4 L 647/18.KO

Veröffentlichungsfassung!

VERWALTUNGSGERICHT KOBLENZ

BESCHLUSS

In dem Verwaltungsrechtsstreit

***

w e g e n Festlegung eines Schulbezirks hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Koblenz aufgrund der Beratung vom 5. Juli 2018, an der teilgenommen haben

Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Dr. Fritz Richter am Verwaltungsgericht Pluhm Richter Dr. Klein

- 2 - beschlossen:

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 21. Juni 2018 gegen die Organisationsverfügung des Antragsgegners vom 20. Juni 2018 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin, Schulträger der Grundschule Lieg, wendet sich mit ihrem einst- weiligen Rechtsschutzbegehren gegen die mit der Anordnung der sofortigen Voll- ziehung versehene Organisationsverfügung des Antragsgegners vom 20. Juni 2018. Mit diesem auf § 91 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1, § 62 Abs. 1, § 96 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und § 97 Abs. 1 des Landesgesetzes über die Schulen in Rheinland-Pfalz (SchulG) gestützten Bescheid wurde folgendes angeordnet:

1. Die Grundschule Lieg wird mit Ablauf des Schuljahres 2017/2018, dem 31. Juli 2018, aufgehoben. 2. Mit Wirkung vom 1. August 2018 wird der Grundschulbezirk der Grund- und Realschule plus Treis-Karden um die Ortsgemeinden Lieg und Lütz erweitert. 3. Mit Wirkung vom 1. August 2018 wird der Schulbezirk der Grundschule um die Ortsgemeinden und Zilshausen erweitert. 4. Ab dem Schuljahr 2018/2019, dem 1. August 2018, werden alle Schüle- rinnen und Schüler der Ortsgemeinden Lieg und Lütz an der Grund- und Realschule plus in Treis-Karden unterrichtet. Sie werden dort in die jewei- ligen Klassenstufen integriert. 5. Den Schülerinnen und Schülern der Ortsgemeinden Lahr und Zilshausen, welche derzeit an der Grundschule in Lieg unterrichtet werden, wird es anheimgestellt, ob sie die Grundschulzeit an der Grund- und Realschule plus Treis-Karden oder der Grundschule Beltheim beenden und in die je- weiligen Klassenstufen integriert werden. Im Übrigen werden ab dem Schuljahr 2018/2019, dem 1. August 2018, alle Schülerinnen und Schüler der Ortsgemeinden Lahr und Zilshausen an der Grundschule Beltheim unterrichtet. 6. Die sofortige Vollziehung dieser Organisationsverfügung wird angeordnet.

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Die Antragstellerin legte hiergegen mit Telefax vom 21. Juni 2018 Widerspruch ein und hat am 22. Juni 2018 beim Verwaltungsgericht den Antrag gestellt,

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Organisationsverfügung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion vom 20. Juni 2018 wiederherzustellen, hilfsweise,

die sofortige Vollziehung aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

II.

Der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 2. Alt. in Verbindung mit § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthafte und auch sonst zulässige Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antrag- stellerin vom 21. Juni 2018 gegen die Organisationsverfügung des Antragsgegners vom 20. Juni 2018 hat in der Sache Erfolg.

1.

Vorab ist festzuhalten, dass die Begründung für die Anordnung der sofortigen Voll- ziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt. Gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ist das besondere Interesse an der so- fortigen Vollziehung eines Bescheides schriftlich zu begründen. Diese Begründung muss auf den konkreten Fall abgestellt und darf nicht lediglich formelhaft sein (vgl. W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 80 Rn. 84 ff.). Denn dieses Erfordernis zielt zum einen darauf ab, der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen zu führen und sie zu veranlassen, mit be- sonderer Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinte- resse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daneben soll der Be- troffene in die Lage versetzt werden, durch Kenntnis dieser behördlichen Erwägun- gen die Berechtigung der Behörde zur Vollziehungsanordnung nachzuvollziehen

- 4 - - 4 - und seine Rechtsschutzmöglichkeiten zu bewerten. Schließlich soll auch das Ge- richt im Rechtsschutzverfahren über die Erwägungen der Behörde zur Anordnung der sofortigen Vollziehung unterrichtet werden (vgl. Bostedt, in: Fehling/Kastner/ Störmer [Hrsg.], Verwaltungsrecht, Handkommentar, 4. Auflage 2016, § 80 VwGO Rn. 77 m.w.N.). Allerdings ist es im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO unerheblich, ob die Begründung der Behörde für die Anordnung der sofortigen Vollziehung diese auch inhaltlich rechtfertigen kann. Gemessen hieran begegnet es keinen Bedenken, dass der Antragsgegner die Anordnung des Sofortvollzuges damit begründet hat, es liege im Interesse der Eltern, nicht die Ungewissheit in Bezug auf die Aufhebung der Schule zu verlängern. Diese müssten im Hinblick auf den nahenden Anmelde- termin für das kommende Schuljahr Klarheit über die Wirksamkeit der Organisati- onsverfügung erhalten. Zudem hat er das öffentliche Interesse mit Personalpla- nungsgesichtspunkten und dem Interesse der Lehrer, deren künftiger Einsatz im Raume stehe, begründet. Ob diese Begründung zutreffend und tragfähig ist, ist hin- gegen nicht im Rahmen des § 80 Abs. 3 VwGO zu prüfen.

2.

Im Rahmen der vom Gericht nach § 80 Abs. 5 VwGO zu treffenden eigenen Ermes- sensentscheidung bedarf es einer Abwägung der gegenseitigen Interessen der Be- teiligten. Vorliegend kann die Interessenabwägung auf der Grundlage der wahr- scheinlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache erfolgen. Denn bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage stellt sich die Organisationsverfügung vom 20. Juni 2018 als offensicht- lich rechtswidrig dar. Selbst bei Annahme offener Erfolgsaussichten überwiegt nach derzeitigem Erkenntnisstand das Aufschiebungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Interesse am Vollzug der Organisationsverfügung.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung einer Schule ist § 91 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 SchulG. Danach setzt die Schließung einer Schule das Vorliegen eines schulischen Bedürfnisses voraus. Ferner bedarf die Schließung der Zustimmung des Schulträ- gers, hier der Antragstellerin. Da diese die Zustimmung verweigert hat, muss ein dringendes öffentliches Interesse vorliegen, welches das fachlich zuständige Minis- terium feststellt (§ 91 Abs. 1 Satz 4 SchulG). Diese Entscheidung wurde vom Minis- terium für Bildung unter dem 19. Juni 2018 getroffen. Ebenso setzt die Festlegung

- 5 - - 5 - des Schulbezirks gemäß § 62 Abs. 1 Satz 2 SchulG im hier gegebenen Falle des nicht erzielten Einvernehmens mit dem Schulträger ein – von der obersten Schul- behörde festzustellendes – dringendes öffentliches Interesse voraus.

Die in den vorstehenden Bestimmungen geregelte Befugnis des Staates zur Pla- nung und Organisation des Schulwesens gehört zur Schulaufsicht im Sinne des Art. 7 Abs. 1 GG sowie des Artikel 27 Abs. 3 der rheinland-pfälzischen Landesver- fassung (LV). Diese Befugnis findet ihre Begrenzung in den Rechten betroffener Eltern und Schüler sowie dem in Artikel 27 Abs. 2, 28 Satz 2 LV statuierten und in § 72 SchulG umschriebenen Mitwirkungsrecht der Gemeinden in diesem Bereich. Bei der Ausübung der ihnen in diesem Zusammenhang zukommenden Mitwirkungs- zuständigkeiten, zu denen auch die Zustimmung zur Aufhebung einer Schule ge- hört, sind die Gemeinden an den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden. Ihre Mitwirkung erfolgt gemäß § 72 Satz 1 SchulG „nach Maßgabe die- ses Gesetzes“. Das in § 91 Abs. 1 Satz 4 SchulG geregelte „dringende öffentliche Interesse“ an der Aufhebung einer Schule besteht nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz jedenfalls immer dann, wenn die Fortfüh- rung der Schule dem Schulgesetz widerspräche, so dass ohne das Eingreifen der obersten Schulbehörde der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und da- mit das Rechtsstaatsprinzip verletzt wären (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. Mai 1988 – 7 B 27/88 –, NVwZ – RR 1988, 82). Das Tatbestandsmerkmal des dringenden öffentlichen Interesses für die Festlegung eines Schulbezirks in § 62 Abs. 1 Satz 2 SchulG ist entsprechend auszulegen.

Zu den verfassungsrechtlichen Begrenzungen bei der Auslegung des Tatbestands- merkmales des schulischen Bedürfnisses gelten nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 13. Februar 1986 – 7 B 15/86 –, NVwZ 1986, 1036) folgende Grundsätze:

„Die Aufhebung einer Schule, die damit zusammenhängende Erweiterung ei- ner anderen Schule und die entsprechende Neufestsetzung des dazu gehö- renden Schulbezirks sind jedoch Maßnahmen der Schulaufsicht, die unmittel- bar auch die Rechtsstellung derjenigen Eltern berühren, deren Kinder die auf- gehobene Schule besuchen. Der Staat muss deshalb diese organisatorischen Maßnahmen so einrichten, dass das Recht der Eltern nicht in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Diese Begrenzung bringt auch § 79 I, II RhPfSchulG zum Ausdruck, wonach die Aufhebung einer Schule “nach dem schulischen

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Bedürfnis” zu erfolgen hat. Die Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbe- griffs unterliegt mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich verankerten Rechte des Staates und der Eltern in vollem Umfang gerichtlicher Nachprüfung, die insb. dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen hat (vgl. BVerwGE 18, 40 (42 ff.); BVerwG, DVBl 1966, 862 (863); BVerwG, SPE I, B I/111). Ein schulisches Bedürfnis an der Aufrechterhaltung einer Schule be- steht hiernach jedenfalls dann, wenn das Recht der Eltern auf Pflege und Er- ziehung ihrer Kinder durch den Wegfall der Schule unzumutbar beeinträchtigt würde (vgl. BVerwG, DVBl 1979, 352 (353)).

Eine unzumutbare Beeinträchtigung des durch Art. 6 II 1 GG sowie Art. 25 I 1, 27 I RhPfVerf. gewährleisteten Elternrechts liegt nach dem hier anzuwenden- den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit dann vor, wenn dieses Recht über das zur Verwirklichung des in Art. 7 I GG, 27 II, III RhPfVerf. nor- mierten staatlichen Erziehungsauftrags erforderliche Maß hinaus zurückge- drängt oder - was in jedem Fall unzulässig ist - in seinem Grundwertgehalt beseitigt wird.

Eine übermäßige und damit unzumutbare Zurückdrängung des Elternrechts ist insb. dann anzunehmen, wenn die öffentliche Gewalt bei der Planung einer schulorganisatorischen Maßnahme das für jede rechtsstaatliche Planung gel- tende Gebot verletzt, die davon berührten öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (vgl. BVerwG, DÖV 1970, 64 (65); DVBl 1979, 352 (353)). Das Gebot gerechter Abwägung ist nach ständiger Rechtsprechung des BVerwG dann verletzt, wenn

 eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder  in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder  die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder der Ausgleich zwi- schen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewich- tigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht (grundlegend hierzu: BVerwGE 34, 301 (309)).

In diesem Rahmen sind insb. das Interesse der Eltern an einer kontinuierlichen Erziehung ihrer Kinder und die sich daran anschließenden Dispositionen zu berücksichtigen (vgl. Fernis-Schneider, SchulG, § 79, Anm. 6; Niehues, Schul- und PrüfungsR, 2. Aufl. (1983), Rn. 148). Die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der bisherigen Schule hängt darüber hinaus in jedem Fall insb. davon ab, dass durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass der Schulweg zu keiner besonderen Gefahrenquelle wird. Hier steht nämlich dem Recht des Staates auf Verwirklichung seiner Bildungsaufgabe das Recht der Eltern auf Bewah- rung ihrer Kinder vor körperlichen Schäden entgegen, das zum Grundwertge- halt des Elternrechts zur Pflege der Kinder (Art. 6 II 1 GG) gehört (vgl. BVerwG, SPE I, B I/111). Insoweit muss die Schulbehörde rechtzeitig konkretisierte und praktische Möglichkeiten erwägen und aufzeigen, die mit Unterrichtsbeginn in der neuen Schule ein zumutbares Erreichen dieser Schule erlauben. Die bloße - noch nicht näher konkretisierte und im Einzelnen auf ihre Realisierbarkeit noch nicht überprüfte - Möglichkeit, durch geeignete Maßnahmen besondere Gefahren eines Schulwegs auszuschließen, reicht nicht aus, um die Rechtmä- ßigkeit einer schulorganisatorischen Maßnahme zu bestätigen, die mit unzu- mutbaren Schulwegen verbunden ist (vgl. BVerwG, NJW 1979, 176 (177)).

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Generell ist es notwendig, zumindest grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Verwirklichung einer schulorganisatorischen Maßnahme damit verbundene unzumutbare Folgewirkungen für die Schulkinder auszuschließen und dies nicht erst in einem späteren Zeitpunkt zu tun, wenn die Betr. möglicherweise bereits längere Zeit unter diesen Folgen gelitten haben (vgl. BVerwG, NJW 1979, 176 (177)).“

Neben der Berücksichtigung der Interessen der Eltern und Kinder hat der Antrags- gegner im Rahmen des Abwägungsvorganges auch die Interessen des Schulträ- gers zu berücksichtigen, in dessen Rechtsstellung ebenfalls durch eine Entschei- dung zur Änderung des Schulbezirkes eingegriffen wird (VG , Urteil vom 23. August 2005 – 2 K 434/05.TR –, juris, Rn. 16). Innerhalb dieses vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbaren Abwägungsvorgangs existiert grundsätzlich kein Vor- rang bestimmter Interessen, sodass sowohl die Elternrechte, das Selbstverwal- tungsrecht als auch die Befugnisse des Staates aufgrund seiner Verantwortung für das Schulwesen aus Art. 7 Abs. 1 GG grundsätzlich gleichgeordnet sind (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 1994 – 6 NB 2/93 –, juris, Rn. 5; VG Trier, a.a.O.).

3.

Die Antragstellerin legt im Einzelnen dar, dass aus ihrer Sicht weder die formellen noch die materiellen Voraussetzungen für eine rechtmäßige Organisationsverfü- gung gegeben seien. Zur formellen Seite verweist sie insbesondere auf eine Nicht- beachtung der „Leitlinien für ein wohnortnahes Grundschulangebot“ vom März 2017. Ferner steht die Anwendbarkeit des § 46 VwVfG bei Annahme eines Verfah- rensfehlers in Frage. Bei der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prü- fung kann jedenfalls festgestellt werden, dass der Antragsgegner die in den Leitli- nien genannten Kriterien und Maßstäbe zumindest teilweise bei der Prüfung des Fortbestandes der Grundschule Lieg berücksichtigt hat. Dies gilt zum Beispiel für die Prüfung der Mindestgröße einer Grundschule nach § 13 SchulG. Er hat auch die wesentlichen Verfahrensschritte eingehalten, indem die Antragstellerin rechtzei- tig – spätestens mit der Besprechung am 21. Dezember 2017 – in das Verfahren eingebunden und zur beabsichtigen Maßnahme mit Schreiben der ADD vom 13. März 2018 und mit Schreiben des Ministeriums vom 5. Juni 2018 zur beabsich- tigten Feststellung des dringenden öffentlichen Interesses angehört worden ist. Ein im vorläufigen Rechtsschutzverfahren durchgreifender Mangel kann insoweit nicht festgestellt werden.

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4.

In materieller Hinsicht stellt sich die angefochtene Organisationsverfügung jedoch als offensichtlich rechtswidrig dar. Es kann zwar zunächst festgestellt werden, dass dem in der oben zitierten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland- Pfalz dargelegten Elterninteresse an einer kontinuierlichen Erziehung der Kinder und einem zumutbaren Erreichen der neuen Schule (hier: Grund- und Realschule plus Treis-Karden bzw. Grundschule Beltheim) Rechnung getragen sein dürfte. Auch spricht vieles dafür, dass die Prognose des Antragsgegners über die Entwick- lung der Schülerzahlen in zureichendem Maße valide ist. So haben sich die Schü- lerzahlen der Grundschule Lieg in den vergangenen Jahren – wohl unstreitig – wie folgt entwickelt:

Schuljahr 2011/2012: 28 Schüler Schuljahr 2012/2013: 28 Schüler Schuljahr 2013/2014: 25 Schüler Schuljahr 2014/2015: 22 Schüler Schuljahr 2015/2016: 24 Schüler Schuljahr 2016/2017: 22 Schüler Schuljahr 2017/2018: 14 Schüler

Ferner lagen für das Schuljahr 2018/2019 zwar acht Erstklässleranmeldungen für die Grundschule Lieg vor, drei Kinder werden im kommenden Schuljahr die Schule verlassen, so dass dort im Schuljahr 2018/2019 insgesamt wieder 19 Schüler in einer Kombiklasse zu unterrichten wären. Die vom Antragsgegner aufgezeigte Ge- meindestatistik weist jedoch darauf hin, dass die Einschulungszahlen in den kom- menden fünf Jahren im Schulbezirk der Grundschule Lieg weiter zurückgehen wer- den, nämlich von elf Schülern im Jahre 2018, fünf Schülern im Jahre 2019, neun Schülern im Jahre 2020, sieben Schülern im Jahre 2021 und fünf Schülern im Jahre 2022. Dabei ist nicht einmal berücksichtigt, ob diese Schüler sämtlich an der Grund- schule Lieg angemeldet werden würden. Bereits in den vergangenen Jahren sank aber die Zahl derjenigen schulpflichtigen Grundschulkinder aus dem Schulbezirk der Grundschule Lieg, welche die dortige Grundschule besuchten: Im Schuljahr 2014/2015 waren es 22 Kinder von insgesamt 30 schulpflichtigen Grundschulkin- dern, im Schuljahr 2015/2016 24 Kinder von 32 schulpflichtigen Grundschulkindern

- 9 - - 9 - und im Schuljahr 2016/2017 22 Kinder von insgesamt 34 schulpflichtigen Grund- schulkindern.

Bei dieser Entwicklung mag es eine Rolle gespielt haben, dass die Grundschule Lieg keine Ganztagsschule ist und auch nicht über ein nachmittägliches Betreu- ungsangebot verfügt, während es sich bei der Grund- und Realschule plus Treis- Karden um eine Ganztagsschule in Angebotsform handelt. Aber selbst unter Be- rücksichtigung der von der Antragstellerin geäußerten Absicht der Ausweitung des Betreuungskonzeptes erweist sich die Prognose des Antragsgegners derzeit als be- lastbar. Die Einrichtung eines solchen Angebotes wird nichts an den für die kom- menden Jahre zu erwartenden zurückgehenden bzw. auf niedrigem Niveau verwei- lenden Schülerzahlen ändern, wenn nicht eine deutliche Steigerung der Anzahl schulpflichtiger Kinder beispielsweise durch Zuzüge in die Ortsgemeinden Lieg, Lütz, Lahr und Zilshausen zu erwarten wäre. Hierfür sind jedoch keine Anhalts- punkte erkennbar. Ungeachtet dessen könnten auch bei Einschulung aller Kinder aus der Ortsgemeinde Lieg in die dortige Grundschule allenfalls zwei kombinierte Klassen gebildet werden. Dies widerspräche indes dem Grundsatz des § 13 Abs. 1 SchulG, wonach in der Grundschule jede Klassenstufe mindestens eine Klasse um- fassen muss. Das für eine Ausnahme von der Mindestgröße notwendige Vorliegen eines besonderen Falles im Sinne des § 13 Abs. 4 SchulG oder der Voraussetzun- gen des § 13 Abs. 5 SchulG, nämlich der Fortführung der Schule bei nur vorüber- gehendem Nichterreichen der Mindestgröße, ist im Eilverfahren nicht zu erkennen. Das gilt auch unter Berücksichtigung der antragstellerseits vorgetragenen Gesichts- punkte der pädagogischen Erfolge der Grundschule Lieg oder ihrer Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft. Ob und inwieweit diese Gesichtspunkte überhaupt recht- liche Relevanz erlangen, kann nicht Gegenstand einer Prüfung im Eilverfahren sein. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht (Lütke/Steiert/Heer-Reißman, in: Praxis der Kommunalverwaltung Rheinland-Pfalz, SchulG, § 13 Anm. 2) müssen im Einzelfall die Orientierung am Kind, die Beachtung der regionalen Struktur und die pädagogischen Notwendigkeiten berücksichtigt werden. Diese Prüfung ist gegebe- nenfalls einem Hauptsacheverfahren mit seinen umfassenden Aufklärungsmöglich- keiten vorbehalten. Das gleiche gilt bei Anwendung der vorgenannten Leitlinien, die unter Ziffer 2.2 (Grundschulen mit einer Klasse oder zwei Klassen) folgendes re- geln:

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„Bei einer Grundschule mit einer Klasse oder zwei Klassen wird in jedem Ein- zelfall entsprechend der unter 3. aufgeführten Kriterien geprüft, ob organisato- rische Änderungen möglich sind, damit die Schule zukünftig wieder die Min- destgröße erreichen kann. Sofern dies nicht möglich erscheint, wird geprüft, ob ein „besonderer Fall“ im Sinne des Schulgesetzes vorliegt, der eine Aus- nahme von der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestgröße erfordert.“

Aufgrund dessen vermag auch der Umstand, dass der Antragsgegner umfänglich von der Erteilung von Ausnahmegenehmigungen in Bezug auf Schulbezirkswechs- ler Gebrauch gemacht hat, eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der Organisations- verfügung nicht zu begründen. Denn selbst wenn er zukünftig davon absehen würde, änderte dies nichts an der soeben beschriebenen Zukunftsprognose. Davon abgesehen ist es nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner aus der entspre- chenden Vielzahl von Anträgen auf eine fehlende Bindung der Einwohner an die Grundschule Lieg geschlossen hat. Eine solche kommt durchaus in der Antragstel- lung der Eltern zur Geltung, unabhängig von deren Erfolg und den hierfür relevanten Gründen.

5.

Die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Organisationsverfügung folgt hingegen da- raus, dass der Antragsgegner im Rahmen seiner Entscheidung nicht ein durch die Regelung in Teil C, § 2 Abs. 1 Satz 1 der Fusionsvereinbarung vom 25. November 2013 zwischen den Verbandsgemeinden Treis-Karden, , und Kastellaun insbesondere bei den Einwohnern der zum Schulbezirk der Grundschule Lieg gehörenden Gemeinden entstandenes schutzwürdiges Vertrauen in den Be- stand dieser Grundschule berücksichtigt hat. Hierbei handelt es sich um einen ab- wägungserheblichen Belang, der zwingend bei der Entscheidung über das drin- gende öffentliche Interesse an der Schulschließung hätte Berücksichtigung finden müssen. Die Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:

„(1) Die derzeitige Grundschule in Lieg für den Bereich der Ortsgemeinden Lieg, Lahr, Lütz und Zilshausen bleibt erhalten. Zur Grundschule gehört auch die Schulsporthalle.

(2) Zwischen den Verbandsgemeinden Cochem und Kastellaun ist für die Grund- schule und Schulsporthalle Lieg eine gesonderte Zweckvereinbarung über die Erstattung der Kosten des Schulträgers (VG Cochem) durch die VG Kastellaun für die Grundschüler der Ortsgemeinden Lahr und Zilshausen zu schließen. (…)“

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Entgegen der Auffassung des Antragsgegners handelt es sich bei dieser Vereinba- rung nicht nur um eine Kosten-, sondern auch um eine Organisationsregelung. Dies wird nicht nur aus dem auszugsweise von der Antragstellerin dargelegten Schrift- verkehr der ehemaligen Bürgermeister der Verbandsgemeinden Kastellaun, Dr. A***, und Treis-Karden, B***, deutlich (Bl. 239 der Gerichtsakte). Dr. A*** führte in einem Schreiben vom 18. Oktober 2011 an seinen Amtskollegen aus, er stehe vor- behaltslos zu den Grundschulen in Lieg und Mörsdorf und würde diese im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen weiterführen. In einem Schreiben des Landrates des Landkreises Cochem-, C***, an Bürgermeister Dr. A*** vom 17. November 2011 wird ausgeführt, „der bisherige Schulbezirk der Grundschule Lieg mit den Orts- gemeinden Lahr, Lieg, Lütz und Zilshausen soll als Ergebnis der Besprechung vom 15.11.2011 erhalten bleiben“. In dem Antwortschreiben von Bürgermeister Dr. A*** an Landrat C*** vom 25. November 2011 teilt er mit, dass sich die Verbandsge- meinde Kastellaun mit der vorgeschlagenen Organisations- und Kostenregelung in Bezug auf die Schulträgerschaft einverstanden erkläre (Bl. 262 der Gerichtsakte). Dieser Schriftverkehr offenbart den Willen der Vertragspartner, eine organisatori- sche Vereinbarung im Hinblick auf den Fortbestand der Grundschule Lieg zu treffen.

Dass es sich hierbei um eine Organisationsvereinbarung handelt, ergibt sich auch aus einer Auslegung der Vereinbarung nach Wortlaut und Systematik. So betrifft § 2 Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich den Erhalt der Grundschule Lieg, wohingegen erst im Abs. 2 Regelungen über die Kostenverteilung getroffen werden. Auch lässt Teil C der Fusionsvereinbarung nicht erkennen, dass dieser im Kern die Verteilung von Kostenlasten zum Gegenstand hat. So betrifft § 3 beispielsweise die Feuerwehren in den Ortsgemeinden, und § 4 die Abwasserbeseitigung.

Ferner wird mit der Vereinbarung nicht nur ein Status quo festgeschrieben. Zwar beschreibt die Formulierung „derzeitige“ durchaus den aktuellen Bestand; durch die Aussage, die Schule bleibe erhalten, wird jedoch der Blick eindeutig in die Zukunft gerichtet.

Zwar ist die Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Teil C der Fusionsvereinbarung nicht geeignet, in die Schulorganisationsbefugnis des Antragsgegners einzugreifen. Denn den Schulträgern steht nach dem Gesetz nicht die Kompetenz zu, über schul- organisatorische Fragen zu entscheiden. Dies obliegt alleine dem Antragsgegner.

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Dieser kann, wie § 62 Abs. 1 Satz 2, § 91 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 SchulG zeigen, eine Schule auch gegen den Willen des Schulträgers aufheben, soweit ein dringendes öffentliches Interesse festgestellt wird. Die entsprechenden Regelungen in der Fu- sionsvereinbarung sind deshalb als politische Willensbekundungen der Vertrags- parteien anzusehen. Dies ergibt sich auch daraus, dass § 11 Abs. 1 des Landesge- setzes über die Gebietsänderung der Verbandsgemeinde Treis-Karden (GAendVGemTKG) keine Vereinbarung der Verbandsgemeinden in Bezug auf schulorganisatorische Maßnahmen vorsieht und eine solche auch nicht aus § 8 Abs. 1 und den §§ 9, 10 i.V.m. § 11 Abs. 4 GAendVGemTKG folgt. Welche Kon- sequenzen dies im Verhältnis zu den Vertragsparteien untereinander hat, kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben. Denn alleine durch die genannte Regelung im Fusionsvertrag konnte bei den Eltern aus den zum Schulbezirk der Grundschule Lieg zählenden Ortsgemeinden noch kein schützenswertes Vertrauen darauf ent- stehen, dass der Antragsgegner von einer Aufhebung der Grundschule Lieg abse- hen werde. Hierfür ist eine dem Antragsgegner zurechenbare Handlung erforder- lich, die geeignet ist, einen entsprechenden Vertrauenstatbestand zu begründen. Eine solche Handlung liegt hier vor.

Der Antragsgegner hat die Fusionsvereinbarung mit Schreiben der ADD vom 6. Ja- nuar 2014 gemäß § 11 Abs. 6 Satz 2 der Gemeindeordnung (GemO) i.V.m. § 11 Abs. 5 Satz 2 GAendVGemTKG genehmigt. Er hat in diesem Schreiben aus- geführt, nach Prüfung der vorgelegten Unterlagen ständen den getroffenen Rege- lungen keine Bedenken entgegen. Damit hat er in Bezug auf die schulorganisatori- sche Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Teil C der Fusionsvereinbarung nach außen hin einen Vertrauenstatbestand in Bezug auf den Erhalt der Grundschule Lieg geschaf- fen. Dem steht nicht entgegen, dass sich womöglich die entsprechende Vereinba- rung nicht im Rahmen des zulässigen Regelungsgehaltes des § 11 GAend- VGemTKG gehalten hat. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, was im Hinblick auf die in ihrem Anwendungsbereich weitere Vorschrift des § 11 Abs. 6 GemO in einem etwaigen Hauptsacheverfahren zu klären wäre, hat er zumindest auf diesbezügliche Bedenken nicht hingewiesen und den von ihm gesetzten Vertrauenstatbestand nicht beseitigt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Genehmigung sich nur auf die Vereinbarungen zwischen den Vertragsparteien bezieht. Ihr Zweck liegt auch darin zu prüfen, ob sich die Vertragsparteien in bestimmten Punkten außerhalb

- 13 - - 13 - ihrer Regelungskompetenz bewegt und somit – wie hier – beispielsweise einen Ver- trauenstatbestand geschaffen haben, den es ggf. zu beseitigen gilt. Denn die Ent- scheidung der Aufsichtsbehörde ist keine Maßnahme der allgemeinen Staatsauf- sicht, sondern ein kommunal-staatlicher Doppelakt (Höhlein, in: Praxis der Kommu- nalverwaltung Rheinland-Pfalz, Gemeindeordnung, § 11 Anm. 5.3). Die Genehmi- gung soll gerade verhindern, dass die Gemeinden die Entscheidung über die Ge- bietsänderung unterlaufen, sodass die Aufsichtsbehörde im pflichtgemäßen Ermes- sen und unter Heranziehung von Zweckmäßigkeitserwägungen entscheidet und diese Entscheidung auch mit Nebenbestimmungen versehen kann (vgl. Höhlein, a.a.O.). Dies verkennt der Antragsgegner, wenn er im Rahmen seiner internen Überprüfung feststellt (Bl. 292 der Verwaltungsakte des Antragsgegners), die er- teilte Genehmigung sei Folge der Rechtskontrolle und erfasse keine Zweckmäßig- keitserwägungen.

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil der Antragsgegner im Zeitpunkt der Ge- nehmigung davon ausgehen durfte, dass im Zeitpunkt seiner Entscheidung keine Rechtsgründe dem Erhalt der Schule entgegenstehen (so aber das Ergebnis der internen Überprüfung des Antragsgegner, Bl. 292 seiner Verwaltungsakte). Denn bereits zum Zeitpunkt der Genehmigung im Jahr 2014 besuchten nur noch 25 bzw. 22 Schüler die Grundschule Lieg. Die Mindestzügigkeit nach § 13 Abs. 1 SchulG war somit zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr gewährleistet. Hätte der Antrags- gegner die zukünftigen Schülerzahlen prognostiziert, hätte er bereits im Zeitpunkt seiner Genehmigungserteilung absehen können, dass sich diese Schülerzahlen in den kommenden Jahren voraussichtlich nicht mehr deutlich positiv verändern, ggf. sogar weiter sinken werden. Eine auf die Schülerentwicklung gestützte Ausnahme nach § 13 Abs. 4 SchulG konnte somit im Zeitpunkt der Genehmigung der Fusions- vereinbarung nicht anders bewertet werden als zum jetzigen Zeitpunkt; eine positive Prognose i.S.v. § 13 Abs. 5 SchulG war zum damaligen Zeitpunkt entsprechend fernliegend.

Es wäre somit seitens des Antragsgegners erforderlich gewesen, ein durch diese Genehmigung der vor Ort bekannten Fusionsvereinbarung entstandenes Vertrauen der Bevölkerung auf den Fortbestand der Grundschule Lieg in seinen Abwägungs- prozess mit einzubeziehen. Damit fehlt es an der Einstellung eines abwägungser- heblichen Belanges.

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6.

Bei Berücksichtigung des diesbezüglichen Vertrauens dürfte sich darüber hinaus eine Entscheidung zur Aufhebung der Grundschule Lieg zum derzeitigen Zeitpunkt auch aus einem weiteren Grund als abwägungsfehlerhaft darstellen. Aufgrund des durch die Genehmigung der Fusionsvereinbarung geschaffenen Vertrauens auf den Fortbestand der Schule ist deren Aufhebung bereits vier Jahre später unzulässig, soweit sich die Schülerzahlen in diesem Zeitraum nicht nennenswert verändert ha- ben. Dies ist aber – wie oben dargestellt – nicht der Fall. Ausgehend von der Prog- nose des Antragsgegners dürfte in den kommenden Jahren sogar wieder ein leich- ter Anstieg zu verzeichnen sein, selbst wenn man berücksichtigt, dass nicht alle Eltern im Schulbezirk ihre Kinder an der Grundschule Lieg anmelden sollten. Letzt- lich obliegt es aber zunächst dem Antragsgegner im Rahmen seiner Abwägungs- entscheidung festzustellen, zu welchem Zeitpunkt – insbesondere nach seiner An- kündigung zur Aufhebung der Grundschule Lieg – ein schützenswertes Vertrauen auf den Bestand der Schule nicht mehr angenommen werden kann.

Es kann offenbleiben, ob der Antragsgegner auch die Interessen der Antragstellerin und des Landkreises als Träger der Schülerbeförderung (§ 69 Abs. 1 Satz 1 SchulG) überhaupt oder ausreichend in seiner Abwägungsentscheidung berücksichtigt hat. Das Schreiben des Ministeriums für Bildung vom 19. Juni 2018 gibt hier zumindest Anlass für Zweifel, weil es weder die vom Landkreis prognostizierten zusätzlichen Kosten für die Schülerbeförderung berücksichtigt und in der Zusammenfassung nur von der Berücksichtigung der Interessen der Eltern und Kindern spricht (vgl. Bl. 308 ff. der Verwaltungsakte des Antragsgegners).

7.

Selbst wenn man hinsichtlich des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die Or- ganisationsverfügung des Antragsgegners vom 20. Juni 2018 von offenen Erfolgs- aussichten ausginge, hätte der Eilantrag Erfolg. Bei der dann von den Erfolgsaus- sichten unabhängigen Interessenabwägung ist das Interesse der Antragstellerin an

- 15 - - 15 - einem Aufschub der Vollziehung des Bescheides höher zu gewichten als das Inte- resse des Antragsgegners an einer sofortigen Umsetzung der Organisationsmaß- nahme.

Die Kammer geht davon aus, dass nach der gesetzlichen Konzeption des § 80 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die aufschiebende Wirkung des Wider- spruchs die Regel, der Sofortvollzug hingegen die Ausnahme ist. Daher wird im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwä- gung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam (BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2003 – 1 BvR 2025/03–, NVwZ 2004, 93).

Die vorliegend inmitten stehenden Interessen stellen sich im Wesentlichen wie folgt dar:

Auf Seiten der Antragstellerin ist der Grundsatz zu beachten, dass die Schulträger- schaft zu den von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG garantierten Selbstverwaltungsaufgaben der Gemeinden gehört (BVerfG, Beschluss vom 19. November 2014 – 2 BvL 2/13 –, juris, Rn. 65). Allerdings garantiert Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, ebenso wie Art. 49 LV, die kommunale Selbstverwaltung nur „im Rahmen der Gesetze“. Wenn der Entzug einer Aufgabe der örtlichen Gemeinschaft im Raum steht, wandelt sich die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers praktisch zum Gesetzesvorbe- halt um. Dabei ist zu beachten, dass die kommunale Selbstverwaltungsgarantie keine Gewährleistung des Status quo im Sinne eines einmal erreichten Aufgaben- bestands enthält. Es bleibt zu sehen, dass die Gemeinden Teil der staatlichen Ver- waltung und dem Gemeinwohl verpflichtet sind. Es besteht kein unbedingter Vor- rang vor den Interessen des Gesamtstaats (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 47, 56, 57). Aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 49 LV ist daher für die Interessenabwägung kein zwingender Vorrang zu entnehmen, der die gesetzliche Regelung des Suspen- siveffekts in § 80 Abs. 1 VwGO als unüberwindbar erscheinen ließe.

Auf Seiten des Antragsgegners, der von der Organisationsverfügung betroffenen Eltern und Schüler sowie des Trägers der Schülerbeförderung ist wesentlich das Interesse an einer frühzeitigen Planungssicherheit in die Waagschale zu werfen.

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Aus der Perspektive des Antragsgegners muss zum Schuljahresbeginn beispiels- weise Klarheit über die Personalversorgung einer Schule bestehen und es muss auch die Schülerbeförderung durch den entsprechenden Träger gemäß § 69 SchulG sichergestellt sein. Ebenso ist das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewähr- leistete Interesse der Eltern an einer kontinuierlichen Erziehung ihrer Kinder mit den sich daran anschließenden Dispositionen zu sehen.

Bei einem Sofortvollzug der Maßnahme würden voraussichtlich irreversible Fakten geschaffen werden, von denen die Eltern und Schüler stärker betroffen wären als der Antragsgegner. Im Falle der Vollziehung bereits zum 1. August 2018 dürften die Eltern ihre Kinder an der Grund- und Realschule plus in Treis-Karden bzw. Beltheim für das kommende Schuljahr anmelden. Es ist nicht davon auszugehen, dass die mit dieser Entscheidung einhergehenden Folgen von den Beteiligten im Falle einer Aufhebung der Organisationsverfügung im Hauptsacheverfahren – insbesondere im Interesse der Kinder – noch einmal rückgängig gemacht würden.

In einer Zusammenschau dieser Gesichtspunkte ist nicht erkennbar, dass das Inte- resse des Antragsgegners die Interessen der übrigen Beteiligten in einer derartigen Weise überwiegt, dass von der Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers in § 80 Abs. 1 VwGO abzuweichen wäre.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG unter Orientierung an der Empfehlung in Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013; hiernach hat die Kammer die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes in Höhe von 5.000,00 € festgesetzt.

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Rechtsmittelbelehrung

Gegen diese Entscheidung in der Sache steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu.

Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Do- kument oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwer- defrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist schriftlich oder nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Dokument bei dem Oberver- waltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, eingeht.

Die Beschwerde muss durch einen Rechtsanwalt oder eine sonstige nach Maßgabe des § 67 VwGO vertretungsbefugte Person oder Organisation als Prozessbevoll- mächtigten eingelegt werden.

In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde nicht gegeben, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt.

Gegen die Festsetzung des Streitwertes steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 € über- steigt.

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nach- dem die Entscheidung zur Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Die Beschwerde ist bei dem Verwaltungsgericht Koblenz, Deinhardpassage 1, 56068 Koblenz, schriftlich, nach Maßgabe des § 55a VwGO als elektronisches Do- kument oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen.

gez. Dr. Fritz gez. Pluhm gez. Dr. Klein