche Landwirte sind, hat es in den letzten Jahren eine deutliche Tendenz zu einer Spe- * respiratorische/genitale Virusinfektion

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£/n Hof in S0nderjylland. Die Einzelhofiage ist typisch für Dänemark

achtet man oit eine weitere Spezialisierung entwe- be. Aus demselben Grund werden Initiativen ergrif- der auf Ferkel- oder Mastschweinerzeugung. Der fen, um es Nicht-Bauernfamilien attraktiver zu ma- Schweinebestand in S0nderjylland beträgt 785 000 chen, sich in stillgelegten landwirtschaftlichen Be- Stück. trieben niederzulassen, wo sie eine hobbybetonte Die Schweineproduktion befindet sich gegenwärtig Landwirtschaft betreiben und die überflüssig gewor- in einer günstigen Periode mit guten Absatzbedin- denen Wirtschaftsgebäude zu anderen Zwecken gungen, u. a. auf Märkten außerhalb der EG, wie in nutzen können. Japan, Kanada und den USA. In den letzten Jahren ist die Effizienz in der Schweinehaltung wesentlich Die Zukunft verbessert worden. Auch in diesem Sektor wird durch Gesundheitsprogrannme auf ein hohes Veteri- Die Sicherung einer großen landwirtschaftlichen närniveau gesetzt. Produktion im Landesteil wird davon abhängen, in- 13 v, H. der Schweineproduktion in S0nderjylland wieweit es gelingt, durch rationelle Produktionsein- entfielen auf sog. SPF- (Specific Pathogen Free-) heiten, sowohl in der Primärproduktion als auch im Schweine. Schlachthof und Meiereisektor sowie auf den Ex- Heute konzentrieren sich etwa 80 v. H. der tieri- portmärkten für traditionelle Lebensmittel konkur- schen Produktion auf 20 v. H. der landwirtschaftli- renzfähig zu bleiben, Dabei ist ebenfalls von großer chen Betriebe. Die Technisierung, die Kosten der Bedeutung, daß die Landwirtschaft ihre Fähigkeiten landwirtschaftlichen Produktion und eine strengere verstärkt, neue Spezialprodukte zu entwickeln (sog. Umweltgesetzgebung werden diese Entwicklung Nischenproduktionen), die sie auf einem Hochpreis- noch verschärfen. Das wird zu einer verstärkten Ab- markt absetzen kann, sowohl im Inland wie auch auf wanderung aus den ländlichen Gebieten führen und speziellen Exportmärkten, Beispiele hierfür sind der sich auf die Dorfbevölkerung auswirken. Dadurch er- ökologische Anbau von Gemüse, die Haltung von schwert sich die Erhaltung der Grundlagen für Hirschwild und die Aalproduktion; diese Produktio- Dienstleistungsfunktionen wie Schulen, öffentlichen nen sind aber bisher nur ein unbedeutender Teil der Personennahverkehr, Kaufläden, Handwerksbetrie- landwirtschaftlichen Erzeugung.

27 ; • -.. n ii n •/ /1 ,. jr/ D/e Autohahn A 7 nach Skandinavien überquert bei Rendsburg den Nord-Ostsee-Kana!

28 Landwirtschaftliche Beratung unter veränderten Wirtschaftsbedingungen Dr. Peter Otzen

Mit seinen Beschlüssen vom März 1984 hat der EG- Kurswechsel in der Agrarpolitik erfordert Neu- Ministerrat eine grundlegende Neuorientierung der orientierung der Beratung gemeinsamen Agrarpolitik vorgenommen. Seitdem ist einige Zeit ins Land gegangen. Wir können die Auch in den vergangenen Jahren war die Landwirt- damaligen Entscheidungen heute mit einem gewis- schaftskammer um fundierte Ausbildung und geziel- sen Abstand betrachten und erste Schlußfolgerun- te Beratung auf den Betrieben bemüht. Wir haben gen daraus ziehen, die für die weitere Entwicklung richtungweisende Leitlinien entwickelt und im Rah- der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein wesentlich men der unserer Arbeit im allgemeinen zugrunde lie- sind: genden Nachfrageberatung nach außen vertreten. - Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß die Die erschwerten wirtschaftlichen Umstände auf den Bedingungen, unter denen die Landwirtschaft in Betrieben machen es allerdings erforderlich, das Zukunft wirtschaften muß, noch schwerer werden. bisherige Beratungskonzept zu überdenken. Dabei Das gilt um so mehr, als die Möglichkeiten für eine geht es vor allem um die Form der Beratung. Die Be- aktive Preispolitik auf absehbare Zeit begrenzt ratungsinhalte werden sich auch nach den jüngsten sein dürften. Die Überversorgung der Märkte mit Agrarmarkt- und Preisbeschlüssen kaum ändern. so wichtigen Produkten wie Milch, Getreide, Raps Es war auch früher schon richtig, Kraftfutter einzu- und Zucker engen den Spielraum dafür erheblich sparen und statt dessen die Milchproduktion aus ein. dem Grundfutter zu steigern, die Schmackhaftigkeit -Andererseits ist die Einkommenslage vieler land- des wirtschaftseigenen Futters und damit die Trok- wirtschaftlicher Betriebe in Schleswig-Holstein kensubstanzaufnahme zu erhöhen, Verluste bei der schon heute völlig unzureichend. Nur das obere Konservierung zu vermeiden. Unsere Forderung Viertel aller Vollerwerbsbetriebe erwirtschaftet im muß lauten: 1500 bis 2000 kg Milch aus dem Grund- Hinblick auf eine angemessene Entwicklung in futter. Leider sind noch allzu viele Betriebsleiter von den nächsten Jahren ausreichende Gewinne. diesem Ziel weit entfernt, Die Unterschiede in den - Mindestens ein Viertel der Betriebe dürfte demge- Deckungsbeiträgen zwischen erfolgreichen und ab- genüber akut gefährdet sein, wenn sich die jetzi- fallenden Betrieben liegen in der Milchviehhaltung gen Preis-Kosten-Verhältnisse nicht zum Besseren bei 1000,- DM je Kuh, Ähnlich ist es bei der Sauen- wenden. Diesen Landwirten ist im wesentlichen haltung. 30,- DM bis 40- DM beträgt die Differenz nur noch durch die sozioökonomische Beratung beim Mastschwein. Auch die optimale Intensität im zu helfen. Marktfruchtbau wird sich nicht ändern. Nur muß der -Verbleibt also die mittlere Gruppe, Ihr muß ver- Einsatz von ertragssteigernden Hilfsmitteln - Pflan- stärkte Aufmerksamkeit gewidmet werden. Das ist zenschutz- und Düngemittel, dazu gehört auch die um so notwendiger, als eine ausreichende Zahl Gülle - gezielter erfolgen. Blickt man in unsere Stati- von außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen im stik, so zeigt sich, daß der Düngeraufwand bei gu- ländlichen Raum nicht zur Verfügung steht. Allein ten und abfallenden Betrieben vergleichbarer Bo- über einen weiteren Strukturwandel lassen sich dengüte etwa gleich hoch ist. Nur erzielen die einen die Probleme daher auf absehbare Zeit nicht lö- damit 65 dt/ha, während die anderen 5 bis 10 dt/ha sen. darunter bleiben. In Geld ausgedrückt heißt das: So ist es kein Wunder, daß immer höhere Erwartun- 250-bis 500-DM/ha. gen in die Ausbildung und Beratung gesetzt wer- Die Reihe der Beispiele ließe sich fortsetzen. Sie zei- den. Wir sind bestrebt, diesen Erwartungen gerecht gen, daß es notwendig ist, unseren Beratungsauf- zu werden. Wir wollen dazu beitragen, daß mög- trag in Zukunft offensiver zu vertreten. Um dadurch lichst viele landwirtschaftliche Betriebe mit ihren Fa- nicht gleichzeitig neue Kosten zu verursachen, wer- milien und Mitarbeitern die Schwierigkeiten von heu- den wir allerdings manche vertraute Leistung vor- te meistern und weiterhin eine Zukunft haben. Damit übergehend zurückstellen müssen, Nicht, weil sie gewinnt die Arbeit der Landwirtschaftskammer zu- weniger wichtig wäre, wohl aber, weil sie im Moment nehmend auch eine soziale Dimension. nicht so dringlich ist. Unter diesem Blickwinkel müs- sen wir auch unsere bisher überwiegende Arbeit mit den beratungswilligen Landwirten bewerten. Sicher- lich war diese Arbeit nicht nur für die Landwirte, son- dern auch für die Berater eine besonders effiziente

29 Form ihres Wirkens, Schon im Interesse der eigenen Außerdem müssen wir enger mit den Banken zu- Fortbildung unserer Mitarbeiter darf sie deshalb ein sammenarbeiten. Sie tragen für die Entwicklung der bestimmtes Mindestmaß nicht unterschreiten. Wir Landwirtschaft eine erhebliche Mitverantwortung. müssen aber auch ehrlich genug sein, um anzuer- Ein „Aufhänger" wäre auch hier die Buchführung. kennen, daß eine derartige Ausrichtung der Bera- Die betriebswirtschaftliche Buchführung ist das be- tung die Disparität innerhalb der Landwirtschaft ste Instrument zur Früherkennung und Ursachen- noch verstärkt. Sie könnte ferner zu dem Eindruck analyse von betrieblichen Fehlentwicklungen. Ich führen, daß sich die Beratung der Kammer allein den könnte mir vorstellen, daß Banken und Landwirt- leistungsfähigen Betrieben zuwendet und in erster schaftskammer hier zu einer vernünftigen Arbeitstei- Linie das Wachstum dieser Betriebe zum Inhalt hat. lung kommen könnten, einer Arbeitsteilung, von der Ein derartiges Image wäre für die Landwirtschafts- alle Beteiligten profitieren: Die Banken, weil ihnen kammer schädlich. auf diese Weise böse Überraschungen am ehesten Wir müssen immer im Auge behalten, daß die Mit- erspart bleiben. Wir, da wir somit eine größere Zahl gliedschaft bei der Landwitschaftskammer eine obli- von Betriebsabschlüssen als Grundlage unserer Be- gatorische ist. Die Kammer ist deshalb für alle Land- ratungstätigkeit erhalten, und die Landwirte, denen wirte da. Das müssen wir in unserer Arbeit deutlicher bei einer Früherkennung von drohenden oder einge- machen. Es geht um mehr Information für alle, Wir tretenen Vermögensverlusten rechtzeitig geholfen müssen deshalb in Zukunft verstärkt auch Landwirte werden kann. ansprechen, die wir bisher nicht erreichen konnten Unser besonderes Augenmerk muß der Ringbera- die von sich aus den Weg zur Landwirtschaftskam- tung gehören. Sie ist die beste, die effektivste Form mer nicht gefunden haben. Das heißt nicht unbe- der Beratung. Sie beinhaltet praktisch alle Kriterien dingt, daß wir jetzt von Tür zu Tür gehen sollten, einer offensiven Beratung, wie wir sie anstreben, um aber wir werden verstärkt Möglichkeiten des Ein- dem Auftrag des Kammergesetzes auch in Zukunft stiegs in die Beratung erschließen und nutzen. Dazu gerecht zu werden. Ich möchte deshalb dankbarV ist unter anderem eine verstärkte Zusammenarbeit hervorheben, daß die Schleswig-holsteinische Lan- zwischen den landwirtschaftlichen Buchstellen und desregierung unsere Arbeit in diesem Bereich mit der Beratung in allen Teilen unseres Landes erfor- erheblichen finanziellen Zuwendungen großzügig derlich. Die Analyse des Buchabschlusses kann unterstützt. Die Landwirtschaft steht vor außeror- sehr oft der Ausgangspunkt einer betrieblichen Be- dentlich schwierigen Aufgaben. Wir sind noch lange ratung sein. Darüber hinaus sollte man bei neuen nicht über den Berg. Aber wir können das schaffen, Förderungsprogrammen die Kammer stets als Bera- wenn wir eng zusammenstehen und alle Beteiligten, tungsinstitut in den Richtlinien berücksichtigen. In- auch die praktischen Landwirte auf den Höfen, vor sofern bin ich besonders dankbar, daß die schles- der Wirklichkeit nicht die Augen verschließen. wig-holsteinische Landesregierung diesem Ge- Die Landwirtschaftskammer wird die ihr übertrage- sichtspunkt im neuen Agrarkreditprogramm, das nen Aufgaben auch in dieser schwierigen Phase ver- 1984 angelaufen ist, Rechnung getragen hat. antwortungsbewußt und engagiert erfüllen.

30 Agrarstrukturverbesserung im Landesteil Schleswig Brar Roeloffs

Der Landesteil Schleswig umfaßt neben der Stadt behinderten über Jahrhunderte eine positive Ent- Flensburg die Landkreise Nordfriesland und Schles- wicklung. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wig-Flensburg sowie die Landschaften Schwansen, bestand daher ein erhebliches Süd-Nord-Gefälle. Dänischer Wohld und Teile des Landkreises Rends- Dies galt für alle Wirtschaftsbereiche, im besonde- burg-Eckernförde. Mit einer Fläche von 542 000 ha ren aber für die Landwirtschaft, den tragenden Wirt- nimmt dieser Landesteil etwa ein Drittel (34 v. H.) schaftszweig in diesem Landesteil. der Fläche unseres Landes ein. Zur Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse Die typischen Naturräume Schleswig-Holsteins - wurde 1953 von der Landesregierung das "Pro- Marsch an der Westküste, Geest auf dem Mittelrük- gramm Nord" eingeleitet, um in umfassender Weise ken, Hügelland an der Ostküste - prägen auch den die Grundausstattung dieses Raumes zu verbes- nördlichen Teil unseres Landes. Diese naturräumli- sern. Dabei waren in den ersten Jahrzehnten die Re- che Gliederung findet eine auch für Schleswig-Hol- gelung der Großwasserwirtschaft und die Flurberei- stein einzigartige Ergänzung durch fünf Inseln und nigung besondere Schwerpunkte. Bis 1975 waren zehn Halligen. 1100 km Festlandsküste an Nord- die Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg und Ostsee erhöhen den Reiz dieser vielgestaltigen fast flächendeckend flurbereinigt (vgl. Karte). Diese Landschaft. beiden Landkreise stellen das größte zusammen- Geest und Hügelland dieses Landesteils sind als hängende Flurbereinigungsgebiet in der Bundesre- Ablagerung der beiden letzten Eiszeiten, die Marsch publik dar. aus Schwemmland des Meeres entstanden. Erdge- Abgestimmt auf die Maßnahmen zur Verbesserung schichtlich handelt es sich daher um „junges" Land. der Infra- und Landschaftsstruktur wurden Entwick- Keine Formation ist älter als 200 000 Jahre. Ganz lungsinvestitionen in landwirtschaftlichen Betrieben jung ist die Marsch. Sie ist zum überwiegenden Teil gezielt gefördert. Die Entwicklung und Sicherung lei- erst in den letzten 500 Jahren, hauptsächlich im 15. stungsfähiger bäuerlicher Familienbetriebe standen und 16. Jahrhundert, eingedeicht worden. Nach von Anfang an im Mittelpunkt der staatlichen Förde- 1950 sind nur 14 000 ha durch Ein- und Vordeichun- rung; der Bund trug in den ersten Jahrzehnten den gen geschützt worden, wovon 1954 der Friedrich- weitaus überwiegenden Anteil. Das Land Schles- Wilhelm-Lübke-Koog mit rd. 1200 ha die letzte Ein- wig-Holstein hätte die Entwicklung dieser Region deichungsmaßnahrne war, die ausschließlich der ohne die finanziellen Hilfen des Bundes nicht finan- Landgewinnung diente. Seitdem ist die Bedeichung zieren können. Dies gilt gleichermaßen für die För- von Kögen nur aus Gründen des Küstenschutzes derung der überbetrieblichen Maßnahmen. Wesent- oder zur Regelung großwasserwirtschaftlicher Pro- liche Finanzierungshilfen hat auch die EG geleistet. bleme erfolgt. Die letzte große Vordeichung Schles- Sie hat von 1965 bis 1984 allein für Maßnahmen zur wig-Holsteins ist z. Z. in der Nordstrander Bucht im Produktionsstrukturverbesserung in den beiden Bau. Landkreisen 41 Mio. DM Zuschüsse gewährt. Hinzu Die lehmhaltigen jungdiluvialen Böden an der Ostkü- kommen noch 51 Mio. DM Zuschüsse für Vorhaben ste konnten von jeher intensiv und rentabel bewirt- zur Verbesserung der Marktstruktur. Somit hat auch schaftet werden. Dagegen war die Geest mit ihren die EG wesentlich dazu beigetragen, die vielfältigen ausgedehnten moorigen Niederungen noch bis zur Landentwicklungsmaßnahmen im nördlichen Lan- Mitte des 19. Jahrhunderts eine überwiegend baum- desteil zu finanzieren. und strauchlose und in weiten Teilen von Heide ge- Die Agrarstrukturverbesserungsrnaßnahmen im be- prägte Halbkulturlandschaft. Landeskulturelle Ver- trieblichen Bereich lagen vor allem in der Hand von besserungsmaßnahrnen setzten hier erst relativ Siedlungsgesellschaften. Dabei ist an erster Stelle spät ein. Die Marsch an der Westküste besaß bo- die Schleswig-Hotsteinische Landgesellschaft mbH denmäßig zwar gute Voraussetzungen für eine er- in Kiel zu nennen, die aufgrund ihrer langjährigen Er- tragreiche Nutzung. Fehlende Entwässerung und fahrungen im Grundstücksverkehr und im Siedlungs- völlig unzureichende Erschließung standen dem je- wesen die Gewähr für sachgerechte und erfolgrei- doch entgegen. Sie ließen vor allen Dingen in den che Durchführung bot. älteren Kögen allenfalls eine extensive Rindviehhal- Natürlich konnten die Standortnachteile des Lan- tung zu. desteils Schleswig durch die Maßnahmen zur Ver- Die besonderen naturräumlichen und wirtschaftli- besserung der Agrarstruktur nicht vollkommen be- chen Gegebenheiten in dieser peripheren Region seitigt werden. Es ist jedoch gelungen, den Abstand

31 zu anderen Regionen des Landes deutlich zu verrin- landanteil {vgl. Karte). Dabei ist besonders bemer- gern. Nicht wenige Strukturdaten liegen jetzt im Lan- kenswert, daß der Umfang des Dauergrünlandes desdurchschnitt, Dies zeigt sich beispielsweise an seit 1960 um rd. 10 v, H. gestiegen ist, obwohl in der der Entwicklung der durchschnittlichen Größe der Marsch und im östlichen Hügelland viele gut boni- landwirtschaftlichen Betriebe (Tabelle"!). tierte Grüniandflächen in Ackerland umgewandelt Bei einem deutlichen Rückstand in den beiden nörd- sind. Diese Entwicklung ist die Folge einer verstärk- lichen Landkreisen setzte der Trend zum größeren ten Ausrichtung der Geestbetriebe auf die Rindvieh- Betrieb zunächst nur zögernd ein. Nach 1960 verlief haltung. So haben die Landwirte in Nordfriesland die Entwicklung dort aber weit überdurchschnittlich. und Schleswig-Flensburg ihre Rindviehbestände So stieg die durchschnittliche Betriebsgröße von von 1960 bis 1980 um rd. 50 v. H, aufgestockt. Die- 1949 bis 1984 im nördlichen Landesteil auf mehr als ser beachtlichen Zunahme steht beispielsweise ein das Doppelte, im übrigen Schleswig-Holstein hinge- Rückgang von rd. 44 v. H. im Kreis Ostholstein wäh- gen nur um 59 v. H. Während 1949 der Durch- rend des gleichen Zeitraums gegenüber. Die Milch- schnittsbetrieb im Lande (ohne nördliche Landkrei- viehhaltung ist dort seit 1960 sogar um 53 v. H. zu- se) noch eine um rd. 50 v, H. größere Fläche als in rückgegangen, während die Zunahme in den beiden Nordfriesland bewirtschaftete, war es 1984 nicht nördlichen Landkreisen bei 40 v. H. liegt. Hieraus einmal ein Mehr von 10 v. H. Ein Süd-Nord-Gefälle ist wird deutlich, daß sich der für die bäuerlichen Fami- insoweit praktisch nicht mehr vorhanden. Dabei ist lienbetriebe bedeutsamste Betriebszweig in gro- das betriebliche Wachstum in den beiden nördli- ßem Umfange von den Ackerbaugebieten im östli- chen Landkreisen um so bemerkenswerter, als der chen Hügelland zu den grünlandreichen Geest- und Anteil der durchweg flächenreicheren Marktfrucht- Niederungsgebieten im Westen verlagert hat. Diese betriebe dort über alle Jahre stets unter dem Lan- Gebiete sind zu einem Schwerpunkt der Rindvieh- desdurchschnitt lag. haltung geworden. Weitere agrarstrukturelle Daten weisen auf eine Im Landesteil Schleswig hat sich in den letzten Jahr- überdurchschnittliche Entwicklung in den Kreisen zehnten mit Hilfe gezielter Landentwicklungsmaß- Nordfriesland und Schleswig-Flensburg hin. Die Be^ nahmen eine standortgerechte Landwirtschaft ent- triebe mit mehr als 30 ha LF bewirtschafteten dort wickelt; sie ist zugleich das Ergebnis unternehmeri- im Jahre 1949 nur 34,6 v. H. bzw. 45,7 v. H. der LF scher Leistungen schleswig-holsteinischer Landwir- (im übrigen Schleswig-Holstein 57,8 v. H.). Heute te. Dennoch: Auch eine gut strukturierte Landwirt- unterscheiden sich die Verhältnisse gegenüber den schaft muß und wird sich weiterentwickein, wenn sie übrigen Landesteilen kaum noch (Tabelle 2). 1984 die Zukunft meistern will. Stillstand wäre Rückschritt! bewirtschafteten die über 30 ha großen Betriebe in Wie alle Wirtschaftsbereiche unterliegt auch die unserem Lande über 80 v. H. der gesamten land- Landwirtschaft in unserem Wirtschaftssystem einem wirtschaftlichen Nutzungsfläche. Auffallend sind ständigen Entwicktungs und Anpassungsprozeß; wiederum die wesentlich größeren Veränderungen sie kann sich nicht abkoppeln. in der schleswigschen Region, vor allem in Nord- Agrarstrukturverbesserung ist deshalb sowohl für friesland. den landwirtschaftlichen Unternehmer als auch für Abgesehen von Angeln, Schwansen und dem Däni- die staatliche Agrarpolitik eine permanente Aufga- schen Wohld ist die Landschaft im Landesteil be. Schleswig geprägt durch einen hohen Dauergrün-

Tabelle 1: Die durchschnittliche Größe der landwirtschaftlichen Betriebe ab 1 ha LF (in ha LF) 1949 1960 1970 1980 1984 Schleswig-Holstein {ohne nördliche Landkreise) 22,7 24,9 27,2 34,1 36,0 Nordfriesland 15,0 17,4 22,5 31,2 33,0 Schleswig-Flensburg 16,6 18,9 24,1 33,0 34,1

Tabelle 2: Von Betrieben ab 30 ha LF bewirtschaftete Fläche in v. H, der gesamten LF des Landes 1949 1960 1970 1980 1984 Veränderung 1949/1984 in v. H. Schleswig-Holstein (ohne nördliche Landkreise) 57,8 58,0 66,9 83,4 44 Nordfriesland 34,6 40,5 57,4 77,4 80,7 133 Schleswig-Flensburg 45,6 47,0 58,3 79,1 82,6 81

32 Das Dauergrünland in Schleswig-Holstein

1:650000

Stand:1983

Bearbeitet von der Lehr- und Versuchsanstalt für Grünlandwirtschaft, Futterbau und Landeskultur der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Bredstedt

Grünlandanteil i ; . - • • % LF/ Gemeinde ' o'',nJ u Prozent aus der LF der Betriebe in den Gemeinden

Preis und Hansestadt Hamburg

Flurbereinigung Schleswig-Holstein Stand'3l.12.1984

h l e s w j. n - F l e n s .tj ü r q

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Anhängige

Hurbereinigungen

und

Beschleunigte Zusammenlegungen

Grenze Programm Nord Grenzen der Amtsbezirke der Ämter für Land-und Wasserwirtschaft zugl. Kreisgrenzen, Sitz der Ämter

erführen angeordnet A*

Ist der EG-Milchmarkt gerettet? Dr. Heinrich Hausberg

Die neue Agrarpolitik hat im Bereich der Milchwirt- geringfügige Erleichterungen der gesetzlichen Be- schaft einen tiefen Einschnitt in die bisherige Ent- stimmungen der EG und des Bundes haben zu kei- wicklung gebracht. Die Wende zur Planwirtschaft ner echten Beruhigung in den Dörfern geführt. mit allen dirigistischen Eingriffen ist bei weitem noch 1984 gab es noch 16 664 Milchkuhhalter in Schles- nicht verkraftet, weder von den betroffenen Land- wig-Holstein. Nachdem weitere 825 Betriebe die wirten noch von den Molkereien. Weitere dirigisti- Milchrente in Anspruch genommen haben und aus- sche Maßnahmen werden folgen, weil die jetzt gel- geschieden sind, verbleiben 15 839 Milchviehbetrie- tende Quotenregelung die Milchmarktprobleme be mit einem Bestandsdurchschnitt von 34 Kühen. nicht gelöst hat. Die Interventionsmengen an Butter Seit 1960 hat sich damit die Zahl der Kuhhalter um und Milchpulver behalten Ausmaße, die mit höch- 2/3 vermindert. stem finanziellen Einsatz nur inferior verwertet wer- In diesem Zusammenhang sollte ein Aspekt der den können. Die Aufwendungen für Export und Inter- Miichkontingentierung erwähnt werden, der gar zu vention bleiben bzw. steigen, je höher die Preise leicht übersehen wird: Die Molkereiwirtschaft der EG festgesetzt werden. Hinzu kommt, daß Milchpreis- steht unter einem enormen Wettbewerbsdruck. Da- erhöhungen auch die Nachfrage schwächen und bei spielt u. a. die Frage, wie rationell und in wel- damit das Ziel des Marktgleichgewichts in immer chen Bestandsgrößen die Milch auf den Höfen pro- weitere Ferne entschwinden lassen. duziert wird, eine wichtige Rolle. Sich weiter entwik- Mit dem Kunstgriff der Umbewertung von Fett und keln können in der Regel nur Betriebe von einer be- Eiweiß bei der Interventionspreisberechnung ist stimmten Größe an. Die Bundesrepublik liegt aber dem Überschußproblem ebensowenig beizukom- mit einem durchschnittlichen Bestand von 14 Kühen men wie mit der Forderung nach höheren Exportan- je Halter in der EG-Rangliste an achter und damit teilen. Im Gegenteil, wenn die USA ihre Ankündi- vorletzter Stelle. gung, auch bei Milcherzeugnissen einen Teil des Die politischen Kräfte in der Bundesrepublik, die die Weltmarktes zurückzugewinnen, wahrmachen, ver- kleineren Kuhhalter bei der Quotenregelung stärker liert die EG weitere Weltmarktanteile. bevorzugen möchten, gefährden sowohl die Exi- Unter diesen Aspekten ist es unerfindlich, wie jetzt stenz der entwickelten mittleren und größeren Be- immer noch nachdrücklich eine aktive Markt- und triebe, wie z. B, in Schleswig-Holstein, die aufgrund Preispolitik, d. h. spürbare Preisanhebungen für der strukturellen Gegebenheiten und des fehlenden Milch gefordert werden. Realistisch und damit hilf- Nebenerwerbs ausschließlich auf die Milchproduk- reich für die Landwirte ist das nicht. Die bisher zur tion angewiesen sind, als auch auf mittlere Sicht die Einkommenssicherung übliche EG-Preispolitik ist Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Milchwirt- künftig nicht mehr machbar. Sie muß durch zusätzli- schaft insgesamt und damit Marktanteile. che Maßnahmen ergänzt werden, Die Milchgarantiemengenregelung ist ausschließlich Schleswig-Holstein ist durch die Quotenregelung beschlossen worden, um den Milchmarkt vor dem hart getroffen. Hier entfallen 44 v. H. des landwirt- Zusammenbruch zu retten, Sie ist kein geeignetes schaftlichen Bodens auf Dauergrünland, auf Futter- Instrument, um Sozialpolitik für Kleinbetriebe zu be- bau insgesamt sogar 60 v. H. Entsprechend umfaßt treiben. Die für diese Betriebe unbestritten dringend der Betriebstyp Futterbau mit vorherrschender erforderliche Hilfe sollte auf anderem Wege erfol- Milchviehhaltung 67 v. H, aller Betriebe des Landes. gen. Die durch die Quote schockartig ausgelöste Exi- Die Agrar- und Verbandspolitiker sind jetzt aufgeru- stenzangst, bedingt einerseits durch den Milchab- fen, besonnen zu reagieren und weitsichtig zu han- zug und andererseits durch die Erkenntnis, nicht deln mit dem Ziel, den Milchmarkt ins Gleichgewicht mehr „wachsen" zu können, hat 40 v. H. der Milcher- zu bringen, damit nicht eines Tages Mühe, Ärger, ja zeuger Schleswig-Holsteins veranlaßt, einen Antrag Verzweiflung doch umsonst gewesen sind. auf eine Härfefallregelung zu stellen, gegenüber rd. Der Druck, weitere Erleichterungen bei der Quoten- 23 v. H. im Bundesgebiet, Davon konnten 54 v, H. regelung zu schaffen und den Milchpreis spürbar anerkannt, 46 v. H. mußten abgelehnt werden. anzuheben, ist groß. Aber ersteres würde wieder zu Die im Rahmen dieser gesetzlichen Vertrauens- mehr Milch führen oder eine neuerliche Umvertei- schutzregelung bewilligte Milchmenge beläuft sich lung bedeuten, wo doch von Regierung und Verwal- auf rd. 150 Mio. kg. tung bereits Umverteilungsfehler genug gemacht Dennoch bleiben viele Problemfälle ungelöst. Auch worden sind. Die Preise andererseits vertragen aus

33 finanz- und marktpolitischer Sicht, wenn überhaupt, lung zu widerstehen und die Problembereiche nur eine geringe Anhebung, wie bereits ausgeführt. Schritt für Schritt zu lösen (z. B. Altpachtverträge, Walter Hallstein hat schon 1963 einmal gesagt: „Bei Erzeugerbindung, Molkereiquote, Handelbarkeit der Vorhandensein chronischer Überschüsse entsteht Quote) sowie spezielle Härtefälle durch staatficher- ein Druck auf die Märkte, der afle Bemühungen der seits aufgekaufte Quoten zu regulieren, wozu auch Marktordnung um Aufrechterhaltung angemessener ein Junglandwirte-Programm gehört, kann das Preise zunichte macht." Milchmarktproblem eines Tages im Sinne der Erfin- Diese frühe Erkenntnis über die EG-Agrarpreispolitik der der Miichgarantiemengenregelung als gelöst an- hat sich leider bis heute noch nicht durchgesetzt. gesehen werden. Als bittere Wahrheit sei darauf hin- Der Milchmarkt ist noch nicht gerettet. Auf der einen gewiesen, daß bis dahin sowohl die unbefriedigen- Seite ringen Milchbauern um ihre Existenz bzw. se- de Bürokratie systembedingt weiterwuchern als hen z. B. als Junglandwirte keine Zukunftschance, auch die Zahl der Milchviehhalter weiter abnehmen auf der anderen Seite ist das Überschußproblem mit wird. 115 v, H. Selbstversorgungsgrad bei Mitch nicht ge- Ich wünschte, daß diese Erfahrungen den Agrarpoli- löst. Die Vermutung liegt sogar nahe, daß der tikern Mut machen, den Weg weg vom bürokrati- Selbstversorgungsgrad wieder steigen wird, weil mit schen Dirigismus hin zu marktwirtschaftlich organi- dem Rücken zur Wand um ihre Existenz kämpfende, sierten Agrarmärkten endlich zu beschreiten. Die durch die Quote eingeengte Milcherzeuger die Be- dabei erforderlich werdenden teils Übergangs-, teils schränkungen zu umgehen versuchen. Dauerhilfen für die Bauern wären das bei weitem Nur wenn es gelingt, gewissen Auflösungsbestre- kleinere Übel. bungen im Rahmen der Milchgarantiemengenrege-

34 Rechtsfragen im Zusammenhang mit der neuen EG-Politik Dr. Käthe Ingeborg Herzog

Die Einführung von Milch-Anlieferungs-Referenz- fahrens nicht nur Anspruch auf den Erlös für das mengen - im allgemeinen kurz als Milchquote oder Grundstück, sondern auch auf den Erlös für die Quo- auch nur Quote bezeichnet - hat mannigfache te. rechtliche Auswirkungen für die ländliche Bevölke- rung und zwingt die Verwaltung z. T., die Anwen- Verpachtung dung altbekannter Gesetze neu zu überdenken. Die Quote ist im Prinzip mit der Fläche untrennbar Etwas anders ist die Rechtslage bei Verpachtun- verbunden. Sie kann nicht ohne Fläche erworben gen. Auch hier besteht der Preis aus zwei Teilen: der oder veräußert werden. Sie ist auch ein geldwertes Pacht für die Fläche und der Pacht für die Quote. Recht. Das findet seinen Niederschlag bei der Ver- Pachtverträge über Flächen, an denen eine Quote äußerung und der Verpachtung von Grundstücken. hängt, werden im Gegensatz zu sonstigen Pachtver- Während der Preis für Grundstücke, an denen keine trägen fast ausnahmslos angezeigt, da die Behörde Quote hängt, gleichgeblieben und bei Grünland so- die Bescheinigung für die Übertragung der Quote gar gefallen ist, ist er für Flächen, an die Quoten ge- ausstellen muß. Sie steht hier vor der Frage, ob sie bunden sind, gestiegen, wenn auch in unterschiedli- die Verträge gemäß § 5 des Landpachtgesetzes be- chem Umfang. anstanden kann, weil die vertraglichen Leistungen des Pächters nicht in einem angemessenen Verhält- nis zu dem Ertrage stehen, der bei ordnungsgemä- Verkauf ßer Bewirtschaftung nachhaltig zu erzielen ist. Bei Beim Verkauf derartiger Flächen wird der Preis prak- der Ermittlung des nachhaltig erzielbaren Ertrages tisch aus zwei Teilen bestehen (auch wenn das nicht sind nach der ständigen Rechtsprechung (zuletzt gesondert ausgewiesen ist): einmal dem für die Flä- OLG Gelle in „Agrarrecht" 1980, S. 24) Besonderhei- che und zum anderen einem kapitalisierten und ab- ten des Pächterbetriebes nicht zu berücksichtigen, gezinsten Betrag für die Quote. Das führt bei der sondern es ist auf den durchschnittlich wirtschaften- Genehmigung der Verträge nach dem Grundstücks- den Landwirt abzustellen. Der durchschnittlich wirt- verkehrsgesetz kaum zu Schwierigkeiten. Nach § 9 schaftende Landwirt sind aber in diesem Zusam- Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes darf einem Vertrag die menhang die sog. Auffüller, d. h. diejenigen Land- Genehmigung u. a. dann versagt werden, wenn der wirte, die den durch die Garantiemengenkürzung Gegenwert in einem groben Mißverhältnis zum Wert entstandenen Ausfall durch die Zupacht von Flä- des Grundstücks steht. Zum Grundstück gehört chen mit Referenzmengen ausgleichen wollen. Da aber ais wertbestimmender Faktor auch die Quote. sie über die zur Milcherzeugung erforderlichen Stall- Da der zuständigen Behörde die durchschnittlichen plätze und das wirtschaftseigene Grundfutter be- Grundstückspreise und die Milchpreise bekannt reits verfügen, können sie zu Grenzkosten wirtschaf- sind, kann sie schnell ermitteln, ob der gezahlte hö- ten und damit höhere Pachtpreise zahlen als z. B. here Preis in einem groben Mißverhältnis zum (Ge- Landwirte, die noch für die Stallplätze investieren samt-)Wert des Grundstücks steht oder nicht. Bis- .müssen. Daß die Auffüller mit Grenzkosten arbeiten, lang sind keine derartigen Fälle bekannt geworden. ist keine betriebsspezifische Besonderheit, sondern Im übrigen ist anscheinend noch nicht allgemein be- der gesamten großen Gruppe eigen. Auf den kon- kannt, daß beim Kauf eines Grundstücks mit einer kreten Einzelfall ist daher in diesen Fällen nur inso- Milchquote auch der für die Quote gezahlte Preis weit abzustellen, als jeweils zu prüfen ist, ob jeder der Grunderwerbsteuer unterliegt und zwar unab- Auffüller gerade aus diesem Grundstück bei diesem hängig davon, ob der Vertrag einen Gesamtpreis (Gesamt-)Pachtpreis eine angemessene Rendite er- ausweist oder einen gesplitteten. Die Finanzämter wirtschaften kann. sehen die Quote als wesentlichen Bestandteil des Grundstücks an. Darin ist ihnen auch zuzustimmen, Handelbarkeit da beides, jedenfalls bei Veräußerungen an Privat- personen, nicht voneinander getrennt werden kann. Die Quote gilt als nicht handelbar. Das trifft im Ver- Aus dieser Eigenschaft der Quote folgt, daß sie hältnis von Privatpersonen untereinander unzweifel- auch den Grundpfandrechten unterliegt. Wenn also haft zu. (Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob ein Grundstück aufgrund eines solchen Rechtes die von vielen Praktikern und der Praxis nahestehen- zwangsversteigert wird, hat der Betreiber des Ver- den Kreisen verstärkt geforderte freie Handelbarkeit

35 der Quote auf Dauer gesehen nicht doch eingeführt Probleme außerhalb der Landwirtschaft werden sollte), Die Frage ist jedoch, ob das in dieser Unbedingtheit Abschließend sei darauf hingewiesen, daß die Ein- auch gilt, wenn der Bund oder die Länder als Ver- führung der Milchquote nicht nur für die Landwirte tragspartner beteiligt sind. rechtliche Probleme mit sich bringt, sondern auch Nach Art. 4 Abs. 1 Buchst, a) der Verordnung für Institutionen, die nicht der Landwirtschaft ver- 857/84 (EWG) können die Mitgliedstaaten Erzeu- bunden sind. Alle Verwaltungen, die Vorratsland er- gern, die sich zur endgültigen Aufgabe der Milcher- werben, sei es zur Erfüllung der eigenen Aufgaben zeugung verpflichten, eine Vergütung gewähren, oder auch als Tauschland für diejenigen Landwirte, die in einer oder mehreren Jahresraten angewiesen auf deren Flächen sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben werden kann. Nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 5 der Ver- angewiesen sind (in erster Linie die Straßenbauver- ordnung gehen die freigesetzten Referenzmengen waltung, aber auch Gemeinden, Bundesvermögens- auf den Mitgliedstaat über. verwaltung u. a.) stehen vor fast unlösbaren Proble- Das Rechtsgeschäft, das sich zwischen Erzeuger men. Erwerben sie eine Fläche, die mit einer Quote und Staat vollzieht, ist ein Rechtskauf im Sinne des verbunden ist, können sie die Quote weder unmittel- § 433 BGB, wobei der Kaufpreis durch einmalige bar noch in Verbindung mit einer anderen bereits in oder durch Ratenzahlung beglichen wird. Die ge- ihrem Besitz befindlichen Fläche an den Veräußern- kaufte Quote wird dann unentgeltlich, aber nach be- den oder einen anderen Landwirt übertragen, da sie stimmten Kriterien, an Dritte weitergegeben. Damit nicht Erzeuger sind. Zwar ist inzwischen für die Sied- ist für die Mitgliedstaaten das Prinzip, daß die Quote lungsgesellschaften eine Ausnahme gemacht wor- nicht frei handelbar ist, durchbrochen. Dasselbe den, da es zu ihren satzungsgemäßen Aufgaben ge- muß für die Länder gelten, wenn der Bund seine Er- hört, Vorratsland für Landwirte zu erwerben. Das mächtigung auf sie überträgt. läßt sich aber von den anderen eben genannten In- Wenn aber der Grundsatz zugunsten der öffentli- stitutionen nicht sagen. Die Ausnahmeregelung chen Hand so weit durchbrochen wird, daß der Quo- kann daher nicht auf sie ausgedehnt werden. Die mit tenkauf und die unentgeltliche Weitergabe zulässig den Flächen erworbene Quote verfällt also. Zwar sind, ist nicht zu erkennen, weshalb gerade der letz- müssen die Käufer erhöhte Kaufpreise zahlen, da te Schritt, nämlich ein Entgelt für die Überlassung sie einen wertsteigernden Faktor miterwerben, sie der Quote zu fordern, unzulässig sein sollte. können ihn aber anschließend nicht nutzen. Außer- Die Zahlung eines Entgelts, wie es die schleswig- dem nimmt die Bereitschaft von Landwirten, Flä- holsteinische Landes-Milchrentenaktion vorsieht, ist chen zu veräußern, auf denen eine Quote ruht, er- nicht nur sinnvoll, sondern geboten. Das hat in erster heblich ab, wenn sie nicht entsprechendes Ersatz- Linie ordnungspolitische Gründe. Das hat aber auch land erhalten. Das bringt insbesondere die Straßen- haushaltsrechtliche Gründe, denn die Landeshaus- bauverwaltung in Schwierigkeiten, da deren Pläne haltsordnung verbietet grundsätzlich die unentgeltli- im allgemeinen seit langem festgestellt sind. che Weitergabe oder den Verzicht auf Ansprüche Sicherlich gibt es im Zusammenhang mit der Quote des Landes. Das hat letztlich aber auch einen prakti- noch mehr Rechtsprobieme. Die eben skizzierten schen Grund: Es soll bewirken, daß auslaufende Be- Fälle zeigen aber, daß die Quotenregelung Auswir- triebe sich nicht noch um eine Quote bemühen, um kungen hat, die bei ihrem Erlaß nicht oder zumindest kurz danach zu höheren Preisen verkaufen oder ver- nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. pachten zu können.

36 Aufgaben eines ländlichen Siedlungsunternehmens Egon Frhr. v. Gayl

Es ist das erklärte Ziel der Agrarpolitik in der Euro- ist der Aufgabenbereich Neusiedlung praktisch ab- päischen Gemeinschaft und auch der Bundes- und geschlossen. Landespolitik, eine möglichst große Zahl lebens- Neben der Sicherung bestehender landwirtschaftli- fähige, bäuerlicher Familienbetriebe zu erhalten und cher Existenzen haben neue Aufgaben zur Verbes- damit die Wirtschaftskraft und Attraktivität des länd- serung der Lebensverhältnisse im ländlichen Raum lichen Raumes zu stärken. und zur Sicherung und Verbesserung von Natur und Ein weiteres politisches Ziel von zunehmender Be- Landschaft zunehmend an Bedeutung gewonnen. deutung ist, den Gegensatz zwischen möglichst Da die Siedlungsgesellschaften bei der Errichtung wirtschaftlicher Landnutzung und der Erhaltung na- landwirtschaftlicher Siedlungen in vielen Fällen auch türlicher Lebensräume mit ihren Tier- und Pflanzen- die erforderlichen Gemeinschaftseinrichtungen wie gesellschaften zu entschärfen. Schulen, Meiereien, Wasserversorgungen und Klär- Beide Ziele sind nicht allein durch gesetzliche Rege- anlagen schaffen mußten, sind sie mit dem reichen lungen zu erreichen, sondern es muß in wirtschaftli- Erfahrungsschatz ihrer Mitarbeiter ein sehr geeigne- che Abläufe, insbesondere in den landwirtschaftli- tes Instrument, das die kleinen und daher verwal- chen Grundstücksverkehr, eingegriffen werden. Bei tungsschwachen ländlichen Gemeinden tatkräftig derartigen Eingriffen in das Wirtschaftsgeschehen bei ihrer Entwicklung unterstützen kann. hat sich gezeigt, daß der Teil des Verwaltungshan- Welche Aufgaben im einzelnen kann eine ländliche delns, der in geschäftlich-kaufmännischer Weise Siedlungsgesellschaft heute erfüllen? vorzunehmen ist, zweckmäßigerweise nicht durch Als kaufmännisches Unternehmen ist sie in der die Verwaltung erledigt wird, die nach kameralisti- Lage, schnell und unbürokratisch auf dem Grund- schen Grundsätzen arbeitet, sondern durch ein stücksrnarkt tätig zu sein. So kann sie geeignete nach kaufmännischen Grundsätzen geführtes Un- Grundstücke erwerben, die zur sinnvollen Vergröße- ternehmen, das bei seinem Handeln allerdings an rung zu kleiner landwirtschaftlicher Betriebe, als Er- die Leitlinien der staatlichen Verwaltung gebunden satzland für landwirtschaftliche Flächen, die für öf- ist. fentliche Zwecke verschiedenster Art benötigt wer- Dieser Erkenntnis entsprang schon vor dem ersten den, oder als Vorratsland für laufende oder geplante Weltkrieg in Preußen die Gründung von kaufmän- Flurbereinigungen dienen. Der Grunderwerb ist nisch geführten Unternehmen in der Form von Ge- überhaupt die Grundlage für die meisten Tätigkeiten sellschaften mit beschränkter Haftung in den einzel- einer ländlichen Siedlungsgesellschaft. Allerdings nen Provinzen, um die Arbeit der staatlichen Ansied- erfordert ein stärkerer Einsatz auf dem Grundstücks- lungskommissionen zweckmäßiger fortzuführen. markt eine gute Ausstattung mit Eigenkapital oder Das Gesellschaftskapital dieser Gesellschaften lag mit zinsfreien Siedlungsmitteln, damit vorgehaltene ganz oder überwiegend in staatlicher Hand. Die Grundstücke durch Finanzierung mit Kapitalmarkt- Fachaufsicht oblag dem zuständigen Fachminister. mitteln nicht zu teuer werden. Durch das Reichssiedlungsgesetz (RSG) vom 11. Die Siedlungsgesellschaften sind als geeignetes In- August 1919 wurde die Gründung bzw. Anerken- strument berechtigt, in durch das Grundstücksver- nung von gemeinnützigen Siedlungsgesellschaften kehrsgesetz bestimmten Fällen das siedlungsrecht- gesetzlich vorgeschrieben. liche Vorkaufsrecht auszuüben, um sonst verhinder- Die ursprüngliche Aufgabe der Siedlungsgesell- te Verbesserungen der Agrarstruktur zu erreichen. schaften nach § 1 RSG war die Schaffung neuer An- Das Gesetz sieht aber keine allgemeine Grund- siedlungen und die Vergrößerung bestehender stückslenkung vor. Nur ihre eigenen Grundstücke Kleinbetriebe bis zur Größe einer selbständigen Ak- kann die Siedlungsgesellschaft zu den einer Vergrö- kernahrung. Diese Aufgabe hatte große Bedeutung ßerung bedürftigsten landwirtschaftlichen Betrieben in den wirtschaftlich schwierigen Jahren nach dem lenken. ersten Weltkrieg und führte zu einem neuen Auf- Solche Aufstockung ist bereits eine Maßnahme ei- schwung des Siedlungswesens, als es galt, die auf- ner einzelbetrieblichen Förderung, ebenso wie die grund der Kriegsfolgen des 2. Weltkrieges nach Modernisierung der landwirtschaftlichen Wirt- Westdeutschland geflohenen und vertriebenen ost- schaftsgebäude. Derartige Modernisierungen wer- deutschen Landwirte einzugliedern. den durch Finanzhilfen der EG, des Bundes und der Mit dem Auslaufen der Eingliederung und den verän- Länder in bestimmten Fällen mit besonders günsti- derten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen gen Darlehen oder mit Zinsverbilligung gefördert.

37 Die Betreuung und Überwachung der Baumaßnah- schon rechtzeitig bemühen, die benötigten Flächen, men obliegt im finanziellen Bereich und in der techni- wenn sich eine Gelegenheit bietet, im voraus zu er- schen Oberleitung den Siedlungsgesellschaften. In werben oder zumindest nahe gelegene Nutzflä- vielen Fällen werden sie auch mit der Bauplanung chen, die als Ersatzland in Betracht kommen. Durch und der Bauleitung betraut, weil die Siedlungsge- eine derartige vorausschauende Erwerbspoiitik kön- sellschaften große Erfahrung in der Entwicklung ko- nen der durchführenden öffentlichen Hand beträcht- stengünstiger und arbeitswirtschaftlich durchdach- liche Aufwendungen und den betroffenen Grund- ter Stallbauten haben. eigentümern erhebliche Folgeschäden erspart wer- Auch die Aussiedlung landwirtschaftlicher Betriebe den. aus beengten Ortslagen, die wegen des engen Als neuestes Gebiet wurde in die Gemeinschafts- Grundstücks oder wegen zu nah gelegener Wohn- aufgabe des Bundes und der Länder die Dorfer- bebauung keine Ausbaumöglichkeiten am bisheri- neuerung aufgenommen, in Schleswig-Holstein sind gen Standort haben, gehört hierher. Hier in Schles- für die Betreuung der Dorferneuerungsverfahren die wig-Holstein wird dabei jetzt meistens versucht, ei- Landkreise und die Schleswig-Holsteinische Land- nen völligen Neubau in der freien Gemarkung zu ver- gesellschaft vorgesehen. Diese bringt als Rüstzeug meiden und den Aussiedler lieber auf einen beste- ihre Erfahrungen aus der Siedlung, der Agrarstruk- henden Hof umzusetzen. So wird der hohe Aufwand turverbesserung, der einzelbetrieblichen Förderung für einen Neubau vermieden und brauchbare Bau- und der Landentwicklung mit. Dazu gehören das substanz sinnvoll genutzt. Das Beschaffen geeigne- Verständnis für die Anliegen und Gefühle der Dorf- ter Ersatzbetriebe und die agrarstrukturell sinnvolle bewohner ebenso wie Kenntnis von Baugeschichte, Verwendung der Flächen des aussiedelnden Betrie- Bauformen, Grünplanung und Funktionalität. bes sind wieder eine typische Aufgabe einer Sied- lungsgesellschaft. Schon über den Einzelbetrieb hinweg führen weitere DORFEFINEUERUNG BEflGESHUSfll Betreuungsaufgaben der Siedlungsgesellschaften: der freiwillige Landtausch und das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren. Hierbei wird die Be- triebsstruktur verbessert durch das Zusammenle- gen einzelner, oft zu kleiner Parzellen oder durch den Austausch hoffern liegender Flurstücke gegen hofnahe. Dabei ergeben sich oft noch Folgemaß- nahmen wie Grenzbegradigungen, Grabenverlegun- gen, Versetzen von Knicks und Neuvermessungen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden kön- nen, Aber nicht nur die landwirtschaftlichen Betriebe prä- gen den ländlichen Raum, sondern auch die Ort- schaften mit den erforderlichen Versorgungsbetrie- Im „Storchendorf" , Kreis Sch!eswig-F!ens- ben und Einrichtungen und den ländlichen Wohn- burg, werden die ortsbildprägenden Gebäude und die siedlungen. Für jede Erweiterung und Entwicklung Begrünung der Ortslage Schwerpunkt der Dorfemeue- der Ortschaften wird landwirtschaftlicher Boden ge- rung sein braucht. Hier kann die Siedlungsgesellschaft durch die Bereitstellung von Ersatzland und geeigneten Mitarbeitern wertvolle Hilfe beim Ankauf benötigter Bei der Betreuung von Landentwicklungs- und Dorf- Flächen und bei der Planung und Erschließung von erneuerungsvorhaben tragen die ländlichen Sied- Wohn- und Gewerbegebieten leisten. Oft wird dabei lungsgesellschaften mit dazu bei, das Leben im auch die Finanzierung von der Siedlungsgesell- ländlichen Raum lebenswerter zu machen. schaft vorgehalten und erst durch den Verkauf an In eine weitere Aufgabe werden in zunehmendem die endgültigen Nutzer der Grundstücke abgelöst. Maße die ländlichen Siedlungsgeselischaften einge- Die Gemeinde behält jedoch durch ihre Planungsho- schaltet, und zwar in die Sicherstellung und den An- heit das Heft in der Hand und kann in der Regel auf- kauf von Flächen für den Naturschutz und die Bio- grund vertraglicher Abmachungen auch bei der toperhaltung und -gestaltung, Auch hier gelingt der Grundstücksverwertung mitbestimmen. Erwerb, der langfristig meist günstiger ist als Ent- Auch bei allen Infrastrukturmaßnahmen, wie beim schädigungszahlungen an die Grundeigentümer, Bau von Straßen, Eisenbahnstrecken, Deichen, besser und schneller, wenn für die betroffenen Flugplätzen, Truppenübungsplätzen, Kläranlagen, Landwirte Ersatzflächen beschafft und an den Be- Wasserwerken usw. wird immer Land gebraucht, trieb herangetauscht werden können. das bis dahin land- oder forstwirtschaftlich genutzt Im waldarmen Schleswig-Holstein strebt die Landes- wurde. Hier kann die Siedlungsgesellschaft sich regierung eine Erhöhung des Waldanteils an. Die

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Neubauten für Nebenerwerbs- und Voüerwerbsbetriebe der 50er und 70er Jahre sind ein Spiegelbild der Entwicklung der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein

Schleswig-Holsteinische Landgesellschaft unter- Zukunft mit sich bringen wird, zu stellen. Sie muß stützt dieses Bemühen durch den Erwerb von geeig- und wird sich weiterentwickeln; der Strukturwandel neten Aufforstungsflächen. Sie forstet auch eigene wird sich fortsetzen. Das bedeutet, daß auch weiter- Flächen auf und hofft, diese an naturinteressierte hin Betriebe ganz oder teilweise aufgegeben und ihr private Anleger verkaufen zu können. Land an wirtschaftende Landwirte abgeben wer- Wenn man heute durch Schleswig-Holstein fährt, den. Leistungsfähige Betriebe werden auch künftig kann man fast in jeder Gemeinde Spuren der Schles- investieren müssen, um für die Zukunft gerüstet zu wig-Holsteinischen Landgesellschaft mbH, der ge- sein. Für diesen Entwicklungs- und Anpassungspro- meinnützigen Siedlungsgesellschaft des Landes zeß braucht die Landwirtschaft eine gezielte Förde- Schleswig-Holstein, finden. Die Handschrift der Ge- rung. Die Schleswig-Holsteinische Landgesellschaft sellschaft hat sich entsprechend den veränderten kann als Instrument der Landesagrarpolitik dazu bei- allgemeinen Anschauungen gewandelt, aber diese tragen, daß die strukturellen Entwicklungen im länd- Gesellschaft hat in erheblichem Maße mit zu der gu- lichen Raum und in der Landwirtschaft auch künftig ten Struktur der schleswig-holsteinischen Landwirt- ohne soziale Härten in einem wirtschaftlich ange- schaft beigetragen. In den über 71 Jahren ihres Be- messenen Rahmen ablaufen. stehens sind mehr als 10,5 v. H, der Gesamtfläche des Landes Schleswig-Holstein und mehr als 15 v. H. der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes durch ihre Hand gegangen (ca. 165 000 ha). Aber auch eine gut strukturierte Landwirtschaft kann nicht beim Erreichten stehenbleiben; sie muß in der Lage bleiben, sich den Anforderungen, die die

39 Schleswig-Holsteins Agrarsozialstruktur Prof. Dr. Christian Degn

Als es vor 200 Jahren im nördlichen Europa um eine sung stammen die fruchtbaren Jungmoränen im „neue Agrarpolitik" ging, nämlich um den Übergang „Östlichen Hügelland" sowie die von Schmelzwas- von weitgehend kollektiver zu individueller bäuerli- serströmen aufgeschütteten Sanderebenen, die cher Wirtschaft sowie um die Aufhebung von Leib- weitgehend die Moränen älterer Vereisungen über- eigenschaft und Hörigkeit, schrieb der Kieler Profes- deckt haben. Sander und Aitmoränen, der „Mittel- sor Dietrich Hermann Hegewisch: rücken" unseres Landes, mit relativ nährstoffarmen „Holstein, ein so kleines Land, . . . enthält gleich- Böden, werden als (Niedere und Hohe) Geest be- wohl mehr und größere Verschiedenheiten, in Anse- zeichnet. hung seines physischen, politischen und morali- Der Geologe Ludwig Meyn - er gründete die erste schen Zustandes, als in manchem viel größerm Lan- Kunstdüngerfabrik in Schleswig-Holstein und be- de angetroffen werden. Seiner physischen Beschaf- mühte sich als Herausgeber des Landwirtschaftli- fenheit nach zerfällt Holstein bekanntermaßen in chen Taschenbuches (seit 1863), die Landbevölke- drey Theile, die zu drey Landschaftsgemählden von rung mit Agrikuiturchemie und moderner Technolo- ganz entgegengesetztem Character dienen kön- gie vertraut zu machen - hat sehr treffend festge- nen. Die östliche und westliche Seite haben die er- stellt, daß die Bodenbeschaffenheit Schleswig-Hol- giebigste Fruchtbarkeit mit einander gemein; mitten steins ein Abbild im Kleinen von der Bodenbeschaf- zwischen beiden liegen die Heiden, die traurigen, fenheit des gesamten norddeutschen Tieflandes den Fleiß der Menschen so kümmerlich lohnenden sei. „Was von Rußland bis Holland zu einer Breite Heiden. Aber der östliche und westliche Theil, von hundert Meilen auseinandergelegt ist, das fin- gleich gesegnet von der freigebigen Natur, sind ein- det sich in dieser schmalen, gen Norden gerichteten ander ganz ungleich in Ansehung ihrer Oberfläche, Halbinsel auf ein halbes Dutzend Meilen zusammen- die hier eine ununterbrochene, das Auge durch ihre gedrängt." Und man darf hinzufügen: auf ebenso en- Ausdehnung und Einförmigkeit ermüdende, aber gem Raum finden wir die unterschiedlichsten Agrar- durch den Überfluß ihrer Früchte erfreuende Ebene sozialstrukturen in eindrucksvoller Weise ausge- ausmacht, dort durch die beständig abwechselnden prägt: freie Bauernschaften sowie den westelbi- Scenen von Hügeln, Thälern, Seen, Teichen und schen und den ostelbischen Typ der Grundherr- Waldungen immer in neues Entzücken versetzt. schaft. Gleich contrastirende Empfindungen erregt die Be- Den Ursprung der Leibeigenschaft sah Hegewisch trachtung des so sehr verschiednen Zustandes ihrer in der mittelalterlichen Kolonisation, in der (nach sei- Bewohner. Hier sehen wir Landleute so frey, wie die ner Überzeugung widerrechtlichen) Unterwerfung eifrigsten Vertheidiger der Freiheit nur verlangen der heidnischen Wenden und in der Ausbreitung können; dort die härteste Leibeigenschaft, die zum des Lehnswesens. Die dem Adligen verliehene Ge- Sprichwort geworden ist; hin und wieder leidliche richtshoheit erleichterte ihm - durch Bauernlegen - Knechtschaft." den Ausbau seiner Grundherrschaft zur („ostelbi- Dies sind erste Ansätze zu einer Charakteristik der schen") Gutswirtschaft, die mit dienstpflichtigen, schleswig-holsteinischen Agrarsozialstruktur, aller- schließlich leibeigenen Hintersassen betneben wur- dings zunächst noch mehr beschreibend als erklä- de. rend. Was die geographische Dreigliederung unse- Die Karte der Verbreitung der Güter um 1800 zeigt, res Landes angeht, so wußte man seit langem, daß daß sie sich vor allem im Östlichen Hügelland befin- die Marsch aus marinen Sedimenten besteht; die den, besonders im ehemaligen Wendenland und im beiden anderen Längsstreifen vermochte man sich spät besiedelten Dänischen Wohld. Hier herrschte nicht zu erklären. Um die Zeit, da Hegewisch denn auch durchweg die Leibeigenschaft. Eine Aus- schrieb, glaubte man, die Entstehung dieser zwei nahme machen einige Gebiete unter geistlicher Landschaften einer riesigen Flut zuschreiben zu Grundherrschaft, wie z. B. die des Klosters Preetz können - daher der für diese erdgeschichiliche Pe- (die „Probstei") und des Bistums Lübeck. Das mei- riode vielfach noch heute verwendete Begriff „Dilu- ste Kirchengut hingegen, das im Zuge der Reforma- vium". Erst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts tion säkularisiert wurde und dabei in Adelshand ge- setzte sich vor allem durch die Autorität des schwe- langte, trug wesentlich zur Ausbreitung von Gutsbe- dischen Geologen Torell die uns heute geläufige trieben bei - besonders durch das mächtige Rant- Auffassung durch, daß es sich um Ablagerungen ei- zau'sche Geschlecht. Während sich die Bauern- ner Inlandvereisung handelt; Aus der jüngsten Verei- schaften der Insel Fehmarn der Feudalisierung er-

40 Die Entwicklung der Gü- ter bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts

Bedeutung der Signaturen:

• 1. Alte Lehn- und Ai- lodia/güter, entstanden vor Mitte des 16, Jahr- hunderts

B 2 Dasselbe, im Zuge der Agrarreformen um 1800 völlig oder fast restlos parzelliert

O 3. Jüngere adlige Güter. Kammergüter und Domänen sowie Meierhö- fe, entstanden seit Ende des 16. Jahrhunderts

^ 4. Dasselbe, parzel- liert wie bei 2.

4 5 Adlige Marschgüter

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Wüstungen in Schwansen Wirtschaftsstruktur in Schwansen Hufenzahl in Schwansen vor Beginn der Agrarreformen gegen Ende des 15. Jahrhunderts

41 wehren und ihre Freiheit - als „Landschaft" - be- Im 18. und beginnenden 19, Jahrhundert führten haupten konnten, hat der Adel im übrigen altbesie- ökonomische und humanitäre Gründe zur Abschaf- delten östlichen Schleswig erheblichen Grundbesitz fung der Leibeigenschaft. Von fortschrittlichen erwerben können, großenteils durch landesherrliche Gutsherren, vor allem Hans Rantzau auf Ascheberg, Verpfändung sowie durch Tausch gegen Besitzun- propagiert, war bereits hier und da, namentlich im gen auf der Geest. Ein klassisches Beispiel für den Schleswigschen, Gutsland parzeliiert und an Bauern im Verlauf von drei Jahrhunderten vollzogenen in Erbpacht vergeben worden. Die reformfreundli- Strukturwandel von einer rein bäuerlich zu einer rein che dänische Regierung Bernstorff-Reventlow- gutswirtschaftlich geprägten Landschaft bietet die Schimrnelmann hatte für das absolutistisch regierte Halbinsel Schwansen. Königreich Dänemark 1788 die Hörigkeit (das Schol- In den Adligen Güterdistrikten lag die „Infrastruktur" lenband) aufgehoben. In den Herzogtümern mit ihrer mit Verwaltung, Rechtsprechung, Steuererhebung, rudimentären landständischen Verfassung wagte Gestellung von Wehrpflichtigen usw. bei den Guts- die Regierung solchen Schritt nicht; vielmehr sollte herren. Diese Gebiete waren deshalb bei den Lan- hier nach ihrem Willen die Initiative von den Gutsbe- desteilungen nicht unter die fürstlichen Linien aufge- sitzern selbst ausgehen. Deren Beschluß war dann teilt worden, sondern wurden „gemeinschaftlich re- gleichsam die Legitimation für die mit Wirkung vom giert" d. h, praktisch gar nicht regiert. 1,1.1805 verfügte Abschaffung der Leibeigen- Die landesherrliche Machtstellung, durch Amtmän- schaft. Rund 100 000 Menschen erhielten damit ihre ner wahrgenommen, war am stärksten auf der persönliche Freiheit. Die bäuerlichen Gutsunterta- Geest. Daß sich die Fürsten hin und wieder bereitge- nen erhielten dabei ihr Land jedoch nicht zu eigen; funden hatten, von Adligen mageres Geestiand ge- vielmehr wurde den Gutsherren das Eigentumsrecht gen fruchtbares Moränenland einzutauschen, hatte zugesprochen. Diese wurden andererseits in ihrer zwei Gründe: zum einen mußten sie ihren reichen Verfügungsgewalt beschränkt: Sie durften kein adligen Gläubigern willfährig sein; zum anderen lag Bauernland zum Gutsfeld schlagen; alle bislang ihnen daran, ihre Macht entlang der wichtigen meri- bäuerlichen Stellen mußten als solche erhalten blei- dionalen Verkehrsachse zu konzentrieren, diese fest ben - in Holstein wurden es vorwiegend Zeitpacht-, in der Hand zu haben. Die Bauern auf der Geest wa- in Schleswig Erbpachtstellen. Im Königreich Däne- ren entweder Eigentümer (Bonden) oder Erbpächter mark hatte die Königliche Kreditkasse den befreiten (Lansten), zumeist der Landesherren. Ein freies Ver- Bauern günstige Kredite „zum Kauf ihrer Höfe" zur fügungsrecht über ihren Grundbesitz hatten sie Verfügung gestellt, In den Herzogtümern fehlte es nicht; die Bauernstellen wurden gewöhnlich unge- an Mitteln dazu, einmal, weil die politische und wirt- teilt vererbt. schaftliche Lage sich durch die Napoleonischen In der Marsch hatte sich freies Bauerntum am läng- Kriege rapide verschlechtert hatte, zum anderen, sten behaupten können, mit weitgehender Selbst- weil die andere, fast gleichzeitige große dänische verwaltung in Kommunen und „Landschaften" Sozialreform, die Abschaffung des Negersklaven- (Dithmarschen, Stapelholm, Eiderstedt, Sylt). In den handels, mit mehr als 1 Million Reichstalern subven- Eibmarschen gab es schon im 13. Jahrhundert ei- tioniert worden war. nen eingesessenen Adel; aber es entwickelte sich Ein Vergleich mit der etwas späteren Bauernbefrei- durchweg keine Gutswirtschaft, sondern man ver- ung in Preußen ist interessant. Vor allem der Freiherr blieb bei der („westelbischen") Form von Renten- vom Stein kannte die dänische Gesetzgebung und grundherrschaft (sog, „Adlige Marschgüter"). In stellte sie als vorbildlich hin. Trotzdem folgte man in Dithmarschen hatten die bäuerlichen „Geschlech- Preußen diesem Vorbild nicht, Hier konnten die ter" den Adel zum Verlassen des Landes gezwun- Gutsbauern ihre Höfe zu eigen erhalten, wenn sie gen, soweit er sich nicht im Rahmen eines „Ge- einen Teil ihres Landes an den Gutsherrn abtraten, schlechts" einordnete. Als nach der Unterwerfung und zwar bisherige Erbpächter ein Drittel, Zeitpäch- des Landes 1559 die schleswig-holsteinische Ritter- ter die Hälfte. Ihre Selbständigkeit mußten die preu- schaft darauf erpicht war, in diesem reichen Land ßischen Bauern also teuer erkaufen; viel Bauernland Grund und Boden zu erwerben, nahmen die Fürsten ging im Zuge der „Bauernbefreiung" verloren, fiel die Interessen der freien Bauern wahr; denn sie den Gütern zu, Und auch mancher verschuldete selbst hatten kein Interesse daran, daß der weitge- „Restbauer" verlor sein Eigentum schließlich an den hend steuerfreie Adel dort Fuß faßte. Die bei den Gutsherrn, weil liberalistische Grundgedanken den Marschbauern weitverbreitete freie Verfügungsge- freien Grundstücksverkehr gesetzlich verankert hat- walt über den Boden hat im Gegensatz zur Geest im ten. In Schleswig-Holstein dagegen hatte der von Laufe der Zeit zu einer breiten Skala sehr unter- Männern wie Niebuhr geforderte Bauernschutz den schiedlicher bäuerlicher Besitz- und Betriebsgrößen Vorrang vor gefährlicher, ja oft existenzbedrohender geführt. (Das mehr oder weniger ausgeglichene Eigentumszuweisung. Hier sind die bäuerlichen bzw. spannungsreiche Sozialklima auf dem Lande Pachthöfe dann im 19. und 20. Jahrhundert mit fand später seinen Niederschlag bei politischen staatlicher Hilfe (über Rentengüter) in Eigentums- Wahlen.) stellen umgewandelt worden. Die Güter, die nicht

42 mehr von dienstpflichtigen Bauern bearbeitet wur- sind kenntlich an Namen auf -holz und -feld (Wester- den, mußten nun selbst Gespanne sowie Knechte holz, Dollerupholz, Sankelmarkfeld, Schubyfeld). Im und Tagelöhner halten, Aus dieser ländlichen Unter- übrigen entstanden im 18. Jahrhundert Einzelsied- schicht (dazu gehörten auch die bei der Bauernbe- lungen durch umfangreiche Domänenparzellierun- freiung stiefmütterlich behandelten Insten) meldete gen und durch die „Peuplierung" der Heide und sich 1848 vernehmlich der „Vierte Stand" - noch ehe Moorgebiete auf der Geest, für die man süddeut- es hierzulande ein nennenswertes industrielles Pro- sche Kolonisten angeworben hatte - typische Na- letariat gab. men sind Christiansholm, Friedrichsanbau, Bern- Die andere große Agrarreform des 18./19. Jahrhun- storffshof, Moitkeshof usw. derts ist die Verkuppelung, d. h. die Ablösung der weitgehend agrargenossenschaftlichen durch eine vollindividuelle Wirtschaftsweise. Bis dahin waren im größten Teil des Landes (abgesehen von den Marsch- und Moorhufensiedlungen) die dörflichen Gemarkungen in zahlreiche Kämpe eingeteilt, in de- ren jedem der einzelne Bauer einen oder mehrere schmale Streifen (oft über hundert) besaß. Es herrschte notgedrungen Flurzwang, d. h. jeder Kamp mußte gleichzeitig und gleichartig bestellt, abgeerntet und dann als Viehweide freigegeben werden. Abpflügen vom Nachbargrundstück gab immer wieder Ärger, ungepflügte Streifen zwischen den Besitzstücken förderten die durch mangelhafte Bodenpflege ohnehin starke Verunkrautung. Einige Mühlenrade 1748, vor der Verkuppelung Bauernschaften hatten daher von sich aus Verkop- (schwarz - Besitz eines Vollhufners) pelungen vorgenommen, indem jedem Bauern sein Vor allem der südöstliche Teil der Gemarkung ist noch Land in wenigen größeren Stücken zugeteilt wurde, größtenteils Wald. Wiesen finden sich im Norden in einem die mit Knicks einzuzäunen waren und individuell schmalen Streifen entlang der Bitte. genutzt werden konnten. Die Nutzung erfolgte nach dem Vorbild der Gutsbetriebe durchweg in „holstei- nischer Koppelwirtschaft", bei der in etwa 10jähri- gem Turnus auf mehrere Jahre Ackerbau mehrere Jahre Weidewirtschaft folgten. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts nahmen dann die Regierungen, die vor allem aus steuerlichen Gründen an einer He- bung der Landeskultur interessiert waren, sich der Sache an, indem sie Verkoppelungsgesetze erlie- ßen und die Herstellung von Flurkarten für die Umle- gung unterstützten. Wir wollen hier auf Einzelheiten verzichten. Nur ein Problem sei hervorgehoben: War es nicht rationeller, jedem Bauern sein Land in ei- nem einzigen Stück zuzuweisen? So verfuhr man großenteils im Königreich Dänemark: Viele Dörfer Mühlenrade nach der Verkuppelung 1821 verschwanden (wie von einer Sprengladung getrof- fen) von der Bildfläche; stattdessen entstanden in weiter Streu über die Gemarkung verteilt neue Ein- zelhöfe. (Erst mit zunehmender Industrialisierung bil- deten sich neuartige Siedlungskerne, oft als „Sta- tionsbyer" mit Meierei, Schmiede und Maschinen- werkstatt, Landhandel, Sparkasse und dergl.). Solch ein Verfahren eines „aufgeklärten Despotis- mus" gegenüber den durchweg konservativen Bau- ern befürworteten auch in den Herzogtümern einige Amtmänner. Aber die Regierung wollte keinen derar- tigen Zwang ausüben, So blieben bei uns im allge- meinen die geschlossenen Dörfer erhalten. Einzel- höfe, größtenteils auf arrondiertem Areal, entstan- den zumeist nur in den bislang extensiv als Weide genutzten Außenbezirken der Gemarkungen - sie Müh/enrade nach der Flurbereinigung 1959

43 Die Befreiung aus gutswirtschaftlichen und agrarge- len und den Bau besserer Wirtschaftswege. Alt nossenschaftlichen Bindungen schuf die Vorausset- das war das Ziel einer staatlich geförderten Flur- zung für den Aufschwung der schleswig-holsteini- bereinigung. Die drei Karten von Mühlenrade in schen Landwirtschaft. Um im verstärkten Konkur- Lauenburg zeigen beispielhaft den Wandel des renzkampf bestehen zu können, gründeten die Flurbildes (der Besitz eines Hofes ist hervorgeho- Landwirte nunmehr auf freiwilliger Basis Genossen- ben) vor (1748) und nach der Verkuppelung schaften für Bezug, Absatz, Kreditbeschaffung usw, (1821) sowie nach der jüngsten Flurbereinigung Die in der großen Reformzeit geschaffene Agrar- (1959). struktur wurde erst im 20. Jahrhundert modifiziert, 3. Der hohe Kapitalaufwand für notwendige, arbeit- und zwar in dreifacher Hinsicht: sparende Modernisierung war und ist für viele 1. Aus sozialpolitischen Gründen wurde der Groß- landwirtschaftliche Betriebe, namentlich ange- grundbesitz zugunsten bäuerlicher Siedlungen sichts der Preisschere von Agrar- und Industrie- beschränkt, zunächst nach dem 1. Weltkrieg produkten, nicht zu verkraften. Mangelnde Renta- durch das Reichssiedlungsgesetz von 1919. Hin- bilität bedingte einen enormen Schwund klein- zu kamen wirtschaftliche Schwierigkeiten um und mittelbäuerlicher Stellen (darunter auch zahl- 1930, Nach dem 2. Weltkrieg wurden dann die reicher, erst vor zwei bis drei Jahrzehnten ge- Bodenreformgesetze erlassen: Danach wurde al- schaffener Bodenreform-Siedlungen). Ihr Land ler Grundbesitz über 100 ha beschlagnahmt und wird zumeist an größere und an Nachbarbetriebe konnte gegen Entschädigung zur Aufsiedlung verpachtet. Wirtschaftliche Erwägungen führten enteignet werden. Wegen zeitbedingt ideologi- zu verstärkter Spezialisierung auf bestimmte Pro- scher Begründungen, wegen Finanzierungs- duktionsziele. Großbetriebe wirtschaften heute schwierigkeiten bei der Schaffung von Neu- meist viehlos und mit erstaunlich wenigen Ar- bauernstellen, wegen bundesinterner Umsiedlun- beitskräften. Viehzucht, insbesondere die ar- gen und des nachlassenden Drucks heimatver- beitsintensive Milchwirtschaft, ist im allgemeinen triebener Bauern sowie wegen des zeitgemäßen bäuerlichen Betrieben vorbehalten. In der Marsch Trends zu größeren Betrieben wurden diese Ge- dringt der rentablere Ackerbau auf Kosten der setze 1960 vom Landtag fast einstimmig wieder Grünlandwirtschaft vor. aufgehoben. Mittlerweile waren gut 30 000 ha So vollzieht sich vor unseren Augen ein tiefgreifen- aufgesiedelt worden (meistens Stellen von 12 bis der agrarsozialer Wandel. Was ist heute ein „Fami- 20 ha). Nach wie vor prägen Güter mit Herrenhäu- lienbetrieb"? Viele kleinere und mittlere Betriebe, auf sern, Parks, Waldungen, stark die Agrarsozial- die einst diese Bezeichnung zutraf, ringen schwer struktur im Östlichen Hügelland. um ihre Existenz oder haben bereits aufgegeben; 2. Die zunehmende Mechanisierung in der Landwirt- dagegen lassen sich Großbauernhöfe und sogar schaft verlangte größere Betriebsflächen und da- manche Güter heute als Familienbetriebe klassifizie- mit die Beseitigung eines allzu engen Knicknet- ren. zes, ferner die Zusammenlegung kleiner Parzel-

44 Aus der Geschichte einer Grenzregion Professor Dr. W. Prange

Schleswig heißt das Land zu beiden Seiten der gigkeit („Fester"}, viele waren freie Eigentümer ge- deutsch-dänischen Grenze, von der Eider im Süden blieben („Bonden"}. Frei waren auch die Bauern im bis zur Königsau im Norden, Es ist benannt nach Westen, in den Marschen des Festlandes ebenso dem Sitz der alten Herzöge von Schleswig in der wie auf den Inseln, den „Friesischen Uthlanden". Der gleichnamigen Stadt. Das Herzogtum Schleswig ge- Kampf mit dem Meer, das in verheerenden Sturmflu- hörte zum dänischen Reich, kann aber seit dem 13, ten immer wieder Siedlungsland vernichtete („Grote Jahrhundert in zunehmend engere Verbindung mit Mandrenke" 1362, Untergang Alt-Nordstrands dem südlich angrenzenden, zum Deutschen Reich 1634), zugleich aber durch Eindeichung neuer Köge gehörenden Holstein. 1460 wählte die Ritterschaft ständig zurückgedrängt wurde, zwang zu nachbarli- von Schleswig und Holstein den dänischen König chem Zusammenwirken. Schon früh entwickelte zum Herrn beider Lande und ließ sich von ihm das sich hier eine über den Bereich der Gemeinde hin- später zur politischen Losung verkürzte „Up ewig ausgehende weitreichende Selbstverwaltung, die ungedeelt" verbrieten. Die Verbindung mit Däne- den „Landschaften" an der Westküste ihr besonde- mark hat bis 1864 bestanden. res Gepräge neben den herrschaftlich verwalteten Schleswig ist von jeher ein Land der Vielfalt gewe- „Ämtern" des Binnenlandes gab. Das zeigte sich sen. Die Landschaft Angeln, südöstlich Flensburg, auch in eigenständiger Rechtsetzung („Krone der war Urheimat der Angeln, die am Ende der Völker- rechten Wahrheit" in Eiderstedt 1426, „Spadelan- wanderungszeit nach Britannien zogen und dem desrecht" für das Deichwesen allgemein), während Land ihren Namen England gaben. Von Norden sonst in Schleswig das 1241 vorn König erlassene rückten dänische Juten nach. Der Süden von der Gesetzbuch, das „Jütsche Low", galt und daneben Eider bis zur Schlei wurde von Holstein aus besie- die Städte ihre besonderen Stadtrechte hatten. Die- delt. An der Westküste mit den Inseln fand eine Ein- se Vielfalt der örtlichen Rechte hat bis zur Einfüh- wanderung von Friesen statt. Seit dem 16, Jahrhun- rung des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 dert gab es dort starken niederländischen Einfluß, fortbestanden. Friedrichstadt wurde 1621 von niederländischen Das ausgehende 18. Jahrhundert war eine Blütezeit Glaubensflüchtlingen als religiöse Freistatt gegrün- des von der Eibe bis zum Nordkap reichenden Ge- det. Die schleswigschen Städte erfuhren seit dem samtstaats, in dem Dänemark, Norwegen und Mittelalter ständig Zuwanderung aus dem deut- Schleswig-Holstein verbunden waren und in einem schen Süden. Die älteste Stadt war Schleswig, aufgeklärten, humanen Geist regiert wurden, der Nachfolgerin von Haithabu, das seit dem 8. Jahrhun- auch im übrigen Europa Anerkennung fand. Die gro- dert den Warenaustausch zwischen Mitteleuropa ßen Agrarreformen brachten mit der Aufhebung von und Skandinavien vermittelt hatte. Husum kam mit Leibeigenschaft und Feldgemeinschaft (Verkoppe- dem Verkehr nach Holland im 16,Jahrhundert em- lung) den Bauern früher als in den Nachbarländern por. Zur bedeutendsten Stadt des Herzogtums wur- persönliche und wirtschaftliche Freiheit und schufen de Flensburg, dessen Kaufleute um 1800 vielfach im damit die Voraussetzungen für die weitere Moderni- Überseehandel tätig waren. Zur gleichen Zeit stellte sierung des 19. Jahrhunderts, Nordfriesland einen wesentlichen Anteil der Seeleu- Der Gesamtstaat hatte ein einheitliches Staatsbür- te und namentlich auch der Kapitäne auf den in gerrecht, aber nur in Teilbereichen einheitliche Ver- Hamburg und Altona sowie in den Niederlanden be- waltung; die Eigenständigkeit der Herzogtümer heimateten Schiffen. Schleswig-Holstein blieb unangefochten, und unter- Aber den Kern des Landes beherrschte die Land- einander wuchsen sie immer enger zusammen. Ge- wirtschaft. Auf den guten Böden längs den Küsten wiß blieben auch Unterschiede; aber sie traten nicht der Ostsee bildeten sich seit dem Ende des Mittelal- hervor, auch nicht die Verschiedenheit der Volks- ters die Adligen Güter heraus, die als Großbetriebe sprachen in Schleswig, wo seit dem Mittelalter Dä- mit Hofdiensten abhängiger, schließlich vielfach der nisch und Friesisch vor dem Niederdeutschen zu- Leibeigenschaft unterworfener Bauern geführt wur- rückwichen. den und in geregelter Feldgraswirtschaft Getreide, Das Erwachen des Nationalbewußtseins in Europa, Butter und Käse für den Markt erzeugten und viel- das in Schleswig um 1840 einsetzte, ließ den Ge- fach exportierten. Der Mittelrücken mit seinen kar- samtstaat als überlebt erscheinen. Auf dänischer geren Böden („Geest") war Bauernland; nur ein Teil Seite wollte man Schleswig wieder enger mit Däne- der Bauern stand in lockerer grundherrlicher Abhän- mark verbinden und dabei allenfalls auf Holstein ver-

45 ziehten, auf deutscher Seite sich an Deutschland ihre Einverleibung in Preußen. Wie es in den Jahren anschließen und dabei die Einheit beider Herzog- zuvor eine bewußte Danisierungspolitik gegeben tümer bewahren: beide Seiten wollten das ganze hatte, die letztlich vergeblich geblieben war, so kam Schleswig, der Gedanke einer Teilung lag fern. Als es jetzt im nördlichen Schleswig zu Versuchen der in der Revolution von 1848 der König das Ziel der Germanisierung, die ebenso ergebnislos blieben „Eiderdänen" übernahm, antworteten die Schleswig- und am Ende das Dänentum eher stärkten. Im Ver- Holsteiner mit der Erhebung. Sie fand lebhaftes trag von Versailles konnte es eine Volksabstimmung Echo durch ganz Deutschland, führte unter dem durchsetzen. Sie führte 1920 zur Teilung Schles- Druck der Großmächte jedoch nicht zum Ziel. Im In- wigs. Auf beiden Seiten der neuen Grenze blieben teresse des europäischen Gleichgewichts wurde kräftige Minderheiten, die sich jeweils ihrem Volke der Gesamtstaat konsolidiert, zugleich aber eine verbunden fühlen. Heute werden die Minderheiten Einverleibung Schleswigs in Dänemark untersagt. als Bereicherung, als forderndes und förderndes Als Dänemark dagegen verstieß, lieferte es dem Element im kulturellen Wettstreit empfunden, und Deutschen Bund den Rechtsgrund zum Eingreifen. das Zusammenleben beiderseits der deutsch-däni- Das Ergebnis des Krieges von 1864 waren die Los- schen Grenze wird als Vorbild für andere Grenzre- lösung der Herzogtümer von Dänemark und 1867 gionen in Europa gerühmt.

Ergebnisse der Volksabstimmung 1920 und deutsch-dänische Grenzziehung

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0-39 •/. 40 - 59 •/, 60-100% deutsche Stimmen

46 Programm Nord - was hat es bewirkt, was bleibt zu tun? Arnd v, Reinersdorff

Seit 1953 läuft im Landesteil Schleswig und heute kommt die ASG nun ein viertes Mal in das Programm auch darüber hinaus das Programm Nord mit dem Nord - begleitend, beratend, befragend, ob dieses Ziel, die Lebensverhältnisse aller Bewohner dieses Programm auch unter neuen Rahmenbedingungen strukturschwachen Randraumes grundlegend zu modellhaft sein kann. Nur kurz deshalb zur Arbeits- verbessern. Seit 1973 liegt hier der räumliche und weise des Programm Nord in den sogenannten finanzielle Schwerpunkt der Agrarstrukturverbesse- Hauptarbeitskreisen: rung im Rahmen der Gerneinschaftsaufgabe „Ver- Zentrale Maßnahme der strukturellen Neuordnung besserung der Agrarstruktur und des Küstenschut- war die Flurbereinigung. Ähnliche Bedeutung hat zes". die Regelung der Vorflut. In den letzten Jahren ha- Seinerzeit wurden drei Ziele formuiiert: ben sich die Schwerpunkte verlagert zugunsten der - Erhöhung der Produktivität landwirtschaftlicher Abwasserbeseitigung, nachdem die Wasserversor- Betriebe durch Verbesserung der Produktionsbe- gung weitgehend abgeschlossen ist. Damit wurden dingungen Voraussetzungen für Gewerbe und Fremdenverkehr - Entwicklung der Gemeinden durch Verbesserung ausgebaut. Die Aufforstung dient weniger dem der Infrastruktur und Nutzholzertrag, als vielmehr der Landschaftsgestal- - Gestaltung einer gesunden Landschaft unter Be- tung, Der Ausbau von Erschließungsstraßen war ein rücksichtigung ökonomischer Gesichtspunkte. Schwerpunkt. Da die vorrangig auf die Verbesse- Dem kann man auch heute noch zustimmen. rung der Agrarstruktur ausgerichteten Vorhaben al- Mit dieser beispielhaften ländlichen Neuordnung be- lein nicht in der Lage sind, notwendige faßte sich die Agrarsoziale Gesellschaft (ASG) ein Entwicklungsimpulse zu geben, werden sie durch erstes Mal auf ihrer Frühjahrstagung 1960 in Kiel. Projekte zur Förderung des Fremdenverkehrs und „Erschließungsprogramme sollen sich dadurch aus- der gewerblichen Wirtschaft ergänzt. zeichnen, daß sie kontinuierlich und elastisch ge- Seit 1973 verfügt das Programm Nord im Rahmen plant, durchgeführt und gesichert werden. Unter der Gerneinschaftsaufgabe nicht mehr über beson- diesen Direktiven wird über die bisherige Entwick- dere Mittel oder besondere Konditionen, Das war lung des Landeskulturwerks Programm Nord berich- eine völlig neue Situation. Von nun an standen Infor- tet und seine Zukunft umschrieben", hieß es in der mation, Planung, Koordination im Vordergrund. Im Tagungsbroschüre. nachhinein hat sich diese einschneidende Änderung Bei ihrem zweiten Besuch wurde den Tagungsteil- als außerordentlich positiv erwiesen, denn aus heuti- nehmern 1967 in Flensburg bewiesen, „daß es gelin- ger Sicht gibt es kaum etwas Sinnvolleres und Drin- gen kann, den landeskulturellen Rückstand eines genderes für eine Landentwicklungsgesellschaft, Gebietes aufzuholen und Voraussetzungen für eine als Bürger und Ämter zu informieren, zu planen und zielstrebige Fortentwicklung zu schaffen. Reicht das vor allem die Maßnahmen und die Haushaltsansätze jedoch für die Zukunft aus, um den Rückzug aus der möglichst aller im ländlichen Raum Tätigen zu koor- Fläche zu verhindern?", so fragten wir zugleich. dinieren. Folgerichtig fand die ASG 1977 ein drittes Mal das In der Praxis geschieht diese Koordination auf zwei Programm Nord interessant genug für eine Früh- Ebenen und in zwei Konkretisierungsstufen. jahrstagung in Husum. Es ging um die Zukunfts- Anfang jeden Jahres stimmt die Programm-Nord- chancen schwachstrukturierter ländlicher Räume. GmbH ihre langfristige, übergreifende Planung mit Die Perspektiven waren wenig günstig, wie in der den raumwirksamen Planungen und Programmen Tagungsbroschüre nachzulesen ist. „Wenn dem der Ressorts in Kie! ab. Hier werden die Schwer- ländlichen Raum wirklich geholfen werden soll, müs- punkte finanzieller Art gesetzt, hier erfolgt die ent- sen das im ganzen Land nur noch beschränkt vor- scheidende Koordinierung aller Programm-Nord- handene Entwicklungspotential und die zusätzli- Maßnahmen entsprechend der Maxime des Vorge- chen Arbeitsplätze diesem Raum, insbesondere sei- hens von Norden nach Süden. nen strukturschwachen Teilen, zugeführt werden. Nächste Ebene ist die kreisweise Koordinierung der Der Weg dahin führt über komplexe landwirtschaftli- jährlichen Bauabschnitte. Diese erfolgt praxisnah che Entwicklungsprogramme. ... 25 Jahre Lan- mit den Landräten, den Leitern der Ämter für Land dentwicklung im Programm Nord beweisen die Rea- uns Wasserwirtschaft und den Vertretern der sonsti- lisierbarkeit." gen im Raum tätigen Dienststellen. Auf dieser Ebe- Unter der Thematik „Neue europäische Agrarpolitik" ne werden die tatsächlichen Erfordernisse und Be-

47 Investitionen des Bundes und des Landes Schleswig-Holstein im Programm-Nord-Gebiet 1953-1984 *) (zusammengestellt von K.Weigand) v.H. EU 2,1 Dorferneuerung v.H. v.H, Verbesserung der landschafts- 132 pflegerischen Maßnahmen Wirtschaftswegebau - (außerhalb der Flurbereinigung)

Zentrale Abwasser- beseitigung Zentrale Wasser Verbesserung der Versorgung ! i i iüiüiiii ii 3 U!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! H 13 Gewässergüte

Vorflutausbau

Aufforstung

Flurbereinigung und landbautechnische — Maßnahmen

15,7

1953 55 60 65 Art der Verwendung in v. H. 1953-72 1982/83 1984

''ohne die lfd. Ausgaben für allg. Infrastrukturmaßnahmen und Verwaltungskosten (0,7- l,6 v.H.) und die temporären Ausgaben für Dünenbefestigung und Halligsanierung 1961-1968 (1,4 v.H.) Tabelle 1: Durch Bundes- und Landessondermittel Nord von 1953 bis 1972 und im Rahmen der Gemeinschaftsauf- gäbe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" von 1973 bis 1984 in den Hauptarbeitskreisen des Programm Nord ausgelöstes Investitionsvolumen (Mio DM)

Hauptarbeitskreis 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 A. Flurbereinigung 0,807 7,188 8,245 10,992 11,863 10,786 14,766 15,180 22,763 32,634 23,038 B. Landbautechn. Maßnahmen ------C. Aufforstung - 0,484 0,492 0,354 0,488 0,560 1,165 1,195 1,229 1,233 0,969 D. Vorflutausbau 5,945 15,713 11,457 10,839 10,048 11,715 9,328 9,065 1 1 ,002 10,686 14,395 E, Zentr. Wasserversorgung - - 1,222 2,105 1,565 2,025 2,709 2,579 13,295 19,067 17,480 E2 Zentr. Abwasserbeseitigung ------1,835 F. Wirtschaftswegebau 1,340 1,695 4,531 7,284 6,022 6,730 6,143 5,187 6,671 7,820 1 1 ,638 G. Dünenbefestigung ------0,207 0,324 0,188 0,247 0,379 H. Schutzmaßnahmen für Hallig- bewohner ------— - 0,779 2,574 2,794 J. Infrastrukturmaßnahmen - - - - - — — - - - - K. Verwaltungskosten - - - - - 0,006 0,040 0,006 0,160 0,221 0,182 Gesamtvolumen: 8,092 25,080 25,947 31,574 29,986 31,842 34,358 38,596 56,087 74,482 74,710

Hauptarbeitskreis 1964 1965 1966 1967 1968 1969 1970 1971 1972 A, Flurbereinigung 41,608 36,271 35,246 35,480 34,077 33 444 31,811 25,702 26,203 B. Landbautechn. Maßnahmen - 0,377 0,353 0,639 0,755 0 528 1,054 0,415 0,383 C. Aufforstung 0,752 0,439 0,250 0,195 0,216 0 197 0,249 0,149 0,225 D. Vorflutausbau 13,165 13,589 11,793 15,843 17,171 16 874 13,416 12,785 12,285 E, Zentr. Wasserversorgung 13,931 11,958 8,254 10,417 5,517 4 927 10,023 8,427 11,130

E2 Zentr. Abwasserbeseitigung 2,930 3,343 2,242 2,256 3,263 2 035 2,734 3,355 3,849 F. Wirtschaftswegebau 11,232 10,856 9,973 11,027 10,501 9 866 8,974 9,112 8,884 G. Dünenbefestigung 0,116 0,293 0,267 0,277 0,156 - - - - H. Schutzmaßnahmen für Hallig- bewohner 2,475 1,775 1,282 0,991 - - - - - J. Infrastrukturmaßnahmen _ - - — - - - 0,810 4,294 K. Verwaltungskosten 0,181 0,104 0,109 0,102 0,102 0 118 0,120 0,137 0,135 Gesamtvolumen; 86,390 79,005 69,769 77,227 71,578 67 989 68,381 60,892 67,388

1953- in% 1973 1974 1975 1976 1977 1978 1979 1980 1981 1982 1983 1984 1973- in % 1953- in % 72 1984 1984

A + B 464,7 43,0 29,6 29,3 23,0 21,0 19,3 17,3 17,3 23,2 16,0 15,8 12,9 11,3236,0 26,1 700,7 35,3 C 10,9 1,0 0,3 0,4 0,3 0,2 0,2 0,2 0,2 0,7 1,1 1,2 1,7 1,7 8,2 0,9 19,1 1,0 D 247,1 22,9 20,0 25,1 21,5 15,6 14,7 11,0 12,2 14,7 7,7 7,0 7,6 6,3163,4 18,1 410,5 20,7 E, 151,6 14,0 19,1 22,5 16,9 12,5 18,9 17,7 16,0 14,6 7,8 5,3 7,3 1,7160,3 17,8 311,9 15,7 E2 27,8 2,6 7,4 17,3 14,2 12,7 11,5 13,6 16,3 15,1 8,6 21,5 30,1 35,3 203,6 22,5 231,4 11,7 F 155,5 14,4 9,9 14,5 6,3 7,7 13,5 15,0 13,7 13,7 8,1 7,2 7,2 0,6117,4 13,0 272,9 13,8 G 2,5 0,2 - - - - - — — - - - _ — _ — 2,5 0,1 H 12,7 1,2 ------— - — — — 12,7 0,6 J 5,1 0,5 0,7 1,0 1,6 1,0 1,4 0,7 0,8 0,8 0,9 1,0 1,2 1,1 12,2 1,4 17,3 0,9 K 1,8 0,2 0,1 0,2 0,2 0,2 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 0,1 1,5 0,2 3,3 0,2

Gesami- rolumen 1079,7 100 87,1 110,3 84,0 70,9 79,6 75,6 76,6 82,9 50,3 59,1 68,1 58,1 902,6 100 1982,3 100

51 Tabelle 2: Programm-Nord-Leistungen

1. Gesamtaufwendungen 1953 bis 1984 c) dränierte Flächen 34 366 ha d) Bodenverbesserungen 10583ha 1 979,025 Mio DM e) Windschutzhecken davon Zuschüsse und Baumreihen 9 437 km f) Aussiedlungen 755 Betriebe (ohne EAFGL-Rückflüsse und sonstige g) Neuaufforstungen 4 594 ha Zuschüsse Dritter, z. B. Kreise und Gemeinden pp.) h) Umwandlungen von 1 193,414 Mio DM Nieder- in Hochwald 85 ha = 60,3 v. H. i) Regelung der Wasserwirtschaft auf 188 000 ha (Vorteilsflächen) j) Wasserversorgung 2. Stand der Flurbereinigung 1984 Verfahren ha durch 61 Wasserwerke für 1 500 000 Versorgungs- a) Einleitung 495 514741 einheiten (VSE) b) Besitzeinweisung 457 465 565 k) Abwasserbeseitigung für 950 000 Einwohner- c) Ptanvorlage 424 420218 gleichwerte d) Schlußfeststellung 297 288771 l) Erschließungsstraßen/ Hauptwirtschaftswege/ Wirtschaftswege außer- 3. Bauleistungen (1953-1983) * halb der Filibereinigung 2319 km m) Infrastrukturmaßnahmen: a) ausgebaute Wirtschaftswege 53 in 41 Gemeinden in der Flurbereinigung 8187km n} Inselschutz 225 ha Dünen befestigt b) ausgebaute Gräben o) Halligsanierung 74 Schutzräume offen/verrohrt 5 159 km

* Angaben über die Bau/eistungen Hegen für 1984 noch nicht vor.

Tabelle 3: Gesamtbauvolumen in den Kreisen des Programm Nord 1953 bis 1984 (in TDM)

Hauptarbeitskreis Dithmarschen Nordfriesland Rendsburg- Schleswig- Steinburg zusammen Eckernförda Flensburg Flurbereinigung einschl. Landbautechn. Maßnahmen 135 141,1 250816,0 106897,8 194869,5 13021,8 700 746,2 Aufforstung 1 375,0 9 122,2 2 540,9 5563,4 564,0 19 165,5 Vorflutausbau 87 034,9 204 123,1 40 309,8 73 155,1 5 906,6 410529,5 Zentrale Wasserversorgung 73355,5 132225,3 26051,4 78 506,8 1 766,1 311 905,1 Zenrale Abwasserbeseiligung 49021,7 58836,2 54 300,0 54 739,9 14544,6 231 442,4 Wirtschaftswegebau 70469,8 88413,6 38797,4 64508,4 10678,9 272868,1 Schutzmaßnahmen für Halligbewohner - 12670,0 - - - 12670,0 Dünenbefestigung - 2454,0 - - - 2 454,0 Infrastrukturmaßnahmen 4997,5 B 263,5 703,7 2232,3 1 047,0 17244,0 insgesamt: 421 395,5 766 923,9 269601,0 473 575,4 47 529,0 1 979 024,8

Tabelle 4: Beschäftigte in der Industrie je 1000 Einwohner

Kreis am 30. 09. 1959 am 30. 09. 1977 am 30. 09. 1983 Veränderung 1959-1983 in v, H,

Dithmarschen 46 49 51 + 10,9 Nordfriesland 20 22 21 + 5,0 Rendsburg-Eckernförde 53 51 43 -18,9 Schleswig-Flensburg 31 32 29 - 6,5 Steinburg 76 86 84 + 10,5 Programm-Nord-Kreise insgesamt bzw. 0 45 46 43 - 4,4

Übrige Kreise insgesamt bzw, 0 56 68 63 + 12,5 Alle Kreise insgesamt bzw. 0 51 59 54 + 5,9 Schleswig-Holstein insgesamt bzw. 0 75 73 67 + 10,7 Tabelle 5: Bevölkerungsentwicklung

Kreis Fläche am Wohnbevölkerung am Zu- bzw. Abnahme der Wohnbevölkerung in v. H. von 6.6.1961 31,12.1983 1961 bis 1983 6.6.1961 31.12.1983 insges. je km2 insges je km 2 insges, je km? km2 km2

Dithmarschen 1 380,4 1 405,6 128979 93 1 30 643 93 + 1,3 ± 0,0 Nordfriesland 2005,0 2 042,6 143715 72 161 631 79 + 12,5 + 9,7 Rendsb. -Eckernförde 2 188,4 2185,5 210563 96 247 128 113 + 17,4 + 17,7 Schleswig-Fiensburg 2 074,8 2071,2 1 59 259 77 182653 88 + 14,7 + 14,3 Steinburg 1 057,0 1 055,9 128508 122 127831 121 - 0,5 - 0,8 Prograrnm-Nord-Krs. insgesamt bzw. 0 8 705,6 8760,6 771 024 89 849 886 97 + 10,2 + 8,9 Übrige Kreise insgesamt bzw. 0 6513,4 6 507,8 847 124 130 1 137603 175 + 34,3 + 34,6

Alle Kreise insges. bzw. 0 15219..0 15268,6 1 618 148 106 1 987 489 130 + 22,8 + 22,6 Schleswig-Holstein insges. bzw. 0 15657,4 15721,1 2317441 148 2616598 166 + 12,9 + 12,2

Tabelle 6: Erwerbsstruktur (Erwerbspersonen in den Wirtschaftsbereichen) 1)

Von allen Erwerbspersonen gehörten zum Wirtschaftsbereich

Handel, Verkehr Sonstig«3 Bereiche Kreis Land- und Fcirstwirtschaft Produzierenc es Gewerbe Nachrichten Übermittlung (Dienst 3istungen) am 6. 6. 61 am 27.5.70 am 6.6,61 am 27. 5. 70 am 6.6.61 am 27.5.70 am 6.6.61 am 27.5.70 Anzahl v. H. Anzahl v, H. Anzahl v. H, Anzahl v. H, Anzahl v. H. Anzahl v. H Anzahl v, H. Anzahl v. H.

Dithmarschen 15783 29 9195 18 16898 31 17413 34 10030 19 10376 20 11 201 21 14383 28 Nordfriesland 18237 29 11 253 18 15498 25 15322 24 10 530 17 12016 19 17889 29 24 984 39 RD-Eckernförde 20836 24 12979 15 33033 38 31 685 35 15272 17 16648 19 18812 21 28195 31 Schl.-Flensb. 22204 34 13872 20 18733 30 19978 29 9932 15 11 549 17 13897 21 23 435 34 Steinburg 10620 20 7075 13 22020 41 21 438 40 10807 20 10532 20 10425 19 1 4 1 50 27 Progr, Nord-Kr. insges. bzw. 0 87 680 27 54374 17 106 182 33 105836 32 56571 18 61 121 19 72224 22 105147 32 Übrige Kreise insges, bzw, 0 65447 18 39926 10 151 317 41 165991 40 70703 19 87 760 21 82462 22 122539 29 Alle Kreise insges, bzw, 0 153 127 22 94300 13 257499 37 271 827 36 127274 18 148 681 20 154686 23 227 686 31 Schl.-Holstein insges. bzw. 0 157909 16 97 061 9 386268 39 382047 37 201 162 20 217870 21 240 600 25 335 582 33

1) neuere Daten gibt es erst in Verbindung mit einer neuen Volkszahlung

53 Tabelle 7: Bruttoinlandsprodukt/Bruttowertschöpfung insgesamt1)

Kreis Mio DM 1961 1970 1980 1961 1970 1980 DM je Landes- DM je Landes- DM je Landes- Einwohner wert = 1 00 Einwohner wert = 100 Einwohner wert = 100

Dithmarschen 663 1 353 3253 5410 109,3 9510 103,0 24929 125,2 Nordfriesland 604 1 297 2849 4210 89,4 8500 92,1 17623 88,5 RD-Eckernförde B29 1 667 4382 3590 84,0 7700 83,4 17850 89,7 Schl.Flensb. 584 1 321 2980 3660 77,8 7880 85,4 16397 82,4 Steinburg 597 1 106 2842 4650 98,8 8670 93,9 22016 110,6 Progr. Nord-Kreise insgesaml bzw. 0 3277 6744 16306 4254 90,5 8344 90,4 19218 96,6 Übrige Kreise insgesamt bzw. 0 3772 7909 18602 4456 94,8 8375 90,7 16547 83,1 Alle Kreise insgesamt bzw. 0 7049 14653 34908 4360 92,8 8361 90,6 17696 88,9 Schleswig-Holstein insgesamt bzw. 0 10898 22328 51 974 4700 100,0 9230 100,0 19904 100,0

1) 1961= Bruttoinlandsprodukt; 1970 und 1980= Bruttowertschöpfung

Tabelle 8: Anteile der Wirtschaftsbereiche am Bruttoinlandsprodukt bzw. an der Brunowertschöpfung (in v. H.) 1>

Kreis Land- und warenproduzierendes Handel und Verkehr übrige Dienst- Forstwirtschaft Gewerbe leistungsbereiche

1961 1970 1980 1961 1970 1980 1961 1970 1980 1961 1970 1980

Dithmarschen 20,5 16,2 8,1 42,7 43,4 51,8 18,2 13,1 13,1 18,6 27,3 27,0 Nordfriesland 25,3 19,1 12,9 24,5 26,5 20,9 23,0 14,4 17,5 27,2 40,1 48,7 Rendsburg-Eckernf. 20,7 13,8 8,7 37,3 38,8 39,4 20,3 14,0 13,9 21,7 33,4 38,0 Schleswig-Flensbg. 31,8 18,9 13,8 26,2 30,0 27,0 17,4 11,3 11,9 24,6 39,7 47,3 Steinburg 15,8 12,4 7,2 46,2 41,4 31,5 18,4 15,6 13,7 19,6 30,5 47,6 Programm-Nord-Kreise insgesamt fazw, 0 22,6 16,0 10,0 35,7 35,9 35,0 19,5 13,7 14,0 22,2 34,4 41,0 Übrige Kreise insgesamt bzw. 0 14,3 8,9 6,0 49,3 47,1 38,2 16,2 13,7 15,0 20,2 30,3 40,8 Alle Kreise insgesamt bzw. 0 18,1 12,2 7,8 43,0 42,0 36,7 17,7 13,7 14,6 21,2 32,1 40,9 Schleswig-Holstein insgesamt bzw. 0 12,2 8,4 5,3 42,3 40,7 35,9 21,4 15,7 15,8 24,0 35,2 43,0

1) 1961 Bruttoinlandsprodukt; 1970 und 1980 Bruttowertschöpfung

54 Tabelle 9: Anteile der Kreise am Brunoinlandsprodukt und an der Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche (in v. H.) 1)

Bruttoiniandsprodukt/Bruttowertschöpfung der Wirtschaftsbereiche Bruttoinlands-

Kreis Land- und warenproduzie- Handel und übrige Dienst- produkt/Bruttowert- Forstwirtschaft rendes Gewerbe Verkehr leistungsbereiche schöpfung insgesamt:

1961 1970 1980 1961 1970 1960 1961 1970 1980 1961 1970 1980 1961 1970 1980

Dithmarschen 10,2 10,7 9,5 6,1 7,2 9,0 5,2 4,6 5,2 4,7 4,3 3,9 6,1 6,1 6,3 Nordfriesland 11,5 13,4 13,2 3,2 3,7 3,2 6,0 5,2 6,1 6,3 6,6 6,2 5,5 5,8 5,5 Rendsburg-Eckernf. 12,8 12,6 13,7 6,7 7,0 9,3 7,2 6,6 7,4 6,8 7,1 7,5 7,6 7,5 8,4 Schleswig-Flensbg. 13,9 13,5 14,8 3,3 4,3 4,3 4,4 4,1 4,3 5,5 6,7 6,3 5,4 5,9 5,7 Steinburg 7,1 7,4 7,4 6,0 5,0 4,8 4,7 4,9 4,7 4,5 4,3 6,1 5,5 5,0 5,5 Programm-Nord-Kreise insgesamt bzw. 0 55,5 57,6 58,6 25,3 27,2 30,6 27,5 25,4 27,7 27,8 29,0 30,0 30,1 30,3 31,4 Übrige Kreise insgesamt bzw. 0 40,4 38,4 39,9 40,3 40,6 38,2 26,1 30,9 34,0 29,2 30,9 34,0 34,6 35,4 35,9 Alle Kreise insgesamt bzw, 0 95,9 96,0 98,5 65,6 67,8 68,8 53,6 56,3 61,7 57,0 59,9 64,0 64,7 65,7 67,3 Schleswig-Holstein insgesamt bzw. 0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0

1) 1961 = Bruttoinlandsprodukt; 1970 und 1980 = Bruttowertschöpfung

55 99 insgesam t Holstei n Schleswig - bzw . 0 insgesam t All e Kr.eis insg . bzw 0 Programrn-Nord-Kreis e bzw . 0 w T] co m :o z g 3'c? S Cr (Q S. ' CQ co" i er

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i 1 CG CG ro -» -i Co co ro -i -k co ro ro ro -^ CO tO -i -i -i wro— «•- - - j^coro— ••— ^ cocoro-^-* GJCJJ-J--^-* co co ro -^ — ^ cn o -i ^i cn cn o -* -j co co to co o cn -~i o co tn ji 0 "" oo co o co ro oo ro o CG ro CO Ji O CG CO A ^i cn -i ro cocncn-tvcn cricnocoui cn 4v ^ Co CD cn co -^ co - cn -•- CD ± -^ Cü -^ CD O5 ho O M CD cn ro o ro -^i co co tn CD co o oo cn tn CDcncococo OCD-&COCO ^cQcocnCD rotDcncoro cococnroro 0& i L L O O -^ CG O CD CO -i CO O O -ti -• -^ O ^sl CO O CO CO -^ co cn oo r*o ro — !\> ro cn ^J — J\D CD CD oo ~~^ — co — ^ ~^i CD ~^ ~^i CD OJ ~" Tabelle n. Viehbestand

Kreise Rindvieh Schweine insgesamt:

insgesamt Milchkühe Verän- Verän- Verän- derung derung derung 1960 1974 1982 1960- 1960 1974 1982 1960- 1960 1974 1982 1960- 1982 1982 1982 v. H. v. H. v. H. Dith marsch en 162576 1 82 675 186 107 + 14,5 36241 43915 49729 + 37,2 59872 73239 91 354 + 52,6 Norcffriesland 206 173 247 969 262810 + 27,5 52632 75 101 87434 + 66,1 69 150 99 670 190459 + 175,4 Rendsburg-Eckern!. 178703 220 062 244218 + 36,7 66239 78925 92686 + 39,9 112591 134568 183200 + 62,7 Schleswig-Flensbg. 205 536 256 337 287 377 + 39,8 77487 85380 100205 + 29,3 169519 237 964 368911 + 117,6 Steinburg 116094 144470 154827 + 33,4 34722 47395 55789 + 60,7 71 990 93 202 123719 + 71,9 Progr. -Nord-Kreise insgesamt bzw. 0 869 082 1 015513 1 1 35 339 + 30,6 267321 330716 385 843 + 44,3 483122 638 643 957 643 + 98,2 Übrige Kreise insgesamt bzw. 0 435 742 441 199 418127 - 4,0 180495 159497 151 368 -16,1 300 302 457421 768973 + 156,1 Alle Kreise insgesamt bzw. 0 1 304 8241 492 7121 553 466 + 19,1 447816 490 213 537 211 + 20,0 783 424 1 096 064 1 726616+ 120,4 Schleswig-Holstein insgesamt bzw. 0 1 321 297 1 507 002 1 565416 + 18,5 454 464 494 635 541 314 + 19,1 793 621 1 109915 1 740 073+ 119,3

Tabelle 12: Flächennutzung in landwirtschaftlichen Betrieben

Kreis Dauergrünland Ackerland davon in % 1960 1974 1983 1960 1974 1983 Getreicie Hac;kfrüc hte Futt srpflanzen ha ha ha ha ha ha 1960 1974 1983 1960 1974 1983 1960 1974 1983

Dithmarschen 56469 64136 63074 54513 47059 47083 62 68 70 26 14 11 9 7 10 Nordfriestand 78994 97265 101 159 72711 60716 55133 57 71 73 12 7 2 26 15 12 RD-Eckernförde 62 493 66111 71 168 96625 90493 82345 62 67 59 19 11 7 16 14 21 Schl.-Flensb. 44982 52263 64700 117 111 108688 91 637 54 60 53 15 9 4 30 28 34 Steinburg 43919 47886 47195 32357 27771 26613 62 65 60 23 14 9 10 14 22

Progr.-Nord Kr, insges. bzw. 0 286 857 327 661 347 296 373317 334 727 302811 59 66 61 18 10 6 21 18 22

Übrige Kreise insges. bzw. 0 151 498 135359 124506 292 347 294 458 293 771 61 66 63 19 7 4 14 9 10

Alle Kreise insges. bzw. 0 438 355 463 020 471 802 665 664 6291 85 596 582 60 66 62 18 9 5 18 14 16

Schleswig-Holst. insges. bzw. 0 444 596 467 835 476289 667591 638 735 606 030 60 66 62 18 9 5 18 14 16

57 Große Exkursion am 8. Juni 1985

Sanierung der Flensburger Förde ein deutsch-dänisches Anliegen Paul Hertrampf

Die Flensburger Förde mit ihrem Einzugsgebiet ist ein reizvoller hochwertiger Lebensraum für 250 000 Menschen im deutsch-dänischen Grenzgebiet. Die Förde als gemeinsames Gewässer beider Länder ist eines der schönsten Segelreviere der Welt, sie ist Seewasserstraße, Fischgewässer, Badegewässer und sie ist Aufnahmebecken für Siedlungsabwäs- ser. Ein so bedeutendes, vielfach genutztes Gewässer bedarf der Fürsorge aller. Die größte Belastung und Bedrohung stellen die Siedlungsabwässer und die Abflüsse von Kulturflä- chen dar. Es liegt daher nahe, durch Erforschung des Gewäs- serzustandes und durch Abschätzung der Belast- barkeit oder auch Empfindlichkeit Maßnahmen zu ergreifen und zu koordinieren, die einen möglichst naturnahen gesunden Zustand gewährleisten, Der beste Weg dahin ist gemeinsames grenzüber- schreitendes Wirken auf ein gemeinsam abzustim- mendes Ziel.

Komitee und Kommission Flensburger Förde Seit 1956 fanden jährlich Bereisungen zur Begut- achtung des Gewässerzustandes der Flensburger Innenförde unter Beteiligung der Stadt Flensburg, der Fachbehörden des Landes, der Universität Kiel und örtlicher dänischer Behörden statt, Daraus er- gab sich die Erkenntnis, daß zur besseren Beurtei- lung des Gewässerzustandes und möglicher Verän- Traditionssegler im F/ensburger Hafen - derungen umfassendes Grundlagenmaterial erar- St,-Jürgen-Kirche am Ostufer beitet werden müßte. Dazu wurde im April 1972 das „Gemeinsame Komitee Flensburger Förde" gegrün- 4. Meereszoologische Untersuchungen det, das sich aus Vertretern der deutschen und dä- 5. Sedimentuntersuchungen nischen Fördeanlieger zusammensetzte. In den Jah- 6. Primärproduktion und Wasserchemie ren 1972-1974 wurde ein umfangreiches Untersu- 7. Untersuchungen des Wasseraustausches chungsprogramm über den Zustand der Flensbur- 8. Nutzung der Förde als Erholungsgebiet und zu Er- ger Förde durchgeführt. werbszwecken Die Ergebnisse wurden in acht technisch-wissen- Sie wurden mit einer Zusammenfassung im Septem- schaftlichen Teilberichten ausführlich dargelegt. ber 1974 vom Komitee der Öffentlichkeit vorgelegt 1. Untersuchungen des Badewassers und stellten den Ist-Zustand der Flensburger Förde 2. Bakterienabbau dar. Das Ergebnis machte deutlich, daß hier eine 3. Einbringen von Stoffen aus Gewässern und Lei- längerfristige Aufgabe zu lösen war, Daher wurde tungen die „Kommission Flensburger Förde" gegründet,

58 eine gemeinsame deutsch-dänische Arbeitsgruppe aus Vertretern der Körperschaften nördlich und süd- lich der Grenze, Sie hat sich folgende Aufgaben gestellt: - Ausarbeitung von Vorschlägen zur gewünschten Wassergüte in der Flensburger Förde; - Vorschläge für Maßnahmen zur Erreichung dieser Wassergüte; - Aufstellung eines Dringlichkeitsplanes; - Durchführung eines Kontrollmeßprogrammes; - Überwachung der Entwicklung der Wassergüte.

Zur fachlichen Beratung wurde Anfang 1978 ein „Gutachtergremium" eingesetzt. Aufgrund weiterer Untersuchungen, u, a. Sediment, Bodenfauna, Bo- Flensburger Förde - idyllisches Wassersportrevier - denvegetation, jährliche Meßprogramme, und mit Im Hintergrund die dänischen Ochseninseln Hilfe des vom „Wasserqualitätsinstitut Kopenhagen" weiterentwickelten mathematischen Wassergüte- modells legte das „Gutachtergremium" im Mail983 mission nicht unterschätzt werden. Es ist gelungen, Schlußfolgerungen und Empfehlungen in bezug auf in gemeinsamer Arbeit eine inzwischen allseits aner- Maßnahmen zur Verbesserung der Wassergüte der kannte Entscheidungsgrundlage für umfassende Flensburger Förde vor, die nach eingehender Dis- Maßnahmen in allen Städten und Gemeinden nörd- kussion von der Kommission beschlossen wurden. lich und südlich der Grenze zu schaffen. Die wesentlichen Schlußfolgerungen waren: Die Arbeit ist nicht beendet. Das bisherige Ergebnis 1. Die Innenförde und das Nybol Noor sind empfind- läßt erwarten, daß es gelingen wird, abgestimmte lich gegen Einflüsse aus örtlichen Quellen, wäh- Standards für die Einleitungen von Abwasser festzu- rend die Wassergüte in der Außenförde überwie- legen und sich auf Bewirtschaftungsgrundsätze für gend von den natürlichen Verhältnissen und dem Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft zu einigen. allgemeinen Zustand der Ostsee bestimmt wird. 2. Zur Verbesseruung der Wassergüte in der Innen- Maßnahmen der Stadt Flensburg förde gibt es zwei Möglichkeiten a) Beseitigung der Verunreinigungsquellen in der Die Stadt Flensburg wird mit Unterstützung des Lan- Innenförde mit Einleitung von gereinigtem Abwas- des ein umfangreiches Maßnahmen-Paket umset- ser außerhalb Holnis (Pipeline-Lösung). zen, dessen wichtigste Elemente sind b) weitergehende Abwasserreinigung vor Ort mit 1. Ausbau des Zentralklärwerkes Kielseng entspre- Stickstoffentfernung chend dem Stand von Wissenschaft und Technik Von der Kommission wurde die Pipeline-Lösung vor- mit weitestgehender Entfernung von Phosphor geschlagen, wobei zunächst nur die gereinigten Ab- und Stickstoff wässer aus Flensburg und Glücksburg abgeleitet 2. Sanierung des Kanalnetzes. werden sollten. Diese Lösung sollte bei Bedarf durch Anschluß weiterer Kläranlagenabiäufe an die Ausblick Pipeline bzw. durch weitergehende Reinigung der verbleibenden Einleitungen ergänzt werden. Die bisherige deutsch-dänische Zusammenarbeit „Flensburger Förde" wird den Lebensraum Förde schützen und erhalten. Die Arbeit wird intensiv fort- Diskussion gesetzt werden. Durch die gemeinsame Arbeit wer- Die der Öffentlichkeit vorgelegten Schlußfolgerun- den das gegenseitige Verständnis und die nötige gen lösten eine lebhafte und zum Teil kontroverse Toleranz gefördert. Sie ist somit ein bedeutender Diskussion vor altem in den Gemeinden auf deut- Beitrag zur Förderung positiver Entwicklungen der scher Seite aus. Dabei wurde insbesondere die Sor- Grenzregion. ge um den guten Ruf der Gemeinden mit Fremden- verkehr wirksam. Von der Pipeline-Lösung wurde zumindest psycho- logisch eine Beeinträchtigung der Badestrände be- fürchtet. Die Bedeutung, die ein solches gemeinschaftliches, von allen finanziertes Projekt haben würde, konnte nicht in den Vordergrund gerückt werden. Dennoch darf die Wirkung der Arbeit der Fördekom-

59 Saaten und Sorten aus Angeln Porträt eines Saatzuchtbetriebes

Asmus Sören Petersen

Das Angler Rind und das Angler Sattelschwein, Mar- gen, wie er für diesen Angeliter Betrieb typisch ist. kenartikel der Viehzucht dieser Landschaft ZWH Man hat einen völlig neuen, unkonventionellen An- sehen Flensburger Förde und Schlei, haben gute satz gesucht - den über resistente Pflanzen. Für Öl- Chancen, einen dritten Partner zu erhalten, der im- rettich und Gelbsenf lagen bereits langjährige mer mehr an Bedeutung und Beachtung gewinnt: Zuchterfahrungen vor, Hier traten nun, wie man be- Saatgut aus Angeln. obachtete, einzelne Pflanzen auf, an deren Wurzeln Vor gut 50 Jahren von P, H. Petersen, einem ideen- sich keine Nematoden vermehrten. Durch strenge reichen, dynamischen und passionierten Landwirt, und sorgfältige Auslese entstanden nach vielen Jah- gegründet, hat sich in den folgenden Jahrzehnten ren die Sorten PEGLETTA, NEMEX und MAXI, die, eine Saatzucht in dieser Landschaft etabliert, in der als Zwischenfrucht angebaut, nicht nur den Nerna- mit Kreativität und Können vom Markstammkohl todenbesatz erheblich reduzieren, sondern die auch GRÜNER ANGELITER bis zum Synbrid* Winterrog- dazu beitragen, daß eine 3jährige Rübenfruchtfolge gen MERKATOR eine breite Palette für die Landwirt- weiterhin beibehalten werden kann. schaft züchterisch bearbeitet wird. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht den Le- Spezialisiert hat sich dieser nördlichste Zuchtbe- benskreislauf der Nematoden und deren biologi- trieb der Bundesrepublik jedoch besonders auf Ge- sche Bekämpfung mit PEGLETTA und NEMEX. treide, Gräser, Klee, Ölrettich sowie andere Futter- und Zwischenfruchtsaaten. Neu und erfolgreich im Lundsgaarder Zuchtprogramm steht jetzt die biolo- Lebenskreislauf der Nematoden und gische Bekämpfung von Rübennematoden durch deren biologische Bekämpfung mit die Ölrettichsorten PEGLETTA und NEMEX, Feind- PEGLETTA und NEMEX pflanzen der Nematoden, die sich nicht nur für die Nernatodenbekämpfung auf über 30 000 ha be- währt haben, sondern auch gleichzeitig zur Futter- gewinnung und Gründüngung eignen. Das Bundes- sortenamt als Prüfer der über Jahre laufenden züch- terischen Bemühungen bestätigt amtlich dem ne- matodenresistenten Ölrettich PEGLETTA eine Ver- minderung der Rübennematoden um 60 v. H. Der Zuckerrüben anbauende Landwirt hat damit nicht (D braune Zysle, gefüllt mit mehreren hundert Eiern und Larven nur die Möglichkeit, einer deutlichen Verminderung © Schlupf der Larven und Wanderung zu den jungen Wurzeln seiner Ernte entgegenzuwirken, sondern Mehrerträ- ® Eindringen in die Wurzeln (L-2 Stadium) ge bis zu 20 v. H, konnten bereits jetzt im Praxisan- > PEGLElTAund UEMEX unterbrechen hier denLebenskreislauf. bau registriert werden. Die Sorte NEMEX kam bei S Sie bieten feeine Emährungsgrundlage für die Entwicklung der der Sortenprüfung sogar auf einen amtlich bestätig- i Weibchen bis zur Zyste. ten Wert von über 65 v. H. Nematodenverrninde- Bei nicht resistenten Sorten setzt sich der Kreislauf fort: rung. Natürlich lassen sich die Bodenschädlinge Ne- ©Bildung von Riesenzellen und Entwicklung von Männchen und matoden, die etwa 10 v. H. der Rübenanbaufläche Weibchen in der Bundesrepublik befallen haben, auch che- ® Begattung der Weibchen durch die Männchen misch bzw, durch aufwendige Fruchtfolgeänderun- ® Männchen sterben ab, Weibchen ernähren sich weiter, produ- zieren zahlreiche Eier als weiße Zysten. Danach sterben sie ab gen bekämpfen. Doch gegenüber der natürlich-bio- und werden wieder zu braunen Zysten (1.). logischen Methode haben diese Maßnahmen mehr oder weniger Nachteile, Folgewirkungen und höhere Kosten Da in unseren Breiten einige Züchtungen selten reif Der Saatzuchtbetrieb Petersen ist bei der Bekämp- werden und daher den hohen Qualitätsanforderun- fung dieser „Feinde der Rüben" einen Weg gegan- gen nicht genügen, läßt das Lundsgaarder Unter- nehmen Saatgut in klimatisch besser geeigneten Gebieten wie Australien, Neuseeland, den USA- * SYNBRID: Der Aufbau erfolgt ähnlich wie bei den Hybri- Staaten Washington und Oregon, Israel, England, den, jedoch nicht mit vollständiger Auskreuzung der Li- Italien und Dänemark vermehren, wie auch in den nien, sondern die Stämme blühen untereinander frei ab. Ostblockstaaten Polen, Ungarn und Rumänien.

60 Ein moderner Saatzuchtbetrieb in Angeln

Dadurch wird nicht nur die Saatgutqualität geför- nung KRAKA (A6), eine Sorte mit außerordentlich dert, sondern eine Produktion rund um das ganze geringer Anfälligkeit für Mehltau und Ährenkrankhei- Jahr ermöglicht, da die Wachsturnsperioden auf den ten, d. h. konkret, der chemische Pflanzenschutz drei Anbau-Kontinenten voneinander abweichen. kann dadurch vermindert werden, und außerdem Neben der Züchtung von Futterpflanzen gehört hat diese Sorte eine überdurchschnittliche Kornzahl auch der Roggen zur Programm-Palette dieses Un- je Ähre und AG-Backweizenqualität. ternehmens. Vor mehr als 20 Jahren begann Paul Züchterisch bearbeitet wird auf dem Zuchtbetrieb Baecker, engagierter Saatzuchtleiter, mit der Rog- mit der Sorte LUKAS auch die neue Getreideart „Tri- gen-Züchtung, die er kontinuierlich ausgebaut hat. ticale", eine Kreuzung von Weizen und Roggen. Die Er wollte etwas ganz Neues unternehmen. Ziel war Vorzüge dieser neuen Kulturart sind bessere Erträ- es, Typen mit besserer Bewurzelung herauszufin- ge auf leichten Böden und eine vielseitige Verwen- den, die Wasser und Nährstoffe des Bodens besser dungsmöglichkeit als Brot- bzw. Futtergetreide. In nutzen und so ertragreicher werden. Entstanden Europa betrug die Anbaufläche dieses Getreides im sind daraus die Winterroggen-Sorten MERKATOR vergangenen Jahr bereits ca. 20 000 ha. und DOMINATOR nach dem Synbrid-Zuchtverfah- Das Lundsgaarder Zuchtprogramm ist zukunfts- ren: kurzstrohige, stand- und auswuchsfeste Sorten. orientiert und ausgerichtet auf aktuelle Erfordernis- 1981 wurde MERKATOR vom Bundessortenamt mit se der landwirtschaftlichen Praxis. Ertragreiche Sor- der höchsten Note für die Ertragsleistung zugelas- ten mit ausgeprägter Gesundheit und hoher Resi- sen und hat bereits nach drei Jahren den zweiten stenz gegen Krankheiten gehören ebenso zur Ziel- Platz im Anbau wie in der Vermehrungsfläche in der setzung wie ein sparsamer Einsatz von Pflanzen- Bundesrepublik eingenommen, Der Export in eine schutzmitteln. Reihe von EG-Ländern ist bereits aufgenommen. Die Absatzerfolge im Inland wie Ausland geben die- Neu im Programm haben die Lundsgaarder Züchter ser Betriebsphilosophie recht. Etwa ein Drittel des auch einen neuen Winterweizen mit der Bezeich- Umsatzes von über 12 Mio. DM wird in 15 verschie-

61 Lundsgaard: Tradition und Fortschritt verbinden sich in einer modernen Hofaniage

dene Länder exportiert; von Finnland bis Spanien gerfläche 4500 qm, neben 750 qnn Gewächshaus- laufen die Aufträge ein. Neben den neuen Getreide- bereich. und den alten Standardsorten, der Kohlrübe SEE- Dem Angler Saatzuchtunternehmen angeschlossen FELDER, dem Markstammkohl GRÜNER ANGELI- ist ein landwirtschaftlicher Betrieb mit 212ha, der TER wie dem Ölrettich SILETINA und der Phaceiia ackerbaulich genutzt wird. Hier werden besonders ANGELIA, einem schnellwachsenden Wasserblatt- Zucht und Stammvermehrungen vorgenommen. gewächs, einer Zwischenfrucht, die bei Erosions- Trotz internationaler Kontakte und einer Vermeh- problemen auf leichteren Böden eingesetzt wird, ge- rungsfläche von über 4000 ha in drei Kontinenten ist winnen auch die Ölrettichsorten und der Gelbsenf dieses Saatzuchtunternehmen überschaubar ge- zur Nematodenbekämpfung wachsende Marktantei- blieben, ein Familienbetrieb mit Tradition und le in den benachbarten EG-Ländern. Fortschrittsglaube. Die Firma ist Mitglied in der Saa- Wer züchtet, vermehrt, Saaten aufbereitet und ver- ten-Union, Hannover, sowie der Gemeinschaft zur treibt, der benötigt entsprechende Anlagen und Förderung der privaten deutschen landwirtschaftli- Räumlichkeiten. Bereits 1943 baute man in Husby chen Pflanzenzüchtung (GFP). Sie ist auf dem einen Speicher mit einer Lagerkapazität von 1500 t. Wege, den beiden Markenartikeln der Angeliter Nach der Währungsreform, als sich die Anbauerfor- Viehzucht einen dritten zuzuführen - den der Saaten dernisse änderten, statt Kohlrüben und Gemüsesa- aus Angeln, men Futterrübensaatgut benötigt wurde, paßte man sich dieser Entwicklung flexibel an, gab den bisheri- gen Standort auf und errichtete 1962 in Lundsgaard einen neuen Saatspeicher mit entsprechenden Funktionsräumen. Heute beträgt die überbaute La-

62 Fremdenverkehr in einer Grenzregion Prof. Dr. Karl Weigand

Strand und Meer sind heute Begriffe, die in den Ur- men wie Ferien auf dem Bauernhof/auf dem Lande laubsträumen der meisten Menschen eine überra- und Camping spielen heute eine große Rolle. Die gende Bedeutung einnehmen. Das war nicht immer Größenordnung des Fremdenverkehrs in Schleswig- so, maritime Umgebung wurde viele Jahrhunderte Holstein betrug im Sommerhalbjahr 1983 (Stat. Lan- lang als unwirtlich, feindselig und ungesund angese- desamt Schleswig-Holstein, 1984): hen. Erst nachdem irn 17. und 18. Jahrhundert briti- 2,4 Mill. Gäste und 11,9 Mill. Übernachtungen auf sche Ärzte die gesundheitsfördernde Wirkung des Campingplätzen, Badens und des Meerwassertrinkens publik ge- 0,2 Mill. Gäste und 0,7 Mill. Übernachtungen in Ju- macht hatten, entstand die Form des Badeurlaubs gendherbergen, mit (zunächst) aristokratischen Kur- und Vergnü- 1,9 Mill. Gäste und 12,8 Mill. Übernachtungen in Be- gungsorten. herbergungsstätten mit mehr als 9 Betten. Deutsches Baden fand bereits in seinen Anfängen in Die ökonomische Bedeutung des Fremdenverkehrs Schleswig-Holstein statt. Die Gründung von Trave- in Schleswig-Holstein ist groß. Die Touristen fragen münde, einem der ersten Badeorte in Deutschland nicht nur Übernachtungen, sondern ebenfalls Ver- (1802), setzte den Beginn der Entwicklung des pflegung und Erholungsaktivitäten nach und schaf- Fremdenverkehrs an der Lübecker Bucht; auf Sylt, fen auf diese Weise Einkommen und Beschäftigung Wegbereiter der touristischen Entwicklung an der in den industrieschwachen Feriengebieten. Wie Westküste, wurde seit 1855 gebadet. Zu Beginn wa- hoch diese Effekte durch die Reisenden tatsächlich ren die Urlauber Oberschichtangehörige und teilwei- sind, ist allerdings aus keiner Statistik abzulesen. se Künstler. Mit den gesellschaftlichen Veränderun- Die Aussage gilt gerade in Regionen mit vielen priva- gen der Industrialisierung, steigendem Einkommen, ten Vermietern (unter 9 Betten), in denen die Über- kürzerer Wochenarbeitszeit, mehr Urlaub und durch nachtungen nicht erfaßt werden können, kaum Be- die Massentransportmittel Eisenbahn und Auto schäftigungseffekte meßbar sind, nur geringe (Frei- nahm zunehmend der neue Mittelstand am Reisege- zeit-)lnfrastrukturinvestitionen getätigt werden und schehen teil: „bessere" Angestellte, Meister, Be- ein spezielles Fremdenverkehrsangebot im Einzel- amte und die technische Intelligenz zeigten sich handel fehlt. Dennoch sind die ökonomischen Wir- schon frühzeitig sehr reisefreudig und sind es auch kungen nicht zu unterschätzen, insbesondere da die heute noch. Im Zuge der weiteren Entwicklungen Rückkoppelungen zur heimischen Wirtschaft recht waren ab Mitte des 20. Jahrhunderts alle Bevölke- hoch sein können, d. h., das zusätzliche Einkommen rungsschichten in das Fremdenverkehrsgeschehen bleibt recht lange in der Region und wird nicht von einbezogen. auswärtigen Kapitalgebern wieder abgezogen; dar- In Schleswig-Holstein zeigt die Entwicklung des über hinaus treten meist geringere Folgekosten für Fremdenverkehrs am Anfang dieses Jahrhunderts die Kommunen auf. eine relativ gleichmäßige Aufwärtsbewegung, und Durch die große Nachfrage insbesondere nach Fe- nach einem fast völligen Ruhen im zweiten Weltkrieg rienwohnungen/Ferienhäusern wurden in den 70er nahm er seit etwa 1950 rascher zu. Die nach 1961 Jahren völlig neue Fremdenverkehrsgebiete er- verstärkt einsetzende Touristik führte auch hier zur schlossen, die hinsichtlich ihrer Angebots- und Erschließung neuer Feriengebiete und heftigen Bau- Nachfragestrukturen noch recht unbekannt sind. aktivitäten. Zwischen 1968 und 1973 entstanden an Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern der Ostsee dreizehn Ferienstädte, traditionelle Fe- auch aufgrund raumordnerischer Zielvorstellungen rienorte an der Westküste zeigten in der Saison zu- (u, a. Entlastung der Fremdenverkehrsordnungsräu- nehmend Überlastungserscheinungen. Gute Ver- me) und unter Umweltgesichtspunkten rücken die kehrsverbindungen und das Transportmittel Auto abgelegenen Urlaubsregionen stärker in den Blick- ließen den Massentourismus nun auch in abgelege- punkt des Interesses (Stichwort: „sanfter Touris- nere, unbekanntere Urlaubsgebiete vordringen. mus"). Mit der raschen Ausbreitung des Reisefiebers ging Zwischen den bereits recht gut untersuchten Ferien- ein Wandel der Beherbergungsformen einher. Wäh- zentren an der Ostsee, den Westküstenregionen rend „man" früher vornehmlich in Hotels und Pensio- (mit dem auch international bekannten Urlaubsziel nen übernachtete, ging der Trend zunächst zu Pri- Sylt) und auch den dänischen Feriengebieten mit ih- vatzimmern, dann zu Appartements, Ferienwohnun- rer Blockhausstruktur liegt eine der neuen Fremden- gen und Ferienhäusern. Auch „andere" Urlaubsfor- verkehrsregionen mit eigenem Gepräge: die ab-

63 2 Sörup 3 Steinberg 4 5 Viöl 6 Süderstapel

wechslungsreiche Landschaft zwischen der Flens- Das Gebiet des Fremdenverkehrsvereins Stapel- burger Förde und der Schlei. Die Forschungsstelle holm liegt in der Eider-Treene-Niederung, Neben für Regionale Landeskunde m Flensburg führt in eini- Wohnen auf alten Geestkerninseln {Storchendorf gen Gemeinden dieses Raumes Fallstudien zur öko- Bergenhusen) sind Möglichkeiten zum Angeln und nomischen Bedeutung des Fremdenverkehrs durch. zum Wassersport vorhanden. Nach sorgfältiger Auswahl wurden sechs Untersu- Der organisierte Fremdenverkehr ist in allen sechs chungsgebiete festgelegt: drei liegen an der Flens- Untersuchungsgebieten noch recht jung. In den Kü- burger Förde, drei im Binnenland. stengebieten der Flensburger Förde entstanden die In ist der Fremdenverkehr stark von der Fremdenverkehrsvereine in den 60er Jahren, die in Naherholung aus dem Flensburger Raum überla- den Binnenlandgemeinden in den 70er Jahren - gert, außerdem wirken hier Einflüsse des Grenzhan- zum Teil aus bestehenden Vereinen, zum Teil auf dels mit Dänemark {Schiffsanleger) sowie der See- Gemeindeinitiative und zum Teil auf Initiative von touristik (Seglerhafen, Zollstation). Einzelpersonen, in jedem Falle aber aufgrund touri- In Steinberg, ebenfalls an der Förde gelegen, fehlen stischer Nachfrage. Das Übernachtungsangebot letztgenannte Einflüsse, die Überschneidung mit bestand bis auf wenige Hotels und Pensionen tradi- der Naherholung ist etwas abgeschwächt. tionell in der Privatzimmervermietung. Gelting, ländlicher Zentralort an der Ostsee, verfügt Meist wurden vorhandene Räumlichkeiten genutzt, über eine Fährverbindung mit der dänischen Insel die durch den Wegzug von Jugendlichen und den Fünen, einen Seglerhafen, ein Naturschutzgebiet Strukturwandel in der Landwirtschaft (Wegfall von (Geltinger Birk) sowie ein zusätzliches Übernach- Landarbeitern, leerstehende Altenteile) frei wurden tungsangebot für Familien: das Feriendorf Falshöft und mit Dauermietern nicht besetzt werden konnten des Deutschen Erholungswerkes. (oder sollten). Sörup liegt im Binnenland in der Landschaft Angeln An der Struktur der Vermieter hat sich bis heute und ist ein Beispiel für die Urlaubsform „Ferien auf kaum etwas geändert - allerdings sind viele Privat- dem Lande". Der Südensee bietet neben Bade- zimmer zu Ferienwohnungen umgebaut und die auch Angelmöglichkeiten. Campingplätze haben als Übernachtungsform an Ebenfalls Ferien auf dem Lande wird in der Viöler Bedeutung gewonnen. Die Gästebefragungen der Geest geboten, wo zwar keine Badestellen am Ort Forschungsstelle (1547 Interviews) in der Vor-, vorhanden sind, jedoch preiswerte Familienunter- Haupt- und Nachsaison 1984 ergaben in den Unter- künfte in Nordseenähe geboten werden. suchungsgebieten folgende Arten der Unterkunft:

64 Tab. 1 Unterkunftsarten in den Untersuchungsgebieten Gebiet Art der Unterkunft Gelting Langballig Steinberg Sörup Stapelholm Viöl Ges. Hotel 1,8 1,4 3,5 1,3 8,3 2,5 2,8 Pension 6,7 3,7 2,6 2,6 4,5 2,5 4,3 Privatzimmer 14,3 18,3 20,5 23,1 4,5 19,8 16,5 Ferienhaus/-wohnung 44,1 46,0 53,6 64,1 42,7 57,0 48,5 Bauernhof 9,8 14,0 4,9 7,7 5,1 17,4 9,7 Camping 22,4 14,3 14,4 - 29,3 - 16,6 Verwandte 0,4 1,4 0,6 1,3 1,3 0,8 0,8 Anderes 0,4 0,9 - - 4,4 - 0,8

Gesamt 100 100 100 100 100 100 100 Quelle: Forschungsstelle, Gästebefragung 1984

Deutlich wird der sehr hohe Anteil der Ferienhäuser/ schnitt ab: aus Hessen und Berlin reisen verhältnis- Ferienwohnungen sowie der - bis auf die Hotelüber- mäßig mehr, aus Niedersachsen, Hamburg und Ba- nachtungen in Stapelholm und die Campingüber- den-Württemberg eher weniger Personen in die nachtungen - recht geringe Anteil der traditionellen sechs Gemeinden - wobei die Anteile und Rangplät- gewerblichen Touristenunterkünfte. ze variieren. Die meisten Urlauber in Schleswig-Holstein kommen Inwieweit dies auf unterschiedliche Angebots- und aus dem Inland, das bevölkerungsreiche Nordrhein- Nachfragestrukturen oder auf gezielte Werbung zu- Westfalen stellt sowohl in Schleswig-Holstein insge- rückzuführen ist, wird die detaillierte Auswertung samt aus auch in unseren Untersuchungsgebieten der Gäste- und Anbieterbefragungen zeigen. Ein zwischen 35 und 45 v. H. aller Besucher. Bei der weiterer Schwerpunkt wird die Untersuchung von re- weiteren Betrachtung der Rangfolge der Herkunfts- gionalen und lokalen Besonderheiten sein, die die länder der Gäste {Tab. 2) weichen unsere Untersu- Eigenständigkeit dieser Fremdenverkehrsregion chungsgemeinden geringfügig vom Landesdurch- kennzeichnen.

Tab. 2 Herkunftsgebiete der Gäste (Bundesländer in Rangfolge)' Urlaubs- gebiet Schleswig- Rangfolge Holstein Gelting Langballig Steinberg Sörup Stapelholm Viöl 1 NRW NRW NRW NRW NRW NRW NRW 2 Mieders. Nieders. Berlin Hessen Hessen Nieders. Hessen Berlin Schi. -Holst. 3 Hamburg Hamburg Hessen Nieders. Nieders. Hamburg Berlin Berlin Bad.-Würt. 4 Bad.-Würt. Bad.-Würt. Nieders. Bad.-Würt. Rh.-Pfalz Hessen Nieders. 5 Hessen. Hessen Bad.-Würt. Berlin Hamburg - Bayern Schi. -Holst. 6 Schi. -Holst. Berlin Rh.-Pfalz Hamburg - - Rh.-Pfalz 7 Berlin Schi. -Holst. Bayern Bayern - - - 8 - Bayern Hamburg - - - - 9 - Rh.-Pfalz - - - - —

1 Angaben nur bis zu Anteilen von über 4 v. H. Quelle: Forschungsstelle Gästebefragung 1984 2 Rudel, J.: Reiseziel Schleswig-Holstein, Ergebnisse des Mikrozensus 1982, in Statistisches Landesamt Schleswig-Holstein (Hrsg.): Statistisches Monatsheft 6/1984, S. 107/108

65 Exkursion Land- und Milchwirtschaft im Zeichen der Quotenregelung am 6. Juni 1985 Eine Meierei in der Grenzregion - Nordfriesland-Milch Adolf Klug Eine Meierei - zumal eine Genossenschaft - muß als Ganzes gesehen werden, von der Erzeugung über Meierei in einer Grenzregion zu sein, ist eine Heraus- die Verarbeitung und Produktion bis zum Vertrieb forderung - zumal diese Grenzregion dünn besie- über den genossenschaftlichen Verbund des Lan- delt ist und fernab von Verbraucherzentren und Bal- des Schleswig-Holstein. lungsräumen liegt. Obwohl in der EG unsere nördliche Grenze für den Zur Erzeugungsstufe Warenverkehr gar keine Grenze sein sollte, würde es auch nicht viel ändern, wenn es tatsächlich so Wir haben unseren Standort in der Grenzregion, Un- wäre, denn Dänemark ist seit jeher ein Miich-Über- ser Milcheinzugsgebiet deckt sich fast genau mit schußland, und ein großer Teil der Meiereiprodukte der Zone 1 der benachteiligten Agrarzonen der Bun- rollt von dort an uns vorbei Richtung Süden. desrepublik Deutschland. Das bedeutet, daß die - Und wir sind genötigt, unsere Erzeugnisse in die- Bodenqualität hier auf der Geest gering ist. Diese selbe Richtung rollen zu lassen. - sogenannten Grenzertragsböden sind nur über in- Ein Großteil des dänischen Exportes erfolgt auf dem tensive Milchwirtschaft rentabel zu bewirtschaften. Seewege über nahegelegene Häfen. Durch das „Programm Nord", d, h. Flurbereinigung, - Wir sind von den Häfen Hamburg und Esbjerg Entwässerung, Wegebau und Windschutz, wurde etwa gleich weit entfernt und können von Hafennä- die Ertragskraft der Böden bei gleichzeitig erhöhtem he eigentlich nicht sprechen. - Einsatz von Mineraldünger verbessert, jedoch vor- Ab und zu, als die Regelungen der EG-Kommission wiegend für den Futterbau und die Weidewirtschaft. bzgl. Grenz- und Währungsausgleich günstig waren, So erfolgte eine Spezialisierung der bäuerlichen Be- konnten wir Butter und Milchpulver nach Dänemark triebe in unserer Region auf die Milchwirtschaft. liefern, wenn Dänemark vertraglich mehr Käse lie- Die Kuhbestände wurden vergrößert, und durch zu- fern mußte, als es selber Milch hatte, desgleichen nehmenden Einsatz der Technik beim Futteranbau, bei Butter; dann war die Einbahnstraße über die bei der Milchgewinnung und im Stall wuchsen die Grenze aufgehoben. Viehbestände erheblich an, und parallel dazu mach- Aber das waren kurze und Ungewisse Perioden, te die Zucht große Fortschritte während derer uns der Frachtvorteil zu unserem Außerdem fand eine ständige Strukturveränderung nördlichen Nachbarland zugute kam. Darauf können statt in der Weise, daß kleinere Betriebe aufgaben wir in Zukunft nicht rechnen. Wir müssen auf Dauer und zumeist verpachteten. Größere Betriebe über- in Wettbewerb treten mit den leistungsfähigen EG- nahmen die Flächen und errichteten neue moderne Nachbarn, auf dem Inlandsmarkt und beim Export Ställe. Dabei haben wir ungünstige Voraussetzungen und So können wir heute, ein Jahr nach der Quotenein- Wettbewerbsnachteile, die wir ausgleichen müssen führung, sagen, daß wir mit unseren 730 milcherzeu- durch besondere Anstrengungen. D/e Nordfriesland-Milch e. G., Nordhackstedt

66 genden bäuerlichen Familienbetrieben, die zusam- 1984 wurde die Käserei nach modernsten Gesichts- men über rcf. 146 Mill. kg Garantietnenge verfügen, punkten erstellt, jedoch in erprobter und bewährter eine gute Milcherzeugerstruktur haben. Bei einem Art. Sie soll zu Anfang 70 Mill. kg Milch/Käsemilch im Radius von ca. 30 km weist unser Einzugsgebiet Jahr verarbeiten. Im jetzigen Ausbau läßt sie eine eine große Milchdichte auf. Dieses wirkt sich bei den Steigerung auf 100 Mill. kg zu, Erfassungskosten und der Rohmilch-Qualität gün- In der Käserei, nach holländischem Vorbild gebaut, stig aus. wird naturgereifter Käse holländischer Art herge- Der Nachteil der Grenziage ist dadurch auf der Er- stellt. Die Elektronik, unverzichtbar aus Kosten- und zeugerebene ausgeglichen, und die Familienbetrie- Qualitätsgründen, stärkt zugleich die Wettbewerbs- be sind eine sichere Grundlage für den gemeinsa- fähigkeit des Betriebes. men Verarbeitungsbetrieb. Der Bau dieser Käserei mit ihren Nebenanlagen ist eine große Anstrengung unserer Genossenschaft. Im Vordergrund steht, die Existenz unserer moder- Zur Verarbeitungsstufe nen Milcherzeugerbetriebe bei in Zukunft härter wer- Nachdem die Dorfmeiereien, Ende des vorigen Jahr- dendem Wettbewerb zu sichern. Unser Ziel ist, die hunderts gegründet, infolge der Milchmengenstei- Überschußmilch nicht zu den Interventionsproduk- gerung „aus den Nähten platzten", entschlossen ten Magermilchpulver und Butter zu verarbeiten. sich 1965 die Mitglieder von fünf Genossenschafts- Meiereien, gemeinsam einen neuen Betrieb zu bau- Zum Vertrieb und Verkauf en, zunächst nur mit einer Butterei, weil die Mager- milch zu 80 v. H. zur Verfütterung zurückgegeben In der Vermarktung kann ein einzelner Produktions- wurde. betrieb im Wettbewerb mit nationalen Anbietern wie 1967 nahm der neue Betrieb die Milchverarbeitung z.B. Dänemark und den Niederlanden oder auch ge- auf. Die Milchanfuhr erfolgte zweimal täglich mit schlossenen Angeboten der Länderzentralen in der Tanksammelwagen. Die Jahresanlieferung betrug Sundesrepublik nicht bestehen. Darum wurde von 27 Mill. kg. vornherein entschieden, im Verbund mit den schles- In der Folgezeit schlössen sich weitere Nachbar- wig-holsteinischen Käsereien im Programm „Gut von meiereien an; die Milchanlieferung stieg rapide. Holstein" mitzumachen, das eine zentrale Vermark- Gleichzeitig wurde immer weniger Magermilch zu- tung des schleswig-holsteinischen Käses durch die rückgenommen, so daß immer mehr Überschuß- Meierei-Zentrale Nordmark, Hamburg, vorsieht. Die milch an weiterverarbeitende Betriebe verkauft wer- Produktion wird von dort aus gelenkt in Menge und den mußte. Sorten. Es wurden Überlegungen angestellt, wie man diese Die Fertigware wird Lkw-weise zum Zentrallager der Milch selbst verarbeiten könnte. Wegen der rnarkt- Meierei-Zentrale Nordmark gebracht, dort für den fernen Lage und aus anderen Gründen kam der Vor- Vertrieb zusammengestellt und an die Großabneh- stand 1972 zu dem Ergebnis, eine Käserei zu pla- mer ausgeliefert, Dadurch ist ein kostengünstiger nen. Das Wirtschaftlichkeitsgutachten ergab je- Vertrieb möglich, der den Nachteil unserer Grenzla- doch, daß es besser sei, zunächst eine Trocknung ge aufhebt. zu bauen. Beim Einkauf der Betriebsstoffe fällt der Frachtanteil Diese wurde 1976 in Betrieb genommen und zu- kaum ins Gewicht, zumal seit kurzem Erdgasan- nächst „Interventionspulver" hergestellt, aber schon schluß besteht. bald folgten Vollrnilchpulver, Trockenmilcherzeug- Zusammenfassend können wir heute also feststel- nis, „Iow heat"-Magermilchpulver und vitaminiertes len, daß die Landwirte unserer Region sich in der Magermilchpulver für den Export. Vergangenheit zielstrebig und mit Erfolg bemüht ha- Im Inland fanden wir guten Absatz für Trockenmilch- ben, ihre Familienbetriebe zu einer sicheren erzeugnis und „Iow heat"-Ware, im Export für vitami- Existenzgrundlage zu entwickeln. Dies ist ihnen vor niertes Magermilchpulver und Vollmilchpulver. allem durch Spezialisierung auf Milchwirtschaft mit Die Anlieferungsmengen stiegen weiter an und das heute durchschnittlich 40 Kühen gelungen. Unternehmen war erneut mit der Frage konfrontiert, Ihren Verarbeitungsbetrieb, die Nordfriesland Milch die Überschußmengen besser zu verwerten und eG, haben die gewählten Vertreter der Genossen- selbst zu verarbeiten schaftsmitglieder zu einem leistungsfähigen Unter- Diesmal tiel die Entscheidung der Mitglieder einstim- nehmen ausgebaut. Durch die Erweiterung um eine mig zugunsten der Käserei. Mit Unterstützung des Käserei haben sie einen wichtigen Schritt für die Landes Schleswig-Holstein, der EG und aller Milch- künftige Wettbewerbsstellung in der EG getan. wirtschaftlichen Organisationen unseres Landes, Dabei wurde die enge Verbundenheit mit dem Land insbesondere der Meierei-Zentrale Nordmark im Schleswig-Holstein, seinen genossenschaftlichen Rahmen des Programms „Gut von Holstein" zur Stei- Einrichtungen und landwirtschaftlichen Organisatio- gerung der Käseproduktion in unserem Lande, wur- nen gepflegt, so daß wir uns eigentlich gar nicht de das Vorhaben geplant und vorangetrieben. mehr als Grenzregion fühlen.

67 Tyrstrup-Meierei und Frischwarenterminal Holger Hansen

Die Strukturentwicklung der nordschteswigschen Konsummeiereien festgelegt. Viele kleine Land- Meiereiwirtschaft unterscheidet sich zum Teil vom meiereien mit geringer Konsumproduktion gerieten übrigen Dänemark. Hierting die Bildung von Gesell- dadurch in Schwierigkeiten. Daher wurde auf Veran- schaften mit den Meiereigeselischaften „S0nderjyl- lassung des Zentralverbandes Dänischer Meiereien land 0st" und „Hadersiev Vesteramt" an, die ganz eine Non-profit-Gesellschaft gebildet, die sich Land- natürlich dem Grundstock angehörten, als die „Me- mejeriernes Konsummaelkselskab nannte. Diese jeriselskabet Danmark" später gebildet wurde. Gesellschaft sollte fünf Abfülleinheiten betreiben, Eine der Meiereien, die die ganze Entwicklung mit- und wir standen wieder einmal im Brennpunkt. Mit gemacht haben, ist die Tyrstrup-Meierei. dieser neuen Aufgabe stieg die Produktion in Tyr- Als 1950 die Räumlichkeiten in der Stadtmitte von strup auf ein Gesamtjahresvolumen von 45 Mio. kg. Christiansfeld allmählich zu eng geworden waren, Mejeriselskabet Danmark wurde 1970 ins Leben ge- wurde beschlossen, eine neue Meierei zu bauen. rufen. Die Tyrstrup-Meierei war zu diesem Zeitpunkt Das war ein weitreichender, aber notwendiger Be- an der Gesellschaft Sonderjylland Ost beteiligt, und schluß. Es gab damals rund 1500 Meiereien in Däne- da diese - wie eingangs erwähnt - von Anfang an mark, und Tyrstrup war eine der größten mit einer zum Grundstock gehörte, mußte die Produktion in jährlichen Milchanlieferung von 7 Mio. kg. Da man Tyrstrup nochmals erweitert werden. Nach und auf jeden Fall umsiedeln mußte, wurde die erwartete nach ist das Jahresvolumen auf 110 Mio. kg Milch zukünftige Strukturentwicklung mit eingeplant, so gestiegen. daß eine Meierei mit einer Verarbeitungskapazität Die Produktion in Tyrstrup ist sehr vielseitig. Vor von 23 Mio. kg jährlich - das gesamte Milchaufkom- dem Bau der Joghurtfabrik in Brabrand durch Dan- men im Einzugsgebiet - entstand. maelk - so hieß jetzt die frühere Landmejeriernes Nach Fertigstedung der Meierei 1952 lief die Produk- Konsummaelkselskab -, versorgte Tyrstrup den ge- tion an. Da die Nachbarmeiereien aber nicht bereit samten Kundenkreis von Mejeriselskabet Danmark waren, „nach Tyrstrup zu gehen", mußten neue mit Joghurt. Da die Produktion verlegt wurde, be- Wege gesucht werden. Auf Fünen hatte sich die Ge- kam man Zeit - und Platz -, um sich für die Export- nossenschaft „Fyns Andels Osterier" zwecks Käse- märkte zu interessieren. Der erste Versuch wurde herstellung zur Abnahme größerer Mengen „Über- auf dem deutschen Markt unternommen, aber nur schußmilch" verpflichtet. Die Miich war vorhanden, Berlin wurde ein interessanter Abnehmer, und hier die baulichen Anlagen aber noch nicht fertiggestellt. verkauft Tyrstrup immer noch bedeutende Mengen So kam es, daß Tyrstrup zwei Jahre lang für diese frisch abgefüllter Milch, Joghurt und kleinere Men- Gesellschaft Käse herstellte. gen Spezialprodukte wie Hüttenkäse, Quark u. ä. 1954 wollten die amerikanischen Streitkräfte in Später kamen Schweden und England ms Bild, und Westdeutschland von der bisherigen Milchanliefe- besonders Schweden ist ein interessanter Abneh- rung in Glasflaschen auf Milch in „Pure-Pak"-Kartons mer von Joghurt geworden. umsteigen, Zehn Konsummeiereien in Jylland (dt. Im Anschluß an die Meierei ist in Tyrstrup eine neue Jütland) waren betroffen. Keine der verantwortli- Abteilung für Hüttenkäse eingerichtet worden. Die chen Leitungen der Liefermeiereien hatte den Mut Milch wird in normalen „altmodischen" Käsewannen oder die Fantasie, diese Aufgabe in Angriff zu neh- gesäuert und dort fertiggestellt, bis der gewünschte men. Die Aufgabe übernahm deshalb die gesamte Gerinnungsgrad erreicht worden ist, Die gesamte dänische Meiereiwirtschaft, und der Butterexport- Masse wird in eine Abtropfanlage gepumpt, die er- ausschuß der Meiereien gab die erforderlichen Ab- forderliche Menge Sahne wird hinzugefügt, und im füllmaschinen in Auftrag. Da ein passendes Gebäu- Laufe von etwa einer Stunde wird der Käse in Be- de für die Aufgabe benötigt wurde, bot sich wieder cher verpackt. eine Chance für die neue Meierei in Tyrstrup. Die Die technische Ausrüstung und die baulichen Anla- Meierei übernahm in Lohnarbeit die Behandlung und gen unserer Meierei sind laufend entsprechend den Abfüllung der gesamten dänischen Lieferungen, Der steigenden Mengen und Anforderungen erneuert Anfang wurde um den Jahreswechsel 1954/55 ge- und erweitert worden. Heute präsentiert sich die macht, und diese Vereinbarung läuft Immer noch. Meierei als moderner Betrieb mit ausschließlich Im Jahre 1968 trat in Dänemark ein neuer Milcherlaß computergesteuerten Produktionsprozessen. Von in Kraft. Darin wurden verschärfte Anforderungen an einem Bildschirm mit Tastatur aus kann man die ge- die technische und maschinelle Ausrüstung der samte Produktion überwachen und steuern.

68 Tyrstrup-Meierei in S0nderjy!!and

Man braucht nur die gewünschten Mengen am der Mejeriselskabet Danmark und 0stlige 0ers Me- Schirm einzutasten, und das System liefert dann die jeriselskab - ist also hundertprozentig im Besitz der verschiedenen Produkte in bis zu 50 „vorgetaufte" Landwirtschaft, Behälter im Meiereigebäude, Die Stundenkapazität Der Leitgedanke lief darauf hinaus, die Vertriebsko- der Anlage beträgt 40 t Rohmilch. Die Anlage wird sten zu senken und gleichzeitig einen besseren Kun- von jeweils einem Mann in jeder Schicht bedient, In denservice zu leisten. Das sollte zu einem treuen dieses System ist optimale Sicherheit eingebaut und Kundenkreis führen. Das Endziel war die direkte Lie- Vermischungen sind ausgeschlossen. Die Prozeß- ferung "Fabrik-Laden" für alle Frischwaren, oder in sicherheit stand bei der Planung im Vordergrund. anderen Worten: Man wollte die Waren direkt vom 1980 beschlossen Mejeriselskabet Danmark, Fore- Erzeuger zum Verbraucher bringen. nede Sjaetlandske Andelsslagterier und De 0stlige Um die neue Vertriebsform wirksam durchzuführen, 0ers Konsummejerier, sich direkt in die Versorgung war es notwendig, Frischwarenterminals einzurich- der Läden mit Frischwaren einzuschalten. Die Kon- ten, Das erste wurde geplant - und gebaut - im An- sumgenossenschaft Brugsen hatte den Versuch auf schluß an die Tyrstrup-Meierei. Am 15, Februar Fünen unternommen, und da die Milch dazu von der 1982 konnte die Gesamtdistribution von der neuen Tyrstrup-Meierei geliefert wurde, war es nahelie- Anlage aus anlaufen. Ein halbes Jahr später wurde gend, die Möglichkeiten zu prüfen. Es wurde ein in Slagelse angefangen, und im Oktober 1984 konn- schwieriger Anfang, aber nach verschiedenen Än- te eine Anlage in Hotstebro in Betrieb genommen derungen der Besitzverhältnisse wurde die Hjem- werden. Zur Zeit werden kleinere Frischwarentermi- memarkedsselskabet Danmark gebildet. Sie gehört nals bei den Meiereien der Gesellschaft in Hjorring,

69 Aarhus und Hobro eingerichtet, so daß das Netz Die Binnenmarktgesellschaft betreibt keinen Waren- bald Fünen und ganz Jütland deckt. handel. Die Hersteller nehmen selbst Kontakt mit ih- Das Frischwarenterminal in Tyrstrup hat eine über- ren Kunden auf, vereinbaren Lieferungen durch die baute Fläche von 950 m2. Es versorgt ein Gebiet von Terminals, und die Hersteller bezahlen dann für die der Grenze im Süden bis zu einer Linie vom Süd- ausgeführten Dienstleistungen. Diese Leistungen ende des Ringk0bing Fjords über Give bis nördlich können sich darauf beschränken, daß der Hersteller von Vejle. selbst fertig verpackte und adressierte Waren an die Das Warensortiment sieht folgendermaßen aus: Terminals liefert, und sie können alles umfassen, mit Milch und alle Milcherzeugnisse dem Ergebnis, daß der Auftrag im Terminal eingeht, Butter und Margarine das Terminal die Waren bestellt, abfertigt, liefert, in Fruchtsäfte Rechnung stellt und das Geld einzieht. Eier Wie funktioniert ein solcher Betrieb im Alltäglichen? Käse Vom Tyrstrup Terminal aus werden rund 1000 Kun- frisches Fleisch und frische Hähnchen den bedient. Sie können an allen Werktagen Waren zentral abgepacktes Fleisch beziehen; da aber viele Kunden öffentliche Einrich- Feinkost sowie Salate tungen oder Geschäfte sind, die kein volles Waren- Halbkonserven und geräucherte Fischprodukte sortiment benötigen, besuchen wir täglich rund 600 Obst und Gemüse Kunden. Wir setzen auf optimalen Kundenservice: Brot Präzise Anrufe und Lieferungen zur vereinbarten Tiefkühlprodukte. Zeit. Die Geschäfte waren anfangs sehr skeptisch, Dieses Warenangebot umfaßt etwa 52 v. H. vom Le- aber man hat nach und nach eingesehen, daß das bensmittelumsatz eines durchschnittlichen Super- System für den Laden viele Vorteile bietet. Der we- marktes und ist also ein entscheidender Faktor für sentlichste Vorteil ist der, daß es nur eine Lieferung die Läden. und eine Rechnung gibt. Früher konnten es bis zu Die EDV-Technik wird im neuen Terminalsystem voll acht Lieferwagen sein, die täglich zu verschiedenen genutzt. Die Aufträge der Kunden gehen entweder Zeitpunkten am Laden ankamen. Jetzt kommt nur direkt über EDV ein, oder man ruft den Kunden an einer, und zwar zu einem festen Zeitpunkt, so daß und tastet den Auftrag direkt am Terminalschirm die Lieferung leicht kontrollierbar ist. Außerdem be- ein, Alle Aufträge werden gesammelt und gehen deutet die tägliche Versorgungsrnöglichkeit, daß dann an die EDV-Zentrale der Landwirtschaft in Aar- der Laden immer frische und ansprechende Waren hus. Dort werden sie aufgeteilt, und das notwendige hat. Material geht zurück zum Terminal. Dann wird der Für die Meierei liegt der Vorteil allein darin, daß man Meiereiauftrag auf einer Diskette gespeichert, und die Kühlwagen besser ausnutzen kann. Die Erfah- diese steuert dann das Auswählen der Waren für rungen zeigen, daß der Kraftstoffverbrauch für Wa- den einzelnen Kunden. Gleichzeitig ruft ein anderer renlieferungen generell um mehr als die Hälfte zu- Computer die benötigten Produkte direkt vom Hoch- rückgegangen ist, und da die Meiereierzeugnisse ja lagerkühlraum der Meierei ab. Die vollen Paletten die größte Gesarntlieferung ausmachen, sind hier und Container gehen dann ohne Mitwirken des Per- bedeutende Einsparungen möglich. sonals jeweils nach Bedarf an die Abfertigungs- Die Tyrstrup-Meierei und das Terminal funktionieren plätze. als eine Gesamtheit - ein Zentrum - man betrachtet Die Waren werden auf Rollpaletten gepackt. Diese aber gewöhnlich die Meierei als Lieferant ans Termi- werden durch eine Kette im Fußboden vorangetrie- nal, und alle anderen Lieferanten bekommen die ben und enden aus allen Abteilungen am Verlade- gleichen Vorteile. Dadurch präsentiert sich das Ter- platz. Hier werden die Waren so verpackt, daß sie in minal als neutrale Einrichtung gegenüber der Privat- den Wagen möglichst wenig Platz einnehmen. wirtschaft, und es ist unsere Erfahrung, daß dies in Um frisches Brot und mit Erde verunreinigtes Ge- der Zusammenarbeit von großem Vorteil ist. müse gleichzeitig transportieren zu können, müssen Die Entwicklung in der dänischen Meiereiwirtschaft diese Produkte von Fleisch und anderen anfälligen wird sich wahrscheinlich mit unverminderter Stärke Produkten getrennt gehalten werden. Dieses Pro- fortsetzen. Auch das Tyrstrup-Zentrum wird blem wird dadurch gelöst, daß man einen Kunst- zwangsläufig von dieser Entwicklung beeinflußt wer- stoffilm um die Rollpaietten mit Brot und Gemüse den. Wir fühlen uns aber gut gerüstet, um den je- wickelt, bevor diese die jeweiligen Abteilungen ver- weils auf uns zukommenden Herausforderungen lassen. Sie können danach problemlos in den Sam- entgegenzutreten. meltransport eingehen.

70 Landwirtschaft auf der Flensburger Geest Entwicklung und Probleme Dietrich Zidorn

Bei der Beschäftigung mit diesem Thema fällt es erträge keine ausreichenden Gewinne erwirtschaf- schwer zu glauben, daß nur rund 30 Jahre vergan- tet werden konnten. So hat sich im Laufe der Jahre gen sind, in denen sich das Gesicht der Landschaft die Rindviehhaltung in Schleswig-Holstein von den im Norden unseres Landes von Grund auf verändert östlichen Landesteilen auf den Geestrücken und an hat, und mit ihm die Landwirtschaft. Ein Raum, von die Westküste verlagert. In Zahlen ausgedrückt be- der Natur alles andere als begünstigt, fernab der deutet dies, daß sich die Zahl der Milchkühe seit wirtschaftlichen Entwicklung und der Märkte, ge- 1950 im Beratungsring Nordhackstedt vervierfacht prägt durch schlechte, unzureichende Wege und hat. Gleiches gilt für den Bestand an Jungvieh. Die- ungeregelte Entwässerung, mit einer Landwirt- se Zahlen können als repräsentativ für die Flensbur- schaft, die neben den allgemeinen strukturellen ger Geest angesehen werden. Im gesamten Lande Mängeln belastet war mit ertragsschwachen Böden dagegen ist im gleichen Zeitraum z. B. der Bestand sowie unzureichender Flächen- und Gebäudeaus- an Milchkühen nur um weniger als 20 v. H. gestie- stattung, wurde gezielt entwickelt. Als die Landes- gen. regierung 1953 das Programm Nord beschloß, hat Die Zunahme der bewirtschafteten Fläche und des sicher keiner der Initiatoren auf einen derartigen um- Viehbestandes sowie der Einsatz modernen techni- fassenden Erfolg zu hoffen gewagt. Heute gilt es als schen Gerätes zur Rationalisierung der Wirtschafts- Beispiel einer Agrarpolitik für den gesamten ländli- führung führten zwangsläufig zu höheren Anforde- chen Raum, die neben der Agrarstruktur auch Frem- rungen im Bereich der Wirtschaftsgebäude. Es ist denverkehr und gewerbliche Wirtschaft umfaßt. daher nur folgerichtig, daß diese Region ein Schwer- Ohne Programm Nord und ohne Flurbereinigung punkt für bauliche Maßnahmen im Rahmen der ein- wäre die Entwicklung der Landwirtschaft auf den zelbetrieblichen Förderung war. Erst der Liegebo- heutigen Leistungsstand in diesem Raum nicht xenlaufstall ermöglichte dem Familienbetrieb die möglich gewesen. Durch Beseitigung der strukturel- Haltung von 60 und mehr Milchkühen. Daß die Be- len Mängel wurden die Arbeits- und Produktionsbe- triebe dieser Region so eindeutig auf die Miichvieh- dingungen der Landwirtschaft getreu den klassi- haltung als tragenden Produktionszweig setzten, schen Zielen der Flurbereinigung entscheidend ver- liegt neben dem eindeutigen Mangel an Alternativen bessert und damit die Voraussetzungen für die Ent- auch an den unternehmerischen Fähigkeiten der Be- wicklung der Betriebe geschaffen. triebsleiter, die die relative Vorzüglichkeit der Milch- Die frühzeitige Einleitung und Durchführung der Flur- viehhaltung auf diesen Standorten erkannten, sowie bereinigung als der zentralen Maßnahme des Ent- nicht zuletzt an agrarpolitischen Zielsetzungen und wicklungsprogramms in den Jahren 1953-1962 er- Beratung. möglichten einen frühen Beginn der strukturellen Das Tempo der Entwicklung hat neben der Schaf- Entwicklung der Betriebe. Sie wurde begünstigt fung leistungsstarker, zukunftsorientierter Betriebe durch eine starke Bodenmobilität. Die Entwicklung jedoch auch bewirkt, daß eine nicht unerhebliche der Betriebsgrößen verdeutlicht dieses. Lag 1960 Zahl der Betriebe den Anschluß an die Entwicklung der Anteil der Betriebe im Kreis Schleswig-Flens- verloren hat und aus der Produktion ausgeschieden burg ab 30 ha LF (landwirtschaftlich genutzte Flä- ist oder ausscheiden wird. Auch eine nachhaltig auf che) an der Gesamtzahl der Betriebe (17,7 v. H.) den bäuerlichen Familienbetrieb ausgerichtete Lan- und auch an der Gesamt-LF (43,7 v, H.) noch unter desagrarpolitik, die die Erhaltung einer möglichst denn Landesdurchschnitt (20,8 bzw. 44,9 v. H.), so großen Zahl solcher Betriebe in ihren Mittelpunkt wurde dieser etwa 10 Jahre später erreicht und in stellt, konnte dieses nicht verhindern. den Jahren danach deutlich überschritten (42,7 Die Disparität innerhalb der Landwirtschaft ist stän- bzw. 68,5 v. H. zu 39,4 bzw. 58,2 v. H.). Dies ist dig gewachsen und wird weiter wachsen. Die jüng- umso bemerkenswerter, als diese Region einen ho- ste Entwicklung auf dem Milchmarkt wird dazu bei- hen Anteil an Grünland und Futterbaubetrieben auf- tragen. Die Milchgarantiemengenregelung ist für weist. diese Region von einschneidender Bedeutung. Aus- Verbesserte Produktionstechniken führten dazu, wirkungen sind jetzt schon zu erkennen. Bei einem daß auch auf den ertragsschwächeren Böden die durchschnittlichen Kürzungssatz von 10 v. H. sind Rindviehhaltung ausgebaut werden konnte. Verbun- die Einkommenseinbußen in der Milchviehhaltung den damit war ein ständiger Rückgang der Anbau- nicht unerheblich. Hinzu kommen für das Wirt- flächen für Getreide, da infolge zu geringer Flächen- schaftsjahr 1984/85 Mindereinnahmen durch zeit-

71 1954 1984

Der Betrieb Nommensen - Nordfriesland hat sich ganz auf Milchviehhaltung umgestellt

weilig völlig unzureichende Schlachtviehpreise, so v. H. von 50 Plätzen 6 Plätze leer bleiben, obwohl für daß mit einer nochmaligen Verschlechterung der den Kapitaldienst die Einnahmen aus 50 Kühen vor- Wirtschaftsergebnisse für die Futterbaubetriebe ge- gesehen waren und in der Regei auch erforderlich rechnet werden muß. Die Auswertung der Buchfüh- sind. Da mit dem Umzug in den Laufstall fast immer rungsergebnisse 1983/84 für Futterbaubetriebe der eine Steigerung der Milchleistung je Kuh einhergeht, Region Mittelrücken-Nord in der Größe von 40-60 wird die Zahl der freien Plätze sogar noch größer: ha zeigt, daß nur bei 20 v. H. der Betriebe von einem totes Kapital, das keine Erträge abwirft, aber ver- zufriedenstellenden Gewinn gesprochen werden zinst und getilgt werden muß. kann, Während für weitere 20 v. H. der Betriebe mit Ein weiteres Problem bilden die sogenannten Alt- negativer Eigenkapitalbildung und hoher Verschul- pachtverträge (Vertragsabschluß vor dem dung die Lage nahezu hoffnungslos ist, reichen die 02.04.1984), die beim Auslaufen zur Rückgabe ei- Gewinne der Betriebe im mittleren Bereich für not- ner anteiligen Quote an den Verpächter führen kön- wendige Investitionen ebenfalls nicht aus. Auch die- nen. Der durchschnittliche Milchviehbetrieb auf der se Betriebe müssen infolge der Einführung der Geest in Größe von rd. 50 ha bewirtschaftet etwa 40 Milchquote langfristig als gefährdet angesehen wer- v. H. seiner Flächen auf Pachtbasis, Wenn dieser den, da neben der Festschreibung der Einkünfte Betrieb für 10 ha eine anteilige Michquote von auch eine Festschreibung des jetzigen häufig unzu- 50 000 kg an den Verpächter zurückgeben müßte, reichenden Entwicklungsstandes erfolgt. Der z. Z. dürfte jedermann klar sein, daß seine Existenz- durch das zu starre Quotensystem gebremste Struk- grundlage ernsthaft gefährdet, wenn nicht sogar turwandel wird sich in naher Zukunft voraussichtlich vernichtet würde. Im Interesse der wirtschaftenden umso rasanter mit dem negativen Ergebnis be- Landwirte ist diesbezüglich eine Verbesserung des schleunigen, daß eine Vielzahl der Betriebe auf- Pächterschutzes dringend geboten und eine grund unüberwindbarer wirtschaftlicher Schwierig- schlichte agrarpoütische Notwendigkeit. keiten aufgeben muß. Es sei denn, die Einkommens- Die Entwicklung der Betriebe wird trotz der gravie- situation wird durch steigende Erzeugerpreise bzw. renden Einschnitte der Milchmarktregelung weiter- direkte Subventionen verbessert oder eine Produkti- gehen. Nur der leistungsstarke Betrieb, geführt vitätssteigerung im Bereich der Milchviehhaltung durch Betriebsleiter mit hoher unternehmerischer durch Zuteilung weiterer Milchquoten wird wieder Qualifikation, hat langfristig eine Überlebens- möglich, chance. Flächengröße und Produktionskapazität Neben den finanziell schwachen Betrieben treten müssen ausgerichtet sein auf zwei wirtschaftende zwei Problembereiche im Zusammenhang mit der Familien, denn die schnellere Generationenfolge hat Quoteneinführung besonders hervor. Es sind dies dazu geführt, daß neben den Altenteilern und dem zum einen die Junglandwirte, die "auf Sparflamme" Betriebsleiter auch die Familie des Hofnachfolgers geführte Betriebe übernommen haben oder über- zu berücksichtigen ist. nehmen werden und die diese Betriebe entwickeln müssen, um neben dem eigenen Unterhalt auch das Altenteil zu erwirtschaften. Zum anderen sind es in den letzten Jahren geförderte Betriebe, bei denen trotz Härteregelung nach einem Abzug von rd, 12

72 Entwicklung im Beratungsring Nordhackstedt

Jahr 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1984

Anzahl der Betriebe 77 118 149 171 182 174 158 146 Flächen insgesamt (ha) 2732 3872 4635 5267 6352 7124 7106 7250

0 Betriebsgröße (ha) 35,4 32,8 31,1 30,8 34,9 40,9 44,9 49,6 je 100 ha LF Familien-AK 6,5 6,4 6,5 5,7 4,7 3,8 3,5 3,3

Fremd-AK 7,5 3,8 2,6 0,5 0,3 0,3 0,5 0,5

PS Schlepper - 39 80 114 147 180 210 241

Gründüngung {ha bzw. %) 2,7 3,4 4,0 2,45 3,2 2,91 0,38 -

Getreide {ha bzw. %) 28,4 31,5 34,0 34,7 32,6 24,00 13,81 6,35 Grünland (ha bzw. %) 58,6 53,4 50,0 54,73 57,1 70,0 70,46 76,90

Hackfrüchte (ha bzw. %) 13,0 15,1 16,0 10,53 10,30 6,00 2,24 0,54

Mais (ha bzw. %) - - - - 3,0 4,85 13,50 16,08

Kühe in GV 33 37 42 55 68 82 102 123

Jungvieh in GV 35 38 52 69 81 104 121 128

Weidefläche je GV (ha) 0,48 0,37 0,34 0,30 0,23 0,22 0,19 0,17

Heufläche je GV (ha) 0,26 0,24 0,19 0,13 0,13 0,12 0,11 0,06 Rübenfläche je GV (ha) 0,07 0,07 0,06 0,04 0,04 0,02 0,02 0,01

Silagefläche je GV (ha) - - - 0,02 0,02 0,04 0,10 0,12 Hauptfutterfläche je GV (ha) 0,81 0,68 0,59 0,49 0,42 0,40 0,42 0,36

Dünger DM/ha 85 108 138 197 248 436 491 464 Erträge W-Gerste S-Gerste (dt) 19/21 21/24 26/27 25/33 24/24 29/30 39/41 43/33 Milch/Kuh (kg) 3827 3666 4084 4304 4897 5394 5588 5967

73 Generationswechsel in der dänischen Landwirtschaft Erhard Wittmann

In Dänemark stehen über 95 v. H. aller landwirt- dkr schaftlichen Betriebe in privatem Eigentum und wer- Wert des Bodens und der Gebäude 1 000 000,- den zum überwiegenden Teil selbständig bewirt- (Einheitswert — Verkehrswert) schaftet. Die Übertragung eines Hofes auf den Lebendes Inventar (Handelswert) 400 000- Nachfolger geschieht in der Regel durch Verkauf, Totes Inventar und Vorräte wobei die Werte zum jeweiligen Handelswert {Ver- (Buchwert) 200 000- kehrswert) übereignet werden. Die Bedingungen Kaufpreis insgesamt 1 600 000- der Übertragung werden einzeln im Vertrag festge- legt; sobald diese erfüllt sind, erfolgt die grundbuch- liche Umschreibung. Dieser Kaufpreis könnte etwa wie folgt finanziert 1983 wechselten 4,5 v. H. der landwirtschaftlichen werden: Betriebe den Eigentümer. Davon wurden zwei Drittel Übernahme bestehender Schulden 750 000- im freien Handel umgesetzt, während ein Viertel Barzahlung 225 000- Übertragungen innerhalb der Familie waren. Der kapitalisiertes Altenteil 125 000- Rest entfällt auf Zwangsversteigerungen u. a. Pfandbrief an den Verkäufer 300 000- Von den landwirtschaftlichen Betrieben, die dem Schenkung oder quittiertes Guthaben 200 000,- Landwirtschaftlichen Hauptverein für Nordschles- 1 600 000- wig angeschlossen sind, werden schätzungsweise (1 dänische Krone (dkr): über 90 v. H. innerhalb der Familie „gehandelt", Im 0,28 DM-Stand März 1985) Durchschnitt lagen dabei die Verkaufspreise um Eine teilweise Abgeltung der Kaufsumme durch eine etwa 20-25 v. H. unter den Preisen, die im freien Altenteilsverpflichtung ist besonders in Nordschles- Handel erzielt werden. Hierdurch werden zum einen wig {Sonderjylland) verbreitet. Sie gibt dem abge- die „Überlebenschancen" des Nachfolgers verbes- benden Teil eine gewisse Sicherheit vor ungünsti- sert und zum anderen die Beleihungs- und Finanzie- gen konjunkturellen Entwicklungen und verringert rungsmöglichkeiten für spätere Investitionen günsti- die Barzahlung des Käufers. Sie kann aber auch in ger. manchen Fällen ein Nachteil sein. Der Staat stellt Bei der Vorbereitung eines Generationswechsels jungen Landwirten mit anerkannter Ausbildung für auf einem landwirtschaftlichen Betrieb darf eine Rei- die Übernahme eines Betriebes eine verbilligte An- he wichtiger Gesichtspunkte nicht außer acht gelas- leihe (6,5 v. H. Zinsen) von z. Z. etwa max, 220 000 sen werden: dkr zur Verfügung. Er gewährt außerdem einen Zu- - Die zukünftigen finanziellen Belastungen und Ver- schuß zur Deckung der Übertragungskosten in pflichtungen des übernehmenden Teils müssen Höhe von max. 32 500 dkr. tragbar und den Produktionsmöglichkeiten ange- paßt sein - der abgebende Teil muß für seinen Lebensabend finanziell ausreichend abgesichert sein unter Aus- nutzung der Möglichkeiten, die vom Fiskus gebo- ten werden (z. B. Volkspension und ähnliches) -die weichenden Erben (Geschwister), die im Erb- fall gleichberechtigt am Gesamtvermögen partizi- pieren, sollten von der Übergabe des Hofes unter- richtet werden und die Bedingungen weitgehend akzeptieren - Steuern und Abgaben, die durch die Übertragung ausgelöst werden, sollen möglichst niedrig sein. Eine typische Übertragung eines landwirtschaftli- chen Betriebes von 30-40 ha Eigentum mit guten Böden und Schweinehaltung kann etwa folgender- maßen verlaufen:

74 Milchquotenregelung in Dänemark Friedrich Hindrichsen

Nach dem EG-Beschluß des Jahres 1984 mußte Dä- in Fachzeitschriften und Meiereiblättern. Speziell er- nemark seine Milchproduktion um 5,6 v. H. senken. hält jeder Milchproduzent alle 14 Tage eine EDV- Das Berechnungsjahr ist das Kalenderjahr 1983. Um Mitteilung von D.D.M.M, über seine aktuelle Milchan- diese Landesquote optimal zu nutzen, gründeten lieferung im Vergleich zu seiner Hofquote. Dies sei sämtliche Meiereien irn Mai 1984 die Vereinigung an folgender Benachrichtigung (Beispiel) erläutert, „De Danske Mejeriers Maelkeudvalg" (D.D.M.M.), die der Gardejer (Hofbesitzer) Jacobsen am 9. Ja- die sodann die gesamte Administration der Milcri- nuar 1985 erhielt: quotierung übernahm. 51. u. 52 Woche 15.-52. Woche D.D.M.M. beschloß, daß jeder Milcherzeuger seine Grundlag 1983: 10 197 172083 1983er Milchmenge um 6,7 v. H. reduzieren sollte. 1984 Leverance 9812 161 057 Damit wurde 1,1 v. H. der dänischen Milchproduk- Basisandel 9513 160554 tion für die Regelung von Härtefällen zurückgehal- Udnyttelse 103,14% 100,31 % ten. Auch Milchmengen von Betrieben, die ihre Landstotal: Milchproduktion nach denn 1. Januar 1984 einstell- Leverance 178813713 3615328 117 ten, wurden für Härtefälle verwendet, Insgesamt Basisandel 178650000 3 647 468 000 145 Mio. kg Milch wurden für Härtefälle verteilt. Udnyttelse 100,09% 99,11 % Über die Härtefallregelung ist noch folgendes zu be- richten: Zur rechten Zahlenkolonne:

Erste Instanz: D.D.M.M., Ärhus, Einsendeschluß 9. -172 083 kg lieferte Jacobsen von der 15. Woche Juli 1984. (9, April 1983) bis zur 52. Woche {31. Es wurden 8200 Anträge eingereicht (Dänemark hat Dezember 1983). Diese neun Monate ca. 33 000 Milchproduzenten). 4900 Antragsteller Milchanlieferung reduziert um erhielten eine Ablehnung. 3300 Milchproduzenten 6,7 v. H. ergeben 160 554 kg. bekamen ihren Antrag auf Erhöhung der Milchquote (Basisande! = anteilige Milchquote ganz oder teilweise anerkannt, Alle 8200 Antrag- für neun Monate) steller erhielten am 6, September 1984 einen Be- -161 057 kg lieferte Jacobsen jedoch von der 15. scheid. bis zur 52. Woche in 1984. Das sind Von den o. a. 145 Mio. kg Milch wurden übertragen: 100,31 v. H. seiner anteiligen Quote. -20 v. H. an Landwirte, die Investitionen mit Hilfe Er hat somit 0,31 v. H. zu viel Milch von EG-Mitteln vom 1.1.1981 bis 31.3.1985 geliefert. durchgeführt hatten oder durchführen wollten - 99,11 v. H. betrug die Landesproduktion im glei- - 68 v. H. an Landwirte, die Investitionen ohne EG- chen Zeitraum, denn Dänemarks Mittei vom 1. 1. 1981 bis 1. 4. 1984 durchgeführt Meiereien erhielten von der 15. bis hatten oder einen Hof oder einen Pachtbetrieb in 54. Woche 3615328117 kg Milch der genannten Periode übernommen hatten angeliefert, obwohl sie 3647 468 00 - 6 v. H. an Landwirte, die ihre Schulden mit staatli- kg (1983 Produktion abzüglich 5,6 cher Hilfe saniert hatten v. H.) annehmen durften, ohne eine -6 v. H. auf spezielle Härtefälle, bedingt durch Abgabe zu erheben. Krankheiten, Naturkatastrophen usw. in 1983. Die linke Kolonne bezieht sich nur auf zwei Wo- Zweite Instanz: EG-Direktorat, Kopenhagen. chen, und zwar auf die 51, und 52. Woche; sie zeigt Die 1250 dort eingereichten Anträge wurden von die Tendenz an, Jacobsen hat mit 103,14 v. H. eine November 1984 bis 1. Februar 1985 abschließend steigende Tendenz im Verhältnis zu den behandelt, 100,31 v. H, der Gesamtlieferung in neun Monaten. Auch die Gesamtproduktion auf Landesebene zeigt Dritte Instanz: Landwirtschaftsministerium, Kopen- eine (geringe) steigende Tendenz. hagen. Die ständige Information der Landwirte ist im Zu- sammenhang mit der Milchquotenregelung von gro- ßer Bedeutung. Sie erfolgt durch generellen Bericht

75 Exkursionen Gewerbe und Kommunales in Dänemark und Schleswig-Holstein am 6. Juni 1985 Politik zur Wirtschaftsentwicklung in S0nderjylland Henrik Alsted

Eine große Anzahl Faktoren, die die Entwicklung in Als Arbeitgeber von rund 5000 Beschäftigten in Ein- Sanderjylland mitgestalten, werden zentral durch richtungen, die in der ganzen Region verteilt sind, Regierung und Folketing (Parlament) festgelegt. Die kann der Kreistag durch Ausbau, Einschränkung Wirtschaftsentwicktungspolitik der Regierung zielt und Umstrukturierung die Entwicklung der Beschäf- darauf hin, durch Förderungsmaßnahmen neue Pro- tigung beeinflussen. Es gibt hier sowohl eine direkte duktionen anzukurbeln und vorhandene umzustel- wie auch eine Folgewirkung. Die Investitionspläne len. Dabei werden die Einführung neuer Technolo- des Kreistages sind stets an den Auswirkungen auf gien und die Umstellung des Energieverbrauchs be- die Beschäftigungs- und Dienstleistungssituation in sonders hoch eingestuft. den verschiedenen Teilen der Region orientiert. So Die Regierung ist bestrebt, das Gefalle zwischen hat der Kreistag, u. a. um die Beschäftigung zu för- Ost- und Westdänemark verstärkt abzubauen. Da- dern, in den wirtschaftlich schwächeren Gebieten bei haben die Wirtschaftsförderung und der Regio- gezielt eigene Aktivitäten entwickelt und aufrechter- nalfonds der EG eine große Bedeutung. In der Ar- halten. beitsmarkt- und Bildungspolitik wirken die staatli- chen Behörden auf den Ausgleich räumlicher Unter- Infrastruktur schiede in Dänemark hin. Wichtig für die Entwick- lung der einzelnen Regionen ist auch die Verkehrs- Zur Förderung der gewerblichen Entwicklung leistet politik. In letzter Zeit wird rege diskutiert, ob eine der Kreistag als zuständige Behörde für regionale feste Verbindung über den Großen Belt gebaut wer- Dienstleistungen und Infrastruktur einen wichtigen den sollte. Debattiert wird auch eine eventuelle Beitrag. Das Straßennetz ist wichtig für die Unter- feste Verbindung zwischen Ostdänemark und der nehmen. Sein Ausbau soll den Transport von Waren Bundesrepublik (Vogelfluglinie). von und nach der Region sowie innerhalb der Re- Diese zentralpolitischen Entscheidungen sind von gion gewährleisten. Auch der öffentliche Personen- großer Bedeutung für die regionale Entwicklung in nahverkehr wird im Hinblick auf die bestmögliche S0nderjylland. Bedienung von Unternehmen und Bürgern einge- richtet. Der Kreistag ist für den öffentlichen Omni- busverkehr zuständig und versucht, diesen mit dem Regionalpolitik des Kreistages in staatlicher oder privater Regie geführten Schie- Der Kreistag Sanderjylland beeinflußt als regionale nen-, Flug- und Fährverkehr zu koordinieren. Die Behörde die Wirtschaftsentwicklung in dieser Re- Energie- und Wärmeversorgung ist von großer Be- gion. So fördert er die gewerbliche Wirtschaft direkt deutung für die Wirtschaft. Der zuletzt vorgenomme- durch Dienstleistungen und Infrastrukturanlagen ne Ausbau des Erdgasnetzes wurde aufgrund der und indirekt durch Unterstützung von Verbänden kreisgemeindlichen Planung und in Übereinstim- u. B., die für die Unternehmen als Dienstleistungs- mung mit dem Regionalplan durchgeführt, wobei organe tätig sind. der Kreistag die westlichen Gebiete und die kleine- Die Entscheidungen des Kreistags vollziehen sich ren Ortschaften besonders berücksichtigt hat. Die im Rahmen des Regionalplans, der die Zielsetzun- Stromversorgung erfolgt durch konzessionierte Ge- gen für die Entwicklung zum Ausdruck bringt. Ein sellschaften, jedoch mit der Maßgabe, daß der Ziel ist es, den Bürgern Arbeitsplätze und Dienstlei- Kreistag vor Inangriffnahme größerer Bauvorhaben stungen zu gewährleisten, ohne über große Entfer- zu hören ist. nungen pendeln zu müssen. Eine weitere Zielset- Der Kreistag kann im Rahmen der gesetzlichen Re- zung geht dahin, die kleinen Ortschaften zu fördern, gelungen die Umweltqualität festlegen. Dabei ist um möglichst gleichwertige Lebensbedingungen in zwischen den Schadstoffemissionen der Industrie allen Teilen der Region zu schaffen. Ein drittes Ziel und der Belastbarkeit der Umwelt abzuwägen. Vom ist es, die schwächeren Räume im Westen der Re- Kreistag werden besondere Standorte ausgewie- gion zu stärken. sen, an denen sich umweltbelastende Unternehmen

76 niederlassen können und gleichzeitig Entfaltungs- stellung von Unternehmen. Außerdem werden Kur- möglichkeiten zugesichert sind. se für Jungunternehmer durchgeführt Ein bedeutsames Glied der Wirtschaftsentwicklung Der Kreistag verfügt über einen Fonds, dessen Mit- stellt die Berufsausbildung dar, insbesondere die tel von den Gemeinden im Zusammenhang mit der Ausbildung der Jugend, die auf Tätigkeiten in der Ausweisung von Flächen zur Stadtentwicklung ein- Wirtschaft vorbereitet. Hier wirkt der Kreistag bei gezahlt wurden. Geld aus denn Fonds wird zu günsti- der Planung und Verwirklichung mit. Wichtig ist eine gen Bedingungen an die Gemeinden verliehen, um ausreichende Versorgung aller Teilgebiete der Re- damit u. a. die Erschließung von Gewerbeflächen zu gion mit Ausbildungseinrichtungen, die in einer akti- finanzieren. ven Wechselwirkung zur lokalen Wirtschaft stehen. "S0nderjyllands Turistkreds" erhält Zuschüsse zur Zum Beispiel hat der Kreistag beschlossen, die Er- Förderung der Fremdenverkehrsentwicklung in der richtung eines Berufsbildungszentrums in einem Region. strukturschwachen Gebiet finanziell zu fördern. Die- Privatunternehmen in den westlichen und südlichen ses Projekt ist so bedeutsam, daß der Regional- Teilen der Region werden durch Anleihen und Zu- fonds der EG einen Zuschuß zur Errichtung des Zen- schüsse im Rahmen des Wirtschaftsförderungsge- trums leistet. setzes unterstützt. Der Kreistag nimmt zu den ein- Der Kreistag betreibt die Gymnasien und leistet Zu- zelnen Förderungszuteilungen Stellung, wenn es schüsse zur Errichtung von Berufsbildungseinrich- sich um größere Beträge handelt. Dadurch kann er tungen. Um die Tätigkeiten im Bildungsbereich zu Einfluß auf die Verteilung der Wirtschaftsinvestitio- koordinieren, hat der Kreistag Räte und Kommissio- nen im Kreisgebiet ausüben. nen eingesetzt. Hier treffen sich alle an Ausbildungs- Schließlich erhalten die Förderungsgebiete Mittel fragen beteiligten Personen und Arbeitsmarktvertre- aus dem EG-Regionalfonds für Investitionen in öf- ter. fentlichen Infrastrukturanlagen, darunter für Das Institut für Grenzregionsforschung führt For- Ausbildungseinrichtungen. Der Kreistag erarbeitet schungsaufträge in der Grenzregion aus. Die Ein- mit den Gemeinden einen Antrag auf Förderung, richtung wird teilweise vom Kreistag finanziert und den der dänische Staat an die EG weiterleitet. trägt dazu bei, durch Forschungsergebnisse die Entscheidungsgrundlagen des Kreistages zu ver- Zusammenfassung bessern. Darüber hinaus ist der Kreistag bestrebt, weitergehende Ausbildungsangebote für die Re- Alles in allem hat der Kreistag eine Reihe von Mög- gion zu gewinnen. lichkeiten, die Entwicklung der Wirtschaft anzure- gen. Seine Stärke liegt darin, die vielen Faktoren auf- einander abzustimmen und gezielt dort einsetzen zu Zuschüsse und Unterstützung können, wo eine verstärkte Entwicklung gewünscht Der Kreistag leistet Zuschüsse an Verbände und wird. Dieser Koordination mißt der Kreistag wach- Einrichtungen, die die gewerbliche Wirtschaft bera- sende Bedeutung zu, so wie er stets für neue Ansät- ten und unterstützen. „S0nderjyllands Erhvervsrad ze offen ist. og Investeringsfond" stellt Privatunternehmen Bera- Der Kreistag macht ständig seinen Einfluß geltend tung und risikowilliges Kapital zur Verfügung. „Tech- bei den staatlichen Behörden, um bei diesen Ent- nologisk Informationscenter" leistet den Unterneh- scheidungen zu erwirken, die die in den regionalen men Fachberatung bei der Einführung neuer Tech- Zielsetzungen angestrebte Entwicklung fördern. nologien, Produktentwicklung, Gründung und Um-

77 Exkursionen landwirtschaftliche Berufsbildung in Dänemark - Landarbeit und Soziales am 6. Juni 1985 Sozialarbeit in einem Grenzland - aus der Sicht der Arbeitsgemeinschaft Deutsches Schleswig Uwe Lendt

Seit über 35 Jahren wirkt die Arbeitsgemeinschaft schen den beiden in unserem Grenzland sich be- Deutsches Schleswig (ADS) an der Nordgrenze der gegnenden und überschneidenden Nachbarvölkern Bundesrepublik- im Landesteil Schleswig des Lan- ist im Laufe der Jahrzehnte zu einem kulturellen des Schleswig-Holstein - auf sozialem und sozial- Wettstreit geworden, in dem sich Deutsche und Dä- pädagogischem Gebiet. Sie unterhält zur Durchfüh- nen messen; sie gestalten das Leben in unserer rung ihres Auftrages, über den Landesteil verteilt, Landschaft mit den ihnen eigenen Möglichkeiten 35 soziale Einrichtungen mit einem breiten Angebot und werben um Gunst und Sympathie der Bewohner sozialer Leistungen, Im einzelnen vollzieht sich ihre des Grenzlandes. Grundlage und Gewähr dafür, Arbeit in 16 Kindergärten, sechs Schullandheimen, daß sich diese Auseinandersetzung in friedlichen drei Gemeindekrankenpftege- bzw. Sozialstationen, Bahnen vollzieht, bilden die vor genau 30 Jahren in drei Jugendfreizeitheimen, zwei Müttergenesungs- Kraft getretenen Bonn-Kopenhagener Erklärungen; heimen, zwei Altentagesstätten und einer Familien- diese garantieren Gewissensfreiheit und überlassen bildungsstätte mit einer kleinen Filiale sowie einem jedem einzelnen Bewohner des Grenzlandes die Beratungszentrum. Daneben unterhält die ADS eine Entscheidung, ob er Deutscher oder Däne sein Entsendestelle für Mütter, Kinder und Senioren. Au- möchte. ßerdem betreibt sie gemeinsam mit den übrigen ört- Auf der Basis dieser großzügigen und politisch weit- lichen Verbänden der freien Wohlfahrtspflege einen sichtigen Regelung hat sich das Verhältnis zwischen Arbeitskreis für Hauspflege, in dem 140 Hauspflege- Deutschen und Dänen im Laufe vieler Jahre in sei- rinnen tätig sind, die in der Stadt Flensburg und ih- nen großen Linien ermutigend positiv entwickelt. Sie rem Umland Familien und Einzelpersonen in Notfäl- hat zu einer guten Nachbarschaft geführt, die von len betreuen. Toleranz, gegenseitiger Achtung und einem zuneh- Jährlich erreicht die ADS mit ihren 250 hauptamtli- menden Miteinander in vielen Bereichen geprägt ist. chen Mitarbeitern zwischen 30 000 bis 40 000 Men- Sie wird auch gern als Modellfall für das Zusammen- schen aller Schichten unserer Bevölkerung. leben zweier benachbarter Völker mit sich über- Laut Satzung hat sich die ADS die Aufgabe gestellt, schneidenden Interessen bemüht. Dieses erfreuli- durch die Bereitstellung sozialer und sozialpädago- che Ergebnis wurde nicht ohne Rückschläge er- gischer Wirkungsstätten einen deutschen Beitrag reicht- mit Geduld, Verständnis, Kompromißbereit- für ausgewogene Lebensverhältnisse im deutsch- schaft und durch tägliches intensives Bemühen um- dänischen Grenzraum zu leisten. Dieser Auftrag einander. Auch die ADS hat an dieser Entwicklung orientiert sich seit Bestehen der ADS an den aktuel- aktiv teilgenommen und ihren Beitrag auf dem Felde len sozialen Bedürfnissen der in unserer Heimat le- der Sozialarbeit geleistet. Hierbei ist sie, dem benden Menschen. Er beinhaltet damit den Doppel- Grundverständnis jeder Sozialarbeit entsprechend, aspekt mit einer sozialen und einer nationalpoliti- bestrebt gewesen, ihre Aktivitäten jeweils auf die schen Komponente. zeitbedingten Anforderungen der Gesellschaft aus- 1948 hat sich die ADS als Grenzverband gegründet zurichten, ohne über die Jahrzehnte hinweg ihrem zur Erfüllung des nationalpolitischen Auftrages, un- nationalpolitischen Ansatz untreu zu werden, durch sere deutsche Heimat vor einer nach dem Zusam- ihr soziales Engagement im Grenzland der deut- menbruch von 1945 erfolgten massiven dänischen schen Sache zu dienen. Das bedeutete vor 35 Jah- Einflußnahme zu bewahren, die unter dem Eiderdä- ren Hilfestellung in größter materieller Not - in fast nen Dr. Vilhelm la Cour mit dem Zitat „Unser Schwert hoffnungsloser Konkurrenz zu einem vorbildlich aus- ist die Maurerkelle" allzu treffend charakterisiert wur- gestatteten und organisierten humanitären däni- de. Wir sahen uns in dieser Zeit gemeinsam mit den schen Hilfssystem. „Keiner betreut die deutsche Ju- uns befreundeten Grenzverbänden in der Rolle von gend, die alten Leute, die Hausfrauen oder die Kran- Deichbauern: „Wer nicht will dieken, mutt wieken!" ken", heißt es in einem Lagebericht der ADS aus der Seitdem ist viel Wasser durch Königsau und Eider Gründungszeit, der die erforderlichen Maßnahmen geflossen. Die ursprüngliche Konfrontation zwi- dann auslöste. Später war die ADS dann bemüht,

78 durch Differenzierung und Qualifizierung der sozia- sei es durch die Überleitung der bestehenden Aktivi- len Handlungsfelder einen Beitrag zu möglichst aus- täten auf den Staat, die Kommunen oder sonstige gewogenen Lebensverhältnissen im Grenzland im insoweit wertfreie Institutionen. In die „Melodie des Sinne von Chancengleichheit zu leisten. Grenzlandes" würden sich Dissonanzen einschie- Jetzt geht es darum, das Erreichte zu erhalten, ge- ben, gen Tagestendenzen zu stabilisieren und gegen die - stünde den zahlreichen dänischen Kindergärten neuerdings häufiger angesprochenen sogenannten im Landesteil Schleswig künftig nicht ein ver- Irritationen abzusichern. gleichbares Angebot von ADS-Einrichtungen ge- Unser soziales Angebot ist heute in fast allen Berei- genüber chen durchaus vergleichbar mit den entsprechen- - würde der Dänischen Centralbibliothek mit ihrem den dänischen Aktivitäten. Die spürbar vollzogene weitverzweigten Organisationsnetz nicht mit dem nationalpolitische Entspannung im Grenzraum - die Büchereiwesen des Deutschen Grenzvereins ein ich als eine Verständigung darüber charakterisieren qualitativ gleichwertiges Angebot auf deutscher möchte, in einem gemeinsamen geografischen Seite entsprechen Raum nach eigener kultureller Facon zu leben - hat -würde nicht mit Sankelmark, Leck, dem Scheers- es ermöglicht, soziale Leistungen ohne Fremdbe- beg und unserem „Haus der Familie" ein gleich- stimmung immer dort einzusetzen, wo schlicht Hilfe wertiges Gegenstück zum traditionell effektiven nötig war. Das gute Klima im Grenzland beweist sich dänischen Volkshochschulwesen unterhalten heute am eindruckvollsten dort, wo in gegenseitiger - bliebe das vorbildliche dänische Angebot im Be- Respektierung der beiden Kulturen und ihrer Anlie- reich der Freizeitpädagogik ohne das Pendant ei- gen zusammen gearbeitet wird. Ich denke in diesem ner ADS-Schullandheimarbeit oder der Jugend- Zusammenhang beispielhaft an die Haus- und Fami- freizeitarbeit in Ramsharde und in der Segelma- lienpflege und die offene Jugendarbeit, wo partner- cherstraße, dem neuen ADS-Jugendtreff in der In- schaftliche Kooperation bereits praktiziert wird. nenstadt Flensburgs. Geschichtsklitterung von „Slesvigland" und sonstige Heute geht es beim kulturellen Wettstreit im Grenzlandärgernisse, die sich hier und dort dies- deutsch-dänischen Lebensraum nicht in erster Linie seits und jenseits der Grenze bemerkbar machen, um das Verhältnis der hier aneinander grenzenden sind allenfalls Übergangserscheinungen in einer Staaten. Ihre Angelegenheiten sind trotz aller Un- Entwicklung, die sich von eher diplomatisch-behut- kenrufe in den zurückliegenden Jahren zufrieden- samer Zurückhaltung im Verhältnis zueinander voll- stellend geregelt worden. Dies hat nicht nur seinen zieht zu einer von mehr Vertrauen geprägten offene- Ausdruck gefunden in Staatsbesuchen diesseits ren und ehrlicheren Begegnung, die die Beziehun- und jenseits der Grenze, sondern auch in großen gen zwischen Deutschen und Dänen weiter zu festi- vertraglichen Bündnissen wie der NATO und der gen verspricht. EG. Im Mittelpunkt des kulturellen Wettstreits in un- Deshalb ist es heute unser vordringliches national- serem Grenzraum steht in den 80er Jahren der ein- politisches Anliegen, vor dem Hintergrund der histo- zelne Bürger, der handelnde und betreute Mensch rischen Entwicklung des Grenzraumes, mit der wir mit seinen Bezügen zur Umwelt. Er aber wird - mag unsere Arbeit identifizieren, durch unser Wirken da- es noch so profan klingen - seine Entscheidung zwi- für Sorge zu tragen, daß an dem Ziel einer deutsch- schen dem deutschen und dänischen Kulturkreis dänischen Freundschaft beharrlich und unerschüt- abhängig machen von der Lebensqualität, die er für terlich weitergearbeitet wird. Dabei sind wir uns dar- sich und seine Familie heute und morgen erwarten über im klaren, daß dieser zentrale Grenzlandauf- darf. Sie setzt aber differenzierte, individuelle Lei- trag nicht in einer Generation gemeistert werden stungen voraus, wie sie optimal nur durch persönli- kann. Die Arbeit der Grenzverbände ist auch in Zu- ches Engagement und freie Bürgerinitiative erbracht kunft nicht überflüssig. Das gilt auch für die Sozialar- werden können. Deshalb darf es im Interesse des beit der ADS; denn wir gehen mit der dänischen Sei- Fortbestehens einer kulturpolitischen Balance im te darin einig, daß die sozialhumanitären Anstren- Grenzland auf deutscher Seite keine Einschränkung gungen nicht von der kulturellen, national bestimm- des traditionellen Wirkens der Grenzverbände in un- ten Arbeit irn Grenzland getrennt betrachtet werden serer Heimat geben. können, sondern vielmehr einen ihrer wesentlichen Bestandteile darstellen, so daß die Sozialarbeit der ADS als Ausdruck und Beitrag deutscher Kultur in dieser Region verstanden werden will. Freizügigkeit, Nachbarschaft und Frieden, in jahr- zehntelanger mühevoller Aufbauarbeit gewonnen, würden in Gefahr geraten, wollte sich einer der Part- ner des Kräftespiels aus diesem gewachsenen und von vielseitigen Wechselwirkungen getragenen Grenzlandmodell ausnehmen, sei es ersatzlos oder

79 auf den Restflächen einer alten Domäne gegründet. Die dänischen Landwirtschaftsschulen trennen mehr oder weniger deutlich zwischen Schule und landwirtschaftlichem Betrieb. Der Betrieb hat eher den Charakter eines Musterbetriebes und wird aus- schließlich von den Mitarbeitern der Schule nach ökonomischen Gesichtspunkten bewirtschaftet, Seine Einrichtungen stehen zur Schulung des Be- triebsleiternachwuchses nur in begrenztem Umfang zur Verfügung (z. B. Melken oder Pflügen). Der landwirtschaftliche Betrieb der Landbrugsskoie Grasten verfügt über ca. 146 ha landwirtschaftliche Nutzfläche. Der Boden ist überwiegend schwerer Lehm. Die Ackernutzung sieht wie folgt aus: 80 ha Getreide Altenwohnanlage Tarp 13 ha Raps 16 ha Mais Wohnform die Isolation des einzelnen verhindert und 21 ha Gras (in der Fruchtfolge) die Gruppe der älteren Menschen auf diesem Wege 16 ha Dauerweiden stärker in die Dorfgemeinschaft integriert werden. Der Betrieb hält 96 Milchkühe mit Nachzucht. Die Trotz eigener Wohnung muß die Betreuung der älte- durchschnittliche Leistung liegt bei 6824 kg Milch ren Menschen jedoch immer dann gewährleistet und 280 kg Fett. Folgende Rassen bilden die Herde: sein, wenn sie notwendig ist, Eine Altenwohnanlage, Dänische Rote, Schwarzbunte, Holstein-Friesian. Es nach diesen Ideen verwirklicht, gewährt so viel Frei- werden darüber hinaus Bullkälber gemästet. heit wie möglich und bietet so viel Hilfe wie erforder- Die Zuchtsauenherde (SPF) besteht aus 150 Tieren lich. Altenwohnanlagen sind, wie sich inzwischen er- der dänischen Landrasse. Die durchschnittliche Fer- wiesen hat, ein wichtiger Beitrag zur Kostensenkung kelzahl pro Sau und Jahr beträgt 21,5. in der Altenpflege. In der Landbrugsskole Grasten unterrichten zwölf Die Altenwohnanlage Tarp wurde 1982 bezogen. Lehrkräfte, Es handelt sich dabei um Dipl.-Agrarin- Sie umfaßt 26 Wohneinheiten, 16 Appartements für genieure oder Lehrkräfte vergleichbarer Qualifika- Alleinstehende haben 42 m2 Grundfläche, 10 Appar- tion. tements mit 2-Zimmer-Wohnungen für Ehepaare ha- ben 52 m2 Grundfläche. Die Tarper Altenwohnanla- ge liegt mitten im Ort. Damit ist die Einbindung der älteren Menschen in die Dorfgemeinschaft durch kurze Wege zum Kaufmann, dem Arzt, der Bussta- tion oder den Gemeinschaftseinrichtungen gege- ben. Die Altenwohnanlage Tarp verfügt über eine Tagesstätte, die sowohl von den Bewohnern der An- lage als auch anderen Gruppen im Dorf genutzt wird. Alle die Wohnanlage betreffenden Fragen wer- den im Seniorenbeirat, der sich aus den Mietern, der Dorfbevölkerung und der Bürgerschaft zusammen- setzt, erörtert und entschieden, Eine Rettungsstation des Deutschen Roten Kreuzes ist der Tarper Altenwohnanlage angeschlossen, was in Notsituationen Vorteile für die Bewohner mit sich bringt. Was noch fehlt und angestrebt wird, ist Landwirtschaftsschule Grasten eine Kranken- und Pflegestation. Die Kaltmiete liegt für die Einpersonenappartements Die Schule bzw. das Internat bietet 32 Teilnehmern bei 270,- DM, Ehepaare zahlen in den größeren Ap- am Grundkurs und 72 Schülern des Betriebsleiter partements 362,- DM pro Monat. Die Wohnneben- lehrgangs Platz. kosten betragen ca. 100,-DM, so daß von der Ren- te genug für ein normales Leben übrigbleibt, Schloß Grasten - Sommerresidenz des dänischen Königshauses Landwirtschaftsschule Grasten Das Geschlecht der Ahlefeldt hat Schloß Grasten Die Landbrugsskole (Landwirtschaftsschule) Gras- etwa um 1500 erbaut. Das Schloß war während des ten (Gravenstein) wurde in den zwanziger Jahren 16. und 17. Jahrhunderts Sitz dieser Familie. Wäh-

82 Schloß Grasten - Sommerresidenz des dänischen Königshauses - in winterlicher Ruhe

rend dieser Zeit standen mehrere Ahlfeldts als Statt- te es zeitweise für das Gerichtswesen und als Bü- halter in den Herzogtümern Schleswig und Holstein cherei, im Dienst des dänischen Königs. Seit 1935 ist Schloß Grasten regelmäßiger Sommer- 1603 und 1757 wurde Schloß Grasten durch Groß- sitz der dänischen Königsfamilie. feuer zerstört. Nach dem zweiten großen Brand wur- Das Schloß hat einen sehr reizvollen Schloßpark im de es 1759 in der heutigen Form wieder aufgebaut. englischen Stil, Die prunkvolle Barockkirche, der Al- Im 18. und 19, Jahrhundert hatte das Schloß ver- tar, die Kanzel und das Orgelgehäuse stammen aus schiedene Eigentümer und ging 1922 schließlich in dem 18. Jahrhundert und gelten in Dänemark als be- den Besitz des dänischen Staates über. Dieser nutz- sondere Kostbarkeiten.

83 Landwirtschaftliche Ausbildung und Beratung in Dänemark Claus Erichsen

In Dänemark sind Ausbildungs- und Beratungswe- zur ständigen Fortbildung der Landwirte. Zum Bei- sen getrennt. spiel bieten die Landwirtschaftsschulen Wochenkur- Es gibt etwa 30 landwirtschaftliche Schulen, die se zu einem Preis von etwa 350- DM an. Das Kur- über das ganze Land verteilt sind. Die Schulen sind susangebot umfaßt Fachthemen aus den Gebieten privat und haben den Charakter von Stiftungen. Sie Rindviehhaltung, Schweinehaltung, Pflanzenbau konkurrieren miteinander um die Schüler, die für den und Betriebswirtschaft. Diese Kurse werden seitens Schulbesuch bezahlen müssen, und stehen daher des Staates zu 80 v. H. bezuschußt. Gleichzeitig unter Erfolgszwang. Die Schulen werden als Interna- werden die Kosten für den Betriebshelfer während te betrieben. Früher haben die Schüler eine mög- der Schulungszeit des Betriebsleiters von staatli- lichst weit entfernte Fachschule bevorzugt; heute cher Seite bezuschußt. geht der Trend eher dahin, die Schule in unmittelba- Die Beratung dagegen gehört zu den Aufgaben der rer Nähe zu besuchen. landwirtschaftlichen Vereine. Diese haben sich in er- Die Ausbildung läuft wie folgt ab: ster Linie die Förderung der Landwirtschaft in Däne- Nach dem Schulabschluß wird der Grundkurs, ein mark sowie die Förderung der Interessen ihrer Mit- fünfmonatiger obligatorischer Aufenthalt auf einer glieder zum Ziel gesetzt. Daher nehmen die Vereine anerkannten Landwirtschaftsschule, absolviert. solche Aufgaben wahr, die z, B. in Schleswig-Hol- Jeder Schule ist ein landwirtschaftlicher Betrieb stein zum Tätigkeitsbereich der Landwirtschafts- angeschlossen, der auch zu Übungs- und Schu- kammer, des Buchführungsverbandes oder des lungszwecken dient. Pro Jahr besuchen etwa Bauernverbandes gehören. Insgesamt gibt es in Dä- 1800 Schüler den 18wöchigen Grundkurs. nemark 128 landwirtschaftliche Vereine als Träger Die daran anschließende dreijährige praktische der landwirtschaftlichen Beratung. Fast alle Betrie- Ausbildung muß in mindestens zwei Betrieben be sind freiwillige Mitglieder. Die allgemeine Bera- stattfinden. Mindestens ein Ausbildungsjahr muß tung umfaßt folgende Punkte: in Betrieben mit Tierhaltung, d. h. in der Rinder- - Beratung der Mitglieder in allen landwirtschaftli- öder Schweineproduktion, verbracht werden. Da- chen Fachfragen bei gilt jeder Vollerwerbsbetrieb als anerkannter - Durchführung von Feldversuchen Lehrbetrieb. -Ausbildung und Fortbildung der Landwirte An die praktische Ausbildung schließt sich der - Beratung in Steuer- und Betriebswirtschaftsfragen Betriebsleiterlehrgang an der Landwirtschafts- durch die Buchstelle schule an, der neun Monate dauert. Dieser Lehr- - Wahrnehmung der Berufsinteressen der Mitglie- gang gliedert sich in einen sechsmonatigen fach- der technischen Kurs und einen dreimonatigen Be- - Beratung in agrarpolitischen Tagesfragen und In- triebsleiterkursus. Während des fachtechnischen formationen über die dänische Agrargesetzge- Kurses erhält der Schüler einen monatlichen Zu- bung, schuß in Höhe von rund 1100,- DM. Die Zentrale mit allen Fachrichtungen ist in Ärhus Den Abschluß bildet der sogenannte Grüne (Detfaglige Landscenter-die fachliche Landeszen- Schein, der die Möglichkeit eröffnet, einen land- trale). Hier sind etwa 60 Spezialberater (Diplomland- wirtschaftlichen Betrieb zu erwerben und staat- wirte) und rund 60 Assistenten angestellt. Ihre Auf- lich gefördert zu werden. Abschlußprüfungen gibt gabe besteht darin, den Beratern der landwirt- es in Dänemark nicht. schaftlichen Vereine mit Spezialberatung und Wis- Die Ausbildung ist von den Schülern selbst zu finan- sen zur Verfügung zu stehen. Des weiteren besteht zieren. Sie erhalten Zuschüsse von ihrer Heimatge- ihre Aufgabe in der Koordination der fachlichen Be- meinde und vom Staat, deren Höhe sich teilweise ratung, u. a. Auswertung von Versuchen, der Buch- nach dem Einkommen der Eltern richtet. Der 18wö- führung, Herausgabe von Berichten, Entwicklung chige Besuch des Grundkurses kostet etwa 3500,- neuer Methoden (EDV), Herstellung von Plänen von DM, der 37wöchige Betriebsleiterlehrgang etwa Versuchsvorhaben, Unterrichtsmaterial und ähnli- 7500,- DM. Die Schulen finanzieren sich über die chem. Teilnehmergebühren und über staatliche Zuschüsse In den örtlichen Vereinen ist die Beratung in die Be- für die Gehälter der Lehrer und die Unterhaltung der reiche Produktion (Pflanzen-, Rinder- und Schweine- Gebäude. beratung) und Buchführung aufgeteilt. Insgesamt Außerdem besteht in Dänemark ein breites Angebot sind in den landwirtschaftlichen Vereinen etwa 880

84 Berater (Diplomlandwirte), 750 Assistenten und Bü- Abschlüsse erstellt. Die dänischen Landwirte sind ropersonal angestellt. verpflichtet, Bücher zu führen und Umsatzsteuerer- Die Beratung erfolgt auf verschiedene Weise, wobei klärungen abzugeben. die telefonische Beratung einen Schwerpunkt bildet. Die landwirtschaftlichen Vereine finanzieren sich zu Durch Vorträge und Seminare, durch Rundschrei- etwa 75 v. H. aus Mitgliedsbeiträgen, Buchfüh- ben und Berichte, aber vor allem durch Besuche und rungshonoraren, Gebühren für Bodenproben, Fut- Gespräche auf den Höfen wird dem Beratungsauf- teranalysen, Futterkontrollen in der Schweine- und trag Rechnung getragen. Das gilt ebenso für die Be- Rinderberatung und sonstigen Einnahmen. Der ratung bei der Aufstellung von Dünge- und Fruchtfol- nichtgedeckte Betrag wird durch staatliche Zu- geplänen im Pflanzenbau, wie auch bei der Produk- schüsse ausgeglichen. Diese richten sich nach den tionskontrolle, bei der Ausarbeitung von Futterplä- Bestimmungen der dänischen Gesetzgebung und nen und z. B. für die Ankaufsberatung in der Schwei- machen etwa 70 v. H. der Gehälter der Diplomland- nehaltung. Im Bereich der Rindviehhaftung liegen wirte und Landwirtschaftstechniker innerhalb be- die Schwerpunkte der Beratung teils bei Eintages- stimmter Obergrenzen aus. Der reine Mitgliedsbei- futterkontrollen und bei der Futterkontrolle über län- trag ohne Beiträge für zusätzliche Leistungen liegt gere Zeitabschnitte sowie bei der Ausarbeitung von zwischen 200 und 500 DM je Betrieb. Futterplänen. In der Buchführungsabteilung werden sowohl die steuerlichen als auch die betriebswirtschaftlichen

85 Kultur- und Sozialarbeit in einem Grenzland - aus der Sicht der dänischen Minderheit Karl Kring

Die meisten Bürger - auch wenn sie nicht gerade aus dem Grenzgebiet kommen - werden etwas über Minderheiten gehört haben. Wenige jedoch werden wissen, daß wir außer Türken, Griechen, Jugosla- wen oder religiösen Minderheiten in der Bundesre- publik Deutschland im Landesteil Schleswig eine na- tionale Minderheit haben, ca, 50 000 Bürger, die sich als Angehörige des dänischen Volkes fühlen, aber deutsche Staatsbürger sind. Minderheiten ha- ben oft das Gefühl, daß ihre Existenz nur den Fh nanz- und Wehrersatzämtern bekannt ist. Die Mehr- heitsbevölkerung nimmt sie meist nur am Rande wahr, und selbst für die politische Macht dauert es oft lange zu begreifen, daß diese Bürger genau wie die übrigen gleiche Rechte und Bedürfnisse haben. Am Gelde hängt recht oft das Zeugnis, ob man den Reden über Modellfälle von Regelungen auch Taten hat folgen lassen oder ob man es nicht doch weitge- hend dem bzw. den Mutterländern überläßt, für „ihre Minderheit" zu sorgen. Wahrer Minderheitenschutz muß auch das Risiko des Wachsens der Minderheit in Kauf nehmen. Min- derheiten haben, wenn sie gleiche Pflichten haben, auch gleiche Rechte. Wenn ihr Schulwesen aus der Gegebenheit der Weiträumigkeit der langen Schul- wege, der kleineren Einheiten teurer als das der Mehrheit ist, muß es natürlich sein, daß der Staat eben auch mehr ausgibt, um dieses Schulwesen zu ermöglichen. In Schleswig-Holstein wird das Kind des Insel- oder Halligbewohners auch unterrichtet, obwohl dieser Unterricht den Steuerzahler mehr ko- stet als der für einen Schüler im übrigen Land. Es Flensburghus - Sitz der dänischen Minderheit würde keiner auf den Gedanken kommen, hier nur den „Durchschnittspreis" zahlen zu wollen. Auf der gleichen Linie liegt die Frage der Schulbau- klingender Münze seinen guten Willen beweisen, ten. In der Landesverordnung heißt es, daß grund- den Modellfall untermauern soll, entstehen Proble- sätzlich keine Mittel für den Bau von Minderheits- me. schulen gewährt werden. Würde man je auf den Ge- Das Leben als Minderheit in der Gesamtbevölke- danken kommen, Kindern der Mehrheitsbevölke- rung ist für den Einzelnen heute so gut wie problem- rung einen Unterricht im Freien zuzumuten? Spaß los. Die Behörden respektieren den Tenor der preu- beiseite: Es müßte beim behaupteten Modellcharak- ßischen Schulordnung von 1928, daß Minderheit ist, ter eine Selbstverständlichkeit sein, daß man auch wer will, und dies von Amts wegen weder nachge- für die Bundesbürger dänischer Gesinnung Schulen prüft noch bestritten werden darf. Da die fehlenden errichtet und unterhält. Mittel bis heute von einer freundlich gesinnten Nach- Man könnte die Reihe von Beispielen fortsetzen, die barnation zur Verfügung gestellt werden, kann der ganz eindeutig zeigen, daß die Mehrheitsbevölke- Angehörige der Minderheit mit einem kulturellen An- rung Schwierigkeiten hat, die Minderheit als gleich- gebot rechnen, welches seine Bedürfnisse weitge- wertig, gleichberechtigt in das Leben des Landes, hend befriedigen kann. Beginnend mit dem Besuch der Kreise und Gemeinden einzuordnen. Der tägli- des Kindergartens über die Schule, das Jugendfrei- che Umgang miteinander bereitet keinerlei Schwie- zeitheim, den sportlich oder kulturell geprägten Ju- rigkeiten. Erst dort, wo das Gemeinwesen auch in gendverein bis hin zürn Alten- oder Pflegeheim steht

86 ihm ein breites Angebot dänischer Einrichtungen in und später die Bonner Erklärung haben nochmals seiner Heimat offen, Für ihn im besonderen wie für unterstrichen, daß die in der Verfassung festgeleg- die Mehrheitsbevölkerung im allgemeinen trifft je- ten Rechte auch für die Staatsbürger der Bundesre- doch auch der Umstand zu, daß dieses Angebot in publik gelten, die sich als Glieder des dänischen den Städten besser als auf dem flachen Lande ist. Volkes fühlen. Verfassungen und Erklärungen müs- Der Sydsleswigsk Forening (Südschieswigsche Ver- sen gelebt werden, wenn sie lebendig und wirksam ein) bietet ein breitgefächertes kulturelles Angebot. sein sollen. Wir alle kennen Länder mit Verfassun- Im Jahre 1983 wurden 42 dänische Theatervorstel- gen, die dem Wortlaut nach zu den besten der Welt lungen, 13 Symphonie-Konzerte, 35 Konzerte und gehören, wo die Verfassungswirklichkeit jedoch et- 222 Vortragsveranstaltungen abgehalten. Hinzu was ganz anderes ist. Freuen wir uns, daß die frei- kommen eine Unzahl kleinerer Veranstaltungen. heitliche Demokratie, in der wir leben, es jedem Bür- Die 63 Kindergärten des Dansk Skoleforening wer- ger erlaubt, sich frei im Rahmen der Gesetze zu ent- den von ca. 1700 Kindern, die 54 Schulen zu Beginn falten und zu verwirklichen. Die Minderheit hat leid- dieses Schuljahres von 5680 Schülern besucht. 24 voll erfahren müssen, was es heißt, in einer Diktatur Pastoren betreuen die dänischen Kirchengemein- zu leben. Sie hat aber auch gesehen, daß es sich den im Landesteil Schleswig. Der dänische Gesund- lohnt, ausdauernd zu sein. Auch für die Mehrheits- heitsdienst betreut mit seinen Kinder- und Ge- bevölkerung ist die Zeit nach 1945 ein Lernprozeß meindeschwestern die Mitglieder der Volksgruppe. gewesen und ist es sicher heute noch. Der Landes- Ein ausgedehntes Büchereiwesen geht von der dä- hauptmann von Südtirol hat einmal, genau wie der nischen Zentralbücherei in Flensburg mit ihrem Be- Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein, stand von insgesamt ca. 150 000 Bänden aus. gesagt, Minderheiten müßten gegebenenfalls bes- In den dänischen Jugend- und Sportvereinen sind ser behandelt werden als die Mehrheitsbevölke- über 11 000 Mitglieder aktiv. rung, um gleichberechtigt zu sein. In diesem Lande Als deutschen Staatsbürgern, als festansässigem, würde viel erreicht sein, wenn wir die numerische bodenständigem Bevölkerungsteil muß der Minder- Gleichberechtigung erreicht hätten. Hoffen wir, daß heit genau wie der Mehrheitsbevölkerung das Ge- der gute Wille, den die Bundes- und Landesregie- schick des Landes, in dem sie lebt, am Herzen lie- rung gezeigt haben, auch langsam die untere gen. Die Teilnahme am politischen Leben, an der Selbstverwaltungsebene erreicht. Gestaltung der Lebensbedingungen in diesem Land Der Modellfall einer Minderheitenlösung ist auch im ist daher eine natürliche Sache, ja eine Lebensnot- schleswigschen Grenzland erst erreicht, wenn die wendigkeit für die Minderheit. Mit einem Landtägs- Minderheiten nicht mehr auf die Unterstützung abgeordneten ist der Südschieswigsche Wählerver- durch ihr Mutterland angewiesen sind. Würde diese band im Landesparlament in Kiel vertreten. Über Unterstützung morgen wegfallen, wäre kein eigenes 100 Repräsentanten des SSW arbeiten in den Ge- Schulwesen, keine Theater- oder Konzertarbeit, um meinderäten und Kreistagen mit. Die Vertreter des nur einiges zu nennen, möglich. Für die Minderhei- Wählerverbandes betrachten sich in dieser Arbeit ten Europas, die wie z.B. die Bretonen in Frankreich, nicht nur als Vertreter der Volksgruppe und ihrer kein Mutter-oder Vaterland haben, das ihre kulturel- Wünsche, sondern nehmen ganz selbstverständlich len Belange finanziell fördern kann, wäre unsere Re- an der ganzen Breite der politischen Arbeit teil. Geht gelung, so gut sie auch sein mag, kein Modell, hof- es unserer Heimat schlecht, trifft dies alle, Minder- fentlich noch kein Modell. Es ist daher zu begrüßen, heit wie Mehrheit. daß über 40 Abgeordnete des europäischen Parla- Das Grundgesetz der Bundesrepublik ist in seiner ments sich für eine Regelung der Minderheitenfra- Form die beste und freiheitlichste Verfassung, unter gen in der Gemeinschaft eingesetzt haben und daß der der dänische Bevölkerungsteil südlich der Gren- im Parlament und in der Kommission erste Schritte ze seit dem Ausscheiden aus dem dänischen auch auf diesem Gebiet unternommen werden. Staatsverband im Jahre 1864 gelebt hat. Die Kieler

87 Die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig Ein prägender Faktor im Grenzland Peter Iver Johannsen

In Nordschleswig, im südlichen Dänemark, dem Ge- schleswiger, der den organisatorischen Rahmen für biet zwischen der Reichsgrenze von 1867 und der die politische Arbeit sowie für eine Fülle von kulturel- deutsch-dänischen Staatsgrenze von 1920, leben len Aktivitäten, wie z. B. deutsche Theatergastspie- heute etwa 250 000 Menschen, von denen gut le, Konzerte, Ausstellungen, Vorträge, Unterhal- 20 000 der deutschen Volksgruppe angehören. Das tungsabende, Tagungen usw., bildet. ist ein Ergebnis der geschichtlichen Entwicklung Eine wichtige Funktion hat dabei die deutsche Ta- des ehemaligen Herzogtums Schleswig, das in den geszeitung „Der Nordschleswiger", die Sprachrohr vergangenen Jahrhunderten wechselweise unter und Bindeglied der Voiksgruppe ist. Sie liefert zu- deutschen und dänischen Einflüssen gestanden gleich wichtige Beiträge zur Gestaltung der hat. deutsch-dänischen Beziehungen. Insbesondere hat Die Mitte des 19, Jahrhunderts entstandenen Aus- sich „Der Nordschleswiger" in den vergangenen einandersetzungen über die staatliche Zugehörig- Jahren im Rahmen seiner Möglichkeiten um ein kor- keit des Herzogtums Schleswig endeten im Jahre rektes Deutschlandbild in Dänemark bemüht. 1920 mit der Teilung Schleswigs, nachdem die Be- Schwerpunkt der deutschen Kulturarbeit ist das völkerung im nördlichen Schleswig sich bei der deutsche Schulwesen in Nordschieswig. In den 18 Volksabstimmung mit 75%iger Mehrheit für einen deutschen Schulen werden etwa 1500 Schüler un- Anschluß an Dänemark ausgesprochen hatte. Die terrichtet. Daneben gibt es 26 deutsche Kindergär- Bevölkerung im südlichen Schleswig votierte dage- ten und einige Freizeitheime. gen mehrheitlich für ein Verbleiben bei Deutschland. Den Zugang zur deutschen Literatur ermöglicht eine Die Lösung der Grenzfrage im Jahre 1920 wurde der Reihe von deutschen Bibliotheken mit einem Be- Ausgangspunkt der heute entspannten Lage zwi- stand von 130 000 Büchern und Medien. schen Deutschland und Dänemark. Die neue Gren- Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer Organi- ze hat sich als stabil erwiesen, obwohl die deutsche sationen mit speziellen Arbeitsgebieten. Der Land- Volksgruppe angesichts einer aus ihrer Sicht unge- wirtschaftliche Hauptverein für Nordschleswig berät rechten Grenzziehung von 1920 (dem Selbstbestim- die deutschen Landwirte, die trotz aller Vielschich- mungsrecht der Bevölkerung wurde durch die von tigkeit der Volksgruppe immer noch strukturell ihr dänischer Seite durchgesetzten Abstimmungsmo- Rückgrat bilden. Der Sozialdienst Nordschleswig dalitäten nicht voll Rechnung getragen) bis 1945 betreut die Mitglieder der Volksgruppe im sozialen eine Grenzrevision anstrebte, und nach 1945 die Bereich, Elf deutsche Pastoren nehmen die kirchli- Zahl der nach Dänemark strebenden Südschleswi- che Betreuung der deutschen Bevölkerung wahr. ger so sehr anstieg, daß die Grenze vorübergehend Der Deutsche Jugendverband für Nordschleswig in Gefahr geriet. widmet sich der außerschulischen Betreuung der 1945 hat die deutsche Volksgruppe in Anerkennung Schuljugend und der schulentlassenen Jugend. Als der bestehenden Mehrheitsverhältnisse und der Unterbau der genannten Organisationen dienen vie- realpolitischen Situation in einer Loyatitätserklärung le örtliche Vereine, die sich der Pflege der deut- dem dänischen Staat gegenüber die Grenze von schen Gemeinschaft in Nordschleswig widmen. 1920 anerkannt. Die deutsche Volksgruppe vertritt ihre politischen In- Die Grundlage der heutigen Arbeit der deutschen teressen über eine eigene Partei, die Schleswigsche Volksgruppe in Nordschleswig und des Selbstver- Partei; sie ist in einer Reihe von Städten und Ge- ständnisses der deutschen Nordschleswiger ist meinden sowie im nordschleswigschen Kreistag ver- nach wie vor das Bekenntnis zum Deutschtum und treten. Über ein eigenes Folketingsmandat verfügte seiner Geschichte und zur nordschleswigschen Hei- die Volksgruppe mit Unterbrechungen bis 1979. Sie mat. Zum Selbstverständnis der deutschen Nord- ist gegenüber dem Parlament und der Regierung schleswiger gehört aber auch, daß sie loyale däni- durch einen Kontaktausschuß und ein von der däni- sche Staatsbürger sind mit dem Anspruch und der schen Regierung 1983 zur Verfügung gestelltes Se- Bereitschaft, im dänischen Alltag als gleichberech- kretariat in Kopenhagen vertreten. tigte Partner mitzuwirken. Grundlage für das Verhältnis der deutschen Volks- Der Schwerpunkt der Arbeit der deutschen Volks- gruppe zum dänischen Staat sind neben den ein- gruppe liegt insbesondere im kulturellen und im so- schlägigen Gesetzen die Bonn-Kopenhagener Min- zialen Bereich. Die Hauptorganisation der deut- derheitenerklärungen aus dem Jahre 1955. Danach schen Volksgruppe ist der Bund deutscher Nord- hat die deutsche Volksgruppe heute grundsätzlich

88 die Freiheit, sich kulturell als deutsche Gruppe zu terhin und mit besonderem Nachdruck im Jahre entfalten, was nicht bedeutet, daß alle Probleme ge- 1985, in dem die Bedeutung der Bonn-Kopenhage- löst sind. Hinsichtlich der gesetzlichen und finanziel- ner Minderheitenerklärungen anläßlich ihres dreißig- len Rahmenbedingungen ist ihre volle kulturelle und jährigen Jubiläums seitens der Regierungen beson- soziale Gleichberechtigung aber noch nicht auf al- ders gewürdigt wird, für die finanzielle Gleichbe- len Gebieten erreicht. Das gilt z. B. für den Bücherei- rechtigung einsetzen. sektor, wo es trotz gewisser Fortschritte immer noch Die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig wird in nicht gelungen ist, das deutsche Büchereiwesen ihrem kulturellen und sozialen Wirken dankenswer- gleichberechtigt mit den dänischen Büchereien an terweise ideell und finanziell von der Bundesrepublik der Verteilung der öffentlichen Zuschüsse zu beteili- Deutschland und vom Land Schleswig-Holstein un- gen. Auch gibt es immer noch einige deutsche Kin- terstützt. Dadurch und durch die Aufgabenstellung dergärten, die keinerlei kommunale Förderung erhal- der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig insge- ten, obwohl sie durch jahrelange Arbeit ihre Berech- samt haben sich viele lebendige Kontakte über die tigung nachgewiesen haben. Unbefriedigend ist irn Grenze hinweg entwickelt, so daß die Volksgruppe sozialen Bereich, daß die Kommunen nur in sehr ge- im Rahmen der deutsch-dänischen Beziehungen ringem Umfang bereit sind, soziale Maßnahmen der und im Sinne europäischer Kontakte eine echte deutschen Volksgruppe zu unterstützen. In diesen Brückenfunktion im deutsch-dänischen Grenzland Bereichen wird sich die deutsche Volksgruppe wei- erfüllt.

89 Exkursion Landwirtschaft und Landschaftspflege am 6. Juni 1985 Das Schwerpunktprogramm Stapelholm Ein Entwicklungskonzept {Modellvorhaben) für das Amt Stapelholm, Kreis Schleswig-Flensburg Arnold Gerdes

Das Eider-Sorge-Treene-Gebiet, 60 000 ha groß, ist in der agrarstrukturellen Vorplanung Stapeiholm, gekennzeichnet von der Weite seiner Niederungen Nahbereich , der Landwirtschaftskammer mit ihrem engen Gewässernetz und den von Feld Schleswig-Holstein sowie in den landschaftsökologi- und Wald bedeckten Geestinseln. Die dazwischen schen Empfehlungen für die Entwicklung der Land- eingebetteten Feuchtgebiete geben dieser Land- schaft Stapelholm vom Institut für Wasserwirtschaft schaft ein hohes Maß an Naturhaftigkeit. Sie ist und Landschaftsökologie der Universität Kiel aufge- durch ihre Höhenlage und den mittelbaren Einfluß zeigt. Inzwischen sind vom Landesamt für Natur- von Ebbe und Flut einem erhöhten Naturdruck aus- schutz und Landschaftspflege Schleswig-Holstein gesetzt, der gegenüber Landschaftsteilen mit gün- alle zu diesem Thema aufgestellten Gutachten und stigerer Topographie stets Nutzungs- und Erwerbs- Stellungnahmen zu einem Gesamtkonzept zusam- erschwernisse innerhalb und außerhalb des Agrar- mengefaßt, das als Rahmenpian für den Eider-Tree- bereiches verursacht hat, ne-Sorge-Raum zu gelten hat. Sektoral stellt sich so- Kernzone dieses Niederungsraumes ist das Amt mit die Ausgangslage insgesamt wie folgt dar: Stapelholrn. Es liegt im Südwesten des Kreises -Wegen ungünstiger Vorflutbedingungen und des Schleswig-Flensburg, ist 13000 ha groß und be- sehr engen Gewässernetzes ist das Kerngebiet steht aus den sieben Gemeinden Erfde, Bergenhu- Stapelholm mit einer überdurchschnittlich hohen sen, , , Süderstapel, Tielen Wasserhypothek beiastet. Die Bodengüte eignet und . Zustandsanalysen sowie raumordneri- sich für einen Nutzungswechsel zwecks Einkom- sche Untersuchungen haben ergeben, daß es sich mensverbesserung nicht. hier um ein Gebiet handelt, dessen gesamtwirt- - Eine starke Flurzersplitterung, große Hof-Feld-Ent- schaftliche Anpassungsfähigkeit an die Allgemein- fernung, schlechte Wegeverhältnisse verursachen entwicklung infolge Strukturschwächen und beson- arbeits- und betriebswirtschaftlich erhebliche Er- derer Naturbedingungen sehr gehemmt ist, Die Aus- schwernisse. gangslage wird mit entsprechenden Zielsetzungen - Der Gewinn je AK als Vergleichswert der Arbeits-

Weit geht der Blick ins Land über Wiesen, Weiden, Wasser

90 Produktivität beträgt etwa 25 v. H. weniger als im dern. Zur Koordinierung dieses langfristigen Landesdurchschnitt, das landwirtschaftliche Ar- Schwerpunktprogramms ist ein örtlicher Beirat ge- beitseinkommen liegt weit unter dem außerland- bildet, dem das Amt Stapelholm,die sieben Gemein- wirtschaftlichen. den, die Wasser- und Bodenverbände, die Flurberei- - Über dem Landesdurchschnitt liegt die Abnahme nigungs-Teilnehmergemeinschaften sowie weitere der Bevölkerung und der Arbeitsplätze als Folge öffentliche und private Aufgabenträger angehören. des Strukturwandels in der Landwirtschaft und im Die Durchführung der Maßnahmen erfolgt im Rah- Gewerbe. Die Zahl der Arbeitsstätten sowie der men der bestehenden Verwaltungskompetenzen. Erwerbstätigen ist in den letzten 10 Jahren stark Mit der Prämisse, daß die wirtschaftliche Basis zur rückläufig. Erhaltung der Kultur- und Naturlandschaft im Amt - Trotz der Attraktivität des Naturraumes Stapel- Stapelholm die Landwirtschaft ist, weil ein Verzicht holm sind abgesehen von Bergenhusen (Stor- auf bäuerliche Nutzung negative Folgen für den chendorf), Süderstapel und Bargen (Wasser, Landschaftshaushalt hat, ergeben sich nach Maß- Camping), wesentliche Impulse in Richtung Frem- gabe der agrarstrukturellen und landschaftsökologi- denverkehr und Naherholung nicht zu vermerken. schen Zielvorgaben folgende Planvorstellungen und Die Urlaubsform „Ferien auf dem Lande/Urlaub auf Maßnahmen: dem Bauernhof" hat sich vor allem in den Gemein- den mit überwiegender Agrarfunktion nicht spür- Landwirtschaft bar durchgesetzt. - Im Eider-Sorge-Treene-Gebiet befinden sich über- - Stabilisierung der wasserwirtschaftlichen Verhält- regional wertvolle Naturareale mit unterschiedlich nisse, Verbesserung der Flurverfassung und des landwirtschaftlichem Nutzwert. Der notwendige Wegenetzes durch die Flurbereinigung Schutz dieses intakten Naturraumes mit seinen - Erneuerung und Sanierung der Wohn- und Wirt- wertvollen Tieren und Pflanzen sowie die Verbes- schaftsgebäude, Rationalisierung der Arbeits- serung der Grundlagen für die bäuerlichen Betrie- abläufe sowie Verbesserung des Umweltschutzes be fordern eine großangelegte Landschaftspla- in den landwirtschaftlichen Betrieben nung geradezu heraus. - Ankauf von Flächen zur Aufstockung der Betriebe Aufgrund der besonderen Situation ist mit Entwick- sowie für den Landschaftshaushalt, lungsimpulsen im Kerngebiet Stapelholm von außen nicht zu rechnen. Vielmehr müssen weitgehend die Naturschutz und Landschaftspflege Ansätze genutzt werden, die sich aus dem Raum selbst ergeben. - Festlegung von Kernbereichen des Naturschutzes Die Landesregierung Schleswig-Holstein hat daher in großen Gebieten und von Kleinzonen als ökolo- entschieden, ein integriertes Entwicklungspro- gische Zeilen ohne konkurrierende Nutzung mit gramm Stapelholm auf der Grundlage privater und biotoplenkenden Maßnahmen; Festlegung von kommunaler Initiative mit öffentlichen Mitteln zu för- Randgebieten um die Kernbereiche und ihre Ver-

In Generationen gewach- sene Bausubstanzen müssen gepflegt und bewahrt werden

91 netzung durch Verbindungszonen mit teilweiser Infrastruktur ist die zentrale Ortsentwässerung mit landwirtschaftlicher Pflegenutzung. vollbiologischer Abwasserreinigung, die in Erfde be- - Ausstattung der Niederungsgrünländereien mit ei- reits fertiggestellt ist; sie wird in den übrigen Ge- nem durch eingeschränkte Bodenpflege und Be- meinden des Amtes mit Priorität geplant bzw. durch- weidungsdichte extensiv genutzten Flächennetz geführt, Die Wasserversorgung ist zentral auf Orts- zum Schutz des Wiesenvogelbestandes. bzw. Verbandsebene sichergestellt. - Allen übrigen Flächen bleibt eine uneingeschränk- Für die Landschaftsökologie ist von der unteren te landwirtschaftliche Nutzung erhalten. Landschaftspflegebehörde des Landkreises und dem Amt für Land- und Wasserwirtschaft Flensburg Naherholung und Fremdenverkehr für die Kernbereiche Sorgeschleife (Colsrakmoor}- Tielener Moor ein erstes Naturschutzkonzept aufge- - Schaffung landschaftstypischer Gaststätten mit stellt worden. Dieses ist im Hinblick auf die Einrich- Übernachtungsmöglichkeiten, Ausweitung der Ur- tung eines ca. 500 ha großen Naturschutzgebietes laubsform „Ferien auf dem Land/Urlaub auf dem in der Sorgeschleife entsprechend dem Gesamtkon- Bauernhof", Ausbau vorhandener Ferienhausge- zept des Landesamtes für Naturschutz und Land- biete, Erweiterung der vorhandenen Campingplät- schaftspflege weiterzuentwickeln. Die flächenmäßi- ze (keine Neuausweisungen) und sonstiger Frei- gen Voraussetzungen hierfür werden durch gezielte zeiteinrichtungen, Förderung von Freizeitaktivitä- Ankäufe von selten der Schleswig-Holsteinischen ten und Aktivierung der Fremdenverkehrsvereine Landgesellschaft sowie durch Zusammenlegungen auf Amtsebene. im Rahmen der Flurbereinigung erreicht. Finanziert werden soll der Landerwerb von der Stiftung Natur- Dorfentwicklung und Infrastruktur schutz, die die Flächen zu Eigentum erhält und zur - Erhaltung und Entwicklung ortsbildprägender und Pflegenutzung wieder verpachtet. Die Grundlagen landschaftstypischer Bau- und Siedlungssub- für die Finanzierung hat der Bundesminister für Er- stanz, Ausgestaltung innerörtlicher Verkehrsver- nährung, Landwirtschaft und Forsten geschaffen. hältnisse, von Dorfplätzen, Wanderwegen, Grün- 1984 hat er rd. 1,0 Mio. DM Zuschüsse bewilligt und gestaltung weitere 4,3 Mio. DM in Aussicht gestellt. Für die frei- - Ausbau der dörflichen Infrastruktur als Daseinsvor- willige Hinnahme einer extensivierten Nutzung von sorge und Ansatz für Gewerbeansiedlung sowie Dauergrünlandflächen werden in 1985 erstmals als zur Verbesserung des Erholungswertes des Dor- Extensivierungsförderung Ausgleichszahlungen ge- fes durch zentrale Wasserversorgung, Abwasser- leistet. beseitigung und Straßenbau Eine wichtige flankierende Funktion für das Schwer- - Umsiedlung störender Gewerbebetriebe aus der punktprogramm erfüllen die iandeskuliurellen Maß- engen Ortslage, Ansiedlung kleinerer Gewerbebe- nahmen, die von dem mit GA-* und EAGFL-Mit- triebe mit Bezug zur Landwirtschaft, teln** geförderten Ffurbereinigungsverband Stapel- Zur Realisierung dieses Schwerpunktprograrnmes holrn/, dem Eiderverband und dem Treene- stellt die Landesregierung mit Priorität besondere hauptverband durchgeführt werden. Hierzu gehören Haushaltsmittel zur Verfügung und gewährt bei der ländliche Wegebau, Maßnahmen zur Sicherstel- Maßnahmen, die mit speziellen Landesmitteln fi- lung eines optimalen Wasserhaushaltes, die Flur- nanziert werden, günstigere Konditionen, und neuordnung für die Landwirtschaft und Land- zwar für schaftspflege sowie die Mitwirkung bei der Dorfer- Ausgleichszahlungen für die Einschränkung der neuerung. Grünlandnutzung, die zentrale Abwasserbesei- Mit der besonderen Finanzierung zur Erhöhung der tigung, die Dorferneuerung, die landwirtschaftli- Lagerkapazität für Gülle wird diese Aufgabe des che Umweltschutzförderung, bauliche Maßnah- Umweltschutzes für die Landwirte erleichtert und men für die Tierhaltung, Aufstockung durch vor allem beschleunigt durchgeführt. Desgleichen Landzukauf, Ferien auf dem Lande/Urlaub auf wird die verbesserte Förderung für die Landaufstok- dem Bauernhof. kung sich positiv für Landwirtschaft und Natur- In allen sieben Gemeinden ist die Dorferneuerung im schutz auswirken, wenn die von der Schleswig-Hol- vollen Gange. Sie wird von der Schleswig-Holsteini- steinischen Landgesellschaft hierfür erworbenen schen Landgesellschaft betreut. Die Einzelvorhaben Flächen zur Verwertung gelangen. gemeinschaftlicher und privater Art dienen dabei Mit dieser abschließenden Sachstandsdarstellung insbesondere der Erhaltung und Gestaltung des kann das Schwerpunktprograrmm eine positive Bi- Dorfbildes. Im Förderungsprogramm „Ferien auf lanz vorweisen. Möge dies so bleiben, denn Stapel- dem Lande" wird auch in den mehr bäuerlichen Ge- holm soll leben! meinden der Bau von Ferienwohnungen gut ange- *GA = Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrar- nommen. Für die Gewerbeansiedlung kommt in er- struktur und des Küstenschutzes" ster Linie der ländliche Zentralort Erfde in Betracht. **EAGFL = Europäischer Ausrichtungs- und Garantie- Wichtige Voraussetzung für die Verbesserung der fonds Landwirtschaft

92 Amt Stapelholm, Kreis Schleswig-Flensburg

Zone l (Hochmoor- Bult- Schlenken-Wachstum) Zone II (Hochmoor: Heidekraut- Stadium) Zone III (Niedermoor) Zone IV {Wiesenvogelschutz) Gemeinden mit Dorferneuerungs- maßnahmen

93 Dorferneuerung in Stapelholm Bernd Hexels

Die Landschaft Stapelholm ist auch heute noch der Grundlage des derzeitigen Planungsstandes zu deutlich geprägt durch ihre eiszeitliche Entste- gewinnen. hungsgeschichte. Aus den teilweise unter dem Mee- resspiegel liegenden moorigen Talflächen ragen Alt- Erfde moränen als Inseln, die sogenannten Holme, empor. Der Nanne Stapelholm für die langgestreckte nördli- Erfde mit den Ortsteilen Bargen und Scheppern war che Geestinsel ist auf die ganze Landschaft zwi- ursprünglich ein kleines Haufendorf auf einer Geest- schen Treene, Sorge und Eider übertragen worden. insel im Herzen der Landschaft Stapelholm. Es hat Während die Holme seit vorgeschichtlicher Zeit kul- sich im Laufe der Jahrhunderte von einem Kirchdorf tiviert und besiedelt sind - alle Dörfer liegen auf ei- zu dem ländlichen Zentralort des Amtsbezirkes Sta- nem Holm -, konnten die Sumpfniederungen nur ge- pelholm entwickelt und ist mit den entsprechenden legentlich durch Fischerei, Torf- und Reetgewin- infrastrukturellen Einrichtungen, z. B. Grund-, Haupt- nung extensiv genutzt werden. Erst durch umfang- und Realschule, Schwimmbad, Kindergarten, Apo- reiche Entwässerungsmaßnahmen, die schon im 15. theke, ärztlicher Versorgung usw. ausgestattet. Die Jahrhundert im Zusammenhang mit Eindeichungen alte Dorflage wie auch die neuen Baugebiete sind von Talflächen begannen, konnten die niedrig gele- durch landschaftstypische Knicks in die weiträumi- genen Flächen weitgehend einer landwirtschaftli- ge Landschaft eingebunden. chen Nutzung zugeführt werden, Erfde hat 1893 Einwohner. Die Bevölkerungszahl ist Der Name der Landschaft Stapelholm ist zugleich leicht rückläufig. Die künftige Entwicklung der Ge- der Name des Amtsbezirkes der Gemeinden Ber- meinde wird auch weiterhin in starkem Maße durch genhusen, Erfde, Norderstapel, Meggerdorf, Süder- die Landwirtschaft bestimmt sein. stapel, Tielen und Wohlde. Erfde ist der ländliche Das Dorf wird zunehmend durch städtische Gestal- Zentralort, zu dessen Nahbereich die übrigen Ge- tungsformen und großzügige Infrastrukturmaßnah- meinden gehören. men (Straßenbau) geprägt. Hier bietet sich im Rah- Die Landschaft Stapelholm, die zum Naturraum der men der Dorferneuerung die Chance, das Ortsbild Eider-Treene-Sorge-Niederung gehört, ist heute we- ganz entscheidend zu verbessern sentlich durch die Landwirtschaft geprägt. Sie hat Die bauliche Entwicklung erfolgt in geordneten Bah- unter dem Gesichtspunkt des Naturschutzes beson- nen. Der Bedarf an Bauland wird durch Bebauungs- ders im Bereich der „Alten Sorge" einen hohen Stel- pläne gedeckt, zumal Erfde als Wohnstandort, be- lenwert. Daneben kommt dem Fremdenverkehr gro- dingt durch die relativ große Entfernung zu städti- ße Bedeutung zu. Über das sogenannte Stapel- schen Mittelzentren, benachteiligt ist. holmprogramm wird an anderer Stelle in diesem Heft Im Rahmen der Dorferneuerung ist neben zahlrei- berichtet. chen Privatmaßnahmen, die vor allem die ortsbild- prägenden Gebäude betreffen, als besondere öf- Im Jahre 1983 beschlossen die sieben Gemeinden des Amtes Stapelholm, die SchleswigHolsteinische Landgesellschaft mbH, Kiel, mit der Planung und Betreuung der Dorferneuerung zu beauftragen. Die ersten öffentlichen Bürgerversammlungen, in denen über Zweck und Ziel der Dorferneuerung ausführlich informiert wurde, fanden unter zahlreicher und leb- hafter Beteiligung der Bürger Anfang 1984 statt, Den Bürgerversarnmlungen waren Vorausinforma- tionen durch Postwurfsendungen und Veröffentli- chungen in der Tagespresse vorausgegangen. Seit- her wird gemeinsam mit den von den Bürgern gebil- deten Arbeitskreisen und den politischen Gremien der Gemeinden an der Aufstellung der Dorferneue- rungspläne gearbeitet. Die nachstehenden Ausführungen sollen dazu die- nen, einen kurzen Überblick über die Gemeinden auf Dorfstraße in Erfde

94 fentliche Maßnahme die Gestaltung eines zentralen Meggerdorf Dorfplatzes anzusehen. Ferner wird im Rahmen der Flurbereinigung eine umfangreiche Begrünung des Meggerdorf war ursprünglich ein kleines Haufen- Ortes durchgeführt werden. Kleinere bauliche Er- dorf, das sich in den letzten Jahrzehnten zu einem schließungsmaßnahmen zur Verbesserung der in- einseitig angebauten Straßendorf erweitert hat. Es nerörtlichen Verkehrsverhältnisse, Gestaltungsmaß- hat zur Zeit 740 Einwohner. Mit einer Zunahme der nahmen am Ehrenmal sowie die Aufsteilung dorfge- Einwohnerzahl ist in nächster Zeit kaum zu rechnen. rechter Leuchten sind weiter beabsichtigt. Das Gemeindegebiet ist besonders durch die beab- sichtigte Unterschutzstellung großer Moor- und Feuchtgebiete bekannt geworden. Bergenhusen Problematisch ist die weitere Entwicklung der land- Das Dorf Bergenhusen liegt auf einer hohen, langge- wirtschaftlichen Betriebe innerhalb der Ortslage. Die streckten Erhebung. Durch neuere Ansiedlungen beengten räumlichen Verhältnisse erlauben eine entlang den Straßen nach Norden und Westen hat Ausweitung von Hofflächen oder sonstige bauliche das Dorf seine alte kompakte Form verloren. Es hat Erweiterungen gar nicht oder nur in beschränktem zur Zeit 683 Einwohner. Mit wesentlichen Zuwäch- Umfang. Hier wird nur eine Aussiedlung einzelner sen ist nicht zu rechnen. Betriebe die Situation verbessern. Ein weiterer Problempunkt ist ein inmitten der Ortsla- ge vorhandener Baubetrieb mit Baustoffhandlung. Durch die Dezentralisierung einzelner Geschäftstei- le beeinflußt dieses Gewerbeunternehmen den ge- samten inneren Dorfbereich und insbesondere die innerörtlichen Verkehrsverhältnisse. Die im Rahmen der Dorferneuerung beabsichtigte einvernehmliche Verlagerung dieses Betriebes an den Ortsrand ist bedauerlicherweise gescheitert, da die Kosten auch mit Hilfe der bestehenden Förderungsmöglichkeiten nicht zu finanzieren waren.

MW~i^a" •)fc^..j_12*, mT , . Altes Pastorat in Bergenhusen . .

Bergenhusen ist als das „Storchendorf weit über die Grenzen Schleswig-Holsteins bekannt, Daher hat die Gemeinde in jedem Jahr einen großen Zu- strom von Tagestouristen, womit zwangsläufig Ver- kehrsprobleme verbunden sind. Im Rahmen der Dor- ferneuerung geht es neben der Erhaltung der vor- handenen ortsbildprägenden Gebäude vor allen Dingen darum, den zentralen Bereich um die Kirche neu zu ordnen, optisch zusammenzufassen und das im Sommer bestehende Verkehrsproblem unter Be- rücksichtigung der Belange der im Ort ansässigen Landwirte zu lösen. Dazu gehören vor allem - Plätze neu zu gestalten - Parkplätze für Busse und Pkw anzulegen - die Situation für die Fußgänger zu verbessern - Bäume anzupflanzen. Zusätzlich ist der Ausbau der Fußwege geplant. Eine neue Bushaltestelle an der Schule, die durch- greifende Sanierung von Grünbereichen und Neuan- pflanzungen im Bereich der Dorfstraße sowie die Er- richtung einer Badestelle im Bereich der „Alten Sor- ge" runden das Programm ab. Gut Johannisberg in Meggerdorf

95 Im Rahmen der Dorferneuerung geht es vor allen kann. Vorgesehen sind insgesamt 14 öffentliche Dingen darum, das innerörtliche Verkehrsproblem Maßnahmen, u.a. werden die Badestelle hergericrv zu lösen und das geschlossene Raumbild im Be- tet, ein Dorfplatz angelegt und Fußwege ausgebaut. reich Süderende, das durch die nahe an der Straße Ferner sind elf private Maßnahmen geplant, die stehenden Gebäude gebildet wird, zu erhalten. überwiegend die Gestaltung ortsbildprägender Ge- Auch die charakteristische alte Dorfsituation im Stra- bäude zum Gegenstand haben. Für den Fremden- ßenzug Westerende, die durch die alten reetge- verkehr hat die Badestelle besondere Bedeutung. deckten Gebäude, das Großgrün, die Vorgärten mit ihren Einfriedigungen und den gewundenen Stra- Wohlde ßenverlauf geprägt wird, soll für das Dorfbild erhal- ten bleiben. Zu den durchgeführten Maßnahmen der Das Dorf erstreckt sich im wesentlichen entlang der Dorferneuerung gehören der Bau von Fußwegen, L 39 in der Niederung sowie entlang einem Parallel- die Ortsrandbegrünung, die Baumsanierung im Be- weges auf dem Höhenrücken, Die Gemeinde hat reich des Gutes Johannisberg, Gestaltungsmaßnah- 543 Einwohner. Die Bevölkerungszahl stagniert be- men an der Badestelle sowie eine Vielzahl privater reits seit mehreren Jahren. Vorhaben.

Tielen Tielen stellt sich als typisches Straßendorf dar. An der landwirtschaftlichen Struktur des Dorfes hat sich bis heute nichts geändert. Viele der alten Gebäude sind heute nicht mehr vorhanden oder in den letzten Jahren in starkem Maße umgebaut worden. Tielen hat zur Zeit 312 Einwohner.

Altes Bauernhaus in Wohlde

Die Struktur des Dorfes wird vor allem durch die Landwirtschaft bestimmt. Hierauf ist bei der künfti- gen baulichen Entwicklung, die sich ausschließlich am örtlichen Bedarf ausrichten wird, Rücksicht zu Dorfstraße - Niedere Reihe - in Tielen nehmen. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Dorferneuerung sind die vielen privaten Maßnahmen an den Gebäu- Die Dorferneuerung will die noch vorhandene orts- den, die das Ortsbild prägen. Außerdem müssen die bildprägende Bausubstanz verbessern sowie die dörflichen Schwerpunkte, wie Einkaufsmögiichkei- Gesamtstruktur erhalten und aufwerten. Neuent- ten, Gastwirtschaft, Sportanlagen, Alt- und Neube- wicklungen, wie Straßenbau und Neubauten, sollen bauung durch neue bzw, verbesserte Fußwege mit- unter Berücksichtigung des Ortscharakters und der einander verbunden werden. Im Rahmen der öffentli- Belange der Landwirtschaft behutsam weitergeführt chen Maßnahmen soll u.a. ein Biotop angelegt wer- werden. Zusätzlich soll der Fremdenverkehr an Be- den. Neu zu pflanzende Bäume werden im Bereich deutung gewinnen. Die Anlage neuer und die Ge- der ausgebauten L 39 wieder das ehemals vorhan- staltung vorhandener Fußwege werden, verstärkt dene Grün in das Dorf zurückbringen. durch neue Grünanpflanzungen, wesentlich dazu beitragen. Die geplante farbliche Gestaltung der Süderstapel Fußwege wird den Zusammenhang zwischen den einzelnen Dorfbereichen wieder herstellen. Süderstapel, seit Urzeiten besiedelt und urkundlich Der Dorferneuerungsplan für die Gemeinde Tielen erstmals um 1200 erwähnt, war lange Zeit der ist aufgestellt und genehmigt, so daß mit der Aus- Hauptort der Landschaft Stapelholm mit Sitz der führung bereits irn Jahre 1985 begonnen werden Landvogtei. Das Haufendorf mit seiner Lage am

96 schaft deutlich bestimmt, obwohl zahlreiche land- wirtschaftliche Gebäude (Reetdachgebäude) nur noch zu Wohnzwecken, z.T. als Zweitwohnsitz, ge- nutzt werden. Der „Dorfplatz" des Ortes liegt außer- halb des Dorfes am Twieberg. In der Dorferneuerung ist eine Vielzal von privaten Maßnahmen, vor allem an ortsbildprägenden Ge- bäuden, vorgesehen. Im öffentlichen Bereich be- steht der Wunsch nach einer gestalteten Dorfrnitte. Ein Teich mit einer Grünanlage wurde bereits herge- richtet. Weitere kleinere bauliche Erschließungs- maßnahmen und eine dorfgerechte Beleuchtung sind beabsichtigt. Eine dorfumfassende Baum- und Bootssteg in Süderstapel Grünpflanzaktion ist bereits abgeschlossen. Vorge- sehen ist, die Dach- und Drempelverkleidungen aus Blech an den zahlreich vorhandenen landwirtschaft- lichen Gebäuden farbig zu streichen. Südhang eines Holmes, direkt an der Eiderschleife, hat neben seinem landwirtschaftlichen Ursprung als „Luttkurort" eine lange Fremdenverkehrstradition. Die Bevölkerungszahl liegt bei 1051 mit stagnieren- der Tendenz. Das Dorf wird auch heute noch deutlich durch die Landwirtschaft geprägt. Die Erholungsfunktion des Luftkurortes macht sich jedoch mehr und mehr be- merkbar {Parkanlage, Badestrand, Yachthafen, Trimm-dich-Pfad usw.). Die weitere bauliche Entwicklung des Dorfes voll- zieht sich langsam. Besondere Aufmerksamkeit ist dem „Jungen Wohnen in alten Häusern" zu widmen. Die Nutzung alter Reetdachkaten als Ferienwohnun- gen oder Zweitwohnsitze durch Auswärtige stellt oft die einzige Möglichkeit für ihren Erhalt dar. Beson- ders wichtig ist es, bei dem geplanten Ausbau die K 6 zu gestalten. In der Dorferneuerung sind viele private Maßnahmen vorgesehen, die vor allem die Gestaltung und Erhal- tung ortsbildprägender Gebäude beinhalten. Im Behmer Kate in Norderstape! Rahmen der öffentlichen Maßnahmen sollen der vor- handene Baumbestand saniert und eine Neubegrü- nung vorgenommen werden. Die Gestaltung des Marktplatzes wie auch anderer kleinerer dorftypi- Um die Entwicklungsziele des an anderer Stelle ge- scher Plätze und Grünanlagen soll im Zusammen- nannten Stapelholmprogramms zu erreichen, sind hang mit kleineren baulichen Erschließungsmaßnah- viele Maßnahmen aufeinander abzustimmen. Insbe- men die öffentlichen Bereiche und die Verkehrsver- sondere ist die Infrastruktur landschaftsgerecht zu hältnisse deutlich verbessern. verbessern; dabei haben wir die landschaftliche und landwirtschaftliche Entwicklung zu berücksichtigen. Eine sehr wesentliche Maßnahme, um Dorf und Norderstapel Landschaft zu sichern, zu erhalten und zu gestalten, Die Gemeinde liegt auf einem flachen Höhenzug der ist neben der Flurbereinigung die Dorferneuerung, alten Geest. Die relativ geschlossene alte Ortslage „mit einer" wie es im Stapelholmprogramm heißt bestimmt auch heute noch deutlich das Dorfbild. Die „dorfgerechten Infrastruktur in allen Gemeinden, mit bauliche Entwicklung des Ortes vollzieht sich in ge- Schwerpunkt auf Erhaltung landschaftstypischer ordneter Form in Richtung auf den Nachbarort Sü- Bausubstanz und Belebung örtlicher Initiativen, z. B. derstapel entlang der KG, die in den kommenden zur Verschönerung des Ortsbildes". Nach dem der- Jahren ausgebaut werden soll. zeitigen Stand der Planung werden die geschilder- Norderstapel hat zur Zeit 734 Einwohner. Diese Zahl ten Dorferneuerungen diesem hohen Anspruch ge- blieb in den vergangenen Jahren relativ konstant. recht werden. Die Struktur des Dorfes wird durch die Landwirt-

97 Küstenschutzmaßnahmen in der Nordstrander Bucht Friedrich Heddies Andresen

Landschaftsentwicklung worm von zwei bis drei Meier auf 20 bis 25 Meter vertieft und von einigen 100 Metern auf mehrere Ki- Die Küstenschutzmaßnahmen in der Nordstrander lometer verbreitert, Die „Strandley" nordwestlich der Bucht müssen im Zusammenhang gesehen werden Hamburger Hallig hat sich seit 1909 von zwei auf mit der Landschaftsentwicklung im Nordfriesischen zwölf Meter vertieft. Seit dem 17. Jahrhundert haben Wattenmeer, die durch die gestaltenden und zerstö- sich die Halligflächen von 10 000 ha auf 2200 ha ver- renden Kräfte der Nordsee geprägt ist. ringert. In den Sturmflutserien vom Ende des 14. bis zum 17. Jahrhundert gingen bereits überwiegende Teile der bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts bedeichten mit- Flächenhafter Küstenschutz telalterlichen Siedlungsflächen verloren. Nach gutachterlicher Aussage des Franzius-lnstitu- Die Entwicklung Nordfrieslands unterscheidet sich tes werden ohne Gegenmaßnahmen in Zukunft rund dadurch von der anderer Marschenlandschaften an der Nordseeküste. Dort konnte der mittelalterliche Siedlungsraum überwiegend gehalten oder wieder- Küstenschutz bedeicht werden. Die Niederländer haben darüber Nordstrander hinaus in den letzten 50 Jahren durch Großbedei- chungen (Zuidersee, Delta, Lauwersee u. a.) mehr Bucht als zwei Drittel ihrer Wattenflächen besiedelt Das heutige Wattenmeer vor der schleswig-holstei- nischen Westküste bildet zusammen mit den Außen- sänden eine mehrfach gestaffelte Verteidigungszo- ne für die Landesschutzdeiche. Auch wenn die Au- N ßensände einen großen Teil der von See her anlau- fenden Wellen auffangen, so sind die dahinterlie- genden Wattenflächen bei Sturmfluten dennoch ei- nem nicht unbeträchtlichen Brandungsangriff aus- gesetzt. Hierzu kommen die täglich auftretenden Ti- deströmungen, die in den Wattenströmen und -rinnen sowie über die Wattensockel ständig Mate- rial hin und herbewegen. Bei den Fließvorgängen bewegt sich das Wasser nicht nur in den Wattenströmen ein und aus. Viel- mehr läuft ein Teil des bei Flut in die jeweiligen Tide- becken einströmenden Wassers über die Wattwas- serscheide nach Norden in den benachbarten Wat- tenstrom und in diesem wieder in die freie Nordsee hinaus. Auf diese Weise werden der Wattensockel von Pellworm und Hooge, aber auch andere, wie z. B. der von Föhr/Amrum auf östlicher Seite, ost- wärts umströmt mit der Folge, daß sich Verbin- dungsrinnen in das zwischen den Tidebecken lie- gende Watt eingraben und dieses auch flächenhaft abgetragen wird, Hinzu kommt, daß einige Wattenströme, insbeson- dere die Norderhever mit ihren Nebenarmen, sich ständig verbreitern und vertiefen, weil die Watten- stromquerschnitte im Verhältnis zum zugehörigen Flutraum zu klein sind. Auf diese Weise werden die Wattensockel zusätzlich gefährdet. Seit der zweiten „Manndränke" von 1634 hat sich die Norderhever bis heute zwischen Südfall und Pell-

98 100 Mio. m3 Boden allein im Einzugsgebiet der Nor- - Für den Ockholmer Koog und die Hattstedter- derhever ausgeräumt. Aufgabe der in der Nord- marsch sowie für den Morsum- und PohnshalJig- strander Bucht geplanten Maßnahmen des flächen- koog auf Nordstrand werden zweite Deichlinien haften Küstenschutzes ist es, dieser Entwicklung geschaffen entgegenzuwirken, um die Wattenflächen als Fun- - Die enge trichterförmige Bucht nördlich des Nord- dament für die Inseln und Halligen und als Schutzzo- strander Dammes wird beseitigt ne für die Festlandmarschen zu erhalten. - Die erforderliche Flutraumverkleinerung im Be- Der Sicherungsdamm vom Festland nach Peltworm reich des Butterloches wird durch verstärkte Vor- soll die beschriebene schädliche Umströmung des landarbeiten erreicht Pellwormer Wattensockels unterbinden. Die Vordei- - Die dauerhafte Hochwasser-Entlastung in den Ein- chung wird den Flutraum der Norderhever und ihrer zugsgebieten von Arlau, Jelstrom und Sönke-Nis- östlichen Nebenrinnen so weit verkleinern, daß die sen-Koog-Schleuse wird sichergestellt. fortschreitende Rinnen- und Flächenerosion ge- stoppt wird. Ausgleichsmaßnahmen Ohne diese beiden Maßnahmen würden - abgese- hen von den Nachteilen für den Küstenschutz - auf Auch die jetzt geplante „Kleine Lösung" bedeutet ei- lange Sicht wesentlich mehr ökologisch wertvolle nen Eingriff in die Wattenlandschaft. Dafür werden Wattflächen verlorengehen als durch die Eindei- jedoch Ausgleichsmaßnahmen geschaffen. Mit die- chung dem Tideeinfluß entzogen werden, Diese sen Ausgleichsmaßnahmen werden auf den einge- Maßnahmen dienen somit nicht nur der Sicherheit deichten Flächen zwar nicht die gleichen ökologi- der auf den Halligen, Inseln und Festlandmarschen schen Verhältnisse wie bisher wiederhergestellt, wohnenden Menschen, sondern zugleich dem Er- aber es werden außendeichs Salzwiesen und halt des Naturraumes Schiickwatten mit Hilfe des gleichen Verfahrens und in gleicher Qualität wiedergewonnen, wie es mit den Abwägung Küstenschutz - Naturschutz entsprechenden eingedeichten Flächen geschehen ist. Der Generalplan Küstenschutz Schleswig-Holstein Im eingedeichten Gebiet werden umfangreiche sah eine Vordeichung von Nordstrand bis zum Hau- Grünland- und Feuchtareale entwickelt, die ein zu- ke-Haien-Koog vor. Sie wurde nach gründlicher Ab- sätzliches Angebot von Rast- und Brutflächen für wägung zwischen den Belangen des Küstenschut- viele Seevogelarten bedeuten. Eine Fläche von rd. zes und des Naturschutzes auf die sogenannte Klei- 900 ha wird als Salzwasserbiotop erhalten, das ins- ne Lösung reduziert. Danach ist nur ein Vordeich besondere die Zeit bis zur Gewinnung neuer Salz- von Nordstrand bis zum Südende des Sönke-Nis- wiesen außendeichs überbrücken soll. sen-Kooges vorgesehen, wodurch die Vordei- chungsfläche von 5600 ha auf 3400 ha verkleinert wird. Die durch die geplante Bedeichung eintreten- Stand und Ausblick den Veränderungen des Ökosystems werden durch Nach sorgfältiger Abwägung aller Argumente und die positive Wirkung des Sicherungsdammes und unter Berücksichtigung der speziell für dieses Pro- der Vordeichung (Auflandungen) in den nächsten jekt in Auftrag gegebenen ökologischen und techni- Jahrzehnten ausgeglichen werden. schen Gutachten hat das Landwirtschaftsrniniste- rium am 5. 4. 1982 den Plan mit einer Anordnung Deichbaumaßnahmen des teilweisen Sofort-Vollzugs festgestellt. Die Landesregierung hat nach sorgfältiger Abwä- Beim Verwaltungsgericht Schleswig wurden mehre- gung aller maßgebenden Belange folgende Maß- re Anträge auf Aufhebung des Sofortvollzugs ge- nahmen beschlossen: stellt. Das Gericht gab einem dieser Anträge zu- - Vordeichung Ockholmer Koog nächst statt, so daß die Baustelle im Frühjahr 1983 - Deichverstärkung Sönke-Nissen-Koog stillgelegt werden mußte. Das Oberverwaltungsge- - Vordeichung Hattstedtermarsch richt Lüneburg hob diese Entscheidung jedoch als- - Sicherungsdamrn Festland - Insel Pellworm bald wieder auf, so daß schon nach vier Wochen Die Maßnahmen ergänzen sich in ihrer Wirkung. Mit weitergebaut werden konnte. ihnen werden folgende Ziele gleichzeitig erreicht: Das Verwaltungsgericht Schleswig hat dann in kur- - Die östliche Umströmung Pellworms aus der Nor- zer Zeit auch alle Klagen in der Hauptsache abge- derhever in die Süderaue und der damit verbunde- wiesen. ne Wattabtrag werden aufgehalten Nach fünf Jahren Bauzeit wird die Vordeichung Hatt- - Der Flutraum der Norderhever und der Holmer stedtermarsch 1987 mit einem Bauvolumen von rd. Fähre wird eingegrenzt und verringert, so daß die 115 Millionen DM abgeschlossen sein. Dann ist die Priele sich zurückbilden heute hinter rd. 17 km Landesschutzdeichen leben- - Die Deichverteidigungslinie wird um rd. 47 Prozent de Bevölkerung in der Hattstedtermarsch, im Ceci- verkürzt lienkoog und auf Nordstrand durch das System ei-

99 nerzweiten Deichlinie optimal vor den Gefahren der dem rd. 15 km langen Sicherungsdamm vom Fest- Sturmfluten geschützt. land zur Insel Pellworm werden die Küstenschutz- An die Vordeichung Hattstedtermarsch schließen maßnahmen in der Nordstrander Bucht Anfang der sich die Deichverstärkung vor dem Sönke-Nissen- 90er Jahre beendet. Die Gesamtkosten einschließ- Koog auf einer Länge von rd. 6,9 km und die 3,3 km lieh Pellwormer Damm werden auf rd. 260 Millionen lange Vordeichung vor dem Ockholmer Koog an. Mit DM veranschlagt.

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