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SWR2 Musikstunde

Max Bruch - mehr als nur ein Violinkonzert (3)

Von Ulla Zierau

Sendung: Mittwoch, 17. Februar 2016 9.05 – 10.00 Uhr Neuauflage, Ursendung 2008 Redaktion: Ulla Zierau

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SWR 2 Musikstunde mit Ulla Zierau, Mittwoch, 17. Februar 2016

- mehr als nur ein Violinkonzert (3)

Signet Dazu begrüßt Sie Ulla Zierau. Mit Max Bruch streifen wir heute durch das „Land der singenden, klingenden Berge“ rund um den Igeler Hof in Bergisch Gladbach und ziehen mit ihm weiter nach , heute wie versprochen fern ab seines g- moll Violinkonzerts. (0’20)

Titelmusik

Mit 32 Jahren steht Max Bruch vor einem Neuanfang. Er entscheidet sich ganz bewusst gegen eine weitere Festanstellung als Dirigent und für ein Leben als frei schaffender Komponist. Anlass für ihn Bilanz zu ziehen über die vergangenen Jahre. Auch weil sein Freund Rudolf von Beckerath einen Artikel über ihn veröffentlichen möchte. Dafür notiert Bruch seine bisherigen Stationen: Köln, Frankfurt, Leipzig, Mannheim, Koblenz und Sondershausen. Er nennt sie die äußeren Epochen seines Lebens und fragt sich aber auch nach den inneren, weitaus wichtigeren Epochen, nach seinem wahren Musikverständnis. „Ich glaube zu erkennen, dass es der modernen Musik an wahrer Melodie, d.h. an langatmigen wirklichen Melodien allzu sehr fehlt und zögere nun nicht, die echte Melodik an der Wiege zu studieren“, sagt Bruch und meint damit das Volkslied. Aus dieser Erkenntnis heraus komponiert Bruch einige seiner Werke. Er greift auf Originale Volksweisen zurück und verarbeitet sie in klassischen Sätzen wie in der Suite nach russischen Volksmelodien. Ein unversiegbarer Jungbrunnen der Melodik seien die Volkslieder aller Völker, so Bruch (1’20)

Musik 1 Max Bruch: Tanz aus der Suite nach russischen Volksmelodien op.79b SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern / Werner Andreas Albert M0272171 W01 006, cpo 777385-2, 3’08

Das SWR Rundfunkorchester Kaiserslautern unter der Leitung von Werner Andreas Albert mit dem 5. Satz aus der Suite nach russischen Volksmelodien von Max Bruch.

3

Als freischaffender Künstler führt Bruch ein unstetes Leben. Immer wieder wechselt er den Wohnort. Einzige Konstante in diesen umtriebigen Jahren ist der Igeler Hof in Bergisch Gladbach. Ein Idyll, zu dem Bruch von Kindesbeinen an ein inniges Verhältnis hegt. Seine Mutter war die Gesangslehrerin der früheren Besitzerin des Hofes und auch zu den neuen Eigentümern, der Familie Zander, pflegt Bruch ein freundschaftliches Verhältnis.

Was ist das Besondere an diesem Hof in den Hügeln des Bergischen Landes. Bruch verrät es uns: „Schöne Waldwege führten hinunter nach der Igeler Mühle und dem reizenden stillen Tal von Herrenstunden. Als Knabe und als Jüngling durfte ich oft Wochen-, monatelang in dem lieben Haus zwischen den Nussbäumen wohnen, sinnen und arbeiten. Es war ein Asyl für stille Geistesarbeit wie man es sich nicht schöner denken konnte“, eigentlich ein Paradies, das Bruch hier schildert.

Und warum wählt er den Igeler Hof dann nicht als seine feste Komponierstätte. Hierauf antwortet Bruch: „Ich musste in die Welt hinaus „auf wildbewegten Gassen des Lebens Schauspiel sehen, und konnte mich nur ab und zu dem Zauber der alten Heimat wieder hingeben. Aber wo ich auch sein mochte, nie verließ mich die Sehnsucht nach dem lieben Gladbach und dem Igeler Hof, den Stätten meiner glücklichen Jugend. Und aus allen Fernen kehrte ich immer wieder mit inniger Freude dahin zurück.“ Über 30 Werke entstehen auf dem Igeler Hof nicht im Arbeitszimmer, sondern fast nur im Freien, wie Bruch sagt, „auf weiten Spaziergängen durch Wald und Feld“, im „Land der singenden, klingenden Berge“. Mit 13 komponiert Bruch hier erste Lieder, mit 42 das Scherzo aus der 3. Sinfonie und , ein Adagio über hebräische Melodien, eines seiner schönsten Stücke für . (2’10)

Musik 2 Max Bruch: Kol Nidrei. Adagio nach hebräischen Melodien für Violoncello mit Orchester op. 47 Jan Vogler / Dresdner Kapellsolisten / Helmut Branny, M0088002 009, Sony classical, 88697055952, 8’13

Jan Vogler war der Solist in Kol Nidrei von Max Bruch. Helmut Branny leitete die Dresdner Kapellsolisten. Eine handgeschriebene Skizze der Partitur von „Kol Nidrei“ hängt heute im Kaminzimmer des Igeler Hofs in Bergisch Gladbach.

Zu der Hausherrin Maria Zander, entwickelt Bruch eine tiefe Seelen- verwandtschaft. Jung verwitwet muss sie sich als Mutter von drei Kindern um zwei Papiermühlen, um 500 Arbeiter und deren Familien kümmern. Über all die Jahre 4 nimmt sie regen Anteil an Bruchs künstlerischem Schaffen. Sie hilft, wenn er in Nöten ist und sorgt für ihn, wenn er im Igeler Hof weilt und dort arbeitet: „Da sitzen Sie wie ein Vogel in dem grünen, grünen Wald und wir hören das innere Singen und Klingen mit und freuen uns daran aus vollster Seele. Ich schicke Ihnen nicht Ambrosia, aber Rostbeaf und Rotwein und Eier, diesen Abend sollen Sie ein üppiges Mahl haben. Also ist mir auch nahe der, der auf der Igel sitzt und mit leiblicher Nahrung des Geistes Geschäft fördern wird.“, so Maria Zander an Max Bruch.

Maria Zander erfreut sich an Bruchs Musik, an ihrem romantischen Schönheitsideal, in diesem Punkt sind sich die beiden besonders nah. (1’30)

Musik 3: Max Bruch: aus den Stücken op.83: Nr.2 allegro con moto Budapester Klaviertrio M0011370 002, Thorofon, CTH 2248, 2‘18

Das Budapester Klaviertrio mit einem der Stücke aus op.83 von Max Bruch. Maria Zander, die Hausherrin des Igeler Hofes tut alles, um Bruch den Aufenthalt im Bergischen Land so angenehm wie möglich zu gestalten und er wiederum bringt viel Verständnis für ihre philanthropischen Neigungen auf und unterstützt ihre wohltätigen Aktivitäten. Durch ihr Engagement bereichert Maria Zander das kulturelle Leben in Bergisch Gladbach, sie bemüht sich um Musikerziehung, fördert Künstler, gründet den Gesangsverein Cäcilienchor, mit dem sie Werke Bruchs aufführt.

Zwischen Max Bruch und Maria Zander besteht ein inniges, freundschaftliches Verhältnis, ohne Eifersüchteleien, oft wird es mit der Beziehung zwischen und Clara Schumann verglichen. Mit offenen Armen nimmt Maria Zander die spätere Frau von Max Bruch in die Familie auf.

Immer ist es ihr höchsten Anliegen, dem Komponisten die Ruhe zu verschaffen, die er für seine Arbeit braucht. So schreibt sie an Bruchs Schwester Mathilde. „Du kennst Max in seiner Arbeitsstimmung und Schaffenslust, also wirst du dir deutlich vorstellen können, wie er als Einsiedler unten im Bibliothekszimmer haust. Abends sind wir meist zusammen lesend, musizierend, plaudernd. Außerdem ist vollständigste Abgeschlossenheit. Ich bin glücklich, dem lieben Freund diese Einsamkeit verschaffen zu können.“

Der Name „Igeler Hof“ hat übrigens nichts mit Igeln zu tun. Er kommt vom mundartlichen Wort „Ijel“, das heißt Erle, Igeler Hof bedeutet also „Hof in den Erlen“. 5

In dieser heimeligen Idylle arbeitet Bruch an dem Chorwerk nach Homers Odyssee, inspiriert von der Natur des Bergischen Landes. Sie ist ihm wenn auch nicht fester Wohnsicht, so doch seine musikalische Heimat geworden. In einem seiner letzten Briefe schreibt er:

„Wie tief die Heimat in mein Herz eingegraben ist, das beweist Ihnen schon mein Lied an die Heimat im Schlusschor der Odyssee. Es ist von Herzen gekommen, und ist daher auch zu vieler Herzen gedrungen, nicht allein in Deutschland, sondern in allen Ländern, wo die Odyssee erklang.“ 2’10

Musik 4: Max Bruch: Odyssee, Schlusschor NDR Chor / Radiophilharmonie Hannover / Leon Botstein M0321497 012,Schwann musica mundi, 3-6557-2, 5’45

Ein Loblied auf die Heimat im Schlusschor aus Odysseus von Max Bruch. Leon Botstein leitete den NDR Chor, den Budapester Rundfunkchor und die Radiophilharmonie Hannover des NDR.

1904 stirbt Maria Zander, die Hausherrin des Igeler Hofes, Bruchs langjährige Vertraute und Freundin. „Mama“ oder „Die großer Vergolderin“ nennt er sie in zahlreichen Briefen. Ein schwerer Schlag und ein großer Verlust für den Komponisten. „Ich bin ein alter Baum und weiß nicht, ob ich mich von diesem Hieb in mein innerstes Mark je erholen werde“ – schreibt der 66-jährige.

In seinen letzten Lebensjahren kehrt Max Bruch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr auf den Igeler Hof zurück. In einem Brief an Olga Zander, der Schwiegertochter Marias schreibt er: „Wie schön muss es jetzt bei Ihnen in Gladbach, im Tal und auf den Höhen sein! Wie oft habe ich in früheren, glücklicheren Jahren solch herrliche Frühsommertage dort erlebt, und wie unglücklich fühle ich mich jetzt manchmal, dass das unerbittliche Schicksal mir das alles, was mir das Liebste und Teuerste war, geraubt hat! Aber es ist nun einmal nicht anders, über der Pforte des Alters steht das traurige Wort: Resignation geschrieben“ – so Bruch gut ein Jahr vor seinem Tod –

Bruch ist tatsächlich in einer geistigen Resignation gelandet. Die Musik hat sich in diesem Jahrhundert enorm weiterentwickelt. Bruch tat es kaum und wurde dabei achtlos überholt. Der Fortschritt zog an ihm vorbei. Wenn man bedenkt, dass sich zu Beginn seiner Lebens Felix Mendelssohn erstmals Gedanken über sein Violinkonzert e-moll macht, dass Robert Schumann seine Kreisleriana Chopin 6 widmet und dass acht Jahre vor Bruchs Tod die Uraufführung von Strawinskys „Le Sacre du Printemps“ in Paris zu einem Skandal führt, dann sieht man die enorme Entwicklungsspanne und erkennt zugleich, wie wenig Max Bruch dazu beigetragen hat. Aber eines bleibt manifestiert. Er hat wunderbare Melodien erfunden und große sinfonische Werke geschrieben. Doch halt, noch sind wir mitten im Leben von Max Bruch. Als freischaffender Komponist kommt er nach Berlin. Dort erlebt er den deutsch- französischen Krieg 1870/71 und wird vom aufblühenden Patriotismus angesteckt. In dieser Euphorie schreibt er sein erstes Oratorium, Odysseus, in das wir eben schon reingehört haben. Bruch wählt einen Text aus der griechischen Antike, Homers Odyssee. „Die Odyssee beglückt mich unendlich, es ist wirklich wahr; und ich glaube, man kann sagen, es ist alles aus dem Geist geboren“. Bruch verzichtet auf dramatische Momente. Der Chor übernimmt ganz im Zeichen der griechischen Tragödie eine erzählende und kommentierende Rolle. Musikalisch lebt das Werk – wie sollte es bei Bruch anders sein – von der Melodie, von den Arioso-Abschnitten der Solisten und des Chores. 3’10

Musik 5 Max Bruch Odysseus, Gesang der Sirenen Jeffrey Kneebone / NDR Rundfunkchor / Radiophilharmonie Hannover / Leon Botstein M0321497 004, Schwann musica mundi, 3-6557-2, 2’07 (hinten geblendet)

Gesang der Sirenen aus Odysseus. Leon Botstein leitete den NDR Rundfunkchor sowie die Radiophilharmonie Hannover des NDR.

Das Publikum ist von Odysseus begeistert. Bruch erhält Glückwünsche, Anerkennung von Kollegen, eine Menge guter Kritiken, nur die Kölner Zeitung schweigt. Sofort vermutet Bruch dahinter eine Intrige seines ehemaligen Lehrers . Köln lässt lange mit einer Aufführung des Werkes auf sich warten. Der Verleger Fritz Simrock muss vermitteln. Er überredet Bruch, die Einladung Hillers nach Köln anzunehmen und Odysseus dort selbst zu dirigieren. Gesagt, getan, gewonnen. „Cöln – dat ahle Cöln ist verwandelt“ schreibt Bruch versöhnt an Simrock, „Odysseus hat kolossal und nachhaltig gewirkt“.

Odysseus wird bald in ganz Deutschland gesungen. Vom Großherzog von Mecklenburg erhält Bruch die goldene Medaille für Kunst und Wissenschaften. Aber was dem Komponisten tausendmal mehr wiegt als Gold und Silber. Johannes Brahms wählt Odysseus für sein Abschiedskonzert bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien am 18. April 1875. Das Ganze hat einen Pferdefuß. 7

Aus zeitlichen und finanziellen Gründen muss Brahms Kürzungen vornehmen und streicht gegen Bruchs ausdrücklichen Wunsch die Rolle der Penelope. Zu guter Letzt wird Bruch nicht einmal nach Wien eingeladen. Welche Schmach. Bei einem der Flöhe husten hört, der hinter allem und jedem Intrigen vermutet, verwandelt sich jede wohlgemeinte Geste, wie sie von Brahms sicher beabsichtigt war, zu einem Desaster. Eine weitere Schramme im Verhältnis zwischen den beiden Komponisten.

Odysseus in Wien ohne Penelope, dafür komplett auf Englisch in und Amerika. Kurzzeitig verdrängt Odysseus das g-moll Violinkonzert vom ersten Rang der populärsten Werke Bruchs. (2’10)

Musik 6 Max Bruch Odysseus, Penelopes Trauer, 1. Strophe Nancy Maultsby / Radiophilharmonie Hannover /Leon Botstein M0321497 006, Schwann musica mundi, 3-6557-2, 2’55

Penelope auf der Suche nach Trost in ihrer großen Trauerarie. Nancy Maultsby war die Solistin. Leon Botstein leitete die Radiophilharmonie Hannover des NDR.

Auf der einen Seite der Erfolg, auf der anderen Seite immer das Haar in der Suppe, das Bruch unter Garantie überall findet. Der Misserfolg seiner Oper „“ in Berlin sei ein abgekartetes Spiel, und schon fällt das ganze Berliner Gerüst wie ein Kartenhaus zusammen und der Entschluss steht fest: diesem „nordöstlichen Zentrum allen Hasses, allen Neides und aller Gemeinheit“ den Rücken zu kehren, „denn“, so Bruch, „die Wagnerianer hassen mich dort und für die hochklassische Gesellschaft existiert nur Brahms“.

Bruch kehrt ins Rheinland zurück und verstrickt sich da in eine heftige Herzensangelegenheit. Der 35-jährige verliebt sich in eine 19-jährige, nicht gerade zur Begeisterung von deren Eltern. Die Mutter der jungen Frau verlangt einen Nachweis seiner gesicherten Einnahmen. Vieles kann Bruch vorzeigen, das nun gerade nicht. Er bittet Simrock um einen Vorschuss für die nächsten fünf Jahre, doch das ist dem Berliner Verleger trotz aller Odysseus-Euphorie zu riskant. Es kommt noch schlimmer. Bald schon gilt Bruch in der Familie seiner Verlobten nicht nur als mittelloser Künstler, sondern als Mitgiftjäger, denn die junge Amalie Heydweiller ist eine aussichtsreiche Erbin.

Wenigstens eine Festanstellung fordert die Mutter, aber darum bemüht sich Bruch nur halbherzig und entschließt dann: 8

1. nicht vom Rhein fortzugehen, und 2. keine Stelle anzunehmen, die mein Schaffen lähmt. Hiernach mag sich nun alles andere richten. Ich habe keine Lust, einen geistigen Selbstmord zu begehen“.

Da zeigt er Kante. Bruch will also als Komponist sein Geld verdienen. Er wagt sich an sein zweites Violinkonzert. Der erste Satz gelingt schnell, ein zweiter und dritter wollen nicht so recht zu Papier kommen und so bleibt es eine einsätzige Romanze, sein op. 42. 2’10

Musik 7: Max Bruch: Romanze op.42 Aaron Rosand, Radio-Philharmonie Hannover des NDR / Christoph Wyneken M0008458 004, Vox, VXP 7906, 3’20

Vielleicht ein Klagelied über die unglückliche Liebesgeschichte mit Amalie Heydweiller, die Romanze für Violine und Orchester von Max Bruch, hier gespielt von Aaron Rosand und der Radio-Philharmonie Hannover des NDR

Die Familie Heydweiller fährt so viele Geschütze auf, dass Bruch sich geschlagen gibt und die Verlobung auflöst, die Liebebriefe verbrennt. Was bleibt als Trost, die Musik – ein neues weltliches Oratorium voller Deutschtümelei „“ nach der Geschichte der Cherusker, die im Teuteburger Wald im Jahre 9 nach Christus die Römer geschlagen haben. Dahinein packt er all seine Begeisterung für die deutsche Einigung unter Bismarck. Er empfindet das Werk als eine patriotische Pflicht und stößt damit im jung geeinten Deutschland auf große Gegenliebe. Doch allmählich legt sich die politische Euphorie und Arminius verliert an Bedeutung. Nicht mehr als ein Strohfeuer.

Nachhaltiger ist Bruchs Auseinandersetzung mit dem Cello – anfangs eine etwas schwierige Begegnung. Viele Cellisten äußern immer wieder den Wunsch nach einem Solokonzert, doch Buch reagiert ablehnend: „Da können sie lange warten, ich habe wichtigere Dinge zu tun als dumme Cellokonzerte zu schreiben“. Dann revidiert er seine Meinung und schreibt für den Berliner Cellisten zwar keine Konzerte, aber doch ganz wunderbare Konzertstücke für Cello und Orchester, wie das Kol Nidrei oder diese Canzone. 1‘40

Musik 8 Max Bruch: Canzone für Violoncello und Orchester B-Dur, op. 55 Martin Ostertag / SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg, Michael Boder M0045910 004 Aufnahme SWR Baden-Baden, 1989, 6‘00 9

Martin Ostertag mit der Canzone B-dur von Max Bruch. Michael Boder leitete das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg.

Bruch benötigt immer einen Interpreten, der ihn im Schaffensprozess für solistische Werke begleitet. Den Cellisten Robert Hausmann, bei der Klarinette seinen Sohn Max, bei den Violinstücken und später Pablo de Sarasate. Der spanische Geiger hat bereits mehrfach das g-moll Konzert gespielt, bevor Bruch ihn persönlich kennenlernt und sein Konzert mit ihm gemeinsam in Frankfurt und Wiesbaden aufführt. Bruch jubiliert: „Das Publikum war überall wie toll, so etwas habe ich noch nie erlebt. Wenn der Ausdruck ‚schwärmen’ erlaubt ist, so sage ich: ich schwärme für diesen Pablo. Ein außerordentlicher Geiger und ein reizender Mensch. Für ihn schreibe ich noch, das ist ganz sicher.“ Bruch hält sein Wort. Für Pablo de Sarasate schreibt er sein zweites Violinkonzert.

Musik 9 Max Bruch: Violinkonzert Nr.2 d-moll, 3. Satz Antje Weithaas, NDR Radiophilharmonie / Hermann Bäumer M0393767 W01 003, cpo 777833-2, 3‘30

Finale aus dem zweiten Violinkonzert von Max Bruchs mit Antje Weithaas und der NDR Radiophilharmonie unter der Leitung von Hermann Bäumer. Soweit für heute die SWR2 Musikstunde über Max Bruch, morgen wird geheiratet und in England ein Hausstand gegründet. Bis dahin Ade – Ihre Ulla Zierau