Deutscher – 19. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. November 2019 15641

Friedrich Straetmanns (A) Auch sollte der Zustand beendet werden, dass die Ein- sowie bei Abgeordneten der FDP – Johannes (C) reicherinnen und Einreicher einer Petition die bei der Huber [AfD]: Das stimmt doch gar nicht! Das Regierung stets eingeholte Stellungnahme nicht einsehen ist Hetze! – Gegenruf des Abg. Timon dürfen. Da fragt man sich doch: Warum eigentlich nicht? Gremmels [SPD]: Mit Hetze kennen Sie sich Was soll hier verborgen werden? aus, Herr Huber! – [AfD]: Kommen Sie doch mal mit Argumenten und (Beifall bei der LINKEN) nicht immer nur mit Moral!) Eine weitere Forderung ist mir aber ein wirkliches Her- Die Frage ist doch: Was will die AfD eigentlich errei- zensanliegen. Der Petitionsausschuss verfügt über keiner- chen? Der stellvertretende Chefredakteur der „Zeit“ – lei finanzielle Mittel, um in Härtefällen direkt helfen zu Bernd Ulrich ist sein Name – hat letzte Woche geschrie- können. Wir fordern deshalb die Finanzierung eines Här- ben: Der Zweck, den die AfD verfolgt, ist die Enthem- tefonds aus dem Bundeshaushalt, mung. – Ich glaube, das ist die Erfahrung, die viele hier (Beifall bei der LINKEN) von uns mit der AfD in der Vergangenheit gemacht haben. Nun möchte die AfD auch den Petitionsausschuss miss- über den unter strenger Kontrolle der Abgeordneten in brauchen, um diese gesellschaftliche Enthemmung vo- Einzelfällen direkte Hilfe an die Petentinnen oder Peten- ranzutreiben. Das ist der einzige Grund, warum wir heute ten geleistet werden könnte. überhaupt über die Veränderung von Regeln sprechen. (Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Sehr gut!) Weil es so schön ist, möchte ich Artikel 17 unseres Im Plenum des Bundestages nehmen wir Petitionen Grundgesetzes zitieren, nach dem wir arbeiten: aber leider kaum wahr. Das liegt unter anderem daran, J edermann dass lediglich in sogenannten Sammelübersichten abge- stimmt wird. Hand aufs Herz: Wer von uns macht sich die – damit ist natürlich auch jede Frau gemeint - Mühe, wirklich die Petitionen zu lesen, über die hier ent- schieden wird? Das haben Petentinnen und Petenten nicht (Beatrix von Storch [AfD]: Und alle Diversen!) verdient. Die hier im Hause abzustimmenden Beschluss- – und alle Diversen - empfehlungen müssen deshalb mit Begründungen verse- hen werden. Warum gehen wir nicht noch einen Schritt ( [SPD]: Sie sind divers, Frau weiter? Warum scheuen wir uns, über Petitionen, deren von Storch!) Anliegen von einer großen Anzahl Menschen geteilt hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit wird, eine Debatte im Plenum zu führen? anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an (B) (D) (Beifall bei Abgeordneten der LINKEN) die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Lassen Sie uns daher gemeinsam im Petitionsaus- schuss unsere Regularien ändern, um zu einem transpa- Das ist, wie gesagt, ein wertvolles Grundrecht, und das renten Verfahren zu kommen, das sich auch hier im Ple- ist der Kern dessen, womit wir es jede Woche im Peti- num niederschlägt. Der hier vorliegende Antrag der AfD tionsausschuss zu tun haben. hilft nicht weiter. Im Grundgesetz steht eben nicht, dass jedermann oder (Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. auch jede Frau oder jede Diverse oder jeder Diverse das Dr. [SPD]) Recht hat, Hass und Hetze zu verbreiten, (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Vizepräsident : bei der SPD und bei der LINKEN sowie bei Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin hat Abgeordneten der FDP) die Kollegin Corinna Rüffer, Bündnis 90/Die Grünen, das unwahre Behauptungen in die Welt zu setzen, andere Wort. Meinungen zu beschimpfen und Menschen zu diskredi- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) tieren. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNIS- Corinna Rüffer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): SES 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FDP Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Demokratinnen und der LINKEN – Johannes Huber [AfD]: und Demokraten! Wir haben in den letzten Jahren hier Sie beschimpfen damit die Bürger!) im Parlament und auch außerhalb des Parlamentes erlebt, dass die AfD wirklich keinen Zugang zu politischem An- Das ist aber genau das, was die AfD beabsichtigt. Sie stand und Respekt hat. Was die AfD mit ihrem Antrag wollen Hass und Hetze verbreiten und das Vertrauen in heute macht, ist der Versuch, die Regeln des Anstands die öffentliche Debatte, in demokratische Verfahren und und Respekts aus den Regeln des Petitionsausschusses auch in dieses Parlament, in dem wir hier arbeiten, unter- zu streichen, und das lassen wir ihr einfach nicht durch- graben. Das haben wir doch anhand der Petition zum UN- gehen. Das haben ja auch die Vorrednerinnen und Vor- Migrationspakt erlebt; insofern ist das hier keine Speku- redner so gesehen. lation. Darauf verweisen Sie dann auch in der Begrün- dung dieses Antrags ganz ausdrücklich. Sie haben sich (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, auch hierhingestellt und darauf verwiesen, worauf es bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN Ihnen ankommt, nämlich darauf, diese hetzenden Petitio- 15642 Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 125. Sitzung. Berlin, Freitag, den 8. November 2019

Corinna Rüffer (A) nen in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen, anstatt (CDU/CSU): (C) den Bürgerinnen und Bürgern unter die Arme zu greifen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Anträgen der AfD-Fraktion können wir mittlerweile (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, schon ein gewisses Muster feststellen: Erstens. Man bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abge- nimmt ein Problem, das keins ist. Zweitens. Man versieht ordneten der CDU/CSU und der FDP) es mit Signalworten wie „Bürgereingaben ernst nehmen“. Ich zitiere aus dem „Tagesspiegel“ vom 14. April 2019: Das klingt bedeutungsschwer. Drittens. Man camoufliert, was man eigentlich erreichen will. Ob man eine Lösung Dieser Abgeordnete für die Probleme der Menschen findet, ist der AfD gleich- gültig. Es geht nur darum, für sich selbst ein öffentliches – gemeint ist ; ich weiß nicht, ob er heute Forum zu schaffen. da ist - (Beatrix von Storch [AfD]: Und außerdem ist Mitglied des Petitionsausschuss, und aus seinem Hass und Hetze! Nie vergessen!) Büro wurde erfolgreich eine Petition gegen den Mi- grationspakt lanciert und begleitet. Bewusst wurden Der jetzige Antrag entlarvt dies bereits im ersten Satz im Zuge der Petitionskampagne Zweifel gesät und seiner Begründung: „Das Petitionsrecht ist ein traditio- Debatten mit Falschnachrichten und inszenierter nelles Rechtsinstitut des Parlamentarismus.“ Nein, das ist Stimmungsmache vergiftet. falsch. Das Petitionsrecht ist kein Rechtsinstitut für uns im Parlament; es ist ein Grundrecht – ein Grundrecht für (Dr. Matthias Bartke [SPD]: Ganz schlimm!) die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land. Ausschussmitarbeiter – Mitarbeiter, nicht Abgeordne- te – wurden hier öffentlich an den Pranger gestellt, der (Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, Ausschussvorsitzende wurde bedroht und beschimpft mit der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE Wörtern, die man eigentlich nicht wiederholen möchte; GRÜNEN) aber ich tue das hier einmal, damit alle verstehen, worum Darum geht es. Das kann man auch schon erkennen, wenn es hier geht: „Migrationsfaschist“, „Merkel-Dreckstück“ man in Artikel 17 des Grundgesetzes hineinschaut; denn usw. Das lassen wir uns als Parlament, als Vertretung der da ist davon die Rede, dass man sich nicht nur an die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land, nicht länger Volksvertretungen wenden kann, sondern an alle zustän- gefallen! digen Stellen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, (Johannes Huber [AfD]: Und den Bundestag!) (B) bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der (D) LINKEN) – Volksvertretungen. Bundestag: Volksvertretung! Ich möchte sagen, wohin das führt; denn es bleibt eben (Heiterkeit bei der LINKEN) nicht bei diesen Beschimpfungen und Beleidigungen und Verleumdungen. Der Artikel im „Tagesspiegel“ endet Sie haben auch gesagt, das Petitionsrecht sei das ein- mit: zige direktdemokratische Institut, das wir hätten. Auch da: Nein. Es ist ein Grundrecht. Es ist ein Recht, das Und es geht keineswegs nur um bloße Worte, denn jedem Einzelnen vermittelt ist. Es hat nichts mit Mehr- diese können schnell zu Waffen werden. Als Mitte heiten, mit demokratischen Entscheidungen zu tun, son- März ein Mann im neuseeländischen Christchurch dern jedem steht dieses Recht zu, sich mit Bitten und 50 Muslime erschießt, steht auf seiner Maschinen- Beschwerden an die zuständigen Stellen zu wenden. pistole: „Hier ist euer Migrationspakt.“ Wenn Ihr direktdemokratisches Verständnis natürlich ist, dass Bitten und Beschwerden ausreichen, ist es viel- Wir haben es mit Leuten zu tun, die tatsächliche Ge- leicht eher obrigkeitsstaatlich orientiert; aber es ist ein walt provozieren. Darüber reden wir heute, und deswegen Grundrecht und kein direktdemokratisches Institut. lehnen wir alle, hoffentlich, diesen Antrag ab. Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und des BÜND- (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, NISSES 90/DIE GRÜNEN) bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP und der Die AfD versucht, das Petitionswesen von einem LINKEN – Beatrix von Storch [AfD]: Hass und Grundrecht der Bürger zu einem Partei- und Fraktions- Hetze! – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE instrument in der politischen Auseinandersetzung zu ma- GRÜNEN]: Sie reden von Hass und Hetze? – chen, und nichts anderes ist Hintergrund dieses Antrags. Gegenruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD]: Dabei gibt der Bundestag den Menschen bereits seit Das war Hetze, liebe Kollegin! – Gegenruf der 15 Jahren, seit September 2005, die Möglichkeit der öf- Abg. Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/ fentlichen Petitionen, die beispielsweise im Forum des DIE GRÜNEN]: Da kommen mir die Tränen!) Bundestages kommentiert und mitgezeichnet werden können. Das zusätzliche Angebot soll ein Forum zu einer Vizepräsident Wolfgang Kubicki: sachlichen Diskussion wichtiger allgemeiner Anliegen Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Ansgar schaffen. Der Petitionsausschuss selbst hat den Anspruch, Heveling, CDU/CSU-Fraktion. dass ein breites Themenspektrum auf seiner Internetseite