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Vorwort In der Zwischenzeit wurde der Ter- für Klavier zu vier Händen aus Ma min jedoch verschoben, und die Dinge Mère l’oye und Shéhérazade. nahmen einen anderen Lauf. Ravel war Es stellt sich allerdings die Frage, ob entschlossen, die Möglichkeiten der Gei- das Werk damals wirklich abgeschlos- Die Anregung zu seiner Konzert-Rhap- ge bis aufs Äußerste auszuschöpfen, sen war. Denn am 30. April – Ravel sodie Tzigane erhielt Maurice Ravel und ließ die befreundete Geigerin Hé- logierte gerade im Hotel Paris in Ma- (1875 – 1937) durch die Begegnung mit lène Jourdan-Morhange mit den 24 Ca drid – überraschte ihn der Journalist der aus Ungarn stammenden engli- pricci von Paganini zu sich nach Mont- André Revesz mitten in der Korrektur schen Geigerin Jelly d’Arányi (1893 – fort-l’Amaury bei Paris kommen. „Er der Druckfahnen von Tzigane (vgl. 1966) in London. Ravel traf am 29. Ju- wollte sie alle hören, um sich in punc- Mariano Pérez Gutierrez, Les voyages ni 1922 in Begleitung des Pianisten Ro- to entfesseltes Geigenspiel nichts entge- de Ravel en Espagne, in: Revue Inter bert Casadesus in der britischen Haupt- hen zu lassen. Er amüsierte sich über nationale de musique française, Nr. 24, stadt ein. Während seines Aufenthalts die härtesten Schwierigkeiten und ließ November 1987, S. 38 f.). Offensicht- hatte er die Gelegenheit, an einer mu si- mich diesen und jenen Effekt mit klei- lich wollte Ravel im Hinblick auf die kalischen Soiree bei der Sängerin Louise nen diabolischen Verbesserungen aus- Aufführung seines Werks am 18. Mai Alvar teilzunehmen, in der Jelly d’Ará- probieren. Mit Tzigane gewann er auf in Barcelona durch Marius Casadesus nyi und Hans Kindler unter ande rem diese Weise unumstritten den Wett- und dessen Neffen Robert am Klavier seine Sonate für Violine und Violon cello kampf Ravel gegen Paganini“ (Hélène noch einige Änderungen vornehmen. interpretierten. Madame Casade sus Jourdan-Morhange, Ravel et nous, Genf Das Datum „Montfort-l’Amaury, Avril - berichtete, dass „Ravel die ungari sche 1945, S. 181). Nachdem Ravel auch die Mai 1924“, das in der gedruckten Aus- Geigerin zu später Stunde bat, einige Ungarischen Rhapsodien von Liszt stu- gabe steht, deutet sogar darauf hin, Zigeunerweisen zu spielen. Jelly d’Ará- diert hatte, fragte er Jelly d’Arányi am dass er gleich nach seiner Rückkehr nyi machte sich ans Werk, worauf hin 13. März 1924: „Wäre es Ihnen mög- nach Frankreich an der Komposition der Komponist nicht mehr aufhörte, lich, in zwei oder drei Wochen nach Pa- weiterarbeitete, bevor er sie im Juli or- nach immer neuen Stücken zu verlan- ris zu kommen? Wenn ja, würde ich Sie chestrierte. gen und das bis fünf Uhr morgens“ (Ar- gerne wegen der Tzigane sehen, die ich Die Fassung für Violine und Orches- bie Orenstein, La correspondance aux eigens für Sie schreibe, die Ihnen gewid- ter, von der man lange Zeit annahm, Casadesus de Maurice Ravel, in: Ca hiers met sein wird und im Programm für dass ihre Uraufführung am 30. No- Maurice Ravel, Nr. 1, 1985, S. 121). Jel- London die Sonate ersetzen wird, wel- vember 1924 in Paris im Châtelet mit ly d’Arányi, Groß nichte von Joseph Jo- che ich für den Augenblick aufgegeben Jelly d’Arányi und dem Orchestre Co- achim und Schülerin von Jenö Hubay habe. Tzigane soll ein hoch vir tu oses lonne unter der Leitung von Gabriel in Budapest, hatte zuvor am 8. April Stück werden. Einige Passagen werden Pierné stattfand, wurde in Wirklich- in Paris die 1. Sonate von Béla Bartók, eine brillante Wirkung erzielen, sofern keit zum ersten Mal am 19. Oktober begleitet vom Komponisten, aufgeführt. sie ausführbar sind, dessen ich mir in Amsterdam mit dem amerikani- Ravel wohnte dem Konzert bei und war nicht immer sicher bin“ (Brief vom schen Solisten Samuel Dushkin und zweifelsohne damals bereits begeistert 13. März 1924, in: Arbie Orenstein, Mau dem Königlichen Concertgebouw-Or- von der Technik der Geigerin. Er trug rice Ravel. Lettres, Écrits, Entretiens, chester unter Pierre Monteux gespielt. sich daraufhin mit dem Gedanken, ein Paris, 1989, S. 224 f.). In seinem Brief Zuvor war Tzigane am 15. Oktober in hoch virtuoses Stück für sie zu schrei- an Roland-Manuel vom 25. März liest einem Konzert der Pariser Société mu- ben, das ein Ungarn schildern sollte, man allerdings: „Fast nichts von Tzi- sicale indépendante in der Salle Gaveau wie es seiner Phantasievorstellung ent- gane ist bisher geschrieben“ (Lettres, mit Samuel Dushkin und dem Pianis- sprach. Zunächst inspirierte ihn das S. 225), und am 7. April gestand Ravel ten Beveridge Webster in einer besonde- Zusammentreffen mit Jelly d’Arányi Robert Casadesus: „Tzigane beginnt, ren Form zu hören: Für dieses Konzert und Béla Bartók allerdings zur Skizzie- mich zu beunruhigen: Abgesehen von brachte man einen Mechanismus im rung einer Violinsonate, mit der er ver- einigen Takten ist alles fertig (der Auf- Innern des Flügels an, das sogenannte mutlich den Sommer 1923 über be- bau ist im Übrigen nicht kompliziert), Luthéal, welches dem Instrument ein schäftigt war. Im Programmheft eines aber fast nichts davon ist zu Papier ge- dem ungarischen Cymbal vergleichba- Konzerts, das er am 18. Oktober in bracht“ (Cor res pon dance aux Casade res Timbre verlieh und an „das metalli- der Queen’s Hall in London gab, wird sus, S. 121). Letzt endlich hatte Jelly sche Klappern des altertümlichen Cem- nämlich berichtet, die Uraufführung d’Arányi nur vier Tage zur Verfügung, balos“ erinnerte (Henry Prunières, Les der Violinsonate sei für den 16. Januar um die Schwierigkeiten des Werks zu concerts. Tzigane de Maurice Ravel à 1924 vorgesehen: „Bei dieser Gelegen- bewältigen, bevor sie es am 26. April la S.M.I., in: La Revue musicale, Nr. 1, heit findet, sofern vollendet, die welt- 1924 mit Henri Gil-Marchex am Klavier November 1924, S. 60). Diese 1919 pa- weit erste Aufführung der neuen Sona- zum ersten Mal aufführte. Auf dem tentierte Erfindung des belgischen Or- te für Violine und Klavier des Kompo- Programm standen außerdem Ravels gel- und Klavierbauers George Cloetens nisten statt.“ Ronsard à son âme, die fünf Stücke erlaubte es, den Klang eines modernen HN_587_Vorwort_SRZ.indd 2 20.06.2014 13:28:21 III Konzertflügels durch das Hinzufügen der unglaublichen Wendigkeit der lin- Jelly d’Arányi and Béla Bartók led to von zwei Registern zu verändern: einem ken Hand ebenfalls zu den unverzicht- the composition of a Violin sonata, Cembaloregister und einem Harfen- baren Tondokumenten rechnen. which presumably kept him occupied oder Lautenzug. Vom Pariser Publikum during the summer of 1923. In the pro- wurde Tzigane sehr herzlich auf ge nom- Allen in den Bemerkungen genannten gramme of a concert Ravel gave in the men. Personen und Institutionen, die Quellen Queen’s Hall in London on 18 October, Die Klavierfassung erschien im Sep- zur Verfügung gestellt haben, sei herz- it is stated that the premiere of the Vio- tember 1924, die für Luthéal hingegen lich gedankt. lin Sonata was sched uled to take place erst im Oktober des Folgejahres. Die on 16 January 1924: “The first perfor- Druckplatten der Klavierfassung wur- Epalinges, Frühjahr 2014 mance in the world will be given on den für die Ausgabe für Violine und Jean-François Monnard that occasion, if ready, of the compos- Luthéal wiederverwendet, was darauf er’s New Sonata for violin and piano.” hindeutet, dass die Luthéal-Fassung In the meantime, the date was post- später entstanden war. Daher stützt poned, and events took a different sich die vorliegende Edition, da das course. Ravel was determined to ex- Autograph nach wie vor unzugänglich ploit the violin’s possibilities to the full, ist, auf die Erstausgabe der Klavierfas- and had the violinist Hélène Jourdan- sung (siehe die Bemerkungen am Ende Preface Morhange come to him in Montfort- unserer Edition). l’Amaury near Paris to play Paganini’s Stilistisch ist Ravels Bravourstück in 24 Capricci. “He wanted to hear all of der Tradition der „Zigeunerstücke“ an- them, in order to not miss anything in zusiedeln, mit denen Komponisten wie The Concert Rhapsody Tzigane by Mau- terms of unfettered violin playing. He Pablo de Sarasate, Jenö Hubay und rice Ravel (1875 – 1937) was inspired took joy in the most awful difficulties Fritz Kreisler zu Beginn des Jahrhun- by his encounter in London with Jelly and had me try out this and that effect derts große Erfolge feierten. Natürlich d’Arányi (1893 – 1966), an English vio- with diabolical improvements. In this imitierte Ravel hier nicht einfach „Zi- linist of Hungarian birth. Accompanied manner, with Tzigane, he indisputably geunermusik“, er bediente sich ihrer by the pianist Robert Casadesus, Ravel won the match Ravel vs. Paganini” (Hé- vielmehr, um den Schein einer Impro- arrived in the British capital on 29 June lène Jourdan-Morhange, Ravel et nous, visation hervorzurufen. Ohne in den 1922. During his sojourn, he had the Geneva 1945, p. 181). After also study- Ton pittoresker Folklore zu verfallen, opportunity to participate in a soiree, ing Liszt’s Hungarian Rhapsodies, Ra- komponierte er „im Stil einer ungari- hosted by the singer Louise Alvar, in vel asked Jelly d’Arányi on 13 March schen Rhapsodie“. which Jelly d’Arányi and Hans Kindler 1924: “Would it be possible for you to Tzigane hat immer eine ganz beson- performed his Sonata for violin and come to Paris in two or three weeks? If dere Anziehung auf die Geigenvirtuo- violoncello, among other pieces. Ma- yes, I would like to see you concerning sen ausgeübt, schon in den 1930er-Jah- dame Casadesus reported that “late in the Tzigane that I am writing especial- ren gehörte die Konzert-Rhapsodie zu the evening, Ravel asked the Hungar- ly for you, that will be dedicated to you den meistgespielten Werken Ravels. ian violinist to play some Gypsy melo- and that on the programme for London Leider gibt es kein Tondokument mit dies.