E davon 1 E DIE ERSTE ÖSTERREICHISCHE BOULEVARDZEITUNG für den/die 2Verkäufer/in Bitte kaufen Sie nur bei AUGUSTIN- KolporteurInnen, die sichtbar ihren Ausweis tragen!

www.augustin.or.at NUMMER 205 20.6. –3.7.07

AUF TV-KANAL OKTO

BEIGELEGT: Fachliche Standards in der Sozialarbeit gestern • heute • morgen AUFTAKT 2 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 INHALT

Kick-Tipp 22

Coaching-Zone 23 Herausgeber und Medieninhaber: Wiener Ausfahrten 74 Verein Sand & Zeit. Herausgabe und Vertrieb der Straßen-Zeitung AUGUSTIN. Rapid Wien, der FC Wien-Nord und Vereinssitz: 1050 Wien, Schloßgasse 6–8 die Götterdämmerung 24 Vaheh Abram Internet: http://www.augustin.or.at »Seelischer Druck« 21 updating: Gabi Lempradl

Organisation (Vertrieb/ Kolporteure/ Vereinsangelegenheiten) ART.IST.IN Team: Mehmet Emir, Andreas Hennefeld, Riki Parzer, Eva Rohrmoser MAGAZIN 26, 27 1050 Wien, Schloßgasse 6-8 Tausendsassa Schwingenschlögel Tel.: (01) 54 55 133 Fax: (01) 54 55 133-33 Coverfoto von Mario Lang: Die Küche des Hauses Crossover-Machatschek 28 [email protected] St. Josef in der Lacknergasse bekommt von Au- Literaturwissenschaftler zu Magdalena Steiners Musil-Comic Redaktion gustin-VerkäuferInnen nur Bestnoten (Abos/ Schreibwerkstatt/Öffentlichkeitsarbeit): Seite 11 Kakanische Hundeschnauzenhände 29 1040 Wien, Mostgasse 7/3 Theatermacher Arian Berg: Tel.: (01) 587 87 90 Fax: (01) 587 87 90 – 33 »SAND & ZEIT«-TAGEBUCH 3 »Was ich erträumte fand statt« 30 [email protected] Musikarbeiter unterwegs mit Rewolfinger FANPOST 4 Redaktionsteam: Ein Herz kennt keine Ironie 32 Karl Berger, Robert Sommer (DW: 11) (Koordination und Gustl 4 Gestaltung); Mehmet Emir, Andreas Hennefeld, Mario Lang (DW: 13), Erika Parzer, Claudia Poppe, Eva Rohrmoser, Rein- HEROES hold Schachner (DW: 12), Christina Steinle, Angela Traußnig Monika Haider LITERATUR-WERKSTATT (DW: 10), Aurelia Wusch Der Hype der Gebärden 6 Anni Nym: MitarbeiterInnen: Ein Hilferuf 33 Illustrationen: Anton Blitzstein, Thomas Kriebaum, Carla Müller, OttaGringo, Richard Schuberth, Magdalena Steiner. TUN & LASSEN Nwokocha Philips: Fotos: Magdalena Blaszczuk, Margarete Neundlinger, Klaus Mein größter Gegner – bin ich Hammer, Florian Müller, Christoph Witoszynskyi. Texte: Abgeordnete des Wiener Landtags, Anni N., Paul Ferstl, Magazin 8, 9 selbst 34 Gottfried, Gerald Grassl, Heidemarie Grübler, Traude Hlavati, Minister will keine binationalen Ehen OttaGringo 35 Kerstin Kellermann, Rainer Krispel, Luvi, Caroline Manahl, Uwe Mauch, Florin Mittermayr, Florian Müller, Christa Neu- Weiter in der Warteschleife der Raucher: bauer, Helmut Neundlinger, Philips Nwokocha, Lydia Rabl, zu Beruf« 10 Schuld und Sühne 36 Martin Schenk, Dora Schimanko, Christine Werner. Kreuz- worträtsel: Eva Wagner. Texterfassung: Luvi. Lektorat: Ri- Fünfmal in der Woche gibt es ein Mittagessen Stammtisch-Korrespondentin: chard Schuberth. zum Kleinstpreis Unsere Lieblingshelden: Edi kocht 11 Nie ohne Rauch 37 StrawanzerIn: Gerichtssaal-ReporterInnen im Blitzsteins Donnergrollen 37 E-Mail: [email protected] Dauer-Dilemma Gnade den Tätern 12 Werkstatt-Info: Radio Augustin Mit dem Kuli gemeißelt 38 Verantwortlich: Aurelia Wusch Die Arbeitslosenpolizei (3) 1040 Wien, Mostgasse 7/3 Die Fleißigen stehen früher auf 14 Gottfried: Tel.: (01) 587 87 90 – 14 Tagebuch eines [email protected] Bettelei in den Landtagsprotokollen Augustin-Verkäufers 39 »Betteln ist kein soziales Problem« 16 TV Augustin Magdalena Steiner: Verantwortlich: Christina Steinle Mehmet Emirs Briefe an den Vater Der Mann ohne Eigenschaften 40 1040 Wien, Mostgasse 7/3 Irgendwann haben wir den Faden Tel.: (01) 587 87 90 – 15 zum Glück verloren 18 [email protected] Inserate (KEINE Kleinanzeigen! Für Gratis-Wort- anzeigen siehe Hinweis auf Seite 20): Gerda Kolb KRAUT & RÜBEN Tel.: 0 699 19 42 15 92 E-Mail: [email protected] Kreuz & Wort 19 Druck: Marktplatz 20 Herold Druck- und Verlagsgesellschaft Astroshow, Sparküche 21 1032 Wien, Faradaygasse 6 Verlagsort: Wien

StrawanzerIn, die Information: Wien-Programmbeilage zum AUGUSTIN erscheint jeden 2. Mittwoch Herausnehmen. Auflage dieser Nummer: 38.000 Mitglied des International Network of Street Papers VORSTADT AUGUSTIN erhält keinerlei Subventionen David Forster: Ein unbequemer Fußballhistoriker Der Durch-Forster 22 PSK, Blz 60.000, Nr. 92 051 517 Bawag, Blz 14.000, Nr. 05 010 666 211 SAND & ZEIT NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 3

Elisabeth Becker, die Obdachlosendentistin, ist tot Sie nahm kein Geld. Sie nahm die Angst

m Augustin-ABC (siehe neue IWebsite) gibt es zum Buchstaben »Z« nur ein Stichwort: »Zähne«. Der Text dazu lautet: TAGEBUCH Oben einer, unten einer, ganz hin- ten ein paar Versprengte – im Gro- ßen und Ganzen fährt die Zahnbürs- kaum Chancen auf einen Zahnersatz te ins Leere. So sieht der dentale gehabt – denn eine Totalprothese Status quo von vielen Straßenmen- kostet rund 1500 Euro. Wo nimmt schen aus. Selbst wenn sie kranken- jemand, der unter dem Existenzmi- versichert sind, trauen sie sich nicht nimum lebt, so viel Geld her, fragte zum Zahnarzt. In dieser Situation Becker unentwegt. Dank einer Den- trat Dentistin Elisabeth Becker in Er- talfirma, die in diesen Fällen die scheinung. Sie schenkte ungezähl- Zähne kostenlos zur Verfügung stell- R I M

ten AugustinverkäuferInnen ein E te, konnte die Dentistin die Prothe- . M neues Lächeln. Sie wird weiter ver- sen ohne Kosten für den Patienten : O T

suchen, einen Teufelskreislauf zu O anfertigen. »Die Becker«, Trümmer- brechen: Straßenleben führt zu F frau der Zahnruinenstadt, war zu ei- Beckers Tod schockt: Niemand half wie sie Zahnruinen. Zahnruinen missfallen ner Institution der Wiener Woh- Personalchefs und Wohnungsmak- sen, die sie dort, wo sie sich aufhal- ihnen die Angst vor dem Bohrer zu nungslosenhilfe geworden. Wer tritt lern. Kein Job, keine Wohnung – ten, besuchte. »Obdachlosen-Zahn- nehmen. an ihre Stelle? Straßenleben … fee« nannte sie der ORF, zur »Wie- Elisabeth Becker verknüpfte ihre Die VerkäuferInnen des Augustin Eine bittere Korrektur dieser Ein- nerin des Monats« hatte sie kürz- karitative Tätigkeit stets mit politi- verloren nicht nur ihre Zahnbehand- tragung ist nun notwendig gewor- lich die Wiener Zeitung erklärt. schem Lobbying für die Ausgegrenz- lerin. Elisabeth Becker war in die den. Die »Liesl« kann nicht mehr Für viele KlientInnen war die ten. Oft benutzte sie dafür den Au- Augustinwelt hineingewachsen. Sie versuchen, den Teufelskreislauf zu Fahrt zur Zahnreparatur, die Fahrt gustin als Sprachrohr. »Es wäre ganz ließ kaum ein Augustinfest aus, und brechen. Elisabeth Becker, 78, ist zur »Liesl«, die erste Reise nach wichtig, wenn in Wien eine eigene immer war sie die einzige ältere unerwartet am 5. Juni gestorben. Hietzing. Dort befand sich Beckers Zahnarztordination für obdachlose Dame auf den Zuschauerrängen in Nicht nur Augustin-KolporteurIn- Ordination. Geld mussten die Ob- Patienten aufmachen würde«, der Sporthalle, in der die Kicker nen behandelte sie. In den letzten dachlosen nicht mitbringen. Elisa- wünschte sie sich. »Dann wären vom SW Augustin, manche mit Zäh- acht Jahren ihrer Dentistenlaufbahn beth Becker behandelte sie kosten- diese Menschen nicht mehr auf nen made in Hietzing, gleichsam ihr widmete sie sich – ohne Berüh- los, auch die Unversicherten, die Freiwilligkeit angewiesen.« Ohne zu Ehren ihrem Siegerpokal entge- rungsängste – hauptsächlich den etwa ein Viertel ihrer Armutspatien- Beckers Hilfe hätten vor allem jene gen tanzten. Obdachlosen und Langzeitarbeitslo- ten ausmachten, und sie versuchte, Patienten, die nicht versichert sind, R. S. Augustin ist Medienpartner des Wien Museums INFO Die Entdeckung des Elends »Ganz unten. Die Entdeckung des Elends – Wien, Berlin, London, Paris, ine Hommage an das Wien Mu- gekehrt, da gehe ich selbst dann hin, menschenunwürdige Dasein der New York« seum am Karlsplatz in einem wenn das Thema für mich nicht so Obdachlosen und Strotter zu doku- Wien Museum am Karlsplatz E Bis 28. Oktober 2007 Leser-Kommentar im Online- interessant erscheint.« mentieren. Vier Jahre lang wurden Dienstag bis Sonntag und Feiertag Standard: »Immer wieder sehr inte- Der Kommentar ist uns nachvoll- die dabei entstandenen Bilder in von 9 bis 18 Uhr ressante Ausstellungen zu Themen, ziehbar. Die Ausstellung »Ganz un- Lichtbildvorträgen in der Urania ge- Eintritt: 6 Euro, ermäßigter Eintritt die nicht gerade im Mainstream lie- ten. Die Entdeckung des Elends – zeigt – und vom Publikum regel- 4 bzw. 3 Euro, Familienkarte 13 Euro gen. Nicht gerade reißerische Auf- Wien, Berlin, London, Paris, New recht gestürmt, was eine Diskussion Öffentliche Führungen Samstag und machung, aber sehr guter Inhalt. York«, die bis 28. Oktober im Wien über Sozialvoyeurismus auslöste. Sonntag um 16 Uhr Tel.: (01) 05 87 47-0 Das Gegenteil ist die Albertina – Museum zu sehen ist, kann als neu- Die erstmals rekonstruierte Dia- www.wienmuseum.at dort wird immer wieder mit tollen er Beleg dafür gesehen werden, dass schau ist Mittelpunkt der Ausstel- Titeln geworben, die Ausstellungen das Haus am Karlsplatz unter der lung. Hätte es den Begriff »Sozial- klingen zwar immer interessant Führung von Wolfgang Kos zu einem porno« damals schon gegeben, hät- Voyeurismus-Thema vollständig aus. (sind halt Mainstream, was jedoch der spannendsten Orte Wiens ge- ten KritikerInnen des Kläger’schen Wolfgang Kos findet das Vergehen nicht abwertend gemeint ist), aber worden ist. Sensationsjournalismus ihn vermut- vernachlässigenswert und ist mit ich habe bislang jeden Besuch be- Im Jahr 1904 machte sich der lich verwendet, denn viele Fotomo- dem Augustin eine Medienpartner- reut. Die Inhalte fad präsentiert, ge- Feuilletonist und Gerichtsreporter tive waren inszeniert, entsprachen schaft eingegangen. Im Rahmen der rade mal ein oder zwei wirklich gute Emil Kläger gemeinsam mit dem nur wenig dem authentischen Out- Ausstellung wird es am 12. Oktober und sehenswerte Bilder – jedenfalls Amateurfotografen Hermann Drawe sider-Leben. Übrigens war vor län- im Wien-Museum eine »Lange nicht die, die ich anhand der Titel auf die Suche nach den »Verstoße- gerer Zeit auch der Augustin in die Nacht des Augustin« geben. erwarte. Mein Schluss: Egal welche nen der Großstadt« und stieg näch- Falle getappt, die Kläger errichtet Näheres über die Ausstellung in Ausstellung, ich gehe nicht mehr tens in »Elendskleidung« in das hatte: Eine Augustin-Geschichte der nächsten Ausgabe! hin. Beim Wien Museum genau um- Wiener Kanalsystem hinab, um das über den Kläger-Report sparte das R. S. FANPOST 4 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

men. Das AMS hat uns jedoch nach mehrmaligem telephonischem Hin- Rätselauflösung für Heft 204 terfragen bestätigt, dass Asylwerber über besondere Ausschüsse sehr wohl eine Beschäftigungsbewilli- gung erhalten können. Jedoch wird in der Praxis afrikanischen Asylwer- bern unter keinen Umständen die FIAKER BRAUCHT PFERDEPFLE- Beschäftigungsbewilligung zugesagt. GER. MEIN MANN IST PFERDE- So auch nicht meinem Ehemann. PFLEGER. ABER AUS GAMBIA … Mit dem Argument, er sei NICHT Mein Ehegatte ist gebürtiger Gam- genug integriert ohne Visum … bier und lebt seit 2002 in Öster- Ich frage nun, was ist das für eine reich. Da mein Mann in Afrika poli- Institution, die zwar inländische un- tisch verfolgt wird, ist er in den So- willige Arbeitskräfte vermittelt, aber zialstaat Österreich geflüchtet und gleichzeitig verhindert, das arbeits- hat hier um Asyl angesucht. Mein willige Menschen, die sich noch Ehemann spricht bereits fast flie- dazu selbst eine Arbeit finden, mas- ßend deutsch und ist sowohl in mei- siv daran gehindert werden zu ar- ner Familie als auch in meinem beiten. Freundeskreis bestens integriert. Im Der Ausschuss ist ein einhelliger November 2004 haben wir uns ken- Regionalberat und setzt sich auf fol- nen und lieben gelernt und am 13. genden Mitgliedern zusammen: Die Gesetze sind halt so, wie sie BÜRGERINNEN VON GREIN März 2007 geheiratet. AMS, WKÖ und AK. Bei verschie- sind, an denen kann auch nicht ge- STEHEN HINTER Mein Ehemann hat in Gambia denen Bezirksstellen des AMS wur- rüttelt werden, es sei denn, der Aus- MAZEDONISCHER FAMILIE eine Elektriker-Lehre gelernt und ist den mir folgende unterschiedlichen schuss ändert seine Meinung … Ich bitte um eure Unterstützung somit gelernter Elektrotechniker. Erklärungen zu dem Asylwerberge- Jetzt frage ich Sie: Wird je der Fall für die bestens integrierte Familie Leider bekommt er in diesem Be- setz gegeben: eintreten, dass mein Mann als Asyl- Ganiji aus Grein, die immer noch rufsfeld wegen der fehlenden Nie- Das Gesetz ist eben so, und ein werber eine Arbeit bekommt? von der rücksichtslosen Abschie- derlassungsbewilligung keine An- Asylwerber darf einfach nicht arbei- Schließlich warten potentielle Ar- bung bedroht ist, obwohl seit No- stellung. Da mein Mann bereits Er- ten beitgeber nicht ewig auf Ihre Arbeit- vember 2006 engagierte BürgerIn- fahrungen als Pferdepfleger gesam- Wenn die Beschäftigungsbewilli- nehmer. Wie auch in unserem Fall. nen einen verzweifelten Kampf da- melt hat, suchte er nun seit fast ei- gung dem Ausschuss übergeben Das Fiakerunternehmen brauchte gegen führen. Diese Abschiebung ist nem halben Jahr eine fixe Anstel- wird, wird erstmals geprüft, ob die- schnell eine Entscheidung, ob mein eine Unmenschlichkeit, die verhin- lung in dieser Position. Wir hätten ser Asylwerber überhaupt arbeiten Ehemann die Stelle als Pferdepfleger dert werden muss, helft uns dabei! nun eine passende Anstellung bei ei- darf. Darf?? annehmen kann oder nicht. Jetzt ist Familie Ganiji kommt aus Maze- nem Fiakerunternehmen für ihn ge- Das Gerücht, das in Österreich der Job schon weg … donien. Sie reiste 2002 über Alba- funden. Der potentielle Arbeitgeber umgeht, Ausländer wollten nicht ar- Daher fordern wir: Arbeitserlaub- nien und Italien nach Österreich hätte meinen Ehemann auch sofort beiten, weil sie faul sind, und Afrika- nis für verheiratete, bereits inte- ein. Ihr Asylantrag wurde abgewie- eingestellt – nur leider sind wir nun ner seien Sozialschmarotzer, soll also grierte Asylwerber! Der Grund ist sen und mit 17. 1. 2007 von der BH auf folgende Probleme gestoßen: auch für meinen Mann gelten? Mein banal: Alle Menschen sind gleich. Perg ein Ausweisungsbescheid erlas- Da Asylwerber in Österreich kei- Mann sucht dringend Arbeit, und er Ganz egal, aus welchem Teil der sen, der aber wieder mit Bescheid ne Beschäftigungsbewilligung be- will auch arbeiten, aber der »Sozial- Welt wir kommen. der BH Perg bis zum 31. 12. 2007 kommen, ist es meinem Mann nicht staat« Österreich verbietet es ihm, N. N., E-Mail ausgesetzt wurde. Vater Mevlan Ga- möglich, diesen Job legal anzuneh- weil er afrikanischer Asylwerber ist. (Name der Redaktion bekannt) niji arbeitet seit 1. 12. 2002 bei der FANPOST NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 5

Firma Ebner in Grein, ist also im Dunkeln zu sein. Besitz einer gültigen Arbeitserlaub- Ein Aufenthalt in ei- DAS NACKTE LEBEN nis, die bis 1. 12. 2007 gilt. nem dunklen Raum Die Familie ist wirtschaftlich un- lässt sie in Panik abhängig und erhält keine staatli- ausbrechen und ver- che Unterstützung, sie hat eine ursacht bei ihr mas- Wohnung in Grein gemietet. Mut- sive Angstzustände! ter Naxhile Ganiji leistet unentgelt- Ein Programmpunkt liche Hausbesorgerarbeiten und während der Wien- hilft einem im selben Haus woh- woche war der nenden älteren Ehepaar mit Boten- »Dialog im Dun- gängen, Begleitung zum Arzt und keln«. Dabei führen beim Einkauf. Vor zwei Jahren hat sehbehinderte Per- das Ehepaar Ganiji aus eigenem In- sonen kleine Perso- teresse einen Integrationskurs bei nengruppen eine der VHS besucht. Stunde lang einen Die beiden Kinder der Familie, Hindernisweg ent- Sohn Ljundrim (12) und Tochter lang. Man bekommt Hava (14), besuchen die Haupt- dazu einen Geh- schule Grein. Beide sind fleißige, stock und muss sich erfolgreiche und beliebte Schüler, völlig auf die Anord- Hava wurde heuer von ihren Mit- nungen und Hin- schülern sogar zur Klassenspreche- weise des Gruppen- rin gewählt. Ljundrim spielt beim führers verlassen. örtlichen TSV Grein Fußball. Die Hava bat verzwei- Kinder sind in der Schule bestens felt unter Tränen, Aus Mehmet Emirs Fotoserie für eine Boulevardzeitung der anderen Art integriert, sprechen ausgezeichnet diesen Programm- deutsch und haben jeden Bezug zu punkt für sie zu ihrer früheren Heimat verloren. Sie streichen, da sie seit sind Österreicher geworden. ihrem traumatischen Erlebnis in ei- Opfer sie angeblich wieder erkannt DNA-Analyse da (laut Telefonat mit Die soziale Integration der Fami- nem Keller in Mazedonien keine hatte, was mehr als fragwürdig war, dem Anwalt), und sie ist negativ, lie in Grein ist ebenfalls stark ver- Minute mehr in Dunkelheit ver- da es mehrerer Gegenüberstellun- das heißt, beide Verdächtige müs- festigt. Als der Familie die unmittel- bringen kann. Das Verhalten des gen inkl. Umziehen bedurfte, bis sen als Täter ausgeschlossen wer- bare Abschiebung drohte, hat eine Mädchens in dieser Situation ver- sie identifiziert und auch mit fal- den. breite Bürgerbewegung in Grein langt dringend nach professioneller schen Kennzeichen wie eine nicht Trotzdem sitzen sie noch immer, Unterstützungserklärungen – insge- Hilfe und Therapie. vorhandene Tätowierung beschrie- weshalb der Anwalt einen Enthaf- samt mehr als 2500 Unterschriften Manfred Michlmayr ben wurden. tungsantrag gestellt hat, der zumin- (1300 davon in Grein) gesammelt. HS-Lehrer, Vizebürgermeister der Sowohl die Polizei als auch die dest morgen behandelt werden Die Ungewissheit über das weite- Stadt Grein Medien haben die zwei sofort vor- muss. Wenn also nicht alles ver- re Schicksal ist eine ungeheure Be- verurteilt, wie in allen Medien kehrt läuft, müssten sie nun freige- lastung für die Familie, sie erhält (inkl. der NÖN – im Kirchenbesitz) lassen werden. Ansonsten müssten seit 20. 12. 2006 regelmäßige psy- NACHWEISLICH UNSCHULDIG, zu lesen war. Und was noch skanda- öffentlichkeitswirksame Maßnah- chologische Hilfe im Kinderschutz- DOCH DIE UNTERSUCHUNGS- löser war, gaben die Medien die men gesetzt werden. zentrum Amstetten. Vor allem die HAFT DAUERT AN richtigen Namen bekannt inkl. Be- Darüber hinaus werde ich auch Kinder leiden unter der Angst, wie- Seit 6 Wochen sitzt ein afrikani- ruf, was bei »John E., der seinen die Medien zu einer Entgegnung der entwurzelt zu werden. Die Er- scher Straßenzeitungsverkäufer in Lebensunterhalt als Zeitungsver- auffordern, in derselben Größe wie innerung an die Flucht vor dem St. Pölten in U-Haft – und das völlig käufer in St. Pölten verdient«, wohl die Vorverurteilung, damit der Ruf Bürgerkrieg, an 5 Monate Leben in unschuldig, wie nach 6 Wochen ziemlich eindeutig war. Auch sein von John und Raymund wiederher- einem 16 Quadratmeter großen endlich die DNA-Analyse ergeben Freund und Kollege wird bis heute gestellt werden kann. Ich hoffe, das Keller zusammen mit 40 (!) ande- hat. Skandalöserweise hat die von verschiedenen Leuten be- wird auch geschehen, ansonsten ren Flüchtlingen wird immer wie- Staatsanwaltschaft St. Pölten der schimpft, dass er ein Vergewaltiger zweifle ich an unserem Rechtsstaat. der wachgerufen, die ungewissen Enthaftung heute (14. Juni) nicht sei. Die FPÖ verteilte gleich Pfeffer- Sepp Gruber Zukunftsaussichten bewirken eine zugestimmt, warum ist völlig un- spray an Frauen, damit sie sich ge- Betriebsseelsorger, St. Pölten Retraumatisierung, dazu ein Be- klar. Zur Vorgeschichte: gen die gefährlichen ›Schwarzen‹ richt einer Lehrerin von der Wien- Möglicherweise wissen einige wehren können. Anm. d. Redaktion: Bei Redakti- woche. LeserInnen von der Vergewaltigung So weit, so schlimm. Nun hat onsschluss befanden sich die Die Familie ermöglichte Hava die am 29. April früh neben einem St. sich auch die Untersuchungshaft beiden Männer noch in Teilnahme an der Aktionswoche in Pöltener Nachtcafé, begangen an- schon 6 Wochen dahingezogen, da Untersuchungshaft. der Bundeshauptstadt Wien. Das geblich von zwei ›Schwarzen‹. die Richterin erstens fast Mädchen freute sich sehr und ge- Die Polizei überprüfte über 70 nie da ist, die Akten den noss diese Woche als willkommene Schwarzafrikaner und verhaftete Anwälten erst gestern zum Ablenkung von seinem ungewissen dann am 4. Mai zwei mir gut be- Einsehen ausgehändigt Schicksal, vom Damoklesschwert kannte Afrikaner ›unter dringen- wurde etc. und das Ergeb- der drohenden Abschiebung. Auf- dem Tatverdacht‹ (da sie in den frü- nis der entscheidenden fällig war in dieser Woche aller- hen Morgenstunden in dem Lokal DNA-Analyse noch immer dings, dass Hava es nicht aushält, waren, was stimmt, allerdings 2,5 nicht da war. auch nicht in Begleitung (!), im Stunden vor der Tat, und weil das Seit 14. Juni ist nun die HEROES 6 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

Macht Gehörlosen Mut: equalizent-Geschäftsführerin Monika Haider Der Hype der Gebärden

Koka Brjanskij: Ich heirate heute. zueignen: die österreichische Gebär- integration auseinander gesetzt Mutter: Was? densprache. Monika Haider verkör- habe. Bis 1992 mussten behinderte Koka Brjanskij: Ich heirate heute. pert somit einen relativ neuen SchülerInnen in die Sonderschule Mutter: Was? Trend: Auch immer mehr Hörende gehen; ihr Recht auf die Regelschu- Koka Brjanskij: Ich sage, ich heirate heute. wenden sich dieser Sprache zu, zu- le musste durchgesetzt werden. Vor Mutter: Was sagst du? mal sie seit 2005 auch in Österreich 1992 wurde gemeinsames Lernen als eigene Sprache anerkannt und von Behinderten und Nichtbehin- Koka: Ich sage, ich will heu-te – hei-ra-ten! den anderen Minderheitensprachen derten nur in ›Schulversuchen‹ ge- Mutter: Hei? Was heißt das, hei? gleichgestellt ist. »Vor zehn Jahren duldet. Da engagierte ich mich. Das Koka: Hei-rat! gab’s eine einzige Volkshochschule, war Thema meiner Diplomarbeit. Mutter: Rat? Was für ein Rat? auf der man Gebärdensprache ler- Die Gehörlosen waren damals eher Koka: Nicht Rat, sondern Hei-Rat! nen konnte. Mittlerweile gibt es an Gegner der Integrationsklassen, die Mutter: Also doch kein Rat? den Unis, Volkshochschulen, bei den sich dann gesetzlich durchsetzten. Koka: Genau, kein Rat, und aus. Verbänden zahlreiche Verlockungen Sie wollten die Spezialschule mit Ge- Mutter: Was? in diese Sprache«, erzählt uns Moni- bärdensprache. Aus ihrer Sicht ver- Koka: Na, kein Rat. Verstehst du! Kein Rat. ka Haider. Nicht zu vergessen ihr ständlich: Sie hätten sich damals Mutter: Jetzt kommst du wieder mit diesem Rat. Ich weiß nicht, equalizent, die Gebärdesprachen- nicht getraut, zu fordern, dass in den wieso Rat. Akademie am Augarten. Regelschulen die Rahmenbedingun- Koka spuckt aus: Tffu! Hei und Rat! Was soll denn dieses Hei! gen so gebessert werden, dass in bei- den Sprachen – in der Mehrheits- Du musst doch Als die Gebärdensprache noch sprache und in der Gebärdenspra- selbst sehen, einfach hei zu sagen, ist unsinnig! »Fuchteln« hieß che – unterrichtet werden kann.« Mutter: Was sagst du? Seit 2004 gibt es equalizent in sei- Koka: Hei, sage ich, ist unsinnig!!! Nicht ganz aus heiterem Himmel ist ner heutigen Form – als Schulungs- Mutter: Nig? Monika Haider zu einer der Haupt- und Beratungs GmbH, als Qualifika- Koka: Was soll denn das bloß? Wie bringst du das fertig, nur ei- akteurInnen des Vormarsches der tions- und Kompetenzzentrum für nen Wortfetzen zu hören, und dann noch so einen sinnlosen: Gebärdensprache in Österreich ge- gehörlose und schwerhörige Men- nig! Warum worden. Die Erfahrung mit ihrer schen – und für alle, die sich für Ge- ausgerechnet nig! Schwester nennt sie als biografische bärdensprache interessieren. Und Mutter: Jetzt sagst du wieder nig! Weichenstellung: »Ich bin mit einer das werden, wie oben erwähnt, im- behinderten Schwester groß gewor- mer mehr. Die einseitige Orientie- den, um die ich mich gekümmert rung der Gehörlosen und ihrer An- habe, obwohl ich die jüngere war. gehörigen auf die orale Kommunika- er russische Dichter Da- schriebenen den Begriff suchen, der Das hat später dazu geführt, dass ich tion, also die im deutschsprachigen niil Charms (1905–1942) mir mitten in der Arbeit entfallen mich politisch sehr mit Behinderten- Raum übliche lautsprachliche Orien- hat mit diesen Zeilen un- war. Kann man das Ding nicht ein- tierung, die Zurichtung auf das Lip- Dfreiwillig eine goldene fach ZG nennen, Zentrum für Ge- penlesen, scheint überwunden zu Brücke zum Engagement Monika bärdensprache? Die Sozialpädagogin werden. Aus heutiger Sicht er- Haiders gebaut und eine Lanze für Monika Haider, Geschäftsführerin scheint es unverständlich, dass die die Gebärdensprache gebrochen. dieses Unternehmens, versteht mei- Gebärdensprache in Österreich bis Was Koka und seine Mutter und ne Nöte. Aber der Name bleibt, da 1986 in der Schule nicht verwendet wohl auch Charms nicht beherrsch- fährt die Eisenbahn drüber. Die Ge- werden durfte. Man hat sie im öf- ten, die Gebärdesprache nämlich, hörlosen haben ihn gewählt. »E fentlichen Raum auch kaum wahr- hätte das Aneinander-vorbei-Reden steht für elektronisch, quali für Qua- nehmen können. Die Gehörlosen vermieden. Bis niemand mehr un- lifikation. Also Elektronisches Quali- trafen einander in ihrem »Ghetto«, ter den Gehörlosen (0,1 Prozent der fikationszentrum. Der Name ent- in ihren Vereinen, um sich auszu- Bevölkerung Österreichs), den stand, weil wir früher, ab 2000, tauschen. Heute verstecken sie sich Schwerhörigen (6, 4 Prozent) und hauptsächlich Computerkurse für nicht mehr, und ihre Art zu kommu- deren Freunden und Angehörigen Gehörlose hatten. Dass wir dann zu- nizieren wird kaum mehr als »He- sprachlos ist, ist noch viel Arbeit zu sätzlich auch andere Schulungen in rumfuchteln« verlacht. tun. Monika Haiders Team von ge- Gebärdensprache anbieten konnten, Ist der Durchbruch erreicht? Mo- bärdensprachkompenten Menschen war zunächst Zufall: Wir hatten drei nika Haiders Stimmung erscheint im equalizent-Haus an der Oberen Gebärdensprachdolmetscher im gleich um eine Nuance nüchterner. Augartenstraße leistet einen bemer- Team.« Vor allem in Sachen Frühförderung kenswerten Beitrag dazu. In der Familie oder im weiteren sei Österreich ein Entwicklungsland. equalizent ist eines der Wörter, sozialen Umfeld Monika Haiders gab »Dazu muss man wissen«, erklärt die ich mir kaum merken kann. es keine Gehörlosen. Dennoch hat die equalizent-Chefin, »dass 90 Pro- Selbst beim Schreiben dieses Textes sie sich irgendwann entschlossen, zent der gehörlosen Kinder in hö- musste ich manchmal im schon Ge- sich eine Minderheitensprache an- Monika Haider renden Familien geboren werden. HEROES NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 7 T N E Z I L A U Q E

: S O T O F Fliegende Hände: Die Gebärdensprache wird nur noch von Vorgestrigen »Fuchteln« genannt

Der Punkt, an dem Gewissheit ent- Mediziner. Gehörlose in Österreich rufstätige. equalizent spielt die Rolle meint die Geschäftsführerin. »Es steht, dass das Kind nichts hört, ist sind, wenn sie überhaupt einen Job einer Art Volkshochschule in Gebär- gibt Vereine, die gutes politisches ein Schock für die Eltern. Sie versu- haben, zu 60 Prozent auf Hilfsarbei- densprache. »Für die meisten Ge- Lobbying für die Menschen machen, chen, alles zu tun, damit das Hören- ten abgedrängt, nur drei Prozent ha- hörlosen ist die Gebärdensprache etwa den Gehörlosenbund, der die werden möglich ist. In Skandinavien ben die Matura gemacht – beides die Muttersprache – sie werden bei Anerkennung der Gebärdensprache ist diese Erfahrung entdramatisiert. entspricht bei weitem nicht dem Be- uns also in ihrer Muttersprache aus- erkämpft hat. equalizent hat sich be- Man hat den Eltern erklärt, ihr Kind völkerungsquerschnitt. Zurzeit darf gebildet. Daneben gibt es Angebote wusst als Unternehmen und nicht gehöre einer anderen Sprachgemein- man hierzulande als Gehörlose nicht für lautsprachlich orientierte Gehör- als Interessensvertretung oder Ver- schaft an. Die Eltern können wo- einmal Krankenschwester werden«, lose. Mit Lippenlesen allein können ein positioniert.« Bei unserer Ge- chenlang freigestellt werden, um ge- kritisiert Monika Haider. Gehörlose ohne Restgehör laut Ex- sprächspartnerin Monika Haider ge- meinsam Gebärdensprache zu ler- Die Gebärdensprache ist zwar an- perten nur 30 Prozent des Inhalts lingt es uns allerdings kaum, den po- nen.« In Österreich dagegen sei die erkannt, doch wer sie als Mutter- verstehen. Wenn der Trainer also litischen Aspekt ihrer Arbeit für den Situation so: Wenn man ein gehörlo- sprache hat, ist weiterhin aus vielen lautsprachlich vorgehen würde, Siegeszug einer Minderheitenspra- ses Kind geboren hat, geht man zum Berufen ausgeschlossen. Monika könnten 70 Prozent seines Vortrags che auszuklammern. Unternehmen Ohrenarzt. Der geht von einem Haider nennt ein paar Beispiele da- nur durch Assoziationen erkannt können mit ihren Unternehmungen »Mangel« aus, von einem Defizit des für, wie sich das auf den Alltag von werden, wenn sie nicht zur Gänze goldrichtig liegen – aus der Sicht de- Hörens, und empfiehlt Implantate. Gehörlosen auswirkt: »Es gibt kei- missverstanden werden«, erklärt rer, die Diskriminierungen den Krieg nen einzigen Frauenarzt mit Gebär- Monika Haider. Für alle hörenden erklären. densprachkompetenz. Die gehörlose MitarbeiterInnen von equalizent sei Robert Sommer Warum kein einziger Frau muss eine Dolmetscherin mit- die Kenntnis von Gebärdensprache gehörloser Masseur? nehmen. Das ist eigentlich nicht selbstverständlich. INFO tragbar. Unser Anliegen ist es also, 50 Prozent der equalizent-Kurs- Erst in der jüngeren Generation der die Gebärdensprache zu verbreitern teilnehmerInnen, so schreiben es Freitag, 29. Juni Gehörlosen entstehe in Österreich – in einem Berufsfeld nach dem an- die Geld- und Auftraggeber (Sozial- Offizielle Eröffnung des neuen equalizent-Standorts. das Bewusstsein, einer Minderheit deren muss diese Eins-zu-eins-Kom- und Bildungsministerium, AMS) vor, TAG DER OFFENEN TÜR ab 14 Uhr anzugehören – und zwar nicht einer munikation möglich werden. Unter- müssen an den regulären Arbeits- * Theaterstück zur »Gehörlosen- Minderheit der Behinderten, son- suchungen zufolge gehen beim Ge- markt vermittelt werden. Allerdings geschichte« dern einer der Sprache. Sie rekla- brauch eines Dolmetschers bis zu 30 wird es immer schwieriger, Men- * Schnupperworkshops in ÖGS miert das Menschenrecht auf ihre Prozent der Informationen verloren, schen im öffentlichen Dienst unter- (Österreichische Gebärdensprache) * aktuelle Kunstausstellung von eigene Sprache. »Bei vielen, die zu auch deshalb ist die Eins-zu-eins- zubringen. Es gibt weniger »Behin- Leo Hainzel uns kommen, ist das am Anfang Kommunikation so ein großes Ziel. dertenplanstellen« als früher, darum * Multimediainstallationen u.a. noch nicht so. Aber im Prozess der Beim Dolmetschen werden Inhalte wird es für Projekte wie equalizent FEST DER SINNE ab 20 Uhr Bildung wächst das Selbstbewusst- unweigerlich zusammengefasst, ver- zunehmend enger. Der Staat, ein Di- * Sinnesreize: Lasershow, sehen, sein. Dass ihnen viele Berufe ver- knappt.« lemma: als »Kontrollor« besteht er Lichteffekte, spüren * Sinnliches: essen, gebärden, schlossen sind, die z. B. in Skandina- Der formellen Anerkennung der auf hohen Arbeitsvermittlungsqoten, tanzen, lachen, sprechen vien selbstverständlich für Gehörlo- Gebärdensprache muss also die rea- während er als Arbeitgeber den se zugänglich sind, empfinden sie als le folgen. Das equalizent-Team will KursteilnehmerInnen die kalte Wo: Obere Augartenstraße 20, unerträgliche Diskriminierung. Wa- mithelfen, die Voraussetzungen da- Schulter zeigt. Wenn das nicht nach 1020 Wien rum gibt es in Österreich keinen ge- für zu schaffen. Es gibt Angebote für einem Aufstand schreit!? Nähere Informationen: http://www.equalizent.com hörlosen Masseur? Keinen einzigen gehörlose Arbeitslose, die einen Um- Politische Angelegenheiten wie Rückfragen unter E-Mail gehörlosen Arzt? In den USA gibt es stieg oder eine Weiterbildung anstre- Aufstände und dergleichen sind ([email protected]) oder eine ganze Vereinigung gehörloser ben, und Angebote für gehörlose Be- nicht die Sache von equalizent, Telefon (01/409 83 18-0)! 8 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 077 TUN & LASSEN magazin FIFA düpiert Bolivien, Ecuador, Peru … Und dann auch noch das: PROVOKATION AM JUNGFRAUJOCH

oseph Blatter ist derzeit – kurz Vielmehr vermutet man in Boli- rem auch der bo- hinter George Bush – der am we- vien, dass das FIFA-Gremium dem livianische Re- Jnigsten beliebte Gringo in Boli- Drängen der großen und geldkräfti- gierungschef vien. Kürzlich teilte nämlich der gen Verbände in Argentinien und und ehemalige FIFA-Chef die Entscheidung des Brasilien nachgegeben habe. Mit Koka-Bauer Evo Weltfußballverbands mit, dass künf- dem gleichen Argument, die Ge- Morales mit. E N tig keine internationalen Spiele sundheit der Spieler zu schonen, O T S Y mehr in Stadien ausgetragen werden müssten Spiele in Städten mit hoher Der politische E K

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dürfen, die oberhalb von 2500 Me- Luftfeuchtigkeit und hohen – oder Zusammen- O T O ter liegen. Ein harter Schlag für Bo- niedrigen – Durchschnittstempera- schluss der 35 F livien, denn damit sind fünf der gro- turen verboten werden. Länder wie unabhängigen Protest in Peru: »Kein Angst, Blatter! Die Höhe ist ßen Stadien des Landes für FIFA-Par- Bolivien, die ohnehin kaum eine Nationen Nord- nicht tödlich!« tien tabu, darunter jenes von La Paz Chance haben, sich für eine WM zu und Südamerikas (3640 m). Auch in Ecuador (Haupt- qualifizieren, werden damit doppelt (OAS) forderte die Fifa auf, das Hö- 2008 in Österreich und der Schweiz stadt Quito: 2850 m), Peru, Kolum- bestraft. The Winner (die Verbände hen-Limit für Spiele unter der Ägide statt«, nämlich ein Freundschafts- bien (Hauptstadt Bogotá: 2640 m) Brasiliens und Argentiniens) takes it des Fußball-Weltverbandes (Fifa) spiel von Promis und Alt-Internatio- und Venezuela gibt es Stadien ober- all: Während den bolivianischen No wieder aufzuheben. nalen. »Umgeben von ewigem Eis, halb der Blattergrenze. Names, die aus hohen Lagen stam- Schnitt. Vom Chacaltaya zum umrahmt von einer traumhaften Blatter erklärte, dass die Entschei- men, zugemutet wird, in tropischen Jungfraujoch. Die Menschen zwi- Bergkulisse« blieb die Hickersberger- dung aufgrund sportärztlicher Emp- Tiefen zu kicken, werden die Fuß- schen Ecuador und Bolivien hätten Truppe ungeschlagen. Die Schwei- fehlungen getroffen wurde, und um ballmillionäre aus Brasilien ge- allen Grund, sich brüskiert zu füh- zer und österreichischen Eventjour- die Wettbewerbsverzerrungen zu eli- schont. len, wenn die Medien ihrer Staaten nalistInnen vergaßen allesamt vor minieren, die sich ergäben, wenn Boliviens revolutionäre Regierung etwa die Euro 2008-PR vom »Stan- lauter Begeisterung auf das Selbst- eine höhentrainierte Mannschaft ge- hat mit einem Fußballspiel in 5270 dard« des 9./10. Juni übernommen verständliche: auf den sich aufdrän- gen ein Team antritt, das auf Meeres- Metern Höhe auf die FIFA-Entschei- hätten: »Auf dem 3454 Meter ho- genden journalistischen Exkurs vom höhe trainiere. Die FIFA kann frei- dung reagiert. Bei dem 30-minüti- hen Jungfraujoch fand das spektaku- herrlichen alpinen Kick zum Auf- lich keine Statistik vorweisen, die gen Protestspiel am Observatorium lärste Highlight der ›One year to go‹- stand der andinen Fußballwelt. Wettbewerbsverzerrungen belegt. von Chacaltaya kickte unter ande- Feierlichkeiten vor der Fußball-EM I

eingSCHENKt

Spezialist für Teilleistungsstörun- Vergessensabschnitte gen. Die andere ist Sozialkundeleh- rerin und Begleiterin beim Sprach- erwerb von Kindern aus bestimm- ten afrikanischen Ländern. Eine Schule, in der zu wenig ge- rühförderung betrifft nicht nur zioökonomische Hintergrund be- Kindern als auch mit sozial benach- lernt und zu viel gelehrt wird, rech- Kinder mit Bedarf an Sprachun- stimmend. teiligten Kids als auch mit Sprachen net fix mit Nachhilfestunden an- Fterstützung, sondern allgemein Die Zeit zwischen 3 und 6 Jahren so umzugehen weiß, dass alle pro- derswo. Das stellt in jedem Fall eine Kinder aus sozial schwächeren El- birgt große Chancen, sozial be- fitieren. Benachteiligung für einkommens- ternhäusern. Bei den 4- bis 6-Jähri- nachteiligte Kinder spielerisch und »Die homogene Klasse als Ideal- schwache und ressourcenarme gen gehen Kinder armutsgefährde- individuell zu fördern. Eine gute in- bild der Schule, wo sich alle Kinder Haushalte da. Es braucht einen an- ter Eltern deutlich weniger in den tegrative Kinderpädagogik ist in und Jugendlichen mit denselben In- deren Unterricht, der den fatalen Kindergarten (57 %) als nicht arme dieser Phase ein schützender und halten beschäftigen, ist eine Illusi- Kreislauf – 1. (auswendig) Lernen, Kinder (75 %). Weiters kommen stärkender Faktor für das Selbstbe- on«, so Rudolf Meraner, Leiter des 2. Prüfung, 3. Vergessen – zu durch- von den zehn Prozent, die beim Le- wusstsein der Kinder. Und hilft die pädagogischen Instituts in Südtirol. brechen versucht; ein Unterricht, sen am schlechtesten abschneiden, in den Kindern angelegten Mög- Südtirol hat eine integrative ge- der statt Vergessensabschnitte zu mehr als zwei Drittel (68 %) aus lichkeiten spielerisch zu entfalten. meinsame Schule. »Alle Kinder, ob produzieren, Lernprozesse gestal- deutschsprachigen österreichischen Die Zeit zwischen 3 und 6 Jahren ist sie Migrationshintergrund haben tet. Anstelle eines defizitorientier- Familien. Rund 14 Prozent der ein »window of opportunity«, um oder aus sozial benachteiligten Fa- ten Ansatzes zeichnen sich die sozi- Schüler mit Migrationshintergrund mit einfachen Maßnahmen etwas milien kommen, ob sie weniger al erfolgreichen Schulkonzepte erreichen beim Pisa-Test sogar die gegen die Vererbung von Armut zu oder sehr begabt sind, sind bei uns durch die Orientierung an den un- beiden höchsten Leistungsstufen. tun. Ob dann am Türschild »Kinder- zu finden«, erzählt der Direktor der terschiedlichen Lebenswelten ihrer Ganze 45 Prozent liegen im Durch- garten« oder »Vorschule« steht, ist Mittelschule in Bozen. »Regellehrer SchülerInnen aus: in durchmischten schnitt aller getesteten 15-Jährigen. zweitrangig. Was es braucht, sind müssen sich etwa auch mit Heil- Gruppen individuell fördern. Das Das heißt: 59 Prozent der Migran- Lernbedingungen, die allen Vortei- und Sonderpädagogik auseinander geht nur mit einer neuen Unter- tInnen lesen gleich gut oder besser le bringen: Was den Schwachen gut setzen.« Das ist auch in Kanada so. richtsqualität, einer neuen Lehrer- als der Durchschnitt der Schüler tut, nützt auch den Starken. Es gibt eine fachliche und eine pä- ausbildung und einer neuen Schul- deutscher Muttersprache. Hier ist Wichtig ist eine integrative Päda- dagogische Ausbildung der Lehren- architektur. Und einer Frühförde- nicht der ethnische, sondern der so- gogik, die sowohl mit behinderten den. Der eine ist Mathematiker und rung für alle. . Martin Schenk TUN & LASSEN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 9 magazin Kunstpädagogikstudierende gestalten urbane Oasen VERWEILE UND TRINKE WASSER!

icht einmal die MA 31 Darstellung der öffentlichen Trink- produkte gedachten hat eine vollständige wasserstellen. Die Magistratsabtei- PET-Flaschen, wieder- »NListe mit öffentlich zu- lung »Wiener Wasserwerke« habe befüllt werden. Ziel- gänglichen Trinkwasserbrunnen«, zwar bereitwillig eine Liste mit ver- gruppen seien für Rin- erzählt Manuel Kofler. Der Student zeichneten Brunnen hergegeben, derer vor allem Stadt- der Kunstpädagogik erarbeitet im doch diese sei veraltet und weise wandererInnen und Rahmen des Projekts »Super City große Lücken auf. Laut Liste dürfte TouristInnen. Generell Slow Survival« eine am »allgemein in den Bezirken vier bis sieben kein poche sie auf das »Bau dir selbst ein Hängeding und entspann dich de- bekannten« Design des Wiener U- Trinkwasser im öffentlichen Raum Recht auf kostenloses monstrativ gegen den Alltagstress«, meint die Bahn-Netzplanes angelegte grafische sprudeln, doch Kofler erfrischte sich Trinkwasser: »Es gibt Bequemisierungsguerilla von »Hang Looose!« schon in Wieden und zwar Brunnen, wo möchte mit seinem man Wasser entneh- Trinkwasserplan Fähr- men kann, doch diese sind knapp und Marie-Theres Wakounig. Mit ten zu urbanen Quel- und darüber hinaus oft unhygienisch Kreidestaub malten sie die nach ei- len legen. und nicht bedienungsfreundlich.« gener Aussage »abgedroschene« Be- Seine Kollegin Su- Zwei Beispiele eines Projekts, um grüßungsformel »Wie geht´s dir?« R E

G sanne Rinderer konzi- den öffentlichen urbanen Raum an- bei Fußgängerampeln auf den Geh- N I L

D pierte einen Wasserau- satzweise wieder in einen Verweil- steig: »Einerseits soll auf die Sinn- N U E tomaten nach dem raum, der immer weniger bewusst entleerung dieser Frage, die meist N E T

E Motto »Fill your bottle empfunden wird bzw. immer mehr nur noch pro forma gestellt wird, R A

G and go«. Eine einfach von der Leistungs- und Konsumge- hingewiesen werden. Andererseits R A

M zu montierende Säule sellschaft annektiert wird, zurückzu- malten wir diesen Spruch bewusst

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O bildet das Erkennungs- verwandeln. Also fordern die Kunst- an Stellen, wo man zum Stehenblei- T O

F zeichen und die Um- pädagogikstudentInnen der Abtei- ben gezwungen wird. Die Frage soll Männer und Technik! Susanne Rinderer zeigt ihren mantelung einer verti- lung Design, Architektur und Envi- helfen, den nächsten Schritt bewuss- Kollegen Dragan Jeremic und David Stefanek, wie kal errichteten Wasser- ronment der Universität für Ange- ter zu setzen – auch im Sinne einer easy ihr Trinkwasserautomat zu bedienen ist. Letz- leitung. Von zwei Sei- wandte Kunst »Runter vom Gas«. Anregung zur Entschleunigung in ei- tere sind eher Theoretiker und präsentierten ten können Trinkfla- Eine rein konzeptuelle Arbeit dazu ner Zeit, wo das Leben in der Stadt Entwürfe zur Umgestaltung der Wiener Trinkbrun- schen, und sollten vor lieferten die drei Studentinnen immer schneller wird.« nenplätze in erholsame Verweilräume allem die als Wegwerf- Christina Dörfler, Bernadette Meisel reisch Parade für mehr Selbstbestimmung und Kultur Dieses Bild ist hier DIE AUSGEBLENDETEN WERDEN TANZEN! eigentlich fehl am Platz ie (christlich-)konservative Schule Wort, die von der konventionellen politi- lehrt, der ausgelassen tanzende Kör- schen Ordnung ausgeblendet werden. Ande- Dper sei den Jungen und Junggebliebe- rerseits ist die Redeweise von Popmusik nen wichtiger als die stramme politische (Ar- eine, die in einer gewissen Weise immer of- ter-)Haltung. Man denke nur an die ehema- fen lässt, wie sehr sie noch mit Kunstvorbe- lige Ministerin Gehrer, die der Jugend den halt operiert oder schon nicht mehr. Zum Auftrag gab, weniger Partys zu feiern und Dritten einfach, weil die für die Verände- mehr Kinder zu zeugen (sehr kurzsichtig, rungen und Entwicklungen im Politischen als ob auf Partys die Kinderzeugung ausge- die so entscheidende Zone des Prä-Politi- schlossen wäre). schen, des Proto-Politischen, (…) also die Bei der »free parade« wird dezidiert ge- noch nicht vollendete politische Artikulation gen alle Parlamentsparteien und Neolibera- sich oft in Popmusik wiederfindet.« Eine ak- lismus protestiert, und das lautstark mit Mu- tivistische Über- und Umsetzung dieses Zi- sik, Lärm und Tanz. Dietrich Diederichsen, tats von Diederichsen bieten die Veranstal- deutscher Politologe und Popmusikforscher, terInnen der »free parade« an: »Egal, ob ihr äußerte sich in einem Interview der Musik- eine politische Initiative, ein Soundsystem, zeitung »druckaecht« (online unter: eine Band oder was auch immer seid; jede www.waschaecht.at, dann Link druckaecht Box, jede Trommel, jede Showtanzgruppe, Der junge Martin als Philadelphy – dieses Foto hätte schon in Ausgabe 204, vor 14 Tagen, erscheinen müssen. archive bis druckaecht I 2001 folgen) zur jede Trillerpfeife – kurz, alles was Musik Irrtümlicherweise aber wurde Rainer Krispels „Musikar- Frage, ob es denn möglich INFObzw. Lärm produziert beiter“-Geschichte über den in Tirol geborenen und in sei, sich mit Hilfe von Pop- oder sonst irgendwie Wien lebenden Sänger und Gitarristen mit einem musik politisch zu artikulie- Treffpunkt: Am 7. Juli um 14 Uhr am Aufsehen erregt – raus falschen Foto illustriert. Den Herren von Rewolfinger ren: »Einerseits kommen in Europaplatz beim Westbahnhof zur Demo!« wird´s gefallen: Ihr Foto ist nun zum zweiten Mal im Blatt der Popmusik Stimmen zu www.freeparade.org reisch – diesmal stimmig (Seite 32). TUN & LASSEN 10 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

Der Minister für Abschubangelegenheiten will keine binationalen Ehen Weiter in der Warteschleife

Seit 18 Monaten protestiert einzelne Härtefälle handelt, sondern die Initiative »Ehe ohne Gren- dass das Problem im System liegt, zen« nun schon gegen die und dass es geändert werden muss.« Illegalisierung binationaler Der Augustin muss sich übrigens, was die Aussagen des Ministers be- Ehepaare durch das neue trifft, auf die Auskunft der Initiative Fremdenrechtspaket. Neben verlassen. Neuerdings hat Günther den notwendigen Reparatu- Platter ein Interview zu diesem The- ren forderten die Betroffenen ma abgelehnt. als ersten Schritt vor allem ein Gespräch mit der Ministe- Zugehört und verwiesen riumsspitze. Sechs Monate nach seinem Amtsantritt lud Die Initiative nützte auf alle Fälle die Innenminister Günther Plat- Gelegenheit, über die Lage binatio- ter VertreterInnen der Initiati- naler Ehepaare gegenüber dem In- ve tatsächlich in das Amtsge- nenminister zu sprechen. Eines der bäude in der Herrengasse 7. größten Probleme sei die Auslands- Allein: Viel Neues hatte er antragstellung: »Die Leute haben Fa- ihnen nicht zu sagen. milie, einen Job, einen Bausparver- trag, ein Auto, und müssen dann das Land auf unbestimmte Zeit verlas- sen«, so Angela Magenheimer. Auch Auch der kleine David muss weiterhin auf das Recht auf ein Familienleben mit dem Einkommensnachweis von ohne Angst vor der Ausweisung seines Vaters warten s wäre wahrscheinlich 1091 Euro pro Monat, wo doch für den Steuerzahler meist einE EhepartnerIn keine Ar- Gesetzesvollstreckung: »Wenn eine Ehepaare bis zum Tag des jüngsten »Ebilliger, wenn man beitsgenehmigung hat, ist für viele Asylbehörde anrät, aufgrund des Gerichts auf ihr Recht auf ein Fami- statt dem Minister und seinen Be- ein großes Hindernis. Deswegen for- Eingriffs in das Familienleben von lienleben warten müssen. »Ich frage amten einen Plattenspieler hinstellt, dert die Initiative eine Anpassung einer Abschiebung abzusehen, wird mich, wie lange diese Bank noch der uns dieselbe alte Leier vorspielt dieses Mindesteinkommens an die dagegen mit Amtsbeschwerden ope- werden soll?«, ist Magenheimer und nicht auf Argumente eingeht«, Sozialhilferichtsätze. Des weiteren riert. Wenn die Behörde allerdings sichtlich verärgert. »Eineinhalb Jah- zeigt sich Peter Marhold, Anwalt der fordert »Ehe ohne Grenzen« die so- im Sinne einer restriktiven Ausle- re sind genug. Oder wollen wir war- Helping Hands, nach dem Gespräch fortige Niederlassungbewilligung für gung agiert, dann ist das ›leider das ten, bis die Europäische Kommissi- mit Innenminister Platter verärgert. 2005 und davor gestellte Anträge, Gesetz‹.« Über die Motivation des on endlich auf den Tisch haut?« »Das Wording, das vor ihm gelegen das Recht auf Arbeit ab der Ehe- »politischen Willens« zeigten sich Auch Anwalt Marhold ist sich sicher, ist, kenne ich noch von der Frau Pro- schließung und schließlich die die Beamten laut Marhold überra- dass das österreichische Fremden- kop selig«, ergänzt Angela Magen- Durchführung der angekündigten schend auskunftsfreudig: »Die Be- recht vor internationalen Gerichten heimer, Sprecherin der Initiative Evaluierung. Was der Minister zu ih- amten erklärten uns: ›Na ja, der Mi- nicht standhalten wird: »Nur ist es »Ehe ohne Grenzen«. Besonders er- ren Forderungen gesagt habe? »Er nister hat Strache und Westenthaler eben eine unmenschliche Zermür- bost zeigten sich die beiden über hat uns zugehört und auf seine Be- im G’nack‹«, zitiert Marhold. »Der- bungstaktik, auf die Urteile eines den Umgang des Ministers mit der amten verwiesen«, sagt Magenhei- selbe Fehler des Apeasements mit Gerichtshofs auf europäischer Ebene im Koalitionsabkommen vorgesehe- mer. den Rechtspopulisten in den 90er- warten zu müssen, nur weil es eini- nen Evaluierung der Fremdengeset- Jahren wird neu aufgelegt«, kom- ge Beamte Schwarz auf Weiß haben ze. Obwohl weder feststeht, wann mentiert er diese Strategie. wollen.« Von der neu gewählten diese Evaluierung stattfinden wird Angst vor Strache und Volksanwältin Terezija Stoisits er- noch wer sie durchführen soll, Westenthaler wartet sich Marhold, dass die Volks- kennt Platter angeblich schon das Oh when the Saints … anwaltschaft »noch einen Zahn zu- Ergebnis: Das Fremdenrechtspaket Nach 20 Minuten war es dann auch legt«, aber dort seien ohnehin schon wird nicht aufgeschnürt. Er beruft mit dem Zuhören vorbei, der Minis- Als die Initiative »Ehe ohne Gren- zahlreiche Fälle von Betroffenen ge- sich dabei auf einen »breiten Kon- ter verließ die Sitzung und überließ zen« vor dem Ministerium ihre im- landet. »Bei geschätzten 18 Fallkon- sens« innerhalb der Koalition, was die GesprächspartnerInnen seinen provisierte Pressekonferenz abhält, stellationen, die der Volksanwalt- Magenheimer nicht nachvollziehen Beamten: Sektionschef Mathias Vogl hat sie plötzlich nicht mehr nur ge- schaft vorliegen, ist es einmal mehr kann: »Viele Leute in der SPÖ haben und Abteilungsleiter Johann Bezde- gen die Glocken der Michaelerkir- zynisch, von Einzelfällen zu spre- schon erkannt, dass es sich nicht um ka. Diese meinten wiederum, sie che anzukämpfen. Aus dem 1. Stock chen«, so Marhold. Die Initiative können gar nichts sagen, da sie nur des Ministeriums ist plötzlich die wird auf alle Fälle ihre Proteste je- INFOden politischen Willen und das Ge- Polizeimusikkapelle zu hören. Als den Mittwoch um 17 Uhr vor dem setz exekutieren. Peter Marhold kri- diese dann auch noch »O when the Innenministerium in der Herrengas- Initiative »Ehe ohne Grenzen« tisiert in diesem Zusammenhang vor Saints« anstimmt, stellte sich natür- se 7 fortsetzen. www.ehe-ohne-grenzen.at allem die Doppelzüngigkeit dieser lich die Frage, ob auch binationale Text und Foto: flom TUN & LASSEN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 11

Fünfmal in der Woche gibt es im Haus St. Josef ein Mittagessen zum Kleinstpreis Edi kocht

»In der Lacknergasse gibt’s das beste Essen« lautet der allgemeine Tenor im Augustin- Vertriebsbüro. Damit dieses Angebot zustandekommen kann, ist Engagement von vielen Seiten notwendig.

ieses beginnt mit den großzügigen Essensspen- den der umliegenden Schulen: regelmäßig kom-

D G men Lieferungen von der Köhler- N A L Schule, dem Herzmarienkloster und . M

: der Antonischule. Ein Bäcker stellt S O T O

das benötigte Brot und Gebäck kos- F tenlos zur Verfügung. Auch von der Wiener Tafel wird die Küche des Ta- Augustinverkäufer geben Edi und seinen Küchenhelfern die Note 1 unter den Armenküchen geszentrums mit allen möglichen Le- bensmitteln beliefert. Für zusätzlich nicht draufgekommen. Ich hab das serviert, für das Personal schon vor- durch eine niederschwellige Einrich- notwendige Einkäufe wie Fette, ein- Bier in den undurchsichtigen Ge- her. Nach dem ersten Durchgang tung. Jede und jeder ist willkommen, zelne Grundnahrungsmittel, Fleisch würzbehältern versteckt gehabt!« gibt es noch Nachschlag – auch klei- auch die, die in den Häusern des für das Sonntagsessen oder Gewürze Seit einem »Extremrausch« vor 14 nere Spenden und eventuelle Rest- Fonds Soziales Wien nicht akzeptiert gibt es ein Budget von der Caritas, Jahren ist Edi allerdings trocken. portionen vom Personalessen kom- werden, Roma-Familien aus der Ost- der Betreiberin des Hauses. Und der Unterstützt wird Edi von zwei men so unter die Leute. Was da ist, Slowakei beispielsweise. Missbrauch Schwester-Grata-Verein versorgt die Teilzeit-Küchenhilfen; ehemaligen dürfen die Gäste mitnehmen – je- gibt es so gut wie keinen, denn die Gäste mit frischem Obst. Klienten, die für ein therapeutisches deR weiß das und hat für den Fall Berührungsängste zwischen denen, Jetzt kommt der Küchenchef ins Taschengeld einfache Arbeiten erle- der Fälle einen Behälter dabei. Dann die was haben, vor denen, die nichts Spiel: Edi, bürgerlich Eduard Ladits, digen. Die Essensausgabe ist Sache geht der Leiter des Tageszentrums haben, sind immer noch groß. Hans- ist der Zampano der Lacknergasse. des Leiters gemeinsam mit dem Zi- Hans-Georg Wächter kassieren. Georg Wächter: »Ich kenne nur eine Er sichtet Spenden und Vorräte, la- vildiener und freiwilligen HelferIn- »Das Essen kostet 40 Cent, aber wer über 90-Jährige, die es eigentlich gert, kühlt oder friert sie ein und nen, die auch das tägliche Tischge- grad nix hat, kriegt trotzdem was.« nicht notwendig hätte, und die sitzt zaubert aus dem Vorhandenen täg- bet vorsprechen. Das Haus St. Josef kennt keine Zu- dann sozusagen am Pensionisten- lich Suppe und Hauptgericht, bei Ge- Um Punkt zwölf wird das Essen gangsbeschränkungen und ist da- tisch und hat dort ihre Ansprache legenheit sogar eine Nachspeise: und Geselligkeit.« »Wochentags ist es vor allem ein Niederschwellig ist das Haus St. Improvisieren. Ich schau mir an, Josef auch für Spender. Werden Toi- was da ist, und dann überlege ich, was ich draus mache. An den INFO Sonntagen, wenn die Schulen ge- schlossen sind, wird bei uns Haus St. Josef Lacknergasse 98 frisch gekocht, und immer mit 1180 Wien Fleisch.« Tel.: (01) 479 23 94 Edi schupft die Lacknergassen- E-Mail: [email protected] Küche seit 15 Jahren. »Ich hab Straßenbahn 9 oder 42 nicht weit zur Arbeit, werde ge- (Station Sommarugagasse) nauso bezahlt wie anderswo, und Angebot: was mir viel wert ist: Ich bin hier Mietbare Spinde, Dokumentenaufbe- mein eigener Herr.« Als er im wahrung Haus St. Josef begann, wurde das Gartenbenützung Heim von einer geistlichen Mittwoch bis Sonntag, 8–15 Uhr Aufenthalt, Beratung und Betreuung Schwester geleitet. Damals war Dusche Edi noch Alkoholiker. »›Herr Edi, 12 Uhr: warmes Mittagessen um wo kriegen Sie immer Ihren 40 Cent Rausch her?‹, hat mich die Kleiderkammer: Freitag, Schwester oft gefragt. Sie ist Täglich essen rund 70 Leute in der Lacknergasse 98 10.30–11.30 Uhr TUN & LASSEN 12 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 letteartikel oder Kleidungsstücke be- nötigt, ruft der Pfarrer der nahe ge- legenen Kirche das in der Messe aus. Aufgrund des kleinen Budgets ist die Lacknergasse auch offen für Schul- oder Kirchenprojekte und na- türlich für PraktikantInnen. Sogar Schulden könnten hier abgearbeitet werden, aber diese Möglichkeit wird, so der Leiter des Tageszen- trums, eher selten in Anspruch ge- nommen. »Zu den Weihnachts- und Oster- feiertagen wird das Essen besonders ausgerichtet: Die Tische werden mit schönem Geschirr gedeckt, es gibt Freibier, aber auch kleine Geschen- ke, Lieder werden gesungen oder es wird das Weihnachtsevangelium ge- lesen«, erzählt Wächter. Derzeit profitieren durchschnitt- lich etwa 70 Personen vom tägli- chen Mittagstisch. »Wir hatten in früheren Jahren bis zu 80 Leute täg- lich hier. Sonntags ist es meist mehr, und zu den Feiertagen sind wir überhaupt randvoll. Zu Ostern wa- Wer nicht einmal die 40 Cent hat, kriegt trotzdem was … ren es knapp 150 Gäste«, ist Wäch- ter mit der Auslastung zufrieden. den Ostersonntag quasi im Allein- die Beilagen – 15 Kilo Reis und 160 muss mir erst einmal einer nachma- Dieser imposante statistische Aus- gang 80 Grillhenderl zubereitet hat, Portionen Salat – und natürlich das chen!« reißer bedeutet konkret, dass Edi für nicht zu vergessen die Suppe und Portionieren und Anrichten. »Das Christa Neubauer

Gerichtssaal-ReporterInnen im Dauer-Dilemma Gnade den Tätern

»Am schlimmsten sind die le oft mehr bewirken als die Urteile Verdächtiger festgenommen und Richter, die glauben, schon der Gerichte. Positiv wie negativ. später in einem Indizienprozess als deshalb Recht zu haben, weil Ein berühmter Fall war die »Affä- Mörder zu lebenslanger Haft verur- dass in der Schweiz Geschworenen- sie Recht sprechen dürfen«, re Dreyfus« in Frankreich: Antise- teilt. Von Anfang an stand für die gerichte abgeschafft wurden. schreibt der Rechtsanwalt mitismus und journalistische Vor- Boulevardpresse fest, dass »nur« der und Publizist Robert Verurteilungen führten dazu, dass Ehemann der Täter gewesen sein Hauptmann Alfred Dreyfus (1859– konnte. Der Journalist Hanspeter Jeder Mensch hat Vorurteile Muthmann in seinem Buch 1935) am 22. Dezember 1894 zu Born deckte in einer Artikelserie der »Bagatellen« (Lippmann Ver- lebenslanger Verbannung und Haft »Weltwoche« zahlreiche Ungereimt- Vorurteile haben den Nachteil, dass lag). Und was kann die Rolle auf der Teufelsinsel (bei Cayenne in heiten im Verfahren auf, was zu ei- gegenüber Menschen bzw. Men- von JournalistInnen bei der Französisch-Guayana) wegen Spio- ner Wiederaufnahme des Verfahrens schengruppen Urteile gefällt wer- Beobachtung von Prozessen nage verurteilt wurde. Erst gründli- führte. 1993 wurde der Beschuldig- den, ohne das Individuum zu be- sein? che Recherchen des Schriftstellers te nach einer 42-stündigen Beratung rücksichtigen. Doch jeder Mensch Emile Zola (deren Publizierung ihm von den Geschworenen freigespro- hat Vorurteile. Sie sind die Summe selbst ein Jahr Haft einbrachte) be- chen. Im Vorfeld agitierte die Boule- von Erfahrungen. Wenn es zu blit- wiesen die Unschuld von Dreyfus. vardpresse diesmal für die Unschuld zen und donnern beginnt, suchen Ein Aufsehen erregender Fall, in des Beschuldigten. In der Folge re- alle automatisch ein schützendes anche Gerichtssaal- dem durch die Medien markant in cherchierte eine Rechtsanwältin ge- Dach vor dem kommenden Regen, ReporterInnen haben ein Prozessgeschehen eingegriffen meinsam mit einer Detektivin zahl- obzwar sie auch die Erfahrung ge- wenigstens ein paar worden war, ist ein Mord in Kehr- reiche Fakten, die erneut den ur- macht haben, dass manchmal gar MSemester Jus-Studium satz in der Schweiz: Eine Frau wur- sprünglich Beschuldigten als Haupt- kein Regen folgte. Verheerend wa- absolviert. Die meisten nicht. Den- de 1985 erschlagen, nackt, mit ei- verdächtigen erscheinen lassen. ren und bleiben antisemitische und noch maßen sie sich als Laien ihre nem Sack über dem Kopf in der Tief- Bisher genügen den Schweizer rassistische Vorurteile. Das auslän- privaten Urteile bei Gerichtsverfah- kühltruhe ihres Hauses aufgefun- Gerichten die neuen Beweise nicht, derfeindliche Klima wird durch Me- ren an. Durch ihre Veröffentlichung den. Ihr 27-jähriger Mann, der von ein neues Verfahren zu eröffnen. dienberichte gesteigert, wenn bei je- in den Medien können diese Urtei- ihr in Scheidung lebte, wurde als Eine Konsequenz dieses Falles war, dem Gesetzesbruch auf die Herkunft TUN & LASSEN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 13 eines Täters in der Berichterstattung ebenso rassistisch wie das Ignorie- Bündel an Demütigungen war in den so zu Folgeopfern der Tat. hingewiesen wird. ren unterschiedlicher kultureller dieser Situation ganz normal und all- Umgekehrt: Ein Mann kommt fast Doch die JournalistInnen haben Identität. Wenn Flüchtlinge aus pa- täglich? Daraufhin folgt kein psy- täglich betrunken nach Hause. Und gelernt. Sie betonen nun meistens triarchalischer strukturierten Gesell- chischer Ausnahmezustand? Der schlägt immer wieder die Frau (fast) nicht mehr das (angenommene) schaften nach Österreich kommen, Täter betonte mehrmals, dass ihm krankenhausreif. Einmal schlägt er Herkunftsland, sondern nennen die kann und soll da vorausgesetzt wer- die Verhöhnung »Du bist kein sie so arg, dass sie an den Folgen Vornamen der Täter: Da assoziieren den, dass sie sofort nach Grenzüber- Mann« egal war, nur der Griff an stirbt. Totschlag. Oder vielleicht die Leser automatisch, dass die (ge- tritt schon das neue, andere Frauen- die Brust … »nur« schwere Körperverletzung bürtigen Österreicher) Kemal D. bild kennen und akzeptieren? Nichts rechtfertigt die Tat. Doch mit Todesfolge (mit geringerem und Ömer S. aus der Türkei, Slavko Schön, wenn das vielen rasch ge- die Summe der Vorfälle mit religiös- Strafausmaß). Diese zwei Taten soll- und Zoran aus dem ehemaligen Ju- lingt, und wünschenswert, dass es kulturellem Hintergrund hätte doch ten nun »gleichwertig« bestraft wer- goslawien, Liba und Dunyia aus sich bei »Schwerfälligeren« rasch hinterfragt werden müssen? Und all den? Afrika stammen. Woher kommt das ändert, doch kann die unterschied- DAS sollen keine Milderungsgründe Und: Nachdem die Frau zum 100. Vorurteil, dass viele Afrikaner Dro- liche Kultur einfach negiert wer- sein? Dieser bisher gewaltlose Mal brutal geschlagen wurde, will gendealer seien? den? Mann kommt nun für 8 Jahre in sie das so nicht mehr länger aushal- 175 Häftlinge mit afrikanischer eine der ärgsten Schulen der Ge- ten. Aufgrund ihres sozialen Milieus Herkunft saßen im Untersuchungs- walt, in eines der überfüllten öster- weiß sie nichts von Frauenhäusern zeitraum August 2006 in der Josef- Mord oder Totschlag oder … reichischen Gefängnisse. Es ist zu und Notruf. Als sie vor 15 Jahren, stadt. 100 waren zu eingehenden fürchten, dass er nach der Haft nicht nach den ersten Prügeln, zur Polizei Interviews bereit, die vom Institut Ein Totschlag: Ein junger Mann, »geläutert«, sondern vielleicht als gelaufen war, wurde sie einfach wie- für Strafrecht und Kriminologie der Zeuge Jehovas, ägyptischer Herkunft Gewalttäter zurück in die Gesell- der mit der Empfehlung, »sich zu Universität Wien durchgeführt wur- ist der Täter. Seit Kindheit leidet er schaft kommt. Wäre ein Strafmodell versöhnen«, heimgeschickt. Dies- den. an einer hormonellen Störung. Die in diesem Fall nicht viel vernünfti- mal wartet sie, bis ihr Peiniger ein- »Diese Leute sind im Wesentli- Brüste entwickeln sich ab der Pu- ger, das den Täter lebenslang dazu geschlafen ist, und schneidet ihm chen Opfer und werden aus der Op- bertät außergewöhnlich stark. Für verurteilt, ökonomisch für Ausbil- die Gurgel durch. ferrolle heraus zu Tätern. Sie sind die Eltern »von Gott so gewollt«. dung und berufliches Fortkommen Auch diese Tat ist durch nichts zu nach in ihrer Heimat erlebter Ge- Daher wird diese Störung nie von der zwei Kinder des Opfers zu sor- rechtfertigen. Aber sie muss nun walt traumatisiert. Eine Gefahr ge- einem Arzt behandelt. Dafür wird gen? wegen »Vorsatz« auf jeden Fall mit gen Leib und Leben geht von ihnen er nicht nur laufend von den Mit- Egal zu welcher Geldstrafe er nun der Anklage Mord rechnen. eher nicht aus«, fasste Michael Nei- schülern, sondern auch von den in einem Zivilprozess deswegen ver- Wirklich »Mord«? Wäre da eine der, Sektionschef für Strafvollzug im Lehrern gehänselt. Er lernt bei den urteilt wird, kann er das sicher im Anklage wegen Totschlag nicht ge- Innenministerium, zentrale Ergeb- Zeugen Jevohas das spätere Opfer Gefängnis und nach Haftentlassung rechter, weil sie sich in einem psy- nisse zusammen. kennen, die ihn um Hilfe im neuen nie einlösen. Da ist Rache und Süh- chischen Ausnahmezustand (mit 90 Prozent der befragten Afrika- Haushalt bittet. Bei jeder dieser Hil- ne der Gesellschaft wichtiger als das verzögerter Reaktion) befand? ner sitzen in Haft, weil sie Drogen fen macht sie ihn nieder, weil er es Fortkommen der Kinder. Sie wer- Gerald Grassl verkauft haben. Durchschnittlich nicht gut genug erledigte. fünf Euro haben sie für eine verkauf- Einmal bestellt sie ihn zu sich, TRICKY DICKY’S SKIZZENBLÄTTER te Kokain- oder Heroinkugel erhal- um etwas abzuholen. Doch dann ten. »Das ist für sie eine der weni- nötigt sie ihn, in die Wohnung zu gen realistischen Möglichkeiten, kommen (für ihn bedeutet es einen den Lebensunterhalt zu verdienen«, Tabubruch, allein mit einer Frau in sagte der Kriminologe Christian einem Raum zu sein!). Er soll ihr Grafl. (Quelle: www.afrikanet.info). Arbeiten erledigen. Er weigert sich: Das Dilemma des Journalisten: Das war nicht ausgemacht. Er will Mit dem Aussparen dieses Aspektes die Wohnung verlassen, sie stellt einer gesellschaftlichen Wirklich- sich ihm in den Weg, kneift ihm keit, um nicht Ausländerfeindlich- schmerzhaft in die Brustwarzen und keit zu schüren, wird eine andere höhnt: »Du bist ja gar kein Mann!« Form von Rassismus erzeugt. Es Es folgt ein grausamer Totschlag, wird gleichzeitig damit verschwie- der durch nichts zu rechtfertigen gen, dass politischen Flüchtlingen ist. Bei der Urteilsverkündigung aus Afrika in Österreich legale Ar- nahm der Täter das Urteil apathisch beitsverhältnisse vorenthalten wer- an. Er hätte wahrscheinlich nicht den. anders reagiert, wenn er anstatt zu Ähnlich geschieht das mit dem 8 Jahren zu lebenslanger Haft verur- Aussparen von religiösen und kultu- teilt worden wäre. Er war bisher rellen Unterschieden. Ein Extrem- noch nie gewalttätig und verurteilt fall geschah vor kurzem in Deutsch- sich nun wohl wegen seiner Tat land: Eine Familienrichterin in selbst am meisten. Jedoch: Das war Deutschland rechtfertigte in einem kein Mord! Mord setzt den Vorsatz Scheidungsverfahren die Gewalt des voraus, dass der Täter geplant diese Ehemannes unter Berufung auf den Tat durchführen wollte. Warum plä- Koran. Es fällt auf, dass in der Ver- dierte die Staatsanwältin auf Mord? gangenheit in Deutschland so ge- Der psychiatrische Gerichtsgut- nannte »Ehrenmorde« milder be- achter stellte »keine psychische Be- straft wurden als andere Morde. einträchtigung« des Täters (Alkohol, Dieser »Kulturrelativismus« ist Drogen, Krankheit) fest. Also das TUN & LASSEN 14 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

Die Arbeitslosenpolizei – Auszüge aus einer Recherche von Christine Werner (3) Die Fleißigen stehen früher auf

Eine packende Recherche er in den Tag hinein- Diese Zeit- und Persönlichkeits- Wichtig sei, einmal gut durchzu- über die Praxis der österrei- lebt, anstatt ihn gänz- schulung sei alles andere als Zeitver- lüften, vielleicht ein wenig Gymnas- chischen Arbeitslosenverwal- lich zu verplanen, ist schwendung. Es werde jede Minute tik zu machen. »Ihre Stimme muss tung hat die GAV-Autorin, Wsuspekt und nicht sinnvoll gearbeitet. »Also reden wir lachen! Stimmübungen helfen. A, E. Netz- und Aktionskünstlerin mehr drin im Fluss. Die Trainerin von Zeit. Zeitplaner, Zeitmanage- I. O, Ü. Also gemeinsam. Mit wem des AMS-Kurses »XY« wird daher ment. Nennen Sie mir Zeiträuber. telefonieren wir? Welche Vorberei- Christine Werner unternom- angehalten, Erwerbslose wieder Wer oder was stielt Ihre Zeit? Ha- tungen treffen wir für das Telefonie- men. Mit freundlicher Geneh- zeittauglich zu machen. Für eine ben Sie viel Zeit? Offenbar Zeitüber- ren? Brainstorming. Sie tun einfach migung des Verlags »edition Zeitexpertin ist Zeitlosigkeit etwas schuss.« Ob jemand in einem Ar- so, als hätten Sie schon Ihr Leben uhudla A« bringt der Augustin Unanständiges. Berufe oder gar Le- beitsverhältnis stehe oder nicht, sei lang telefoniert!« einen dreiteiligen Vorabdruck bensbedingungen, die nicht in ihr oft schon von weitem erkennbar. Es Was heißt »Kommunizieren«? aus dem noch nicht im Han- Zeitschema passen, klammert sie da- würden die Langzeitarbeitslosen ja Brainstorming. Gruppen bilden. Mi- del erhältlichen Buch »Die Ar- her aus. Sie fühlt sich, stellvertre- nie an der Verlangsamung ihrer Be- chael K. verweigert die Kommunika- beitslosenpolizei«. Der Titel tend für den Kapitalismus, von zeit- wegungen leiden. Von deren Spa- tion. Auch das ist Kommunikation. losen Menschen, von ihren obszön- zierhaltung fühlt sich die restliche Edith C. weiß noch immer nicht, lässt keinen Zweifel zu: Die- nackten Handgelenken bedroht. Ein Gesellschaft provoziert. Wenn also was das heißt. Die Doktra sitzt ses Buch würde den Ruf des Mensch ohne Armbanduhr arbeite die Gecoachten in ein paar Wochen schon zum dritten Mal hier, also soll AMS als Institution der Hilfe mit seinem inneren Zeitrhythmus mit (wenn auch »leeren«) Aktenta- sie das erklären. Der Staat bezahlt. für Arbeitssuchende demolie- gegen das System. Zeit brauche per- schen als »Men in Grey« aus dem Und danach soll Edith C. an die Flip- ren – wenn er nicht schon fekte Verwaltung, genannt »Ti- Hause eilen werden, dann wird sich Chart kommen. Die Doktra wird demoliert wäre. ming«. Private Tragödien (Ausre- der Kurs gelohnt haben. Ein frischer buchstabieren. K-o-m-m-u-n-i-k-a-t-i- den) haben im künftigen Wirt- Farbtupfer, Sammy Molchos Körper- o-n. Wenn Edith C. mit Beruf- schaftsleben und daher auch im haltung, und schon fit für den Ar- wunsch »Haushälterin« diese einfa- Kurs keinen Platz. Hauptsache, die beitsmarkt. »So tun, als ob Sie Stress che Schreibübung verweigert, wie Uhren sind nach der Kursuhr ge- statt Langeweile hätten.« Was wis- soll sie da ihren Traumjob finden? stellt. sen Sie über das Telefonieren? Da passt die Motivationspyramide. »Wer hat schon davon gehört?« Die Friseure der Arbeitslosenstatistik sind der Meinung, ihren Teil geleis- tet zu haben.

Betteln um zwei Tage Freistellung

Erwin T. hätte sich beinahe ver- pflichtet gefühlt, etwas in die Leere hineinzusagen, stellt aber fest, dass die Mehrheit streikt, und er richtet sich meist nach der Mehrheit. Auch er lässt die Trainerin hängen (da bleibt nichts an ihm hängen). Die Motivationspyramide hat er als Lehr- lingsausbildner hunderte Male selbst erklärt. Natürlich hätte er sein Bestes gegeben, wenn die Mehrheit ihr Bestes gegeben hätte. Einen rich- tigen Aufstand gegen die Trainerin würde er ohnehin nicht mitmachen. Jedenfalls nicht, so lange er noch zur sicheren Seite überlaufen kann. Die

G Trainerin leitet also ein: »Wer zu- N A

L frieden ist, hat kaum Motivation, et- O I

R was zu verändern ….« Der Filz- A M

: schreiber kratzt auf dem Papier, eine O T

O Pyramide entsteht, die Zeit vergeht. F Wieder ein Plakat für die Wand. Hier Ein Mensch ohne Wecker, ohne Armbanduhr oder ohne das Handy, das heute die Armbanduhr ersetzt, ist dem wird die Arbeit der Trainierin groß Wirtschaftsleben nicht gewachsen. Auch sowas lernt man im AMS-Kurs. rausgebracht. Sie malt exakt von der TUN & LASSEN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 15

Vorlage im Skript ab – die Pyramide oben auf. Zu Kursbeginn wies die so nicht mehr. Und wer versteht Kursinstitut erscheinen. Das sei be- entspricht nicht ihrem Schönheits- Einpeitscherin der Geschäftsleitung schon die seine, also ist es einmal leibe kein Spaziergang. »Darauf ma- ideal, aber es reicht. auf eine Vermittlungsquote von 80 gerecht. Die Trainerin kann auch chen wir eindringlich aufmerksam!« Kapitel unzureichend erledigt, das Prozent hin. Sollen die Verbliebenen nicht mehr als ihr Kollege vorwei- Der Trainer spielt mit den Muskeln nächste folgt: »Taylorismus! Schon wenigstens eine Zeitlang denken, es sen. und bleibt derselbe wie zuvor. Aber gehört?« Da niemand reagiert, hätten die anderen den erfolgrei- Maria L. krümmt sich in der übli- was kümmert´s einen, der sich auch scheint niemand was zu wissen. Da chen Aufstieg geschafft. Widerwillig chen Verweigerungshaltung. All die ohne Kalksburg glasklar einschätzen genügt die Banalversion. Akkordar- erheben sich die vermeintlich Letz- Menschen, die sie nicht kennt und kann. beit, Prämienlöhne, wissenschaftli- ten aus ihren Stühlen, um mit den nicht kennen lernen will. Sie fühlt Dann stellt sich heraus, dass wäh- che »Vernutzung« der arbeitenden anderen vermeintlich Letzten aus sich von ihnen angekrochen. Die rend des Praktikums das Arbeits- Menschen fallen unter den Tisch. dem Nachbarkurs eine neue Versa- Doktra streikt – das würde sie be- recht außer Kraft gesetzt ist. Zwei Die Motivationspyramide macht der gergruppe zu bilden. streiten. Nein, würde sie sagen, gar Tage lang waren die Rechte von Ar- Trainerin kein schlechtes Gewissen. Die Trainerin würde sie am liebs- nichts, nur die Migräne. Und schon beitnehmerInnen Thema, obwohl Maria L., die Grafikerin, sucht um ten hypnotisieren: Körperhaltung, gar nichts gegen euch. Nie etwas ge- für Arbeitslose doch nur der Geset- zwei freie Tage an. Sie muss für eine Wissensdurst, hopp, hopp! Ihr Kolle- gen die anderen. Lieber gibt sie sich zesbruch gilt. Weil Sonja B. sich so Bewerbung ein graphisches Konzept ge soll den Hut vor ihr ziehen. selbst die Kugel. Da Ludwig W. das einen Vortrag gewünscht habe. Weil erstellen. Die dafür nötigen Compu- »Über welches Thema wollt Ihr dis- Alkoholbedürfnis nicht befriedigen dieses Kursinstitut Wünsche erfülle. terprogramme hätte sie auf ihrem kutieren?« Fortschrittlich, wie sie kann, spricht er sein Problem in Sa- Ja, es habe sich jeder Arbeitgeber privaten Computer installiert – das sich gibt, hat sie von Anfang an das chen Praktikum an, was aber nichts nach den gesetzlichen Bestimmun- Kursinstiut bietet kein Fotopro- Du-Wort angeboten. »Ihr habt also nützt. Er werde schon eine Firma gen zu richten, beim Praktikum sei gramm an. Nach all dem, was einer keinen Lernbedarf?« Der Trainer lä- finden, wird ihm versichert. Er müs- dies aber nicht der Fall, da kein Ar- hier schon eingetrichtert worden ist, chelt mitleidig auf seine Kollegin he- se! Das Praktikum sei bekanntlich beitsverhältnis im klassischen Sinn. stehen die Chancen für ein paar rab und will hart eingreifen. Nach- Teil des Kurses. Ludwig W. erinnert Schließlich seien hier alle Profiteure Tage Freistellung schlecht. Maria L.s dem die Rolle des bösen Mannes nur an die »Praktikumsbörse« im Haus. einer sehr großzügigen Arbeits- Unterschrift macht noch kein Ent- einen Komiker mit Milchgesicht aus Ja, das Kursinstitut habe natürlich marktpolitik. Die zweifache Doktra schuldigungsdokument. Nach lan- ihm gemacht hat, lächelt die Kolle- Angebote. Man sei, natürlichzum- räuspert sich und schüttelt den gem Hin und Her wird dem Ansu- gin mitleidig. Da soll einer nicht ag- zweiten, aber kein Unterstützungs- Kopf: »Bei aller Liebe, Heizmaterial chen nach Beurlaubung schließlich gressiv werden. Wie muss der seine komitee für chronische … Bequem- kann ich mir aber keines leisten!« stattgegeben. Maria L. bedankt sich Bausbacken hassen. Zwei »Schütz- lichkeit. Und, natürlichzumdritten, Sie hängt ihre Armut sonst nie an mehrmals – als hätte sie etwas ge- linge« sind ihm treu geblieben, seien Praktikumsstellen von jenen, die große Glocke. Und die Trainerin schenkt bekommen. An dieser Ge- schauen nur … auf die Uhr!! We- die selbst keine fänden, gemeinsam hat stets eine Erklärung für Armut, fühlsregung müsste sie einige Tage nigstens haben sie eine. Max I., der mit der Praktikumsberaterin zu SU- beziehungsweise kann sie sich Ar- arbeiten, aber der Kursalltag be- ehemalige Taxifahrer, Botengänger CHEN. Ludwig W. könnte beschwö- mut nicht erklären. Wer hier sitzt schert ihr die gewünschte Distanz und Nachtportier, löst in aller Ruhe ren, die TrainerInnen seien im Ge- … und so weiter und so fort. Das zur Trainerin schneller. Kreuzworträtsel. Ludwig W. hat nur gensatz zu ihm stocknüchtern. hätte der Doktra niemand zu sagen eine Sorge: den Alkoholspiegel zu Ohne Praktikum müsse er eben wei- brauchen. In diese Wunde sticht sie heben. Er versteht die Welt so oder terhin täglich um Punkt acht im sich selbst. I Schlupflöcher gibt´s überall Dass Rauchen ungesund ist, weiß ein jedes Volksschulkind Nach einigen Wochen ist die Grup- pe zu einem Grüppchen ge- schrumpft. Cara M. und Karl T., der RECHT AUF RAUCH operierte Hilfsarbeiter im Kranken- üsse einen Nichtrau- wand genommen, um die Genuss- stand, Thomas K, der EDV-Spezialist cher und schmecke feindlichkeit und die Bevormun- bei einem Vorstelltermin, Peter Z., den Unterschied«, ap- dungslust zu tarnen. G der Ex-Versicherungsmakler, und »K N pellierte ein Plakat am Gang zwi- Mit 1. Juli wird in England das A L

Norbert I., der Lehrer, schnuppern O Rauchen in gastronomischen Be- I schen den Klassenzimmern meiner R drei Tage in einem Betrieb. Nur Mi- A

trieben verboten. Um die zweihun- M Volksschule. Ich dachte damals we- : chael K., der Zahntechniker, sitzt O dert PubbetreiberInnen rufen da- T

der ans Küssen noch ans Rauchen, O brav seine Zeit ab. Auch Maria L. doch diese Querverbindung schien her zum zivilen Ungehorsam auf F bleibt nichts anderes übrig. Sonja B., mir etwas Diffamierendes – in dem und werden ihren Gästen das Rau- Selbstverpflichtung« der Gastrono- die Schauspielerin, hat sich wegen Sinne, Raucher seien unappetitli- chen erlauben. Nick Hogan, Wirt mInnen, ab einer bestimmten Lo- eines Zahnarzttermins ein paar Stun- che Menschen – zu haben. Mit die- aus Bolton, wird im »Sunday Tele- kalgröße, rauchfreie Zonen einzu- den entschuldigen lassen. Die Dok- sem Poster wurde nichts anderes graph« mit »Das ist nicht als Kam- richten. Der Zonenregelung erteil- tra, zu anständig, um sich zu drü- als Gehirnwäsche mittels Suggesti- pagne für das Rauchen, sondern als te die Dichterin, Verlegerin und cken, fällt aber wegen Migräne hin- on bei Kindern versucht. Die sug- Protest gegen Bevormundung und nach eigener Aussage »Kampfrau- ter ihre Musterschülerinschaft gestive Kampagne gegen das Rau- für Wahlfreiheit zu verstehen« cherin« El Awadalla in der Sendung zurück. chen wechselte in den letzten Jah- zitiert. »Ankerpunkt« von Augustin TV Trotz mehrerer Wochen »Erfolgs«- ren zu einer unverhohlenen Mobi- Eine Umfrage der Wirtschafts- eine Abfuhr. Ihr Weg ist aber kein Training hat noch niemand Arbeit lisierung gegen das Genussmittel kammer Wien ergab, dass vier militanter, sondern einer der Har- gefunden. Auch die Parallelgruppe Tabak. Zusehends werden Gesetze Fünftel der Befragten gegen ein to- monie und des Arrangements: ist vollständig, wenngleich fast zur erlassen, die den Stängel in öffent- tales Rauchverbot in Lokalen sei. »Früher ist man mit Nichtrauche- Gänze abwesend. Bei jedem Knastle- lichen Gebäuden oder am Arbeits- Hierzulande gibt es aber immerhin rInnen an einem Tisch gesessen ben finden sich schließlich Schlupf- platz nicht länger zum Glimmen eine klassische »österreichische« und hat sich arrangiert. Heute löcher. Schnuppertage, Arztbesuch, bringen sollen. Dabei wird immer Lösung als sprachliches Schman- muss man in getrennte Zimmer Vorstellungsgespräch und Kranken- der Gesundheitsaspekt als Vor- kerl serviert – die »freiwillige gehen.« reisch stand sind auf der Beliebtheitsskala TUN & LASSEN 16 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 Über Augustin-VerkäuferInnen und andere großstädtische Gefahren. Ein Landtags-Protokoll »Betteln ist kein soziales Problem«

Die wörtlichen Protokolle der Abgeordneter DDr. Eduard zum benachbarten Supermarkt ja nicht die, die auf der Straße sit- Sitzungen unserer Volksvertre- Schock (FPÖ) stehlen. Meine Damen und Herren! zen. Es wird ja nicht die Armut de- terInnen im Wiener Rathaus, Wir haben diese Dringliche Anfrage Jetzt schlagen auch die Eltern be- rer bekämpft, die auf der Straße sit- aus dem Internet leicht verfüg- gestellt, weil wir bei der Bettelei die reits Alarm, weil sie um die Sicher- zen. Diese Bettelei, diese organisier- bar, sind Lehrmaterial für die politisch korrekte Sprachregelung heit ihrer Kinder bangen. Kinder te Bettelei, die sich in Wien jetzt Populismusforschung. Im Fol- einmal hinterfragen und auch ent- aus der Volksschule in der Nähe breit gemacht hat, dient ja einzig ei- genden Ausschnitte aus der larven wollen, eine politisch korrek- werden nämlich bedrängt, und eini- ner ganz kleinen Gruppe, einer Landtagsdebatte zum Bettelver- te Sprachregelung, die immer heißt: ge dieser Schulkinder müssen aus ganz kleinen kriminellen Gruppe, »Armut kann man nicht verbieten.« Angst bereits ihr Taschengeld her- das sind Bandenbosse, die sich ei- bot, die vor einigen Wochen Aber, meine Damen und Herren, geben. Ein Bub, der 9 Jahre alt ist, nen Lebensstil leisten, indem sie stattfand. Die Beiträge von diese politisch korrekte Sprachrege- braucht psychologische Hilfe. Der Leute auf die Straße schicken, ei- Rechtspolitikern suggerieren, lung ist ja, wie es meistens bei die- 9-jährige Dominik geht in einen nen Lebensstil, den wir doch wirk- Wien zähle zu den unsichers- sen Sprachregelungen ist, einfach Hort in der Marktgasse, der muss lich nicht möglich machen sollten. ten Großstädten der Welt. Als grundfalsch. Denn wie schaut denn Tag für Tag durch die Bahnhofshal- (…) ob die No-Future-Situation ins- die Realität aus? Es gibt die organi- le, und sein Vater berichtet: »Die Es geht ja nicht nur um die Stra- besondere für slowakische und sierte Bettelei, die Bettlermafia. schulischen Leistungen meines Soh- ßenbettelei allein, und jeder, der rumänische Roma nicht hinrei- Hauptsächlich aus Osteuropa stam- nes haben in den vergangenen Wo- sich ein bisschen damit beschäftigt, men die Bettler und werden eigent- chen stark nachgelassen, und seit weiß ja, dass auch die Begleitkrimi- chend dokumentiert wäre, be- lich mit Zwang von ihren Bossen, kurzem wissen wir auch, warum. nalität eine nicht zu geringe ist. Was haupten die ausgewählten Red- von den Bossen der Bettlermafia, in Schon seit Tagen wird der Bub auf passiert denn wirklich, wenn die nerInnen unisono, hinter der organisierten Fahrten nach Öster- dem Heimweg von einem obdachlo- gutherzige Wienerin ihr Börsel öff- Bettelei dieser Menschen ste- reich gebracht. Sie werden in sen Polen angesprochen, der ihn net, um da jetzt 50 Cent oder 1 cke kein soziales Problem. Tat- schlechtesten Unterkünften unter- täglich aggressiv um ein paar Cent Euro oder vielleicht auch 2 in das sächliche Hinweise auf Grup- gebracht und auf ihren Standplät- anbettelt. Der Bub leidet seit den hingehaltene Becherl zu werfen? Da penreisen von »Betteltouristen« zen abgeliefert. Dann wird von so Vorfällen an Schlafstörungen, hat steht ja hinterm nächsten Hauseck werden zur Konstruktion einer genannten Aufpassern abkassiert, Angstattacken durch diese Bettelei bereits einer, der genau beobachtet, und die Bettler müssen ihre Losung und traut sich nicht einmal mehr wo diese Dame dann ihr Geldbörsel »Bettlermafia« missbraucht. sofort wieder hergeben. zur Schule.« Meine Damen und einsteckt und hupp, wupp, hinter durch inflationäre Wieder- (…) Herren! Da frage ich Sie: Wie lange der nächsten Ecke hat sie ihre Brief- holung soll, so das populi-sti- Die U-Bahnen werden von diesen wollen Sie hier eigentlich noch war- tasche nicht mehr. So schaut ja die sche Kalkül, in der Stadt Angst Bettlern geradezu gestürmt. Ein U- ten? Was muss noch alles passieren? Realität aus. Ja, glauben Sie, in den vor ihr entstehen, als ob die Bahn-Benützer berichtet etwa, dass Wir fordern Sie auf: Nehmen wir Bussen, die da tagtäglich in Wien »Mafia« eine reale Erscheinung vor allem die neuen Garnituren in doch endlich die Wienerinnen und ankommen, sitzen nur diese Bett- wäre. Ein zweifacher Doktorti- der U6 hier betroffen sind, wo es Wiener in Schutz! Beschließen Sie ler drinnen, die dann auf der Straße tel, wie die Dokumentation keine Zwischentüren mehr gibt, wo mit uns ein Bettelverbot, meine Da- zu finden sind? So ist es nicht. In zeigt, schützt nicht vor tiefstem die Bettler ganz vorne einsteigen, men und Herren! Wirklichkeit fahren da natürlich dann durchgehen und jedem Benüt- auch die mit, die dann auf Ein- Stammtischniveau … zer der U-Bahn dort ihre bettelnde bruchstour gehen. Das hängt ja alles Hand entgegenstrecken. Die Durch- Abgeordnete Veronika zusammen. Ein Zweig ist die Bette- sagen, die es gibt, sind lobenswert, Matiasek (FPÖ) lei, ein Zweig ist der Taschendieb- aber die sind zuwenig. Es müsste Natürlich ist Betteln in seiner ur- stahl. Das ist untrennbar verbun- da natürlich die Aufsicht der U- sprünglichen Form von einem so- den. Es geht also nicht nur um die- Bahn einschreiten und die Bettler zialen Aspekt begleitet, das ist ja se explosionsartig aufgetretenen sofort aus der Station verweisen. keine Frage, nur wir haben es hier Straßenbettler. Ich glaube, es ist Das nächste Beispiel. Eine Frau be- und heute in Wien in ganz überwie- wirklich notwendig, auch im Sinne richtet: »Als ich in Hütteldorf einem gender Mehrheit mit einer Bettelei unseres Straßenbildes, dass wir besonders lästigen und zudringli- zu tun, die keinen sozialen Hinter- Schluss machen damit. Viele Ge- chen Bettler kein Geld gab, warf grund hat. Das Geld, sehr geehrte schäftsstraßen ziehen ja nach und dieser mir voll Zorn seine Krücken Damen und Herren, das gutherzige nach nicht nur Bettler, sondern nach.« Ein letztes Beispiel: Aggres- Wienerinnen und Wiener spenden auch andere Kriminalität an, und sive Bettlerbanden und Obdachlose – und ich behaupte nun einmal, die diese Form organisierter Kriminali- treiben seit Jahren beim Franz-Jo- Österreicher und auch die Wiener tät können und dürfen wir nicht sef-Bahnhof ihr Unwesen, im 9. Be- sind grundsätzlich ein spendenfreu- dulden. zirk, in Wien-Alsergrund. Dort, mei- diges Volk, sind ein gutherziges ne Damen und Herren, machen die Volk und schauen nicht gerne zu, Bettler nicht einmal mehr vor Volks- wenn ein anderer leidet – das Geld Abg. Dr. Wolfgang Aigner schülern Halt. Viele Schüler, auch geht nicht an sozial Bedürftige, mei- (ÖVP) Jugendliche, haben Angst vor den ne sehr geehrten Damen und Her- Ich finde es sehr gut von Seiten der Obdachlosen. Wenn sie nicht gera- ren, der soziale Aspekt ist es ja in Wiener Linien, dass durch Durchsa- de betteln, gehen einige von ihnen dem Fall nicht. Die Gewinner sind gen kundgetan wird, dass diese or- TUN & LASSEN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 17

dern zu lindern. Das können wir ße arbeitet und dann nach Hause nicht, das würde alle überfordern. fährt. Ich gehe beim Tor hinaus, Dafür ist jedes Land auch selbst ver- rechts von mir sitzt Bettlerin Num- antwortlich. Wir als Wiener Ge- mer 1. Links von mir gibt es Bettler meinderäte und Landtagsabgeordne- Nummer 2 seit dem BAWAG-Über- te sind dafür verantwortlich, dass fall nicht mehr. Das waren Rollstuhl- sich in unserem öffentlichen Raum bettler, die sich abgewechselt haben. alle Wiener, die Einwanderer, die Die haben sich damals von der Poli- Gastarbeiter, die Touristen wohl füh- zei abschrecken lassen. Man geht len. In eine Stadt, in der man sich dann etwas weiter und findet im wohl fühlt, in die kommt man auch Hochsommer gegenüber die Hüt- gerne, und alle die, die zum Wohl- chenspieler. Jetzt sind sie noch nicht fühlen kommen, sollen auch bei uns da. Weil es kälter ist, haben sie wie- willkommen sein, und jenen, die der aufgehört. Zwischendurch kom- den öffentlichen Raum dazu benüt- men irgendwelche Leute, die mit zen, da kriminellen Machenschaften Eseln oder Pferden für nicht vorhan- nachzugehen, denen müssen wir dene oder obskure Zirkusse betteln. ein klares und eindeutiges Stopp- Dann kommen die Punks, die he- schild entgegensetzen. rumstehen: »Host an Tschick oder host an Euro fürs Telefoniern?« Die meisten sind durchaus auch aggres- Stadtrat Johann Herzog (FPÖ) siv, mit Hund oder ohne. (Abg. Ernst Der Betteltourismus aus Rumänien, Nevrivy: Die sind nicht so aggressiv aus der Slowakei, aus Bulgarien ist wie Sie!) Dann kommen noch die kein soziales Problem! Das ist ein- Harmloseren mit dem Tetrapack, die fach nicht wahr! Das ist eine Form Wiener Sandler, die dort das Stadt- von Clanunwesen, wo jemand ver- bild verschönern. (Abg. Karl Dam- sucht, die wohlhabenderen Städte pier: Ganz zum Schluss kommt der Mitteleuropas entsprechend abzu- Herr Jung und verteilt noch etwas!) grasen, um sich, vor allem an den Dann gehen Sie in die U-Bahn hi- Spitzen dieser Banden, ein Leben nein, Herr Kollege, kommt einer mit R I von Fürsten zu vermitteln. einer alten Autobatterie und einem M E . Rekorder, wimmert Ihnen die Oh- M

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O ren voll und Sie können sich nicht T O

F Abgeordneter Mag. Wolfgang dagegen wehren. Sie können sich Jung (FPÖ) Der macht’s falsch. »Nach dem Krieg waren wir auch arm. Aber wir haben die Ohren nicht einmal zuhalten, nicht gebettelt«. Auf der Mariahilfer Straße habe ich weil Sie die Hände über den Ta- vor kurzem etwas verteilt (Abg. schen haben müssen, damit Ihnen ganisierte Form der Bettelei nicht merksam zu machen. Ich glaube, Dipl.-Ing. Omar Al-Rawi: Was haben in den Wiener U-Bahnen nichts ge- erwünscht ist, dass man den Armen, diesen Menschen in unserem Land Sie verteilt?), und ich arbeite auch in stohlen wird. Das Nächste ist, Sie die es natürlich gibt, auch überhaupt gilt in erster Linie unser Mitgefühl. diesem Bereich. Jetzt werde ich Ih- kommen nach Hause, wollen ein- nicht hilft, wenn man ihnen etwas Unser Sozialsystem ist nicht dazu da, nen einmal erzählen, was passiert, kaufen gehen, steht vorne wer, der gibt, sondern man finanziert nur die die Not in allen umliegenden Län- wenn man auf der Mariahilfer Stra- Ihnen das Wagerl abnehmen will Bosse im Hintergrund. Ich glaube, das kann ja nicht unser aller Anlie- BESTELLSCHEIN gen sein. Zum anderen gilt es schon festzuhalten, dass wir auch nicht sämtliche sozialen Probleme unse- für ein AUGUSTIN-Abo (25 Ausgaben) rer Nachbarländer lösen können. Es ist hier schon gesagt worden, um 70 Euro Geschenkabo ab 70 Euro dass die Österreicher sich in punkto Förderabo ab 90 Euro Hilfsbereitschaft wirklich keinen schlechten Spiegel vors Auge halten Name: ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– müssen. Wir sind zu Recht Spenden- weltmeister. Jeder Österreicher spendet einen Betrag von weit über Adresse: ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 100 Euro nicht nur für die Not in DIE ERSTE der Ferne, sondern auch für die Not ÖSTERREICHISCHE PLZ: Ort: Tel.: im eigenen Land. Uns geht es vor BOULEVARDZEITUNG –––––– –––––––––––––– –––––––––––––––––––––– allem um die versteckte Armut, um die Menschen, die trotz Arbeit nicht Die Rechnung genug verdienen. Denen muss man geht an: Name & Adresse: ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– helfen, die sich zu schade sind, sich (Nur bei Geschenkabo irgendwo hinzustellen und ihre Ar- ausfüllen) –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– mut oder ihre vorgeschützte Armut nach außen zu stellen und damit auf –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– eine eher aufdringliche Weise auf- Einsenden an: AUGUSTIN Mostgasse 7/3; 1040 WIEN ABO-Tel. 587 87 90/Fax 587 87 90-33 18 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 und den Euro einlöst. Wenn Sie Herr Jung, ich habe einen Augustin Bettler gesehen habe? Die ersten tion und die grünen Abgeordneten nicht zum Billa, sondern zum Mer- gekauft!) – Sie können ihn ja ver- Bettler habe ich in den 60er Jahren haben in ihren Ansprachen tapfer kur in meiner Umgebung gehen, kaufen gehen, den Augustin! Stellen am Balkan gesehen, und es hat mich dagegengehalten. FPÖ und ÖVP dann steht dort der Nächste, der Ih- Sie sich dort oben hin, wie mit dem zugegebenermaßen schockiert. sind mit ihren Anti-Bettler-Anträgen nen einen Augustin aufdrängt. Das »Wachturm«. Das dürfen Sie ruhig Denn man kann arm sein, hat mei- nicht durchgekommen. Von der SPÖ kann in einem Lokal genauso pas- tun. ne Großmutter immer sehr richtig wünschten wir uns eine eindeutige- sieren, wie es mir gestern auch pas- Meine Damen und Herren, ich gesagt, aber man muss nicht dreckig re Ablehnung der Bettelverbots-Lo- siert ist, zum Beispiel im Café Ritter. bin in der Nachkriegszeit aufge- sein. Dagegen kann man etwas tun. sung. SPÖ-Vertreter Kurt Stürzenbe- Da kommt einer herein, und wenn wachsen. Da war wirklich sehr viel Diese dort waren aber, und das sage cher in der Schlussrede der Debatte: man den Augustin nicht kauft, be- Armut, Not und Elend. Es gab Hun- ich Ihnen, das war mein Eindruck Wenn Menschen trotz der erfolgrei- kommt man nachgeredet: »Aber derttausende Heimatlose, Entwur- und das war Faktum, schmutzig und chen Sozialpolitik in Wien glaubten, eine Spende geben Sie mir schon!« zelte und Arme in Österreich. Aber in abgerissenen Kleidern. Was mich durch Betteln ihre soziale Lage ver- Und wenn Sie dann nichts tun, ha- ich erinnere mich sehr gut, gebettelt geschreckt hat, war, sie scheuten bessern zu können, sollte man das ben Sie eine blöde Nachrede. So ist damals nicht worden. Ich erinne- sich überhaupt nicht, sich lautstark »nicht generell mit autoritären Mit- schaut es in der Realität aus! Dann re mich noch gut, wie die Kriegs- und penetrant bemerkbar zu ma- teln unterbinden, sondern für diese geht es am Abend zum Heurigen blinden sogar von Tür zu Tür gegan- chen. Ihre eigenen Landsleute ha- normale Bettelei muss es Platz ge- und da kommt einer, der Ihnen ein gen sind und die von ihnen herge- ben uns damals vor ihnen gewarnt. ben, und dagegen kann man nicht Plastikspielzeug und irgendeine Kar- stellten Bürsten und Besen verkauft Heute sitzen die gleichen Leute bei vollkommen polizeistaatlich vorge- te auf den Tisch stellt und nachher haben. Die Älteren hier wissen es, uns, und wer warnt uns heute? hen.« Also in bestimmten Fällen ein absammeln kommt. Das ist die Rea- gebettelt wurde nicht. (Abg. Inge Ja zu autoritären Mitteln und ein Ja lität in Wien! Zankl: Gebettelt wurde sehr wohl!) Landtag, 9. Sitzung vom zum polizeistaatlichen Vorgehen? Österreich ist ein Sozialstaat. Sie Ich bin nicht in Wien aufgewachsen 30. 3. 2007 Tatsächlich scheint in Wien unter ei- von den GRÜNEN haben durchaus (Abg. Inge Zankl: Ich bin in Wien Wörtliches Protokoll aus: nem SP-Bürgermeister schleichend Recht, wenn Sie sagen, es gibt im- aufgewachsen!), aber ich sage Ih- www.wien.gv.at/mdb/ltg/2007/l das zu passieren, was VP und FP so- mer auch Arme, und es gibt zu vie- nen, in Oberösterreich hat es das fort wollen: Gestrandeten wird im- le Arme. Da stimme ich Ihnen zu. nicht gegeben. und es gab genügend mer klarer die Botschaft vermittelt, (Abg. Christian Hursky, eine Ausga- Arme. Anmerkung der Redaktion: Die dass ihre Präsenz in dieser Stadt un- be der Zeitung Augustin herzeigend: Wissen Sie, wann ich den ersten sozialdemokratische Mehrheitsfrak- erwünscht ist.

MEHMET EMIRS BRIEFE AN DEN VATER In der schönen sauberen Stadt den Faden zum Glück verloren

Hallo Vater! denen habe ich studieren lassen, Wie geht es dir? Wie geht es zumindest ihnen die Möglichkei- meiner Mutter und den Geschwis- ten zum Lernen eröffnet, wenn R tern? Meinem Onkel geht hof- ich auch keinem meiner Kinder I M E

fentlich auch gut! Hier ist alles wie ein einziges Buch gekauft habe. . M

vor einem Monat! Nichts Großarti- Aber das Geld habe ich zur Verfü- : S O

ges hat sich verändert. Wir haben gung gestellt. Konsequenter als T O mit der neuen Regierung genau ich bist du schon, Vater. F so viele Arbeitslose, genau so vie- Obwohl es die Ausstellung mei- Vater Sohn le Obdachlose … Da und dort gibt ner Fotos seit vier Jahren gibt, hast es anscheinend gewisse Verbesse- du es nie geschafft, sie dir anzu- Was uns in der Stadt bewegt. Ob- Lieder. Ich möchte hinausschreien. rungen, aber es sind mehr schöne schauen. Wenn du nicht zu mir wohl wir uns eigentlich in der Ein Knoten in der Seele. Warum Zahlen und Statistiken. Ich freue nach Wien kommst, dann komme schönen sauberen Stadt glücklich sollen Menschen um mich herum mich auf dich und meine Mutter. ich zu dir. Heute traf ich einen sehr schätzen müssten, sind wir nicht sein? Wenn sie um mich herum Wir sehen uns in Diyarbakir bei guten Freund von mir. Er ist aus glücklich. Irgendwann haben wir sind, kann ich sie nach einiger Zeit der Eröffnung meiner Ausstel- Süleymaniye, Nord-Irak. Er hat ein den Faden zum Glück verloren. nicht ertragen. Es hat mir wahr- lung. Vater, viele lesen sehr viel, ähnliches Schicksal wie ich. Ihm er- Obwohl uns die Wiener Gastro- scheinlich gereicht, als ich mit 13 um daraus Zitate zu holen, die sie zähle ich über unser bevorstehen- nomen sehr gern haben, weil wir Kindern jahrelang in einem sehr für sich verwenden können. Ich des Treffen. Ihm erzähle ich auch auch meistens unser hart verdien- kleinen Zimmer geschlafen und bin aber so mit mir beschäftigt, über mein Vorhaben. Dass ich tes Geld bei ihnen lassen, sind wir gegessen habe. Immer noch dass nicht zum Lesen komme. Die auch deinem Garten in der Nähe nicht glücklich. Auch wenn ich ängstlich wie damals auf den Ber- Ruhe habe ich nicht. Ich kann mich von Elazig einen Besuch abstatten theoretisch die Möglichkeit habe, gen. Dort ist mir zwar nichts pas- übrigens nicht erinnern, ob du werde, um Maulbeeren zu essen. wieder nach Hause zu fahren und siert, aber ängstlich bin ich wei- oder die Mutter mir je ein Buch Er ist sehr berührt. Die Augen sind dort zu leben: Ich kann es nicht. tergezogen. Wie lange werde ich zum Lesen gekauft habt. Ich bin plötzlich voller Tränen. Aber er Die Verwurzelung! Als ich verhei- diese Gefühle noch haben? Ich ein Spiegelbild von dir. Du be- lässt sie nicht hinausfließen. Er ratet war, dachte ich mir: Das ist hoffe nicht bis zur meiner Pensio- schäftigst dich mit deinem Garten, nimmt sie zurück. Ich biete ihm das Leben! In der Zeit habe ich nierung. setzt dich aber nicht mit deiner in- an, mit mir zu fahren. Er mag mich auch nicht wohl gefühlt. Ent- Unsere Gene bestimmen alles! neren Welt und deiner Vergan- nicht mitfahren, weil er dort wäh- weder bin ich nicht fähig, irgend- Das habe ich von der Frau eines genheit auseinander. Vielleicht rend der Reisen über Diyarbakir eine Beziehung zu führen, oder Augustinverkäufers gehört! denkst du dir: Ich habe es voll- nach Süleymaniye mit der Polizei bin ich dazu verdammt, alleine zu Vielleicht stimmt es! Auf jeden bracht, acht Kinder habe ich auf sehr schlechte Erfahrungen ge- leben. Ich höre mir gerade Hirten- Fall, meine Gene spielen verrückt! die Welt gebracht, manche von macht hat. Wir reden über uns. flötenmusik an! Es sind traurige Dein Sohn Memo KREUZ & WORT NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 19 Daham is daham

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WAAGRECHT: 1. bringt uns ferne Unterhaltung ins Haus 16. informelle nes geistiger Fähigkeiten 63. spielte einen großartigen Meuterer auf der Stasimitarbeiter, kurz 17. nicht giftig, rot und säuerlich auch – wächst solch Bounty 64. dienstlich veranlassen Kirsche am Hartriegelstrauch 18. von Xerxes kommend irrt er ruhelos um- SENKRECHT: 1. trefferloses Ergebnis beim Sinnieren über den Sinn des Le- her 19. macht man lange mit zähem Fleisch, vor und hier zurück 21. Tier- bens 2. Teil einer Ameise 3. in London von unten nach oben wachen 4. Be- chen liebt und wohnt in menschlicher Schambehaarung 23. verkürztes richterstatter aus dem kleinen Umfeld 5. vier senkrecht abgekürzt 6. Bös- Hallenbad 24. erhofftes Endziel für Buddhisten 26. Fahrschulkürzel für den artiges und Durchtriebenes 7. erster Teil der Teilzeit 8. dieser Bogen ist zum kleinen B-Führerschein 27. Jude Law spielte diesen Herzensbrecher 29. ita- Beugen 9. liegt in Salzburg und führt Salz 10. als Geschütz bekannt und lienischer Leuchter 31. Symbol nach dem ersten jüdischen König 33. obe- voll wie sie kann man sein 11. United States Ship, abg. 12. Elternverein in re Sichtachse reduziert 35. Versandabteilungen 37. griechischer Kollege Vereinssprache 13. die das Seil tanzt 14. trägt die Krankenschwester vor des Kriegsgottes Mars 38. um Liebe geht der Gaul zu ihr 39. Spompana- ihrem Namen auf dem Revers 15. gesund soll er sein, sittlich sowieso und deln sagt dazu der Wiener 41. Teil beim Einbruch 42. KW seinerzeit 43. be- einwandfrei auch und ja nicht locker 20. vierundzwanzig Stunden frei von ginnendes Leben 44. keiner ist völlig durcheinander 45. der eine sagt Vati, Erwerbsarbeit 22. der Libanonbaum 23. hier etwas wirr 25. Augenblick die andere so 46. steht vor einem guten Stückerl und heißt Appetit 27. Lepradoktor Initialen 28. dieses Sehen kommt jetzt digital 30. der, der 48. Kurzform der Dokumentaristenproduktion 50. ganz klein schreiben untersucht wird 32. Vogelgefiederrand 34. englische Tanten kommen von 52. dort steht die Zentrale von Al Dschazira 53. Inhalte, die es nicht ins In- unten 36. Ann and Pat spielen Versteck 40. sommerliche Futtermittelpro- teressezentrum schaffen 55. wenn sie will kann die Laborantin dort arbei- duktion 45. Herrn Lendvais Initialen 47. Tantal Symbol 49. nicht ganz un- ten 56. bei diesem Sport wird mit kleinen Pfeilen auf eine runde Scheibe orthodox 51. damit beginnt das Entkernen 54. südmarokkanischer Fluss geworfen, nicht existente Mehrzahl 58. dieser Wurzelstock liefert Magen- 57. Pendant zu Jun (ior) 59. Initialen eines bedeutenden deutschen Bun- mittel und Gewürz 61. Theaterstück von Henrik Ibsen 62. Sprache ist je- deskanzlers 60. im Zentrum von Graz 62. steht für virtuelle Organisation

PREISRÄTSEL Name: Lösung Nr. 204: GEIGENSPIELER Adresse: Die Gewinnerin: Waltraud FRIESENBICHLER Einsendungen (müssen bis 27. 6. 07 eingelangt sein) an: 1140 Wien AUGUSTIN, Mostgasse 7/3, 1040 WIEN PLZ.: Ort: MARKTPLATZ 20 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

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ind rassistische Beschmierun- ist, die oft monatelang an Haus- – zu warten, bis die Gesellschaft derheiten – entgegenzuwirken. gen Indikatoren für gesell- wänden prangen, ohne entfernt sich mit Durchstreichen und Ent- Die Dokumentation, Ahndung und Sschaftliche Entwicklungen zu werden. Dabei wirken diese Pa- fremdungen gegen rassistische Be- Entfernung rassistischer Schmiere- und stellen sie ein unverzichtbares rolen wie Werbeplakate, werden schmierungen positioniert, da ei- reien ist somit eine wichtige Prä- Frühwarnsystem für Gesellschafts- bewusst und unbewusst wahrge- nerseits die ursprüngliche Parole ventionsmaßnahme und ein we- probleme dar? Ist deshalb von ih- nommen und führen durch ihre sichtbar bleibt und/oder andere sentliches Anliegen der der antiras- rer Entfernung abzuraten, da die- Omnipräsenz schließlich dazu, dass Gruppen ausgegrenzt werden. Zu- sistischen Szene. se das Problem im wahrsten Sinne sie als »normal« erachtet und so- dem darf nicht vergessen werden, Im Übrigen: Dass Rassismus exis- des Wortes »unsichtbar machen« mit Legitimation in der Gesell- dass zahlreiche Beschmierungen tiert und ein gesellschaftliches Pro- würde und zudem zu einer Verfol- schaft finden. Um solchen bedenk- unter den Tatbestand der Verhet- blem darstellt, wissen wir – auch gung der gesamten Graffitiszene lichen Entwicklungen entgegenzu- zung fallen – und Meinungsfrei- ohne rassistische Beschmierungen führen könnte, oder sind Graffiti wirken, dokumentieren Rassismus heit endet dort, wo diese beginnt. an den Hauswänden. selbst das Problem und deren Ent- Streichen und ZARA rassistische Be- Somit geht es bei der Entfer- Caroline Manahl fernung eine wichtige Präventions- schmierungen, bemühen sich um nung rassistischer Beschmierungen maßnahme? deren Entfernung und um eine Lö- nicht darum, gesellschaftliche Pro- Melden Sie rassistische Beschmierun- Der antirassistische Stadtplan sung des Problems durch die Stadt bleme unsichtbar zu machen, son- gen und fordern Sie die Stadt Wien da- der Initiative Rassismus Streichen Wien. dern durch deren Entfernung Aus- mit auf, das Problem endlich zu lösen: zeigt deutlich, wie übersät Wien Denn es ist nicht ausreichend – wirkungen – wie einer Verschlech- www.zara.or.at von rassistischen Beschmierungen wie GraffitiforscherInnen fordern terung des Klimas gegenüber Min- www.rassismusstreichen.at KRAUT & RÜBEN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 21

I W IDDER S TIER Z WILLING A 21.3.–20. 4. 21.4.–20. 5. 21.5.–21. 6. Mehr und mehr ärgerst du dich über den schlei- Dein ganzes Leben mühst du dich nun schon ab, Friede, Freude, Eierkuchen. Beliebt chenden Verfall deines Körpers. Zähne, Haut, Au- um zu den »richtigen Leuten« zu gehören. Zu den sein, alles auf die Reihe kriegen. Das sind deine D gen, Bindegewebe, das alles ist nicht mehr das, Guten, den Erfolgreichen, den Schlauen, den Schö- Wünsche. Das sind aber die Wünsche von was es einmal war. Das alles hat aber einen Sinn! nen oder Reichen. Dabei hast du ganz übersehen, jeder/jedem. Und du bist sicherlich kein S Es erinnert dich immer wieder an deine eigene dass du in keine dieser vorgefertigten Modeln Jedermann, geschweige denn eine Jedefrau. Kehre Sterblichkeit. Damit du, wenn es so weit ist, nicht passt. Verwende ein wenig Zeit auf die Suche nach die Wünsche der Allgemeinheit einfach um. Dann N so blöd schaust. dir selbst. bist du einzigartig. T K REBS L ÖWE J UNGFRAU A 22. 6.–22. 7. 23.7.–23. 8. Wer bei dieser Affenhitze schwitzt Du wirst es kaum glauben, aber cool 24. 8.–23. 9. wie eine Sau, ist natürlich ein armer Hund. Du sein ist nicht mehr in. Um heute als »hip« zu gel- Du hast keine Ahnung, wie du deine aber könntest dies zum Anlass nehmen, dich wie- ten, muss man zornig sein. Zornig auf die Welt, wie Lebensgeister zurückbekommen sollst? Geh ein- R der stärker auf deine animalischen Anteile zu be- sie ist, zornig auf die Mächtigen, zornig über die fach am 5. Juli um 13.27 Uhr barfuß durch hohes, sinnen. Reib dich an deine/r/m Liebsten, provo- Verlogenheit der Medien, zornig auf die versuchte nasses Gras. Dort wird dich eine Biene stechen, zier den Alpha-Rüden im Büro, pinkle in den Rinn- Gängelung des frei denkenden Individuums. Viel- und schon hast du deine Lebensgeister wieder. stein. Kurz: Zeig deiner Umwelt, dass auch deine leicht kriegst du das auf die Schnelle hin. Ansons- Wasserflasche nicht vergessen! zivilisatorische Zügelung eine sehr dürftige ist und ten wartest du einfach, bis wieder cool sein in ist. A du auch ganz anders könntest. O S KORPION S CHÜTZE WAAGE 24.10.–22. 11. K 24. 9.–23. 10. Der Mai ist vorbei und die Liebe hat dich noch 23. 11.–21. 12. Wenn du drei Reiter siehst, die einen S Natürlich musst du etwas für deine Gesundheit immer nicht in ihrem Netz gefangen. Langsam schneeweißen Vogel fangen wollen, wenn du drei tun. Und je eher, desto besser. Aber es braucht aber sicher bist du es leid, dich ihr ständig vor die weiße Lilien siehst, die die drei Reiter fangen wol- dazu kein neues Equipment. Die Turnschuhe und Füße zu werfen. Hier musst du einfach das Alte len, wenn du einen Schwarm Bienen siehst, die I die kurze Hose, die du ohnehin im Schrank hast, Testament anwenden: Aug um Auge, Zahn um sowohl Reiter als auch Lilien fangen wollen, dann tun es fürs Erste auch. Zahn. Verbann sie aus deinem Herzen, dann kommt sie schon wieder angekrabbelt. brauchst du dir um deine psychische Gesundheit H keine Sorgen zu machen. Du hast einfach eine blü- R hende Fantasie. Somit kannst du jederzeit aus der S TEINBOCK WASSERMANN Realität fliehen, wenn sie dir nicht mehr passt. 22.12.–20. 1. 21. 1.–19. 2. Du kannst dich freuen. Die Österrei- Die Sommerleichtigkeit, auf die du O E chische Wirtschaft wird heuer noch stärker wach- dich so gefreut hast, will sich bei dir heuer ein- sen als bisher angenommen. Die unselbstständig fach nicht einstellen. Reiß endlich die schweren F ISCHE Erwerbstätigen haben zwar, so sagen die Progno- Brocken aus deinem Ich und mach ein Kunstwerk 20. 2.–20. 3. sen, das Wenigste davon, aber wir alle stehen jetzt draus. Oder bring den Schutt der MA 48. Die Derzeit passt dir wieder gar nichts. Damit du nicht S in der Welt besser da. So wird ein wenig Glanz Müllprinzessinnen - und Prinzen werden sich zum Griesgram mutierst, trink eine Flasche Sekt W auch auf dich fallen. freuen. und iss eine Leberkässemmel. Prost und Mahlzeit!

CHRISTAS SPARKÜCHE Bries

angsam arbeiten wir uns in möglich genießen, zum Beispiel in und Zungenwürfel hinein und paar Löffel der Reihe »Tabulos kochen« Butter und Olivenöl sanft gebra- schmeckt das Ganze mit Zitrone, Suppe und Lbis zum Allerheiligsten vor … ten, mit Schalotten und Petersil Salz und Pfeffer ab und zieht Weißwein unter Bries verstehen die Köche gewürzt und Erbsen als Beilage noch einen Eidotter darunter. dazu, lässt diese Sauce etwas ver- (nicht nur die, natürlich!) die Thy- als Ris de veau Clamart. Sie können auch Bries mit Li- kochen und danach das Bries da- musdrüse, die das Wachstum be- Ein Klassiker in Wien ist das Ge- monensauce kredenzen: Für die rin ausdünsten. einflusst und sich nach der Puber- backene Kalbsbries: Das leicht Sauce hacken Sie ein kleines Zwie- Christa Neubauer tät zurückbildet. Zu kaufen krie- abgekochte und von den Häuten berl sehr fein und lassen es mit 2 gen wir sie nur vom Kalb. Das befreitet Bries wird in Stücke ge- Löffel Zucker und 8 dag Butter Bries (oder auch Kalbsmilch, Brie- schnitten, gesalzen, in verquirl- hellgelb anrösten, stauben mit et- INFO sel) gilt als eines der feinsten Stü- tem Ei und Semmelbröseln pa- was Mehl und geben ein Stück Zi- cke des Kalbs und findet sich zum niert und in Butter braun geba- tronenschale, den Saft einer Zitro- Quellen: Glück immer wieder auf Speise- cken. Als Beilage eignet sich jun- ne und ein bisserl Suppe dazu. Liselott Alverdes: Ich koche für karten der Wiener Küche. In unse- ges Gemüse. Gut verkochen lassen und nach dich. F. W. Peters Verlag 1940 rer Familie gilt es als Senioren- Versuchen Sie es aber durchaus Geschmack salzen. Die Schale vor H. Appelshofer (Hrsg.): Neues Wirt- mahlzeit, weil es auf der Zunge auch mit einem Kalbsbries-Fri- dem Servieren herausnehmen. schaftslexikon. Band 1: Die Küche. schmilzt und dritte Zähne nicht kassee: ein Bries und eine Kalbs- Das gekochte Bries mit der Sauce Leitner & Co 1950 belästigt. zunge werden gekocht und in und Reis anrichten. Deutsche Kochschule in Prag: Kulinarik-Guru Waverley Root Würfel geschnitten (die Zunge Gespicktes Bries: Wer den Sammlung von erprobten Speise- vorschriften. Verlag der deutschen respektiert aufwändige Zuberei- vorher enthäuten). Nun gibt man Aufwand nicht scheut, spickt das Kochschule 1907 tungsarten (die alte Wiener Kü- einige geschnittene Champignons Bries mit dünnen Speckfäden und che servierte Bries unter anderem Waverley Root: Wachtel, Trüffel, in schäumende Butter, dünstet sie dünstet es mit 4 dag Butter. Mit Schokolade. btb 1996 auch, als Farce mit Sardellen und kurz, gibt dann etwas Mehl hinzu, weiteren 4 dag Butter und 3 dag Eidottern, in Austernschalen), will Christoph Wagner: Das Lexikon der füllt mit dem Kochsud zu einer sä- Mehl bereitet man eine dünne, Wiener Küche. Deuticke 1996 Bries aber selber so schlicht wie migen Sauce auf, gibt die Bries- lichte Einbrenn, gießt jeweils ein VORSTADT 22 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

David Forster: ein unbequemer Fußballhistoriker Der Durch-Forster

In der aktuellen Ausgabe des tentasche. Wenn er von seinen In- Die Diplomarbeit als Kriegs- und Nachkriegszeit kenn- Fußballmagazins »ballesterer« vestigationen berichtet, schwingt in Eintrittsticket zeichnet. »Man kommt davon ab, berichtet David Forster über jeder Geste eine Leidenschaft mit, einfach und vorschnell zwischen Tä- einen Rapid-Verteidiger, der die eine eindeutige Abgrenzung Einsichten wie diese formen sich in tern und Opfern zu unterscheiden«, zwischen beruflicher Tätigkeit und dem jungen Mann zur Notwendig- formuliert Forster eine Erkenntnis, nach dem Krieg als NS-Folte- privatem Interesse obsolet macht. keit, den Nationalsozialismus wis- die sich als Grundton durch seine rer enttarnt und vom Platz »Schon während meines Studi- senschaftlich zu erforschen. Sein Arbeit zieht – auch und vor allem weg verhaftet wurde – jüngste ums habe ich mich schwerpunktmä- Gesellenstück liefert der Politologe, durch seine intensive Beschäftigung Frucht der kontinuierlichen ßig mit der NS-Zeit beschäftigt«, er- der im Zweitfach Geschichte inskri- mit dem Fußball in der NS-Zeit. Vor Forschungsarbeit am Projekt zählt Forster. Ausschlaggebend da- biert hat, 1998 mit einer Diplomar- allem die Rekonstruktion des Ver- »Fußball unterm Hakenkreuz«. für sei der offene Umgang mit die- beit zur Wiedergutmachung von NS- haltens von -Legende sem Thema in seiner Familie gewe- Verbrechen. »Diese Arbeit war Matthias Sindelar nach dem Ein- sen, »eine 68er-Familie – aber eine gleichzeitig mein Eintrittsticket für marsch der Nazis entpuppte sich brave«, wie er schmunzelnd hinzu- alles, was ich seither gemacht diesbezüglich als Lehrstück – wurde fügt. Zwei Erlebnisse haben ihn als habe«, sagt Forster und berichtet doch im Zug der Diskussion um sein Jugendlichen besonders geprägt: ein vom glücklichen Zusammenfall sei- Ehrengrab am Zentralfriedhof em Namen nach ist er im Besuch im KZ Mauthausen gemein- nes Studienabschlusses mit der Er- 2003/04 festgestellt, dass das einst richtigen Metier gelan- sam mit seinen Eltern und die Kon- richtung der Historikerkommission, vom Schriftsteller det, steckt im Forster frontation mit der allgegenwärtigen »dem größten wissenschaftlichen zum Antifaschisten stilisierte Aus- Ddoch einer, der sich ger- Verdrängung der Vergangenheit in Unterfangen, das es in dieser Form tria-Genie durch die Übernahme ne mit dem »Durchforsten« abgibt. seiner unmittelbaren Umgebung, in Österreich je gegeben hat«. Weit »seines« Kaffeehauses zum Arisie- Optisch stellt man sich einen, der dem 2. Bezirk, bis 1938 Wiens jüdi- über hundert Beteiligte arbeiten in rungs-Profiteur wurde. zuweilen 14 Stunden täglich damit sches Getto. »Im Gedenkjahr 1988 insgesamt mehr als fünfzig Projek- zubringt, Dokumente aus der waren die Geschäfte in der Tabor- ten an der Aufarbeitung der NS- Kriegs- und Nachkriegszeit zu erfor- straße bemüht, Tafeln anzubringen Herrschaft. David Forster beschäf- Fußball war Teil der schen, aber anders vor: Der 1972 – um darauf ihr 50-jähriges Beste- tigt sich insgesamt zweieinhalb Jah- NS-Diktatur geborene, hochaufgeschossene Leo- hen und damit die Tatsache ihrer re mit der Thematik des Opferfür- poldstädter im Batman-T-Shirt ent- Arisierung zu feiern. Da hab ich sorgegesetzes in der Nachkriegszeit. David Forsters Forschung zu Fußball spricht weder in Outfit noch Auftre- schon als 16-Jähriger gemerkt, dass Je tiefer er sich in die Akten ver- und NS-Zeit kam 2003 durch seinen ten dem Klischee des still-grauen diese Leute nichts verstanden ha- gräbt, desto deutlicher tut sich ihm Studienkollegen und Freund Georg Akribikers mit dicker Brille und Ak- ben.« die Grauzone auf, die den Alltag in Spitaler, zugleich Redakteur des

KICK-TIPP in Zusammenarbeit mit dem Internetjournal wienerliga.at

Wienerliga: SV Wienerberger – DSV Fortuna Klasse A: SC Gradisce – SV Rasenspieler Wol- Afrika Fußball Liga: Finale; ASKÖ-20-Sportan- 05; Stadion Wienerberg, Samstag, 23. Juni, 16 fersberg; Gemeinde-Wien-Platz Eibesbrunner- lage, Samstag, 30. Juni, 16 Uhr: »Sport und Mu- Uhr: Saisonabschluss im Wiener Stadtfußball. gasse, Samstag, 23. Juni 16 Uhr: Wer – in bester sik« war nicht nur der Titel einer grandiosen Ra- Während in noch kaum einem Jahr in den unte- Wiener Tradition – den wahren Erfolg nicht im diosendung, die zum Sonntagabend gehörte, ren Ligen so viele Entscheidungen schon vor der Erreichen der größtmöglichen Ziele sieht, son- wie »Autofahrer unterwegs« zum VW-Käfer. Schlussrunde feststanden, bleibt es in der Stadt- dern im Verhindern der allerschlimmsten Kata- »Sport und Musik« ist auch die Kurzzusammen- liga selbst bis zur allerletzten Minute spannend. strophen, findet in der Eibesbrunnergasse ein fassung des diesjährigen Flüchtlingsfests in der Fix ist so viel: Ein Unentschieden gegen die For- um nichts weniger dramatisches Alternativpro- Hopsagasse: Unzählige lebensfrohe Live-Acts auf tunaten reicht den Wienerbergern zum Meister- gramm: Der SC Gradisce ist mit mageren elf der einen Seite der Out-Linie, beherzter Einsatz titel. Was leichter klingt, als es ist: Aus den letz- Punkten dass Tabellenschlusslicht der 1.Klasse A. und fußballtechnischer Feinschliff auf der ande- ten beiden Heimspielen holte die junge Sensati- Mit einem Heimsieg gegen die Rasenspieler ist ren. Nicht nur im Rahmen des eintägigen Hobby- onstruppe gerade einmal einen Punkt. Und dass der Klassenerhalt für den Klub der Burgenland- Turniers, bei dem wohl auch so manchem Au- die Motivationskünstler des direkten Titelkon- Kroaten in Wien aber durchaus noch drinnen: gustiner auf die Beine zu schauen sein wird – kurrenten Simmering dieser Tage auch einmal Liegt doch die Union 12 nur ein Pünktchen ent- sondern auch beim Finale der an Charme, Vielfalt bei der Krottenbacher Alm vorbeigekommen fernt auf dem rettenden dreizehnten Rang – und und Stimmung nur schwer zu überbietenden sein könnten, ist vermutlich nicht die absurdeste muss auswärts zum Prater SV. Leicht wird’s aber Afrika Liga. Als Favoriten auf den Turniersieg aller Mutmaßungen. Dennoch: Die Chancen auf trotzdem nicht: Erfahrungsgemäß ist die deut- wurden bei Redaktionsschluss vor allem die eine ausgelassene sommerliche Meisterfeier ste- sche Nationalmannschaft gegen die Wolfersber- Sportunion Schwarze Perlen aus Traiskirchen und hen am Wienerberg überaus gut. ger einstellungsmäßig eine Hobby-Truppe. die Elf des Veranstalters, der Flüchtligsinitiative Schmetterling, gehandelt. Stadion Wienerberg Gemeinde-Wien-Platz Eibesbrunnergasse Computerstraße 3 Eibesbrunnergasse 13 ASKÖ-20-Sportanlage: 1100 Wien 1100 Wien; Hopsagasse 3 Tel.: (01) 667 61 27 Tel.: (01) 603 35 18 1200 Wien www.svwienerberger.at www.sc-gradisce.com Tel.: (01) 332 51 88 Öffis: Badener Bahn (WLB) bis zur Haltestelle Öffis: Badener Bahn (WLB) bis zur Haltestelle www.schmertterling.org (klick auf ›Projekte‹) ›Gutheil-Schoder-Gasse‹ ›Schöpfwerk‹ Öffis: Buslinie 11A (z. B. ab Heiligenstadt U4) bis zur Haltestelle ›Dr.-Adolf-Schärf-Heim‹ fm VORSTADT NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 23

lach und dem Fahnder Leo- COACHING ZONE pold Dittrich brutal miss- handelt worden. »Für mich VON UWE MAUCH hat sich da ein Kreis ge- schlossen, weil ich im Rah- men des Ausstellungspro- Länderspiel jektes eigentlich Recher- chen zum Nazi-Kriegsrich- ter Karl Everts betrieb, der us der Geschichte lernen. Der plötzliche den Prozess gegen Stoja- ATod von Jones Emeka (ausführliche Be- spal leitete. Einer seiner richte in den Augustin-Ausgaben Nr. 203 und ›willigen Helfer‹ war eben 204) hat alte Fragen aktualisiert – vor allem dieser Durlach.« jene nach Sorgfaltspflicht und Moral: Wie Forster sieht die Arbeit hätten wir reagiert, hätte uns Jones anver- zu »Fußball unterm Haken- traut, dass sein Herz keinen Sport verträgt? kreuz« in der Tradition der Hätten wir ihn dann von seiner Herzensange- »Wiener Schule« der Kul- legenheit für immer ausgeschlossen? Oder turwissenschaft, deren hätten wir zugesehen, wie er sein Leben bei wichtigste Vertreter Ro- jedem Training und bei jedem Spiel aufs Neue riskiert? man Horak, Matthias Mar- Die Frage ist nicht akademisch. Immerhin schik und Wolfgang Ma- stehen in den Reihen von Schwarz-Weiß Au- derthaner sind. Deren gustin zwei Spieler, die über das Erlebnis ei- grundlegende Arbeiten nes Herzinfarkts persönlich berichten kön- werden von der »nächsten nen. Immerhin liefern sich mehrere Augus- Generation« (Forster, Spi- tin-Kicker seit Jahren einen harten Fight mit taler u. a.) teilweise kri- dem Alkohol. tisch revidiert bzw. an den »Wenn ihr mir jetzt auch noch den Fußball losen Enden weiterge- wegnehmt, reißt ihr mir mein Herz heraus«, knüpft. Entscheidend hat einer der beiden Herzinfarktler zwei Stunden nach dem Tod von Jones unmissver-

G bleibt der Fokus auf dem N

A ständlich erklärt. »Auch wenn ich auf dem

L Fußball und damit auf das O

I Platz sterbe, den Fußball dürft ihr mir nicht R Alltagsleben in der Dikta- A nehmen.« M

: tur, was zunächst als Ver-

O Wir haben ihm den Fußball nicht genom- T

O harmlosung des NS-Terrors F men. Aus folgender Überlegung: Schließen missverstanden werden wir eine medizinische Katastrophe aus, ris- David Forsters Artikel »Fußball, Fahndung, Fahnenflucht« findet könnte. Forster wird nicht sich in der aktuellen Ausgabe des »ballesterer fm« (Nr. 28) kieren wir womöglich eine seelische. müde zu betonen, dass sich in der Auseinander- * »ballesterer«, zustande. »Ich saß mit Georg setzung mit dem Fußball und mit dem Um- und seinen Kollegen im Kaffeehaus, als sie gang der Vereine mit ihrer eigenen Geschich- Erstes »Länderspiel« für die »Augustin«-Kol- mir erzählten, dass sie in- te auch das österreichische Selbstbild als Op- porteure: Am zweiten Samstag im Juni emp- terviewen würden. Als glühender Austrianer ferstaat dekonstruieren lasse. fingen sie ihre Kollegen aus Bratislava, von wollte ich natürlich mitkommen – was sie der dortigen Straßenzeitung »nota bene«. (Welche Wiener Sportstätte wäre da wohl mir prompt unter der Bedingung zusagten, würdiger gewesen als der Slovan-Platz in dass ich dann auch bei Vor- und Nachberei- David darf das Penzing?) In einem kampfbetonten und doch tung mithackeln müsste.« Als kurze Zeit spä- fairen Spiel konnten sich die Gastgeber mit ter die Austria-Legende Ernst Stojaspal stirbt, Innerhalb der »ballesterer«-Redaktion hat 5:3 (3:0) durchsetzen. Erfreulich: trotz des kommt ein Stein ins Rollen: Forster schreibt sich Forster längst einen Ausnahmestatus er- Fehlens mehrerer Fixsterne und eines teils nicht nur den Nachruf auf den Wehrmachts- arbeitet. Seine Beiträge folgen weniger einer beträchtlichen Altersunterschieds präsentier- deserteur, sondern skizziert in den Gesprä- Aufbereitung nach journalistischen Kriterien, ten sich die Hiesigen als kompakteres, reife- chen mit der Redaktion auch die Grundzüge sondern einer genauen, sachlichen und chro- res Team.

der Serie »Fußball unterm Hakenkreuz«, de- nologischen Darstellung. »In der Redaktion R Auch erfreulich: das Donau-Straßen-Derby E

M soll zur Tradition werden. Im Oktober wird ren mittlerweile zwölfter Teil in der aktuellen gibt es einen geflügelten Satz: ›Der David darf M A

Ausgabe erschienen ist. Wie schon im ersten das‹«, schmunzelt Forster. »Herausstechend« H Schwarz-Weiß Augustin erstmals außerhalb S

U Österreichs antreten. Geplant ist ein Retour- A

Beitrag setzt sich Forster darin mit der NS-Mi- nennt Chefredakteur Stefan Kraft die Beiträ- L K spiel in Bratislava, im Rahmen des Sechs-Jah- :

litärjustiz auseinander – diesmal jedoch nicht ge Forsters. »Auch wenn sie meist trockener O T re-Fests von »nota bene«. I O mit einem Opfer, sondern einem Täter. Im geraten als die anderen Texte, stellen sie doch F Zuge der Recherchen für die demnächst in im Kontext von Fußballmagazinen ein einzig- Berlin zu sehende Ausstellung »Was damals artiges Unterfangen dar.« Und das vermutlich Recht war – Soldaten und Zivilisten vor den auch in Zukunft, denn der rastlose Forster Gerichten der Wehrmacht« stolpert er über deutet am Ende des Gesprächs mit dem »Au- den Fall eines Rapid-Fußballers namens Fritz gustin« an, dass seine Spurensuche – etwa in Durlach, der im Februar 1948 vom Platz weg Bezug auf jene Wunderteamkollegen Sindel- verhaftet wurde. Ein Zuschauer namens Josef ars, die möglicherweise ebenso von der Ari- K. hatte in dem Verteidiger seinen ehemali- sierung profitiert haben – noch lange nicht gen Folterer erkannt. K. war im Februar 1945 abgeschlossen ist. wegen Zersetzung der Wehrkraft von Dur- Helmut Neundlinger Heimsieg: Augustin 5, nota bene 3 VORSTADT 24 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 Rapid Wien, der FC Wien-Nord NO 74 und die Götterdämmerung

roll und der Dozent stan- klubs ihre ersten Profiverträge be- rend des Schottland-Spiels auf das WIENER den in Groß-Jedlersdorf kommen, wird das Blatt sich zum unflätigste beschimpften und atta- am Zaun des FC Wien- Guten wenden. Hier sehen Sie Kin- ckierten.« AUSFAHRTEN GNord und beobachteten der, die mit und nicht neben dem »Ich habe davon gelesen.« ein Abendtraining der Jugendmann- Ball aufwachsen, sie haben Spaß am »Dann haben Sie auch gelesen, schaft. Der Dozent zeigte sich von Spiel, sie haben Phantasie, sie bewe- daß Ivanschitz als ‚Judasschitz’ be- ballstadien dieses Landes Menschen den technischen Fertigkeiten der gen sich gewandt und mit natürli- zeichnet wurde, weil er Rapid ver- gibt, die den Patriotismus über Bord Spieler überrascht. cher Anmut, und sie sind hungrig ließ und bei Salzburg und jetzt in gekippt haben und nur den Klub ak- »Wenn man so manchem Spieler nach Erfolg und Selbstbestätigung. Griechenland mehr Geld verdient zeptieren, ja ihn geradezu vergot- der Nationalmannschaft auf die Bei- Erwartungsvoll halten sie Ausschau als in Hütteldorf. Die Verknüpfung ten, das ist auch ein Element des ne schaut, verzweifelt man ange- nach der Welt.« von Judas und Geld ist ein klassi- Fortschritts, wenn auch ein bornier- sichts der Grobschlächtigkeit und »Sicher kein Zufall, dass die meis- scher Topos der brutalsten und ge- tes. Rapid wird, wie sich neulich he- Ungelenkheit der jungen Männer. ten Spieler einen, wie heißt es so fährlichsten Spielart des Antisemi- rausgestellt hat, seit Jahren vom eu- Kaum ein Ball, der ordentlich ge- euphemistisch, migratorischen Hin- tismus.« ropäischen Rüstungskonzern und stoppt wird, kein rasches Passspiel, tergrund aufweisen.« Groll nickte. Er habe von dieser Eurofighterhersteller EADS gespon- keine Einzelaktion, die nicht von »Fußball war und ist ein Sport der Schandtat gelesen, müsse allerdings sert, und Verteidigungsminister Da- Schwerfälligkeit und Unsicherheit unteren Klassen. Daran hat sich in eine Einschränkung oder besser ge- rabos, der nicht müde wird, zu er- zeugt. Von einem gelungenen den letzten Jahrzehnten nichts ge- sagt, eine Anmerkung, vorbringen. klären, wie er aus dem Eurofighter- Dribbling oder einem entschlosse- ändert. Ich würde sogar so weit ge- Die Rapid-Ultras seien nicht so sehr vertrag aussteigen wird, sitzt gleich- nen Sturmlauf aufs gegnerische Tor hen zu sagen, dass eine erfolgreiche wegen ihres Antisemitismus kriti- zeitig in den Führungsgremien von ganz zu schweigen.« Armutsbekämpfung mit hoher siert worden, sondern mehr noch Rapid. Wer diesen Verein vergottet, »Warten Sie fünf oder sieben Jah- Wahrscheinlichkeit zu einer Ver- wegen ihres Antipatriotismus. Sie, hat dasselbe Problem, das die anti- re ab«, sagte Groll. »Irgendwann schlechterung der fußballerischen deren Religion Rapid heiße, stünden ken Griechen mit ihren Göttern hat- vermögen auch die indolenten ös- Situation führt. Allerdings ist für gu- dem Nationalteam gleichgültig ge- ten. Sie mussten sich mit verloge- terreichischen Fußballmanager und ten Fußball Armut keine hinrei- genüber, ihnen bedeute nur Rapid nen, heuchlerischen und korrupten ihre Verbündeten im Fußballbund chende Bedingung. So haben wir in etwas. Figuren herumschlagen. Rapid-Fans die nachdrängenden Talente nicht Österreich beides: Armut und »Und sehen Sie, verehrter Herr ergeht es nicht anders.« mehr ins Mittelmaß zurückzuwer- schlechten Fußball.« Dozent, darin sehe ich etwas Be- Der Dozent wandte sich Groll zu. fen. Die ersten Schritte – auch un- Der Dozent reckte sich, um einen merkenswertes. Überall sonst in »Sie sehen im Verhalten der Rapid bekannte Spieler gehen ins Ausland Flankenball zu verfolgen. Dann sag- den Stadien dieser Welt feiert der Fans also –« – werden bereits gesetzt, wenn te er: »Sie haben sicherlich verfolgt, primitive Patriotismus entsetzliche »Einen Spiegel der Rapid-Füh- dann die begabten Kicker des FC wie Rapid-Anhänger den ehemali- Feste. In Österreichs Schistadien ist rung. Dass einige Dummköpfe unter Wien-Nord und anderer Vorstadt- gen Rapid Spieler Ivanschitz wäh- es nicht anders. Dass es in den Fuß- den Fans noch in primitiven Antise- mitismus verfallen, bestätigt nur die alte Erkenntnis, dass der Antisemi- tismus der Sozialismus des dummen Kerls ist.« »Auch der Industrielle Haselstei- ner, der jahrelang als Paradeliberaler gegolten hat, fiel neulich mit einer antisemitischen Aussage über jüdi- sche Oligarchen in Russland auf«, wandte der Dozent ein. Er werde der alten Erkenntnis nichts hinzuzufügen, sagte Groll. »Sie haben vom österreichischen Liberalismus keine hohe Meinung, ich weiß.« »Ich habe keine Meinung. Von et- was, das es nicht gibt, kann man nur keine Meinung haben.« »Als liberal gilt man in Öster- reich, wenn man weder Rapid- noch G N

A Austria-Anhänger ist«, warf der Do- L O I zent ein. R A

M Groll antwortete nicht, er verfolg- : O

T te einen gelungenen Spielzug der O F Junioren. Als die Welt noch in Ordnung war Erwin Riess VORSTADT NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 25 »Seelischer Druck«

Vaheh Abram musste in Wien immer zusammengepfercht, bangte der Schwerfälligkeit der österrei- Teller waschen, das Ehepaar wochenlang um das ei- chischen Asylbehörden. Exakt fünf LOKAL- ehe man ihn als Manager wei- gene Leben. Nach der Ankunft in Jahre nahmen diese sich Zeit, um terarbeiten ließ. Wien, im Sommer 2001, mussten am Ende per Bescheid zur Erkennt- MATADOR die beiden neue, völlig andere (be- nis zu gelangen, dass die beiden rufliche) Erfahrungen sammeln: Der Asylwerber im Iran tatsächlich reli- O VON UWE MAUCH (TEXT) Diplomingenieur als Hilfsarbeiter giösen Repressionen ausgesetzt wa- N 157 UND MARIO LANG (FOTO) am Bau, Tellerwäscher, Kellner und ren. Nachtportier. Die diplomierte Kran- »In diesen fünf Jahren waren wir kenschwester, die in einem auf de facto zum Nichtstun verurteilt«, dann alles sehr schnell. »Schade, er Diplomingenieur trägt Herzoperationen spezialisierten findet der Akademiker erst langsam dass ich ihn nicht schon viel früher wieder Anzug und Kra- Krankenhaus in Teheran eine Worte, um die lange Zeit des Ban- kennen gelernt habe«, erklärt sein watte. Und auf seiner Vi- Schlüsselkraft war, als Küchenhilfe gens und Wartens, in der es weder heutiger Chef, Jadran Pecotic, der Dsitenkarte steht wieder und Putzfrau. ein Vor noch ein Zurück gab, zu be- selbst kein Hiesiger ist. Ihn hat der »Project Manager«. Stolz schiebt er Herr Abram, heute einer der bes- schreiben. Die fünf Jahre fehlen ihm Jugoslawien-Krieg aus seiner Heimat die Karte über seinen Bürotisch. Sei- ten Schachspieler Wiens, hat vor sei- in seiner beruflichen Laufbahn. So vertrieben. Weil er nicht auf seine nen Bürotisch! Seit wenigen Wo- ner Flucht aus dem Iran gleich meh- gerne hätte er in dieser Zeit gear- Landsleute schießen wollte. Durch chen hat er wieder eine geregelte rere Züge in seinem Leben voraus- beitet, doch das ist jedem Asylwer- einen Bericht in der Tageszeitung Arbeit. Seine Arbeit! Eine Arbeit, gedacht – dabei fünf Jahre für die ber in Österreich untersagt. Was »Kurier« wurde Pecotic, Geschäfts- die ein technisches Studium und berufliche, soziale und kulturelle In- ihm da durch den Kopf ging? Er sagt führer der Wien-Niederlassung ei- viel Joberfahrung voraussetzt. Das tegration in Europa veranschlagt. Er nur so viel: »Das ist ein seelischer nes japanischen Konzerns, auf den ist doch bemerkenswert, in einer sollte Recht behalten. Druck. Wo ich herkomme, muss Iraner Vaheh Abram aufmerksam. Stadt, in der Asyl Suchende aus dem »Wir konnten ja beide kein Wort man als Mann arbeiten. Ich habe Sein Credo als Unternehmer: »Für Osten immer noch als Bedrohung Deutsch«, erzählt er beinahe akzent- seit meinem neunten Lebensjahr mich ist es völlig egal, ob jemand angesehen werden, und in der man frei. Abrams Strategie deckte sich – immer gearbeitet.« aus Teheran, aus Floridsdorf oder weiterhin ungeniert »Daham statt dies allerdings ungeplant – auch mit Nach dem positiven Bescheid ging vom Mond kommt, die Hauptsache Islam« plakatieren darf. ist, dass er sein Geschäft versteht.« Der smarte Akademiker aus dem Herr Abram arbeitet jetzt als Pro- Iran hat etwas geschafft, was nur jektmanager, berät Ölförder-Firmen ganz, ganz wenige in Wien schaffen: in der Slowakei, in Tschechien, Er hat sich von uns nicht abwim- Weißrussland und Kuba, die von den meln lassen. Japanern Equipment gekauft haben. Aber der Reihe nach: Vaheh Ab- Seine technischen Kenntnisse sowie ram wurde vor 37 Jahren in Teheran die Fähigkeit, auch mit anderen geboren, wuchs in behüteten, bür- Mentalitäten gut zu können, kom- gerlichen Verhältnissen auf, studier- men ihm dabei zugute. Auch wenn te Maschinenbau und machte nach die Zentrale seiner Firma weit von dem Uni-Abschluss als Patent-Ent- Wien entfernt ist (in Tokio), von sei- wickler für die Maschinenindustrie ner Arbeit profitiert auch der öster- und als leitender Inspektor in der reichische Fiskus. Erdölförderung eine Karriere wie im Auch privat ist die Integration der Bilderbuch. Über die Motive seiner Abrams geglückt. Seine Frau und er Flucht nach Österreich redet Abram haben inzwischen zahlreiche Freun- nicht allzu gerne. Auch sechs Jahre, de in Wien. Das ist erfreulich. Ein nachdem er hier einen Asylantrag bisschen Genugtuung, nach den fünf gestellt hat, fürchtet er um sein Le- Jahren der Degradierung. ben und das Leben seiner Familie. Weniger erfreulich ist hingegen, Man darf immerhin annehmen, dass die Geschichte »Vom Topma- dass jemand, der in seiner Heimat nager zum Tellerwäscher« weiter- angesehen war und auch gut ver- hin krank machender Alltag für vie- dient hat, seriöse Gründe dafür hat, le ist. So sprechen im Wiener Büro sein Elternhaus vielleicht für immer der Caritas-Sozialarbeiterin Marian- zu verlassen, sein Erspartes zu ver- ne Pantic fast täglich Akademiker lieren, sein Leben zu riskieren, und vor, die hier seit Jahren hingehalten von einem Tag auf den anderen die werden. Dabei sind Universitätspro- Reise ins Ungewisse anzutreten. fessoren, die sich trotz beglaubigter Schlepper brachten ihn und seine Qualifikationen in Künetten und Kü- Frau, Stella Asatoory, eine Kranken- chen verdingen müssen, nicht nur schwester, auf Schleichwegen bis arm dran. Sie helfen auch nieman- nach Europa. Auf der Flucht in dem wirklich weiter. klapprigen Lkws, immer versteckt, Vaheh Abram ist zurück in seinem gelernten Beruf Infos: (01) 481 54 81-72 I 26 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 ART.IST.IN AUFG’LEGT magazin SiE »Alice im Wunderland« (cracked an egg records) Bei KlezMORE Nr. 4 verabschieden sich Gojim www.sieonline.at Es kostet ein we- nig Überwin- UND 17 HIPPIES GEHEN ZURÜCK NACH BERLIN dung, »Alice im Wunderland« mall is beautiful« ist Gojim nenne, mag das überra- aus der Hülle zu nicht die Devise von schen, denn für FreundInnen schälen. Es gibt Friedl Preisl, dem Erfin- der ursprünglich aus den Schlaumeier, die »S der und Leiter des Akkordeonfesti- Schtetln des jüdischen Osteuro- L

behaupten an- E D

vals, des KlezMORE-Festivals und pa stammenden Klezmermusik E hand des Covers I R

vieler anderer Formate. In Sachen braucht die Wiener Band nicht S auf die Qualität des Inhaltes schließen A E R zu können. Nehmen wir SiE als Bei- Kulturvermittlung scheint er mit mehr vorgestellt zu werden. D N spiel. Hinter SiE steht Sibylle Kefer, de- A

notorischer Betriebsamkeit alles, Aufgepasst: KlezMORE Nr. 4. : O ren Stimme wir bereits von den Aus- T was er in kleinem Maßstab beginnt, wurde von Caroline Koczan, O seer Hardbradlern her kennen und in nimmermüde in größere Dimensio- Franz Ruttner und Co. zum wür- F der Ernst Molden Band lieben gelernt nen zu überführen. Wer das als Vor- digen Schauplatz des Abdankens Wer die 17 Hippies adäquat klassifizie- haben. Derartige Namensverkürzun- wurf liest, möge bedenken, dass ausgewählt. 20 Jahre sind ge- ren kann, kriegt ein Augustin-Abo ge- gen, aktuell gerade sehr angesagt, sie- schenkt. Also niemand. he auch Bar (Barbara Pletzenauer). Al- »small is beautiful« ebenso sinnvoll nug, meinen die Gojim, die im les ein wenig gekünstelt. Schwülstig wie unsinnig ist. Ein einjähriges Jahr 1987 im Rahmen einer So- präsentiert sich leider nicht nur die Ver- Sabbatical auf einer Ostseeinsel lidaritätsmatinee gegen das erste spielen«), dann ungläubig beäugt, packung von Kefers Solo-Debüt »Alice würde meiner Seele mehr Glück be- große Sozial-Einsparungspaket der und als sich schließlich stets mehre- im Wunderland«. Zwischen Schwam- reiten als eine Woche Wörthersee, damaligen Regierung erstmals auf- re hundert Zuhörer auf den Gratis- merln, Blüten und Schmetterlingen la- das Große (Lange) ist hier dem Klei- getreten sind. Am 5. Juli 2007 in Events tummelten, war klar, dass viert SiE durch ihr Dorado aus Träumen nen eindeutig vorzuziehen. der Kirche am Gaußplatz: Zum letz- die Weltmusikszene um ein Trumm und Befindlichkeiten. Begleitet von klassischem Instrumentarium, synthe- Es ist, um zu Preisls Dimensio- ten Mal Gojim! reicher war. Im Repertoire überwog tisch aufgefettet, will und will kein nen zu kommen, beim vierten Klez- Die Berliner Band namens 17 Musik aus Osteuropa, ansonsten ist Frohsinn aufkommen. Also: Hören Sie MORE Festival in Wien – vom 25. Hippies möchte ich bei Gott nicht es von erfrischender und spannen- mit den Augen voraus, ein Cover verrät Juni bis 8. Juli – so schwer wie nie, nur wegen des schrägsten Titels der Hybridität. »Es ist fast unmög- vieles. Ansonsten wünschen wir uns Si- zwei, drei Gruppen hervorzuheben, (dessen beide Teile mit der Wirk- lich, uns zu klassifizieren, in Frank- bylle Kefer bald zurück aus dem Wun- was man aber als Schreiber tun lichkeit nicht übereinstimmen) des reich sind wir selbst schon Stilbe- derland im realen Hier und Heute. muss, wenn der Platz beschränkt Festivals hervorstreichen. Aber wie griff geworden. Die sagen mittler- ORDINARY WORLD ist. Wenn ich als erste die Gruppe kann man das eigenständige Sound- weile, um andere Musiker zu be- »Simplicity Of Mankind« bild beschreiben? Und wie die Aura schreiben: Das ist eine Band wie die (monkey.music/Hoanzl) INFOdes Haufens? Alles fing mit öffentli- 17 Hippies!«, sagt Akkordeonistin www.ordinary-world.com Gesamtes Programm: chen Proben in Kreuzberg oder Kiki Sauer. Zu hören und zu sehen Eigentlich ist www.klezmore-.at Moabit an. Sie wurden von befreun- am Samstag, 7. Juli, im Ost Klub am »Simplicity Of Festival-Info: 0676 / 512 91 04 deten Musikern erst naserümpfend Schwarzenbergplatz. Mankind« be- www.17hippies.com (»So kann man Klezmer doch nicht R. S. reits ein alter Hut, wurde es doch bereits Dem Ersten Wiener Lesetheater wird Subvention gestrichen 2004 in den USA veröffentlicht. Aber was sind AISCHYLOS NIEDERSCHWELLIG schon drei Jahre in solch einer »Ordina- ry World«, wo sich doch neun von zehn elche Voraussetzungen Texte möglichst vielen barrierefrei 69 (!) Leseaufführungen sind – will- auf die elterlichen Beatles-Platten und muss eine kulturelle Akti- und vor allem gratis nahe zu brin- kürlich herausgegriffen – Werke später Nirvana ausreden. Wie auch der gebürtige Oberösterreicher Axel Wvität haben, um von der gen. Unterschiedlichste Menschen, von Shakespeare und Jonke, He- Wolph. In den 90ern ruderte Axel Stadt Wien gefördert zu werden? vom Burgschauspieler bis hin zum mingway und Gertrude Stein, Wolph noch in einer Schul-Grunge- Welche Prioritäten gelten, wenn die Psychiatrieerfahrenen, Autoren und Priestley, Fassbinder, Goethe, Band namens »Mindcure«, verdiente Mittel knapp werden? Im Jahr 2007 Laien sind Mitwirkende und Publi- Brecht, Jandl und Aischylos. im einen Haufen Kohle als muss das Erste Wiener Lesetheater kum. Gelesen wird überall, wo es Zu ständigen Veranstaltungen ge- Mediendesigner, bis ihm 2003 der (1990 gegründet) plötzlich ohne möglichst wenig bis gar nichts kos- hören die Reihen »Blaue Stunde« Knopf aufging. Von wegen der eige- Subvention überleben. tet – im Hinterzimmer von Lokalen, (spontan gelesene Lyrik), »Frauen nen kleinen Welt, die sehr eng ist und auch sehr egoistisch und der Umkehr Das Erste Wiener Lesetheater Bibliotheken, im Literaturhaus und lesen Frauen« und der Osterspazier- auf den geschärften Blick aufs Wesent- wurde auf Initiative des derzeitigen so weiter … und wenn es passt, gang mit Lesungen, die sich auf die liche und so. Daraus wurde dann Präsidenten der Grazer Autorenver- auch im Freien. Eintritt wird prinzi- aufgesuchten Stationen beziehen. Wolphs Ordinary World. Jetzt auch sammlung, des Liedermachers, So- piell nicht verlangt, Spenden sind »Das Kuratorium hat sich einge- hierzulande nachzuhören. Das schöp- ziologen und Subkulturforschers willkommen. hend mit Ihrer Einreichung be- ferische Einzugsgebiet reicht von oben Rolf Schwendter ins Leben gerufen Dem sozialen Anliegen des Ers- schäftigt, kam jedoch dabei leider Erwähntem, erweitert um die wieder und ist seither immer ein wichtiger ten Wiener Lesetheaters entspre- zum Entschluss, diese nicht für eine in Mode gekommene Dominante Sin- ger/Songwriter bis zu dem, was neun Bestandteil des Wiener Kulturle- chend werden oft Stücke gelesen, Förderung durch die Stadt Wien zu von zehn auch schon machen – schön bens geblieben. Seine Idee ist es, die gesellschaftliche Strukturen hu- empfehlen.« – so gründlich wurde ist es trotzdem. weitgehend unbekannte, vergesse- morvoll-kritisch hinterfragen. Unter die Ablehnung der Subvention be- (lama) ne oder in Wien nicht aufgeführte den 2007 bis jetzt stattgefundenen gründet. Dora Schimanko ART.IST.IN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 27 magazin DESPERADO–SCHACH von Bernleitner und Häm «Wie gefällt dir der Phönix?«, stellt Ber- »10. Strafgericht« in gutem Raumklima ni eine seiner berüchtigten Fangfragen. Ich stottere etwas von »Vogel« und GELENKTE EMOTIONEN IN DEN SOMMERKINOS »Asche« und »neugeboren«, als mein Kumpel, kaum überrascht von meiner Viertelbildung, abwinkt und weiter aus- ommer, also Zeit der Eislut- Neben diesen beiden Beispie- »10e Chambre« von Raymond holt: »Im Schach ist der Phönix so defi- scher, und wenn die Sonne len für feinste Sommerkinokultur Depardon, welcher am 3. Juli um niert, dass eine Figur ihr Ausgangsfeld Suntergegangen ist, begin- sollte auch der »KinoSommer« 20 Uhr gezeigt wird. Der Doku- verlässt und geschlagen wird. Ein Bauer nen die Projektionen der Som- des Stadtkinos am Schwarzen- mentarfilmer gewann schon marschiert vor, wandelt sich in ebendiese Figur wieder um und kehrt auf das Aus- merkinos. Die meisten sind open bergplatz erwähnt werden. Es un- 1995 mit dem Gerichtsfilm »Dé- gangsfeld der zuerst geschlagenen Figur air, davon einige auch noch gra- terscheidet sich von den oben ge- lits Flagrants« den César für den zurück, sodass der Eindruck entsteht, die tis, wie das in der Stadt herum- nannten darin, dass man unter besten Dokumentarfilm. Über ursprünglich dort stehende Figur habe wandernde Volxkino. Ebenfalls Dach, im regulären Kinosaal, sit- seine zehn Jahre später gedrehte ihr Ausgangsfeld nie verlassen. Natürlich ohne Eintritt zu verlangen, be- zen muss. Dieses Müssen kann Dokumentation über das 10. Pa- kommen solche komplizierten Sachen spielt ab 5. Juli das Filmarchiv sich als Segen, nicht nur bei Re- riser Strafgericht sagte die Vor- hauptsächlich im Problemschach, wie Austria zum zweiten Mal die Kai- gen, erweisen. Das Stadtkino bie- sitzende Richterin in einem sehr z. B.:« serwiese neben dem Riesenrad tet ein Servicepaket aus raumkli- offenen und reflexiven Gespräch Richard Müller 1985 mit der Themenschau »Zukunfts- matischen Bedingungen, Sitz- mit dem Regisseur: »Die 10. bilder«. Mich deucht, es dürfte komfort und Bild- und Tonquali- Strafkammer spiegelt den Alltag dabei in Richtung Science Fiction tät, das bei Programmkinos nicht des Strafgerichts wieder: Absolut gehen. häufig anzutreffen ist. Und als alles, was einem Bürger dieses Sommerzuckerl brauchen Cine- Landes passieren kann, ohne da- INFOastInnen pro Vorstellung für zwei bei Schwerverbrecher zu sein. Kinotickets bloß in ein Börserl (…) Die Strafprozessordnung www.stadtkinowien.at greifen – mit Stadtkinos Worten: räumt mir im Gerichtssaal eine (KinoSommer bis 29. Juli) »Für die Begleitperson ist der Be- enorme Machtposition ein: (…) www.volxkino.at (bis Mitte Sep- such kostenlos.« Darüber hinaus Ich bestimme den Verlauf, und tember in verschiedenen Bezirken) www.filmarchiv.at (5. bis 29. Juli ist das Programm auch nicht von ich lenke die Emotionen.« im Prater auf der Kaiserwiese) schlechten FilmemacherInnen, reisch besonders empfohlen sei der Film

Sexualität zwischen Analyse und Kunst

Stellung nach dem 7. Zug von Weiß. DIE ZWEI SEITEN EINER BORDELLMÜNZE Wie verlief die Partie?

ir haben die Sexua- zogen und als Erfahrung gesam- Eine seltsame Stellung, die wir hier von lität nicht befreit, melt. der Grundstellung her rekonstruieren wir haben sie an Eine Ausstellung zur Kultur- sollen. Da der schwarze Turm a8 fehlt, ist »W klar, dass sich ein weißer Bauer bis a8 die Grenze getrieben«, heißt es geschichte der Sexualität kann durchgefressen hat. Das Problem ist, dass bei Michel Foucault. Nun zeigt beides bringen: einerseits analy- man schon sieben Züge braucht, um den das Museum für Urgeschichte in tische Wissensvermittlung, an- Bauern umzuwandeln und wieder zu- Asparn an der Zaya die Sonder- dererseits Erfahrung und Ideen rückzubringen. Da aber auch der weiße ausstellung »100.000 Jahre Sex – zu einer Wiederbelebung der e-Bauer fehlt, muss Schwarz offensicht- Die Kulturgeschichte der Sexuali- erotischen Kunst, die mit der lich für das Verschwinden des zweiten tät«: »Vom Matriarchat der Stein- Epoche der Aufklärung, insbe- Bauern gesorgt haben, da sonst Weiß zu zeit (Venusstatuetten und Felsbil- sondere in den Schriften des viele Züge braucht. Klar ist auch, dass der a-Bauer bis nach a8 gekommen ist, denn der weiblicher Genitalien) über Marquis de Sade, den Geständ- der e-Bauer hätte fünf schwarze Steine scheinbare Offenheit gegenüber nissen des Fleisches weichen bis nach a8 schlagen müssen, es fehlt bei Sex in der Antike (Sexdarstellun- musste. Schwarz aber nur der Ta8. Nachdem auf Die Sexualität ist noch immer nicht gen auf Tongefässen, Bordellmün- reisch d6 ein Bauer so verräterisch steht, muss befreit zen mit Sexszenen) und der Do- es der Lc8 sein, der in der weißen Stel- minanz phallischer Darstellun- INFOlung gewütet hat und wieder auf sein gen bis hin zur Neuzeit und den durch den seit Jahrhunderten vo- Ausgangsfeld zurückgekehrt ist. Aber Peepshows des 19. Jahrhun- rangetriebenen analytischen Zu- 100.000 Jahre Sex – Die Kulturge- welche Figur hat er geschlagen? Auch schichte der Sexualität das ist eindeutig: Es muss die weiße derts«, verkündet die Werbung gang die »Ars erotica«. Die mo- Im Museum für Urgeschichte des Dame gewesen sein, denn sie konnte für die Ausstellung. derne Wissenschaft der Sexuali- Landes Niederösterreich in Asparn nach Umwandlung des Bauern auf a8 in Historische Wissensvermitt- tät sei laut Foucault repressiv, an der Zaya zwei Zügen wieder nach d1 zurückkeh- lung und Aufklärung im Bereich denn sie stelle die Forderung, al- Eintritt: ? 4,– für Erwachsene, ren. Also: 1.a4 d6 2.a5 Lg4! Da kommt der Sexualität haben schon ihre les, man denke nur an die Beich- es gibt mannigfaltige er. 3.a6 Lxe2 4.axb7 Lxd1 5.bxa8D Ermäßigungsangebote kognitiven Reize, doch auf der an- te oder Psychoanalyse, sagen zu Lg4! Rückkehr des Läufers. 6.Df3 Rück- Öffnungszeiten: Di.–Fr.: 9–17 Uhr kehr der Dame. 6… Lc8 7.Dd1 und siehe dere Seite der Medaille – an die- müssen. Hingegen werde in der Sa./So./Fei: 10–18 Uhr da, die Diagrammstellung ist erreicht! ser Stelle wäre vielleicht Bordell- Kunst der Erotik Wissen und Die Ausstellung läuft bis münze angebrachter – verkommt Wahrheit aus der Lust selber ge- 16. September 2007 ART.IST.IN 28 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

Tausendsassa Schwingenschlögel: Ein Wiener in der Berliner Szene Crossover-Machatschek

Schwingenschlögl klingt nicht berlinerisch? In den wirk- lichen Weltstädten klingt kein Name fremd. Darum steckt im ersten Fragesatz kein Sinn drin. Vor 20 Jahren war die musikalische Szene in Wien ziemlich eng und eingeschränkt. Berlin war da schon spannender. Den Trom- peter und Komponisten Paul Schwingenschlögl trieb es also fort aus Wien – er wollte was anderes kennen lernen. Als Schwingenschlögl 1987 nach Berlin kam, war die Stadt noch geteilt. Der Neoberliner, der in Krems aufgewachsen war, hatte auch in Bezug auf den Osten keine Berührungsängste.

ber seinen Trompetenleh- rer Franz Kogelmann hat- te er gute Kontakte zu ex- Üzellenten Musikern aus Zwei Jahrzehnte Berlin: der österreichische Trompeter Paul Schwingenschlögel der DDR. Berlin war für Schwingen- schlögl also auch deshalb interes- und improvisierter Jazz mit afrikani- stützte die Zusammenführung inter- Zam Johnson aus Los Angeles. Wei- sant, weil er die Spitzenmusiker aus schen Trommel-Rhythmen ver- nationaler Musiker im Bezirk Neu- ters spielt er bei der russischen Pol- der DDR noch besser kennen lernen mischten. Ursprünglich ein tempo- kölln, ein Bezirk, der in den Medien ka-Band »Bloody Kalinka« und mit konnte. Wegen der Neutralität ihres räres Projekt, das vom Kultursenat eher mit Gewalt und sozialen Kon- der internationalen Crossover-Band Landes waren österreichische Musi- Berlin im Rahmen der personenbe- flikten assoziiert wurde. Die Initiati- »Abrasaz« (Auftritte im letzten Jahr ker damals in der DDR nicht unwill- zogenen Jazzförderung unterstützt ve fand ihren Abschluss mit einem u. a, in der indischen und japani- kommen. wurde, wurde es zu einem Dauer- viel beachteten Festival im Oktober schen Botschaft und beim Markt der Viele der ehemaligen DDR-Musi- projekt, nachdem die erste Präsenta- 1999 in der Werkstatt der Kulturen. Kontinente im Museum Dahlem). ker sind noch heute seine Freunde. tion im März 1997 überraschend Im Jahr 2000 startete er ein größe- Diese Band erhielt den Studiopreis Er spielt auch heute noch mit Spit- gut beim Publikum angekommen res Projekt mit dem Titel »Global 2007 des Berliner Senats und wird zenmusikern aus der ehemaligen war. Es gab mittlerweile mehr als 50 Counterblast«, bei dem in Berlin le- in diesem Jahr ein neues Album ver- DDR wie Helmut Forsthoff, seit den Konzerte in ganz Deutschland in bende Musiker aus 22 Ländern und öffentlichen. 60er Jahren ein großartiger Saxo- den letzten 10 Jahren und eine CD 4 Kontinenten an 3 Tagen im Park- Paul Schwingenschlögl ist auch phonist, Heiner Reinhardt, einer der mit dem Titel »Adouna«, die im Jahr haus Treptow auftraten. In etwas Gründungsmitglied der Jazzband Ta- führenden Bassklarinettisten, und 2004 beim Pariser Label »Bolibana« kleinerer Form fand »Global Coun- kabanda, die im Juni ihr drittes Al- Joe Sachse, der zu den besten Gitar- erschien. terblast« beim Jazzfestival Postsdam bum »Fructus Spiritus« bei Konnex risten in ganz Europa zählt. 2001 statt. Daraus entwickelte sich Records rausbringt. In diesem Som- Kosmopolitischer ging es im Wes- ein festes Ensemble, das in Öster- mer wird Schwingenschlögl unter ten zu: In Westberlin war damals die Lokal handeln und denken & reich Mai 2002 beim InnToene Fes- anderem beim Jazzfest Uckermark große internationale Musikszene global handeln und denken tival auftrat und frenetisch vom Pu- 2007 gastieren, und zwar beim Ös- spannend. Hier lebten MusikerIn- blikum gefeiert wurde. Teile dieses terreich-Abend am 7. Juli mit seiner nen aus sämtlichen Kontinenten. Paul Schwingenschlögl lebt und ar- Konzertes wurden auf Ö1 ausge- Band »Groovetet«. 1997 präsentierte Paul Schwin- beitet zurzeit im Bezirk Neukölln. strahlt. Heidemarie Grübler genschlögl sein Konzept »African Dort hatte er mit Projektförderung In den letzten Jahren beschäftigte Chase Experience«, in dem er die Neuköllner MusikerInneninitia- sich Paul Schwingenschlögl intensi- INFO grundverschiedene Stile und Instru- tive (1999) gegründet, die mit di- ver mit elektronischer Musik, u. a. www.takabanda.de/paul.htm mente miteinander verknüpfte und versen Konzerten auf sich aufmerk- im Duo »Tapboo« mit dem Kompo- http://groovetet.xmental.de in dem sich Latin, Soul, Blues, Rock sam machten. Das Projekt unter- nisten und Live-Electronics-Musiker ART.IST.IN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 29 Musils Figuren warten darauf, dass Magdalena Steiner (sich und uns) ein Bild von ihnen macht Kakanische Hundeschnauzenhände

Robert Musils »Mann ohne Ei- dium« ging und geht auch die Ver- genschaften« im Comic aufbe- wendung von Adaptionen als Behelf reitet – mit der seit Februar im Literaturunterricht. Vor allem im englischsprachigen Raum werden ei- 2007 im Augustin erschein- gens für den Unterricht zugeschnit- enden Serie versucht Magda- tene Comics benutzt, die Schülerin- lena Steiner eine Verbindung nen und Schülern Klassiker (beson- von Weltliteratur und Comics. ders aus dem dramatischen Bereich) Als solche hat die Serie auf näher bringen sollen; oft mit der Er- Anhieb die Aufmerksamkeit klärung versehen, dass Theaterstü- Paul Ferstls erregt, der als cke »gesehen« und nicht »gelesen« Lektor für Vergleichende Lite- werden sollten. Tatsächlich weist raturwissenschaft an der Uni- bei näherem Nachdenken der Adap- tionsvorgang des Theaters Ähnlich- versität Wien derzeit an einer keiten zu dem des Comic auf: Je Dissertation zu Wechselbezie- nach Zielsetzung muss der Text ge- hungen zwischen Literatur rafft und schließlich Szene für Szene und Comics arbeitet. Im fol- auf eine Bühne gebracht werden. genden Beitrag freut sich Vor dem Hintergrund der »Ju- Ferstl über den »erfrischen- gendlektüre« bedeutet Literatur im den Beitrag zur Musilrezepti- Comic die »Rechtfertigung« eines on«, der sich gut in das Pro- Mediums, das auf dem Höhepunkt der Attacken in den USA als Gefahr gramm des Augustin einfüge für Kinder und Jugendliche vor den und Welten einander näher Kongress zitiert wurde; andererseits bringe, die bisher nur ein Ne- wurde und wird der Comic gerne beneinander kannten. benutzt, um bereits kanonisierter, aber nur zu oft ungelesener Literatur neues Interesse zu verleihen und derselben zu einer verstärkten Re- zeption zu verhelfen.

atsächlich kann die Adapti- on literarischer Werke in Gelungene Adaptionen von der Comic-Welt bereits auf Proust, Kafka, Sinclair … Teine lange Tradition zurück- Ausschnitt aus einem der ersten Comics der Serie blicken. In den USA gründete Albert Die Art und Weise, in welcher hier- Lewis Kanter 1941 die Serie »Clas- bei allerdings vorgegangen wurde, sics Illustrated« (zunächst »Classic führte in weiterer Folge zu expliziter naus gesorgt und dem Medium neue te dies zur Bearbeitung des Paul- Comics«), die Klassiker der Weltlite- Distanz zur »Classics Illustrated«- Leserschichten erschlossen: Seine Auster-Romans »City of Glass« ratur als Comic auf den Markt brach- Schiene, wenn sich Comic-Schaffen- Adaption von Marcel Prousts »À la durch David Mazzucchelli und Paul te. Der Erfolg stellte sich sofort ein: de mit Literaturvorlagen auseinan- recherche du temps perdu« ist erst Karasik. »Classics Illustrated« präsentierte der setzten. Die Gründe für eine Li- kürzlich im vierten Band erschie- sich als Comic-Literatur jenseits des teraturadaption dürften sich zwar im nen. »jugendgefährdenden Schunds«, der Großen und Ganzen kaum geändert Ein anderes Beispiel für gelunge- Am »Mann ohne in Amerika zunehmend unter Be- haben: Angestrebt wird eine Auf- ne Adaptionen stellt die Arbeit von Eigenschaften« kann man auch schuss geriet. wertung des eigenen Mediums Peter Kuper dar, der zahlreiche scheitern 169 adaptierte Titel im Zeitraum durch die Beschäftigung mit bereits Kurzgeschichten Kafkas, z. B. »Die von 1941 bis 1969 und Auflagen in institutionalisierter Kunst – nicht zu- Verwandlung«, sowie Upton Sin- Im deutschen Sprachraum ist im Millionenhöhe zeugen von einem letzt auch aus einem wirtschaftli- clairs »The Jungle« erfolgreich in Adaptionsbereich besonders Isabel enormen Erfolg – tatsächlich wurde chen Interesse heraus. den Comic übertragen hat. Kreitz’ Comic nach Uwe Timms die Reihe auch nach ihrer Einstel- Doch die Ziele sind mittlerweile Sicherlich ist auch die zunehmen- »Die Entdeckung der Currywurst« lung mehrmals wieder aufgelegt und höher gesteckt: Nicht nur bloße de Beschäftigung des Mediums mit zu erwähnen; in Österreich versuch- erweitert. Die Qualität der Adaptio- »Rechtfertigung« der Existenz, son- »ernsten« und »komplexen« Stoffen te das von »Profil« initiierte Projekt nen selbst war unterschiedlich – ra- dern die öffentliche Anerkennung ein Weg zur Adaption. Als sich der »50 – Literatur gezeichnet«, 100 dikale Kürzungen und Vereinfachun- als eigenständige Kunstform wird Comickünstler Art Spiegelman – be- Werke der Weltliteratur auf jeweils gen zielten in erster Linie auf Span- gefordert. kannt durch seinen Holocaust-Co- einer Comic-Seite in zwei Bänden nung ab, die ein jugendliches Publi- Zweifellos hat beispielsweise das mic »Maus« – für einen seiner Ver- zusammenzufassen. Im Rahmen die- kum packen sollte. Großprojekt des Franzosen Stéphane leger auf die Suche nach Autoren ser Serie wurde auch »Der Mann Hand in Hand mit der Definition Heuet zu einer Verbreitung des Co- und Autorinnen begab, die auch im ohne Eigenschaften« dargestellt – ei- des Comic als »jugendgerechtes Me- mics über gewohnte Grenzen hi- Comicbereich texten wollten, führ- nem eher fragwürdigen Humor ver- ART.IST.IN 30 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 pflichtet, führte der Beitrag aller- mentar an eigenständigen Fragmen- und leicht adaptiert – die Sterilität lich der Sitz von Treue, Adel und dings wie der Großteil der Serie ten in einzelnen Comic-Seiten, die des Zitats nimmt, abseits der Text- Zartheit ist.« – so heißt es 70 Seiten auch zu einem Ergebnis von zweifel- die Aktualität Musils aufzeigen und lektüre aber zu einem Detailstudi- später, als Ulrich Diotima zum ers- hafter Qualität. zur Auseinandersetzung mit seiner um einlädt: eine lohnende Angele- ten Mal begegnet. Jenseits von radikal raffenden Alltagstauglichkeit einladen. genheit, da die Bildebene in vielfäl- Magdalena Steiners Comic stellt oder breit angelegten Adaptionen, Inspiriert durch Arbeiten, die in tigen Bezügen auf die nähere Umge- einen erfrischenden Beitrag zur Mu- die die Vorlage gänzlich zu umfas- den späten Zwanzigern des vorigen bung des zitierten Texts verweist silrezeption dar, der sich gut in das sen versuchen, präsentiert sich der Jahrhunderts von Erika Giovanna und auch über diese hinaus: Finden Programm des Augustin einfügt und Comic von Magdalena Steiner, der Klien im Klessheimer Sendboten doch Musilbegeisterte in Nr.196 (ba- Welten näher bringt, die einander seit Februar des Jahres Textpassagen veröffentlicht wurden, gestaltet Stei- sierend auf dem Kapitel »Leona oder ergänzen und einiges an Potential aus dem »Mann ohne Eigenschaf- ner den ihr zur Verfügung stehen- eine perspektivische Verschiebung«) vorweisen können. Bis jetzt hat sich ten« in Beziehung zu aktuellen Fra- den Platz in einer großen Splash- am rechten Arm des dargestellten das Projekt mit den Kapiteln 4 bis 13 gen des Lebens in Wien setzt: Woh- Page, deren Segmente ineinander Freiers eine Hundeschnauzenhand des ersten Romanteils beschäftigt, nungsnot, Prostitution, Entfremdung greifen und – trotz einer gewissen vor, die auf ein anderes Kapitel ver- und an weiterem Stoff fehlt es nicht: in der modernen Großstadt, Gewalt, Orientierung am gewohnten Lese- weist und durch den damit erstell- Warten doch genug von Robert Mu- Armut, die Sucht nach Erfolg und schema – die starre Raumteilung bo- ten Zusammenhang zum Nachden- sils Kreaturen darauf, dass wir uns Öffentlichkeit werden mit Verweis denständiger Comics aufgeben. ken einlädt: ein Bild von ihnen machen und da- auf Musil angesprochen. Durch das Verschwimmen der Gren- »Die Überspanntheit der Frauen- mit einen Blick auf uns selbst werfen Die Künstlerin greift zu diesem zen zwischen Wort, Bild und Bewe- hand hatte ihn überwältigt, eines im – auf Mörtelmänner und Wortlei- Zweck kleine Stücke aus dem gro- gung entsteht ein Panorama, das den Grunde ziemlich schamlos mensch- chen in den Mantelfalten des Über- ßen unvollendeten Roman heraus zweiwöchentlich wie Perlen aufge- lichen Organs, das wie eine Hunde- irdischen. und gestaltet einen laufenden Kom- reihten Sätzen – teilweise gekürzt schnauze alles betastet, aber öffent- I

Airan Berg: Auch Theater, das versucht, unpolitisch zu sein, ist Politik »Was ich mir erträumte, fand statt«

Airan Berg verlässt nach be, die »world leaders« im Kommu- Charakter vertritt. Stella Rollig, sechs Jahren das Wiener nikations- oder High-Tech-Bereich die Leiterin des Kunstmuseums Schauspielhaus, um in Linz sind. Lentos, wurde genau dafür heftig als künstlerischer Leiter für angegriffen … darstellende Kunst für die Und von der Kunst her? Ich finde das Lentos ein sehr aufre- In Linz ist sehr viel los für eine Stadt gendes Museum, und nur weil z. »Kulturhauptstadt 09« zu ar- mit 270.000 BürgerInnen. Das Enga- B. von der Kronenzeitung das Pro- beiten. Und schweigt nach gement ist sehr groß. Von der ARS zesshafte angegriffen wird, ist es ja wie vor über interessante Pro- Electronica bis zum Lentos. Unsere nicht falsch. Kunst entsteht aus Pro- jekte – denn »Dinge, die man Aufgabe ist es, der Kunst, die schon zessen. Sicher kann man alles, was zu früh verrät, kommen dann vorhanden ist, einen anderen Stel- gut und teuer ist in dem Jahr, einla- nicht«, erklärt er im Augustin- lenwert zu geben und noch zusätzli- den, aber da tut man dem Publikum Gespräch. ches Publikum zu gewinnen. Wenn und der Stadt nichts Gutes. Bei mei- du das Schauspielhaus program- ner Aufgabe geht es darum, gute mierst, ist dein Publikum immer ein Arbeitsbedingungen zu schaffen, Kulturpublikum. In der Stadt Linz damit gute Prozesse stattfinden gibt es momentan bei der so genann- können. Im Juli ziehe ich nach ten normalen Bevölkerung eine offe- Linz, weil ich es extrem wichtig fin- Airan Berg ie sehen Sie die ne Energie der Kulturhauptstadt ge- de, in der Stadt zu leben, in der ich Stadt Linz? Linz? genüber. Daher muss man lernen, arbeite. Das kommt einmal im Le- Oh nein, es geht um dass unser Zielpublikum kein von ich mich für Künstler und Künstle- ben, so etwas zu machen, und das ist Linz (lacht). Ich vorneherein schon an der Kunst in- rinnen von internationalem Rang bei mir jetzt. Wdachte, es geht um das Schauspiel- teressiertes Publikum ist. Das muss entscheide, bei denen ich das Gefühl haus. Es macht mir immer mehr man beim Programmieren mitden- habe, die würden in einer Stadt et- Vom Schauspielhaus her: Hat sich Freude und Spaß, in Linz zu sein. ken. Linz 09 ist für alle, die in Linz was zu erzählen haben. Ich lade Leu- das Konzept in den Jahren getra- Ich genieße, dass die Stadt so wirk- leben – und dazu gehören Obdachlo- te nach Linz ein und schaue, ob die gen? lich am Fluss liegt, und weil es da- se, MigrantInnen, Flüchtlinge … Es Lust haben, für Linz etwas Spezielles In der allerersten Voraufführung von rum geht, eine Kulturhauptstadt zu ist sehr wichtig, dass die alle einen zu entwickeln, und dann verknüp- »Medea« saß ich im Publikum, und machen, und nicht wie hier ein Raum bekommen. Eine Kulturhaupt- fen wir die mit lokalen Künstlern. die Wand ging auf und die wunder- Theater zu leiten, ist ein Kennenler- stadt ist eine komplexe Geschichte, Auch wenn es nur ein Jahr ist, versu- bare Melita Jurisic kroch kroatisch nen der Stadt auf vielen Ebenen nö- da gibt es nicht ein Thema oder eine che ich einen intensiven Dialog statt- redend aus dieser Lade heraus, und tig. Neulich waren Gäste aus Ameri- Richtung. Im Grunde ist die ganze finden zu lassen. hinter mir sagte eine Stimme: »Das ka da, und wir haben uns innovative Stadt Bühne, und man muss lernen, ist ja nicht Deutsch, so eine Frech- Unternehmen im Exportbereich an- die erst einmal zu bespielen. Mein Sie sind ja nicht der Erste, der of- heit.« Da wusste ich, dass wir auf geschaut. Es gibt in der Stadt Betrie- Arbeitsweg sieht immer so aus, dass fene Konzepte mit prozesshaftem dem richtigen Weg sind. Dass Medea ART.IST.IN NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 31

zu sein, das ist ja auch ein Statement. Wien nicht geben. Ein Theater, das Man kann ja auch mit sinnlichem, sich so für andere Kulturen interes- humorvollem Theater in starker Bild- siert. Viele in der Stadt meinten, sprache vermitteln. man braucht dieses Multi-Kulti-Haus nicht, aber letztendlich entscheidet Wie war der Abschied von Regis- das Publikum, was es braucht und seur Barrie Kosky? was es nicht braucht. Natürlich denkt man, man hätte es auch zusammen zu Ende bringen Wie ist eigentlich die Aktion können. Eine Arbeitsbeziehung von »Hunger auf Kunst und Kultur« viereinhalb Jahren ist lang. Niemand entstanden und wie schaut sie kannte Barrie Kosky vorher, es war aus? auch die Weitsicht von Marboe, uns Die Aktion entstand aus dem Bedürf- beiden das Haus zu geben. Wir nis ein Theater, das mit öffentlichen machten in sechs Jahren sechs Ko- Mittel gefördert wird, so offen wie produktionen mit den Wiener Fest- nur möglich zu gestalten. Die wochen. Wir spielen auf fast allen Schwelle für die Menschen zu redu- Kontinenten, von Australien bis zieren, die sich Theater nicht leisten Amerika bis Asien. Aus Südafrika können. Man ist von vielem ausge- hatten wir junge Techniker, die bei schlossen, wenn man kein Geld hat uns lernten. Ich höre zwar am 30. in dieser Gesellschaft, und man soll- Juni auf, aber »Saray« spielt in Mann- te nicht aus dem Kulturleben, das heim, »Poppea« beim Edinburgh ein Teil eines gesellschaftlichen Ritu- Festival, »Die Troerinnen« gehen als ist, auch ausgeschlossen sein. An- nach Korea und Amerika, »Das ver- dere Menschen können die Karten räterische Herz« geht nach Austra- für Menschen, die sich das nicht leis- lien – es hallt noch schön nach. Ich ten können, kaufen. Es ist sehr glaube, so viel im Ausland hat kein leicht, in die Armutsfalle zu tappen. anderes österreichisches Theater ge- In Wien machen über 30 Kulturinsti- spielt. tutionen mit über 80 Sozialeinrich- tungen, die die Pässe verteilen, mit.

K Wie haben Sie das geschafft mit Das Arbeitsmarktservice, Städte wie U Z

C der Unmenge an Arbeit? Z Graz und Salzburg und jetzt auch das S A L Wenn man etwas tut, was man ger- Land Oberösterreich haben sich der B A

N ne macht, ist das kein Problem. In Aktion angeschlossen. »Hunger auf E L A

D den sechs Jahren gab es wenig Pau- Kunst und Kultur« wird nun ein G A sen. Ich bin kein Premierendirektor, selbstständiger Verein, denn das M : S sondern gerne im Haus, schaue zu wird einfach zu viel für das Schau- O T O

F und beobachte Leute und Produktio- spielhaus. nen beim Wachsen. Ich hatte wun- Mit der Kampagne »Hunger auf Kunst und Kultur« öffnete er das Theater für Geldlose derbare kaufmännische Direktorin- Kann ich nicht schon irgendein nen und RegisseurInnen mit einer Beispiel von Linz haben? Es gab schon Stadtgespräch wurde, gab uns Das Konzept klingt sehr offen … eigenen Theatersprache. Es gibt, die Warnung, dass nichts ausge- viel Auftrieb. Wir entwickelten ein Wir wollten Leute einladen, die die- glaube ich, wenige künstlerische Lei- lassen wird, als was dann eh anderes Bewusstsein für ein Theater sen Blick von außen auf unsere Ge- ter, die sagen können, ich hatte alles. schon auf der Homepage steht. für alle. Bei »Saray« kamen türki- sellschaft haben, die können oft Alles, was ich mir mit den Künstlern Nein (lacht). Über darstellende sche, in Wien lebende Menschen ins schneller, schärfer und analytischer erträumt habe, hat stattgefunden. Es Kunst steht nichts auf der Homepa- Theater, bei den Troerinnen koreani- agieren, die bringen keinen Ballast ist alles genauso passiert. Und kam ge. Weil der Berg sagt nichts. Das sche, bei den Vorstellungen für Ge- mit. Ich glaube, dass meine Linie für auch so auf die Bühne. Ich habe mei- Projekt »Schaurausch« ist schon pas- hörlose und Blinde saß ein gemisch- manche meiner Wiener Kollegen, ne eigene künstlerische Arbeit mehr siert, denn dass was läuft, verrät man tes Publikum. Es entwickelte sich die nicht am Haus gearbeitet haben, in den Hintergrund gestellt, denn ja, dass was 2009 kommt, verrät eine sehr internationale offene Szene zu streng war, aber das Haus musste mit internationalen Menschen inten- man nicht. Es ist noch zu früh. Das um das Haus. Wir konnten ein Stück eine Identität nach außen ausstrah- siv zu arbeiten, erfordert viel Zeit. hat auch mit Aberglauben zu tun: in Kambodschani machen, und die len. Ich war sehr konsequent darin, Wenn jemand wie Ong Keng Sen Dinge, die man zu früh verrät, kom- Bude war voll. Das hätte wohl nie- auch denen eine Stimme zu geben, nach Wien kommt, musst du ihn be- men dann nicht. Ich bin dafür, die mand gedacht, dass das außerhalb die in unserem Kulturleben keine treuen. Du musst ihn zuerst mal fin- Pläne immer gemeinsam und ordent- der Wiener Festwochen möglich Stimme haben, z. B. in Bezug auf den, und dann musst du schauen, lich zu verraten und nicht scheib- wäre. Und letztendlich war es auch Sprachen, die ich auf der Straße aber dass er herkommt. chenweise. Nix wird verraten, denn ein Haus mit Produktionen für und nie im Theater höre. Es war aber es muss ja in sich stimmig sein. Man über Wien, wie z. B. »Familien- nicht Exotismus oder Folklorismus, Sie und Ihr Team werden eine Lü- muss ein bisschen Spannung erzeu- tisch«, das in sieben Sprachen von in sondern machte inhaltlich Sinn, cke hinterlassenn … gen. Wien lebenden Menschen erzählt. z. B. eine Aufführung auf Türkisch Mit dem Motto »Treten Sie ein in »Familientisch« ist ein utopischer zu machen. eine andere Welt« haben wir etwas Mit verschiedenen Methoden, Entwurf für Wien. Jetzt bei der Neu- in den Raum gesetzt, das sich wirk- oder? auflage in der dritten Generation die- War das politisches Theater? lich als andere Welt versteht. Ich (Airan Berg schweigt und lacht.) ser Produktion ist schon fast alles Theater ist immer politisch. Auch denke, das Theater, das es war, wird Mit Airan Berg sprach ausverkauft. wenn man versucht, nicht politisch es sicher in den nächsten Jahren in Kerstin Kellermann ART.IST.IN 32 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

Musikarbeiter unterwegs – mit Rewolfinger bei der Arbeit Das Herz kennt keine Ironie MUSIK- Mit der CD »Redemption, Daily 10AM« hat die von ARBEITER Wien aus operierende Band UNTERWEGS Rewolfinger ein eindrucksvol- les Werk angeliefert. Eine er- frischende und berührende, ungenierte Aneignung US- amerikanischen Liedguts. chen, weil das alles so traurig ist. Auch die Frage nach der Ironie stellen sich die Herren von Rewol- rlaub war gut. Allein die finger natürlich, genau- gefilterten Neuigkeiten- er, ob das, was sie da G

Splitter – alle vier Tage N tun, als Ironie missver- A L

dann doch eine Zeitung O standen werden kann. I R

U A gekauft – aus dem Land mit dem A Doch die Leidenschaft M : reichten für die kleine Zwischencho- O und Konzentration, mit T O lerik. Ein ungenannter »Kurier«- F der Rewolfinger zu Kommentator entblödete sich nicht Rewolfinger bei der Arbeit Werke gehen, macht sinngemäß zu schreiben, dass die die Frage eigentlich G8-Mächtigen die einzige Chance Die nicht mehr dauerbeschäftigten »Oh Death« oder der super lässige auch gleich wieder obsolet, man der Armen dieser Welt auf eine Ver- Ohren freuen sich auch über kleine Opener »Driving Nails In My Cof- höre sich etwa auf der CD das un- besserung ihrer Lage sind. Geht’s Gaben, wie ein paar Dylan-Songs fin«. Aber auch viel gerittenen Ame- glaubliche »Everybody Loves You noch? Auch beeindruckend der zyni- hier, ein paar Beatles-Songs da, den ricana-Schlachtrössern wie »Wayfa- When You Are Dead«, das so geil ge- sche Opportunismus der Herren Ko- schönsten Song von überhaupt sin- ring Stranger« und dem ewigen sungen und arrangiert ist, dass ei- pietz und Sopietz, die das widerli- gen aber das Meer, der Wind, die »Rambling Man« vermögen Rewol- nem ein lang vergessenes Wort in che Thema »Komasaufen« ruckzuck Sonne und das Lachen und die Au- finger zu einem Schritt zu verhel- den Sinn kommen kann: gottvoll. für mediales Kleingeld für »ihre« gen von so einem wunderbaren klei- fen, der ihnen eine seltsame, leich- Und es sind noch nie die schlechtes- Donauinsel nutzen. Als ob es beim nen Menschen. te wacklige, ungeahnte Würde ver- ten Bands gewesen, die beim Spie- Donauinselfest um irgendetwas an- leiht. len immer nur einen Beat vor dem deres als ums kollektive Saufen geht. Schlagzeuger Christian Dürr defi- Auseinanderfallen sind, die mit ih- Auch ganz ohne Alkopop zum Kot- Driving Nails In My Coffin niert einen Song, der ein Rewolfin- rem Material auch kämpfen können zen. Überhaupt »Komasaufen« – die ger-Song werden kann, so: »Existen- und müssen. »Irgendwie halt es aber Jugendfeindlichkeit der entspre- Noch vor der großen Reise stand zielle Texte westamerikanischer zsamm, das macht das Livespielen chenden völlig hysterisch geführten eine kürzere in den fünften Bezirk Songwriter, die zu Wiener Mittel- zu einer Gratwanderung, die auch »Diskussion« ist beängstigend. an, wo Rewolfinger in einem klei- ständlern passen.« Warum und wie für uns spannend bleibt.« Dabei haf- Wenn mir meine Tochter im Teen- nen Probestudio an ihrer Musik ar- das funktioniert, ist das vermeintli- tet Rewolfinger längst nichts mehr ager-Alter aus Linz erzählt, dass die beiten. Im Lennonroom (die Alter- che Paradoxon im Herzen der Band, Dilettantisches an, aus einem ganz Polizei junge Menschen aus Lokalen native ist der Zapparoom) spielte der die Band gerne beim benachbar- schön umfangreichen Instrumentari- holt und zum Alko-Test bittet, ihnen sich die Band, fünf von sechs Rewol- ten Wirten nachhängt. »Genau die um schöpfen sie die verschiedens- dann bei Überschreiten einer gewis- fingern sind anwesend, beherzt Frage nicht beantworten zu können, ten und abwechslungsreichen sen Promillezahl 21 Euro abknöpft, durch die Songs ihres Livesets. 12 macht Rewolfinger aus.« Der neue Sounds für die Bearbeitungen ihrer wird klar, wohin das Ganze perspek- davon gibt es auf der CD »Redemp- Bassist Axel Gschaider legt nach: Songs, denen sie immer einen eige- tivisch gehen soll – der Staat will tion, Daily 10AM« zu hören, ein »Gegen einen lebensbejahenden nen, unorthodoxen Twist mitgeben, mehr Geld mit dem Saufen verdie- wunderbares, rundes Dokument Vibe wehre ich mich.« der auch Worthülsen wie »Country« nen. Oder Prohibition irgendwer? dessen, wie diese Band in den letz- Was jetzt nicht heißt, dass die Mu- oder »Americana« als Beschreibung Ach ja, und der Sport hat doch bitte ten Jahren gewachsen ist. Rewolfin- sik von Rewolfinger ein selbstmitlei- ins Leere laufen lässt. Dass alle Re- auch ordentlich ausgeschissen, ger haben mittlerweile eine ganz ei- diges Getränze aus dem Jammertal wolfinger singen (die einen mehr, oder? gene, einnehmende Art gefunden, der human condition ist, vielmehr die andern weniger), trägt zum spe- Ein Nebeneffekt vom Urlauben: sich mit Verve und Leidenschaft und handeln Rewolfinger davon, dieses zifischen Charme und Charakter INFOeinem spezifischen »Witz«, der Jammertal mit Würde und Haltung dieser Band bei, der auch ihr Album eben nichts mit lustig sein oder gar zu durchschreiten und dem ge- so speziell macht. Und die Gelegen- Ironie zu tun hat, um Songs anzu- schundenen Herzlein der Mensch- heiten, wenn die Herren Rewolfin- Rewolfinger »Redemption, Daily nehmen, die allesamt zu den thema- lein ein oder zwei tief empfundene ger den Lennonroom Richtung Live- 10 AM« (Konkord) Live: 26. 6. Badeschiff/Laderaum tischen Schwergewichten des Great Auflacher zu gönnen, bevor es wei- bühne verlassen, sollte man sich 12. 7. im WUK American Songbooks gehören. Da ter geht, durch Tod, Untergang, Nie- gönnen, dringend! www.rewolfinger.com finden sich »Alone & Forsaken«, dergang und Heartbreak. Wir la- Rainer Krispel NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 33 Ein Hilferuf T

m Augustin konnte ich in T den letzten Jahren immer wieder Artikel von Arbeits- losen lesen und von den Kursen, in die diese Igeschickt wurden; und darüber, was sie von diesen Kursen halten.

Da ich auch schon vor ca. 10 A Jahren das »Vergnügen« gehabt hatte, an einem solchen Kurs (8 Std. tägl.) teilnehmen zu dürfen, konnte ich die Gefühle der Schrei- benden nachempfinden. Damals war meine ältere Toch-

ter zwar schon ca. 12, 13 Jahre T alt, aber ein Stress und ein Ärger war es für uns damals allemal. Zu- dem meine Tochter mit 13 natür- lich nicht mehr in den Hort gehen wollte, der Kurs in den großen Sommerferien begann und sie ihre

Ferien großteils alleine zuhause S

verbringen musste. R E L L

Daher war mein Schreck groß, Ü M als meine kleinere (um einiges A L R A

später geborene) Tochter (die heu- C

: N

te 7 Jahre alt ist) eineinhalb Jahre O I T A alt wurde und ich nach der R T S U

Karenzzeit sofort zur Arbeitsver- L L I mittlung und – als diese nicht so- K fort zum Ziel führte – sofort in ei- nen Kurs geschickt wurde. Auf meine Einwände, dass es doch un- menschlich sei, ein eineinhalbjäh- riges Kind ganztags in den Kindergarten zu ste- Verkauf von Sachen am Flohmarkt gemacht. Und cken, meinte der AMS-Betreuer, dass alle anderen Gott sei Dank fand ich einen Flohmarkt, wo ich r es ja auch so machen und dass es heute sogar psy- unter Dach einen Fixstand bekam und dort jede R chologisch erwiesen sei, dass es für Kinder dieses Woche geschenkte, gefundene und selbst gemach- Alters gut ist, ganztags in den Kindergarten zu ge- te Sachen verkaufen konnte. Der Flohmarkt hatte u hen. noch dazu eine gute Frequenz, d. h. es kamen Dies konnte mich freilich nicht überzeugen. dort wirklich viele Leute hin, und so konnte ich t Also wurden mir für dieses Kind im Februar von dem bescheiden, aber doch, leben. Mietzins- a oder März, »von heut auf morgen« drei Kinder- beihilfe, Radio- und Fernsehgebührenbefreiung, E gartenplätze angeboten. Am Sozialamt meinte der Kindergarten- oder Hortermäßigung bekam ich

Betreuer nur: Sie sind arbeitsfähig, Sie können ihr keine, aber Kindergarten und Hort brauchte ich r Kind ja in den Kindergarten geben; wenn Sie das so sowieso nicht. Versichert waren wir Gott sei nicht wollen, kriegen Sie von uns nichts. Dank auch, da ich zwar verheiratet war, wir aber Aus, basta, fertig! Übrigens heute, 6 Jahre spä- getrennt leben. Mein Mann ist Frühpensionist e ter, ist die Situation nur geringfügig besser. Die und konnte uns dadurch finanziell leider auch t Karenzzeit beträgt jetzt zwei Jahre bzw. zweiein- nicht unterstützen. Das Ganze war natürlich ei- halb Jahre, wenn der Vater auch in Karenz geht. gentlich illegal, obwohl der Staat sich an mir nur i Gott sei Dank hatte ich bereits vorher hobby- was ersparte, denn so viel verdiente ich ja nicht, l mäßig oder nebenberuflich Erfahrung mit dem dass ich hätte Steuern zahlen müssen. Doch der W LITERATUR-WERKSTATT 34 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07

Flohmarkt wurde diesen Winter vom Magis- Denn eine allein stehende Frau mit fünf Kin- uns durchzubeißen. Um 5.30 Uhr stehe ich trat geschlossen. Man vermutet alles Mögli- dern oder eine Frau, die zwei Jahre vor der auf, sie um 6 Uhr. Für sie: Frühbetreuung in che: Feuerpolizei, »Chinesen- Pension steht, hat nicht wirklich Jobperspek- der Schule um 7.15 Uhr. Für mich: von 8.15 Markengewand«, ein paar selbst gebrannte tiven. Das ist nur zur Kaschierung der bis 12.30 Uhr Kurs, dann einkaufen, Töch- DVDs oder vielleicht schlicht und einfach die Arbeitslosenzahlen. terlein vom Hort abholen, zum Turnen fah- Tatsache, dass dieser Flohmarkt einfach »gut Doch die Politik ist heutzutage so: Kaum ren, an manchen Tagen kommen wir erst um ging«. hat man den Fernseher aufgedreht oder die 19 oder 20 Uhr nach Hause, dann erst fängt Für mich war das auf gut Deutsch einfach Post aus dem Postkasten genommen, wird die Hausarbeit an. Noch dazu habe ich, seit Scheiße. Bisher hatte ich zumindest unter einem schon suggeriert, was der Staat nicht ich arbeitslos bin, jede Menge Behördenwe- der Woche Zeit für meine Tochter, sie ging alles dafür tut, dass Kinder hier professionell ge, die auch nach dem Kurs erledigt werden dreimal in der Woche turnen, bzw. in rhyth- betreut werden und junge Frauen »Karriere« müssen. Die schulischen Leistungen meiner mische Sportgymnastik. Weil ich möchte, machen können. Die paar, die ihren Beruf Tochter haben stark nachgelassen, und fürs dass sie eine Ausbildung außerhalb der als Karriere sehen, mögen dazu die Gelegen- Turnen hat sie plötzlich auch keine Energie Schulbildung erhält und nicht später einmal heit haben, doch die meisten jungen Frauen mehr. einen Sklavenjob machen muss. sind ja nur billiges, junges, noch relativ un- Am Wochenende stehen wir auf einem Also kein Geld, also wieder zum AMS und verbrauchtes »Kanonenfutter« für die Wirt- Flohmarkt, wo halt leider nicht viel los ist. innerhalb eines Monats wieder Kurs. schaft. Und die Kinder sollen möglichst früh Weil ich möchte, dass ich uns möglichst bald Der Kurs selber ist ja ganz nett, die auch als solches erzogen werden. Und was wieder »selbständig« erhalten kann; und Betreuerinnen großteils auch, aber mir per- die Wirtschaft verlangt, wird von der Politik weil wir von 400 Euro Arbeitslosengeld und sönlich hilft das beruflich nicht weiter, da ich umgesetzt. 36 Euro Sozialhilfe für Miete, Energie, Essen ja eigentlich keinen Sklavenjob suche und für etc. auch nicht leben können. meine Tochter plötzlich auch viel weniger Kein Wunder, dass ich mich total erschöpft Zeit habe und mir so die Energie und Kraft So wie mir geht es wahrscheinlich und ausgelaugt fühle und fast jeden Tag zwei für die wichtigen Dinge fehlt. Und außerdem vielen Frauen Parkemed brauche. Im Kurs machen wir öf- werden wir von einer Betreuerin dazu ermu- ter so Spielchen: »Wie geht es dir heute?« tigt, uns Ausbildungen auszusuchen, und von Und dann wundern sich die Leute bzw. Poli- und »Wie soll dein Leben in 3 Jahren ausse- der nächsten hören wir dann, dass im Mo- tiker, dass die Jugendlichen »koma-saufen«, hen?«, wo ich (und nicht nur ich) jedes Mal ment eh keine finanziert werden. aggressiv sind, Mitschüler und Lehrer atta- einen Heulanfall kriege. Doch ich sehe kei- Der Kurs wird von den Frauen unter- ckieren und die Eltern in der Erziehung ver- nen Ausweg, und so wie mir geht es wahr- schiedlich aufgenommen, manche machen sagen. Abgesehen davon, dass der Staat, der scheinlich vielen Frauen. ihn gerne, freuen sich über neue Kontakte ja angeblich so an der Drogenbekämpfung … bis meine Tochter vor wenigen Tagen und hoffen auf neue berufliche Perspektiven. interessiert ist, das Problem der Hauptgesell- in der Schule einen Herzanfall oder Panikat- Viele aber mit Kindern sind psychisch und schaftsdroge Alkohol nie wirklich bekämpfen tacke hatte. Falls du, liebe Leserin lieber Le- physisch sehr belastet. Und für viele ist der wird, weil die Wirtschaft ja kein Interesse ser, mir dazu was schreiben willst oder ähnli- Kurs einfach sinnlos; aus der Sicht der Teil- daran hat. che Erfahrungen gemacht hast, bitte schreib nehmer vergeudete Zeit und aus Steuerzah- Tja, was bedeutet das nun für meine Toch- an: ler-Perspektive herausgeschmissenes Geld. ter und mich persönlich? Wir versuchen halt, [email protected]

Aus den Aufzeichnungen eines Augustin-Verkäufers Mein größter Gegner – bin ich selbst

hema des vorigen Abschnitts war Humanität und des Gewissens, der Richtig- erhöht unser Verständnis für andere. Nur das Flüchtlingsheim, in dem ich keit, die aus unseren Herzen kommt, folgen. durch die richtige Einstellung können wir wohne. Ich möchte noch auf die Ich möchte noch erwähnen, dass ich hier wachsen und gedeihen. TVerhaltensregeln im Heim zurückzu- in Wien auch einer Kirchengemeinde ange- Einem jungen Verkäufer zum Beispiel, der kommen. Wir dürfen beispielsweise nicht öf- höre. Ich besuche die Kirche immer am in seinem Geschäft steht und immer freund- ter als 3 Nächte pro Woche auswärts über- Montag und Donnerstagabend und am Sonn- lich zu seinen Kunden ist, sie respektiert und nachten. Wenn du nach 22 Uhr abends tag. Und dort treffe ich ebenso auf wunderba- ihnen seine Wertschätzung zeigt, immer mit heimkommst, musst du 2 Euro bezahlen. Es re, liebevolle Menschen. Für mich ist es sehr einem Lächeln auf den Lippen, kann Erfolg ist nicht erlaubt, Alkohol oder Drogen im wichtig, in die Kirche zu gehen, denn für prophezeit werden, weil sein Verhalten dem Heim zu konsumieren. Keine Raufereien, mich ist die Kirche die Verkörperung von Kunden Vertrauen einflößt. Mit so einer Ein- Streitereien oder laute Musik nach Mitter- Christus. stellung ist der Himmel nicht deine Grenze, nacht und so weiter und so fort. Für mich er- Und jetzt meine Gedanken zur Einstellung damit wirst du über den Himmel hinausra- scheinen diese Regeln vernünftig, um ein des Menschen. Was ist das? Es ist einfach die gen. Warum? Weil ein glückliches und fröhli- friedliches Zusammenleben zu ermöglichen. Art, wie sich ein Mensch den anderen Leu- ches Gesicht die Leute einfach anzieht. Und man darf nicht vergessen, dass jeder ten gegenüber verhält. Es ist einfach eine Die andere Sorte Mensch hat immer an al- von uns sich gewissen Regeln unterwerfen Denkweise. Die Einstellung eines Menschen lem etwas auszusetzen. Niemand kann es ih- muss, staatlichen Gesetzen, Vereinbarungen bestimmt seine Höhen und Tiefen. Das ist nen recht machen. Mehr noch, sie geben am Arbeitsplatz oder der Schulordnung, aber sehr wichtig, denn die Einstellung bringt uns auch immer den anderen die Schuld für ihre im Eigentlichen sollten wir den Regeln der im Leben vorwärts, beflügelt uns im Job und eigenen Fehler. Sie suchen die Fehler der an- LITERATUR-WERKSTATT NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 35 deren geradezu immer und überall. Aber ich ges Gemüt, niemals fröhlich und immer de- kann vor der schrecklichsten Situation stehen sage euch, mit dieser Einstellung kommt man pressiv, ist nicht sehr selbstbewusst und und wird sie zu seinem Vorteil nutzen. Der nicht weit. Damit wird man am Ende nur de- glaubt nicht an sich selbst, ist immer pessi- mit der richtigen Einstellung wird pressiv und fühlt sich selbst miserabel. Das mistisch. Er neigt zur Hoffnungslosigkeit, ist weiterkommen. kann sich auch auf die Gesundheit schlagen. oft kurzsichtig. Lasst uns also mit dem Jammern und Kla- Wir sollten also immer darauf achten, was Phlegmatiker ähneln ein wenig dem San- gen aufhören und mehr an uns selbst wir tun und wie wir es tun. Aber mit der guiniker, sind manchmal traurig und mögen glauben, dann wird sich alles für uns zum richtigen Einstellung werden wir sicher jede es nicht besonders, sich unter die Leute zu Guten wenden. Ich weiß, kein Mensch ist miese Situation überleben und können mischen, sie gehen alles sehr langsam und perfekt oder bereits als leitendes Vorbild ge- daraus sogar wachsen. Vergesst nie, oft will vorsichtig an, wirken entscheidungsschwach, boren. Aber ich denke, die Vorbildfunktion euch das Leben zum Opfer machen, aber argumentieren hin und her und schieben die kann erlernt werden, man kann es sich ange- wenn ihr es richtig angeht, werdet ihr die Dinge auf. Für sie hat alles zwei Seiten, was wöhnen. Man muss nur sein Alltagsleben nä- Opferrolle ablegen und als Sieger hervor- die Entscheidung erschwert. her beleuchten und sich selbst beobachten. gehen. Ich hörte manche Leute über mich sagen, Damit will ich sagen, egal wie hoffnungslos dass ich so wie eben beschrieben bin, und manches aussieht, wenn ihr darauf mit einer Den Stolz überwinden … ich denke, das wird sich nicht ändern. Ich mutigen Einstellung zugeht, werdet ihr eine würde meinen, dass die Einstellung oder Le- Lösung finden. Vergesst nicht, dass manche Leute auch zwei bensweise, die man lebt, nicht primär dazu Ich kann auch verstehen, dass die Leute oder drei Temperamentszüge abwechselnd dient, anderen zu gefallen. Wenn aber drei sich vor Kritik fürchten. Doch ich würde be- zeigen können. Ich glaube, der Mensch hat Viertel der Leute, auf die du triffst, sich über haupten, eine Person mit der richtigen Ein- jederzeit das Recht, sein Schicksal zu bestim- deine Verhaltensweise beschweren, dann stellung muss sich auch davor nicht fürchten, men, wenn er wirklich will. Ein Mensch nimm dich zusammen, wirf den Mantel dei- denn mit einer positiven Haltung kann man kann sich selbst gegenüber der größte Feind nes Stolzes ab und ändere dich. Wir alle ha- aus jeder Kritik einen Vorteil für sich ziehen. sein, eigentlich möchte ich es sogar so aus- ben unseren Stolz. Aber der Mann oder die Menschen dieser Art akzeptieren die Kritik drücken: Jeder Mensch ist sein eigener Frau, die im Leben etwas erreichen wollen, und zerbrechen daran nicht. Diese Einstel- Feind. muss den Stolz über Bord werfen und über lung trägt dazu bei, den Betroffenen eine Stu- Was ich damit sagen will, ist, dass wir ge- gewisse Veränderungen ernsthaft nachden- fe höher zu stellen, denn er setzt sich hin, nau wissen, was wir im Leben zu tun haben, ken. analysiert sein Leben und findet heraus, in aber aufgrund von Ängsten sind wir nicht Wer seinen Stolz überwunden hat, steht welchen Punkten er sich ändern muss. Er ak- stark genug, die entsprechende Entscheidung bereits an der Schwelle zum Erfolg. Denn zeptiert seine Fehler und korrigiert sie, um zu treffen, das Richtige zu tun. Wir wissen Stolz ist ein riesig großes Hindernis, und oft einen Schritt vorwärts zu machen. Ich möch- verdammt gut, was die Lösung des Problems merken wir das gar nicht. te an dieser Stelle auch einwerfen, dass wäre, und verzweifeln, weil wir es einfach Nwokocha Philips manchmal Leute sich in dem Glauben wie- nicht schaffen. Somit sind wir selbst unser gen, uns zu kritisieren, aber ohne es zu wis- eigentlicher und größter Gegner. Wird fortgesetzt. Zuletzt erschien eine Folge sen machen sie eigentlich dadurch Werbung Da war dieser junge Mann, der mit uns zu- in Ausgabe Nr. 203. für uns. Vergesst nie, dass die öffentliche sammen im Flüchtlingsheim lebte und von Meinung nie permanent gleich bleibt. Wir der Polizei wegen sollten vor Kritik nicht zurückschrecken. Ob Drogenhandels auf OTTAGRINGO in der Politik, Religion, in der Gruppe, im der Straße verhaftet Job, im Geschäft oder sonst irgendwo – Kritik wurde. Er wurde wird immer auftauchen, aber wenn wir damit bald wieder auf frei- richtig umgehen, wird sie uns nützlich sein. en Fuß gesetzt und Um auf das Temperament der Menschen zu- nach einigen Tagen rückzukommen, ich möchte das noch ein we- fing er wieder mit nig erklären, wie man die Leute zuordnen dem Drogengeschäft könnte. an und wurde Ein Sanguiniker ist immer glücklich und erneut von der Poli- versteht Spaß, neigt aber zur Vergesslichkeit. zei aufgegriffen. Er liebt Partys und Feste, ist ein offenes Ge- Diesmal wurde er müt, macht viele Versprechungen (seinem zu einer längeren Ehepartner, den Kollegen oder Freunden), Gefängnisstrafe ver- ohne sie jemals zu erfüllen. Er schiebt Dinge urteilt. gern auf, ist immer freundlich und teilt alles, Daran sehe ich was er besitzt, gerne, er ist sehr großzügig. einmal mehr, dass Vergesst nie, einer großzügigen Person fehlt ein Mensch sein ei- es an nichts! gener Feind sein Ein Choleriker ist ein komplett anderer kann. Manchmal Charaktertyp, er arbeitet meist sehr hart, werden wir bewusst kümmert sich um seine Familie, neigt aber oder unbewusst in zur Rache, wenn ihm unrecht getan wird, Dinge verwickelt, verzeiht nur sehr schwer und ist eine sehr die uns zerstören. konservative Person. Er zeigt Führungsambi- Um es nochmals tionen und trifft oft Entscheidungen allein, zu wiederholen: Ein ohne jemand anderen mit einzubeziehen. Er Mensch kann sich ist sehr stark und mutig. nur selbst im Weg Der Melancholiker ist ein langsames, ruhi- stehen. Ein anderer LITERATUR-WERKSTATT 36 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 Schuld und Sühne

aben Sie es mitbekommen? Diag- Motto: »Wenn i miaß´n muaß, wü i scho gor beschäftigt war. Und mit einem ziemlich ex- nose: COPD. Der Raucher im Spi- ned – und wenn i ned deaf, daun wü i erst tremen Spritzmittel namens Metasystox (ein tal. Luftprobleme? Invaliditäts-, Be- recht!« Und trotzdem ergibt er sich immer systemisches Insektizid) oftmals wider besse- Hrufsunfähigkeits-, Früh-Pension? wieder eigenen Zwängen. res Wissen und ohne Mundschutz mit der Hände auf den Kopf, äh aufs Herz: Haben Sie Wer ist Schuld, wenn in einer Beziehung, Motorspritze auch gegen den Wind sprühen nicht vielleicht auch gedacht – na klar! Früher oft unbegründet, einseitige Eifersucht musste. Vielleicht sogar noch länger als sonst, Alkoholiker, starker Raucher seit eh und je; herrscht. Und wenn dann gerade deshalb ein schließlich sollten ja Läuse und Ungeziefer Sport sowieso hauptsächlich passiv, vorm »Seitensprung« passiert. Da ist es schon posi- auf hohen Bäumen bekämpft werden. Diese Fernseher, »turnen« (sprich törnen) nur im tiv, wenn die Auswirkungen nur seelisch und Mittel heißen deshalb »systemisch«, weil sie Kopf – mit den Gedanken. nicht auch noch körperlich schmerzvoll sind. sowohl über Berührung als auch orale Selber Schuld, der Kerl. Da braucht er sich Wer oder was muss als Schuldiger herhal- Aufnahme in den (Ungeziefer-)Organismus nicht viel Mitleid zu erwarten. ten, wenn einer nicht an einer Konditorei gelangen. Unmittelbar waren wohl keine be- Auch klar, dass der Raucher selbst etwas vorbeigehen kann, ohne auf ein, zwei Tört- sonderen Folgen zu spüren gewesen … man anderer Meinung ist. No na net. Bevor Sie chen einzukehren. Etwa die Großmutter, die ist schließlich kein Ungeziefer; und so etwas aber aufhören wollen weiter zu lesen, hat der früher jedes Wochenende so gute Mehlspei- vergisst man schnell. Gärtner ist ja an sich Raucher ein paar Wolkenhaufen für Sie (Rau- sen gebacken hat. Oder vielleicht der Archi- grundsätzlich ein gesunder Beruf, der auch cher oder Nichtraucher) zur Inhalation bereit: tekt, der diese Konditorei so einladend gestal- noch interessant und abwechslungsreich sein Zum einen – nicht jeder Dicke hat zwangs- tet hat. Oder die Ehefrau, die absolut nicht kann. Man ist jedenfalls froh, dass man ihn läufig zu viel gegessen! Und wenn er es auf Süßes steht und jeden Tag Gemüse in al- hat. zwangsmäßig tut, dann steckt oftmals auch len Variationen zubereitet. Er erinnert sich, dass er in jüngeren Jahren was anderes dahinter als zwangsweise Über- Oder wie geht es einem »Süchtigen«, der kräftig in die Fahrradpedale stieg, in unserer mäßigkeit. Wo liegt hier Schuld? Niemals Drogen nimmt. Weil er vielleicht durch das schönen Wiener Stadt. Und dabei auch kräftig würde es dem Raucher einfallen, in der Rich- falsche Umfeld aus reiner Neugierde einmal die wunderbar kohlenmonoxid-angereicherte tung jemand zu verurteilen. Bei so viel davon probiert hat. Weil Flucht schon immer feinstaubbelastete Luft inhalierte. Das ganze »Zwang« denkt er eher an sein propagiertes das Mittel der Wahl gewesen ist. Weil er ein- unter dem Mantel des gesunden Sports. Und fach mit der Umwelt, der Umgebung oder dann, am Ziel angelangt, zur Belohnung eine auch nur mit sich selbst nicht klar kommt. Zigarette oder sonst was zum Rauchen. Und bald – je nach Droge – immer mehr Dem Raucher fällt ein, dass er einmal in davon braucht. Dass es seinem Hochbett etwas berauscht mit der Zi- ihm wenigstens einiger- garette einschlief. Nachdem diese zwischen maßen »normal« geht. die übereinander liegenden Schaumgummi- Wie soll der wissen, was Matratzen gerutscht war, wurde er gerade STRASSEN- UND PARK- überhaupt »normal« ist? noch rechtzeitig durch Brennen im Ellbogen- Und dieser arme Mensch bereich geweckt und schlagartig nüchtern. FEST DES AUGUSTIN dann zufällig mal eine Die auflodernde Flamme konnte er geistesge- besonders schmutzige genwärtig mit dem Kopfpolster ersticken. Der Freitag, 13. Juli Mischung »seiner« Dro- beißende Rauch beschäftigte ihn aber bis in ge erwischt, oder eine die Morgenstunden. Irgendwann hatte er Klagbaumgasse/Rubenspark besonders »reine«! Endet auch das vergessen. 1040 Wien auch tödlich. Bei wem Was an all dem Vorgefallenen hat denn viel- 15 bis 22 Uhr liegt dann die Schuld – leicht (auch) Schuld an seiner jetzigen Krank- wer ist der Schuldige? heit, denkt der Raucher. Aber auch nicht Livemusik, Performances, Lesungen, wirklich. Denn es geht ja gar nicht um Schuld Volxküche und Schuldzuweisungen, und dem Raucher Der Sinn der Sache geht es schon gar nicht um Mitleid! Jeder Freitag, der Dreizehnte (heuer gibt es diese Konstellation kann nur sein, sich Ihm liegen schon eher Toleranz und zweimal; sie kommt nie öfter als dreimal im Jahr vor) soll zu ei- mit sich selbst zu Verständnis am Herzen! Nämlich das nem „Glückstag“ für Gestrandete, zu einem Tag der ungewöhn- solidarisieren Verständnis der eigenen Unfehlbarkeit und lichen Maßnahmen gegen soziale Ungerechtigkeit, zu einem „Fa- für manchen Fehler anderer. sching von unten“, zu einem Tag der sozialen und kulturellen Ak- Der Raucher denkt wei- Der Sinn der Sache kann nur sein, sich mit tion von und für Gruppen werden, die von Politik, Ämtern, Me- ter, und ihm fallen Ein- sich selbst zu solidarisieren, die augenblickli- dien und Teilen der Bevölkerung zu Sündenböcken erklärt wer- zelheiten aus der eige- chen Zustände, auch die rundherum – also den. Ein Wiener-Linien-Nulltarif für Obdachlose, Sozialhilfebezie- nen Vergangenheit wie- Umstände, anzunehmen und damit sehr be- herInnen und Flüchtlinge und ein Stopp der Verweisungen uner- der ein. An Gutes denkt dachtsam umzugehen. Denn auch mit gänz- wünschter sozialer Gruppen aus den „wertvollen“ Zonen des öf- man gerne und oft lich Unverschuldetem, blöden Zufällen und fentlichen Raums sind diesmal die Hauptanliegen. Der Beitrag des zurück, Schlechtes oder sonstigen Katastrophen muss man sich Augustin zum kommenden F13-Aktionstag ist das Straßen- und Schlimmes vergisst man irgendwie arrangieren. So viel zum Thema Parkfest in Wien-Wieden. leichter. Reue! Wie er z. B. als Gärt- Mit Bedacht und ohne Zwang kann man Aktionsbeiträge für das Fest sind willkommen nergehilfe im Sommer dann bestimmt auch manches vorteilhaft än- Kontakt: (01) 587 87 90 oder oft tagelang mit der dern, meint [email protected] Schädlingsbekämpfung der Raucher LITERATUR-WERKSTATT NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 37 Unsere Lieblingshelden: Nie ohne Rauch

nglaublich, dass man in der Welt, obwohl sie schon Opas sind. Oder verbot ist aus einer STAMMTISCH Zeit, wo die Medizin fast alles plötzlich wird manchem klar, dass er eigent- arroganten Mehrheit KORRESPONDENTIN »Ureparieren kann, die Justiz im- lich nicht Frauen, sondern Männer liebt. Es der Raucher eine ver- mer noch blind durch die Gegend herum gibt auch Männer, die von der Midlife-Crisis folgte Rauchermin- laufen lässt«, fällt dem Helmuth beim Lesen einfach wegrennen. Manche machen eine derheit geworden.« der Kronen-Zeitung auf. »Millionen musst lange Reise um die Welt, und wenn sie zu- »Komisch,« sagt Emmi, »aber seit dieser An- du unterschlagen, dann bist du ein geschätz- rück zu ihrer Familie kommen, ist die Krise tiraucherpsychose sehe ich immer mehr Kin- ter Mensch, aber mit einem Dieb, der ein nicht mehr da.« Mit dieser Psychoanalyse der auf der Straße rauchen«, und bevor sich paar Tausender oder Hunderter und Gottbe- beglückt uns Elfi, und Linda kann dem eine die Emmi mit diesem üblen Phänomen in- wahre irgendetwas aus einem Geschäft Information aus einem Nachbarstaat hinzu- tensiver auseinander setzen kann, kommen klaut, mit dem kennt das Gesetz keine Mit- fügen: »Zwei deutsche Freunde stellten fest, der Sigi und der Karli in angeheitertem Zu- leid.« Der Poldi liegt Folgendes am Herzen: dass sie sich auch in einer solchen Krise be- stand zum Tisch. »Servus allerseits, es ist su- »Da setzen sie DEM da ein paar Bypässe ein fanden, sie packten ihre Sachen in ihre Au- per, man hat dieses Jahr jeden Tag Feiertag.« und der Arme durfte eine Woche länger auf tos ein, sagten den Frauen nichts und fuhren Als der Sigi noch unsere begriffsstützigen der Kur bleiben. Als ich voriges Jahr auch einfach weg, dem neuen Leben entgegen. Gesichter sieht, hilft er uns auf die Sprünge: eine Kur beantragte, hatte ich keine Chance, Weit kamen sie aber nicht, weil schon hinter »Heuer haben wir laut chinesischem Horo- alle lachten sie mich aus. Und dabei wollte der tschechischen Grenzen fingen diese skop das Jahr des Schweins. Meine Oma ich nur eine Wassertherapie, das ist die, wo zwei Helden an, das Leben zu genießen, in wusste immer, wovon sie redete. Von klein man dabei aufgehängt wird, um länger zu der Überzeugung, dass ihre Krise sie nicht an, als sie mich sah, versuchte sie meine werden. Um drei Zentimeter wollte ich län- mehr verfolgte, Als sie am nächsten Tag Mutter zu beruhigen und sagte zu ihr: Elfi, ger werden, damit ich endlich 155 Zentime- wach wurden, war alles weg – samt Beinpro- sei nicht traurig, keine Familie ist komplett, ter groß bin.« Diese Meldung lockert auf An- these eines dieser Männer. Nur in Unterho- wenn einer davon nicht ein Schwein ist.« hieb die zu Beginn eingetrübte Stammtisch- sen und mit drei Beinen kehrten sie nach Lydia Rabl stimmung auf. Deutschland zurück. Ich lüge »Die ganze Welt ist irgendwie auf einmal euch nicht an, so stand es tat- BLITZSTEINS DONNERGROLLEN verrückt geworden. Unlängst hörte ich im sächlich in einer Zeitung.« Radio einem Meteorologen zu, als er über Nach dem letzten Satz wer- die globale Wettererwärmung redete«, trägt den wir nachdenklich. Und uns Rudi vor. »Er klärte uns souverän auf, dann wagen die anwesenden wie das Klima ungefähr in einer Million Jah- Männer vorsichtig zu fragen: ren wird, bis ins kleinste Detail verstrickte Und was machen die Frauen, er sich in seinen Prognosen, und als ihn zum wenn sie so eine Krise bekom- Schluss die Moderatorin fragte, welches men? Und Frauen beantwor- Wetter wir in den nächsten Tagen erwarten ten die Frage resolut, sodass können, meinte der Experte schlicht und keine Widerrede möglich ist: einfach: Das werden wir sehen …« »Was be- Bei Frauen hat die Midlife-Cri- deutet, dass er nur ein Wissenschaftler, aber sis fast keine Chance, weil sie noch kein Rheumatiker ist«, stellt Pepi fest. durch ihre Doppelbelastung »In Prag, das haben bitte die TV-Nachrichten nicht so viel Zeit wie die Män- gebracht, also muss es stimmen, rief bei der ner haben und weil sie wei- Polizei eine Wahrsagerin an, weil sie eine ters gewissenhafter als die böse Ahnung hätte – und zwar, dass in den Männer sind. Und die paar nächsten Stunden ein Terrorangriff auf den Frauen, die sich vielleicht Flughafen stattfinden werde. Spezialisten doch von der Krise mitreißen durchsuchten stundenlang alles sehr gründ- lassen, die sind der Rede nicht lich, aber es bestätigte sich nicht.« Wir la- wert, nicht wahr! chen alle, nur Linda klärt uns gleich auf: »Na »Mir kommt vor, dass diese ja, die Verantwortlichen sagten, die Wahrsa- Jagd auf die Raucher übertrie- gerin sei schon deswegen glaubwürdig, weil ben ist«, schneidet Pepi das sie nicht nur ihre Adresse, sondern auch ihr Thema des Jahres an. »Man Geburtsdatum bei dem Anruf bekannt gab.« darf nicht vergessen, dass die- »Heutzutage ist es modern, eine Midlife- ses totale Rauchverbot auch Crisis zu haben, es betrifft hauptsächlich bedeutet, dass wir uns von der Männer in den besten Jahren. Die besten Weltgeschichte und von unse- Jahre können zwischen vierzig und Verwe- ren Lieblingshelden distanzie- sung sein. Die sozusagen Betroffenen verlas- ren. Von Sherlock Holms, Mai- sen ihre Familien, heiraten eine viel jüngere gret, von Popeye dem Frau und setzen noch eigene Kinder auf die Seemann etc. Seit dem Rauch- 38 NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 LITERATUR-WERKSTATTLITERATUR-WERKSTATT NR. 205, 20. JUNI – 3. JULI 07 39 Falls ich es nicht vergesse …

1. 6. leide im Endeffekt mit dem Tier, das nicht in bitte? In Norwegen? Jo Meteorologisch beginnt heute der Sommer. diese Umgebung gehört. Zumindest nicht in schmecks! Es hatte um Einige Leute freuen sich, weil sie heuer nur freier Wildbahn. 10 Uhr Vormittag +30 ein Drittel der vorjährigen Heizkosten haben. Grad Celsius. Nachdem Die anderen wiederum freuen sich, weil der ich weiß, dass mein In- verwichene Winter zum Erfrieren einfach zu Noch immer 5. 6. formant keinerlei illega- TAGEBUCH warm war. Und überhaupt gibt es seit 9 Mo- Mein Chef Klaus nimmt mich heute mangels len Drogen intus hatte, EINES naten die höchsten Temperaturen seit über- anderer Sklaven mit zu einem Transport. Ers- wird mir solidarisch haupt. Ich bewege mich äußerst vorsichtig tes Ziel ist Hirschstetten, die Geburtsstätte heiß, und ich bedauere AUGUSTIN - von waagrecht nach senkrecht und trotzdem aller Blumen in den Parks von Wien. Von dort vorrauseilend die gesam- verlässt der Schweiß waagrecht meine Stirn. soll eine Gartenbank in ein Flüchtlingshaus te Mannschaft. Die übri- VERKÄUFERS Es kann aber auch daran liegen, dass ich mich der Volkshilfe in Hietzing gebracht werden. gens schaffte überlegen heute dringend von meiner Arbeit bei Volks- So weit, so schwierig. Zuerst müssen wir vor den Einzug ins Finale hilfe-Würfel erholen muss. Und wenn das einem Stau auf der Tangente flüchten, und und spielt am 1. Juli auf der Hohen Wetter so bleibt und dann vielleicht noch dann genehmigen wir uns eine ausgedehnte »heiligen« Warte um den 4. Titel in Folge. Be schöner wird … Rundfahrt durch den 13. Bezirk. Nach der Er- there! wähnung diverser Flüche und handels- üblicher Schimpfwörter kommen wir schließ- 2. 6. lich doch an unser Ziel. Überraschenderweise 12. 6. Es gibt immer wieder Leute, die sich nicht haben wir anschließend umgehend heimge- Es ist nicht immer leicht mit den wilden Tie- vorstellen können, jemals obdachlos zu wer- funden, oder besser gesagt zur zweiten Kund- ren. Oder haben die es nicht leicht mit uns? den. Und es gibt immer wieder Leute, die aus schaft. Und damit es auch weiterhin genug Egal, jedenfalls glaube ich meinen Augen »Studienzwecken« im Sommer 2 Wochen Ob- Kundschaften gibt, sei allen Benützern des nicht trauen zu können. Ich sehe meinen dachlosigkeit simulieren. Ich treffe heute je- www. folgende Adresse ans Herz gelegt: Chef Klaus wild mit einem Staubwedel um manden, der mir ganz stolz erklärt, er habe in vhbi.at und den Link wuerfel verwenden. sich werfen. Ein bisschen Schwanensee, oder diesem Winter seine 2 Wochen Weihnachts- das sterbende Schwein, oder ein Käfig voller urlaub im Freien verbracht. Na bravo! Soweit Narren. Wer weiß das schon genau? Ich ma- mich mein Gedächtnis nicht trügt, und wa- 8. 6. che mir zunächst ernste Sorgen um ihn. Nach rum sollte es, gab es in diesem Jahr einen re- Ein mir bekannter Mann, der nur mehr mit einer kurzen Besichtigung des Tatortes wird kordverdächtig milden Winter. Ich wünsche Sauerstoffflasche die Wohnung verlassen festgestellt, dass der oben genannte Chef ein- mir nur, dass niemand je in eine Lage wie die kann, tut dieses zum Behufe der Aufsuchung fach nur versucht, einen offensichtlich ver- »AugustinerInnen« kommen muss, die aus des Geldinstituts seines Vertrauens. Daselbst wirrten Spatz aus der Garage zu ver- welchen Gründen auch immer, bei tiefsten steht er dann in einer Schlange, die etwa 20 scheuchen. Das Ganze sieht dann eben aus, Temperaturen im Freien schlafen mussten. Personen umfasst. Man sieht ihn zwar selt- wie eine Mischung aus Schwanensee und sam an, aber ansonsten, kein Bild, kein Ton. Dirty Dancing. Soweit ich feststellen konnte, Beinahe sofort erscheint aber der Filialleiter hat keiner der beiden Mitwirkenden ernste 4. 6. am Tatort und erklärt der überraschten Kund- Schäden davongetragen. Ich bereite mich auf meine 2. Arbeitswoche schaft, dass der Mann mit Flasche natürlich [email protected] vor. Ich arbeite von Dienstag bis Donnerstag. nicht warten müsse und überhaupt sei man Irgendetwas wollte ich noch machen, oder eine Bank für Arbeiter und für den Herrn Els- suchen, oder was weiß ich. Ich befinde mich ner könne man nichts. Egal, die ganze Aktion AUGUSTIN Schreibwerkstatt auf einem Alzheimergedächtniswandertag. war so menschlich, dass sie einfach erwähnt Was für ein Wort!? Der arme Mensch, der das werden muss. Layout machen muss! Was wollte ich eigent- lich? Sollte es mir demnächst einfallen, so werde ich es an dieser Stelle bekannt geben. 10. 6. Falls ich nicht vergesse. Vatertag. Wäre mir gar nicht aufgefallen. In den einschlägigen Medien herrscht z. B. rund um den Muttertag ein derartiger Werbekrieg, 5. 6. das glaubt man gar nicht. Außerdem kommt Ich eile Richtung Arbeit. Mitten in der Nacht. der »Mother’s day« völlig überraschend aus Mittwoch, Glaube ich zumindest. Das frühe Aufstehen den USA. Aber egal. Der Vatertag wird jeden- ist eben doch nicht so leicht. Aber ich will ja falls nicht annähernd so beachtet wie der 4. 7. 07 was tun. Also begegnet mir zum besseren oben erwähnte Festtag der Mütter. Wo bleibt 18 bis 20 Uhr Wachwerden ein Zettel auf einem Strommast. da die Emanzipation? Und der informiert mich wie folgt. »Schild- kröte entlaufen!« Kurz, ganz kurz kommt es Noch immer 10. 6. im Häferl, 1060 Wien, zu einem Kampf mehrerer Ganglien, und Die Footballer der Dodge Vikings spielen ein Hornbostelgasse 6 dann muss ich lachen. Denn soweit ich weiß, Eurobowl-Match 50 km nördlich von Oslo. So ist die gemeine Schildkröte ja geradezu weit, so fern. Mir kommt fernmündlich zu berüchtigt als die Sprinterin im Tierreich. Ich Ohren, dass es einfach zu heiß sei. ??? Wie