Ein Rundweg zur Landschaft und Geschichte des Gipsabbaus in Erpeldingen 1 bei Bous

Gemeng Bous 2

Gemeng Bous

Ein Agenda-21-Projekt, realisiert mit der Unterstützung des Ministère du Développement durable et des Infrastructures Ein Rundweg 3 zur Landschaft und Geschichte des Gipsabbaus in Erpeldingen bei Bous

Stationen:

1. Neunkirchen 2 2. Die Landschaft um Erpeldingen 4 3. Die Gipsbrüche in der Gemeinde Bous 8 4. Landwirtschaft und Naturschutz 14 5. Buedebaach Umladestation 18 6. Die Schmalspurbahn Jhangeli 19 7. Gipsabbau im Bueläcker 22 8. Erpeldingen – ein Dorf im Laufe der Zeit 24 1. Schaut man sich den Neunkirchen Friedhof allerdings etwas genauer an, Der Ausgangspunkt des Rundweges ist der so findet man noch einzelne Hinweise und 4 Friedhof am Ort Neunkirchen etwas außer- Zeugnisse der Vergangenheit. In der Nähe halb von Erpeldingen. Obwohl der Friedhof des Eingangs sind einige schöne, erhalten heute auf den ersten Blick nichts Außerge- gebliebene Grabsteine aus dem 18. und 19. wöhnliches erkennen lässt, so blickt der Ort Jahrhundert aufgestellt. An der Seitenwand doch auf eine sehr lange Geschichte zurück. im Vorhof der 1974 eingesegneten Leichen- Der Name Neunkirchen wirft gleich zwei halle ist ein Relief angebracht, das eine Vor- Rätsel auf: Zum einen gibt es einen Ort, der stellung des Kirchhofes mit der alten Kirche nicht nur auf eine, sondern gleich auf neun vor 1791 vermittelt. Kirchen verweist, wovon allerdings keine Einen weiteren Hinweis auf die Geschichte Einzige zu sehen ist, und zum anderen sieht Erpeldingens finden wir an der Seiten- man das nahe gelegene Erpeldingen, ein fassade der Leichenhalle, Dorf, das keine Kirche besitzt. wo ein Wappen zu sehen ist, das den Grafen von Roussy zuzuordnen ist. Das Wappen verweist darauf, dass Erpeldingen bis zum Ausbruch der Französischen Revolution noch zur Graf- schaft Roussy im heutigen Lothringen gehörte. Das Relief im Innern der Leichenhalle vermittelt einen Eindruck des Friedhofs mit der Kirche, wie sie bis 1791 Über den Namen Neunkirchen ist schon bestand. einiges geschrieben worden und es scheint, dass der Name eher auf eine neue, als auf Der Name Neunkirchen verweist tatsächlich neun Kirchen verweist. Die Neunkirchener auf eine Kirche, zu der wir heute nur mehr Pfarrrechte lassen sich weit zurückver- den Kirchhof sehen. Die jahrhundertealte folgen und tauchen bereits in Urkunden der Kirche wurde im Jahre 1791 abgerissen, Prümer Abtei aus dem 9. Jahrhundert auf. um einem größeren Kirchenneubau Platz Die Abtei Prüm besaß zu diesem Zeitpunkt zu machen. Im Zuge der Wirren während große Anteile an der Grundherrschaft in und nach der Französischen Revolution, der dieser Gegend (daher etwa auch der Name Kirchenverfolgung und der Napoleonischen „Primerbierg“ im nahe gelegenen ). Kriege kam der Neubau aber nicht zu- Es wird vermutet, stande. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts dass auch die beantragten die Bewohner aus Bous eine Kirche von Neun- eigene Großpfarrei, die sie 1831 mit dem kirchen Teil des Neubau der Kirche in Bous abschlossen. Vorhabens war, die Für Neunkirchen war damit endgültig der Vormachtstellung Traum vom Neubau aus und es bleibt heute der Abtei Prüm nur mehr der Name und der ehemalige im Umkreis von Kirchhof. Remich auszubauen. Die Geschichte der umliegenden Land- All diese Zeichen deuten darauf hin, dass schaft reicht aber noch viel weiter in die der Ort Neunkirchen bereits auf eine noch Vergangenheit, wie vereinzelte römische ältere Geschichte zurückblickt und sehr Siedlungsspuren an den Flanken des wahrscheinlich bereits in vorrömischer Zeit Hiewelbierg beweisen. ein heidnischer Kultplatz war. 5 Die exponierte Lage am Rande des Tales Zudem lag Erpeldingen in unmittelbarer und in der Nähe alter Handelswege, Nähe zum bedeutenden auf der linken sprechen ebenso dafür, wie die Tatsache, Moselseite von Metz über und dass hier bereits sehr früh eine Kirche er- Bous nach führenden Römerweges. richtet wurde. Denn viele Kirchen wurden Der Weg führte allerdings gegenüber von im Zuge der Christianisierung auf ehe- Erpeldingen auf der Rollinger Seite über maligen heidnischen Kultplätzen errichtet. den Schammel und die Schlaed direkt nach Bous. Dort befand sich eine bedeutende römische Siedlung, die mit Sicherheit Thill, N. 1984: Die Chronik der Kirchen und Kapellen. auch auf die umliegende Landschaft einen In: Ierpeldeng, éischt Duerf.: 93-137. Remich spürbaren Einfluss ausübte. Immerhin fand man bei den Grabungen in Neunkirchen 1791 und 1855 Reste spätrömischer Statuen und eine große beeindruckende Gesichtsskulptur, die heute noch am ehemaligen Bahnhofsgebäude auf dem Scheierbierg zu sehen ist. 2. Die Landschaft um Erpeldingen 6 Weiche Gesteine ergeben eine sanft geformte Landschaft.

„Das Seitental der Mosel, auf das der Scheuerberg herabsah, war ungemein anmutig und freundlich. Koppen und Bodensenken wechselten miteinander ab wie spielende Meereswogen, und an einigen Stellen, wo der weiße Mergel zutage trat, lag es wie Meeresschaum. Alles war sanfte, abgewogene Bewegung“.

Paul Noesen, aus „Bedrängte Heimat“ 1946 Die Landschaft um Erpeldingen ist im Im gesamten Trintingertal sind die jüngeren, Wesentlichen das Ergebnis der groß- aber härteren Schichten des Jura bereits flächigen Erosion im Bereich des heutigen abgetragen, sodass die darunterliegenden, Talsystems der Trëntengerbaach und ihrer älteren, aber weichen Schichten aus der Nebenbäche wie der Ierpeldénger- und der Keuperzeit freiliegen und die Oberflächen- 7 Waldbriedemesserbaach. Diese, zur Mosel form sowie die Böden und Gesteine der hin entwässernden Bäche haben über einen Landschaft bestimmen. sehr langen Zeitraum hinweg die hier im Die recht weite Landschaft mit ihren ge- Erdmittelalter abgelagerten Sediment- wellten Hängen zeigt bereits deutlich, dass gesteine abgetragen. Wir sehen also heute es sich bei dem überwiegenden Teil der hier in der Landschaft das, was von den ehemals vorkommenden Gesteine um recht weiche mächtigen Ablagerungen aus der Jura- Gesteine handelt, deren Verwitterung ein (Luxemburger Sandstein und Kalksteine) mehr oder weniger gewelltes Relief hinter- und der Keuperzeit (Mergel und Dolomite) lässt, wobei sich sanft gewellte Bereiche mit im Laufe der Zeit übrig geblieben ist. teilweise recht steilen Hängen abwechseln.

Die Landschaft um Erpeldingen zeigt das charakteristische Profil einer sanft bis stark gewellten Keuperlandschaft. Die südexponierten Hänge eignen sich gut für den Weinbau, während die flacheren Teile der Landschaft für Acker und Grünland genutzt werden. Dieser Wechsel ist recht charakteristisch Dort, wo die weichen Keuper-Mergel von für Keuperlandschaften, da die recht einer Abdeckung aus härteren Gesteinen weichen Mergel-Gesteine (Mergel sind oder dolomitreichen Lagen vor der Ver- stark kalk- oder dolomithaltige, verfestigte witterung geschützt werden, findet man 8 Tone) der Verwitterung nur einen geringen ebenfalls steilere Hänge. Gut zu sehen ist Widerstand leisten. Die Erosion kann in den das etwa am Scheierbierg der Hochfläche weichen, oberflächlich leicht erodierbaren des Reckingerhaffs sowie am Rand der Gesteinen nicht nur rasch in die Tiefe, son- Steilstufe zum Luxemburger Sandstein. dern auch in der Fläche wirken.

Dass die oberflächliche Erosion eine recht große Rolle Mergelgesteine setzen der Erosion wenig Widerstand spielt, kann man gut an den regelmäßig zu beobach- entgegen. Neben der geringen Härte der Mergelge- tenden, parallel zueinander liegenden, hangabwärts steine kommt eine weitere Eigenheit hinzu. Frische, führenden Rinnen festmachen. Derartige Erosionsfor- kompakte Mergelgesteine zerfallen an der Luft meist men findet man in der Landschaft sowohl im kleinen, rasch zu polyedrischen Krümeln. wie auch im großen Maßstab.

Die Landschaft zur Keuperzeit Gipse und Mergel sind die Reste eines früheren Meeres.

Die Gesteinsfolgen des Keupers, wie wir sie Während der Zeit des Keupers (vor rund 235 in der Umgebung von Erpeldingen finden, bis 201 Millionen Jahren) gehörten weite und wie wir sie besonders schön in den Teile des Gutlandes zu einer ausgedehn- beiden ehemaligen Steinbrüchen sehen ten flachen Landschaft in der sich weite können, verdeutlichen auf sehr anschau- Flussdelta-Landschaften mit Brackwasser- liche Weise, die wechselnden Ablagerungs- Bedingungen und Wüstenlandschaften bedingungen während der Keuperzeit. abwechselten. Das Klima war subtropisch Typisch für diese Gesteine ist auch ihre mit ausgeprägten Regenzeiten und lange Farbpalette von Rot, Rotbraun, Violett, Grau, anhaltenden Trockenzeiten. Beige, Weiß bis hin zu Graugrün. Dabei Während der Regenzeiten kam es regel- zeugen die rötlichen bis violetten Töne von mäßig zu großen Überschwemmungen, bei Ablagerungen, die an Land unter einem denen große Massen an kalk- und tonreichen warm-trockenen Klima entstanden sind, Sedimenten in dem ausgedehnten Delta oder während die beige, grauen und besonders dem flachen Meer abgelagert wurden. Die die grünlichen Ablagerungen überwiegend mächtigen, teilweise recht intensiv gefärbten im Meerwasser zur Ablagerung kamen. Mergel wurden auf diese Weise abgelagert. In den Trockenzeiten kam es regelmäßig zum Austrocknen von flachen Mulden und Senken. Die in dem salzigen Wasser gelös- ten Mineralien wurden dann in Form von Gips und Steinsalz ausgeschieden. 9 Da das leicht lösliche Steinsalz meist später wieder ausgewaschen wurde, findet man in den Keuper-Gesteinen nur mehr die Gips- bänder aus dieser Zeit.

Weiße Gipsbrocken, scherbenförmig brechender Dolomit und rote Keupermergel (im Hintergrund) sind die wichtigsten Gesteine in der Landschaft um Erpeldingen.

Steinbruch „Bueläcker“. Die roten Mergel am „Hiewelbierg“ und im Steinbruch „Bueläcker“ wurden wegen der darin enthaltenen recht mächtigen Gips- und Alabasterlager abgebaut.

In Phasen, in denen das Meer vorherrschte, kam es im flachen warmen Wasser zur Anhand der Gesteine, denen man bei einem Bildung von dolomitischen Ablagerungen. Spaziergang in und um Erpeldingen begeg- Derartige harte, scherbenartig brechende net, wird ein Teil dieser längst vergangenen Dolomit-Gesteine finden wir besonders in Geschichte wieder lebendig. den höher gelegenen Teilen der Landschaft um Erpeldingen, am Hiewelbierg oder auf dem Scheierbierg. 10

Aufgang zum ehemaligen Wärterhaus im „Bueläcker“ „Der Berghang war oft grün geworden im Mai und im Herbst zuerst bunt und dann fahl. Mehr als zwanzigmal hatte er den Menschen im Tal schwere Weinbergsarbeit abgerungen und sie oft mit den köstlichen Früchten des Rebstockes beschenkt. Da war eines Tages Christoph wieder daheim. Sein erster Gang galt seinem einzigen Besitz in der Heimat, der verlassenen Halde. Sie war noch verwilderter, als So beschreibt damals, da er dem Heimatdorf den Rücken wandte. Weiß- der aus Erpeldingen gebürtige dorn und Schlehenstrauch, Heckenrose und Paul Noesen Ende der 30er Brombeergerank machten sich den dürftigen Boden Jahre in seiner kleinen Novelle streitig. Dazwischen wucherten üppig Johanniskraut und „Der Alabastersucher“ Dosten, Fetthenne und Hauhechel, Thymian und Quendel. die Gipssteinbrüche am Wie ein Rausch von Farben und Blumendüften war es. Hiewelbierg. Vögel zwitscherten in der Heckenwildnis, Grillen zirpten Er erinnert darin nicht nur am Boden, Schmetterlinge taumelten von Blüte zu Blüte, an einen besonderen Ort, der Eidechsen huschten raschelnd in ihr Versteck, sobald ein wohl für viele Erpeldinger eine Menschenfuß nahte.“ wichtige Rolle gespielt hatte, sondern erzählt gleichzeitig 3. eine der vielen Geschichten, Die Gipsbrüche in der die sich um den Gips- Gemeinde Bous und Alabasterabbau in Erpeldingen ranken. In der Gemeinde Bous wurde an zwei Standorten, genannt „Hiewelbierg“ und „Bueläcker“ Gips abgebaut.

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Lageplan Gipsbrüche

© Origine Administration du Cadastre et de la Topographie (ACT) Autorisation de publication du 10.08.2009

Ab Ende des 19. Jahrhunderts bis kurz nach dem 2. Weltkrieg wurden die Gipssteinvorkommen gewerblich abgebaut. Das am Ende des 19. Jahrhunderts gebrochene Gipsgestein wurde mit von Pferden gezogenen Karren an die Mosel transportiert, wo es anschließend Mosel abwärts verschifft wurde. Später wurde das Gipsgestein per LKW und Schmalspurbahn nach Remich ins Gipswerk befördert. Gipsstein- und Alabasterprodukte Das Gipsgestein aus den Weinbergen wurde falls es nicht für den Eigenbedarf ver- Verwendung fand der Gips und dessen wendet wurde an das Escher Zementwerk Produkte aus dem Hiewelbierg und von verkauft. So konnten sich die Winzer ein Bueläcker im Bau als Baugips „Diamantine“, 12 willkommenes Zusatzeinkommen erwirt- „Stuckgips“ und „Duroplast“. Der reinere und schaften. feinkörnigere Alabaster wurde zur Her- stellung von Zahnprothesen „Dentoforme“ und von Bandagengips „Banda“ verwendet. Die Kriegsjahre (1939-1945) Des Weiteren wurde das Gipsgestein auch und das Ende des Gipsabbaus in der unverarbeitet von der lokalen Bevölke- Gemeinde Bous rung als Bruchstein zum Bau der Häuser Die Einführung der Wehrpflicht in verwendet. Das Gipsgestein war auf Grund der deutschen Wehrmacht für die seiner geringen Härte einfach zu bearbeiten, luxemburgischen Männer im Jahre 1942 konnte per Hand in geringer Tiefe mit dem führte zum landesweiten Generalstreik, an Brecheisen gewonnen werden und verur- dem auch die Bergbauarbeiter aus Erpel- sachte somit nur geringe Kosten. dingen teilnahmen. Dass bei dieser ver- Beim Rigolen (siehe grüner Kasten) der botenen Aktion keinem der streikenden Weinberge fielen große Mengen an Gips- Arbeiter etwas zustieß, ist dem Wohlwollen gestein an, das ebenfalls beim Bau der des Aufsichtswärters des Gipsbruchs zu Weinbergsmauern verwendet wurde. verdanken, da dieser nichts von den Vor- kommnissen an die Deutsche Besatzung meldete. Während der deutschen Besatzung Luxemburgs diente der Gipsbruch wahr- scheinlich als Versteck für luxemburgische „Deserteure“. Junge Luxemburger Männer im wehrpflichtigen Alter versteckten sich in den Gipsgruben, um dem Dienst bei der Wehrmacht zu entkommen. Sie wurden von einigen wenigen eingeweihten Einwohnern der naheliegenden Dörfer mit Nahrungs- Weinbergsmauer aus Gipsgestein mitteln versorgt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde noch für kurze Zeit in den Gipsbrüchen ge- arbeitet. Im Jahr 1948 beendete das Zementwerk von Esch mit der Einstellung der Arbeiten in den Gipsbrüchen die Ära des Gipsabbaues in der Gemeinde Bous für immer. Der Abbau des Gipsgesteins war wirtschaftlich nicht mehr gewinnbringend. Es war günstiger Gips- und Alabaster- produkte aus dem nahen Ausland zu Verwendung von Gipsgestein im Mauerwerk älterer Häuser in Erpeldingen beziehen. Die Zeit nach dem Gipsabbau Bis zum Ankauf der Gipsbrüche durch die Gemeinde im Jahre 2003 wurden die Gipsbrüche sich selbst überlassen. Genutzt 13 wurden sie bis dahin als Motocrosspiste und als Schuttdeponie. Aufgrund der zahlrei- chen, hier vorkommenden Kaninchen wurde hier auch gejagt. Das Erscheinungsbild der Gipsbrüche hat sich seit ihrer Stilllegung stark gewandelt. Eine sehr abwechslungsreiche und zum Teil Gips- Eigenschaften bereits dichte Vegetation konnte in den Beim Erhitzen („Gips-Brennen“) gibt der anfangs noch offenen, von Gipsgestein und Gips einen Teil des „Kristallwassers“ ab. Bodenhalden dominierten Gipsbrüchen Fuß Rührt man „gebrannten Gips“ mit der fassen und sich ausbreiten. Bereiche mit richtigen Menge Wasser an, so wird das dichtem Heckenbewuchs, grasbewachse- Wasser wieder in den Kristall eingebaut nen Halden und unbewachsenen offenen und der Gips wird wieder fest. Abbruchkanten dominieren heute die Rigolen Gestalt der Gipsbrüche. Die ersten großen Lockerung des Bodens vor der Neuanlage Laubbäume ragen bereits zwischen den eines Weingartens durch 30 bis 80 cm, in Heckensträuchern hervor. seltenen Fällen bis 120 Zentimeter tiefes So haben sich die Gipsbrüche, ohne Zutun Pflügen. Das niederländisch-französische des Menschen, zu wichtigen Rückzugs- rigole bedeutet tiefe Rinne oder Entwäs- gebieten der heimischen Fauna und Flora serungs-Graben. Die zum Teil seit tausend entwickelt. Jahren genutzten Weingärtenböden wur- den früher alle 30 bis 80 Jahre von Hand rigolt. Heute erfolgt dies maschinell alle 20 bis 40 Jahre, soweit nicht vollständig darauf verzichtet wird. Dadurch wird eine Lockerung des Bodens, die Beseitigung von verdichteten Schichten sowie die Anrei- cherung des Unterbodens mit fehlenden Nährstoffen erreicht, was besonders beim Pflanzen der Jungreben sehr wichtig ist. Schon die Etrusker... Gips und Alabaster wurden bereits von den Etruskern verwendet. Der Alabaster wurde vorzugsweise zur Herstellung von Kunstgegenständen wie Statuen und Vasen gebraucht. Auch als Werkstein in der Architektur kam der Alabaster zum Einsatz. Gips wiederum fand als Mörtel beim Bau von Wehrbauten des Mittelalters und der Römer Verwendung. Gipsabbau „um Hiewelbierg“

Die Arbeit im Gipsbruch 14 In mühsamer Handarbeit mussten die Bergbauarbeiter mit Pickel und Schaufel die wertlose, obere Bodenschicht (= taubes Gestein) entfernen und abtransportieren. Anschließend wurde das freigelegte Gips- gestein mit Brecheisen herausgetrennt, Beim Untertagebau mussten Stollen, die mit auf geladen und zur Weiterver- Fichtenpfosten abgestützt waren, in den Hang Buggies gegraben werden arbeitung nach Remich ins Gipswerk trans- portiert. Diese Abbaumethode, bei der das Die Arbeit Untertage war, da man hier auch Gipsgestein freigelegt, also zu Tage gelegt auf Sprengmittel zurückgriff, nicht ganz wird, bezeichnet man als Tagebau. ungefährlich. So kam es vor, dass sich bei Sprengarbeiten, lockeres Erdreich einer so genannten cloche (Glocke), in die Galerien ergoss. Erst nach dem Wegräumen der Erd- massen und dem erneuten Abstützen der Decke mit Fichtenpfosten konnte die Arbeit fortgesetzt werden. Wurde jedoch ein größerer Alabasterstock, eine Mouder wie dies in der Fachsprache der Bergbauarbeiter hieß, aufgespürt, war der Monatslohn abgesichert. Der typische Tagebau – „um Hiewelbierg“ klirrende Porzellanklang der ertönte, wenn ein Grubenarbeiter mit seinem Brecheisen Am Hiewelbierg wurde zusätzlich Alabaster gegen einen solchen Alabasterstock stieß, ein besonders wertvolles reines und sehr bestätigte den erfolgreichen Fund. feinkörniges Gipsgestein gewonnen. Der Abbau der Alabasterschichten erfolgte Das im Tagebau gewonnene Gipsgestein im Gegensatz zum „normalen“ Gipsgestein war im Gegensatz zum reinen Alabaster jedoch Untertage (Untertagebau). mit mehr oder weniger Mergel verunreinigt, Zwei 50 m lange Hauptstollen mit zahl- daher auch die typische rotbräunliche reichen Nebengalerien wurden hierfür in Färbung. den Hiewelbierg getrieben. So konnte der wertvollen Alabasterschicht direkt ohne großen Bodenabtrag zu Leibe gerückt werden.

Mit Mergel verunreinigtes rot gefärbtes Gipsgestein 15

Überbleibsel der Schienenanbindung: als Zaunpfosten umfunktionierte Schienen

Abtransport und Weiterverarbeitung Der Abtransport des gewonnen Gipsgesteins erfolgte am Hiewelbierg mittels Buggies über einen schmalen Schienenstrang der bis in die Stollen führte. Die mit Gipsgestein und Alabaster gefüllten Buggies wurden von Pferden (Ardenner) den steilen Hang gegenüber dem Stollen- eingang hinauf und weiter bis zum Standort Buedebach am Scheuerberg gezogen, wo das Gipsgestein und der Alabaster in Spezialwaggons der Jhangelibahn umgeladen wurden. 4. Landwirtschaft und Naturschutz Die Landschaft im Wandel der Zeit Intensivierung oft gleichzeitig von Ex- tensivierungen begleitet werden. Betrachtet Der Rundweg führt den Besucher durch man die Landschaft heute, so lassen sich 16 eine sehr abwechslungsreiche Landschaft die beiden Stränge Intensivierung und Ex- mit Äckern, Wiesen, Weiden, Weinbergen, tensivierung gleichermaßen in der Land- Bongerten, Brachen und Wäldern. schaft wiederfinden. Dieses Bild der Landschaft ist aber nur eine Momentaufnahme, denn die Landschaft Um ein Bild der Landschaft in historischer ändert sich im Laufe der Zeit in Abhängig- Zeit zu erhalten, eignet sich die recht keit von der bäuerlichen oder landwirt- genaue Karte, die in den Jahren 1771-1777 schaftlichen Nutzung der Flächen. im Auftrag der österreichischen Regierung Die Art und Weise sowie die Intensität der unter Maria Theresia vom Generalleutnant Landnutzung haben sich aber im Laufe der Ferraris erstellt wurde (Cartes de Ferraris). Zeit stark gewandelt, wobei Vorgänge der

Weinberg

Feuchtwiesen

Wald Acker

Noch gegen Ende des 18. Jhdts. zeigt die Landschaft In der Landschaft fehlen die „Bongerten“ weitgehend. um Erpeldingen eine Verteilung der landwirtschaftli- Die flachen, stark austrocknenden Standorte auf den chen Nutzung bei der Ackerbau dominiert. Kuppen wurden sehr wahrscheinlich als gemeinde- Wiesen und Weiden finden wir ausschließlich in den eigene Weiden („Haed“) genutzt. feuchten Tallagen. Der Weinbau beschränkt sich in den Seitentälern der Mosel auf kleinere Flächen an (Carte de Ferraris 1771-1777) südexponierten Hängen. Vor rund 200 Jahren wurde fast der In den letzten 100 Jahren ist im Zuge der gesamte Gemeindebann beackert. Der Anteil Mechanisierung in der Landwirtschaft an Ackerflächen ist mittlerweile drastisch die Befahrbarkeit mit Maschinen zum zurückgegangen und beschränkt sich heute wichtigsten Standortfaktor geworden, der auf einzelne Äcker in den flacheren Lagen. darüber entscheidet, ob eine Fläche bewirt- 17 Der Anteil an Wiesen und Weiden hat da- schaftet und intensiviert wird oder ob sie gegen stark zugenommen. Beschränkten extensiviert wird oder gar brach fällt. Dieser sich die Wiesen früher auf die nassen Vorgang hat sich besonders in den letzten Tallagen, so wird heute ein großer Teil der 50 Jahren, vor dem Hintergrund des in der Flächen um Erpeldingen als Wiesen und Landwirtschaft stattfindenden Struktur- Weiden genutzt. Stand früher die bäuer- wandels (Abwanderung von Arbeitskräften, liche Produktion von Brot-, Futtergetreide, zunehmende Mechanisierung, Steigerung der Kartoffeln oder Faser- und Ölpflanzen Erträge durch Düngemittel und Pflanzen- wie Lein (Flachs) zur Selbstversorgung schutzmittel) stark beschleunigt. Vor diesem im Vordergrund, so hat mittlerweile eine Hintergrund hat sich auch das Landschafts- stärkere Spezialisierung auf die Milch- bild stark gewandelt. Ackerunkräuter, Mager- produktion stattgefunden. rasen und hageres, artenreiches Grünland Die erste Phase der Umwandlung von sind heute ebenso selten geworden, wie gut Acker in Grünland fand bereits zu Beginn unterhaltene „Bongerten“. des 20. Jahrhunderts statt. Die Einführung von Mineraldüngern ermöglichte bessere Erträge auf den gut zu bewirtschaftenden Ackerstandorten, sodass schwer zu bewirt- schaftende steilere Lagen, trockene Hänge und Kuppen zuerst in Weiden und Wiesen umgewandelt wurden. Da diese Flächen nicht oder nur sehr wenig gedüngt wurden, konnten sich hier recht artenreiche Trocken- rasen und Magerwiesen etablieren. Gleichzeitig wurden die besten und wärms- ten, meist süd- oder westexponierten Lagen mit Wein oder Obstbäumen aufgepflanzt. Landschaft um Erpeldingen. Zu Beginn des 20. Jhdts Die Landschaft um Erpeldingen dürfte ist die Kuppe des „Scheierbierg“ noch kahl. Die Flächen werden überwiegend als Acker oder als extensives in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts Weideland genutzt. (Postkarte zu Beginn des 20. vermutlich am vielfältigsten gewesen sein. Jhdts, Bibliothèque Nationale de Luxembourg) Erst nach dem zweiten Weltkrieg setzte eine neuerliche Phase der Intensivierung ein, der Die wenigen, noch existierenden Bestände im Laufe der Zeit ein Großteil der Äcker und kommen heute meist nur mehr kleinflächig Bongerten zum Opfer fielen. Auf vielen ehe- an den Rändern der landwirtschaftlichen maligen Äckern finden wir heute überwie- Flächen oder in schwer zu bewirtschaftenden gend intensiv genutztes Silagegrünland und Teilen der Landschaft vor. Da sie ihre an den wärmeren Hängen des Scheier- und Bedeutung für die landwirtschaftliche des Hiewelbierges Weinbau. Produktion weitgehend eingebüßt haben, Die noch vor rund 50 Jahren recht ver- kümmert sich heute der Naturschutz häufig breiteten Bongerten sind heute mehr oder um die Aufrechterhaltung der Bewirt- weniger brach gefallen. schaftung der Flächen. Die Landwirtschaft: auf denen eine große Artenvielfalt anzu- Früher Förderer, heute Verursacher des treffen ist, sind heute sehr selten geworden. Artenrückgangs Nutzungsintensivierung und massiver Einsatz von Dünger auf den landwirtschaft- Noch bis 1950 vermochte der Mensch die 18 lichen Flächen haben zu einer Vereinheit- naturgegebene Vielfalt durch die Bewirt- lichung und somit einer floristischen und schaftung der landwirtschaftlichen Flächen faunistischen Verödung der Kulturland- noch zu steigern. Der seitdem erfolgte schaft geführt. Strukturwandel d.h. Rückgang der Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe und Zusammenlegung zu großen Agrarbetrie- ben, sowie veränderte Arbeitsmethoden haben zu einem drastischen Rückgang der natürlichen Artenvielfalt auf den landwirt- schaftlichen Flächen geführt.

Weder das Brachfallen (links), noch die intensiv ge- nutzten landwirtschaftlichen Flächen (rechts) sind der natürlichen Artenvielfalt zuträglich.

Nutzungsintensivierung der Land- bewirtschaftung Moderne Grünlandwirtschaft Hochertragswiesen werden zum Beispiel Blick über die Ackerlandschaft um Erpeldingen. 4 (-5) mal im Jahr gemäht. Der erste Noch bis nach dem zweiten Weltkrieg war die Bestel- lung des Landes mit Pferden in der Landschaft um Schnitt erfolgt bereits Mitte Mai, so dass Erpeldingen üblich. Blütenpflanzen erst gar keine Gelegenheit (Foto, Theo Mey 1952. Photothèque de la Ville de zum Blühen bekommen. Auf solch bewirt- Luxembourg) schafteten Futterwiesen können nur einige wenige schnell wachsende Gräser bestehen. Die ab der 1970er Jahre in Luxemburg Lichthungrige Blütenpflanzen werden bei durchgeführten Felder- und Weinbergs- dem vorgegebenen Lebensrythmus in deren zusammenlegungen (=Flurbereinigungen) Schatten zurückgedrängt, sie kommen haben diese Entwicklung noch beschleunigt. nicht mehr zur Aussaat und verschwinden Kleine von Hecken umsäumte Wiesen, aus den so bewirtschafteten Wiesen. Im Weiden und Äcker sowie von Trocken- Frühling bringen lediglich Blumen wie der mauern abgestützte Weinbergsterrassen Hahnenfuss und der Löwenzahn etwas wurden zu großen zusammenhängenden Abwechslung in das eintönige von Gräsern mit landwirtschaftlichen Maschinen dominierte Wiesenbild. bearbeitbaren Feldern und Weinbergen zu- sammengelegt. Extensiv genutzte Flächen Zahl der Pflanzenarten einer Wiese in Abhängigkeit von der Bewirtschaftungsintensität 19

Briemler, Gottfried: Wiesen, Weiden und anderes Grünland Claus-Peter Hutter (HRSG) 1993

Nutzungsaufgabe landwirtschaftlicher Agrarflächen In nicht mehr genutzten Wiesen und Weiden verändern sich die Bestandsstruktur und das Arteninventar mitunter sehr rasch. Es sind vor allem Flächen deren Bewirtschaftung sich im Vergleich zum Ertrag nicht mehr lohnt (=Grenzertragsflächen), Feucht- und Nasswiesen sowie Trocken- und Halb- trockenrasen. Bei ausbleibender landwirt- schaftlicher Nutzung entwickeln sich diese brach liegenden Wiesen und Weiden infolge der Abfolge der natürlichen Vegetations- entwicklung von Staudenfluren über Verbuschung zu geschlossenen Wäldern (= natürliche Sukzession). Der Standort „Haed„ ist ein bunt blühender Halbtrockenrasen mit Wiesen-Salbei und Aufrechter Am Standort Haed, hat sich seit der Auf- Trespe. Derartige Bestände bestimmten früher gabe der landwirtschaftlichen Nutzung auf vielfach das Bild der Keuperlandschaft. Heute großen Teilbereichen bereits eine dichte sind diese Relikte früherer Nutzungen fast verschwunden bzw. sie kommen nur mehr dort vor, Gehölzvegetation eingestellt. wo die landwirtschaftliche Intensivierung nicht Auch wurde ein Teil der Fläche mit Fichten stattgefunden hat. aufgeforstet. Gegenwärtig ist lediglich ein Flächen dieser Art sind für den Artenschutz wertvolle Biotope. Ihr Fortbestand ist aber an eine regelmäßige schmaler offener Wiesenstreifen vorhanden, Nutzung gebunden. welcher nur durch regelmäßiges Mulchen von Gehölzen frei gehalten werden konnte. 5. Buedebaach Umladestation

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Am Ort Buedebaach kippte man das und ließ sich zum Gipsbruch hinunter rollen. Gipsgestein und den Alabaster in Spezial- Gebremst wurde mit einem zwischen die waggons der Jhangelibahn. Räder des Buggies eingeklemmten Wein- Waren gerade keine oder nicht ausreichend bergsstock. Spezialwaggons vorhanden, so wurde Im Remicher Gipswerk wurde der wertvolle das Gipsgestein neben der Umladestation Alabaster in der Hummermillen zermahlen zwischengelagert und später per Hand mit und anschließend in einem speziellen Gips- der Schaufel in die Waggons geschaufelt. ofen gebrannt. Das mit Mergelboden verunreinigte Gips- Die leeren Buggies wurden anschließend gestein hingegen wurde „roh“ im Gipsofen ohne Pferdekraft zurück zum Gipsbruch be- erhitzt und erst später gemahlen. fördert. Ein Arbeiter nahm im Buggie Platz 21

Der „Jhangeli“ durchquert die Weinberge zwischen Scheuerberg und Ellingen 6. würden sämtliche Infrastrukturen sowie Die Schmalspurbahn die Nutzung an den luxemburgischen Staat Jhangeli über gehen. Am 18. Februar 1882 war es soweit: Der Eisenerzabbau spielte eine entscheiden- Die Schmalspurbahn Luxemburg - Remich de Rolle bei der Entstehung der Eisenbahnen wurde feierlich eingeweiht. und vornehmlich der Schmalspurbahnen in Der Jhangeli, wie der Zug im Volksmund Luxemburg. genannt wurde, pendelte Anfangs zweimal Um den Eisenbahnbau zu fördern, ohne täglich zwischen der Stadt Luxemburg und jedoch die Staatskassen zu sehr zu belasten, Remich. Sowohl Personen- als auch Güter- entschloss sich der Staat dazu, privaten waggons wurden von einer Dampflok auf Eisenbahngesellschaften Eisenerzlager einer 1 m breiten Schienenspur (= Schmal- anzubieten. Aus dem Erlös der verkauften spur) befördert. Erze sollte der Bau und der Unterhalt der Von der Stadt Luxemburg ging es über Hes- Eisenbahnen finanziert werden. peringen, Alzingen, Weiler zum Turm, Aspelt, Für den Bau der Remicher Schmalspurbahn Altwies, Mondorf/Dorf, Mondorf/Bad, Jhangeli - gewährte der Staat der Gesell- Ellingen und Scheuerberg nach Remich. schaft der Luxemburger Sekundärbahnen (L.S.B.) eine Abbaukonzession von 100 ha Charakteristisch für den Jhangeli war, dass Erzlager, welche sich aus der gebauten weitgehend das vorhandene Straßennetz Bahnlänge errechnete. So erhielt die benutzt wurde. Nur an einigen Strecken- Gesellschaft pro gebauten Eisenbahnkilo- abschnitten wurde ein eigener Bahndamm/ meter 3 1/3 ha Erzfeld. Die Ausbeutung der Bahnkörper errichtet, so auf der Strecke Schmalspurbahn durch die L.S.B wiederum Ellingen – Scheuerberg – Remich. wurde auf 95 Jahre festgelegt, danach 22

Die Dampflokomotive des Jhangeli“bei einem Halt auf Scheuerberg

Der Abbau des Gipsgesteins am Hiewelbierg bescherte den Betreibern der Jhanglibahn eine gesicherte Einnahmequelle. So geht aus Die „Jhangelisbunn“ verlief lediglich zwischen der dem Geschäftsbericht der Sekundärbahn- Haltestelle Scheuerberg und „Ellange gare“ nicht entlang einer Straße, sondern schlängelte sich in zahl- gesellschaft hervor, dass im Jahr 1883 von reichen, teils sehr engen Kurven durch den Wald. Scheuerberg aus 260 Tonnen Gipsgestein nach Luxemburg und 202 Tonnen Gips- Zughaltestelle Scheuerberg und die gestein nach Remich befördert wurden. Belebung der lokalen Wirtschaft Von der Jhangelibahn profitierten ebenfalls die Einwohner der Gemeinde Bous. Viele verdienten sich, sei es beim Bau und später beim Betrieb der Bahn als Schaffner oder als Rottenarbeiter beim Unterhalt der Gleisanlagen ihren Lebensunterhalt.

Haltestelle „Scheierbierg“ Dass es auf dem Scheuerberg eine Halte- stelle gab, ist Josef Robert Lenné, Bewirt- schafter des Reckingerhofes, zu verdanken. Herr Lenné ließ 1883 ein Landhaus errichten das als Bahnhofsgebäude diente. Schalter- raum, Warteraum und Gaststätte befanden sich dort unter einem Rottenarbeiter vor ihrer Holzbude am Scheuerberg. Dach. Die Station besaß einen 5 Tonnen Kran und ein Aus- weichgleis. 23

Gesamtansicht der „Jhangeli“-Haltestelle „Scheierbierg“ und der 1885 kurz nach der Inbetriebnahme der Bahn erbauten „rue Scheierbierg“

Der Jhangeli – Auf dem Scheuerberg wurde eine Haltestelle Motor der Dorfentwicklung errichtet und im Jahre 1885 baute man eine Zufahrtstraße – die rue Scheuerberg . Die Inbetriebnahme der Bahn ging in der Dort entstanden, zwar erst viel später in Gemeinde Bous auch mit einer gewissen den 1970er Jahren viele neue Wohnhäuser. Bautätigkeit einher. Zum einen benötigte Die Jhangeli Haltestelle Scheuerberg mit- man nun für den Bahnbetrieb neue Infra- samt der rue Scheierbierg bilden heute ein strukturen zum anderen entstanden in eigenes, von Erpeldingen etwas den Ortschaften in unmittelbarer Nähe der abgekoppeltes Wohnviertel. Bahnhaltestelle neue Wohnviertel. 7. Eine Arbeitserleichterung bestand in der ge- Gipsabbau legentlichen Verwendung von Sprengstoff. im Bueläcker Der einzige Wermutstropfen bestand darin, dass die Bergbauarbeiter das Dynamit aus 24 eigener Tasche bezahlen mussten. Im Bueläcker wurde wie am Hiewelbierg Gipsgestein abgebaut. Die reinere Form Das herausgebrochene Gipsgestein wurde des Gipsgesteins, den Alabaster, gab es je nach Qualität bis zum Abtransport in hier jedoch nur in sehr geringem Umfang. den drei Silos gelagert. Per Lastkraftwagen Die Galerien waren hier nicht so weitläufig gelangte das Gipsgestein zur Weiterver- wie am Hiewelbierg und der gewonnene arbeitung nach Remich ins Gipswerk. Alabaster fand sich lediglich in kleineren Eine schienengebundene Anbindung an die Stöcken, Mouder von 20-30 Tonnen. Schmalspurbahn Jhangeli gab es hier nicht. Die Arbeiten erfolgten ebenfalls wie im Das wertlose Gestein wurde mit Buggies Hiewelbierg in harter Handarbeit im Akkord über eine Holzbrücke zu einem gegenüber und ohne Einsatz von großem Gerät. dem Gipsbruch befindlichen Grundstück

Die Überreste der Gipssilos im „Bueläcker“

befördert und entleert. Es gab ins- gesamt zwei solcher Holzbrücken die den Feldweg überspannten und zu jeweils einem Ablagerungsplatz führten.

Rechts und links des Weges sieht man die Fundamente einer Holzbrücke, über die das wertlose Gestein zur Halde auf der anderen Straßenseite befördert wurde 25

Noch gut erkennbar sind die Fundamente des ehemaligen Wärterhauses hier im „Bueläcker“

Ein Aufsichtswärter verfolgte, von einem Manchmal gelang eigens hierfür errichteten Wärterhaus es den Arbeitern wachen Auges alle Arbeitsabläufe und den Wärter zu notierte sich etwaige Missstände. überlisten indem sie ein Buggy Der Wärter führte ebenfalls Buch über die zuerst mit Boden Anzahl der beförderten Buggies und füllten und zu- deren Ladung also Gipsgestein, Boden letzt obendrauf, und Alabaster. Diese Buchführung war gut sichtbar, eine ausschlaggebend für die Berechnung des dünne Schicht Verdienstes der Grubenarbeiter. Der Lohn wertvollen der Grubenarbeiter errechnete sich nämlich Alabasters oder Gipsgestein kippten. aus der Anzahl der aus dem Bruch be- Diese Unregelmäßigkeiten blieben jedoch förderten Buggies. Wobei pro Buggy Boden, nicht ganz unbemerkt, denn spätestens im 20 Franken, pro Ladung Gipsgestein und Gipswerk in Remich flog dieser Schwindel pro Ladung Alabaster, 32 Franken bezahlt auf. Dann waren die Lohntüten allerdings wurden. schon längst verteilt. 8. Diese Situation hatte zur Folge, dass der Ort Erpeldingen – über lange Zeit hindurch ein kleiner Flecken Ein Dorf im Laufe der blieb, in dem die Zeit scheinbar etwas lang- Zeit samer zu vergehen schien. 26 Das Dorf Wesperingen (Ierpeldeng) war merkwürdig angelegt. Dicht drängte Wenn man heute durch sich Haus an Haus, lückenlos lief die Doppelzeile der Häuser der Straße ent- lang; nur selten unterbrach ein Pfad oder ein Weg ins Feld die Häuserreihe. den Dorfkern von Da war kein Raum für ein Gärtchen mit farbenfrohen Blumen vor oder neben Erpeldingen spaziert, dem Haus, kein Hof, nur hie und da ein Brunnen oder eine Pumpe neben dem so findet man noch Düngerhaufen, auf dem die Hühner und Hähne ihre Kämpfe ausfochten. Es gab wohl inmitten der alten, ärmlich aussehenden Wohnungen etliche Aus- reichlich Spuren der Ver- nahmen, aber diese Häuser lagen meist, wie die Elternhäuser Adis und Leos, am gangenheit. Es fällt auf, Ausgang des Dorfes und verrieten schon dadurch, dass sie erst in neuerer Zeit dass es auch heute noch errichtet worden waren. Die paar Nebengassen waren womöglich noch enger und die Häuser wunderlich verzwickt ineinandergeschoben. neben einigen größeren (Paul Noesen, Die Reiherjagd und andere Geschichten. 1931) Höfen eine ganze Reihe kleinerer Häuser gibt. Erpeldingen ist nie ein sehr reiches Dorf Obwohl vereinzelt auch neue, um- und gewesen. Im Vergleich zum reichen Moseltal ausgebaute Häuser dazwischen stehen, so war das Hinterland wesentlich ärmer, stammt doch ein Gutteil der Häuser aus profitierte aber bis zu einem gewissen Grade den Anfängen des 20. Jahrhunderts oder ist vom nahe gelegenen Absatzmarkt des sogar noch älter. Der Dorfkern hat auf diese Moseltales. Auch innerhalb des Hinterlandes Weise ein Stück weit die Geschichte des lag Erpeldingen allerdings etwas abseits, Ortes der letzten 200 Jahre erhalten. vergleicht man es etwa mit den verkehrs- günstiger gelegenen Orten wie Bous.

Häuserreihe in der Hauptstraße von Erpeldingen Links ein umgebautes kleines Bauernhaus aus dem 19. Jahrhundert mit Wohnteil und Scheune. Rechts zwei Häuser aus dem späten 19. oder dem Beginn des 20. Jahrhunderts, die auf recht schmalen Parzellen älterer Handwerkerhäuser errichtet wurden. So zählte der Ort etwa seit den frühesten Hinzu kommt, dass zu dieser Zeit eine Aufzeichnungen des 15. Jahrhunderts bis deutliche Intensivierung der Landbewirt- zum Beginn des 30-Jährigen Krieges nur schaftung stattfindet. zwischen 18 bis 24 Feuerstellen, von denen Die alte Dreifelderwirtschaft wird von nach den Schrecken des Krieges nur noch modernen Fruchtfolgewirtschaften mit 27 3 übrig bleiben. Kleegras, Rüben, Flachs und der neu ein- Erst die längerwährende Friedenszeit des geführten Kartoffel abgelöst. 18. Jahrhunderts unter französischer und Mit dem Einfall der französischen ab 1769 unter österreichischer Herrschaft Revolutionstruppen endet auch für Erpel- bescheren dem Lande einen Wohlstand, der dingen ab 1795 die Feudalzeit. Hatten die auch in Erpeldingen seinen Niederschlag Bauern das Land bis dahin in Erbpacht findet. So steigt etwa die Zahl der Häuser bewirtschaftet, wofür sie den Zehnt an von 14 (vor 1720) bis auf 48 (um 1790). die Herrschaft oder die Kirche abführen Die länger dauernde Friedenszeit und stabile mussten, so wurden sie nun zu freien Absatzmärkte sorgten für eine steigende Bauern, denen das Land gehörte. An die Nachfrage nach landwirtschaftlichen Stelle des Zehnt traten nun die Steuern, Erzeugnissen. die sie an den Staat zu entrichten hatten.

Bewohner in Erpeldingen 1824 Witwen 13% ledige Frauen 5% Sattler 1% Schreiner 3% Hufschmied 3% Tagelöhner 32% Anstreicher 3% Strohdecker 1% Wagner 4%

Zimmerer 1% Schneider 3% Wirt 1% Schuster 5% Lehrer 1% Bauern 11% Weber 13%

Verteilung der Berufe oder kleine Handwerker gegenüber, die ihrer- Sozialstände in Erpeldingen um 1824 seits ebenfalls eigenes oder zugepachtetes Land und meist einen kleinen Weinberg zur Ein gutes Bild der Verteilung der Berufe und eigenen Versorgung bewirtschaften. Sozialstände liefert das Kataster und die Der recht hohe Anteil dieser Landlosen Haushaltszählung um 1824 macht verständlich, dass sie gerade zu dieser Zeit versuchten durch Auswanderung Auch hier sieht man, dass das Dorf zu ihre Lebensqualität zu verbessern. Beginn des 19. Jahrhunderts alles andere als reich war. Denn einer Handvoll Bauern stehen zahlreiche Tagelöhner, Weber und Erst die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts mit heute, so sind die Veränderungen der mit der beginnenden Industrialisierung letzten 150 Jahre nur auf den ersten Blick bringt einen neuen Reichtum auf dem nicht sehr groß. Lande (gute Absatzmöglichkeiten, Ver- 28 besserungen der Infrastruktur und der Erst bei genauerer Betrachtung erkennt man landwirtschaftlichen Produktion, Düngung, die Unterschiede. Viele der ehemals kleinen …). In diese Zeit fällt ja auch die erste Tagelöhner- oder Handwerkerhäuser sind Phase des Gipsabbaus in Erpeldingen. verschwunden und später durch Neubauten Insgesamt zeugen auch heute noch viele ersetzt worden. Meist wurden dabei die Häuser und ausgebaute Höfe des aus- alten Häuser abgerissen und anschließend gehenden 19. Jahrhunderts von dieser tiefere und höhere Häuser auf der gleichen Phase der Intensivierung und eines breiteren Parzelle gebaut oder es wurden gleich zwei Reichtums in Erpeldingen. benachbarte Parzellen zusammengelegt. Die Sozial- und Baustruktur hält noch weit Diesen Vorgang der Vergröberung der Par- bis ins 20. Jahrhundert mit an. zellierung finden wir sowohl im Ort, wie Und viele der alten Handwerker und Tage- auch in der umliegenden Landschaft wieder. löhnerhäuser verschwinden erst nach dem

Vergleich des Hausbestandes von 1824 mit dem heutigen Hausbestand (rot = Hausbestand 1824, grau = aktueller Hausbestand)

Zweiten Weltkrieg. Bis zu diesem Zeitpunkt Die beginnende Industrialisierung hat viele gibt es in Erpeldingen ebenfalls noch eine handwerkliche Arbeitsplätze auf dem Lande ganze Reihe von kleineren Handwerkern zerstört und damit viele kleine Handwerker und Läden, sodass sich viele Facetten des erst arbeitslos und später dann landlos Dorflebens aus dem späten 19. Jahrhundert gemacht. noch bis ins 20. Jahrhundert halten konnten. Wenn sie keine Arbeit in den neuen Schaut man sich die Bebauung zu Beginn Industriebetrieben fanden, war für viele die des 19. Jahrhunderts an und vergleicht sie Auswanderung oft der einzige Ausweg. Gleichzeitig brachte in Erpeldingen aber auch der Abbau von Gips und Alabaster gegen Ende des 19. Jahrhunderts und die neu geschaffene Anbindung an die Bahnlinie Remich-Luxemburg eine strukturelle Ver- 29 besserung der Arbeitsmöglichkeiten. Dennoch blieb in Erpeldingen bis heute vieles Erhalten, das in der Geschichte des Ortes eine Rolle gespielt hat, und dazu zählen neben den Gipsbrüchen am Hiewelbierg und am Bueläcker eine Reihe weiterer Stationen und Wie eng die Verflechtung des Gipsabbaus mit dem Orte, die es noch zu entdecken gibt. Leben im Dorf war, zeigt auch das Beispiel der Lourdes- grotte, in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts an der Straßenkreuzung zur „Hiel“ errichtet wurde. Die Grotte wurde aus Gipssteinen gebaut, die aus dem Steinbruch vom „Hiewelbierg“ stammen.

Geburtshaus von Paul Noesen in der „Hiel“, der heute nach ihm benannten rue Paul Noesen

Paul Noesen (1891-1960) Wohl kein anderer als der in Erpeldingen geborene Paul Noesen hat die Gegend, die Ierpeldenger und das Leben im Dorf mit so viel Sympathie und so facettenreich beschrieben wie er. Sein Geburtshaus steht in der Hiel, an der heute nach ihm benannten Straße. Er entstammt einer alteingesessenen Erpeldinger Leineweber- und Winzerfamilie, ist also auch von zu Hause aus ein waschechter Ierpeldenger gewesen. 30

© Origine Administration du Cadastre et de la Topographie Luxembourg (ACT) Autorisation de publication du 10.08.2009

LEGENDE Länge des Rundweges: 5,5 km Dauer: ca. 2 Stunden Wege überwiegend asphaltiert, teilweise nur geschottert

Stationen, bezugnehmend auf die Kapitel dieser Broschüre Informationstafeln am Rundweg 31

IMPRESSUM

Text: Fondation „Hëllef fir d‘Natur“ Yves Kail, Georges Moes Fotos und Bildmaterial: Yves Kail, Georges Moes, Joseph Johanns, Fernand Urhausen Theo Mey (Photothèque de la Ville de Luxembourg) Postkarten (Bibliothèque Nationale de Luxembourg) Illustration: Pit Wagner Satz und Layout: Fernand Urhausen Quellennachweis: Briemler, Gottfried: Wiesen, Weiden und anderes Grünland, Claus-Peter Hutter (HRSG) 1993 Dësch-Tennis Ierpeldeng 1984: Ierpeldéng, eischt Duef, Impr. J. Schomer, Remich Dittrich, D. 1993: Erläuterungen zur geologischen Karte von Luxemburg 1 : 25 000. Blatt Nr. 11 Grevenmacher und Blatt Nr. 13 Remich. Veröffentlichungen des Luxemburger Geologischen Dienstes. Luxemburg. Federmeyer Ed.: Schmalspurbahnen in Luxemburg Groupement des amis du rail [HRSG] Luxemburg: G.A.R., [1992-1994], Crauthem, Lux-print Collation 2 vol. (417 p. ; 498 p.) Noesen, Paul 1931:Die Reiherjagd und andere Geschichten. Impr. Worré-Mertens, Luxemburg Noesen, Paul 1937: Der Alabastersucher. In: Bunte Heftchen, Verlag A. Speyer, Luxemburg Noesen, Paul 1946: Bedrängte Heimat, Die Chronik eines Jahrzehnts, Impr. St. Paulus, Luxemburg Noesen, Paul 1956: Bevölkerung. In: 1906-1956 Sapeurs-Pompiers Erpeldange 50e Anniversaire Schweitzer, Denise 1984: Die Erpeldinger Gipsbrüche. In: Ierpeldeng, éischt Duerf.: 147-155. Remich Thill, N. 1984: Die Chronik der Kirchen und Kapellen. In: Ierpeldeng, éischt Duerf.: 93-137. Remich Kartenmaterial: Administration du Cadastre et de la Topographie Luxembourg (ACT). Ponts et Chaussées, Division des Services Spéciaux, Service Photogrammétrique Carte de Cabinet des Pays-Bas Autrichiens – Levée à l’initiative du comte de Ferraris: Mémoires Historiques, Collection historique, Série IN 4, No 4. Copyright Bibliotheque Royale de Belgique Et Editions Pro Civitate, Bruxelles (1965).

Bous, Oktober 2009 32